1884 / 247 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 20 Oct 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Dem Kreise Breslau, welher den Bau einer Chaussee vom Dftausgange der Dorfstraße in Neukirch bis zur Einmündung in die Berlin-Breslauer Provinzial-Chaufsee beschlossen hat, ist durch Allerhöhste Ordre vom 3. d. M. das Enteignungsrecht für die zu dieser Chaussee erforder- lichen Grundstücke, sowie gegen Uebernahme der künftigen chausseemäßigen Unterhaltung der Straße das Recht zur Er- hebung des Chausseegeldes nah den Bestimmungen des Chausfseegeldtarifs vom 29. Februar 1840 einschließli der in demselben enthaltenen Bestimmungen über die Befreiungen, sowie der sonstigen, die Erhebung betreffenden zusäßlihen Vorschriften vorbehaltlich der Abänderung der sämmtlihen voraufge- führten Bestimmungen mit der Maßgabe verliehen worden, daß die Chausseegelderhebung erst stattfinden darf, nachdem die Chaussee bis zur Länge von mindenstens 3,75 km fort- geführt sein wird. Auch sollen die dem Chausseegeldtarif vom 29. Februar 1840 angehängten Bestimmungen wegen der Chaussee-Polizeivergehen auf die gedahte Straße zur Anwendung kommen.

Die Universität beging am 15. d. M. die Feier des Rektoratswechsels. A :

Der Professor ord. Dr. A. Kirchhoff, als zeitiger Rektor, leitete die Uebergabe des Rektorats an seinen Nachfolger, den Geheimen Justiz-Rath, Professor ord. Dr. Dernburg mit einer statistischen Uebersicht der Ereignisse des verflossenen Univer- sitätsjahres ein. .

Beim Lehrerpersonal verlor die Universität durch den Tod die ordentlihen Professoren DDr. Reichert, Müllenhoff, Droysen, Dorner und Lepsius; durch Uebertritt in einen anderen Wirkungskreis: die außerordentlichen Professoren DDr. Carl Müller, Lewis, die Privatdozenten Dr. med. Runge, Dr. med. Weber: Liel, Dr. phil, Döbner, Dr. phil. Hagen; durch Ausscheiden : die Privatdozenten Dr. phil, Thiesen und Dr. med. Hiller.

Dagegen traten neu ein durch Beförderung resp. Be- rufung: bei der philosophishen Fakultät die ordentlichen Pro- fessoren Dr. Fuchs, Dr. Eilhard Schulze, die außerordentlichen Professoren DDr. Furtwängler und RKoser; bei der medi- zinischen Fakultät die außerordentlihen Professoren DDr. Sonnenburg, J. Wolff, Mendel und Ane: durch Ha- bilitation als Privatdozenten bei der theologishen Fakultät Lic. Dr. Grafe, bei der juristishen Fakultät Dr. Sachße, bei der medizinishen Fakultät die DDr. Kossel, Hosmeier, Wyder, Virchow, Grawiß, Baginsky, und bei der philosophischen Fa- kultät die DDr. Rehmke, Löwenfeld, Grube, von Stein und Schwan.

Promovirt wurden bei der theologischen Fakultät 7 Dok- toren honoris causa und 1 Licentiat honoris causa; bei der juristishen Fakultät 1 Doktor honoris causa und 4 Doktoren, bei der medizinishen Fakultät 87 Doktoren und bei der phi- losophischen Fakultät 56 Doktoren.

Privat- und öffentlihe Vorlesungen wurden in beiden Semestern angekündigt 1134, wirklih gehalten 1018, welche von 43 763 Zuhöhern besucht worden sind.

JImmatrikulirt wurden im Laufe des Fahres 374 Theo- logen, 928 Juristen, 630 Mediziner, 1081 Philosophen, im Ganzen 3013; abgegangen find 316 Theologen, 934 Juristen, 475 Mediziner, 1022 Philosophen, im Ganzen 2747.

Todesfälle unter den Studirenden sind 7 zur Anzeige gekommen.

Nachdem der Rektor noch über die akademische Disziplinar- Gerichtsbarkeit sowie über allgemeine Universitäts-Angelegen- heiten berichtet hatte, gedachte derselbe mit Dank der der Universität zur Begründung von Stistungen zum Besten würdiger und bedürstiger Studirenden von der verstorbenen Gräfin Bose, geb. Gräfin von Reichenbach-Lessoniß und von dem hierselbst verstorbenen Gymnasial-Direktor a. D. Dr. Nudolf Loren gemachten Zuwendungen.

Hierauf nahm derselbe seinem Amtsnachfolger den vor- geschriebenen Rektoreid ab und übergab ihm die Fnsignien des übertragenen Amtes, worauf der Leßtere zum Schluß des feierlichen Aktes eine Ansprache hielt und über die Bedeutung der Rechtswissenschaft für den modernen Staat sprach.

Der für das Studienjahr 1884/5 konstituirte Senat besteht aus :

dem Rektor, Geheimen Justiz-Rath, Professor ord. Dr, Dernburg, dem Prorektor, Professor Dr. A, Kirchhoff, dem Universitätsrichter, Geheimen Justiz-Rath Schulz, dem Dekan der theologischen Fakultät, Ober-Konsistorial-Rath, Professor ord, Dr. Freiherr v. d. Golß, dem Dekan der juristischen Fakultät, Geheimen Justiz:Rath, Professor ord. Dr. Hinschius, dem Dekan der medizinischen Fakultät, Geheimen Medizinal- Nath, Professor ord. Dr. Leyden, dem Dekan der philosophi- schen Fakultät, Professor ord, Dr. Förster, dem Senator, Ge- heimen ODver-Medizinal-Rath’, Professor ord, Dr. Bardeleben, dem Senator, Geheimen Regierungs-Rath, Professor ord, Dr. Zeller, dem Senator, Geheimen Medizinal-Rath, Professor ord, Dr. du Bois-Reymond, dem Senator, Professor org, Dr, Schmoller, dem Senator, Professor ord. Dr. Eck.

Der Kaiserliche Botschafter am Königlih großbritan- nischen Hofe, Graf zu Münster, ist von dem ihm Aller- höwst bewilligten Urlaube nah London zurückgekehrt und hat die Geschäfte der dortigen Botschast wieder übernommen.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Großherzoglich ae vgl Ober-Zolldirektor Oldenburg ist hier ein- getroffen.

Der Königlih rumänische Gesandte am hiesigen Aller- höchslen Hofe, Liteano, ist vom Urlaube nah Berlin zurüc- gekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder über- nommen.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Men! Dr. Friedemann in Köpenick, Breyer in Breslau, Dr. Lichten- stein in Liegnitz, Dr. Fischer in Karolath, Bauer in Waechters- bah und Dr. Kranold in Hannover.

Dels, 18. Oftober. Der „Swlesishen Zeitung“ wird gemeldet: Heute Mittag erschienen der Ober-Präsident, Wirkliche Geheime Rath von Seydewißt, begleitet von dem Regierungs-Präsidenten, Frhrn. von Juncker und sü»f anderen Herren, im hiesigen Schlosse. Der Ober-Präsident er- tlärte den dorthin berufenen Mitgliedern der Herzoglichen Kammer, daß er infolge des Ablebens des Herzogs Wilhelm Namens des Kaisers und Königs und des Kronprinzen und im Auftrage des Ministers des Jnnern von dem gesammten Herzoglihen Grundbesiß in Slesien, dem feudalen wie dem allodialen, Besiß ergreife. Die Verwaltung hat der Ober-Präsident übernommen. Ueber ein Testament des Herzogs verlautet noch nichts.

Wiesbaden, 17. Oktober. Nah Eröffnung der heutigen 4. öffentlihen Sißung des Kommunal- Landtages wurde das Protokoll über die vorige Sitzung verlesen, welches die Genehmigung erhielt. Vor Eintritt in die Tagesordnung machte fodann der Vorsißende Mittheilung von den neuen Eingängen.

Ueber den ersten Gegenstand der Tagesordnung, die Ver- äußerung verschiedener Abschnitte von Chausseegeländen be- treffend, erstattete Namens der Eingabenkommission der Abg. Bott Bericht. Dem gestellten Antrage gemäß wurde die Ver- äußerung genehmigt. Auf den weiteren, durch den Abg. Schirm erstatteten Bericht derselben Kommission in Betreff des Baues der Eisenbahn Lollar: Gladenbach beshloß der Kommunal- Landtag, die Uebernahme der Garantie für die den Kreisen Biedenkopf und Weßlar obliegenden Leistungen abzulehnen, dagegen bei einem etwaigen Defizit ?/z desselben zu üÜber- nehmen, sofern diese 2/3 Zwanzigtausend Mark nicht übersteigen.

Ueber das Gesuch des p. Enders zu Hennethal wegen anderweiter FestjeßBung einer Brandentschädigung wurde zur Tagesordnung übergegangen.

Düsseldorf, 19, Oktober. Se, Majestät dev Kaiser und König haben, wie der „Düss. Anz.“ berichtet, an den General der Kavallerie, von Wißendorf, Comman- deur des VII. Armee-Corps, die folgende Allerhöchste Kabinetsordre gerichtet :

„Jch wiederhole Ihnen heute am S{luß der diesjährigen gro- ßen Herbstübungen, von denen Ich leider nur die große Parade und das Corpsmanöver habe schen können, gern den Ausdruck Meiner vollsten Zufriedenheit mit dem Zustande des VII. Armee-Corps. Es find sehr f\tarke Anforderungen an die Ausdauer und, an die Leistunesfähigkeit der Truppen gestellt worden ins- besondere die ciner großen Parade nach Tags vorher statt- gebabtem Feldmanöver und gereiht es Mir zur lebhaf- ten Befricdigung, hier aus\prechen zu können, daß diesen Anforderungen in einer höchst anerkennenswerthen Weise entsprochen worden ist. Die wenigen Tage, welhe Ih das Armee-Corps sehen konnte, haben Mir die Truppen durchweg in einer vortrefflichen Bersassung, in vollster Anspannung und höchster Ordnung gezeigt und {eide Ih von dem VII. Armee-Corps, durchdrurgen von der Ueberzeugung, daß \sich dasselbe in einer durchaus kricgstüchtigen, allen Aufgakten gewachsenen Verfassung befindet. Vor Allem spreche Ich Ihnen, dessen erfolgreichße Kommandoführung dieses günstige Resultat ganz besonders erkennen läßt, Meinen warmen Königlichen Dank aus und ersuhe Ich Sie, demnächst auch allen Generalen, Regiments- Commandeuren und Offizieren Kenntniß von Meiner lebhaften An- erkennung ihrer Erfolge in Ausbildung und Führung der Truppen zu geben, Zugleih wollen Sie auch die in der Anlage enthaltenen Gnatenbewcise und Beförderungen zur Kenrtniß des Armee-Corps bringen und au den Mannschasten Meine volle Zufriedenheit mit ihren Leistungen zu erkennen geben. Ueber die Feldmanöver, von deren Verlauf Mir in jeder Beziehung Günstiges berichtet worden, behalte Ich Mir nach Einsicht der betreffenden Berichte noch vor- hnen Meine spezielle Beurtheilung zugehen zu lassen. E

Benrath,, den 40. September 1884.

1 Lama

Wilhelm.“

Sigmaringen, 20. Oktober, Morgens. (W. T. B.) See. Kaiserlihé und Königliche Hoheit der Kron- prinz ist gestern Abend 9 Uhr hier eingetroffen.

4%. Oktober, Mittags. (W. T. B.) Anläßlich der Feier der goldenen Hochzeit Jhrer Königlichen Hoheiten des Fürsten und der Fürstin von Hohen- zollern sind der Bahnhof und die Straßen, namentlich ver Weg zum Schlofse mit Guirlanden, Festons, Wappen, goldenen Kränzen und Fahnen reih geshmüdckt. Der Zu- drang von Franden Yt auyerordentiO gros. Um 11 Uhr wurde dem Fürhtlihen Fubelpaare das sogenannte „Klösterle“ als das von den Kindern dargebrachte Ge- Jchenk übergeben. Dasselbe trägt die Jnschrist: „Zum Andenken an die goldene Hochzeit der lieben Eltern gestiftet von den Kindern, auch im Geiste der verïflärten Stephanie und Antonie, unter Mitwirkung lieber Verwandten“ und ist von dem Fürstlichen Fubelpaare zu einer der Volkswohlfahrt gewidmeten Anstalt bestimmt. Nach der Uebergabe fand eine von dem Erzbischof von Freiburg celebrirte Messe statt, welcher Zhre Königliche Hoheit die Fürstin von Hohenzollern, Zhre Majestät die Königin von Sachsen, Jhre Majestäten der König und die Königin von Rumänien sowie die Kinder und Enkel des Jubelpaares beiwohnten.

Sachsen. Dvesden, 18, Vitober, (Dr. J) - Dex König wird sich morgen, Sonntag, Naçchmitiag in Begleitung des General-Adjutanten, General-Lieutenants von Carlowiß nah Sigmaringen begeben, um der dort am 21. d. M. stattfindenden Feier des goldenen Ehejubiläums des Fürsten und der ¿Fürstin von Hohenzollern anzuwohnen.

Braunschweig. Braunschweig, 18. Oktober. (W. T. B.) Die Nachricht von dem Ableben des Herzogs, welche sich heute Vormittag rasch in der Stadt verbreitete, ist von der Bevölkerung überall mit tiefer Trauer aufgenommen worden. Vor dem Residenzschlosse und in den angrenzenden Strafen bildeten sich alsbald Gruppen, welche die Trauer- nachriht sichilih tief ergriffen besprahen ; von den Thürmen ertönte Trauergeläut, und die Schulen wurden geschlossen. Aus sehr zahlreichen Häusern wurden Trauerfahnen ausge- hängt, Die Wohnräume im Residenzschloß, die der ver- storbene Herzog innegehabt hat, sind von dem Staats- Ministerium versiegelt worden.

18. Oktober. (W. T. B.) Der Commandeur der 40. Fnfanterie-Brigade, General-Major Freiherr von Hilgers, hat folgende Proklamation erlassen :

„An die Bewohner des Herzogthums Braunschweig! Nach dem unbeerbten Hir scheiden Sr. Hoheit des Herzogs Wilhelm hat das Deutsche Reico vermöge tes Bundesvertrages vom Jahre 1867 und der Reichsverfafsung die Frage zu prüfen, wer dem verstorbenen Herzog als Reichsgenosse und Landesherr in Braunschweig folgen wird. Die verbündeten Regierungen werden zunächst im Bundes- rathe über die Legitimation der Vertretung Braunschweigs in demselben zu entscheiden haben. Bis zur erfolgten Ent- scheidung wird Se. Majestät der Kaiser auf Grund des Bundesvertrages und der Art. 11 und 17 der Reichéverfafsung dar- Über wachen, daß der rcchtmäßigen Erledigung der Thronfolge nicht vorgegriffen und daß die an der Person des Herzogs haftenden mili- tärishen Reservatrehte sichergestellt werden. Zu diesem Zwecke und im Hinblick auf Art. 4 Nr. 3 und 4 des Braunschweigischen Gesetzes vom 16. Februar 1879, hat Se. Majestät der Kaiser mir den Ober- befehl über die im Herzogthum \tebenden Truppen übertragen. Jch habe denselben übernommen und fordere die Bewohner des Herzog-

® thums im Namen Sr. Majestät des Kaisers auf, der Entsceidun, des Reiches in dem Vertrauen entgegenzujehen, daß die Rechte m die Zukunft ihres Landes unter dem Schutze des Reiches und seine:

Verfassung stehen.“ i 19. Oftober. (W. T. B.) Die Beiseßung de; erfolgt in der Familiengruft dez

Leiche des Herzogs j l Braunschweiger Domes. Die Leiche wird voraus sicht eintreffen und alsbald

lh am Mittwoh Abend hier

nach dem Residenzshlosse übergeführt werden, woselbst die feierliche Ausstellung stattfindet. Die Landestrauer is auf die Dauer von 2 Monaten angeordnet worden.

19. Oktober. (W. T. B.) Die amtlihen „Braun: \chweigishen Anzeigen“ bringen folgende Publikation des Regentschaftsraths für das Herzogthum Braunschweig:

„Nachdem in Folge des Ablebens Sr. Hoheit des Hochseligen Herrn Herzogs Wilhelm die provisorisbe Regierung des Landes dur den Regentschaftsrath auf Grund des Gesetzes vom 16. Februar 1875 Nr. 3 eingetreten ift, geht die Staatsverwaltung innerhalb der durg die Stellung des Herzogthums in und zum Reiche und der durch dz allegirte Geseß gezogenen Schranken fortan und bis auf Weitere nach Maßgabe der Verfassung vom Regentschaftsrathe aus und stebt unter dessen Oberaufsiht. Ebenso steht dem Regentschaftsrathe die Ausübung der evangelischen Kirchengewalt und die Hand, habung der Kirchenhoheit zu. Jndem der Regentschafts, rath die Bewohner des Landes hierauf nochmals hinweist, giebt dey selbe insbesondere allen Staats- und Gemeindebehörden und Instituten sowie den in deren Diensten Angestellten, desgleichen den kir{lide Organen und Dienern gegenüber, vertrauend auf deren ftets bewährte Pflichttreue, der zuversichtlihen Erwartung Ausdruck, daß sie in un, veränderter Fortführung ihrer Pflichten und Befugnisse dafür Sorg tragen werden, den Geist des Gehorsams gegen das Geseh der Ordnung im Staats- und Kirhenwesen, welcher in der länger als 53jährigen segensreihen Regierung unseres theueren hochseligen Landesherrn nie gewihen, in gleiher Weise während der bevorstehenden Uebergangézeit mit allem Ernst und Nachdruck unverbrüchlih aufret zu erhalten und sih als fest, Stützen des die provisorishe Regierung führenden Regentschaft, rathes zum Heile des Landes und seiner Bewohner zu bewähren,

Zugleich bringt der Regentschastsrath den bereits mit: getheilten Erlaß des General-Majors Frhrn. von Hilgers an die Bewohner des Herzogthums Braunschweig auch in dem amtlichen Blatte mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntniß, daß die dem §8. 4 Nr. 3 und 4 des Landesgeseßes vom 16. Februar 1879 entsprehenden Ersuhen an Se. Majestät den Kaiser bereits vor Veröffentlichung des Erlasses von dem Regentschaftsrath beschlossen waren, und daß in- zwischen ein dieselben enthaltendes, an Se. Majestät den Kaiser gerichtetes Schreiben des Regentschaftsrathes Sr. Dur; lauht dem Fürsten Reichskanzler mit dem Ersuchen, das

Schreiben Sr. Majestät dem Kaiser zu unterbreiten, übersandt F

worden ist.

Lübeck, 18. Oktober. (W. T. B.) Jn Gegenwart dez Staatssekretärs Dr. Stephan, des Senats und de Spitzen der Behörden wurde heute das neue Pos: gebäude eingeweiht. Am Schluß der Feier brachte der Bürgermeister von Lübeck ein Hoh auf den Reichskanzler Fürsten Bismarck und der Vber-Postdirektor von Ham: burg, Dr. Petersen, ein Hoh auf den Staatssekretär Dr, Stephan aus.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 17, Oktober. (Lds- Ztg. f. E.-L.) Am 24, d. M. wird das Plenum des Ober: schulraths zu seiner Herbstsizung zusammentreten. Aus der Tagesordnung steht außer anderen Schulangelegenheiten auch die Frage des französischen Unterrichts an den Gywnasien, Nachdem für eine Reihe einzelner Gymnasien {hon mit Beginn des Schuljahres eine Vermehrung der französischen Unterrichtsstunden auf Antrag der Direktoren stattgefunden hatte, handelt es sih jezgt um eine allgemeine gleichmäßige Regelung der Angelegenheit.

SDesterreich-Ungarn. Wien, 18, Oktober. (Wn. Abdp,) Der niederösterreichishe Landtag hielt heute seine

Scchlußsißung. Laibach, 18. Oktober. (Wn. Ztg.) Nach Erledigung

der Geschäste wurde heute der Landtag mit dreimaligen

Hoch auf den Kaiser geschlossen.

Belgien. Brüssel, 19, Oktober. (W. T. B.) Na den bisher vorliegenden Resultaten der Kommunal wahlen hat die katholishe Partei gesiegt in Brüggt, Nivelles, Hall, Oudenarde, Grammont und Furnes ; die live- calen Kandidaten sind gewählt in Mons, Braîine, „J mappes, Jodoigne, Ostende, Marche, Dixmude, Lüttich, Namur, Tournai, Rochefort, Löwen und in allen Vororten Brüsselt, mit Ausnahme von Etterbeck; ferner in Arlon, Verviexs, Dinani, Diest und Virton. Jn der Stadt Brüssel erwartet man eine Majorität von über 3000 Stimmen für die Liberalen; in Antwexpen haben die Liberalen eine Majorität von über 1500 Stimmen. E

19. Oktober, Abends. (W. T. B.) Die Majoritä der liberalen Partei bei den heutigen Kommunal wahlen beträgt in hiesiger Stadt 3700 Stimmen. Jn allen größeren Städten, mit Ausnahme von Mecheln, und in vielen tleineren Orten haben die Liberalen ihre Position mit vel stärkten Majoritäten behauptet. Die Straßen von Brüss! hatten namentlich am Abend ein bewegtes Aussehen, do sind erhebliche Ruhestörungen nicht vorgekommen. Einige Trupp? durchzogen singend die Straßen. Bei dem Bureau des „Patriote“ wurden mehrere Fensterscheiben zertrümmert und in Folge dessen einige Exzedenten verhaftet. Die Bürgorgardt, die den Tag über consignirt war, konnte um 81/2 Uhr en? lassen werden.

Antwerpen, 18. Oktober. (W. T. B.) Jn Folge d von dem Führer der Radikalen, Janson, bel det Sozialisten erfolgten Schritte ziehen diese in Antwerp®! ihre Kandidaturen zu Gunsten der Liberalen zurüd. Zwei Escadrons Lauciers sind hier eingetroffen; an dit Artillerie und Gensd’armerie, welche durch die E berufene Bürger-Garde verstärkt ist, wurde sharfe Mun it10! ausgegeben. T Y)

19. Oktober, Abends 10 Uhr 30 Minuten. (W. Li Jn den Straßen herrschte den ganzen Tag über, namentli aber Abends, große Bewegung; mehrere Trupps U zogen mit Musik die Stadt, wobei es zu größeren Zusam rottungen kam, die jedoch keinen drohenden Charakter me Die Truppen waren in den Kasernen consignirt, ließ aber keine Patrouillen gehen. Die Bürgergarde konnte ges 9 Uhr außer Dienst gestellt werden.

Großbritannien und Jrland. London, 17.Oktober. (Allg. Corr.) Ueber die Vertheidigung der kolo- nialen Besitz#ungenEnglands is ein Schriftwechsel wischen den Ministerien des Krieges, der Kolonien und Jndien veröffentliht worden. Derselbe beginnt mit einem Briefe des Kriegsdepartements an das Koloniale Amt, vom 19. März, und endet mit einer Mittheilung des Schaßamtes, vom 12. August d. J. Die Correspondenz umfaßt einen Auszug aus den Vorschlägen des General-Jnspektors der Fortifikationen, die im Allgemeinen von dem Vertheidigurgscomité, unter dem Vorsitz des Herzogs von Cambridge, gebilligt worden. Sie sind auf dem Prinzip basirt, daß plögliche Angriffe nur von ver- hältnißmäßig kleinen Geshwadern gemacht werden können, und die Vertheidigungswerke sind in jedem Falle darauf berechnet, solhen Eventualitäten vorzubeugen. Ernstere fremde Angriffe fönnten nicht geheim gehalten werden, und man könne dann auf die Unterstüßung der Flotte rehnen. Unterseeishe Minen würden in den meisten Fällen einen Bestandtheil der Ver- theidigungswerke bilden und bei einer Aktion mit den beab- sihtigten Artilleriewerken vereint wirken. Es sollen deninah Aden, Trincomalee und Colombo auf Ceylon, Singapore, Hongkong, Sierra Leone, St. Helena, Simons Bay und Tafel: hay am Kap der guten Hoffnung, Mauritius, Port Royal auf Jamaika und Port Castries auf St. Lucia befestigt und armirt werden, und es wird der Totalbetrag der Kosten sür die Festungswerke mit 560 870 Pfd. Sterl., und für Kanonen mit 331 000 Pfd. Sterl., also zusammen mit 891 870 Pfd. Sterl. veranschlagt.

Liverpool, 18. Vitober. W. L. B) Der bei der Ankunft des Dampfers „Lord Clive“ wegen Besißes einer Quantität Dynamit verhaftete ungarishe Staats- angehörige Ouda Howaneer wurde heute vor den Polizeigerichtshof gestellt. Derselbe leugnete, irgend- welche verbrecherishe Absicht gehabt zu haben. Die weitere Verhandlung wurde auf 8 Tage vertagt.

Frankreich. Paris, 17. Oktober. (Fr. Corr.) Die morgige Debatle Uber die landwirthsGaftliche Qrisis, die n aus der Jntexrpellation des Abg. de Roys entspinnen wird, dürfte wahrscheinlich nur eine allgemeine Tragweite haben, da die 2tegierung nicht beabsich- tigt, dabei feste Verpflichtungen auf sih zu nehmen. Jhre Haltung ist nah Andeutungen aus Regierungskreisen weder eine rein shußzöllnerishe noch au eine unumschränkt freihändlerische, sondern vielmehr eine den Bedürfnissen des Augenblicks an- gemessene, weshalb sie sich die Prüfurg der zahlreichen Amendements zu dem Gefeß über die Erhöhung der Viehzölle vorbehalte. Von den erwähnten Zusatanträgen werden Zölle zwischen 4 und 7 Fr. für Getreide, 8 Fr. für Mehl und 2 Fr. für andere Bodenprodukte verlangt. Die von dem Abg. de Roys eingebrachte Tagesordnung, welche ven Schluß der von ihm angeregten Fnterpellationsdebatte bilden soll, lautet: „Die Kammer, überzeugt, daß die Regierung alle nöthigen Maßregeln zu ergreifen wissen wird, um die JFnter- us der Landbevölkerung zu wahren, geht zur Tagesordnung über.“

Die Deputirten der südlihen Departements und Algiers versammeln sich heute Nachmittag, um von den Eisenbahngesellshaften zu erlangen, daß sie dem ameri- kanishen Getreide keine billigeren Tarifsäße bewilli- gen als dem französischen und algerischen Getreide.

Die jüngsten Depeschen des Admirals Courbet besagen nichts von einem neuen Angriff auf Tamsui. Das Okkupationscorps von Kelung is mit der Befestigung dieses Plaßes gegen eine etwaige Offensive der Chinesen beschäftigt. Dagegen erscheint es nach allen eingelaufenen Nachrichten mehr und mehr unumgänglich nothwendig, neue Verstärkungen nach- zusenden, da troy der errungenen glänzenden Erfolge sowohl der Admiral Courbet wie General Brière de l’Jsle kaum imStande sein möchten, mit ihren augenblicklichen Streitkräften ihre Aufgabe vollständig zu lösen. Da der Marine-Minister keine weitere Truppen aus der Marine-Fnfanterie mehr zur Verfügung hat, so würden diese neuen Verstärkungen aus der Land- armee zu entnehmen sein. General Campenon soll, wie es heißt, dem jedoch einen gewissen Widerstand entgegenseßzen und ohne ein vorgängiges Votum der Kammer keine Truppen hergeben wollen.

16 Doe Q L D) Gh der Vaitigen Sißung der Deputirtenkammer begründete der Deputirte des Noys seine Junterpellation über die auf dem landwirthshaflihen Gebiete herrshende Krisis und verlangte für die landwirthschaftlichen Produkte den- selben Schuß, der den Erzeugnissen der Jndustrie gewährt werde. Durch den Eintritt des freihändlerishen Prinzipien huldigenden Ministers Rouvier in das Kabinet seien Besorg- nisse hervorgerufen worden; er bitte die Regierung deshalb um Erklärungen. Der Minister-Präsident Ferry er- widerte: die Fürforge der Regierung sei der Landwirthschaft in ganz der nämlichen Weise wie der Fndustrie zugewandt ; die Regierung habe dies durch den Vorschlag auf Erhöhung der Viehzölle bewiesen. Auch gegen eine mäßige Erhöhung der Getreidezölle habe er nihts einzuwenden, die gegenwärtige Jnterpellation sei aber keine geeignete Gelegenheit, eine Frage von so großer Wichtigkeit zu diskutiren ; er beantrage deéhalb die einfache Tagesordnung. Der Deputirte Brialou richtete lebhafte Angriffe gegen die hohen Eisenbahntarife. Der Arbeits-Min ister Naynal erwiderte, daß die Eisenbahn- Gesellschaften mit Erörterungen über die Ermäßigung der Tarife beshästigt seien. Hierauf wurde die einfahe Tages- 9rgnung mit 259 gegen 175 Stimmen angenommen.

Der „Temps“ hält es für wahrscheinli, daß die Re- glerung und die Budgetkommission sih auf der Basis neuer Ersparnisse verständigen würden.

19. Oftober, Abends. (W. T. B.) Gegenüber einer Meldung der „Morning-Po st“ von einer Niederlage der französischen Truppen bei Tamsui am 15. d. M. sagt der «Lemps“, daß Depejchen des Admirals Courbet, die na dem obigen Datum bei der Regierung eingegangen seien, Nichts von einem neucn Gefecht bei Tamsui seit dem 8, d. M. melden.

von St, Etienne explodirt e vergangene Mitternacht di, der Gensd'armeriekaserne eine Bombe, welche in le Außen-Nische des Fensters einer Brigadierwohnung gelegt worden war. Die Fenstersheiben sind zerbrohen und die Möbel in der gedahten Wohnung beschädigt, aber Niemand verleßt. Heute Vormittag erfolgte die Verhaftung von 9 Anarchisten.

C Italieu,. Rom, 18, Oktober. (W. T. B.) Der Ae oiera-Bericht vom 17, d. M. meldet: Es kamen vor: Jn “quila 3 Erkrankungen, 1 Todesfall, in Bergamo 1 Er- Ph a a

kranfung, 2 Todesfälle, in Brescia 3 E:krankungen, 2 Todes- fälle, in Caserta 6 Erkrankungen, 10 Todesfälle, in Cremona 5 Erkrankungen, 5 Todesfälle, in Cuneo 19 Erkrankungen, 7 Todesfälle, in Genua 4 Erkrankungen, 10 Todesfälle, in Modena 7 Erkrankungen, 3 Todesfälle, in Neapel 70 Er- franftungen, 40 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 57 Er- kranfungen, 29 Todesfälle, in Novara 6 Erkrankungen, 2 Todesfälle, in Parma 4 Erkrankungen, 1 Todesfall, in Pavia 10 Erkrankungen, 6 Todesfälle, in Reggio nell’ Emilia 2 Erkrankungen, 3 Todesfälle, in Rovigo 4 Erkrankungen, 2 Todesfälle, in Salerno 12 Erkrankungen, 4 Todesfälle.

19, Oktober. (W. T. B.) Der Cholera- Bericht vom 18. d. M. lautet: Es kamen vor: Jn Aquila 6 Er- krankungen 3 Todesfälle, in Caserta 5 Erkrankungen, 2 Todes- fälle, in Cremona 4 Erfrankungen, 6 Todesfälle, in Genua 4 Erkrankungen, 5 Todesfälle, in Neapel 57 Erkrankungen, 37 Todesfälle, davon in der Stadt Neapel 44 Erkrankungen, 32 Todesfälle, in Novara 4 Erkrankungen, 4 Todesfälle, in Pavia 4 Erkrankungen, 4 Todesfälle, in Rovigo 2 Erkran- fungen, 2 Todesfälle; in den übrigen infizirten Provinzen 1 bis 2 Erkrankungen resp. Todesfälle.

Türkei. Konstantinopel, 18. Oktober. (W. T. B.) Der Sultan hat die Ernennung des bisherigen Metro- politen von Derkon, Joachim IV, zum ökumenischen Patriarchen bestätigt und wird denselben am Montag empfangen.

__ Afrika. Egypten. Kairo, 18, Oktober. (W. T. B.) Die Gerüchte von einem dur Lord Northbrook über die egyptishen Angelegenheiten an die englishe Re- gierung erstatteten Bericht werden von maßgebender Seite mit dem Bemerken dementirt, daß Lord Northbrook einen solchen Bericht noch nicht verfaßt habe, und daß derselbe, so- bald er fertig gestellt sein sollte, jedoh niht vor der Wieder- Es Lord Northbrooks in England, veröffentliht werden würde.

Zeitungsfstimmen.

Die „Neue Preußische Zeitung“ meldet:

____ In Nördlingen hat die bay?rishe Reichspartei den Landtags- Abgeordneten und Magistra:!8-Rath Frihinger aufgestellt; die an- wesenden Vertreter der Deutschkonservativen erklärten, für diese Kandidatur eintreten zu wollen.

Im 9. badischen Wahlkreise Pforzheim verzichten die Konserva- tiven auf Aufstellung eines eigenen Kandidaten und werden für den nationalliberalen Klumpp stimmen, nachdem derselbe die von einer konservativen Deputation an ihn gerihteten Fragen befried!gend be- antwortet hat.

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ ent: hält folgende Notiz:

Im Wahlkreise Rastenburg erlassen Nationalliberale einen Aufruf mit der Aufforderung an ihre Gesinnungsgenossen, für den konser- vativen Kandidaten, Grafen Udo zu Stolberg, zu stimmen.

Das „Kreuznacher Tageblatt“ bringt folgenden Bericht über eine Versammlung der Anhänger der Centrums- partei im Wahlkreise Kreuznach:

Nachdem Hr. Stadtverordneter Pfeiffer die Versammlung: eröffnet batte, ergriff Hr. Kaplan Lentz das Wort, um in längerer Rede die Unterstützung der deutsch-freisinnigen Kandidatur Munckel zu empfehlen. Redner hob hervor, daß man hier nicht nöthig habe, einen Centrums- mann als Zählkandidaten aufzustellen, da man bereits aus den bisherigen Wahlen ganz genau wisse, daß man in dem Wahlkreise Kreuznach- Simmern über circa 6000 Centrumsstimmen verfüge. An einen Sieg der Ce:ntrumspartei sei nicht zu denken, wohl aber könne die Wahl des centrumsfeindlihen von Cuny, den Redner einer längeren Kritik unterzog, verhindert werden, wenn man mit den Deutsch-Freisinnigen für deren Kandidaten Munckel stimme. Letzterer habe bereits dreimal mit dem Centrum gestimmt, und das fei {on genügende Ver- anlaffung, für ihn einzutreten. Die Versammlung nahm hierauf ein- stimmig die Unterstüßung der Kandidatur Munck:l an.

Die „Nationalliberale Correspondenz“ bemerkt

„Was soll man zu folchen unerhörten Wahblbündnissen sagen? Bon eigenen Gesinnung®genofsen bringt Hr. Munck-l im Kreuznacher Wahlkreise noch keine tausend Stimmen auf, 6000 ultramontane

Stimmen aber fallen ihm gleich von Anfang an zu. Und solche Klerikaldemokraten wagt man auch der deutschen Reichshauptstadt als „freisfinnige“ Kandidaten zu bieten! Sie pflegt freilich Alles an- zunehmen, was man ihr von der maßgebenden Stelle vorseßt. Vkan darf auf die Anträge Windthorst im künftigen Reichstag und die Abwehr klerikaler Uebergriffe Seitens einer mit solchen Elementen durchjeßten deutsch-freisinnigen Partei gespannt sein.“ Die „Deutsche Reichspost““, das Centralorgan der Konservativen Süddeutschlands, schreibt : Die Versammlung der Vertrauensmänner des konservativen Zereins in Württemberg hat {on am 25. Februar d. F. in einem Aufruf an das württembergische Volk die wichtigsten Fragen und For- derungen festgestellt, welche nah ihrer Ueberzeugung hei den Rei4s- tag8wahlen in erster Linie in Betracht kommen und deren befriedigende Lösung in dem neuen Reichstage anzustreben ist. Inzwischen haben auch andere Parteien thr Wahlprozramm veröffentliht. Es kann dem konservativen Vereine nur zur großen Befriedigung gereichen, daß namentli die deutsche Partei in Württemberg, mit welcher der Ver- ein {on bei den leßten Reichstags- und Landtagswahlen Hand in Hand gehen konnte, in den meisten dieser Fragen dieselben Grund- sätze ausgesprochen, und insbesondere bei der wichlizsten, bei der sozialen Frage, die kräftige Unterstützung der Reichsregierung in Aussicht geftellt hat. Ein gemeinsamer Boden für das Zusammen- gehen bei der bevorstehenden Wahl ist dadur gewonnen worden. Es war nun die Hauptaufgabe der Landesversammlung des konservativen Vereins, die Fragen genau festzustellen, deren befriedigende Beantwor- tung die christlih-konservativen Wähler von den einzelnen Kandidaten zu verlangen haben, damit sie demselben mit Beruhigung ihre Stimme geben können, Die Versammlung stellte in dieser Hinsicht folgende drei Punkte auf: 1) Was den religiösen Standpunkt der Kandidaten betrifft, so können die christlih-konservativen Wähler nur folchen Männern ihre Stimme geben, welche niht gleichgültig oder gar feindselig dem Christenthum gegenüberstehen, sondern gewillt find, auf dem Boden der ristlihen Weltanshauung mitzuwirken zur Besserung der materiellen und vor Allem der sfittlihen Zustände unseres Volkes. Jst hierin Uebereinstimmung vorhanden, jo follte auch die Verschiedenheit des konfessionellen Bekenntnisses kein Hinderniß für eine Verständigung bilden, vorausgeseßt, daß der Kandidat kein Mann des Centrums ist und über feine Treue gegen Kaiser und Reih kein Zweifel übrig bleibt. 2) Dagegen is eine offene und ehrliche Unterstüßung der inneren und äußeren Politik des Reichskanzlers zu verlangen, unbeschadet der Freiheit der Prüfung der Regierungsvorlagen im einzelnen Falle. Kein deutscher Staats- mann hat fo wie der Reichskanzler bewiesen, daß er niht blos in hervorragender Weise die Fähigkeit zur glücklichen Leitung der deutschen Politik besißt, sondern auch den aufrichtigen festen Willen hat, den wahren Bedürfnissen des deutschen Volkes gerecht zu werden. Die Großartigkeit der Auffassung, welche der Reichskanzler in den leßten Monaten bei der deutschen Kolonialfrage bewiesen hat, verstärkt den Anspruch auf das Vertrauen des Volkes und der Volksvertretung,

welchen er sih in zwei Jahrzehnten durch scine gesammte Thätigkeit und in den leßten Jahren insbesondere aub dur sein Vorgehen in der sozialen Frage erworben hat. 3) Die unerläßlite Voraussezung für eine glüdcklibe Lösung der sozialen Frage bildet die Erhaltung des Friedens nah Außen und nach Innen, Die Sicberheit nah Außen verbürgt ugs unser Heer und unsere Heeresverfassung, die Sicber- beit nach Innen die Achtung vor Geseß und Ordnung. Der Kandidat, welcher die Stimme der Konservativen erhalten soll; muß vollständige Beruhigung darüber gewähren, daß er unsere Heeres- verfassung im Großen und Ganzen aufrecht erhalten will, und ebenso die Gesetze, welhe Schuß gewähren, daß auf dem sozialen Gebiete nit der Umsturz, die Revolution die Losung wird, sondern der Weg der friedlihen Reform eingehalten werden kann.

Die als Organ der Deutschen Partei in Württemberg erscheinende „Württembergische liberale Korrespon- denz“ bemerkt über die Stellung der Deutschen Partei zu den Nationalliberalen :

„Daß die von der Deutschen Partei bei den letzten Reibstags- wahlen aufgestellten Kandidaten nach erfolgter Wahl ihren Siß nicht bei den Nationalliberalen, sondern in den Reihen der Deutschen NReichspartei nahmen, geschah in Folge besonderer Verhältnisse. Ver- bâltnisse, welcbe seiner Zeit auß den Austritt der Hrn. von Hölder und Römer, Männer, deren nationale und liberale Gesinnung über allem Zweifel steht aus der nationalliberalen Fraktion berbeiführten. Gegenwärtig ist die Situation eine andere. In Heidelberg ist die volle Harmonie mit den norddeutschen Partei- freunden angebahnt, auf dem Tage zu Berlin ift sie befestigt worden. Es ift nunmehr eine Ehrenpfliht für die Unterzeichner der Heidel- berger und Berliver Resolution, dafür einzusteKn, daß die von ihrer Partei in den Reichstag entsandten Abgeordneten i der national- liberalen Fraktion anschließen und so die Einheitlichkeit derselben dokumentiren.

Centralblatt für das Deutscbe Reich. Nr. 42. Jn- halt: Zoll- und Steuerwesen: Gestattung gemischter Privat-Transit- lager in Friedrihéhafen. CTransportkontrole für Rindvieh im Hauptamtsbezirk Emmerih. Marine und Schiffahrt: Erscheinen des Handbuchs für die deutsche Handels-Marine auf das Jahr 1884. Konsulatwesen: Ernennung. Erequatur-Ertheilung. Ver- sicherung8wesen: Formulare zu den, nach den Geseßen über die Krankenversicherung der Arbeiter und über die eingeschriebenen Hülfs- kassen aufzustelenden Uebersibten und Rechnungsabs{lüssen. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiete.

Armee-Verordnungs-Blatt. Nr. 18. Inhalt: Anlegung von Trauer aus Anlaß des Ablebens des Generals der Kavallerie und Chefs des Thüringishen Ulanen-Regimts Nr. 6. Landgrafen Friedri Wilhelm von Hessen, Königliche Hoheit. Quartierwechsel bei vorübergehender Crhöhung der Garnisonftärke. Abänderung der Swießplaß-Verwaltungs-Vorschrift. Statistisber Sanitäts- bericht über die Kêniglih Preußische Armee und das XIII. (Königlich Württembergische) Armee-Corps für den Zeitraum vdm 1. April 1881 bis zum 31. März 1882. Selbftbewirthschaftung der Kasernemeuts 2c. durch die Truppen. Umwandlung der Bezeichnung „Festungs-“ bezw. „Fortifikations-Bauhof“ in „Festungs\cirrhof“. Schieß- Instruktionen für die Infanterie. Reinigungsmaterial für die mit Del- bezw, Oelfarben-Anstrich der Fußböden versehenen Kasernen- stuben. Eröffnung ncuer Eisenbahnen.

Justiz-Ministerial-Blatt. Nr. 38. Inhalt: Allge- meine Verfügung vom 14. Oktober 1884, betreffend die Anberaumung der gerichtlichen Termine. i

Cisenbahn-Verordnungs-Blatt. Nr. 24. Inhalt: Staatsvertrag zwischen Preußen und Sachsen, betreffend die ander- weite Regelung der Verhältnisse mchrerer die beiderseitigen Gebiete berührenden Eisenbahnen. Vom 30. Juni 1884. Erlasse des Ministers der öffentlichen Arbeiten: vom 6. Oktober 1884, betr. Sicherstellung fiskalisher Gebäude gegen Feuersgefahr; vom 10. Ofs- tober 1884, betr. Bestellung von Amtskautionen. Nachrichten.

Statistische Nachrichten.

Den Kommunalverbänden in Preußen zur Zwangs- erziehung Üüberwiesene Kinder 1882/83. (Stat. Corr.) Innerhalb Preußens wurden nach amtlicher Mittheilung während der Zeit vom 1. April 1882 bis 31. März 1883 auf Grund des Gesetzes vom 13. März 1878 den kommunalen Verbänden 1887 Kinder zur Zwangserziehung überwiesen, einschließlich derjenigen, welbe aus dem Vorjahre noch unterzubringen waren. Davon wurden 535 in Fa- milien, 3 in Staatsanstalten, 103 in den von Kommunalverbänden eingerihteten Anstalten und 1097 in Privatanstalten untergebracht ; bei 149 Kindern war ein Unterbringen niht möglih. Von jenen Kindern wurden inzwischen 2 widerruflich und 2 unwiderruflich ent- laffen, während 7 ftarben. Aus der Pflege der fraglichen 1887 Kinder erwuchbsen im Etatsjahre 1882/83 den Kommunalverbänden 85 762 M, dem Staate 85 668 4, zusammen 171 431 4. an Kosten. Die Ver- pflegungsfkosten jedesKindes (imJahresdurch\c{hnitt) wichen in den einzelnen Landestheilen wesentlich von einander ab; bei der Unterbringung in Familien stiegen sie von 92 M in Westfalen, 104 A in Pommern, 114 M. im Regierungsbezirk Wietbaden und 136 A in Berlin auf 259 M. in Frankfurt a. M. und 260 Æ in der Provinz Satfen, bei der Unterbringung in Anstalten von 147 # in Ofipreußen, 154 A in Posen, 168 4 im Regierungsbezirk Cassel und 180 A in Berlin bis auf 360 # in Lauenburg und 400 4 in Schleswig- Holstein. Die aus der Staatskasse im Etatéjahre 1882/3 thatsächlich gezahlten Zuschüsse zu den Kosten für die Pflege aller untergebrachhten verwahrlosten Kinder beliefen sich auf 425 169

In der Zeit vom 1. Oktoker 1878 bis 31. März 1883 sind über- haupt in Familien 1423, in Staatsanstalten 9, in Anstalten der Kommunalverbände 369, in Privatanfstalten 4186, zusammen 5987 Kinder untergebracht worden, durch deren Verpflegung insgesammt den Kommunalverbänden 957 912 A und dem Staate 948 203 Æ., in Summe 1 906 115 4 erwachsen sind, d. h. pro Kopf durchscnitt- lih 318,38

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Unter dem Titel „Häusliche FeierstundeninLiedernund Gedichten“ (Verlag von I. H. Maurer-Greiner, Hofbucbhändler) hat der Konsistorial-Rath G. Huy ffen eine Reibe erniter Dichtungen ver- öffentlicht. Der Verfasser hat seine Lieder im Zusammenhange mit den hoben kirhlichen Festzeiten und Feiertagen und in Verbindung mit den besonderen Festtagen des bäuslichen Lebens entstehen lassen, Wenn den Poecficn auch das jugendliche Feuer und die hinreißende Begeisterung fehlen, so find ihnen doch maßvolle Lebensfreudige keit, warme Empfindung, in eine glatte, klare Form gekleidet, dafür cigen. Der sittlihe Ernft des reifen, geläuterten Nannes spricht a den Dichtungen und wird denselben einen dankbaren Leserkreis ichern.

„Heymanns TerminkalenderfürdieJustizbeamten in Preußen, Mecklenburg, den thüringishen Staaten, Braun- \chweig, Waldeck, Lippe und den Hansfastädten auf das Jahr 1885“ ift soeben in bekannter Ausstattung erschienen. Der Kalender enthält außer einem Kalendarium 30 verschiedene Beilagen, die theilweise wie diè Personalien der Zustizbehörden in den genannten Staaten und das Verzeichniß der sämmtlihen Rechtsanwälte, Notare und Gerichtsvollzieher im Deutschen Reihe von hohem Werthe sind. In den 47 Jahren seines Erscheinens is der Kalender so bekannt und beliebt geworden, daß er einer besonderen Empfehlung nicht be- e Der Preis beträgt 3 F, mit Sthreibpapier dur{b\cofsen 50 M