1884 / 234 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 04 Oct 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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Fs im Geltungsbereih des Preuß. Allg. Landrechts ein von einen Ehemanne mit eïhem Dritten abgeshlossener Kaufv/ h.¿r?, durch welhen än den Dritten ein zum güter, on shaftlihen Vermögen gehöriges Grund- stück veri. Fer. werden soll, wegen Mangels der Einwilligung der gütergeMeinschaftlihen Ehefrau für ungültig erklärt und aufgehoben worden, so haftet, nah einem Urtheil des R ei chs- gerihts/IV. Civilsenats, vom 23. Juni d. J., für die Er- stattung ‘des gezahlten Kaufgeldes an den das Kaufobjekt zurückgewährenden Käufer das gütergemeinschaftliche Vermögen der Ehefrau, selbst wenn dem Käufer zur Zeit des Kauf- vertragsabshlusses das Bestehen des gütergemeinschaftlihen Verhältnisses und die Nichtbefugniß des Ehemanns zum alleinigen Verkaufe des Grundstückes bekannt gewesen war. Diese Verpflihtung der Ehefrau wird auch nit durch die Trennung der Ehe aufgehoben.

Hannover, 3, Oktober. (Hannoverscher Courier.) Jn der heutigen (5.) Sißung des 18. hannoverschen Pro- vinzial-Landtages wurde die Berathung des Finanz- Etats für 1885 fortgeseßt. Die gestern abgebrochene Debatte über die Anstellung der Chausseebau-Kassenrendanten in stän- dischen Diensten mit Pensionsberehtigung wurde wieder auf- genommen, und nah längerer Diskussion der Antrag des Ausschusses auf feste Anstelung und Pensionsberechtigung der Chausseebau-Rendanten mit Stimmenmehrheit abgelehnt. Für die Unterhaltung der Chausseen sind eingestellt: 1) für Ver- legung und Umbau von Chausseen 120 000 M, 2) für die regel- mäßige Unterhaltung 1600 000 #4, für Besoldungen und Remune- rationen 164000 #& Für den Landstraßenbau sind einge- stellt: 1) Beihülfen zum Landstraßenbau 485 245 46, zur Ver- zinsung der Anleihe 590 000 #, zur Tilgung der Anleihe 112 500 / An Beihülfen für Gemeindewege werden ein- estellt 150 000 behufs Bildung eines Fonds für Zu- üsse zu Landesmeliorationen 45 000 # Hierbei rect- fertigte Schaßrath Müller nochmals den Auss\chußantrag, der vor einigen Tagen zurückgestellt wurde: aus den zu dem Betrage von 1 429792 A angesammelten Beständen des Kreisordnungsfonds dem Landesmeliorationsfonds 100 000 M, dem Pensionsfonds 500 000 (, dem Aufforstungsfonds 629 792 M, dem Aufforstungs-Darlehensfonds 100 000 M, dem Dispositionsfonds für die Unterhaltung der Chausseen 100 000 M zu überweisen. Der Abgeordnete Brüning beantragte, die Debatte heute wieder auszusetzen ; dieser Antrag wurde genehmigt und dann bestimmt, daß die Debatte über diejen Ausschußantrag am Dienstag stattfinden soll. Für das Landarmen- und Korrigendenwesen werden verlangt: A. Behufs der Korrektions- und Landarmenanstalten pl. m. 285 991 e Es entfallen auf das Werkhaus zu Moringen 126 548 (4 Schaßrath von Wersebe referirte. Der Antrag, vom 1. Januar 1885 an die Besoldung des Direktors Warneck von 2800 /6 auf 3200 M, des ODekonomieinspektors Hartmann von 2150 A auf 2300 / und des Arbeitsinspektors Wickbold von 2250 /( auf 2400 46 zu erhöhen, wurde ohne Debatte geneh- migt. Der Ueberschuß bei dem landwirthschaftlichen Betrieb ist zu 7921 6 angeseßt, ab Verzinsung des Anlagekapitals mit 2650 6, bleibt Gewinn 5271 / Auf Anfrage des Abg. Tannen antwortete der Referent, daß die Korrigenden noch vortheilhaft mit landwirthschaftlichen Arbeiten beschäftigt würden, vorzugsweise im Auftrage Fremder. Auf die Korrektions- und Landarmenanstalt zu Wunstorf entfallen 91959 /4 Der Referent Schaßrath Müller bemerkte, daß die Differenzen mit dem Magistrat von Wunstorf wegen Ueberla\sung des Etablisse- ments wieder beigelegt zu sein schienen. Der tandwirthschaft- liche Betrieb soll einen Uebershuß von 2400 4, ergeben. Die Korrektions- und Landarmenanstalt zu Himmelsthür erfordert einen Zuschuß aus dem Provinzialfonds von 36 874 /( Ein Antrag, vom 1. Januar 1885 an die Besoldung des Haus- verwalters Bode von 1400 4 auf 1700 /( zu erhöhen, einen Aufseher mit einer Besoldung von 960 4 anzustellen und die Remuneration des Anstaltsarztes Dr. med. Dieckmann von 600 H auf 800 zu erhöhen, wurde genehmigt. Die Verzinsung und Amortisation der Darlehns\chulden des Land- armenverbandes erfordern 29610 M, die sonstigen, durch das Korrektionswesen veranstalteten Kosten sind zu 1000 M, ver- anshlagt. Behufs des Landarmenwesens ind eingestellt 273500 Á gegen 243000 / im Vorjahre. Die Ausgabe wurde genehmigt, dann auch die Position des Landarmenwesens in der Einnahme mit 5690991 /( festgestellt. Die Rechnun- gen der ständischen Hauptkasse und der Provinzial-Wittwenkasse Jür das Jahr 1883 wurden der Rehnungskommission über- wiesen. Es folgte die Berathung des Normaletats für die Beamten und Dienfstleute der provinzialständishen Jrren- anstalten, der an Stelle des im Jahre 1877 festgestellten treten soll. Schagrath Müller referirte. Bei der Hildesheimer Heil- anstalt foll der Minimalbefoldungssat der evangelischen Geist- Tichen 2400, das Maximum 3600, statt jet 3000 H, betragen. Anträge auf Einräumung einer Dienstwohnung unter Vor- behalt, den Maximalsay wieder zu ermäßigen, bleiben vor- behalten. Das Maximalgehalt des Rendanten joll von 2700 auf 3000 M erhöht werden. Auch die Stellen der Hausverwal- ter sowie der Ober-Aufseher sollen aufgebessert werden. Für den Oekonomieverwalter in Einum wird ein Minimalgehalt von 900, ein Marximalgehalt von 1800 M, festgestellt, da- neben freie Station dritter Klasse für ihn und seine Familie, Bisher war das Gehalt 720 / Die Aenderungen für Hildesheim wurden genehmigt. Aehnliche Aenderungen finden sich auch in den Normaletats für die Anstalten in “Göttingen und Osnabrück. Bei der Göttinger Anstalt bean- tragte Abg. Brüning, die Stelle eines Bureau-Assistenten zu streichen; der Antrag wurde abgelehnt. Bei der Osnabrücker Anstalt sällt infolge des gestrigen Beschlusses die Stelle eines Bureau-Assistenten aus. Es folgte die Wahl der Kommission zur Prüfung des Geseßentwurss über die Abstellung von Berechtigungen zum Hauen oder Stehen von Plaggen «.

Sachsen-Weimar-Eisenah, Weimar, 3. Oktober. (Thür. Corr.) Die Nachrichten über das Befinden des Gr o ß- herzogs und der Prinzessin Elisabeth, die in Biarritz weilen, lauten durchaus günstig.

ODesterreih - Ungarn. Wien, 1. Oktober. Das „Prager Abendblatt“ s{hreibt: Die Thronrede, mit welcher der Kaiser die Session des ungarischen Reichstages eröffnet hat, findet auch in der auswärtigen Presse ein sympathisches Echo. Namenilih sind es die Blätter des Deutschen Reiches, welche dieser Allerhöhsten Enuntiation in anerkennenden Worten gedenken und insbesondere jene Stellen derselben warm

begrüßen, welche die innigen Beziehungen zwischen Oesterreich- Ungarn und Deutschland hervorheben und die Erhaltung des Friedens betonen. Auch jener Abschnitt der Thronrede, welcher die bevorstehende Aufnahme der Verhandlungen wegen Erneuerung des Zoll- und Handelsbündnisses zwischen beiden Reichshälften zum Gegenstande hat, wird in der Presse viel- fa und in zustimmendem Sinne kommentirt, und es darf in dieser Richtung sicherlich als ein erfreulihes Symptom ver- zeihnet werden, daß die tonangebenden ungarischen Blätter sich dem Wunsche und der Erwartung nah beiderseitigem billigem Entgegenkommen rückhaltlos ans{ließen.

Schweiz. Bern, 3. Oktober. (W. T. B.) Der Bundes- rath hat beschlossen, daß der neue Zolltarif mit Neujahr 1885 in Krast trete.

Niederlande. Haag, 3. Oktober. (W. T. B.) Die Erste Kammer hat mit 33 gegen 3 Stimmen beschlossen, die Abänderung des Artikels 198 der Verfassung in Er- wägung zu ziehen. Diese Abänderung läßt jede Verfassungs- revision während einer Regentschaft zu, ausgenommen hin- sihtlih der Artikel über die Thronfolgeordnung. Jm Laufe der nächsten Woche wird die Auflösung der Kammern exfolgen. Der Entwurf zu einer ziemlich ausgedehnten Verfassungs- revision ist gegenwärtig dem Staatsrathe zugegangen.

Velgien. Brüssel, 3, Oktober. (W. T. B.) Der Redacteur des „National“, Dètre, französisher Unter- than, ist von der Regierung aus Belgien ausgewiesen worden und heute Abend na den Niederlanden abgereist. Ein Menschenhaufe begleitete ihn mit dem Rufe: Es lebe die Re- publik! und die Marseillaise singend nah dem Nordbahnhofe, der von Soldaten und Gensd’armen bewacht wurde.

Großbritannien und Jrland. London, 2. Oktober, (Allg. Corr.) Der Marquis von Salisbury hielt gestern Abend in der St. Andreashalle in Glasgow eine Ansprache an 4000 Konservative. Dieselbe war ausscließlich der Wahl- reformsrage und einer Vertheidigung des Oberhauses gegen jüngste Angriffe gewidmet. Jm Verlaufe seiner Rede bemerkte der Marquis: Der Premier-Minister habe die Frage betreffs des Charakters und der Gewalten der zweiten Kammer an- geregt, allein die Nation fürchte den Despotismus einer ein- zigen Kammer und begünstiae das Vorhandensein von zwei Kammern. Eine jede derselben müsse unabhängig sein, und wenn Differenzen zwishen denselben ent- stehen, müsse die Nation die Entscheidung darüber treffen. Das Oberhaus wolle seine Existenz niht durch irgend welche Mittel verlängern; es wolle si damit begnügen, in einem Verhältniß absoluter Unabhängigkeit von Jedermann, mit Ausnahme des englischen Volkes, zu leben. Der Herzog und die Herzogin von Edinburg besuchten gestern H ull, wo ihnen Seitens der städtishen Behörden und der Einwohnerschast ein feierliher Empfang bereitet wurde.

3. Oktober. (W. T. Der Regierung ist eine Depesche des General-Konsuls Baring in Kairo zugegangen, welche die Wiedereinnahme von Berber bestätigt und hinzusügt, General Gordon habe die Stadt, nachdem erx dieselbe eine Zeitlang bombardirt, erobert und seinen Einzug in dieselbe gehalten. Die Ausständishen und die Bewohner der Stadt, die fi denselben angeschlossen, hätten bei dem Bombardement die Flucht ergriffen.

4, Oktober. (W. T. B.) Ein Kabinetsrath ist für Dienstag, den 7. d. M. anberaumt. Graf Herbert Bis- marck ist aus Schottland hierher zurückgekehrt.

Frankreich. Paris, 2. Oktober. (Köln. Ztg.) Das „Zourn. des Débats“ bringt heute den ersten Bericht seines militärisben Berichterstatters über die Kaiser-:Manöver am Rhein. Derselbe ergeht sich mehr in allgemeinen Betrach- tungen, {ließt aber wie folgt: Was mir übrigens auf der Parade von Wevelinghoven am meisten ausffiel, ist in Wahr- Veit nit die schöne Haltung der Soldaten unter den Waffen, noch die zur Verzweiflung bringende Korrektheit ihrer Bewe- gungen, sondern die männliche, prachtvolle Haltung des alten Kaisers, der sichs niht nehmen ließ, von Anfang bis zu Ende dem Vorbeimarsch anzuwohnen, und welcher troß seiner 87 Frühlinge vier Stunden verweilte, ohne von Pferde herabzusteigen. Es ist in der That ein rührendes Schauspiel, das dieser mit Jahren und Ruhm belastete Herrscher jeden Tag seinem bewegten Volke und denr erstaunten Europa gibt, dieser Greis, der nicht zuläßt, daß sein hohes Alter ihn von der geringsten Verpflichtung scines „Handwerks als König“ entbindet, der darauf hält, bis zum Ende das Beispiel treuer Pfliterfülung und der Achtung vor der Mannszucht zu U und der wie ein römischer Kaiser aufrechtstehend sterben wird. :

Der Handels-Minister Hérisson hat einen Aus- \{huß zur Bezeihnung der Stelle für die Ausstellu ng von 1889 ernannt, um zu verhindern, daß eine andere Ausstellung in Europa im Fahre 1889 der Pariser Konkurrenz mache. Die Minister beschlossen, daß der Kriegs-Minister dem Finanz- Minister einen Theil der alten Lyoner Festungswerke ab- treten solle, damit derselbe die an 2 Millionen Fr. veran- \chlagten Werke abtragen lasse, um den brotlosen Arbeitern Verdienst zu verschaffen. Die Arbeiten sollen unverzüglich be- gonnen werden. Der Kabinetsrath hieß endlih den Gesech- entwurf Campenons zur Errichtung der Kolonialarmee und der besonderen Truppen für Afrika gut; der Entwurf wird der Deputirtenkammer sofort in der erslen Sißung nah den Ferien vorgelegt werden,

3: Oktober, (W. T. B.) Die „Agence Havas“ be- merkt zu dem Telegramm der „Times“ aus Tientsin, nah welchem Frankreih die Mediation Amerikas wünschen solle, die Vereinigten Staaten könnten immerhin ihre guten Dienste behufs Beseitigung der obwaltenden Differenzen leihen, Frankreih habe aber keine Mediation nahzge)ucht. Die Budgetkommission wird die Konvertirung der alten 41/zprozentigen Rente in 4prozentige oder 3prozentige bean- tragen. Durch diese Konvertirung würde eine Ersparniß von 3 Millionen Francs erzielt. Da von dem Admiral Courbet neuerdings keine Nachrichten eingetroffen sind, so glaubt man, daß s{lechtes Wetter die Operation gegen Kelong verzögert habe. Jn dem Departement Ostpyrenäen sind gestern 3 Personen an der Cholera gestorben.

_— 4, VDltober. (W. D. B,) Die „Agence Havas“ meldet aus Hanoi von heute, die Kanonenboote „Mous- queton“, „Massue“ und „Hache“, welche vor oem Marsche der Truppen das Thal von Lochnau rekognosziren wollten, sind von regulären chinesishen Truppen angegriffen wor- den und haben hierbei Verluste erlitten. Ein Offizier wurde

getödtet und 30 Mann leiht verwundet. Verstärkungen sind

angekommen, andere früher dort stationirte Truppen verlassen Hanoi mit dem General Negrior.

Italien. Rom, 3, Oktober. (W. T. B.) Dem Cholera- Bericht vom 2. d. Mts. zufolge kamen vor: Jn Aquila 4 Ex- krankungen und 3 Todesfälle, in Bergamo 6 Erkrankungen und 4 Todesfälle, in Brescia 1 Erkrankung und 3 Todez- fälle, in Caserta 4 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Chieti 1 Erkrankung, in Cremona 9 Erkrankungen und 4 Todesfälle, in Cuneo 22 Erkrankungen und 11 Todesfälle, in Ferrara 1 Erkrankung und 2 Todesfälle, in Genua 42 Erkrankungen und 35 Todesfälle, davon in der Stadt Genua 24 Erkran- kungen und 25 Todesfälle, und in der Stadt Spezzia 4 Er- krankungen und 1 Todesfall, in Mailand 3 Erkrankungen und 2 Todesfälle, in Modena 5 Erkrankungen und 4 Todes- fälle, in Neapel 123 Erkrankungen und 88 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 80 Erkrankungen und 50 Todesfälle, in Novara 3 Erkrankungen, in Padua 1 Erkrankung, in Parma 1 Erkrankung und 1 Todesfall, in Pavia 1 Erkrankung und 1 Todesfall, in Rovigo 3 Erkrankungen und 3 Todesfälle, in Sondrio 1 Erkrankung und in Turin 4 Erkrankungen und 5 Todesfälle.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 4. Oktober. (W. T. B.) Der „Regierungs-Anzeiger“ veröffentlicht eine Verfügung des Zolldepartements vom 25. v. M., nah welcher die Coupons und die gezogenen Stücke der Anleihe von 1884 für annehmbar bei Zollzahlungen erklärt werden.

Amerika, Washington, 3. Oktober. (W. T. B.) Der diesseitige Gesandte in China besuhte fürzlih die ameriktanishen Konsulate in China und hatte bei dieser Gelegenheit in Tientsin eine Unterredung mit Li-hung-chang, er hatte indessen, wie bestimmt versichert wird, keine «Fnstruk- tion, irgend ein Gesuh Frankreihs um eine Mediation zu übermitteln. Der Gesandte hatte bereits vorher mehrere Kon- ferenzen mit Li-hung-chang, um zu erfahren, ob China geneigt sei, Schritte zur Beilegung der Differenzen mit Frankreich zu thun. Der jüngste Besuch hatte denselben Zweck, aber weder S noch China haben die Mediation Amerikas na- gesucht.

__ Süd-Amerika. Peru. Lima, 3. Oktober. (W. T. B.) Die Regierungstruppen haben in einem Gefechte beî Huaura gesiegt. Die Garnison der Stadt Trujillo erklärte sih gegen den General Puga, anscheinend weil derselbe für den Frieden ist.

Afrika. Egypten. Kairo, 3. Oktober. (W. T. B.) Der Khedîive und Lord Northbrook erklärten beide dem abyssinischen Gesandten, daß Egypten von dem dur Admiral Hewectt abgeschlossenen Vertrage zurücktrete, wenn Rasalula denselben nit legal durchführe. Morgen findet nah Ab- lauf der Ferien die Wiedereröffnung der internationalen Tribunale stalt,

As suan, 1. Oktober. (Allg. Corr.) Lord Wolseley fam heute, begleitet von seinem Generalstabe, hier an. Der Dampfer „Ghizeh“ hat den Katarakt von Babalambatk, jenseits Saraß, passirt.

Zeitungsftimmen.

O „NeUen wir Folgendes : Wenn die deutschex Kolonisationen an der westafrikaniscken Küste zunächst den heimischen Arbeitern an Ort und Stelle wenig Aussicht auf lohnende Arbeitsgelegenheit eröffnen, ihre Bedeutung für die Entlostung des Arbeitsmarktes vielmehr in der dur die vermehrte Ausfuhr bedingte Steigerung der Nabfrage nah Arbeits- fraft im Inlande liegt, fo bieten sie do anderweit die Gelegenheit zur nüßlihen Verwendung der überschießenden Kräfte Deutschlands, welche sonst ohne Nutzen, ja theilweis felbst zum Schaden des Gemeinwesens bra liegen. In noch höherem Grade als die eigentlichen Arbeiterkreie sind die- jenigen gewerblihen Berufszweige überfüllt, welche eine höhere Schul- bildung erheischen. Wie in den eigentli gelehrten Berufen {ich cin weit über das Maß des Bedürfnisses hinausgehender Andrang zeigt, fo sind auch Kaufleute, Tecbniker u. dgl. in folcher Zahl vorhanden, daß fle nur s{wierig in Deutschland ein mühsames Fortkommen finden. Gerade die kräftigsten und enecgisbsten Naturen erlangen bei der Ueberfüllung ihrer Berufszweige häufig einen ihnen zusagen- den Wirkungskreis nicht ; es fehlt in der Heimath der zur gedeihlichen Entwickelung und frubtbaren Verwerthung ihrer Thätigkeit nothwen- dige Cllbogenraum. In Folge dessen verkommen sie zum Theil, zum Theil werden sie selbst aus den regelmäßigen Bahnen des Lebens hinaus- und auf Wege getrieben, welche sie am Ende mit dem Straf- geseß in Konflikt bringen und der Gesellschaft zur Last und zum Schaden werden lassen.

Nach den Erfahrungen, welche in England seit langen Jahren nach dieser Nichtung gemacht sind, eignen sih gerade solche besonders spannkräftige, aber in den engen und ausgetretenen Bahnen des heimathlihen Erwerbslebens {wer verwerthbaren Elemente ganz be- sonders für die Pionierarbeit der Kultur, des Berkehrs, der Handels- beziehungen, welhe in den neu errichteten Kolonien und Handels» stationen die vornehmste Aufgabe bildet. Hier bietet fich für junge Männer dieser Art, welche in der Heimath nur zu leicht problema- tishe Naturen geworden wären, ein reies Feld fruchtbringendcr Thätigkeit, einer Thätigkeit, durch welche sie mit den eigenen Ver- mögenßsinteressen zugleih das Interesse Deutschlands an vermehrten Handelsbeziehungen fördern. i Es kommt hinzu, daß, wenn naturgemäß au manche Kräfte dort fich verbraucen, ohne zur Wohlhabenheit zu gelangen, anderc dagegen die sih darbietende Gelegenheit zum Vermögenserwerb nicht unbenußt laffen, und, wenn sie als vermögende Männer nach Deutsch- land zurückehren, ihre Kenntnisse und Ecfahrungen zur Verwerthung und Vermehrung ihres Erwerbs dur selbständige Handels- unternehwungen nach den deutshen Kolonien ausnutzen werden. Gerade nah dieser Richtung weisen die britischen und selbst die hanseatishen Erfahrungen sehr günstige Er- gebnisse auf; in der erfolgreichen Thätigkeit in Handelsnieder- lassungen und Kultivationsunternehmungen liegt eines der stärksten und wirksamsten Elemente der Förderung des Waarenaustausce®, mithin der Ausfuhr und der dadurch bedingten Vermehrung und Ver- besserung der Arbeitsgelegenheit im Inlande.

So bietet eine kräftige \und zielbewußte Kolonialpolitik in den von dem Fürsten Bismark \charf gezogenen Grenzen überschießenden, anderenfalls selbst cine Last und Gefahr für das Gemeinwesen bilden- der Kräfte ein reiches Feld elner für sie und für Deutschland gleich fruchtbaren Thätigkeit.

Das „Posener Tageblatt“ schreibt:

Wie steht es mit dem Interesse des Bauernstandes an dem Schuß der einheimishen Vich- und Kornproduktion gegen die Kon- kurrenz des Auslandes? Nach fortschrittlicher Darstellung ift der deutsche Bauer ein Mann, der weder Viehzuht now Getreidebau treibt, sondern diese Beschäftigungea dem Großgrundbesitzer überläßt, sein Brod in der Regel kauft und demgemäß am besten fährt, wenn Fleisch und Korn so wohlfeil wie immer mögli -zu Kaufe stehen.

Reichscorrespondenz“ entnehmen

Wer jemals einen wirklichen, zumal einen norddeutschen Bauern

gesehen hat, wird zu dieser ccht forts{rittlichen Darstellung lediglich die Acsel zucken und die Herren fragen, wovon der Bauer, wenn er sein Vieh und Getreide kaufen muß, denn eigentli existirt! Wenn die Fortschrittler, statt ftatistis&e Kunststücke zu treiben, Umfrage auf dem platten Lande halten wollten, so würden sie alsbald ersehen, wie der Bauer über niedrige Korn- und Fleishpreise wirkli denkt, und wie ihm zu Muthe is, wenn er in der Zeitung von S{hleuder- preisen lieft, zu welchen amerikanische und indisde Produkte auf den Markt geworfen werden, Endlih giebt es Millionen von Land- bewohnern, die im Lohn und Brot von Leuten arbeiten, deren einzige Einnahme in dem Verkauf ihrer Produkte besteht. Was foll aus diesem ärmsten Theil der Landbevölkerung werden, wenn die Feld- arbeit, von welcher sie leben, aufhört lohnend zu sein, und wenn ihre Ernährer, die Getreideproduzenten, selbst nahrungslos merden t Auf all diese Fragen haben die Fortschrittsprediger, welche die kleinen und mittleren Leute auf dem Lande gegen ihre größeren Nacbarn aufzuheßen versuchen, keine Antwort, nil es ihnen mit der Erfor- {ung und Berücksihtigaung der Nöthe des flachen Landes überhaupt niemals Ernst gewesen ift.

Jn der „Weimarischen Zeitung“ lesen wir:

Die Armenstatistik von 67 deutshen Städten, die für den Armenpflegerkongreß ausgearbeitet ist, bictet, wie wir neulich bereits gesehen haben, des Interessanten Mancherlei. Heute sei auf einen besonderen Umstand aufmerksam gemacht: bei den 4 an dieser Sta- tistik betheiligten sächsischen Städten, welche einen Verglceich mit 1880 gestatten, ist die Armenziffer im Jahre 1883 bedeutend herab- gegangen. In der Zeit von 1880 bis 1883 ist die Zahl der Selbst- unterstützten, welche auf 10 000 Einwohner kommen, zurückgegangen : in Dresden von 342 auf 336, in Zwickau von 256 auf 218, in Rei- denbach i. V. von 260 auf 199 und in Meerane von 252 auf 147. Uns scheint in dieser Thatsache ein recht beredter Beweis für die Besserung der Erwerbsverhältnisse in Folge der neuen Gesetzgebung zu liegen.

Centralblatt für das Delttice Met, Mx, 40, Ine halt: Justizwesen: Aenderung im Verzeichniß der zur Einziehung von Gerichtskosten bestimmten Stellen. Konsulatwesen : Bestellung eines Konsular-Agenten ; Todesfall. Polizeiwesen : Ausweisung von Ausländern aus dem Reich8gebiete.

Marineverordnungsblatt. Nr. 20. Inhalt: Ver- pflegung arretirter Mannschaften. Lazarethverpflegungskosten. Proviantlieferungsverträge in Kapstadt. Heimathzahlungen. Kohlenbeshaffung. Verpflegungszuschbuß. -— Proviantlieferungs- verträge. Personalveränderungen. Benachrichtigungen.

JFustiz-Ministerial-Blatt. Nr. 36. —- Inhalt: Erkennt- niß des Reich8gerichts vom 12. Mai 1884.

Statistische Nachrichten.

H E E E I E Ueber den Tabackbau und die Ergebnisse der Tabad- ernte im deutschen Zollgebiet für das Erntejahr 1883/84 giebt das neueste Monatsheft zur Statistik des Deutschen Reichs eine Nachweisung, welche nab Hauptamts- und Direktivbezirken aufgestellt ist und neben der Aufführung der Zahl und des Flächeninhalts der mit Taback bepflanzten Grundstücke und der Zahl der Labadflanzer Angaben macht über die Größenverhältnisse der von den Pflan- zern mit Tabak bebauten Gesammtiflächen, Über Menge des geernteten Tabacks überhaupt und durchschnittlich auf einen Hektar und s{ließlich über den Durchschnittspreis des geernteten Tabacks und den daraus berechneten Gesammtwerth der Tabadlernte. Aus den S4lußsummen dieser Nach- weisung ist zu entnehmen, daß die Zahl der Tabackpflanzer überhaupt im Jahre 1883 202 853 (gegen 215 250 im Vorjahr) betrug, daß von diesen mit Taback bepflanzt hatten eine Gesammitflächhe von weniger als 1 a 106 945 (im Vorjahr 118906), von über 1 a bis zu 25 a T1700 (71896 im Vorjahr), von über 25 a bis zu 1 ha 22091 (22518 im Vorjahr) und von mehr als 1 ba 2067 (1930 im Vor- jahr). Von 100 Tabackpflanzern hatten demnach bepflanzt weniger als 1a 527 (55,2 im Vorjahr), über 1 a bis zu 25 a 35,4 (004 m Borjaby), Uber 25 a bis zu L ha 10/9 (100 im Vorjahr) und über 1 ha 1,0 (0,9 im Vorjahr). Der Flächeninhalt der im Jahre 1883 mit Taback bepflanzten Grundstücke betrug im Ganzen 2 206 852 a (1882 2 224 285 a), und hiervon entfallen auf das Königreich Preußen 507 716, Bayern 488 432, Baden 778 776 und Elsaß-Lothringen 275 691 a. Geerntet wurden 1883 überhaupt 99 008 989 kg Tabak in dachreifem getrockneten Zustande (1882 38976 498 kg), also dur{wscnittlib 1768 kg auf 1 ha (1882 1752 kg). Als mittlerer Preis für 100 kg des im Jahre 1883 ge- ernteten dachreifen trockenen Tabacks wurden ermittelt 79,03 (1882 77,92 A6) einsc{hließlich der Steuer, und unter Zugrundelegung dieses mittleren Preises berechnet sh der Gesammtwerth der 1883er Taba- ernte (ebenfalls eins{ließlich der Steuer) zu 30,8 Millionen Mark (1882 30,4 Millioaen Mark).

Kunft, Wissenschaft uud Literatur.

Die Schlettershe Buchhandlung Franck !u. Weigert in Breslau hat über ihr antiguarishes Bücherlager Katalog Nr, 187 veröffentlicht. Derselbe enthält ein alphabetish geordnetes Verzeichniß von 1533 Scbristen, die den verschiedensten Wissenschaften angehören der Theologie, Phiiosophie, Philologie, dem Rechts- wesen, der Geogravhie und Statistik, Geschichte, Genealogie, Lite- ratur, der Naturwissenschaft im Allgemeinen, der Botanik, Mine- ralogie, Zoologie, Chemie, Astronomie, Medizin, der Münz-, Siegel- und Wappenkunde, der Kunst im Allgemeinen, der Baukunst, der Musik (124), dem Gewerbe- und Eisenbahnwesen u. |. w. und des verschiedenartigsten Inhalts sind. Unter denselben befinden si auch viele Zeitschriften der versciedensten Art, Sammlungen von Quellenschriftstellern, Urkundensammlungen, ferner ca. 180 Holzscnit- werke, 25 Portraitwerke und 27 Werke mit Abbildungen von Trachten. Die aufgeführten Schriften sind in deutscher, lateinischer, französischer, italienischer, spanischer, englischer, hbolläntisher oder polnischer Sprache verfaßt und datiren aus dem 19., 18.,, 17., 16. und 15. Jahrhundert, Unter ihnen findet man eine große Menge seltener Werke, namentlich aus dem 16. Jahrhundert; mehrere find bereits vergriffen, andere gar nicht in den Handel gekommen.

Gewerbe und Handel.

, Königsberg i. Pr., 4. Oktober, (W. T. B.) Die Betriebs- einnahme der OstpreußishenSüdbahn für Septbr. 1884 betrug nach vorläufiger Feststellung: im Personenverkehr 94 188 Mb, im Güterverkehr 473 116 4, an Extraordinarien 20000 16, zusammen 987 304 4, im Monat Septbr. 1883 definitiv 474057 4, mithin gegen den entsprechenden Monat des Vorjahres mehr 113 247 M, im Ganzen vom 1. Januar bis ultimo Septbr. d. F. 2957 573 M gegen 3 981 342 G im Vorjahre, mithin weniger gegen den ent- \prewenden Zeitraum des Vorjahres 1 023 769

New-York, 3, Oktober. (W. T. B.) Baumwollen- Wochenbericht. Zufuhren in allen Unionshäfen 167 000 B., Aus- fuhr na Seen 48 000 B,, Ausfuhr nah dem Kontinent 16 000, Vorrath 302000 B.

Sanitätswesen und Quarautänewesen.

Straßburg, 2. Oktober. (Land. Ztg. für E.-L.) Mit Rück- siht auf das Umsichgreifen der Cholera în Italien und die von daher drohende erhöhte Gefahr hat das Ministerium angeordnet, daß die

in- und Durchfuhr von gebrauter Leib- und Bettwäsche, ge- brauchten Kleidern, Hadern und Lumpen aus Italien bis auf Wei- teres verboten is. Wäsche und Kleidungsstücktke von Reisenden sind von dem Verbote nicht berührt.

Berílíin, 4. Oktober 1884.

Se. Majestät der König haben der Straße Nr. 21 Ab- theilung II des Bebavungsplanes von den Umgebungen Berlins den Namen „Friesen-Straße“ und der bisher als Tarashwitzweg bekannten Straße Nr. 26 Abtheilung XIT desselben Bebauungsplanes den Namen „Marienburger Straße“ beigelegt.

Mit dem 1. d. M. ift der bisherige Bibliothekar des Kunst - gewerbe-Museums, Rudolph, aus seiner Stellung aus- geschieden und an seiner Stelle der Bibliothekar Li chtwark mit der Leitung der Bibliothek betraui worden.

Am 2. d. M. hat bei Gelegenheit der Philologen- und Schul- märner-Versammlung in Dessau die Legung des Grundsteins zu dem Wilhelm Müller-Denkmal stattgefunden. Der „Anh. St.-A.“ berichtet darüber : Unerbittlich fiel der Regen nieder und verhinderte, die geplante Grundsteinlegung des Wilhelm Müller-Denkmals im Freien zu feiern. Der Aftus mußte in der Aula des Gymnasiums vorgenommen werden, Mit einem Chor „Den Manen Wilhelm Müllers“, gedichtet von Ferd. Seelmann, begann die Feier; Prof. Dr. Gosche aus Halle ehrte das Ändenken an Wilhelm Müller durch eine sein Werden und Wirken als Dichter feiernde Rede. Darauf las Schulrath Krüger die auf die Grundsteinlegung bezüglichen Do- kumente vor, theilte mit, was man dem Grundfteine anvertraut habe, worauf der Chor „das deutsche Lied von Kalliwoda“ den Akt beendete. Da nun das Regenwetter etwas nachgelassen hatte, vollzog man unten im Vorhofe des Gymnasiums die Ceremonie des Hammerschlages. Die drei ersten Schläge that der Landgerichts- Präsident Pietscher, dann folgten der Schulrath Krüger, der Gymna- sialdirektor Stier, der Bürgermeister Dr. Funk und der Hofrath Hosâus. -

Cottbus, 3, Oktober. Zu der hier stattfindenden Branden - burgischen Provinzial-Lehrer-Versammlung sind zahl- reiche Delegirte und Theilnehmer aus allen Theilen der Provinz und darüber hinaus ‘eingetroffen. Die Versammlung wurde mit dem Gesange des Liedes „O heiliger Geist, kehr bei uns ein”, eröffnet. Bürgermeister Matdorff (Cottbus) begrüßte hierauf die Versamm- luna im Auftrage der hiesigen fstädtis{en Behörden und Bürgerschaft. Zunätsft erstattete Gymnasiallehrer Mühlpfort (Frankfurt a. O.) Bericht über den Stand der Verbands- und Pensionskasse, Die Einnahmen der Verbandskasse betrugen im verflossenen Geschäftsjahre, inkl. der Baarbestände, 2315 4 39 3, die Ausgaben 1245 M 39 s, so daß cin Kassenbestand von 1170 A. verbleibt. Der Vecband zählt 1500 Mitglieder. Die Pensionskasse hat einen Kassenbestand von 41 180 J 23 und zählt 1882 Mitglieder. Nachdem dem Kassirer Decharge ertheilt, hielt Rektor Wolter (Wilsnack) cinen längeren Vortrag über „Licht und Schatten im Vereinsleben.“ Lebrer Freier (Koritten) sprach hierauf über „die Macht der Schule“. Die Tagesordnung war dana ers{chöpft und {loß hierauf der Vor- sißende, Hauptlehrer Hohenstein (Brandenburg a. H.), die Versamm- lung mit cinem dreifachen Hoh auf Se. Majestät den Kaiser.

Kreuzna, 1, Oktober. Die hiesige Soolbäder-Aktien-Gesell- {aft feiert heute ihr fünfzigjähriges Jubiläum als B: sißerin der hiesigen Kuranlagen. Am 1, Oktober 1834 kaufte die Gesellschast die hiesigen Soolquellen und das die letzteren umgebende, 12 Morgen große Terrain von dem Entdccker der Quellen, Wilhelmi, verwandelte den damaligen Urwald in einen herrlihen Park, ließ später in dem leßteren ein fstattlißes Kurhaus mit Terrasse, sowie eine Wandelbahn errichten, sorgte für gute Musik und cin gutes. Theater und bravte es so dazu, daß das von der Natur so reich bedachte Kreuznah \sich zu einem Bade ersten Ranges erhob. Ein ganz neuer Stadttheil mit einer großen Zahl eleganter Hotels und Privat-Badehäuser ist seit jener Zeit entstanden, der Nuf von der Heilkraft der Kreuznacher Quellen ist in alle Erd- theile gedrungen, und jährlih sehen wir jeßt alle Nationalitäten in unserem Bade vertreten. Auch die gestern beendete Saison war eine höbst zufriedenstellende, fie hat die vorige nah jeder Richtung über- troffen. Heute ift dort, wo gestern noch ein \o reges Leben und Treiben herrschte, alles }till und leer, mit einem S(lage hat sich die Physiognomie unseres Bades verändert. } Kreuznac) auch zu einem Winterkurort zu machen. Uebrigens können auch bereits jeßt hier im Winter Bäder genommen werden, da die Soolwasserleitung das Soolwasser von den Salinen in fast jedes Haus der Badestadt führt. Wir entbehren hiec bis jetzt im Winter nur die Vergnügungen, die Concerte und Theatervorstellungen, die wir hier im Sommer in so reihem Maße genießen.

Emden, 3. Oktober. (W. T. B.) Die beutige Vecsammlung

des Westdeutshen Fluß- und Kanalvereins beschloß fol- gende Resolution: Es ift eine vaterländische, wirthschaftlihe und politische Nothwendigkeit, daß der Schiffahrtskanal von Dortmund nach den Emshäfen als kürzester Weg aus dem westfälis- rheinischen Induftriegebiet nach den Nordseehäfen bald hergestellt und damit der Anfang zur Ausführung des im Westen uuseres Vaterlandes geplanten Sciffahrts-Kanalsystems gemacht werde. Die Staatsregierung wird daher chrerbietigst ersucht, in der bevorstehenden Session des Land- tages der Monarchie die im Jahre 1882 und 1883 nicht zur Annahme gelangte Kanalvorlage zu erneuern.

Weimar, 3, Oktober. Kongreß des Deutschen Vereins für Armenpflege und Wohlthätigkeit. Zum fünften Mal tritt dieser Kongreß zusammen, und in der kurzen Zeit seines Be- stehens bat der segensreihe Verein sich stetig derart vergrößert, daß jeßt kaum mehr cine namhafte Stadt außerhalb des Verbandes steht. Die Versammlung ist denn auch diesmal sehr zahlreich be- subt; alle bedeutenden Gemeinden Deutschlands sind vertreten, zum großen Theil durch offizielle Abgesandte der betreffenden Armen- verwaltungen. Nach der Begrüßurg durch den O'er-Bürgermeister Pabst (Weimar) eröffnete Dr. Straßmann (Berlin) die Verhand- lungen mit einem Ueberblick auf die Ziele des Vereins und auf dessen Erfolge, Der bedeutendste ist wohl die auf Kosten des Vereins im Jahre 1883 ausgeführte Individualstatistik über Armenwesen, und über die ersten Hauptresultate dieser Aufnahme er» stattet Dr. Böhmert (Dresden) cinen eingehenden Bericht. =— S0 viel steht fest: jene Armenstatistik hat nah manchen Richtungen klärend gewirkt; und daß sie in hohem Grade zuverlässig ausgefallen ist, ergiebt sih aus ihrer Uebereinstimmung mit den Resultaten der amtlichen Statistik im Königreih Sachsen. Der Kongreß bewilligt hierauf die Kosten für die wissenschaftlibe Bearbeitung des durch die Armenstatistik von 1883 gewonnenen Materials, verzichtet aber wegen des Bevorstehens einer Neichs8armenstatistik auf eine neue Erhebang über das Jahr 1884, E

Der zweite, wichtigste Gegenstand der Tagesordnung ift die Frage der Fürsorge füx Kinder. Für diesen umfangreichen Gegenstand sind nicht weniger als 7 Referenten bestellt, welche unter sich die verschie- denen Unterfragen vertheilt haben. Stadtrath Röstel (Landsberg a. W ) berichtet über die Frage der Kinderheilstätten, Ferienkolonien 2c, und betort, daß es bei allen solchen Veranstaltungen darauf ankomme, sie niht zu schablonisiren, niht förmlibe Normalstatuten für alle Vereine festzustellen, sondern daß gerade dieses Gebiet stets der freien Wohlthätigkeit überlassen bleiben müsse. N

Hr. Reddersen (Bremen) spricht über Veranstaltungen der Für- sorge für arme aufsihtslose Kinder, also Krippen, Kinderbewahr- anstalten, Knaben- und Mädchenhorte, Kinderschußvereine u. dergl. Man solle hierbei mögli{s die Eltern der armen Kinder mit zu einer Leistung, sei sie auch noch so klein, heranziehen und \ih namentlich vor jedem Luxus (wie z. B. prunkende Weihnachts- bescheerungen) hüten; es liege darin eine niht zu untershätende sozialpolitishe Gefahr. : e

Dr. Börner (Berlin) beleuhtet hierauf vom ärztlißen Stand- punkt einige besondere Arten der Fürsorge, namentlich bezüglich der

Man is hier bestrebt, |

Krippen und Kindershußvereine und spricht den Wuns aus, daß solde Veranstaltungen wie z. B. die Kinderheilstätten an der Nord- see nit ohne ärztlihe Mithülfe ins Werk geseßt werden mögen. Der Vorsitzende des Berliner Kindersbußzvereins, Hr. van den Wyn- gaert, brate die Frage der Kindershußtzvei eine zur Sprache. Beson- deren Werth legte er auf den Nachweis, daß die Kindercschußvereine, insoweit sie sich der Fürsorge für uneheliche Kinder armer Mütter im frühesten Lebensalter widmen, dArhaus \-gensreich und nament- lih entschieden eher versittliwend als entsittlibend wirken. Von den Gegnern dieser Vereine wird besonders geltend gemabt, daß die große Leichtigkeit, mit welcher die betreffenden Mütter ihre Kinder dem Verein aufhalsen können, mit verführend wirke. Hr. van den Wyngaert trat diesem Vorurtheil aus sciner praktischen Erfahrung auf das Nachdrücklichste entgegen und hob besonders die Strenge hervor, mit welcher z. B. der Berliner Verein von den zahlungs- fähigen Müttern die Kosten der Kinderpflege wieder eintreiben. Dem Verein sei es gelungen, in den Müttern die Liebe zu solchen halbver- waisten Kindern wah zu halten oder wach zu rufen, uxrd bin und wieder habe er sogar den Erfolg erzielt, die Väter solher Kinder zu bewegen, die Mütter zu ehelichen.

Veber die Frage der Fürsorge für verwaiste, verlassene und ver- wahrloste Kinder referirt der Ober-Bürgermeister Ohly (Darmstadt). Er plaidirt in erster Reihe für die Unterbringung solcher Kinder in Familien, und man werde au die geeigneten Familien finden, falls man das an einigen Orten bisher beobachtete Verfahren ändere, solche Kinder geradezu im Wege der Submission und zwar an den Mindest- fordernden in Pflege zu geben. Man könne für die Unterbringung solcher Kinder keine allgemeinen Preistabellen festhalten, sondern es me hier, wie überall auf eine verständige Prüfung des individuellen

ales an.

Hr. Poesche spriht über die Zwanaserziehung verwaßhrloster Kinder nah dem preußishen Gese vom 13. März 1878 und emfiehlt ein aus Familienerzichung und Anstalterziehung gemischtes System. Ec verwirft das kasernenartige Drillen der verwahrlosten Kinder und spricht sich auch gegen eine Uebertreibung des Prinzipes der Besse- rung durch Arbeit aus. Häufig werde bei solben Kindern dur die Ss dieses Prinzips die wahre Freudigkeit an der Arbeit ertôdtet

Frau Professor Weber (Tübingen) legt dem Kongreß eine stärkere Heranziehung der Mitwirkung der Frauen an seinen idealen Bestrebungen ans Herz. Man müsse endlih aufhören, die Frauen höcbstens durch Geldbeiträge oder vereinzelte Heranziehunz zur Praxis an der Armenpflege zu betheiligen, sondern müsse ihre Mitwirkung systematish regeln, wie d'es allerdings bei der Waisenpflege dur das Gescß {on an die Hand gegeben sei. i

Ueber die Frage der Zwangserzichung verwahrloster Kinder, namentlich darüber, in welchen Fällen und durch wen dieselbe zu ver- bängen sei, beginnt eine Detaildebatte \ih zu entspinnen, sodaß die Versammlung für heute die Vertagung beschließt, um morgen diefen speziellen Punkt der Tagesordnung eingehender berathen zu können. Wien, 3, Oltober, (W. T. B) Der Maler Hans Makart, welcher an Gehirnhautentzündung, verbunden mit Lungen- affektion, {wer erkrankt war, ist heute Abend gestorben.

Leith, 3, Oktober. (W. T. B.) - Der beute von Ssland hier eingetroffene Dampfer „Craigforth* "beribtet von cinem heftigen Orkan, von welchem die Insel am 11. v. M. heimgesucht wurde. Bei demselben sind 19, meist norwegishe, Sciffe verloren gegangen, 32 andere wurden stark beshädigt, 69 kleine Fischerboote kamen zum Scweitern, der Verlust an Menschenleben if cin sehr großer.

Kopenhagen, 3. Oktober. (W. T. B) Heute Nachmittag 4¿ Uhr brach in dem Schlosse Christiansburg hieselbst Feuer aus. Der sogenannte Rittersaal is verloren, wahrscheinli aub die N ailen: Die Königliche Malereisammlung wird hoffent- ich gerettet.

“3, Vitober, Abends 9 Uhr. W.. L. B) S8 Christiansburg ist durh das Feuer vollständig zerstört. Die Gemäldesammlung und mehrere Kostbarkeiten sind gerettet worden. Das Feuer dauert fort. Da das Wetter ill ist, so droht der Stadt keine Gefahr. Die Besaßung eines russischen Kriegs\chiffes betheiligte sih bei den MRettungsversuchen.

In der zweiten Oftoberwobe werden vom Stenographenverein „Gabelsberger“ drei öffentliche Unterrichtskurse in der Gabelsbergerschen Stenographie eröffnet, und zwar: 1) in der ehemalig Dr. Wieprechtshen Schule, Markgrafenstraße Nr. 105, Montag und Donnerstag Abends 8 Uhr, Beginn Donnerstag, 9, Oktober ; 2) in dem Köllnisben Gymnasium, Inselstraße Nr. 2—5, Klassenzimmer Untertertiz B, Dienstag und Freitag Abends 8x Uhr, Beginn Freitag, 10. Oktober; 3) in der Dr. Döbbelinschen höheren Knabenschule, Schönebergerstraße Nr. 4, Mittwochß und Sonnabend Abends 8 Uhr, Beginn Sonnabend, 11. Oktober. Anmeldungen nehmen die betreffenden Schuldiener entgegen oder können bei Beginn des Unterrichts erfolgen. Pränumerandobeitrag zu den Kosten inkl. Lehrmittel 3 M

Im Deutschen Theater wird „Wilhelm Tell“, dessen Auf- führungen durch die Unpäßlichkeit des Hrn. Kainz unterbroben waren, morgen, Sonntag, wieder in Scene gehen. Die erste Aufführung des neuen Lustspiels „Die große Glocke“ von Oskar Blumenthal findet am Sonnabend, 11, d. M., statt. Außerdem bringt das Repertoire dieser Woche Wiederholungen von „Die Welt, in der man sich lang- weilt“, „Wilhelm Tell“ und „Der leßte Brief“.

Das Drama , Julius Câsar“, von dzn Meiningischen Hof- \chauspielern morgen dargestellt, wird sid in mehrfach neuer Ausstalitung präsentiren ; unter Anderem wird im Senat eine plastische Koloffalstatue zur Verwendung kommen, die von dem Bildhauer Hundrieser modellirt wurde. Die Statue ist der in Rom befindlichen, als einzig echt geltenden, nachgebildet.

Die Direktion des Residenz- Theaters ift gezwungen, bereits Ende nächster Woche die fich stetig eines fortgeseßten Crfolges er- freuenden Aufführungen des Shwankes „Die Sirene“ zu unterbrechen, um mit der nächsten Novität „Verirrungen“ voa Trieb an dem kon- traktlih festgeseßten Termin vorzugehen. Auch dieses Schauspiel wird in durchweg neuer Ausfstatttung in Scene gehen. Die Direktion beabsichtigt „Die Sirene“ abwecbselnd mit „Verirrungea“ zur Auf- führung zu bringen und findet somit zunächst morgen die lette Sonntagsaufführung der „Sirene* statt,

Teresina Tua's letßtes Concert im Krollschen Saale ist für Mittwoch angeseßt. Am Sonntag concertirt die gefeierte Künstlerin, wie bereits angekündigt, zum vorleßten Male, unter Mit- wirkung der Sängerin Frl. Annie Duncker und des Pianisten Hrn. Conrad Ansorge. Das Abschieds-Concert des Frl. Fohström am Montag wird ebenfalls allgemein interessiren, und zwar nit nur deshalb, weil Frl. Fohström bisher nur als Opernfängerin aufgetrcten war, sondern auch wegen der Wahl der Gesangpiecen, die in deutscher, italienisher und \{chwedisder Sprache zum Vortrag gelangen. Das Programm verzeihnet die Arie aus Hândels „Enzio“, Schumanns „Du bist wie eine Blume, das Wiegenlied von Brahms, Roeders „Sommermorgen“, den Bolero aus Verdi's Vèpres Siciliennes*“ und \{chwedis{che Lieder. Für diesen Abend haben die Pianistin Marfa Jssakoff und der Cellift W. Lublin ihre Mitwirkung zugesagt. Erstere produzirt Piecen von Chopin, Rubinstein und Scarlatti (Pastorale), Leßterer von Servais, Chopin und Popper. Der letztea Tua-Woche {ließt sib, am Sonntag, 12. Oktober, beginnend, der große Concertcyklus von Fr. Amalie Joachim an. Aus ihrem umfassenden Liederschaßze hat Fr. Joachim eine Fülle neuer und vornehmer Nummern aus-

gewählt.