1884 / 242 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Oct 1884 18:00:01 GMT) scan diff

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Der Königliche Gesandte am säsishen Hofe, Graf von Dönhoff, ist von dem ihm Allerhöhst bewilligten Urlaube nach Dresden zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der General-Lieutenant von Boehn, Commandeur der 21. Divifion, ist mit Urlaub hier eingetroffen.

S. M. Kbt. „Wolf“, 4 Geshüße, Kommandant Kor- vetten-Kapitän von Raven, ift am 13. Oktober cr. in Plymouth eingetroffen und beabsichtigt, am 16. Oktober cr. nah Wil- helmshaven in See zu gehen.

Kiel, 16. Oliober: (W. T. BJ Die Korvette „Gneisenau“ ist heute Vormittag 3/4 Meilen südlih von Laaïland auf eine Untiefe gerathen; S. M. Schiff „Hansa“ und der Schleppdampfer „Notus“ sind von hier entsandt worden, um beim Abschleppen Beistand zu leisten.

Hannover, 13. Oktober. (Hannoverscher Courier.) Jn der heutigen (13.) Sißung des 18. hannoverschen Provinzial-Landtags stand als erster Gegenstand auf der Tagesordnung : die Berathung der Vorlage, betr. die Errichtung von Gewerbekammern für den Regierungsbezirk der Provinz Hannover. Das Haus trat sofort in die Be- rathung ein.

Der Abg. von Lenthe-Lenthe als Berichterstatter der Kommission führte aus, daß die Kommission den Antrag, die dem Provinzialverbande zu übertragenden Rechte und Pflihten zu übernehmen, einstimmig gefaßt habe. Sie habe ferner anerkannt, daß Gewerbe und Landwirthschaft bislang eine ausreichende Vertretung nicht hätten, die hier vorge- flagenen Gewerbekammern eine solche bieten könnten, und aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Abtheilungen niht auf ein bellum omnium contra omnes geschlossen werden dürfe. Man habe nicht anerkennen können, daß das Geseh über Handelskammern diesen ein aus\s{hließlihes Recht der Vertretung des Handels und der Jndustrie beilege. Die Frage, ob die Provinzialstände zu dieser Ausgabe befugt seien, habe nach dem jeßt geltenden Recht, wie nah den Bestim- mungen der Provinzialordnung bejaht werden müssen. Die Kosten der sechs Gewerbekammern seien auf ungefähr 6456 M veranschlagt, wobei 6 #6 Diäten täglih genehmigt seien.

Jm Einzelnen beantragte der Ausshuß im Begleit- schreiben zu §8. 1, welcher lautet:

«Für jeden Regierungs- (Landdrostei-) Bezirk wird eine Ge- werbekammer errihtet, welche die wirthschaftlihen Gesammtinter- effsen desselben wahrzunehmen und die Reicbs- und Landesverwaltung in der Förderung der Gewerbe zu unterstüßen berufen is. Durch Anordnung der Minister für Handel und Gewerbe, der öffentlichen Arbeiten und für Lantwirthschaft, Domänen und Forsten können mehrere Bezirke zu einer Gewerbekammer vereinigt oder in einem Bezirke mehrere Gewerbekammern errichtet oder Theile eines Be- zirks der Gewerbekammer eines benachbarten Bezirks zugewiesen werden“, den Wunsch auszusprehen, daß der Provinzial-Landtag über die Bildung der Bezirke für die Gewerbekammern im Falle des zweiten Absatzes zuvor gehört werde.“

Nachdem der Abg. Struckmann bemerkt hatte, der Aus\{uß sei der Ansicht, daß möglichst jedem Regierung-Präsidenten eine Gewerbekammer beigegeben werde, wurde der Kommissions- antrag angenommen.

Bei 8. 2, lautend:

„Die Gewerbekammern werden aus Vertretern der Landwirth» schaft, des Handwerks, der Industrie und des Handels zusammen- geseßt. Der Siß und die Zahl der Mitglieder jeder Gewerbe- kammer, sowie deren Vertheilung auf den großen und den kleinen landwirthschaftlihen Betrieb, das Handwerk, den Bergbau und den Fabrikbetrieb, sowie den Handel, wird nach Anhörung des Pro- vinzial-Landtags durch die Minister für Handel und Gewerbe, der öffentlichen Arbeiten und für Landwirthschaft, Domänen und Forsten beftimmt,“ l

beantragte die Kommission :

„Der Königlichen Staatsregierung vorzutragen, daß es zweifel- haft befunden worden, ob die Fassung des Paragraphen nicht ein- zelne hier in Frage kommende Gewerbe, namentlich die Schiffahrt, aus\chließe, und dieselbe zu ersucben, danach eventuell eine ent- \sprehende Abänderung der jeßigen Fassung vorzunehmen.

Der Abg. Fürbringer dankte als Vertreter einer See- handel und Schiffahrt treibenden Stadt der Kommission für diese Anregung und hob besonders hervor, daß die Hoch)ee- fischerei, die erst im Aufblühen sei, eine besondere Berücksich- tigung verdiene. Der Antrag der Kommission wurde ge- nehmigt.

Zu §. 3, lautend:

«Die Mitglieder der Gewerbekammern werden vom Provin- zial-Landtage gewählt. Wählbar ist, wer das dreißigste Lebensjahr zurückgelegt hat und in dem Bezirk der Gewerbekammer mindestens seit einem Jahre das Gewerbe, zu dessen Vertretung er berufen werden soll, als Unternehmer für eigene Rechnung oder als Vor- ftand einer gewerblichen Gesellschaft betreibt,“

beantragte die Kommission :

„Die Erwartung auszusprechen, daß den Organen der Provin- zialstände von den vorzunehmenden Wahlen fo zeitig Nachricht ge- geben werde, daß es thunlich sei, die behuf Vornahme dieser Wahlen erforderlihen Erkundigungen bei den betreffenden Korporationen und Interessenten einzuziehen. *

Der Abg. Strucklmann bemexkte, diejenigen Abgeordneten, welche eine Wahl aus den Jnteressenkreisen für wichtiger ge- halten, hätten sich doch für die Wahlart des §8. 3 er- Tlärt, da manche [Fnteressenkreise noch keine genügende Ver- tretung hätten. Durch die jährlihe Bewilligung der Mittel habe man stets Gelegenheit, auf den Wahlmodus zurück- zukommen.

a a der Kommission wurde genehmigt.

u: Q, 6:

„Die Ersaßwahl für Mitglieder, welhe dur Tod, freiwilligen Austritt oder Ausschließung ausgeschieden sind, findet bei dem nächsten Zusammentritt des Provinzial-Landtages ftatt“,

proponirte die Kommission :

«Den Wunsch auszusprechen, daß die Ersatzwahlen für die im Para- graph vorgesehenen Fälle fowie für den Fall einer vorübergehenden Behinderung der crwählten Mitglieder im Voraus stattfinden mögen.

S. 6 wurde nah dem Kommissionsvorschlage angenommen,

Zu 8. 8, lautend:

„Die Vertreter 1) der Landwirthschaft, 2) des Handwerks,

3) der Industrie, 4) des Handels bilden je eine besondere Ab- theilung der Gewerbekammer. Die Abtheilungen haben außer den- jenigen Gegenständen, welche ihnen nah der Geschäftsordnung zu- fallen, diejenigen Angelegenheiten zu erledigen, welche ihnen von der zuständigen Staatsbehörde oder von dem Plenum der Gerwerbe- kammer zugewiesen werden. Auf die Wahl der Abtheilungs- vorsißenden und ihrer Stellvertreter durch die Abtheilungen finden die Bestimmungen des §. 7 Anwendung.“

beantragte die Kommission:

„Zu erklären, daß man von der Vorausseßung ausgehe, daß den Abtheilungen der Gewerbekammern von den zuftändigen Staats- behörden nur folhe. Angelegenheiten zur Erledigung zugewiesen

werden würden, welche lediglih das Interesse der in der betreffen- den Abtheilung vertretenen Gewerbe berührten.“

F 8 wurde nah dem Kommissionsvorshlage genehmigt.

Zu §8. 17 wurde der Wunsch ausgesprochen, daß die von den Gewerbekammern zu veröffentlihenden Berichte auch der provinzialständischen *Verwaltung mitgetheilt würden. §8. 17 wurde mit dieser Aenderung angenommen und damit die ganze Vorlage nah dem Kommissionsvorschlage genehmigt.

Dann kam der allgemeine Antrag der Kommission zur Debatte ; derselbe lautet :

„Der Provinzial-Landtag wolle beschließen: seine Bereitwilligkeit auszusprechen, die nach den Bestimmungen über die Gewerbe- fammern den Provinzialverbänden zu Üübertragenden Rechte und Pflichten in Beziehung auf die Provinz Hannover zu übernehmen, namentlich auch dem Antrage der Königlichen Staatsregierung im ersten Alinea des § 18 zu entsprechen und bis auf Weiteres für die Deckung des Geldbedarfs der Gewerbekammern einzutreten, jedo unter der Bevorwortung, dal), da das Budget des Provinzial- verbandes einer alljährlidben Berathung und Feststellung unter- liegt, er sich nicht habe entschließen können, bezügli der Deckung des Geldbedarfs für die Gewerbekammern einen anderen Bewilli- gung8modus zu beschließen, namentlich den Etat jeder Gewerbe- kammer für drei Jahre im Voraus festzustellen und zu bewilligen, daß er vielmehr sih auch für diese Ausgaben das alljährliche Be- willigungsrecht und namentlich auch {on aus dem Grunde damit ausdrüdcklich vorbehalten müsse, weil zur Zeit die Entwickelung der Einrichtung ebensowenig wie der Umfang des Geldbedarfs genügend zu übersehen sei und weil aus diesem Grunde zur Zeit noch nit habe ermittelt werden können, ob für diesen Zweck ausreichende Mittel zur Verfügung stehen.“

Der Abg. von Lenthe:Lenthe bemerkte, man sei in der Kommission von der Ansicht ausgegangen, daß die jährliche Bewilligung nicht den Zweck habe, etwa das Fortbestehen der Gewerbekammern zu gefährden. Fn dieser Vorausseßung solle au der Ober-Präsident mit dem Antrag einverstanden sein.

Der Abg. Meyer-Riemsloh {lug vor, diesen Antrag so abzuändern, daß die Bewilligung zunächst für drei Jahre aus- gesprochen werde, und der Landtag sih dann vorbehalte, zu prüfen, ob die Gewerbekammern wirklich Ersprießliches leisteten und ob das Budget der Provinz in der Lage sei, weiter die erforderlihen Mittel zu gewähren.

Der Abg. Graf Knyphausen erinnerte daran, daß der hannovershe Provinzial-Landtag der erste sei, der diese Vor- lage berathe, also auch eine besondere Verantwortung habe. Der vorliegende Antrag der Kommission sei ein Kompromiß- vorshlag, in dem sich die verschiedenen Ansichten s{ließlich zusammengefunden hätten; es solle von der Entwickelung der Gewerbekammern selbst abhängen, ob man ihnen weitere Mittel bewilligen könne, daneben aber müsse das Bewilligungs- recht des Provinzial-Landtags gewahrt werden. Es sei nicht anzunehmen, daß etwa der nächste Provinzial-Landtag schon wieder die Bewilligung versagen werde. Jm Jnteresse der Vorlage bitte er, von den weit gehenden Abänderungsanträ- gen des Vorredners abzusehen.

Nach kurzer weiterer Debatte, an der sich die Abgg. Lauenstein, Brüning, Struckmann und Naubourg betheiligten, wurde der Kommissionsantrag gegen fünf Stimmen genehmigt.

Darauf wurde der Antrag des Verwaltungsausschusses, betr. Verwendung von reservirten Baumitteln zum Neubau der in der Linie der Hildesheim-Alfeder Chaussee befindlichen Leinebrücke bei Alfeld einstimmig angenommen.

Der Abg. Lauenstein rechtfêèrtigte seinen Urautrag, betr. Gemeindebesteueruug der Forensen und juristishen Per- sonen. Der Antrag lautet :

„Der Provinzial-Landtag wolle beschließen: die Königliche Staatsregierung zu ersuchen, dem Landtage der Monarchie in der bevorstehenden Session abermals eine Geseßesvorlage zu machen, durch welche die hinsichtlib der Gemeindebesteuerung der Forensen und juristischen Personen namentlich auch zu Ungunsten der han- noverschen Stadt- und Landgemeinden bestehcnden Ungleichheiten beseitigt werden.

Nach unerheblicher Debatte wurde der Antrag cinstimmig genehmigt.

Darauf folgten Wahlen, und endlih wurden verschiedene Anträge des Ausschusses und der Rechnungskommission nah den Kommissionsvorschlägen angenommen.

Sachsen-Weimar-Eisenach. Weimar, 10. Oktober. (Lpz. Ztg.) Dié Einberufung des Landtages ist nun- mehr erfolgt, und zwar sür den 30. Oktober, also unmittelbar nah den Neichstagswahlen. Das Ergebniß der neuen Steuer- geseßgebung wird den Landtag zumeist beschäftigen, doch werden auh noch einige andere. dringlihe Sachen zur Ver- handlung kommen.

Braunschweig. Braunschweig,14. Oktober. (W. T. B.) Nach heute hier vorliegenden Meldungen war das Befinden des Herzogs gestern wiederum etwas besser.

SBesfterreich-Ungarn. Wien, 12. Oktober. Die „Wiener Zeitung“ veröffentliht heute drei Handschreiben des Kaisers, durch welche die Delegationen zum 27. d, M. nah Pes einberufen werden.

E Pons Wilhelmi von Preußen, wel als Gast Sr. Majestät des Kaisers an den diesjährigen Hochwildjagden in Steiermark theilgenommen, hat heute früh mit dem Courierzuge der Slaatsbahn die Rückreise nah Berlin angetreten. Gestern Nachmittag hatte sich der Prinz von dem Kaiser, von den hier weilenden Erzherzogen und von dem serbishen Königspaare verabschiedet, Der Kaiser gab heute seinem Gaste das Geleit bis auf den Staatsbahnhof. Der Kaiser und Prinz Wilhelm von Preußen fuhren um 7 Uhr 15 Minuten in einer geschlossenen Hofequipage von Schönbrunn nah Wien. Die Ehrencavaliere FML. Ludwig Prinz zu Windishgräß und Flügel-Adjutant Major Graf Rosenberg sowie der Hofmarschall des Prinzen Wilhelm, Oberst-Lieutenant von Liebenau, und ein Flügel-Adjutant des Kaisers folgten in Hofwagen auf den Bahnhof. Jn überaus herzliher Weise nahm Se. Majestät der Kaiser von dem Prinzen Abschied, worauf Leßterer seinen Ehrencavalieren den Dank für ihre Dienstleistung ausdrückte und \sich von ihnen verabschiedete. Prinz Wilhelm bestieg hierauf den Salonwagen,. und um 7 Uhr 45 Minuten fuhr der Courierzug aus der Halle. Se. Majestät der Kaiser, welcher den Perron erst verließ, als der Train bereits außer Sicht war, fuhr dann mit seinem Flügel-Adjutanten in die Hofburg.

__ Agram, 12, Oktober. (Pr.) Der Adreßaus\chuß hielt gestern und heute Konferenzen ab, in welchen der von Miskatovics redigirte Adreßentwurf besprohen wurde. David Starcsevics kündigte dem Ausschusse an, daß auch er eine Adresse seiner Parteï vorlegen werde. Morgen wird der Aus- \{huß die S{lußredaktion an dem Adreßentwurf, welcher am Dienstag dem Hause vorgelegt wird, vornehmen.

Großbritannien und Jrland. London, 10, O tober. (Allg. Corr.) Mit besonderer Bezugnahme auf die gestrige Rede Sir William Harcourts sagt die „Timeg“

daß „die Regierung jeßt durch drei hervorragende Mit;

glieder des Kabinets, welche verschiedene Schattirungen des Liberalismus und verschiedene Anschauungsweisen repräsen- tiren, sich erboten hat, dem Hause der Lords jede mög: lihe Jnformation über die projektirte Neueintheilun der Wahlsiße zu geben, ehe das Oberhaus die Wahl: reform-Vorlage angenommen hat. Als Sicherheit, daß an der dem Parlament vorgelegten Bill in allen ihren wesent: lihen Prinzipien festgehalten werden wird, ist das Kabinet bereit, sein Wort zu geben, und daß die Maßregel die ehr: lihe Anwendung der Prinzipien ohne Begünstigung irgend einer Partei anstrebt, ist durch jede moralishe Sanktion ver- bürgt worden, die eine Regierung anbieten kann. Die Ehre von Ministern isi für peinlihe Gerechtigkeit verpfändet, und sowohl die Zusammenseßung ihrer eigenen Majorität wie der Sinn für Unparteilichkeit im Hause der Ge: meinen und im Lande {ließt die Möglichkeit irgend welcher wesentlihen Manipulation aus. Aber während die Negierung sich in so nachdrückliher Weise bindet, die Neueintheilung ohne Parteibegünstigung auszu- führen und si keinen unehrlihen Vortheil über ihre Gegner zu sichern, weigert sie sih absolut, die Kontrole der Neuver- theilungsbill aufzugeben, indem sie die Ausdehnung der Wahlberehtigung von deren Annahme im Hause der Lords abhängig macht. Dies ist ein Entgegenkommen, welches uns so weit zu gehen scheint, als es irgend ein vernünftiger Mensch in der Richtung auf einen Kompromiß erwarten kann.“

Die Königliche Yacht „Osborne“ erhielt Befehl, am nächsten Dienstag von Portsmouth nah Sheerneß zu segeln, um dort den Großherzog von Hessen, den Prinzen und die Prinzessin Ludwig von Battenberg und die verwittwete Herzogin von Albany an Bord zu nehmen und nah dem Kontinent zu führen.

11. Oktober. (A. C.) Bezüglich der Angelegen- heiten in Süd-Afrika schreibt die „Times“: „Wir haben heute Morgen Nachrichten, daß die Behörden von Trans: vaal entsblossen sind, ihre jüngste Proklamation, welche das Territorium des Betschuana-Chess Montsioa unter das Protektorat der Republik stellt, zurüCzuziechen, Dies hat das Ansehen einer befriedigenden Frontveränderung. Die Annuexion von Montsioa’s Territorium war ein offener und flagranter Bruch der Februar-Konvention. Dem Entschluß der englischen Regierung, die Konvention, wenn es nothwen: dig werden sollte, mit Gewalt aufrehtzuhalten, ist das natür: liche Resultat gefolgt, Die Boeren-Regierung beabsichtigt, die Annexionen, welche Boeren-Freibeuter im Namen der Re- publik ausgeführt haben, niht anzuerkennen. Aber diese nat: giebige Neigung der Boeren darf uns nicht einschläfern. Es ist ein schon früher gespieltes Spiel, und wir kennen alle seine Züge. Es liegt uns ob, Maßregeln zur Wiederherstellung der Ordnung im Betschuana!and mit Strenge durchzuführen, um jeder künftigen Entschuldigung einer abermaligen Einmischung von Seiten des Transvaals den Boden zu entziehen“.

Die „London Gazette“ publizirt die Königliche Ve- stätigung der Einverleibung gewisser britischer Besißungen und Territorien im Transkei, bekannt als Tembuland, Emigrant Tembuland, Galekaland und Bom- vanaland, in die Kolonie des Kaps der guten Hoffnung.

Jm Einklange mit der von dem Premier Gladstone im Hause der Gemeinen am Schluß der lettverflossenen Session abgegebenen Erklärung sind nunmehr Schritte gethan worden, um das britische Protektorat über die ganze Süd- küstevonNeu-Guinea bis östlih vom 141 Meridian ö. L. zu proklamiren. Dem Kommodore auf der australischen Station sind durch den Telegraphen Fnstruktionen übermittelt worden, ih nach Neu-Guinea zu begeben und das Protektorat, welches sih auch über die an den südlihen Theil von Neu-Guinea grenzenden Inseln erstrecken wird, zu proklamiren. Die Grün- dung von Niederlassungen innerhalb des Protektorats ist vor- läufig nicht gestattet.

Birmingham, 13, Oktober. (W. T. B.) Gelegentlih einer von den Konservativen veranstalteten Kundgebung kam es heute Abend hier zu Ruhestörungen. Eine große Menge von Liberalen drang unter Anwendung von Gewalt in den Saal ein, in welchem die Konservativen sich versam- melt hatten, und bemähtigte sich nach lebhaftem Handgemenge mit den Konservativen des Sißungssaales. Lord Nothcothe und Lord Churchill, die in der konservativen Versammlung reden wollten, waren genöthigt, fich unter dem Schuße ihrer Anhänger zurückzuziehen.

Frankreich. Paris, 12, Oktober. (Fr. Corr.) Der Budgetausschuß brachte vorgestern seine Berathungen über das ordentlihe Budget für 1885 zu Ende. Nach dem Antrage des Finanz-Ministers wurde die Erhöhung der Voranschläge der Erträgnisse der Posten und Telegraphen, der Essg-, Zucker-, Streichhölzer-, DTabacksteuern angcnommen und über dies beschlossen, die Erbschaftssteuer auch in Algerien einzu- führen, wovon man sich mindestens 2 Millionen verspricht. Demnach sind die Gesammteinnahmen auf 2418 178 810 Fr. angeseßt. Jm Vergleich zu den ersten Voranschlägen der Regierung ergiebt sh somit ein Defizit von 50 391 210 Fr. Da aber der Ausshuß an den Aus- gaben der Ministerien Abstrihe in Höhe von 52 291 072 Fr. aat Vat, 5 fiauiiit vas Budget fu 1899 auf dem Papier mit einem Uebershuß von 1 919862 Fr. Freilich sind die 23 Millionen, um welche die Garantie des Staates an die Eisenbahngesellshaften vermehrt ist, nicht hinzu- gerehnet; diese würden dem Kredit von 100 Millionen zu ent: nehmen sein, der sür die Amortisirung der Obligationen aus kurze Zeit bestimmt ist. Um das Gleichgewicht nicht zu zer- stören, verwarf die Mehrheit des Ausschusses einen Antrag des Abg. Ribot, demzufolge ein Kredit für die Kosten der Tongking-Expedition im Fahre 1885 in das ordentliche Budget hätte aufgenommen werden sollen. Zum Generalberichterstatter wurde sodann der Abg. Jules Roche ernannt.

Der Ministerrath trat gestern früh unter dem Vorfiß des Präsidenten der Republik im Elyséepalast zusammen; demselben wohnte der Handels-Minister Hérisson noch bel. Der Ministerrath beschäftigte sich vorerst mit den von der Budgetkommission gefaßten Beschlüssen, welche darauf hinau?- laufen, unter Ablehnung der von dem Finanz-Minister bean tragten Steuererhöhungen das Gleichgewicht im Budget her zustellen, aber die zur Deckung der Garantien für Eisenbahnen nöthigen 23 Millionen aus dem Amortisirungsfonds der Obug0- tionen zu nehmen. Hr. Tirard erklärte, daß er wahrscheinlich ohn? Zuhbülfenahme des gedachten Fonds das Gleichgewicht herstellen werde. Der Finanz-Minister und der Justiz-Minister legten

N Courcel

: ® ¿ne Reihe von Ernennungen in ihren Ressorts vor, Je S genehmigt wurden. Der Ministerrath beshloß E er, bei Wiedereröffnung des Parlaments keine Erklärung r heben. Der Minister des Aeußern bereitet ein Gelbbuch p das den Angelegenheiten des wesilichen Afrika gewidmet vor, Die Aktensammlung beginnt mit Schriftstücken aus dem O 1882 (Ministerium Duclerc) und endet mit den De- peschen der leßten Tage. S

_ 14, Oftober, Morgens. (W. T. B.) - Das „Journal officiel“ veröffentliht die Ernennung Rouviers zum Handels-Minister. E E

14 Ollober. (W. T. D) DœÆ „Figaro“ bringt n Schreiben des Botschafters Courcel, vom 29. Sep- ember an den Fürsten Bismarck bezüglih der afrikanischen Angelegenheiten. Nah diesem vom Figaro“ veröffentlihten Schreiben hätte die französische

Regierung den Wunsch ausgesprohen, die nachbarlichen

Beziehungen zu Deutschland in Afrika im Sinue des gegen-

Ï ritigen guten Einvecnehmens zu regeln. Die Ansichten / Frankreichs seien der Handelsfreiheit im Kongogebiet günstig Ban mit denen Deutschlands identisch. Die französische

Regierung habe sih gleih der deutschen bereit erklärt, die

j Einladung zu der bevorstehenden Konferenz an alle Kabinete Ï zu richten,

welche Handeisinteressen in Afrika hätten. 14. Oktober. (W. T. B.) Das Gelbbuch mit den

h Dokumenten über die westafrikanischen Angelegen-

heiten ist vertheilt worden. Dasselbe enthält das heute im Figaro“ veröffentlichte Schreiben des Botschafters Baron «urcel an den Fürsten Bismarck und anderes Dokumente.

Ftalien. Rom, 13. Oktober. (W. D. B.) Der

E Cholera-Bericht vom 12. d. Mts. meldet: Es kamen vor: E Jn Alessandria 1 Erkrankung, 3 Todesfälle, in Aquila 12 Er- E frankungen, 5 Todesfälle, in Bergamo 5 Erkrankungen, N 1 Todesfall, in Bologna 2 Erkrankungen, 2 Todesfälle, in N 3rescia 4 E: krankungen, 4 Todesfälle, in Chieti 2 Erkran- N fungen, 1 Todesfall, in Cremona 7 Erkrankungen, 4 ‘Todes- N fâlle, in Ferrara 2 Erkrankungen, in Genua 14 Erkrankungen, N 19 Todesfälle, davon in der Stadt Genua 3 Erkrankungen, N 4 Todesfälle und in Spezzia 1 Erkrankung, in Cuneo 16 Er- E trankungen, 10 Todesfälle, in Mailand 5 Erkrankungen,

in Modena 2 Erkrankungen, in Neapel 109 Erkrankungen, 65 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 93 Erkrankungen, 58 Todesfälle, in Novara 4 Erkrankungen, in Padua 1 Er- frankung, in Potenza 1 Erkrankung, in Reggio nell Emilia 1 Erkrankung, 3 Todesfälle, in Rovigo 1 Erkrankung, in Salerno 1 Erfrankung, 1 Todesfall, und in Turin 2 Erkran- kungen, 2 Todesfälle. / E

(Berl. Pol. N.) Dem jeßt veröffentlichten Rechen-

E (hastsberiht der italienischen Tabadckregie-Gesell- E haft für 1882 zufolge erreichte im genannten Fahre E der Umsag auf dem Kontinent und auf der Fnsel Sizilien

die Ziffer von 225 Millionen, so daß nah Abzug der Be-

: triebéunkosten von 116 Millionen ein Reingewinn von 109

Millionen übrig blieb. Hierzu ist noch der Reingewinn des Monopols in Sizilien zu renen, wo derselbe 6 855 453 Lire bei einem Umsaß von 19 621 653 Lire erreichte, während sich die Unkosten dort auf 12 736 199,92 Lire bezifferten. Neapel, 13. Oktober. (W. T. B.) Vom Sonnabend, den 11., Mitternacht, bis Sonntag zur gleichen Zeit sind hier 84 Per- sonen an der Cholera erkrankt und 51 Personen gestorben.

Türkei. Konstantinopel, 13. Oktober. (W. DeBJ Der Metropolit von Derkon, Joachim, ist zum ökume- nishen Patriarchen gewählt worden. W.. ! v

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Nußland und Polen. St. Petersburg, 14. Ofitober.

(V. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin sind gestern

Nachmittag nah Gatsch ina übergesiedelt. j

Die Gerüchte von bevorstehenden Veränderungen in der Beseßung höherer Staaktsämter, insbesondere des Kriegs - Ministeriums und des General - Gouvernements von Warschau, entbehren gutem Vernehmen nah der Be- gründung.

Amerika. Washington, 13. Oktober. (W. T. B.) Die internationale Konferenz zur Feststellung des ersten Meridians hat eine Resolution angenommen, die sich für Greenwich als den für den gemeinsamen Me- ridian zu bestimmenden Ort ausspriht. Der französische und der brasilianische Delegirte enthielten sih der Abstimmung ; der Delegirte von San Domingo stimmte gegen die Resolution.

Süd-Amerika. Peru. (W.T. B.) Aus Lima wird über London u. d. 183. d. M. gemeldet, daß die Truppen der Regierung nah lebhastem Kampfe in Trujillo ein- gerüdt seien.

Afrika. Egypten. Kairo, 10. Oktober. (Allg. Corr.) Lord Northbrook wird am 16. d. aus Ober-Egypten zurück- erwartet. S : Suakim, 9. Oktober. (A. C.) Hier ist via Jeddah die Nachricht eingegangen, daß die Beamten und Einwohner von Rowayeh aus Furcht vor den Rebellen die Stadt verlassen und sich auf eine Jnsel begeben haben. Major Chermside hat ein egyptishes Kanonenboot ant, und Mo. Brewster, der politishe Agent, hat Befehle ertheilt, die Leute zu beshüßen. :

__ Aus Massauah erfahren wir, daß General Gordon sh in Sennaar befindet und mit der Garnison die Re- vellen bekämpst und die Abgaben einzieht. Zwei Banden von Wegelagerern treiben unweit Massauah ihr Unwesen. König Johann bereitet Verlegenheiten ; er verlangt Sanheit. Vierhundert Mann des Amarar-Stammes sind von arghut zurückgekehrt; sie verloren in ihren Scharmüßeln Mann. Der Stamm, zu dessen Unterstüßung sie ausrüdck- len, hatte inzwischen Bedingungen der Neutralität mit den Rebellen abgeschlossen.

Major Chermside ist zum Gouverneur des Ufer- gebiets des Rothen Meeres, und Major Haggard zum Befehlshaber der egyptishen Streitkräfte trnannt worden.

__ Assuan, 10. Oktober. (A. C.) Lord Northbrook reiste von hier um Mitternaht ab. Soeben langten hier 100 Ruder boote von England an. | Wady-Halfa, 9. Oktober. (A. C.) Lord Wolseley wird sich morgen nah Sarras begeben, um die neuan- gelegte Eisenbahn zu inspiziren. Es wird ein Kabel nah der Telegraphenstation auf der anderen Seite des Nils gelegt, wodur die Absendung von Depeschen um Vieles erleichtert wird.

Zeitungsftinmen.

Wie wir der „Schlesischen Zeitung“ entnehmen, hat die Generalversammlung des landwirthschaftlichen Kreisvereins zu Chateau-Salins in Lothringen am 11. v. Mts. die Absen- dung einer die Erhöhung der Getreidezölle betreffenden Bitt- {rist an Se. Majestät den Kaiser beschlossen. Das in fran- zösisher Sprache abgefaßte Schriftstück lautet in deulsher Uebersetzung:

„An Se. Majestät u. \. w.

Die Landwirthe des Kreises Chateau-Salins (Lothringen) haben in der Generalversammlung des hiesigen landwirthschaftlichen Kreis- vereins beschlossen, eine Bittschrift an Ew. Majestät zu überreichen, um Hocbderselben die s{chrecklihe Nothlage darzustellen, in welche sie in Folge der auéländishen Getreidekonkurrenz immer mehr geratben.

In ihrem Namen und die allmächtige Junitiative Ew. Majestät anrufend, erlauben wir uns, Hochdieselbe ehrfurchtsvoll zu bitten, den gesetzgebenden Faktoren cinen Zolltarif-Entwurf vorlegen zu wollen, dessen Sätze hoh genug wäre, um das ausländische Getreide an der deutshen Grenze im Verhältniß zu den vielen ite die Grundbesiß und Landwirthschaft bei uns treffen, zu ver- theuern.

Nach einer langen Reibe s{lechter Jahrgänge stellt sich eine bessere Ernte in Auésiht. Dieser Segen kommt uns aber nicht zu gute, und unsere diesbezüglichen Hoffnungen werden vernichtet, da die Einfuhr fremden Getreides die Preise xlöglich so drückt, daß die Produktionskosten selbst bci der guten Ernte nicht gedeckt werden.

In Folge dieser für die allgemeine Wohlfahrt verderblib wir- fenden Thatsache muß die Industrie, tcoß des Schutzes, den fie ge- vießt, eine Krisis durhmacben, die mit der unserigen im innigen Zu- sammenhange steht. Denn Industrie und Ackerbau haben eng solida- rische Interessen.

Indem wir die Einführung cines mäßigen Zollshußzes verlangen, der die Brotpreise wenig oder gar nicht beeinflussen würde, denken wir nit im Geringften daran, einen Gegensaß zwisdben Land- und Stadtarbeiter herbeizuführen. Beide sind zu gleihec Zeit Produzen- ten und Konsumenten, und müssen sich daher gegenseitig helfen. Die einen wie die anderen haben gleibes Interesse daran, daß die Er- zeugnisse ihrer Arbeit nicht zu Scleuderpreisen verkauft werden müssen.

: Es wôre daher ein unerseßbarer Verlust, wenn durch cine wider- sinnige ZoUgeseßgebung (mesures fiscales inintelligentes) unsere Landwirthe, deren Wirtbschaft hauptsächlih auf den Körnerbau ein- geriht-t und angewiesen ist, gezwungen wären, diesen Wirthschafts- zweig aufzugeben. Auch müßte das Preisgeben des ganzen einhei- mischen Marktes an die ausländishen Produzenten das mähtige Deutsche Reich binnen kurzer Frist infolge der fortwährenden Geld- ae ruiniren. Ohne blühenden Ackerbau kann keîn Staat ge- deihen!

Wir bitten Ew. Majestät, den ebrerbietigsten. Auëdruck unserer tiefsten Ehrfurcht genchmigen zu wollen.

Chateau-Salin8, den 25. September 1884.“

(Folgt die Unterschrist des Central-Comiés.)

Der „Hamburgische Correspondent“ schreibt über die Erweiterung des Unfallversicherungsgescßes:

Wäre die öffentliche Aufmerksamkeit niht zu drei Viertheilen von Wahlvorbereitungen und von KRußseinanderseßungen zwischen den rivalisirenden Parteien in Anspruch genommen, so würde die dieser Tage von der „Nordd. Allg. Ztg.“ angekündigte weitere Ausdehyung des Unfallversiwerungsgesetzes auf die Arbeiter des Transporigewerbes, der Land- und der Forstwirthschaft die Hauptangelegenheit des Tages bilden. Unter den gegen das Versicherungsgeseß er- bobenen Einwendungen hatte der Hinweis auf die Ausschließung einer Anzahl bésonders gefährlicher und dabei weit ausgedehnter Ge- werbe bisher eine maßgebende Rolle gespielt: es verdient darum die höchste Aufmerksamkeit, daß in diefer Rücksicht bereits gegenwärtig Rath geschaft, und daß das bezügliche von der Regierung abgegebene Bersprechen prompter eingelöst werden \où, als von irgend Jemandem erwartet worden war. So allgemein herrschte die Meinung vor, daß die bei Bildung der Berufsgenossenschaften zu Überwindenden Schwierigkeiten einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen würden, daß auch von Seiten der Opposition unterlassen worden war, die Reichsregierung an ihre bei Gelegenheit der Reichstagsverhandlungen abgegebenen Versprechungen zu erinnern.

Die Versprehungen waren allerdings in bündigster Form ge- geben worden, Unmittelbar na einer am 15. März d. J. von dem \ozialdemokratishen Abg. von Vollmar gehaltenen Rede hatte der Retchskanzler das Folgende gesagt:

„Das Ziel einer späteren Auétdehnung der Versicherung®einrich- tungen auf alle gewerblichen Arbeiter steht so unumstößlich fest, daß die der ersten Einrichtung auferlegte Beschränkung sich nit als Er- \{chwerung, sondern als Bürgschaft einer vollständigen Durchführung der Reform darstellt.“

Darüber sind erst wenige Monate vergangen, Monate, die her- fömmlih nit der Vorbereitung neuer, sondern der Abwicktelung alter Aufgaben gewidmet zu werden pflegen. Die an die Er- flärungen der Megierungsverireter geknüpften Erwartungen sind nicht nur erfüllt, sondern übertroffen, und zwar so vollständig übertroffen worden, daß die erste Kunde von im Scboße der Regie- rung gepflogenen Verhandlungen über die weitere Ausdehnung des Gesetzes allenthalben mit Ueberrashung und Unglauben aufgenommen wurde. Zu erklären ist dieses prompte Vorgehen der Geseßgebung aus dem raschen und günstigen Gange, welchen die von dem Vor- sitenden des Reich€-Versicherungëamtes geleiteten Verhandlungen über die Bildung von Versicherungsgenossen\schaften genommen haben. Zur Zeit der Berathung war so unaufhörlich von den Schwierigkeiten der Aufrichtung des angeblich „s{chwerfälligen“ und „unverhältnißmäßig großen“ genossenschaftlichen Apparates geredet worden, daß man si auch auf befreundeter Seite darauf gefaßt machte, die grundlegende Arbeit langsam und mühsam zu Stande gebracht zu sehen. Jet i der Beweis. dafür, dah diess Borauss setzungen irrthümliche und übertriebene gewesen waren, in vollgül- tiger Weise geliefert und durch die sofortige Verbereitung weiter- gehender Maßregeln das Gelingen des gesammten wichtigen Werks verbürgt worden. Allseitig wird man der Veröffentlichung der veuen Verlage mit lebhaftem Interesse entgegensehen: umfassen Land- wirths{chaft und Transportgewerbe doch eine ungeheure Anzahl von Arbeitern, die bisher außerhalb des Rahmens unserer Gewerbegesetz- gebung gestanden hatten, und die zum ersten Male der Vortheile einer umfassenden Organisation theilhaft gemacht werden sollen.

Die „Wiesbadener Zeitung“ sagt:

„Es kommt nicht nur darauf an, daß das Richtige überhaupt geschieht, sondern daß es zur reten Zeit geschieht! Daran und an die Unvermeidlichkeit der Wirthschafts- und Tarifreform der leßten siebenziger Jahre, sind wir neuerdings mit besonderer Lebhaftigkeit erinnert worden, als wir in Pariser Zeitungen die Schilderung der Nothlage lasen, in welcher ein Theil der französishen Industrie fich seit Einbruch des Herbstes befindet. Weil der Absay der französischen Fabrikation zugleih im Jn- und Auélande abnimmt und weil die ausländische, zumal die deutshe Konkurrenz immer neue Fortschritte macht, werden von Monat zu Monat mehr Arbeiter entlassen. .

Das neue Gesetz über die Genossenschaften und die Vereinsfrei- beit hatten einen entschieden günstigen CEindruck gemacht und eine Annäherung der verschiedenen Klassen und Parteien im Sinne der Sozialreform in Ausficht gestellt. Jeßt muß man si freilih sagen, daß Zeiten der Noth und Arbeitlosigkeit für etne friedliche Reform- thätigkeit wenig geeignet erscheinen, und daß Alles darauf an- kommen wird, das nöthige Brot zu schaffen und die äußere Ruhe zu erhalten. N

Da sind wir Deutsche unvergleihlich besser dran. Troy aller Feindseligkeit und allen Widerstandes der Fortschrittler hatte die Reichsregierung mit der Umgestaltung des Zolltarifs den Anfang ge- macht, und erst nachdem die deutsche Industrie wieder zu Athem ge-

fommen war, die fozialreformatorischen Geseßentwürfe folgen lassen.

Auf eine Arbeiterbevölkerung, die ihr täglihes Brod und die Aussicht auf dauernde Beschäftigung bat, läßt sid ganz anders einwirken, ganz anders mit ihr verhandeln, als mit Hungrigen und Arbeitslosen. Damit überhaupt an Versöhnungen der Gegensäße gedacht werden fonnte, wurde zunädst Verhütung eines eigentli&en Nothstandes und Beseitigung der drückendsten Sorge nothwendig. Die zu diesem Be- hufe erforderlibe Umgestaltung der Zölle aber mußte Plah greifen, bevor es zum Aeußersten gekommen war ! Z Wie lange hat es gedauert, bevor dieser Zusammenhang zwischen Wirthschaftsreform und Sozialreform der Mehrheit unseres Volkes klar geworden is? Der Lärm, den Fortschriitler und Freisinnige ber den Tarif von 1879 erhoben haben, dauert noch gegenwärtig fort, und die Erkenntniß der Nothwendigkeit und des tnnern Zu- sammenhanges der beiden wichtigsten Reformen hat si nur langsam und allmählich bei uns Bahn gebroden. Erft als die Erfolge da waren, verlor die Partei der Ankläger und Heyer ihren Einfluß. Mögen die bevorstehenden Wahlen Zeugniß davon ablegen, daß unfer Volk den ganzen Umfang des ihm geleisteten Dienstes verstanden und den Entschluß gefaßt hat, sich die gewonnenen Vortheile von den sogenannten Freisinnigen nit wieder entreißen zu lassen.“

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlihungen des Kaiserlichen Gesund heitsamts sind in der 40, Jahreswoche von je 1000 Bewohnern, auf den Jahresdur{i{chnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 27,6, in Breslau 24,2, in Königsberg 22,6, in Cöln 22,3, in Frankfurt a2. M. 16,3, in Hannover 26,2, in Caffel 22,4, in Magdeburg 21,8, in Stettin 264, in Altona 23,1, in Straßburg 23,9, in Mey 14,0, in München 24,1, in Nürnberg 23,8, in Augsburg 19,5, in Dres- den 23,1, in Lipzig 18,6, in Stuttgart 17,9, in Braunschweig 14,7, in Karlsruhe 17,0, in Hamburg 21,4, in Lübeck —, in Wien 18,7, in Budapest 20,9, in Prag 28,6, in Triest —, in Kraïau 26,0, in Basel 14,7, in Brüssel 185, in Amsterdam 20,7, in Paris 18,7, in London 17,2, in Glasgow 23,1, in Liverpool! 22,1, in Dublin 26,3, in Edinburg 16,0, in Kopenhagen 22,0, in Stockholm 25,4, in Chris stiania 21,0, in St. Petersburg 20,8, in Warschau 31,6, in Odessa 27,0, in Rom 19,6, in Turin 23,1, in Bukarest 19,8, in Madrid 30,4, in Alexandria 33,1. Ferner aus der Zeit vom 7.—13., September cr.: in New-York 25,7, in Philadelphia 23,9, in Chicago —, in Cincinnati —, in St. Louis —, in San Fran- zisfo 14,3, in Kalkutta 22,0, in Bombay 30,0, in Madras 47,3.

Beim Wochenbeginn herrshten an den meisten veutschen Beobachtungsstationen westliche und südwestlihe, in Müncben öftliche Windrichtungen, die jedo nur in Karlsruhe mit kurzem Wechsel mit Nordwest und in Bremen, wo der Wind am Schluß der Woche nach Nordwest drehte, bis an das Ende der Woche vorwiegend blieben. Am 29. und 30. Scytember ging der Wind an den meisten Stationen nach Südost und blieb in Konitz bis zum S{luß der Woche, wo Nordwest überwiegend wurde, aus dieser Richtung wehend, in München und Cöln machten sich am 1,, an dén übrigen Stationen am 2. Oktober westlihe Winde geltend, die in Heiligenstadt und Cöln mit nord? westlichen Winden wechselten, auch in Berlin ging der Wind am Scbluß der Woche nah Nordwest. Die Temperatur der Luft lag an allen Stationen um 2—83 Grad C. über der normalen. Ja den leßten Tagen der Wote nahm die Luftwärme allgemein ab und fielen an dea meisten Stationen mehr oder minder ergiebige Niederschläge. Der beim Wochenbeginn hohe Druck der Luft sank an den Süd- stationen in den ersten Tagen der Woche; an den übrigen nahm der Luftdruck zu, nahm aber vom 30. September an allen Stationen ab, um am 3. Oftober wieder allgemein zu steigen. 1 h

Mit der Abnahme der Darmkatarrhe der Kinder haben si die Sterblichkeitsverlältnisse in den meisten Großstädten allmählich wic- der günstiger gestaltet. Auch die meisten deutschen Städte melden kleinere Sterblichkeitsverhältnißzahlen, nur wenige (wie Berlin, Hannover, Stettin) größere. Die aligemeine Sterblichkeitsverhältniß- zahl für die deutschen Städte sank auf 23,5 von 93:9 der Vorwoche (pro Mille und Jahr berechnet). Die Theilnahme des Säuglings- alters war auch in dieser Woche wieder cine geringere. Von 10 009 Lebenden ftarben, pro Jahr berechnet, 92 Säuglinge gegen 95 der Vorwoche; in Berlin 118, in München 113. Die Ab- nahme der Darmkatarrhe und Brechdurchfälle der Kinder war eine ziemli) allgemeine; nur in wenigen Städten, wie in KönigéE- berg, Danzig, Breslau, München, Nürnberg, Stuttgart, Dresden, Berlin, Görliz, Hamburg, Düsseldorf, Wien, Paris, London, St. Petersburg war die Zahl der Todesfälle noch eine außergewöhnlich höhere. Erkrankungen und Todesfälle an Ruhr zeigten noch feine wesentlihe Abnahme. Aus Paris kamen 3, aus Vencdig 2, aus Baltimore 1 Todesfall an sporadischer Cholera zur Mittheilung. In größerer Zahl beginnen fich aber wieder die Infektionskrankheiten zu zeigen. Namentlih haben Scharlach und Diphtherie în den Städten an der Ostseeküste, im sächfs{ch-märkischen Tieflar- de sowie in Berlin größere Ausdehnung gewonnen, und riefen ersteres in Königsberg, Danzig, Elbing, Greifswald, Görliß, Spandau, Regensburg, Bremen, aber auch in Prag, Warschau, Amsterdam viel Todesfälle hervor, während die Diphtherie in Steitin, Stolp, Posen, Graudenz, Dresden, Chemniy, Leipzia, Spandau, Guben, Cottbus, Dessau, Berlin, Görliß, Hamburg, Wien zahlreiche Opfer forderte. Auh Masern zeigten sich bäufiger, aber meist mit günsti- gem Verlaufe. Typhöse Fieber kamen aus deutschen Städten in wenig veränderter Zahl zur Anmeldung; aus Posen, Celle, Han nover, Eisleben werden mehrfahe Sterbefälle gemeldet; in Berlin, Paris, London, St. Petersburg war ihre Zahl eine be- schränkte; Todesfälle an Flecktyphus kamen nur aus London uad Krakau je 1, aus Madrid 3 zur Anzeige. Der Keuch- husten rief in Berlin weniger Sterbefälle hervor; in Tilsit, Dresden, Bonn wurde er häufiger Todesveranlassung, Poken zeigten ih meist in beschränkter Zahl. Aus deutschen Städten kam nur 1 Lodes- fall (aus Bonn) zur Anzeige. Auch aus Krakau, St. Petersburg, Odessa, Prag, Venedig, Neu-Orleans werden wenige, aus Lissabon d, aus Turin 6, aus London 10 Sterbefälle gemeldet, Die Cholera tritt in Frankreih und Spanien nur noch vercinzelt auf, in Jtalien hat sie erheblih abgenomnien, besonders in Neapel und Genua. Yus den indischen Städten Kalkutta, Bombay, Madras wurde, bejonders aus den Letzteren beiden Orten, wieder eine Zunahme der Cholerafälle gemeldet.

Gewerbe und Handel.

Die Sächsishe Webstuhl-Fabrik (vorm. Schönherr) zu Chemnitz bringt, nabdem sie vier Jahre hintereinander 8 9/9 Divi- dende vertheilt hat, für das verflossene Geschäftsjahr 9% zur Aus- zahlung ; dabei wurden die Abschreibungen so bemessen, daß dieselben auf Grundstücke, Gebäude 2c. statt wie in früheren Jahren 5 °/o, died» mal mit 10% im Betrage von 208283 Æ( im Gewinn- und Ver- lustkonto figuriren. Außerdem find auf Hülfsmaschinen und Werk- zeuge wiederum 200% und für Abnußung mehr als 80 000 4 zurüd- gestelllt. Als Reserve für Debitoren und Rimessen sind 66 000 eingestellt. Das Gewinn- und Verlustkonto weist als Bruttogewinn die Ziffer von 1092775 4 auf, wovon 1071 239 #4 auf Fabrifa- tionékonto entfallen. Der vertheilbare Gewinn_ beziffert sich auf 573 906 A, welder Summe in der Bilanz 271 345 4 ais Abs schreibungen gegenüberstehen, so daß ein Reingewinn von 302 561 M verbleibt ; aus diesem entfallen 270000 4 zur Dividendenvertheilung.

Essen, 14. Oktober. (W. T. B.) Der Wowenbericht der „Rhe inis{ch-Westfäl. Zeitung“ über den Kohlenmarkt konstatirt erfreulichen Mehrabsaß von Koble und Kokes in der zweiten Hälfte des September gegen die erste Septemberhälfte. - :

Wien, 14. Oltobex. (W. T. B) Die außerordentliche Generalversammlung der Lemberg-Czernowißer Eisenbahn ermächtigte den Verwaltungsrath, behufs Einlösung der 5prozentigen Prioritäts\{uld zwei neue Emissionen 4prozentiger, in Silber ver- zinsliher Prioritäts-Obligationen im Gesammtbetrage von 52 755 000 Silbergulden zu veranstalten und das Aktienkapital gleichzeitig, um den Nominalbetrag von drei Millionen Silbergulden durch Ausgade

von 15 090 Stück neuer Aktien zu vermehren.