1884 / 256 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 30 Oct 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Ein ähnlicher Zusaß wird auch beim Obflwein und gleichfalls, obwohl seltener, beim Bier in Anwendung gebraht. Solche Mani- pulationen find im Handel gebräucblich und gegenwärtig durch die gegen den Verkauf und das Feilhalten verfälshter Nahrungsmittel und Getränke gerichteten Strafbestimmungen (Geseß vom 14. Mai 1879) nur wenig behindert. i

Ein solcher mit Branntwein (deftillirtem Alkohol) verseßter Wein oder Obsfiwein oder ein solhes Bier wird jedo an sich daher nicht als „Branntwein“ im Sinne der Gewerbeordnung bezeichnet werden Xônnen, und der Händler wird einer Kontravention gegen die Ge- werbeordnung kaum \chuldig zu erabten sein, wenn er solbes Getränk verkauft, ohne die Erlaubniß zum Branntweinverkauf zu besitzen.

Dagegen ift der Fall ins Auge zu fassen, daß lediglih zum Zweck der Vmgehung der Bestimmungen der Gewerbeordnung dem Wein oder Cyder so große Mengen Branntwein beigemisht werden, daß das Gemisch mehr einen Branntwein darstellt, dem etwa Wein oder Cyder zugeseßt ift, als einen Wein oder Cyder, welhem man durch Zusatz von Branntwein größere Stärke gegeben hat.

Es würde somit darauf ankommen, ein Maximum des Alkohol- gehaltes festzuseßen, welches an sich alkoholishe Getränke niht über- schreiten dürfen, ohne als Branntwein angesehen zu werden. Für diese Festseßung würden aber Erwägungen, die vom medizinischen Standpunkt aus angestellt werden können, wenig maßgebend sein und es würde das sanitäre Interesse nit sowohl durch eine solhe Fest- seßung als vielmehr durch die in §. 5 des Geseßes vom 14. Mai 1879 in Ausficht gestellten, zum Schuße der Gesundheit zu erlassenden Verordnungen zu wahren sein, soweit dies nicht bereits durch die Strafbestimmungen des §. 8 und event. des §. 10 des genannten Ge- Jeßes geschehen ift. l

Zu 2. Anders liegt die Sache in dem zweiten Fall.

Jedes mittelft deftillirten Alkohols (Branntwein) hergestellte Ge- tränk der zweiten Art wird unbedenklich als (verdünnter) Branntwein angesehen werden dürfen, wobei es nit darauf ankommt, welhe Be- zeihnung ihm beigelegt wird. Es würde uns nur als ein theoretisches Bedenken erscheinen, wollte man diese Auffassung beanstanden, weil im Sinne derselben wohl auch Getränke mit einem sehr geringen Zu- faß von Branntwein als Branntwein behandelt werden würden. Thatsächlid wird der Branntweinzusatz immer groß genug sein, um dem Gemisch den Charakter und die Wirkungen eines alkoholischen Getränkes zu verleihen und somit dasselbe einem (mehr oder weniger verdünnten) Branntwein gleich zu stellen.

Das als „Cyder“ verkaufte Getränk, in dem von dem Land- geriht zu Gleiwiß unter dem 19. Juni 1882 abgeurtheilten Fall, weles ohne wirklichen Obstwein unter Benutzung von Branntwein hergestellt war, konnte demgemäß auch nur als „Branntwein“ ange- sehen werden.

Berlin, den 14, Mai 1884.

(Unterschriften.)

Der Fiskus haftet im Geltungsbereih des Preußi- cen Allgemeinen Landrehts nah einem Urtheil des Nei chs- gerihts, V. Civilsenats, vom 27. September d. J., bei der Erfüllung privatrehtliher Verpflichtungen gleich Privatper- sonen, mithin aus pflihtwidrigen Amtshandlungen von Beamten nur unter denselben Voraussezungen wie eine Privatperson unter gleichen Umständen aus den Hand- lungen ihrer Vertreter.

Durch Allerhöchste Kabinetsordre ist Se. Groß- herzogliche Hoheit der Prinz Ludwig von Baden, Seconde: Liéutenant im 1. Badischen Leib-Grenadier-Regiment Nr. 109, unter Stellung à la suite dieses Regiments in das 1. Garde-Ulanen-Regiment verseßt worden.

Württemberg. Stuttgart, 27. Oktober. (Allg. Ztg.) Auf der ganzen Linie der Gewerbetreibenden Württem- bergs regt es sih zur Einleitung von Schritten, welche die Bildung von Berufsgenossenschaften im Auge haben, wie solche zur Ausführung des Unfallversicherungs- geseßes vorgeschrieben sind. Neuerdings haben wieder zwei große Branchen in dieser Richtung Beschlüsse gefaßt. Nach- dem die vereinigten Papier und Leder verarbeitenden Betriebe Württembergs kürzlich beschlossen haben, der von Leipzig aus- gehenden Berufsgenossenshaft der Buchbinder und ähnlicher Gewerbe beizutreten, sprah sich eine heute hier abgehaltene zahlreih besuchte Landesversammlung von Angehörigen des Baugewerbes, darunter auch Vertreter der in Württembecg fehr bedeutenden Cementbranche, sowie Ziegeleibesitzer, für die Absendung einer Eingabe an das Reichs-Versiche- rungsamt auf Gründung einer Berufsgenossenschaft für Württemberg, mit Bildung eines Landes-Versicherungsamts für Württemberg, aus.

Sachsen-Weimar-Eisenah. Weimar, 29, Oktober. (Th. Corr.) Der Großherzog und die Großherzogin werden, dem Vernehmen nah, etwas früher als ursprünglich bestimmt, zurücktkehren und gegen den 9. November wieder hier eintreffen. i

Für den Landtag, welher morgen seine Thätigkeit wieder ausnimmt, ist ein reihes Arbeitsmaterial vorbereitet, namentlich auf dem Gebiete der Verwaltung, so daß die Session sih bis Anfang Dezember erstrecken dürfte. Zunächst wird der Landtag, obwohl die Session nur vertagt ist, einen Prä- sidenten zu wählen haben. Der seitherige Präsident Dr. Fries hatte in der Zwischenzeit durh Beförderung zum Landgerichts- Präsidenten sein Mandat verloren ; er ist zwar wiedergewählt worden, aber der Landtag wird ihn nun ebenfalls von Neuem zum Präsidenten zu wählen haben.

__ Anhalt. Dessau, 29, Oktober. Der „St.-A.“ publi- zirt einé Verordnung der Herzoglichen Kreisdirektion zu Bal- lenstedt, welhe die Wahl der G ck aieies zum Lan d- tage auf den 19. November cr. festsett.

. Oesterreich - Ungarn. Wien, W, Oktober. Die „Wiener Zeitung“ entnimmt der Shlußrechnung über den anen Staatshaushalt der öster- reihi]ch-ungarishen Monarchie für das Jahr 1882, daß die Gesammtsumme der Ersparungen sih auf 7 069 437 Fl, die der Ueberschreitungcn auf 2089778 Fl. beläuft. Beim Zollgefälle wurden keine Ueberschüsse präliminirt. Jm Erfolge zeigte sih jedoch ein Uebershuß von 15 613 830 Fl. Jm Er- folge war auch günstiger die Bedeckung des gemeinsamen Finanz-Ministeriums um 37 062 Fl. und des Obersten Rech- nungshofes um 111 Fl, giebt eine günstigere Bededung von 15651 003 Fl. Dagegen war der Erfolg ungünstiger bei der Be- deckung des Ministeriums des Aeußern um 98 742 Fl., bei jener des Heeres um 228 568 Fl. und der Kriegsmarine um 16 544 Fl., zusammen um 343 854 Fl., mithin verbleibt ein günstigerer Erfolg in der Bedeckung von 15 307 148 Fl. Wird diesem ünstigeren Erfolge in der Bedeckung die Summe der Er- parungen per 7 069 437 Fl., dann die aus der Gebahrung mit dem Ofkkupations: Kredite erzielten reellen eigenen Ein- nahmen per 115 924 Fl., zusammen 7 185 361 Fl. zugeschlagen und von der Gesammtsumme des günstigeren Erfolges per 224925610 Fl., die Summe der Ueberschreitungen per 2 089 778 Fl.

in Abzug gebracht, so ergiebt sich die oben nahgewiesene verminderte Leistungsschuldigkeit der beiden Reichstheile von 20 402 732 Fl. Das Netto-Erforderniß für das Jahr 1882 beträgt 130 953 208 Fl., während ein Erforderniß von 151 345 940 Fl. bewilligt wurde. Die von diesem Netto-Erfordernisse zu Lasten des ungarischen Staatsschakes vorweg abzuziehenden 2 Prozent betragen 2 619 064 Fl. und von dem Reste per 128 334 144 Fl., welcher durch Quotenbeiträge zu bedecken if, entfallen auf die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder 70 Proz., das ist 89 833 900 Fl., und auf die Länder der ungarischen Krone 30 Proz., das ift 38 500 243 Fl.

Agram, 30. Oktober. (W. T. B.) Der Landtag genehmigte gestern in der General- und Spezialdebatte die Vorlage, betreffend die Suspendirung der Jury bei Preß- delikten, und“ nahm heute die dritte Lesung vor. Hierauf vertagte sih der Landtag auf unbestimmte Zeit.

Niederlande. Haag, 29. Oktober, Abends. (W.T. B.) Nah den bisher feststehenden Wahlresultaten sind 29 Mitglieder der liberalen Majorität gewählt, und gelangen außerdem 10 von denselven zur Stihwahl; ferner sind 3 ge- sonderte Liberale gewählt und steht einer dieser Gruppe zur Stichwahl. Aus den antiliberalen Parteien sind 33 Abgeord- nete gewählt und stehen 6 von diesen zur Stihwahl. Aus 9 Wahlbezirken, von denen 6 früher den Liberalen angehörten, sind die Resultate noch nicht bekannt.

Amsterdam, 29. Litober. (W. D. B.) . Vei den Wahlen, welche zur völligen Erneuerung der Zweiten Kammer der Generalstaaten in der Hauptstadt stattgefunden haben, wurden sämmtliche Kandidaten der liberalen Majori- tät gewählt, während die Kandidaten der klerikalen und der R Partei mit starker Majorität geschlagen wurden.

29, Oktober. (W. T. B.) Von den Wahlen zur Zweiten Kammer sind 32 Resultate bekannt. Nach den- jelben sind in den betreffenden Bezirken die katholischen Abgeordneten, bis auf einen, der in Delft zur Stichwahl mit einem Liberalen koinmt, sowie die calvinistishen Abgeordneten, bis auf zwei, die mit Liberalen und Kathokiken zur Stichwahl stehen, wiedergewählt. Von den 3 Konservativen is nur einer wiedergewählt und kommen die anderen beiden im Haag zur Stichwahl mit Liberalen. Die gesonderten Liberalen verloren einen Siß; in einem anderen, bisher von ihnen innegehabten findet Stichwahl mit einem Kandidaten von der liberalen Majorität statt ; leßtere verliert ebenfalls einen Siß und steht in zwei anderen zur Stihwahl mit Calvinisten und Katholiken.

Großbritannien und Jrlaud. London, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Das heute veröffentlihte Blaubuch über die egyptishen Angelegenheiten enthält die nach: stehenden, dem Lord Wolseley ertheilten Fnstruktionen für die Expedition nach dem Sudan. Die bezügliche Depesche lautet :

v. . . , Der Hauptzwoeck der Expedition das Nilthal aufwärts ist, General Gordon und Oberst Stewart aus Chartum zu führen. Wenn dies erreicht ist, sind keinerlei weitere offensive Operationen zu unternehmen. Obgleih es Ihnen frei \teht, bis Chartum vorzu- dringen, falls Sie einen solhen Schritt für den sicheren Rückzug General Gordons und Oberst Stewarts für erforderlich halten, so sollte es Ihnen doch gegenwärtig sein, daß Ihrer Majestät Regie- rung die Sphäre Jhrer militärishen Operationen so viel als mög- lich zu besbränken wünscht Sie werden sih bemühen, sich \o- bald als möglich mit eneral Gordon und Oberst Stewart in Ver- bindung zu seßèn, Jn Bezug auf alle politishen Angelegenheiten wollen Sie sih an Ihrer Majestät Regierung wenden; deren JIn- struktionen werden Sie durch den Generalkonsul in Kairo erhalten. Sie wissen, die Polilik der Regierung besteht darin, daß die egyptishe Herrschaft im Sudan aufhöre. Es ist wünschenswerth, daß Sie allgemeine Instruktionen über zwei Punkte erhalten, die mit der Methode, diese Politik in Ausführung zu bringen, nothwendiger- weise in Verbindung stehen Diese sind 1) die zum siheren Nückzug der egyptischen Truppen und der Civilbeamten zu ergreifenden Maß- regeln; 2) die in Bezug auf die künftige Regierung des Sudan, und insbesondere von Chartum zu verfolaende Politik. Die Unter- handlungen mit den Stämmen, um den sicheren Rückzug der Gar- nison von Kassala zu ermöglichen, dürften gelegener von Suakim und Massauah aus geführt werden. Sie brauchen daher mit Bezug hierauf keine Schritte zu thun. Die Lage der Garnisonen in Darfur, Bahr- el-Gasfell und in den Aequatorial-Provinzen macht es für Sie unmög- li, irgend etwas zu thun, was deren Abzug erleichtern könnte, ohne Ihre Operationen weit über die Sphäre hinaus auszudehnen, die Ihrer Majestät Regierung zu sanktioniren vorbereitet ist. Was die Garnison von Sennaar betrifft, so ist die Regierung niht vorbereitet, die Entsendung einer Expedition britiscber Truppen den Blauen Nil aufwärts zu sanktioniren, um ihren Rück- zug zu sibern. Was die künftige Regierung des Sudan, und ins- besondere Chartums anbetrifft, so würde Ihrer Majestät Regierung in Chartum gern eine Regierung sehen, die, soweit es die innere Ver- waltung des Landes angeht, ganz unabhängig von Egypten ist; Die egytishe Regierung würde vorbereitet sein, eine vernünftige Sudsidie an irgend einen Chef oder mehrere Chefs zu zahlen, die mächtig genug sind, die Ordnung längs des Nilthales von Wady-Halfa bis Chartum aufrecht zu halten und die sich folgenden Bedingungen unterwerfen würden: 1) im Frieden mit Egypten zu bleiben und irgendwelche Einfälle in egyptishes Gebiet zu unterdrücken ; 2) den Handel mit Egypten zu ermuntern; 3) durch jedes mögliche Mittel irgend welhe Expeditionen zum Sfklavenraube und zum Sklavenhandel zu hintertreiben. Sie sind ermächtigt, irgend ein Abkommen abzuschließen, welbes diese allgemeinen Bedingungen ausführt. Die Hauptschwierigkeit wird in der Wahl cines Individuums oder einer Anzahl von Individuen bestehen, die zur Aufrechthaltung der Ordnung hinreichende Autorität besißen. Sie werden natürli nicht vergessen, daß irgend ein südlih von Wady-Halfa E Herrscher sih zur Aufrecht- haltung seiner Stellung lediglih auf seine eigene Stärke zu verlassen hat. Wie bereits erwähnt, würde unter gewissen Bedingungen die egyptishe Regierung vorbereitet sein, eine mäßige Subsidie zu zahlen, um die Nuhe und eine einigermaßen gute Regierung im Nilthale zu sichern. Darüber hinaus is jedoÞ weder Ihrer Majestät Regierung, noch die egyptishe Regierung vorbereitet, irgend welche Verantwort- lichkeit für die Regierung des Nilthales südlih von Wady-Halfa zu übernehmen“

Die englische Staatsschuld betrug im Jahre 1884 711 588 323 Pfd. Sterl. gegen 755 570 374 Pfd. Sterl. im «Fahre 1874.

Die überlebenden 18 Personen der Mannschaft des „Nisero“ langten am 26. d. M. an Bord des „Ajax“ in

der Themse an.

29. Oftober. (W. T. B.) Das Unterhaus sehte heute die Adreßdebatte fort. Der Staatssekretär Ashley vertheidigte die Politik der Regierung bezüg- lih Südafrikas. Die Proklamation, betreffend die Schuß- herrshaft über das Montsioa-Gebiet, sei zurückgezogen worden ; die Regierung werde jedoch nicht dulden, daß frei- beuterishe Boers in diesem Gebiete bleiben. Jn vierzehn Tagen werde Warren mit hinreihenden Streitkräften nah Südasrika abgehen, um die diesbezüglichen Absichten der Regierung durchzuführen.

Frankreich. Paris, 28. Oktober. (Fr. Corr.) Dec heute unter dem Vorsiß des Präsidenten Jules Grévy ab- gehaltene Ministerrath beschäftigte sich hauptsählih mit der Tongking-Angelegenheit. Der Conseils-Präsident Jules Ferry theilte den Ministern die von ihm in dem betreffenden Kammerausshuß abgegebenen Erklärungen mit. Bezügli}h dex Senatorwahlen im Januar nächsten cahres entschied sich der Ministerrath nach einer nohmaligen Prüfung dafür, kein provisorisches Wahlgeseß für diese einzubringen, da der leßte Termin erst am 30. Fanuar abläuft und die Kammern demnach Zeit genug hätten, das neue Wahlgeseß in aller Ruhe durch- zuberathen, Der Ministerrath beschloß ferner, daß der Minister des Jnnern 50 000 Fr. für die beschäftigungslosen Arbeiter in Lyon und 1000 Fr. für die Opfer der Cholera in Yport senden möge. Die Frage der zoll- freien Einfuhr von Baumwollgarnen wurde bis zur Er- S der Angelegenheit durch den Ober-Handelsrath offen gelassen.

Den Deputirten wurde gestern eine Zusammenstellung der Verpflichtungen des Staats\chaßes gegen die Gläubiger des Staates und für die durhzusührenden großen Arbeiten mitgetheilt. Der Gesammtbetrag der zu entrichten- den Summen beläuft sich danach auf 16 152 736 554 Fr. 53 Cent., nämlich 6 588 528 077 Fr. 83 Cent. an Kapital und 9 564 208 476 Fr. 70 Cent. an Zinsen. Die Annuitäten er- strecken sich von 1884 bis 1960. Die meistbelasteten sind die von 1884 und ihnen unmittelbar folgenden. Die Annuität von 1884 beläuft sich auf 383 Millionen; von 1900 ab sinkt sie von 232 Millionen auf 21/4 Millionen.

Die „République française“ veröffentliht einen Artikel über die Lage der französishen Truppen in Tongking, in welhem fie zu dem Schlusse gelangt, daß schleunigst Verstärkungen abgesandt werden müßten, weil nur diese dem General Brière de l’Jsle gestatten würden, die chinesishen Truppen zu verfolgen, deren Anprall die franzö- sishen Garnisonen sich jeßt gefallen lassen müssen. Ebenso ergebe sih die Nothwendigkeit, das Landungs-Corps des Admirals Courbet zu verstärken, welches von einer feindlichen Ueberzahl im Norden der Jnsel Formosa in Schah gehalten wird. Die „République francaise“ schreibt dann weiter:

Cs sind in der Presse! sehr übertriebene Befürchtungen über die Möglichkeit, die Verstärkungen unserem Landheere zu entnehmen, zu Tage getreten. Hat man sih doch nicht gescheut, das Wort Des- organisirung für den Fall zu gebrauchen, daß etne allgemeine Mobi- lisirung des Heeres nöthig würde, Wir haben es da mit einer offenkundigen Uebertreibung zu thun, gegen die man nicht entschieden genug vorgehen kann, damit diesseits wie jenseits unserer Grenzen die Wahrheit bekannt werde. Wem wird man den Glauben beibringen, dic Entsendung einer Verstärkung von, sagen wir, 10 000 Mann, könne einem aktiven Heere, welches, die Reserve einktegriffen, 1 200 000 Mann zählt und das überdies noch von einer Landwehr von 600 000 Mann unterftünt wird, erheblichen Schaden verursacben ? Haben nicht alle Die, welche den leßten großen Manövern gefolgt sind, die einmüthige Wahr- nehmung gemacht, daß unsere Neservisten mit den unter den Fahnen ftehenden Soldaten ganz und gar Hand in Hand gehen? Wie Hr. Ballue im Schoße des Tongkingaus\chusses ganz richtig bemerkte, kann noch über eine gewisse Anzahl von Bataillonen, namentlich in Algerien, verfügt werden, ohne daß man in den Mechanismus der Mobilifirung cinzugreifen brauchte. Unter den gänzlich freien Elemen- len nennen Wr: 1) 2 Dalalllone der Framvenlettion: Der Effektiv- Bestand der Legion beträgt 7000 Mann Und hal an Loncalng bier nux 2 BV@taillone àds gegeben ; 2) 3 Bataillone algerischer Tirailleurs, welche die Zahl der von jedem Regiment nach dem äußersten Osten gesandten Bataillone auf zwei ansetzen würde; 3) 1 Bataillon leichter afrikanischer In- fanterie; 4) 2 oder 3 Bataillone Jäger zu Fuß, von denen, welche keinem Armee: Corps beigezählt sind und auch nicht zur Vertheidigung unserer Gebirg8gegenden gehören. Um diese Truppentheile partiell zu ersetzen, würde es genügen, die kostspieligen gemischten Compagnien in Tunesien abzuschaffen und sogleid mit den vorhandenen Elementen cin zweites Fremden-Regiment, ein 4, Regiment einheimisher Tirailleurs, ein 4. Bataillon leichter Fnfanterie und ein 4, Bataillon Spahis zu bilden. Vielleiht fkönntc man auch außerdem noch mit Freiwilligen aus anderen Corps ein 5. Bataillon für jedes der vier Zuaven-Regimenter bilden. In diesem Falle kämen zu den Verstärkungen für den äußersten Osten noch 4 Zuaven-Bataillone hinzu. Wenn, wie man annehmen darf, der Aus- \cchuß für die Tongkingcredite entschlossen ist, das Nöthige zu thun, um cine rasche Abwicklung anzubahnen, so können wir ihn nit dringend genug aufmuntern, die hier angedeuteten Anordnungen zu treffen. So würde er mit möglichster Sparsamkeit den gebieterischen Anforderungen des Augenblicks genügen und die entgültige Bildung der afrikanischen Truppen und der Kolonialreserven vorbereiten.

29. Oktober. (W. T. B.) Nach einer. Depesche des Admirals Courbet, vom 27. d., ist aus Formosa nichts Neues von Belang zu berichten.

Der „Temps“ meldet die Ernennung des englischen Obersten Chermside, bisherigen Kommandanten von Suakim, zum General - Gouverneur des ganzen Küstenlandes am Rothen Meere mit Mafssauah als Aufenthaltsort. Der „Temps“ s{hließt hieraus auf die Ab- sicht der englishen Regierung, sämmtlihe egyptischen Häfen am Rothen Meere definitiv zu okkupiren.

Spanien. Madrid, 29. Oktober. (W. T. B.) Oberst Coello, welcher dem spanischen Gesandten, Grafen Ben omar, für die Kongo-Konserenz beigegeben ist, wird am 1. No- vember nah Berlin abreisen.

Portugal. Lissabon, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Das heutige amtliche Blatt veröffentliht ein König- lihes Dekret, welches den Bischof von Quarda und den Erzbischof von Goa tadelt, weil sie die Aufmerksam- keit des Clerus ihrer Diözese auf die päpstliche Encyclica „UHumanum genus“, vom 20. April, gelenkt hatten, ohne vorber im Einklange mit dem portugiesishen Gese das Königliche Placet dazu eingeholt zu haben.

Italien. Rom, 29, Oktober, (W. T. B.) Der österreichishe Botschafter beim Vatikan , Graf Paar , ist hier eingetroffen.

Gestern kamen in den infizirten Provinzen 26 Erkran- kungen und 7 Todesfälle an Cholera vor.

Turin, 29. Oktober. (W. T. B.) Am 4. November wird die Preisvertheilung an die Aussteller in Gegenwart des Königs und der Königin stattfinden. Das diplomatische Corps, die Minister und die Kamnzer- Präsidenten haben dazu Einladungen erhalten.

New-York, 27. Oktober.

(Allg. Corr.) Mr. Blaine weilt gegenwärtig im Staate New-York und befindet sih auf der Reise hierher mittelst der Erie-Eisenbahn.

Amerika.

Er wird unterwegs Reden halten. Gouverneur Cleveland ist in Newark, New Jersey, und trifft morgen in New-York ein. Die leßte Woche der Präsidentschaftswahl-

ees

Propaganda hat mit großer Thätigkeit auf beiden Seiten begonnen.

Afrika. Egypten. Suakim, 27. Oktober. (Allg. Corr.) Ein Spion von dem Amarar-:Scheih Ahmed Beddrie von Sinkat ist hier angekommen. Er sagt Osman Digma habe die Meldung erhalten, daß Berber und die Häuser auf den Jnseln niedergebrannt worden. Beddrie war ge- zwungen, sich den Rebellen anzuschließen. Als die Rebellen von dem Niederbrennen Berbers hörten, kehrten sie zu Osman Digma zurück, wobei sie auf ihrem Wege Andere unter An- drohung des Todes zwangen, sich mit ihren Familien und ihrer ganzen Habe ihnen anzuschließen.

Zeitungsfstimmen.

Ein „Die Aufgaben des bevorstehenden Reichstags“ überschriebener Artikel des „Hamburgischen Correspon- denten“ lautet:

. .. Mit der Anbahnung einer s\pezifisch sozialen Gesetzgebung haben wir einen großen und glücklihen Anfang gemacht, ja wir haben mit ihr einen beneidenswerthen Vorsprung vor allen anderen Völkern gewonnen. Damit ist uns indessen zugleich die Ehrenpflicht auferlegt, diese Gesetzgebung nicht blos zu einem gedeihlichen Ende zu führen, sondern auch die praktishe Möglichkeit ihrer Anwendung zu erweisen. Für unser wirthschaftliches Leben hat sich ferner, man könnte sagen mit dem Drange ciner Naturgewalt, die endlihe Jnangriffnahme einer ent- \{chlofsenen Üübersecischen Politik geltend gemacht, welche ein ganz neues Moment in die Verhandlungen des Reichstages bringt. Legt nun auch ein Arbeitsprogramm, welches si in der Hauptsache auf so emi- nente Zielpunkte richtet, das beste Zeugniß für die Gesundheit und Kraft unserer Nation ab, fo bleibt nichtsdestoweniger die Grundfor- derung bestehen, welche unsere nationale Sicherheit durch die unan- tastbare Hochhaltung unserer bewährten militärishen Institutionen an uns stellt. j E

Was diese letztere hohwichtige Angelegenheit betrifft, so sind wir die Letzten, welche einer sorgfältigen Prüfung allec die Militärlast betreffenden Einzelnheiten entgegentreten möhten Gerade weil in Deutschland mchr Verständniß für militärishe Dinge herrscht, als in irgend einem anderen Lande, braucht die Reichsregierung die Dié- fussion militärisber Fragen nicht zu s{heuen. Auch hat sich die europäishe Lage durch die Annäherung Rußlands an die deutshen Kaisermähte sowie durch eine gewisse Besserung unserer Beziehung zu Frankreich so günstig gestaltet, wie vor Kurzem kaum zu hoffen war. Nictédestoweniger wird an den Grundlagen unserer Militärverfassung nicht zu rüt- teln und deshalb auch von vornherein die Erneuerung des Militärseptennats in Ausficht zu nehmen sein, wenn sih auch die erste Session des Reichstages noch nicht mit derselben zu befassen haben wird. Denn nur allein die machtvolle Stellung, die uns unsere militärishe Ueberlegenbeit gewährt, sichert uns dasjenige An- schen, durch welbes wir bei Aufrechterhaltung und Förderung unserer nationalen Wohlfahrt zugleich den europäishen Frieden zu wahren vermögen. Speziell im Vordergrunde der parlamentarischen Aufgaben aber steht die Weiterentwicklung unferer jungen Marine. Man sieht {hon jeßt mit Spannung der Vorlcgung des arine- Etats beim Bundesrath entgegen, da derselbe dem Vernehmen nach erhebliche Mehrausgaben enthalten soll. Bei der allgemeinen Aner- kennung indessen, welche die ebenso thatkräftige wie einsihtige Ver- waltung des neuen Chefs der Admiralität findet, und bei der Vor- liebe, welche die Nation von Anfang an der deutshen Marine zuge- wandt hat, dürften auch diesmal die Forderungen der Regierung um fo mehr ein bereitwilliges Entgegenkommen finden, als dieselben mit dem allseitig so lebhaft gewünscbten Eintreten Deutschlands in eine geregelte Kolonialpolitik in innigstem Zusammenhang? stehen,

Diese Anfänge unserer Üüberseeishen Politik, zu deren Unter- stüßung an der westafrikanishen Küste fich soeben in Wilhelmshaven ein größeres Geschwader bereit macht, {ließen naturgemäß auch die Erweiterung unserer Dampferverbindungen in sih, ganz abgesehen davon, daß diese leßteren an fich selber für die planmäßige Förde- rung der deutschen Ausfuhr von wesentliher Bedeutung sind. Da fih inzwishen nah dieser Richtung hin tie Einsicht sehr geklärt hat, so dürfte die bekannte Dampfersubventionsvorlage im neuen Reichstag vielleiht nur noch deshalb beanstandet werden, weil man die zunächst auf 5400000 4. bemessene Subvention nicht für ausreichend erachtet. Geringere Ausgabeposten für neu zu errichtende Berufskonsulate wird man ingleihen ohne Schwierigkeit bewilligen wollen Nicht minderes Verständniß wird man hoffentlich auch für die Herstellung des Nordostsee-Kanals haben, wenn dieselbe, wie cs beißt, für cine Aufgabe des Deutschen Neichs erklärt werden sollte. Der Kanal ist bekanntlich sowohl für die Cvolutionen unserer Flotîte wie für eine geshickte Verwendung derselben in zwei Meeren von großer Wicbtigkeit; daneben aber wird cr der Vermittelung des Verkehrs zwischen dem industriereihen deutschen Westen und dem ackerbautreibenden Osten die vortrefflihsten Dienste leisten können.

Tragen diese zukunftsreihen wirthscbaftlihen Unternehmungen {on in sich selber einen unberewenbaren Werth, so biete sie zugleich ein gesegnetes Heilmittel für die soziale Krankheit, an der heute mehr oder weniger alle großen europäishen Völker leiden. Denn wer wollte leugnen, daß namentlih eine gesunde Kolonialpolitik eine der besten Ableitungen der sozialen Umtriebe ist, welche bauptsächlih auf dem Mißvergnügen ershwerter Grwerbsthätigkeit und beschränkter Unternehmungslust beruhen. Aber freiliw! Wie die Dinge namentlich in dem stark bevölkerten Deutscbland einmal liegen, wird die Heilung der Krankheit so wenig durch die geregelte Aus- wanderung, als durch die ungeregelte allein geheilt werden. Der Reichstag wird deshalb auch mit allem Ernst die Weiterführung der fozialpolitisen Geseßgebung ins Auge zu fassen haben, um dem er- wünschten Ziel einer Aufhebung des Sozialistengeseßzes allmählich näher zu kommen. Wie {on bekannt geworden ist, hat die Regie- rung eine Ausdehnung der Unfallversiberung auf die land- und forst- wirthschaftlichen Arbeiter, sowie auf die Beamten und Arbeiter der Transportgewerbe in Aussicht genommen. Die betreffenden Entwürfe befinden sih {hon in den Händen des Bundesraths. Namentlich die Versicherung der--Transportgewerbe ist aber von großer Tragweite, und zwar auch in finanzieller Beziehung. Dabei ist augenblicklich die Finanzlage des Reiches keine allzu günstige. Gegen den diesjährigen Etat hat der Etat 1885/86 von vornherein einen Ausfall von 15 Millionen aufzuweisen, da das Finanzjahr 1883/84 ohne Ueber- {uß abschließt. Es müssen also jedenfalls für laufende neue Aus- gaben auch neue Ginnahmen beschafft werden, und das führt uns zugleich auf die schon so lange in der Schwebe begriffene Steuerreform.

Wie dies nach ihrer bis jest immer eingehaltenen Gewohnheit zu erwarten war, ist die Reichsregierung mit ihren die Weiterführung der Reform betreffenden Plänen noch nicht hervorgetreten. Es dürfte indessen keinem Zweifel unterliegen, daß auch auf diesem Ge- biete dem neuen Reich8tage wichtige Vorlagen gemacht werden dürften. Mit der Frage der Reicbssteuerreform steht außerdem die so dringend erforderlihe Entlastung von Kommunal- und Sculabgaben in den Einzelstaaten in Verbindung. Man ist deshalb der Meinung, daß die Reichsregierung die Frage der Börsenbesteuerung nicht auf si{ beruhen lassen und sid au wohl entschließen wird, an die s{hwierige Frage einer richtigen Besteuerung des Branntweins heranzutreten. Dazu kommt die Nothwendigkeit, in die Neuregelung der Zukersteuer einzutreten, wenngleich auch diese Aufgabe durch die gegenwärtige Zuckerkrisis nichts weniger als er- leihtert wird. j

Den „Shwäbishen Merkur“ veranlassen die ersten Wahlnachrichten zu folgenden Aeußerungen :

Es ist immerhin Bedeutendes gesehen, Der „Äufssbwung“ der nationalliberalen Partei is keineswegs Redensart, das Heidelberger

Fragninn keineë#wegs Programm, die Vereinigung der gemäßigt ‘onservativen und gemäßigt Liberalen ift keineswegs blos frommer Wunsch geblieben. In mühevoller Arbeit is nach diesen Richtungen Vieles zu Stande gebracht worden und die Mühe wird #ich lohnen, wenn auch nicht auf* cinmal alle Früchte reif werden. Das Ueber- gewicht der radikalen Opposition, das fie übrigens auch bisher nur im Ans{luß an die römische Partei hatte, ist erschüttert, wenn es auch nicht auf einen Ruck gebrochen werden konnte.

Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 54. Inhalt: Verfügungen: Vom 21. Oktober 1884: Leitung der nah Postagen- turen bestimmten Nachnahmesendungen. Verfahren bei Nachfor- {bungen über den Verbleib gewöhnliber Briefsendungen im Wechsel- verkehr mit Oesterreih-Ungarn, Bayern und Württemberg. Vom 22. Oftober 1884: Aenderung in den Tarifsäßen im Fahrpostverkehr mit der Schweiz.

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 19. Inhalt: Aktenstücke und Aufsäße: Zum zehnjährigen Bestehen des Weltpost- vereins. Gewitter und Gewitterbeschädigungen der Telegraphen- anlagen im Juli 1884, Das italienische Postwesen im Jahre 1882. Der Ausbruch des Vulkans Krakatau im Jahre 1883. Kleine Mittheilungen: Zur Verdrängung der Fremdwörter aus der Amts- sprache. Neue Postkarten von Griechenland und Finkand. Ver- trag zwischen der französishen und der spanischen Regierung, be- treffead die Legung eines untersecishen Kabels zwischen den Kanari- schen Inseln und dem Senegalgebiet. Der deutsch-britishe Post- pädkereiverkehr im Jahre 1883. Die längste Drahtseilbahn in Deutschland Der Papierverbrauch auf der ganzen Erde. Zeit- \chriften-Ueberschau.

Meichstags- Angelegenheiten.

(N. A. Ztg:) Die Betheiligung an den Berliner Wahlen war weit weniger rege als 1881, denn im 1, Wahlkreis wurden von 21 611 einges{chriebenen Wählern (1881 betrug die Wählerzahl 18 065) 16 101 gültige Stimmen abgegeben; es maten also hier 75 °%/ der Wähler gegen 84,1 % in 1881 von ihrem Wahlrecht Gebrau. Im 2. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 58 869 (1881 42233), 38936 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier nur 66 % gegen 79,1 % in 1881, Im 3. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 31 682 (1881 26 805), 22 921 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier 729% gegen 80,29/6 in 1881. Im 4. Wahl- kreis betrug die Zahl der eingeshriebcnen Wähler 72,100 (1881 54,775), 47,692 gültige Stimmen wurden abgegeben, cs stimmten also hier 669/69 gegen 76,20%/, in 1881. Im 5. Wahlkreis betrug die Zahl der eingeschriebenen Wähler 26,729 (1881 21,089), 17,990 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten also hier etwas mehr als 67%) gegen 80,19%, in 1881. Im 6. Wahlkreis betrug die Zahl der cingeschriebenen Wähler 74,89) (1881 55,466), 51,323 gültige Stimmen wurden abgegeben, es stimmten hier also etwas mehr als 689%/9 gegen 70,29%, in 1881,

(N. A, Z) Die Zal der Slibwahlen wird, wie {on vorher anzunehmen war, diesmal eine ganz außergewöhnlich große. Bis jeßt sind solhe als sier bekannt oder doch anzu- nehmen außer in den 4 Berliner in folgenden 36 Wahlkreisen : Königsberg zwishen Soziald. und Deutschfr. Elbing-Martenburg zwischen Letzteren und Konserv. Stuhm-Marienwerder zwischen Polen und Nationallib, Sorau zwischen Kons. und Deutschfr. Magdeburg zwishen Deutshfr. und Soziald. Halle zwischen Nationallib. und Deutschfr, Waldenburg zwischen Reichs- partei und Deutshfr. Breélau I, und Il, zwischen Deutschfr. und Soziald. Altona zwischen denselben. Hannover (Stadt) zwischen Welfe und Soziald. Siegen zwischen Kons. und Nationallib. Altena-Iserlohn Deutschfr. und Nationallib. Dortmund zwischen denselben. Cassel zwishen Nationallib. und Soziald. Frank- furt a. M. zwischen Volkspartei und Soziald. Lennep-Mecttmann ¿w. Deutschfr. und Nationallib. Solingen zwischen Centrum und Soziald Cöln (Stadt) zwischen Centrum und Nationallib. Elberfeld zwishen Nationallib, und Soziald. Duisburg zwis{chen Nationallib. uud Geittuum, ee langen zwishen Deutshfr. und Naltionallib, Nürnberg zwischen Deutsckfr. und Soziald. München I. ¿wischen Centrum und Naltionallib. Zittau zwischen Deutsfr. und Nationallib. Dresden- Altstadt zwischen Soziald. und Antisemit. ODresden- Neustadt zwischen Konserv. u. Soziald. Pirna zwischen Konserv. u. Peutschfr., ebenso Döbeln. Stuttgart zwischen Volkspartei und Nationallib. Mannheim zwischen denselben. Karlsruhe zwischen Nationallib. und Centrum. Mainz zwischen Soziald. und Centrum. Darmwstadt zwischen Soziald. und Mationallib. Hamburg I1II. zwischen denselben. Lübeck zwischen MNationallib. und Deutschfe.

KLKandtags- Ængelegenheiten.

Bei der im 9. Wahlbezirk des Regierungsbezirks Düssel - dorf (Geldern-Kempen) stattgefundenen Ersaßwahl wurde an Stelle Majunke's der Buchdruckereibesißer Ludwig Pleß aus Mülheim a. Rbein (Centrum) mit 468 Stimmen einstimmig zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gewählt.

Statistische Nachrichten.

Nach dem Statistishen Jahrbuch der Stadt Berlin, 10. Jahrgang (Berlin, P. Stankiewicz" Buchdruckerei) hat die Zahl der Eheschließungen in Berlin in den Jahren 1873 bis 1882 absolut und relativ abgenommen. Die absolute Zahl der Ehen ift von 12397 auf 11 812 gesunken (das Maximum war 1875 14 529, das Minimum 1878 10429 Ehen), die relative von 28,10 auf 20,12 Heirathende vom Tausend der Bevölkerung (im Maximum 1875 30,63, im Minimum 1879 19,46 pro Mille).

Die verhältnißmäßig zahlreichsten Eheschließungen kamen im Jahre 1882 unter den Arbeitern ohne nähere Angabe der Art der Arbeit vor, denn von den betreffenden Männern heiratheten 1575 oder 406,8 pro Mille der Selbstthätigen, von den betreffenden Frauen gar 1253 oder 715,6 pro Mille. Demnächst folgen die mit persönlichen Diensft- leistungen beschäftigten Männer (784 oder 280,5 p. M.), dann die Scbiffahrt treibenden Männer (123 oder 132,2 p. M.), die bei der Justizverwaltung beschäftigten Männer (433 oder 105,7 p. M.), die Metallarbeiter (1054 oder 74,8 p. M.), die Gärtnerei oder Land- wirthschaft betreibenden Männer (119 oder 73,6 p. M.) und die den Bekleidungs- und MReinigungs8gewerben Angehörigen (1094 Männer oder 73,5 p. M. und 3742 Frauen oder 66,9 p. M.)

Die Zahl der gelösten Ehen hat dagegen von 1873 bis 1882 absolut und relativ zugenommen. Die der Ehen, wel{e durch den Tod getrennt wurden, ist von 5289 auf 6035 gestiegen oder von 426 pro Mille der neugeschlossenen Ghen auf 512 pro Mille. Die Fälle, in denen der Mann starb, haben sch von 3251 auf 3591 erhöht, aber relativ von 615 auf 595 pro Mille der ncugeschlossenen Ehen vermindert. Die durch Erkenntniß getrennten Ehen sind von 480 auf 708 ange- wabsen oder von 38,7 auf 43,4 pro Mille. Seit dem Jahre 1878, in welchem die relative Zahl mit 55 pro Mille ihr Maximum er- reichte, hat dieselbe abgenommen. y

Verhältnißmäßig die meisten Ehen wurden nah 5 bis 9jähriger Dauer durch den Tod gelöst: 695 durch den Tod des Mannes, 542 durch 2e der Frau, demnächst nah 10—15jährigem Bestande: 567 bezw. 375,

Das XVI. Heft der Mittheilungen des Statistishen Bureaus der Stadt Leipzig enthält: den Bevölkerung8wechsel in Leipzig in den Jahren 1881 und 1882, speziell die Tafeln über Geborene, Verstor-

bene und über Eheschließungen in Leipzig im Jahre 1881. Wir ent- nehmen denselben aus dem Kapitel: Besonderes über Verstorbene in Leipzig im Jahre 1881 zunächst über Selbstmörder. Es kamen vor im Ganzen 81 Selbstmordfälle, wovon 63 auf männliche, 18 auf weibliche Individuen treffen. Erbängt haben sich 31 Männer, er- \{ossen 14 Männer und eine Frau, ertränkt 10 Männer und 7 Frauen, vergiftet 6 Männer und 7 Weiber, zum Fenster herabgestürzt 1 Mann, 2 Frauen, den Hals aufgeschnitten 1 Frau, von einem Eisenbahnzug überfahren wurde 1 ann. Durch Raubmord fam um 1 Frau, welche in der Wohnung erdrosselt und verbrannt wurde. Tödtlihe Unglücksfälle kamen im Ganzen 47 vor, wooon 8 auf weiblide und 39 auf männlihe JIn- dividuen trafen. Von Gerüsten und Treppen herabgestürzt sind 10 Männer, zum Fenster herabgestürzt 4 Männer und 2 Frauen, vom Dab berabgestürzt 1 Mann, vom Fahrftubhl gestürzt 1 Mann, aus der Droschke gestürzt 1 Frau, vom Pferd gestürzt 1 Mann, ertrunken 3 Männer und 1 Frau, durch Geschirre über- fahren 4 Männer und 1 Frau, von der Pferde-Eisenbahn überfahren 1 Mann. An Brandwunden gestorben 3 Männer und 2 Frauen. Durch fallende Gegenstände verleßt 2 Männer, durch Eisenbahn verleßt 2 Männer, auf nicht ermittelte Art verunglückt 7 Männer und 1 Frau. Leichname wurden aufgefunden: 1 männl, und 2 weibl. Kinderleihen. Militärpersonen starben überhaupt 16. Nach den Konfessionen vertheilen sich die Verstorbenen wie folgt : Lutherische 3191, und zwar 1734 männl., 1457 weibl., darunter 170 ungetaufte Kinder. Reformirte 28 männl.,, 33 weibl., zus.- 61, davon 2 unge- taufte Kinder. Römisch-katholishe 62 männl. und 37 weibl, zus. 99 Personen, davon 9 ungetaufte Kinder. Deutsch-Katholiken 4 männl., 1 weibl., zus. 5, darunter 1 ungetauftes Kind. Griechisc- Katholiscbe 1 männl. und 2 weibl. Kathol. Apostolisße 3 weibl. und 3 männl., zus. 6. Apostoliswe 3 männl. Israeliten 26 männl. 11 weibl, zus. 37, darunter 3 ungetaufte männl. Dissidenten 2, un- bekannt 8 männl., 4 weibl, zus. 12. Alles in Allem ohne Todtg-borene 1871 männl., 1547 weibl., zuf. 3418, darunter 187 ungetaufte Kinder. Im Jahre 1882 erhängten s|ch 27 Männer, 6 Weiber, zus. 33 Personen, ers{chossen sich incl 2 Militärpersonen 17, ertränkten si incl. 2 Militärpersonen 12 Männer, 9 Weiber, zus. 21 Personen, ver- gifteten sich 2 Männer, 3 Weiber, zus. 5 Personen, erstab sch 1 Mi- litärperson, ftürzten sich aus dem Fenster heraus 3 Männer und 1 Frau, zuf. 4 Personen, \chnitt sich den Hals auf 1 Weib, die Arm-Arterien 2 Weiter, es kamen also im Ganzen 84 Selbsi- mordfälle vor. Todtschläge kamen vor 1 durch Stich, 1 pur Schuß. Mord (dur Wasser) 1, im Duell ersbossen 1. Tödtliche Unglücksfälle kamen vor von Gerüsten. Treppen herabgeftürzt 9 M,, 1 W. Zum Fenster herabgestürzt 1 M. Vom Dach herabgestürzt 3, vom Fahrstuhl ershlagen 1 M. Ertrunken 6 M,, 1 F. Dur Geschirre überfahren 6 M. Dur Fall 1 M.,, 1 F. Grubengas- vergiftungen 2 M., anderweitig erstickt 1 M. An Brandwunden gestorben 4 M. und 4 F. Durch herabfallende Gegenstände verleut 2M. 1 F. Durch Eisenbahnverleßungen 3 M. Gelegendeit unbekannt 5 M., 3 F., also zuf. 44 M, 11 F., im Ganzen 55 Per- sonen. Leichname wurden aufgefunden 3 weibl. Im Wasser gefundene Erwachsene 2 weibl. Militärpersonen starben überhaupt 19. Zta den Konfessionen vertheilen sich die Verstorbenen wie folgt: Es starbéèn 1689 männl, 1386. weibl, zus. 20/00 PVetsozen darunter 191 ungetaufte Kinder. Reformirte 44 M., 21 Weiber, zus. 65 Personen, darunter 1 ungetauftes Kind. R3misc kfatholische 61 männl.,, 32 weibl.,, zus. 93 Pers, darunter 3 unge- taufte Kinder. Deutsch-katholische 1 Frau Griech.-katholisW 1 Frau. Katholisc-apostolisch 1 Frau. Apostolische 4 Männer, 4 Frauen, zus, 8, Biaptisten 1 Frau. Presbyterianer 1 Frau. Juden 24 Männer, 15 Frauen, zu\. 39. Unbekannt 6 Männer, 4 Frauen, zuf. 10. Also ohne Todtgeborene 1828 Männer, 1467 Weiber, zus. 3295 Pers, darunter 106 ungetaufte Kinder.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Die Geseygebung des Deutschen Reiches von der Gründung des Norddeutshen Bundes bis auf die Gegenwari.“ Mit Erläuterungen und Registern herausgegeben von B. Gaupp, Geh. Regierunas-Rath, A. Hellweg, Landrichter, R. Koch, Kaiserl. Geh. Ober-Finanz-Rath, W. Neubauer, Ober- Landesgerichts-Rath, W L. Solms, Ober-Corps- Auditeur, N Sydow, Ober-Postrath, W. Turnau, Kammergerichts-Rath, F. Vierhaus, Landrichter. Verlag von I. Guttentag (D. Collin) in Berlin und Leipzig, Von diesem Sammelwerk erschien soeben die fünf- zehnte und scch8zehnte Lieferung. Dieselben bringen u. A folgende größere Geseße: Über den Markenshuß vom 30. November 1874 nebst den dazu ergangenen Ausführungsbestimmungen vom 8. Fe- bruar 1875; über die Beurkundung des Personenstandes und die Ebeschließung vom 6. Februar 1875, die dazu er- gangene Ausführungs - Verordnung , die Uebereinkunft mit Jtalien und Belgien wegen Verzichts auf die Beibringung von Trau- erlaubnißscbeinen, welche dem „Centraltlatt für das Deutsche Reich“ entnommen sind, ferner die aus dem Handbuch für die Deutsche Handels- marine abgedructe Anweisung in Betreff der Beurkundung ron Geburten und Sterbefällen auf Seeschiffen; die Verordnung über die Naturai- leistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13, Februar 1875 nebst Instruktion zur Ausführung dieses Gesetzes; den Vuslicferungs- vertrag mit Belgien vom 24. Dezember 1874; den Konsularvertrag mit Rußland vom 8. Dezember/26. November 1874; das Bankgeseß vom 14. März 1875 nebst folgenden sonst nirgend zum Abdruck gel ngten An- lagen : Verzeichniß der bei der Reichsbank beleihbaren Effekten, Bestimmun» gen für den Giroverkehr derNeihsbank, Offene Depots vonWerthpapieren, Perzeichniß sämmtlicher Zweiganstalten der Reichsbank; das Statut der Reichsbank vom 21. Mai 1875; die Verordnung, betrefsæ=ck die Tagegelder, die Fuhrkosten und die Umzugskosten der Reichsbeamten vom 21. Juni 1875 nebst Auétführungétbestimmungen dcs Reichskanz- lers, des Staatssekretärs des Reichs-Postamts und den Beschlüssen des Bundetraths, welbe aus dem „Centralblatt für das Deutsche Reich“, resp. dem „Amtéblatt des Reits-Postamts" entnommen sind; endlich den aus dem „Amtsblatte der Reichs-Telegraphenverwaltung“ abgedruckten Internationalen Telegraphenvertrag vom 10 /22, Juli 1875 nebst Anlagen.

Im Verlage von M. Heinsius in Bremen erschien soeben ein Bu, betitelt: „Das Christenthum im Lichte der Vernunft und Erfahrung, geschrieben zur Ehre Gottes von einem Laien.“ Der Verfasser hat, wie er selbst in seinem Vorwort bemerkt, bei dieser Arbeit nicht das Bestreben gehabt, ein wissenshaftlihes Werk zu schreiben, sondern nur in möglichst einfacher und {lichter Weise eine Anzahl von Gedanken niederlegen wollen, welh2 ihm auf Grund seiner eigenen Erfahrungen geeignet erscheinen, demjenigen, welcher ehrlich nach der Wahrheit sucht, über manchen Zweifel hinwegzuhelfen. Die an sich lôöblichen, dem Grundsaß der Religions- und Gewissensfreiheit entsprungenen Worte Friedrihs des Großen, daß in seinem Lande jeder nah seiner Façon selig werden könne, haben nah Ansicht des Ver- fassers hon Manchem den Kopf verdreht, oder sind vielmehr {hon von Mancbhem, dem Herz und Kopf verdreht warea, den Warnungen seines Gewissens gegenüber als cine Art Legitimation oder Entschuldi- gungé schein vorgebracht worden Sie Tonstruiren nämli den Saß so, als habe jeder das unanfehtbare Reéht, ein eigenes, seinen persôn- lichen Neigungen und Wünschen entsprehend.s Religions- und Sittensystem für \sih zu begründen und auf Guund desselben selig zu werden, als sei man für seinen Glauben ganz unverantwortlich. Für unseren Glauben, sagt der Verfasser, sind wir allerdings nicht verantwortlih, wohl aber ohne Zweifel für die Art und Weise, wie wir die Thatsachen, auf denen derselbe beruht, untersubt und geprüft haben. Die Frage ist deshalb nicht sowohl: Glaub ih an Gott und Chriftum? Glaube ich an das Fortleben der Seele, oder glaube ih nit? sondern vielmehr: Welchen Grund habe i, nicht zu glau- ben ? Auf welwem Wege bin i zu meinen Ansichten gelangt? Habe id mich dem Gegenstande mit dem ausschließliden Verlangen, die Wahrheit zu erkennen und na nichts Anderem als der Wahrheit zu suchen, genähert, oder mit dem mehr oder weniger klar empfunde-

nen, in jeder Art der Forschung verwerflihen Wunsch, daß die