1927 / 268 p. 1 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 15 Nov 1927 18:00:01 GMT) scan diff

Varlamentarische Nachrichten.

Der Haushaltsausschuß des Reichtags seßte vorgestern die Beratung der Besoldungsvorlage mit’ der Bejprehung der Besoldungsordnung "A (aufsteigende Gehälter) fort. Der Vorsibende Abg Heimann (Sogz.) teilte mit, daß der Reichsfinanzminister entsprehend dem Beschluß des Neichstags eine Nachweisung über die Beseßung zweiter beseß- barer Stellen mit Wartestandsbeamten vorgelegt hat. Diese Nachweisung wurde einem Unterausschuß zur Prüfung über- wiesen, Vor Eintritt in die Tagesordnung stand folgender A n - trag Steinkopff (Soz.) über das weitere geshäftlihe Ver- fahren zur Erörterung: „Jm Rahmen der Beratung des Ents- wurfs eines Besoldungsgeseßes wird für den Gruppenaufbau der neuen Vefoldungsordnung das Besoldungssystem von 1920 grund- ¡jablih zugrunde gelegt.“ Die Abgeordneten Roßmann und Bender (Soz.) begründeten diesen Antrag mit dem Hinweis ruf die Vermehrung mancher Besoldungsgruppen, auf ihre Zer- reißung und auf die Mängel mancher jeßigen Zusammenlegungen. Um die „Laufbahnen“ einzelner VBeamtengruppen seien zum Teil anübersteigbare und unüberspringbare Gräben gegraben, die das Nlassensystem noch gegen 1920 E Die Verzahnung der inzelnen Gruppen müsse wiederhergestellt werden. Abg. 5chuldt (Dem.) sprach sih gleichfalls dafür aus, das Gute dcr neuen Vorlage mit den bewährten Grundsäßen von 1920 zu ver- binden, Redner entwidckelte ein Gruppenaufstiegsshema mit be- sonderen Verzahnungsstellen zwischen dem unteren und mittleren, zwischen dem mittleren und oberen Dienst, das nach Meinung einer Partei den Zwecken bessex entspreche als die Regierungs- vorlage. Die Stellenzulagen seien dabei in die Grundgehälter einzubauen. Ein solches System schaffe gute Aufstiegsmöglich- leiten. Er sei bereit, seine Vorschläge auszuarbeiten und „vor- zulegen, damit sie mit Grundlage der Besprehung werden önnten. Redner machte dann auf einige Härten in der Be- messung des Wohnungsgeldzuschusses aufmerïsam. Endlich hat er, die unterste Gruppe im Anfangsgehalt höher zu bemessen, etiva um je 100 Reichsmark in den einzelnen Stufen. Abg, Steinkopf (Soz.) empfahl, die Vorschläge des Vorredners ver- vielfältigen zu lassen, um sie genau zu prüfen. “Nach kurzer Er- örterung zur Geschäftsordnung wurde beschlossen, diese Anregung des Abgeordneten Schuldt (Dem.), die diesex nunmehr als An- trag einbrachte, schleunigst drucken zu lassen. Abg. Morath (D. Vp.) forderte Ablehnung des Antrags Steinkopff. Abg. Torgler (Komm.) machte darauf aufmerksam, daß die preußische Besoldungsvorlage sogar 38 Besoldungsgruppen. also noch weit mehr als die der Reichsregierung, vorsehe, wandte sich jegen die Stellenzulagen (statt Veförderung) und erläuterte n5och= mals die grundsäßliche Stellung seiner Fraktion zux Vorlage. Der Antrag Schuldt sei nur ein s{chwächliches Kompromiß zwischen vem alten Zustand und dem zu schaffenden neuen. Ministerial= rat Sôlck verteidigte die in der Regierungsvorlage gewählte {rt der Gruppeneinteilung der Verzahnung, der Zusammen- ‘egung früherer Gruppen, mit den inzwishen gemachten nicht ¿rfreulichen Erfahrungen und der Absicht einer Vermeidung "rganifatorisher Unmöglichkeiten. Auf den Namen „Stellen- zulagen“ wolle die Negierung sih nicht festlegen. Die Vorteile es Bulagensystems beruhten darin, daß der Verlust von Besol- »ungsdienststellen vermieden werde und die Beamten mit einem Schlage in den vollen Genuß des finanziellen Beförderungs- mnteils fämen. Die Nachteile der sogenannten Stellenzulage uhten wohl mehr im Unterbewußtsein der Beamten und ent- dehrten der realen Grundlage; denn diese Stellenzulagen seien unmwéderruflich und pensionsfähig. Ueberwiegend gehe die Reichs= vorlage konform mit der preußischen Vorlage; wenn diese mehr Gruppen aufweise, so liege das daran, daß Preußen mchr Einzel= verwaltungen als das Reih habe. Die Grenze in den Tarif- flassen des Wohnungsgeldzuschusses sei genau in der bisherigen Weise beibehalten, Er bitte den Antrag Steinkopf abzulehnen. bg. Bender (Soz.) verteidigte die Vorlage der preußischen Regierung, an der sozialdemokratishe Minister mitgewirkt hätten, mit dem Hinweis darauf, daß in dieser Frage der Besoldung das Neich führend sein müsse. Seine Freunde würden sih aber darüber hinaus durch die Anträge der Rechten in ihrer Arbeit für die Beamten auch in Preußen nicht beeinflussen lassen. Redner wies auf einige Unstimmigkeiten zwischen den. hand- werksmäßig vorgebildeten und den anderen Beamten hin, die seiner Meinung nah in der Reichsvorlage enthalten seien, im besonderen in der Gruppe der unteren Postbeamten, Abg. Lu ck e (Wirtschaftspartei) bemängelte die Auseinanderziechung dex Assistenten und Sekretäre; im besonderen bei der Post. Beidec Dienste seien heute gleih. Sie seien die eigentlihen Arbeits- pferde des mittleren Dienstes. Beide Beamtenarten müßten in eine Gruppe zusammengeschlossen werden. Abg. Sep p e l (Soz.) vehauptete, die Masse der Beamten, die soziale Arbeitsgenmeinschaft, habe beim System von 1920 verbleiben wollen. Das sei auch verständlich angesichts der vielen Mängel der Vorlage, Redner brachte Einzelfälle zur Sprache. Die Verzahnung sei bei den unteren Beamtengruppen gänzlich zerschlagen. Gegen die Ver- fehrsbeamten der unteren Gruppen sei das Verfahren heinahe shamlos. Die Stellenzulagen seien Korruptionszulagen, um Kriecher zu erziehen. Die Grundsäße von 1920 seien aufrecht- zuerhalten, Abg. Schuldt (Dem.) bemerkte, in drei wesent- cichen Punkten sei ein Systemwechsel in der Besoldung gegen- über dem Zustande von 1920 eingetreten (Widerspruch), ins3- besondere durch die Stellenzulagen, statt der Schaffung von Be- förderungsstellen, die im Etat jedes Jahr wieder gestrichen werden könnten, ferner bei der Schlüsselung und endlich durch den Wegfall der Verzahnung, d. h. Zusammenlegung der obersten Stufe einer niedrigeren Gruppe mit der untersten Stufe der nächst höheren Gruppe im selben Gehalt. Das System und die Jdee von 1920 müsse zugrunde gelegt werden, aber die Säße der neuen Besoldungsordnung. Jn diesem Sinne stimme er für den Antrag Steinkopf. Abg. Steinkopf (Soz.) bemerkte, wenn hier eine Besoldungsvorlage geschaffen werde, die tragbar sei, werde sie, weil hier das Reich führend sein müsse, auch im Landtag Annahme finden. Es fänden sich aber tehnishe und handwerklih vorgebildete Beamtenkategorien in der Vorlage, die tatsächlih künftig nicht besser gestellt seien aus zum Teil nit ernst zu erörternden Gründen. Man könne sehr wohl die Be-

ldungs8grundsäße von 1920 überall zur Grundlage machen, Redner nannte eine Reihe von Beamtenkategorien, deren gegen- wärtige Einstufung nicht zu billigen sei, weil sie troß gleichen Dienstes im Gehalt differenziert würden, Damit werde ein Zankapfel in die Beamtenschaft geworfen. Die Anlehnung an das System von 1920 werde das verhindern. Ministerialdirektor Dr. Lothholz erwiderte, daß bei der gegenwärtigen Aussprache, der eine den anderen nicht widerlegen könne, weil es sich um einen grundsäblichen Standpunkt und um grundsäbliche Meis- nungsverschiedenhciten handle. Der eine vertrete dabei diesen, der andere den anderen Standpunkt, Die einzelnen Fragen be- handle man besser bei den einzelnen Gruppen, so die Frage der Techniker . und der sogenannten NReichsmittelbehörden. Eine ideale Lösung gebe es nicht, und wenn von verschiedenen Seiten jeßt das System 1920 als solches hingestellt werde, so erinnere er nur an das Wort „Schlüsselung“, die mit dem System 1920 immanent verbunden sei, Bei den Reichsmittelbehörden habe auch der Gesichtspunkt des Austausches der Beamten mit- gesprochen. Wenn dem „armen Teufel von Weichensteller“ troß der Vefürwortung im Reichstag niht im Sinne des Abg. Stein- kopf geholfen worden sei, so sei der Grund der gewesen, daß das Reichsfinanzministerium geglaubt habe, dem Reichstagsbeschluß noah Maßgabe der bestehenden Geseße nicht entsprechen zu dürfen, weil seirie Durchführung mit dem Gesebß nicht vereinbar erschien. Eine besondere Würdigung habe in der Aussprache die „Ver- zahnung“ gefunden, Die Vovluge sehe Verzahnungen vor, Mz ih angepaßt an das System der Vorlage. Ferner sei das System der Stellenzulagen als rüdckständig, a!s das Strebertum fördernd und mit ähnlichen epitheta ornantia bedacht worden. Das gehe vollkommen an der Sache vorbei. Die Stellenzulagen feién

mutatis mutandis ebenso aufzufassen wie die Beförderung in eine besondere Gruppe. Der aus}jchlaggebende Gesichtspunkt set der gewesen, daß man den Beamten sofort unmittelbar den ganzen Besoldungsvorteil zuwenden wollte, der mit der Beförde- rung verbunden sei, und diese Wirkung habe von keiner Seite in Zweifel gezogen werden können. Geheimrat Ziegelaschq verwahrte die Postverwaltung gegen den Vorwurf, daß sie sinn» [os bei der Ausarbeitung der Vorlage verfahren sei. Er werde bei der Einzelerörterung nähere Auskunft über die Gründe der Einstufung geben. Abg. Harmony (D. Nat.) wies darauf hin, daß 1m Reiche Dr. Köhler, in Preußen der demokratische Minister Dr. Höpker-Aschoff die Verantwortung für die Bejol- dungsvorlagen gegenüber den Parlamenten trügen; weshalb er» hebe man also die gegenseitigen scharfen Vorwürfe? Man solle ih hücen, von „Korruptionszulagen“ zu sprehen. Vor Ein- bringung dieser Vorlage hätten die Beamten die Regelung von 1920 scharf bemängelt; jeßt fritisierten sie die neue Vorlage und lobten die alte von 1920! Er bitte, endlich in die ernsthafte Arbeit einzutreten und dabei die neue Vorlage zugrunde zu legen. Abg. Groß (Zentr.) pflichtete dem Vorredner darin bei, daß die Beamten erst jeßt die Vorzüglichkeit der Regelung von 1920 er- kannt hätten. Dex Redner charakterisierte die Stellung seiner Partei zur Stellengulage und zur Verzahnung. Die Regierungs- vorlage müsse die Grundlage der Beratung * bleiben. Abg. Morath (D. Vp.) erklärie, seine Freunde würden die Regie- rungsvorlage zwar zur Grundlage der Beratung machen, aber auf Abvänderungsanträge durchaus nicht verzichten, z. B. bei den Stellenzulagen und der Verzahnung. Er bitte, nun aber endlich diese dritte allgemeine Erörterung zu beenden, um den Beamten endlich ihr Recht werden zu lassen. Auf eine erneute Beschwerde des Abg. Steinfkopf (Soz.) bemerkte Ministerialdirigent Wever, Weichengehilfen zu Oberweichenwärtern zu beförden, sei nach dem Geseß von 1920 nicht zulässig gewesen, weil diese Weichengehilfen, die beim Kanal beschäftigt gewesen seien, keine Beförderungsstellen gehabt hätten. Die Weichenwärter bei der Bahn hätten dagegen Beförderungsftellen in Gruppe 1ŸV be- sessen. Die von Herrn Steinkopf erwähnte Beförderung von Waldhütern zu Lagerwarten sei von der Regierung erst vorz genommen worden, nachdem eine VLenderung des VBesoldungs=- gesebes dies ermöglicht habe, ' Abg. Schuldt (Dem.) wandte sich gegen die Hereinzgiehung des preußischen Ministers Dr. Höopker-Ascho}ff als Demokraten in diese Vorlage; folche Vorlagen würden doch gemeinsam ausgearbeitet. Abg. Torgler (Komm.) wiederholte nochmals seine- Kritik an der Vorlage, insbesondere an den Stellenzulagen. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Steinkopff mit 13 gegen 10 Stimmen abgelehnt. Hierauf wurde die Weiterberatung auf heute vertagt.

Der Reichstagzausschuß für Wohnungs- wesen beendete vorgestern die Generaldebatte über die Abän - derung des Reihsmieiengeseßes und des Mieters- \hupgeseßes. Vom Abg. Lipinski (Soz.) war im Ver- lauf dieser Debatte erneut der Vorwurf erhoben worden, daß mit dem vorgeschlagenen Kündigungsverfahren auf die Dummheit der Mieter spekuliert werde, und daß dex Entwurf bezwecke, dem einfachen und unerfahrenen Mieter Schlingen zu legen. Von dem Vertreter der Reichsregierung wurde dies laut Be- riht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger unter Hinweis auf die im Entwurf für die Mieter vorgesehenen Garantien s{harf zurückgewiesen. Der Entwurf ehe die Mitwirx- fung einer amtlichen Stelle beim Kündigungsverfahren gerade im Interesse des Mieters vor; damit sei ihm sofort die Stelle be- zeichnet, an die er sih in der Angelegenheit zu wenden habe. Weni man Schlingen legen wolle, sehe man ficht alles vor, was geeignet sei und darauf abziele, den andern vx Gefahr zu be- wahren. Die gleiche Verwahrung wuvde in sehr nahdrücklicher Weise von den Abgg. Tremmel (Zentr.) und Winnefeld D. Vp.) für ihre Fraktionen eingelegt. JFusbesondere wies Abg. Tremmel (Zentr.) mit Empörung zurück, daß die Sozial- demokraten dem Zentrum unterstellten, es wolle die Juteressen der Mieter absichtlich s{chädigen. Dieser sozialdemokratishe Vor- wurf sei so schwer, daß Redner seiner Fraktion offiziell von solchen unparlamentarischen Angriffen der Sozialdemokratie gegen das Zentrum Mitteilung machen werde. Daraufhin exklärte Abg. Silberschmidt (Soz.), daß er niht daran zweifle, daß bet der Aufstellung des Entwurfs gutgläubig vorgegangen sei. Einen breiten Raum nahm in der Generaldebatte auch die Affäre der Ablehnung des Vaues von 8000 Stun in der Berliner Stadtverordnetenversammlung dur ie Sozialdemokraten ein. Die Sozialdemokraten verwahrten s{ dagegen, daß ihnen unter- stellt werde, sie hätten den Bau dex 8000 Wohnun en lediglich deshalb abgelehnt, weil sie nicht wünschten, daß sich das Privatkapital im Wohnungsbau betätige. Die Sache sei von der sozialdemokra- tischen Fraktion allerdings abgelehnt worden, aber aus dem Grunde, weil sih die Stadt selbst entweder die Anleihe besorgen wolle oder eine städtishe Gesellshaft mit Hilfe einer Auleihe das Bauvorhaben ausführen werde. Zur Sprache kam auch der Fall der Verpachtung der Berliner Feuerwache in der Mauerstraße gogen eine jährliche Pachtsumme von 4000 ldmark auf die Dauer von 30 Fahren. Als verantwortlich hierfür wurde Bürger- meister Schneider bezeichnet. Abg. Tremmel (Zentr.) stellte fest, daß damals das Objekt öffentlih ausgeschrieben worden sei, und daß laut dem amtlichen Untersuchungsprotokoll viele An- Gg vorgelegen hätten, die bedeutend besser gewesen wären al3 as getätigte und daß ein Teil diesex Angebote überhaupt ver- shwunden sei. Die Pächter hätten den Auftrag bekommen, das B aufzustocken. Es stehe aber fest, daß sie die Aufstockung des Hauses gar nicht aus eigenem Gelde vorgenommen hätten, sondern daß sie sich von ihren Untermietern 228 000 A in Gold aß- anweisungen hätten geben lassen. Außerdem hätten fie mit ihren

Untermietern vereinbart, daß diese ihnen noch weitere 198 000 M .

in Goldshaßanweisungen geben. Die Aufstockung sei im Jahre 1923 geschehen, das bekanntlich das billigste Baujahr dewesen sei. Sie haben tatsächlich nicht die Hälfte dessen gekostet, was sich die Pächter als Zuschüsse hätten geben lassen. Außer diesem Ver- dienst hätten also die Pächter einen Reinverdienst von 70 (00 Goldmark Miete, den sie auf 30 Jahre fen i ihrem Vorteil verbuchen könnten. Des weiteren hätten die Pächter ihren Unter- mietern alle Lasten, Steuern, alle Reparaturen und übrigen Jnstandseßzungskosten aufgebürdet. Zum mindesten spreche eine ungeheure Unerfahrenheit in Geschäftsdingen aus diesem Ueber- einkommen der Stadt. Der Ausschuß wird heute nachmittag mit der Spezialberatung der Abänderung des N ietershubgeseßes be- ginnen.

Der Bildungsauss\chuß des Reichstags seßte geftern untex dem Vorsitz des Abg. D. Mumm (D. Ñat.) die rörterung über die Gemeinschaftsschule 3 des Reichs- P Ngelege urs) fort. Abg. Bie ster (Soz.) entwickelte, dem tachrichtenbüro des Vereins deutscher Zeitungsverleger zufolge, noch einmal die Stellung seiner Partei zur enteiñidafis chule von der Stellung des Kindes und von dem Grundsay der Toleranz aus. Der Redner sah keinen Unterschied zwischen der Gemein- schafts\chule, wie M von der Abg. Bäumer und Dr. Runkel ver- treten wird. Fn Weimar habe Dr. Runkel eine andere Auffassung vertreten. Nach der Verfassung solle eine Gemeinschafts\hule mit religionskundlihem Untercicht geschaffen werden, bei der die übrigen Lehrfächer nicht von christlichem Geist durchdrungen werden. Der „christliche Geist“ sei ein verschwommener Begriff, über den gewiß {hon die Auffassungen von Herrn Rheinländer und Dr. Runkel auseinandergingen. Abg, Seydew ib (Soz.) suchte die u aa der D Nan en des Entwurfs über die Gemeinschafts\{hul2 aus Artikel 149 Absaß 11 der Reichs- verfassung nachzuweisen JFnzwischen waren zwei kommunistische Anträge eingegangen, die verlangen, daß üs Religions unter=- richt als Eckstunde eingerichtet werden müsse, und zweitens den Lehrern aus der Erteilung des Religionsunterrichts keine Nach- teile entstehen dürften. Abg. Heernle (Komm.) ging von dem Begriff der „gespaltenen Kinderseele“ aus. Nach kommu- nistishec Auffassung sollen die Kinder in dex Schule von Religion

nur im Rahmen des Geschichtsunterrihts hören. Wenn die Ge- meinschafis\chule jeßt durxh den Autrag Dr. Runkel einen christ- lichen Charafter bekommen solle, so würde das Gewissenszivang, Mittelalter und eive Privilegierung von Katholizismus und Protestantismus bedeuten. Daß diese Forderung von einer liberalen Partei gestellt werde, sei cin Beweis dafür, daß man kulturelle Fragen als Tauschobjekt behandele. Darauf wurde ein Antrag auf Beschränkung der Redezeit angenommen; danach soll der erste Redner jede: Fraktion 20, bei den wichtigeren Paragraphen 30 Minuteu Redezeit haben, die weiteren Redner je 10 Minuten, Abg. Schulz (Soz.) legte noch einmal seine Auffassung von den Weimarer Beschlüssen dar, die vom Abg. Dr. Runkel miß- verstanden worden sei. Man habe in Weimar nicht die christliche Simultanschule schaffen wollen, sondern die Simultanschule „mit angehängtem Religionsunterriht“, also weder eine religiós- sittliche, noch eine christlihe Grundlage dürfe die Gemeinschafts- schule nah der Absicht der Weimarer Kompromißparteien haben. Darin seien sih die Parteien sogar mit der bayerishen Regierung einig gewesen. Wolle man heute eine andere Gemeinschaftsschule, dann bedürfe cs einer Zweidrittelmehrheit. Bei der Zusammens- seßung der Weimarer Koalition sei die Absicht, eine crists lie Gemeinschafts\hule zu schaffen, ganz ausgeschlossen ge- wesen Abd. Dr. R wuTe.l CD. M war der Auffassung, wenn man in Weimar eine Simultanschule habe schaffen wollen, so habe das nur die christlihe sein können, weil es damals gar feine andere Simultanshule gegeben habe. Darauf nahm Reichsminister des Fnnern Dr. von Keudell zu der Frage des inneren Gehaltes der Gemeinschafts\{hule Stellung und erklärte, daß die Gemeinschafisschule sih nicht nur durh die Tatsache, daß in ihr Religionsunterriht erteilt werde, von der twweltlihen Schule unterscheiden dürfe. Ein bloß „angehängter“ Religionsunterriht wäre durhaus unpäda- gogisch. Andererseits wäre es vom verfassungsrechtlichen Standpunkt aus sehr bedenklich, der Gemeinschaftsshule einen noch stärker betonten christlichen Charakter programmatisch zu geben. Ministerialdirektoxr Pellenga hx tvies darauf hin, daß bei den Vevhandlungen über den Entwurf von 1921 zwei Anträge. von grundsäblicher Bedeutung vorgelegen hätten; zunächst ein Antrag, der die christliche Grundlage für die Gemeinschaftsschule habe fest- legen wollen. Gegen diesen Antrag habe der damalige NReichs- minister des Fnnern gewisse verfassungsrechtliche Bedenken an- gemeldet, sich aber die endgültige Stellungnahme vorbehalten, Nach der Zurückziehung dieses Autrags sei dann der Antrag ein- gebracht worden, der die religiös-sittlihe Grundlage für die Ge- meinschafts\hule vorgeschen habe. " Dieser Antrag sei in der Sißung des VBildungsausschusses vom 13. April 1923 au- genommen worden, ohne daß die damalige Regierung ver- assungsvrechtliche Bedenken gegen diesen Antrag geltend gemacht Lee Bei der Abstimmung wurden die Anträge der Kommunisten, der Sozialdemokraten, der Demokraten und der Deutschen Volks partei abgelehnt. Abg. Runkel (D. Vp.) gab die Erklärung ab, daß feine Partei für die Fassung des Entwurfs stimmen werde sich aber für später ihre Stellungnahme vorbehalte. Darauf wurden die ersten beiden Absäße des § s in der Fassung des Ent- wurfs folgendermaßen angenommen: „Die Gemeinschaftsschule steht grundsäblih allen volksschulpflihtigen Kindern offen. Sie erfüllt die Unterrichts- und Erzichung3aufgaben der deutschen Volksschule auf religiös-sittlicher Grundlage ohne Rücksicht auf die Besonderheiten einzelner Bekenntnisse und Weltanschaununagen. Die aus dem Christentum erwachsenen Werte der deutschen Volks- kultur sind im Unterricht und in der Erziehung lebendig zu machen.“

Der Bildungsaus\chuß des Reichstags. seßte vorgestern unter dem Vorsiß des Abg. D. Mumm (D. Nat.) die Einzelberatung des Reichsschulgesepßentwurfs beim 8 3 Absay 3 fort, der „für alle Klassen“ der Ge Relligionsunterricht vorsieht. Abg. Rosenbaum (Komm.) be- gründete laut Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger den Antrag seiner Partei, diesen Absay zu streichen. Seine Freunde seien gegen jeden Religionsunterriht. Für den Fall der Ablehnung dieses Antrags brate der Redner einen Eventualantrag ein, daß der Religionsunterricht als Eck- stunde einzurichten sei. Preußischer Ministerialdirektor Kaestner trat für Beibehaltung der Worte „für alle Klassen“ ein. Nach den S Richtlinien von 1920 und denen des Reichs von 1923 sei die Erteilung des Unterrichts in der Form des Gesamt- unterrihts keinen methodishen Beshrär.kungen unterworfen. Jw der Gemeinschafts\chule könnten vielleicht gewisse Schwierigkeiten entstehen, ebenso bei der Frage der Abmeldung vom Religions unterriht. Gegenüber dem Abg. Rosenbaum bemerkte der Redner, in Preußen seien die Religionsstunden hon Eestunden. Abg. Rhe inlän der (Ztr.) betonte, über die methodische Seite des Religionsunterrichts solle mit den Worten „für alle Klassen“ nichts gejagt werden. Er sei E D G die Streichung diefer Worte; denn es ane sich sonst keine Grenze finden, in welcher Klasse mit dem Religionsunterriht begonnen werden solle. Ministerialdireklor Pellengax vom Reichsministerium des Gunern gab zu den Worten „für alle Klassen“ folgende Er- klärung ab: le Worte bezichen sih nicht auf die methodische Gestaltung des 9 1 e P d Diese wird vielmehr durch das Gesey in keiner Weise berührt. Dex Ausdruck will auch nicht sagen, daß jede Kasse ihren Religionsunterricht gesondert erhalten uns, Es ist sehr wohl denkbar, daß verschiedene Klassen beim Religionsunterriht zusammengefaßt werden müssen. Die Fas un des Entwurfs will nur zum Ausdruck bringen, daß die Schulo Religionsunterriht als ordentliches Lehrfach für alle Klassen ein- stellen muß. Scekbstverständlih ist dabei der Artikel 149 der Reichsverfassung zu beachten. Es ist also bei der Fassung der Regierungsvorlage sehr wohl möglich, daß bei einer enntnis- \hule der Religionsgunterricht. in dem Gejamtunterriht verwoben wird. Fu der R e O Da bestehen hier einige Schwierigs keiten. Aber auch hier sind der methodishen Gestaltung des Religionsunterrichts keinerlei Schranken gesest. Abg. Fleißner (Sog.) widersprah der Absicht, daß die Gemeinschaftsschule eine religiós-sittliche oder christliche Grundlage erhalten soll. Fn dem sächsischen Schulgeseß von 1873 sei der Begri Ne Bildung“ bereits vorhanden, und das sei damals das Kennzeichen der Bekenntnisshule gewesen. Daraus könne man die Abstcht auch dieses Entwurfs erkennen. Wenn der Minister erklärt habe, es sei vom Siandpunkt der Verfassung aus bedenklich, dev Gemeinschaftsshule einen christlichen Charakter W geben, so gelte dasselbe auh für den veligtös-sittlichen arakter. Abg. Dr. Löwenstein (Soz.) trat für die Streihung des Absaßes IV ein, der bestimmt: „Bei der Ann der Lehrer ist die Gliederung der Schüler nah Bekenntnis und Weltanschauung tun- lichst zu berücksihtigen.“ Än sih seien die Sozialdemokraten für den Sinn M Bestimmung, aber sie hielten grundsäßlih daran est, daß die Gemeinschaftsschule von religiösen Fragen unabhäng ein musse; sie sci die Staatsshule. Die Gemeinschafts\chule de

ntwurfs dagegen müsse notgedrungen intolerant werden. Man könne den Eltern nicht zumuten, ihre Kinder in eine solche Schule u schicken, Deshalb beantragte der Redner, dem § 3 folgende estimmung anzufügen: „Kinder können ohne Zustimmung dzr Eltern E gezwungen werden, diese Schule p besuchen, und Lehrkräfte brauchen gegen ihren Willen nicht an ihr tätig zu sein,

(Fortseßung des Nichtamtlichen in der Ersten Beilage.)

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I

Jynhalt des amtlichen Teiles: Deutsches Reich. Aufhebung des Verbots eines Filmstreifens. Anzeige, - betrefsend die Ausgabe der Nummer 45 des Reichs- geseßblatts Teil 11.

Breußzen. Ernennungen und tonstige Periona!veränderungen. Einschränkung eines Zeitungs8verbots. Bekanntmachung gemäß § 835 des Hausarbeitgefeßes.

Amútliches.

Deutsches Rei ch.

Aufhebung des Verbots eines Bildstreifens.

Der lt. Bekanntmachung im Deutschen Reichs- und Preußijchen Staatsanzeiger Nr. 241 vom 14. Oktober 1927 verbote:e Bildstreiren: „Geseße der Liebe. Aus der Mappe eines Sexualforschers“, Prüfnummer 926, An- tragsteller und Ursprungsfirma: Humboldt-Film G. m. b. H,, Berlin, ist auf Grund des §8 7 des Reichslichtspielgeseßes durch

Entscheidung der Filmoberprüfstelle vom 9. November 1927

unter Prüfnummer 1009 mit dem Haupttitel „Ge) eye der Liebe“, 4 Akte = 2035 m und 279 m Ausschnitte, zur öffent- lichen Vorführung im Deutschen Reiche, jedo nicht vor Jugend- lichen, zugelassen worden.

Berlin, den 14. November 1927.

Der Leiter der Filmoberprüfstelle. Dr. Seeger.

BDebanutmamulnia.

Die von heute ab zur Ausgabe gelangende Num mer 45 des Neichsgeseßbla!ts Teil I enthält:

das Geleß über das Lu!tverkebrêabkommen zwischen dem Deutschen Neiche und Großoritannen, vom 3. November 1927 und

das Gele über das Abkommen zwischen Deutschland und Polen über die Verwaltung der die Grenze biltenden Strecke der Warthe und den Verkehr auf dieser Strecke, vom 4. November 1927.

Umtang 1§F Bogen. WVerkautspreis 0,30 N:M. Berlin, den 14. November 1927.

Geseßsammlungsamt. Dr. Kaisenberg.

Preußen. Finanzministerium.

Die Rentmeisterstelle bei der staatlichen Kreiskasse tn Burgdorf, Regierungsbezirk Lüneburg, ist zu beseßen.

Mein durch Verfügung vom 8. November 1927 Tgb.-Nr. 2361. I A. 7. 27 ausge|\prochenes Verbot der Zeit- schrift „Deutsche Treue“ des „National-Verbandes Deutscher Offiziere“ habe ih auf die Dauer von 3 Wochen ein- geschränkt.

Berlin, den 14. November 1927.

Der Polizeipräsident. Zörgiebel.

Bekanntmachung gemäß 8 35 des Hausarbeitgeseßes.

Der Fachaus\chuß für die Damen- und Kinder- konfettion der Provinz Brandenburg und Stadt Berlin in Berlin, Abt. C. (Schürzen und Unterröcke), hat am 10. November 1927 folgenden Beschluß einstimmig gefaßt:

„Unter Beibehaltung der bisberigen Berechnungtgrundlagen wird der Stundenlohn tür die Hauétarbeiter der Schürzentranche auf 50 S feitgeießt. Die Festleßung gilt für alle Arbeiten, die nah dem 17. November 1927 zur Bezahlung kommen,“

Dieser Beschluß ist gemäß § 34 Absaß 1 Sat 1 des Hausarbeiige eßes vom 27. Juni 1923 endgültig und gilt für die Hausarbeiter der Schürzenbranche in Berlin und der Provinz Brandenburg.

Der Festsezungsbeshluß vom 7. April 1927, bestätigt am 19. April 1927, ist hierdurh aufgehoben.

Berlin, den 10. November 1927.

Der Vorsißzende, Grott, Gewerberat.

BERCI K T C E E R N L E T6 G A G

Nichtamtliches.

Deutsches Reich.

Der Reichsrat hält Donnerstag, den 17. November 1927, 5 Uhr nahnmittags, im Neichstagsgebäude eine Vollsizung.

Preuzischer Landtag. 312. Sigung vom 14. Nooember 1927, 13 Uhr. (Bericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Der Preußische Landtag nahm heute seine Plenar- beratungen wieder auf. Die Sißzung begann wegen ciner vorausgegangenen Verhandlung des Aeltestenrats mit mehr als halbstündiger Verspätung. Auf die Tagesordnung waren, da die neue Besoldungsordnung im Ausschuß noch nicht fertiggestellt ist, nur kleine Vorlagen geseßt.

Präsident Bavtels gedachte, während sih die Ab- geordneten von ihren Sibßen erhoben, des Ablebens des Ab- geordneten Oetjen (D. Vp.), der den Wahlkreis Hannover- Süd vertrat,

Vor Eintritt in die Tagesordnung beantragte Ab- geordneter Kas per (Komm.), als ersten Punkt der Tages- ordnung einen Urantrag seiner Partei zu beraten, der sich gegen die Vertraulichkeit dec Vorbdesprechungen über die Be- soldungs8ordnung wendet und darin einen Verstoß gegen die Geschäftsordnung erblickt, zumal die Kommunisten davon ausgeschlossen waren. Der Landtag soll den Beschluß auf Vertraulichkeit der Unterausschußverhandlungen über die Besoldungsorduung aufheben. Jn Geheimverhandlungen außerhalb des Hauses mache die Regierung Mitteilungen an die Parteien mit Ausschluß der Kommunisten, die sie nicht einmal in den vertraulichen Verhandlungen des Unter- ausschusses wiederholte. (Lebhaftes Hört, hört!)

Der kommunistishe Antrag scheiterte geschäftsordnungs- mäßig am Widerspruch des Abgeordneten Dr. Kähler (D. Nat.). (Rufe bei den Kommunisten: Das ist ja gerade der Schieber, der Borsiyende bei den Geheimberatungen!)

Es folgt die erste Beratung eines Geseyentwurfs, der eine Verlängerung gewisser Bestimmungen des Polizei- kostengeseßes verlangt.

Ein Regierungs®vertreter teilt auf eine Frage des

Abg. Megyenthin (D. Vp.) mit, daß eine endgültige Regelung.

der Polizeikosten erst nah der endgültigen Regelung des Finanz- ausgleihs erfolgen könne.

Die Vorlage geht an den Hauptausschuß.

Jn allen drei Lesungen und in der Schlußabstimmung nimmt das Haus dann debattelos den Geseßentwurf an, derx die Bezeichnung „Gerichtsschreiberei“ durh „Geschäftsstelle“, „Gerichtsschreiber“ durch „Urkundsbeamter dex Geschäfts- stelle“ und „Gerichtsdiener“ durch „Gerichtswachtmeister“ erseßt und damit eine vom Reich vorgenommene Regelung auch für Preußen durchführen will.

Ein Geseßentwurf, der die Dienstverhältnisse der mit der Wahrnehmung der Geschäfte eines Urkun ds- beamten der Geschäftsstelle betrauten Beamten regelt, geht zur weiteren Vorberatung an den Rechtsausschuß.

Es folgt die erste Beratung einer Novelle zum Geseß über die Bereitstellung von Zwischenkrediten für die Förderung des Wohnungsbaues, wonach Darlehen bis zu 120 Millionen Reich8mark als Zwischenkredite auf erste Hypotheken nicht mehr wie bisher zur Dauer von einem, sondern bis zur Dauer von drei Jahren nach dem jeweiligen Abruf gewährt werden dürfen.

Abg. Schulz - Breslau (Komm.) wendet sich gegen die Mietssteigerungen und polemisiert dabei insbesondere gegen die Wirts E Der kommunale Wohnungsbau müsse ge- fördert, der Baustoffwucher bekämpft werden.

Die Vorlage geht an den Hauptausschuß.

Bei der ersten Beratung des Geseyes, das 10 730 000 Reichsmark Kreditmittel für den weiteren Ausbau des Stettiner Hafens bereitstellen will, bedauert :

__ Abg. Zlse Noa ck (D. Nat.), daß der Staat der Stadt Stettin niht ein größeres Entgegenkommen gezeigt habe. Auf diese Weise Pee die Gefahr daß Stettin immer mehr seine bis- herige Position als haupt lcblichster Ostsechafen verliere. Hoffent- ih werde der Reichsverkehrsminister Stettin noch besonderes Entgegenkommen zeigen.

Nachdem noch Abg. Kriege (D, Vp.) die Vorlage |

empfohlen hat, geht sie an den Hauptausschuß.

Es folgt die zweite Beratung des Gesetzentwurfs, der 1500000 Reichsmark Kreditmittel für die Förderung der ostpreußishen Mittel- und Kleinindustrie bereitstellen will. Für den Ausschuß, der die Vorlage einstimmig angenommen hat, ersucht Abg.

Steffens (D. Vp.) um ihre Verabschiedung durch das Plenum. Das Gese wird debattelos gleich darauf auch in der dritten Beratung und in der Schlußabstimmung an- genommen.

Das Haus stimmt dann Anträgen des Untexs- rihts8auss\husses zu, die u. a. verlangen, daß „das Mißverhältnis, daß an den preußischen Volksschulen in bezug auf die Zahl der fatholischen Lehrer zur Zahl der katholischen Volksschüler besteht“, soweit wie möglich beseitigt werde. Weiter wird das Staatsministerium u. a. in den ange- nommenen Anträgen ersucht, bei den Lyzeen keine Schluß- prüfung einzuführen, sondern die Angleihung an die Real- schule dadurch zu vollziehen, daß in beiden Schularten eine Schlußbesichtigung stattfiudet.

Es folgt dann die Beratung des an Stelle dex Einzel- anträge der Parteien vom Hauptausschuß angenommenen ums- fassenden Antrages anläßlih der Unwetterschäden.

Der Hauptausschuß, für den Abg. Dr. Wieme r (D. Vp.) den Bericht erstattet, hat festgestellt, daß in den meisten Landesteilen Preußens durch die übermäßigen Regenfälle des lezten Sommers außerordentlih große Schäden - entstanden sind, daß insbesondere die Getreideernte und die Hackfrüchte gelitten haben und vielerorts bereits mehrere Jahre hinter- einander erhebliche Ernteausfälle eingetreten sind. Er vers langt ausreichende Mittel zu Notstandsunterstüßzungen, und zwar in erster Linie für die mittel- und kleinbäuerlichen Pächter, Niederschlagung rückständiger Staatssteuern, Stun=- dung der staatlichen Grundvermögenssteuer bzw. deren Nieder- {hlagung in dringenden Fällen, Einwirkung auf die Reichs regierung, in gleicher Weise vorzugehen, weitere Stu.dung der von der Preußenkasse und der Rentenbank gewährten Kredite, Unterstüßung mit Saatgut und Futtermitteln usw. Die gemeinnügigen Siedlungsgesellschaften sollen ihren durch Unwetterschäden schwer betroffenen Siedlern weites Entgegens- kommen bezüglih der Rentenzahlungen zeigen. Zur Ab- wendung der Uebershwemmungsgefahren wird die bes chleunigte Durchführung von Flußregulierungen u. a. ge- ordert.

Ju der Aussprache seßte sich i -

Abg. Wittich (Soz.) insbesondere für vorbeugende Maß- nahmen eix. Zu begrüßen sei, daß Le Pregte Staatsregierung bercits Mittel für die Hochwassergeschädigten zur lies. ges stellt have. Hoffentlich lege sie recht bald ein” ausführlihes Pros- ramm über eugung und Abhilfen vor. Die deut|chnationalen Anträge seien reine Agitationsanträge. Seine Partei werde dem Antrag des V zustimmen. i .

Abg. Dr. von Winterfeld (D. Nat.) legt dar, wie hoh der Ernteäusfall gewesen fei. Die andwirtschast ove ihr Be- triebskapital heute verloren und n unerhört hohe Lasten zu tragen. Besonders in Ostpreußen ei die Lage der Landwirtschaft sehr traurig. Auch seive Partei halte vorbeugende Maßnahmen, wie Flußregulierunger. und Verbesserungen der mie be jaoG nisse, für notwendig. Aufs s{härfste zurückweisen müsse er jedohch des Vorredners, die deutschnationalen Anträgs seien reine Agitationsanträge. Steuerstundungen und Steuer- erlasse müßten gewährt werden, wenn die Existenz in Frage Ste t Cl Au die Republik müsse L gegen {were

ädigungen durch Katastrophen schaffen. ären genügend Arbeitskräfte vorhanden gewesen, so wären die Schäden nicht so groß gens en.

Abg. «acoby-Raffa ur (Zentr.) shildect insbesondere die

rasen Schäden in den Oen, Die Moselkanalisation müsse endlih kommen. Der Redner legt des weiteren die hohe Steuerlast der Landwirtschaft dar. Abg. Held (D. Vp.) gibt als ein Bild von der Not der Landwirtschaft. Gegen die Wassernot müsse tatkräftig und roßzügig vorgegangen werden. Fn früherer Zeit sei viel ver- säumt worden. (Sehr richtig!) Die Mate durch vorbeugende Maßnahmen auf dem Gebtet dex Flußregulierung und der Wasser- bauten der i A solcher Schäden vorzubeugen, seien bisher daran gescheitert, daß die vom andwirtshaftsmin{sterium dazu für nötig erahteten Beamten vom Finanzministerium nit bewilligt wurden. Es handle sih dabei um keine Parteifrage, sondern um das Wohl Eee gesamten Volkswirtschaft; darum müßten alle Parteien unabhängig vom Parteistandpunkt sih ver- einigen, um den ‘Finanzminister dahin zu bringen, daß er in diesem Punkt nicht mehx so unnachgiebig sich verhalte. fet rets.) Die Hauptsache sei daß die Anträge schnell ausgeführt wvürden und daß das große asserbauprojekt in E omme. Die Besserung unserer gesamten wirtschaftlihen Lage hänge im wesentlichen davon ab, daß wir die C Ds U so rentabel Len und produktionäkräftig machten, daß sie unsere Be- völkecung allein ernähren könne. Die Regierung möge die An- trage, so wie sie vom Landtag beschlossen würden, nun auch wirk- lich durhführen. (Beifall rechts.)

Abg. Meineke (Dem.) empfiehlt die einstimmig gefaßten Beschlüsse des Hauptausschusses zur Annahme. Es sei der Land- virtschaft wesentliche Hilfe bereits geleistet worden. Leider fehle es nur zu oft an der wünschenswerten Anerkennung dessen, was die Staatsregierung getan Labe, Es sei auch eine ZLNEUS dahin erlassen worden, daß besonders auch den Kleinpächtern un fleinen Landwirten geholsen werde. Unerhört 8 der Fall, daß ein Großagrarier, der über 18 000 Morgen Land verfüge, nicht

die Behauptung