1905 / 112 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 12 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

nungen zu unterdrücken und Schuldige zu bestrafen. Ich habe auch das hier bereits au8geführt, als es fich darum handelte, die Not- wendigkeit einer Verstärkung der Schußtruppe um zwei Kompagnien zu begründen. Es liegt auf der Hand, daß nichts die militärishe Auf- gabe der Verwaltung besser unterstüßen kann als die Möglichkeit, auf einer Eisenbahn Truppen ra\sch von der Küste nah dem Innern zu hafen. Nach den Erfahrungen, die wir leider in Südwestafrika gemacht haben, dürfte es überflüssig ersheinen, dieses weiter auszuführen. Ih kann mir aber doch nicht versagen, hier zu wiederholen, was ich {on während der Verhandlungen über die ostafrikanishe Eisenbahn als Anschauung eines englischen Kolonialpolitikers im englischen Parlament angeführt habe : kein Land das hat niemand anders als Herr Chamber- lain vor einigen Jahren gesagt ist rei genug, um so viel Truppen in ana Kolonien zu halten, daß es damit die Möôg- lichkeit jedes Aufstandes aus\chlösse; die beste Garantie

für die Aufrehterhaltung von Nuhe und Ordnung werde immer eine

Eisenbahn bleiben, die es ermöglicht, eine kleinere Truppenzahl bald hierhin, bald dorthin zu werfen; die Kosten einer Eisenbahn werden immer binter den Kosten der Niederwerfung eines größeren Auf- standes zurückbleiben ; im Wettkampf zwischen Maschinengewehr und Lokomotive käme der leßteren unbedingt der Preis zu, und dabei sei der eminenten wirtschaftlihen Bedeutung der Bahnen noch nicht einmal Rechnung? getragen. Die Not- wendigkeit einer Eisenbahn ist in Kamerun um deswillen dringender als anderswo, als hier zwishen der Küste und dem reichen Hinterlande ein breiter Urwaldgürtel liegt. Jn diesem Urwaldgürtel ist nicht nur die Anlegung von Wegen außerordentlich {wer und kostspielig, sondern auch die Gesundheitsgefährlichkeit für den Reisenden maht es in dieser Gegend für jeden Europäæ außerordentlich wünfshen8wert, ihre Durchquerung in kürzester Zeit vornehmen zu können. Hier ist die Eisenbahn das einzige Mittel; eine Eisenbahn, die, wie die projektierte Bahn, den Reisenden in wenig Stunden von der Küste auf das gesunde Hoch- land des Innern bringt, wird vielen an der Küste wohnenden Weißen eine Lebensrettung werden. Sie wird gestatten, an die Frage der Besiedlung der gesunden Hochländer des Innern heranzutreten. Was aber die Aussihten anlargt, meine Herren, die sich einer Eisenbahn in Kamerun in Ansehung ihrer Rentabilität eröffnen, so kommt in Betracht, daß es si dabei nit sowohl um eine Abschließungsbahn handelt, die sich einen rentablen Verkehr erst {hafen soll, sondern daß in dem Hinterlande von Kamerun, ähnlich wie in Togo, die Landesprodukte, insbesondere die Produkte der Oel- palme, nur auf die Eisenbahn warten, um auf ihr in großen Mengen nach der Küste transportiert zu werden. Nach Ansicht der besten Kenner des Landes ist es nur cine Frage kurzer Zeit, wann die Bahn ihr Anlagekapital verzinsen und obendrein einen Gewinn ab- werfen wird. Das hat auch in der Ihnen jeßt gemahten Vorlage seinen Ausdruck gefunden. Die erste Annahme, es werde \sich eine Finanzierung der Bahn ohne Beihilfe seitens des Reichs erreichen lassen, hat sch zwar niht als durhführbar erwiesen. Der Grund dafür liegt in der immerhin nicht wegzuleugnenden Unsiherheit über den Zeitpunkt des Eintritts der NRen- tabilität des Unternehmens. Unser Kapital ist vielleißt noch niht“ so unternehmungslustig und bereit zur Uebernahme eines Risikos in den Kolonien, wie es das englishe Kapital ift. Immerhin ist gegenüber der ostafrikanishen Eisenbahn ein ganz wesentlicher ANEIROS insoweit gemacht worden, als eine Zins- garantie des Reichs nur für einen Teil des Gesellshaftsfkapitals, für 11 von 17 Millionen Mark verlangt wird. Die Gesegzesvorlage, meine Herren, ift von einer ausführlihen Begründung begleitet, die ein- gehend die Frage der wirtschaftlicen Bedeutung der Bahn, der Bau- ausführung der Bahn und der Finanzierung des Unternehmens be- handelt. Die Beurteilung und das Verständnis wird erleichtert da- durch, daß sih die Vorlage in den meisten Punkten an das Gesetz, betreffend die ostafrikanishe Eisenbahn, anlehnt. Nur sind die Bedingungen regelmäßig, wenn man den Ausdruck gelten lassen will, für den Fiskus günstiger ausgefallen. Den Hauptpunkt hier habe ih bereits hervorgehoben. Die Zinsgarantie des Reichs soll ch nicht auf das Gesamtfkapital von 17 Millionen Mark, sondern nur auf 11 Millionen Mark erstrecken. Die vom Reich zu garantierende Annuität hat mithin auf rund 375 000 M festgeseßt werden können, während fie auf das gesamte Kapital berechnet 580 000 A betragen würde. Das bedeutet einen Unterschied von mehr als 200 000 Æ zu Gunsten des Fiskus. Da die Bauzinsen zu Lasten des Baufonds vor- gesehen sind, greift die Verpflihtung des Reichs zum ersten Male im Jahre 1910 Plaß und erstreckt \sich von da ab auf 86 Jahres- raten. Diese Verpflihtung sei aus, sobald und soweit der Rein- gewinn des Unternehmens, aus dem zunächst eine dreiprozentige Ver- zinsung des niht garantierten Kapitals zu decken ift, auch für die Deckung der dreiprozentigen Verzinsung und Amortisation des garantierten Kapitals ausreicht. Daß dieser Zeitpunkt, meine Herren, auch nach den Erwartungen derjenigen Geldgeber, die bereit find, 6 Millionen ungarantierten Kapitals in das Unternehmen hineinzusteden, in naher Zukunft liegt, dafür spriht die Tatsache, daß diese Geldgeber troy der ihnen als Aequivalent für das größere Risiko eingeräumten Vorzugs- bebandlung bei der Gewinnverteilung erft dann einen Pfennig mehr als 3 9% Dividende erbalten können, wenn der Reingewinn der Bahn ausreicht, um den vollen vom Reiche garantierten Jahres- betrag zu decken und mithin das Reich von jeder Garantiezablung zu befreien. Indem also das Reich die Verpflichtung übernimmt, an- fangend vom Jahre 1910 auf eine Reibe von Jahren Jahreêraten in Höhe von 375 009 zu leisten, ermöglicht es den alsbaldigen Bau einer Eisenbahn im Schugzgebiet Kamerun von 160 km Länze, die es aus wirtshaftlihen, militärishen und sanitären Gründen auf das dringendste bedarf. Ih möchte in dieser Beziehung bier nur noch zwet Punkte hervorheben. In wirtschaftliher Beziehung: daß, wenn auch die Rentabilität der Bahn selbst noch auf eine längere Reihe von Jahren ausbleiben follte, die Bahn do jedenfalls eine solhe Hebung des Handels und eine folhe Steigerung der Zölle im Gefolge haben wird, daß das Reich darin seine Deckung für die übernommene Verpflichtung finden würde. Und in militärischer Beziehung : daß die Kosten einer einzigen Kompagnie der Schußtruppe un efäbr dem Betrage der übernommenen Verpflichtung für den Slsendabnbau gleihkommen, während der militärishe Nugen der Bahn den einer Kompagnie bei weitem übersteigen würde. Im Namen der verbündeten Regierungen bitte ih Sie, meine Herren, an die Prüfung der Vorlage mit Wohlwollen und ohne Vorurteil heranzutreten und ihr Ihre Zustimmuna nicht zu versagen.

Abg. Erzberger (Zentc): Mit der eben gehörten Begründung könnte jede Eisenbahnlinie in jeder Kolonie empfohlen werden. Alles Spaezifische fehlte; wir werden also in der Kommission, die ih schon jeßt beantrage, näheres in Erfahrung zu bringen suhen. Ich hoffe, daß der Reichstag noh in der laufenden Session zu einer Entscheidung elangt und eventuell niht wieder ein ganzes Jahr verloren geht.

amerun gehört zu den besten Kolonien des Deutshen Reichs und zu jenen, für die das Reih bisher verhältnismäßig sehr wenig geleistet bat. Von einer deutschen Herrschaft in dieser Kolonie kann man noch niht eigentlich spreten. Wenn eine Eisenbahn in dieser Beziehung einem Fortschritt Vorschub leistet, möchte das vielleicht einer der Gründe sein, die uns der Vorlage geneigter machen. Nachdem wir einmal Kolonialbesiß haben, ift es unsere Pflicht, diefe Kolonien durch die Schaffurg aller Arten von Wegen, also auch von Schienenwegen, wirtshaftlih zu ershließen. Der Ge- samthandel Kameruns stellt es an die erste Stelle unserer Kolonien. Diese Tatsache ist um so wichtiger, als bisher von Kamerun nur der Küstengürctel völlig ershlossen ist. Gerade das Hinterland von Kamerun ist aber nach dem Urteil von Sachkenrern ziemlich günstig und ersheint zur Plantagenwirtschaft geeignet. 1896 gab es nur 500, 1902 {on 10000 Neger, die dort als Arbeiter tätiga waren. Der Anbau von Kautschuk, Baumwolle, Palm- kernen usw. hat günstige Resultate ergeben. Die Bahn mat den ersten Schritt nah dem Innern von Zentralafrika, nah dem Tschadsee. Gerade deshalb ift aber Vorsicht bei der Beurteilung des ersten Schrit1s und vor dem Eingehen auf diesen geboten. Zeigt sich

dieses erste Stück als zinsbar, so wird man nicht gehindert sein an dem weiteren Ausbau; ist es nicht der Fall, so wird es niemand ein- fallen, die Bahn 800 oder 1000 km weiter zu führen. Außer Betracht darf auch nit bleiben, daß die hier vorhandenen Neger- stämme an Intelligenz den Hottentotten weit überlegen sind. Auch spricht für den Bau dieser Bahn der Umstand, daß man das ungesunde Küstenklima rascher mit frishem Fleisch aus dem Innern versorgen kann. Die Frage wird also nur sein, wer die Bahn bauen soll. Das Reich will sie niht bauen, noch betreiben; dazu ist auch nah unserer Meinung die Zeit noch nit gekommen. Sympathischer ist der Weg, daß eine Gesellschaft kapitalkräftiger Leute die Bahn baut und be- treibt. Nun war in der ersten Konzession von einer Zinsgarantie nicht die Rede; diese erste e U vershwindet jeßt sang- und kflanglos; wir erfahren nur, daß fi der ganze Geldbedarf nit hat auftreiben lassen und daß nur 6 Millionen ohne Zinsgarantie bleiben follen. In der Kommission wird au hierüber nähere Aufklärung zu fordern sein. Die nachher gebildete zweite Gesellshaft hat doch er- heblihe Bergwerk8gerehtsame. Einen großen Fortschritt kann ih jedenfalls in der zweiten Konzession niht sehen. Es muß auch Vorsorge getroffen werden, daß den Eingeborenen die Ueber- weisung von Land seitens der Gesellschaften sicher gestellt wird. Ds gelingt es der Budgetkommission, die Frage befriedigend zu lôsen.

bg. Ledebour (Soz.): Der Hauptfehker der Vorlage ist, daß das Reich zu einer Zinsgarantie N wird, nachdem vorber eine Gesellshaft die Bahn ohne solhe hatte bauen wollen. Der Grund dafür {eint mir darin zu liegen, daß die Kapitalisten gesehen haben, wie das Reich auch in Osft- und in Südwest- afrifa bereit war, eine Zinsgarantie zu übernehmen, daß sie also besser tun, zu warten, bis das Reich selbst mit einem solchen Anerbieten kommt. Das erste Syndikat is nicht zustande ge- fommen, nah der Begründung, weil das deutshe Kapital selbst bei Aussicht auf Nentabilität nicht geneigt war, das Risiko zu übernehmen. Ja, wenn das Reich weiter so bereitwillig mit Garantieen einspringt, wird si{ch daran nichts ändern. Das Reich übernimmt nah der Vorlage fast das ganze Nisiko; es handelt si also um eine völlig sichere Kapitalsanlage mit dem landläufigen Zins. Auch das Risiko der Geldgeter der ersten Serie ist nur sehr gering; ihre Verzinsung muß bis zu 30% gedeckt werden, ehe irgend etwas von den Ercträgen zu anderen Zweden hergegeben wird. Darüber hinaus erhalten die Kapitalisten noch weitere Zugeständnisse, so bedeutende Bergwerk8gerehtsame und 32 000 ha Land in Blocks die Bahn entlang, und am Ende der Bahn einen Komplex von 10000, îm ganzen also 42000 ha. Bei der Zusicherung von Land entsteht . sofort das große Bedenken, wie sih diese Zusicherung mit dem Besiße der dortigen Eingeborenen verträgt. Die Begründung sagt, es solle nur folches Land vergeben werden, das niht im Besiße von Eingeborenen ift; tatsählich aber ist dort in dem sogen. Grasland eine dihte Bevölkerung vorhanden, das Gebiet ist also {on ein besicdeltes Kulturland. Die Land- zusicherung an das Syndikat bedeutet also tatsählich wieder eine ge- waltsame Wegnahme des Landes, wogegen wir die Eingeborenen {ügen müssen. Wir stehen dem ganzen Entwurf ablehnend gegen- über. Wenn die wirtschaftlihen Verhältnisse derart sind, daß ein Bahnbau in absehbarer Zeit lohnt, so werden ih die Kapitalisten dazu {on finden. Das deutshe Volk darf unbedingt mit diesen Kosten nicht belastet werden. Gegen eine Kommissionsberatung haben wir nihts einzuwenden. i:

Abg. Kop \ch (fr. Volksp.): Dieselben Bedenken, die wir {on bei anderen Kolonialeisenbahnbauten gegen NReichsgarantieen hatten, treten noch wesentlich vershärft bei uns gegen die Kamerunbahn- Gargntie auf. Die Vorlage kommt in einer Zeit, wo die Matrikular- beiträge stark haben erhöht werden müssen, wo kein Tag ohne neue Steuerpläne vergeht, wo die Neichs\hulden ungeheuer gewachsen sind und zahlreihe wichtige Neuaufwendungen uns angesonnen werden. Südwestafrika \{heint uns wirklich niht 200, fondern 500 Millionen Mark fosten zu sollen ; erheblihe Verstärkungen sollen demnächst dahin abgehen. Um so sorgfältiger müssen wir alle anderen An- forderungen prüfen und alles niht unbedingt Notwendige zurückweisen. Diese Forderung muß um so eingehender geprüft werden, als fie das Reich für eine Reibe von Jahren verpflichtet. Die Kolonialshwärmer haben sogar den Plan, daß zwei verschiedene Scwbienenstränge nah dem Tschadsee geführt werden sollen. Scheut man si, diesen weiter-

ehenden Plan s{hon jeßt der Oeffentlichkeit zu übergeben? Herr Frzberger sagte allerdings, daß, wenn das erste Stük sich nicht rentiert, mit der Weiterführung nicht vorgegangen werden soll. Ih fürchte, daß man umgekehrt deduziert und sagen wird, wer A gesagt habe, müsse auh B sagen. Mit der Uebernahme der Garantie übernimmt das Reich ein finanzielles Risiko, dessen Ende gar nicht abzusehen ist. Das deutshe Volk täte besser daran, seine Spargroshen anders anzulegen als in den Anteilscheinen, die ziemlich auf das reine Glücks\piel hinauslaufen. Ob eine erheb- lihe Steigerung der Auéfuhr an Palmöl und Palmkernen durch die Bahn zu erwarten ist, steht dahin. Um das zu beurteilen, müßte uns eine Gegenüberstellung der Tranétportkosten durh die Träger und dur die Eisenbahn gegeben werden. Auch an eine Steigerung der Ausfuhr von Nuthölzern durch die Bahn ift bei der Nähe des billigen Wasserweges nicht zu denken. Zukunftsmusik sind auch die Bemerkungen der Begründung über die Baumwollzuht usw. und die Rentabilität der Bahn. Die Großkapitalisten würden mit ihrem Gelde nicht zurückhalten, wenn sie von der Bahn einen Nußen er- warteten. Wo bleiben die großen. Bahngesellsdaften? Auch fonst fehlt es nit an sehr leistungsfähigen Leuten, die sih für die Sache interessieren und sih doch zurückgehalten haben. Gegen eine Prüfung der Vorlage in der Kommission haben wir nichts einzuwenden. Schon jeßt aber möchten wir den deutshen Sparern zurufen: Haltet die Taschen zu! i i

Abg. Freiherr- von Richthofen - Damsdorf (konf.): Wir stehen der Vorlage im allgemeinen wohlwollend gegenüber. Der Kolonial- direktor hat mich vollkommen überzeugt, daß eine Eisenbahn in der Nichtung auf den Tschadsee notwendig ist, und auch nah dem vor- gelegten Material habe ih die vollste Ueberzeugung gewonnen, daß bei dem Mangel eines größeren \{hiffbaren Flusses eine Verkehrsstrafße geschaffen werden muß. Wir können das Land nur erschließen, wenn wir mit modernen Verkehrsmitteln dorthin kommen, und hier ist dies um so notwendiger, als wir alles tun müssen, um in der Deckung unseres Bedarfes an Baumwolle von Amerika und Indien unabhängig zu werden. Auch die Kakaokultur ist in Kamerun in günstigster Entwick- lung begriffen. Was die Garantie des Reiches betrifft, so werden den Auf- wendungen Zollerhöhungen gegenüber stehen, die einen Ausgleih schaffen. Ich verkenne niht, daß das Neih durch die Landkonzessionen und Berggerechtsame bedeutende nußbare Wertobjekte vergibt, und halte aus diesem Grunde eine Kommissionsberatung für notwendig. Die Vor- lage selbst sheint uns aber aus den angeführten Gründen durhaus zweckmäßig zu sein.

Abg. Dr. Paasche (nl): Wir sind der Meinung, daß man aus wirtschaftlihen wie politishen und hygienishen Gründen dieser Bahn zustimmen soll. Die Kolonie Kamerun ist für unsere beste Kolonie wiederholt erklärt worden, und wir sollen siz mit allen wirtschaftlichen Mitteln weiter fördern. Es handelt sich bei der Garantie um eine Moaximalverpflihtung von 375 000 46 vom Jahre 1910 ab, Dann aber werden die Finanzen des Reichs nicht mehr so traurig sein. Selbst in finanziell \{chweren Zeiten darf man, wie die Gegner der Vorlage zugestehen werden, wirklih notwendige Agen nit unter- lassen, und diese Ausgabe is notwendig. Man joll doch auf die Urteile der Sachverständigen auch etwas geben, die sih einstimmig dahin auésprehen, daß überaus reihe Distrikte und weite Landstrecken ershlofsen werden und daß wir instand geseßt werden können, unsern Baumwollbedarf aus eigenen Plantagen zu decken. Die finanzielle Grundlage des Vertrages mag nicht so günstig sein, wie sie sein könnte, aber prafktisch wird die Verpflichtung für das Neich gering- fügig sein. Meine Freunde sind nicht aus NAENILOArmera, fondern aus der Erkenntnis, daß es notwendig ist, zur Entwicklung von Kamerun Mittel zur Verfügung zu stellen, bereit, dies Projekt wohlwollend zu prüfen. Ob das Abkommen so, wie es getroffen ist, finanziell

richtig ift, darüber werden wir uns in der Kommission zu unterhalten haben. Ich glaube aber niht, daß es mögli sein wird, wesentliche Abänderungen zu treffen. Die Länderkonzession würde ih eher als einen Vorzug der Vorlage betrachten, weil dadurch Kapital in die Kolonie bineingezogen wird. Für alle Kulturen dort muß Kapital vorhanden sein, und ich will hoffen, daß die neu anzusiedelnden Plantagergesellschaften aus den Erfahrungen Nußen ziehen, die man in den leßten Jahren gesammelt hat, denn es wird niemand leugnen können, daß die Plantagengesellshaften nicht immer gerade prafktisch gewirts{aftet haben. Wir hoffen, daß das Projekt zustande kommt und das Seinige zur Entwicklung unserer Kolonie beiträgt.

Abg. Schrader (fr. Vgg.): Selbst diejenigen, die noch heute Kolonialgegner sind, haben das Gefühl, daß man auf dem Wege der Erschließung der Kolonieen durch Eisenbahnen vorwärts \chreiten muß. Die Erfahrung lehrt, daß die Eisenbahnen in den Kolonieen erheblih dazu beigetragen haben, die Kolonieen zu entwickeln, sie weg- sam zu machen. Man sollte daher jede Gelegenheit mit Freuden er- greifen, unseren Kolonieen Eisenbahnen zu verschaffen. Herr Kopsch hat si selbst widerlegt: hätten wir in Südwestafrika früher ein größeres Cisenbahnney gehabt, so wäre dort niht von einem größeren Aufstande zu reden gewesen. Wenn die Kapitalisten sich bisher mit ihrem Gelde zurückgehalten haben, so sind zum großen Teile die Neden hier im Hause daran {uld. Man darf dohch nit vergessen: der Kapitalist ist nicht der einzelne, sondern das gee Publikum, und wenn dies abgeshreckt wird, so kann auch der Kapitalist nihts tun. Man muß allmählih in das Publikum die Ueberzeugung bringen, daß eine solhe Anlage niht unlohnend ist. Ich zweifle niht, daß die Vorlage mit dieser oder jener Modifikation angenommen werden wird. Mit der Ueberweisung der Vorlage an die Budgetkommission bin ih einverstanden. s __ Abg. Dr. Arendt (Np.): Die bisherige Diskussion hat das er- freulihe Ergebnis gehabt, daß wir auf eine Annahme der Vorlage rechnen dürfen. Ich kann mich der Erwartung des Abg. Erzberger nur anschließen, daß die Kommission so {nell arbeiten möge, daß wir noch vor Pfingsten die Vorlage erledigen können. Auch hier gilt das Wort: bis dat, qui cito dat. Die Gründe für die Notwendig- keit des Baues sind {on eingehend dargelegt worden. Was haben Kolonieen für einen Zweck, wenn sie niht nußbar gemaht werden dur eine Eisenbahn ? Die Vorlage verdient auh aus finanziellen Gründen angenommen zu werden. Wir leisten ja keine Ausgabe, sondern nur eine Garantie. Wenn die Kapitalisten so gut bei dieser Vorlage fahren werden, wie der Abg. Ledebour meinte, so hat doch das Neich kein Risiko. Es hat mich einigermaßen gewundert, daß der Abg. Kopsch sich auf den bes{hränkten Standpunkt gestellt hat, daß er dem Volke zurief : Haltet die Taschen zu! Es ist nichts verkehrter, als wenn man in den Kolonieen, die wir nun einmal haben, die Dinge laufen [läßt und nickts dazu beiträgt, sie weiter zu entwickeln. Es ist darauf zu rechnen, daß in nicht zu ferner Zeit die eigenen Einnahmen aus- reichen, um die Zinsen zu-decken. Ueber die Fortführung der Bahn brauchen wir uns heute nicht den Kopf zu zerbrewen. Es wird abzuwarten sein, wie die Bahn sih entwickeln wird. Ueber die Einzelheiten der Finanz-

ebarung werden wir uns in der Kommission verständigen können. Ich \prehe meine Befriedigung darüber aus, daß wir diefe Vorlage erhalten haben. Wir haben jeßt die Lehrjahre hinter uns und können boffen, daß wir jeßt mit Hülfe der Eisenbahn in der kolonialen Ent- wicklung weitere Fortschriite machen werden. Die Vorlage kommt eher zu \pât als zu früh, und ih kann die Kommission nur bitten, ihre Arbeiten möglichst ju beschleunigen.

Abg. Lattmann (wirtsch. Vgg.): Wir begrüßen den Bau einer Eisenbahn von der Küste nah dem Innern von Kamerun auf das lebhafteste. Vor einer übereilten Annahme der Vorlage möchte ih aber warnen. Es liegt im Interesse der Kolonie, einer übereilten Erledigung der Sache entgegenzutreten. Am besten wäre es, wenn man in den Kolonieen Staatsbahnen baute. Auffallend ift es, daß das erste Syndikat 1902 sich bereit erklärt hat, die Bahn ohne Reich8garantie zu bauen. Die Vorkonzession bezog sich auch gar niht auf die hier vorgeshlagenen Tracen. An der jeßigen Bahn sind hauptsählich die Herren der No1rdwestkamerun- Gesellschaft beteiligt, die {on Land in der Größe des König- reihs Württemberg geschenkt erhalten hat. Man sollte sich hüten, die Zukunft der Kolonieen in die Hände jener Gesellshaften zu geben. Nach § 6 des Vertrages hat der Reichskanzler das Necht, auf Kosten der Gesellscaft den Bau oder Weiterbau der Bahn und die Ein- rihtung oder Fortführung des Betriebes einem Dritten zu übertragen oder selbst zu übernehmen, wenn ein Vershulden der Gesellschaft bei der Erfüllung ihrer Verpflichtung zur Last fällt, das zur Folge hat, daß die Eifenbahnstr-ck: nicht rehtzeitig gebaut oder betrieben werden kann. Was soll aber dann aus den Landblocks werden ? Angeblih handelt es sich um herrenloses Kronland, tatsählich sigt hier aber eine ziemlih dihte Bevölkerung. Auch die der Gefellshaft zu über- tragenden Berzgerehtsamen müssen in der Kommission gründlich er- örtert werden, und das [äßt H0 niht in ein paar Tagen er- ledigen. Man wird auh die Landeskundigen, auch die Vertreter der Missionen zur Meinungsäußerung heranziehen müssen. Auch die beabsichtigte besondere Anspornung des Kapitalisteninteresses scheint uns bedenklich.

Damit schließt die erste Beratung; die Vorlage geht an die Budgetkommission.

Es folgen Wahlprüfungen.

Die Wahl des nationalliberalen Abg. Lehmann (3. Sachsen- Weimar-Eisenach) is angefohten worden; der Protest konnte das Wahlergebnis nicht ershüttern. Ein Flugblatt, das zur Wahl des Lehmann aufforderte und u. a. die Unterschrift von 49 Bürgermeistern mit Beifügung ihres Amtstitels trug, ist der Wahlprüfungskommission erst bei der Wahlprüfung selbst durch den Referenten Abg. Fis cher-Berlin (Soz,) zur Kenntnis gebraht worden. Die Kommissionsmehrheit hat dieses Flugblatt, als verspätet eingereiht, niht zur Kognition ge- nommen und empfiehlt, die Wahl für gültig zu erklären.

Abg. Fischer - Berlin (Soz.) beantragt, unter Bezugnahme auf die analogen Beschlüsse des Hauses bei der Kassierung der Wahlen von Altenburg und Frankfurt a. O. die Ungültigkeitserklärung.

Abg. Wellstein (Zentr.), Vorsißender der Wahlprüfungs- fommission, verteidigt «die Stellungnahme der Kommission, die nur ihrer alten, bewährten Praxis getreu geblieben sei, S Material niht zur Kenntnis zu nehmen. Täte man dies, so müßte man ja }. f auch nachträglich noch die Wahl von Vollmars für München II assieren.

Abg. von Gerlach (fr. Vgg.) hält es dagegen für ein Verfahren, das zu ganz ungeheuerlihen Konsequenzen führen müßte, wenn man sich auf einen so formalistischen Standpunkt \telle. Gegen die Wahl von Bollmars sei überhaupt kein Protest erhoben gewesen; hier aber liege ein Protest vor, und es sei doch ein Widerspruch in ih selbît, Material für die Anfehtung nur dethalb unberücksihtigt zu lassen, weil es zu spät zur Kenntnis gebracht werde. Die Bürgermeister im Weimarischen hätten polizeilihe Befugnifse, seien also politishe Beamte, wie ja auch \chon aus den massenhaft von ihnen erlassenen Versammlungsverboten hervorgehe. Aus einem \o formalistishen Grunde dürfe man niht Forderungen des gesunden Menschenverstandes abweisen. i

Abg. Dr. Lucas (nl.): Es handelt sich hier doch um eine Mit- teilung, die erst lange nach der zehntägigen Einspruchsfrist ein- fam, an die nicht nur die Kommission, sondern auh der Reichs- tag gebunden ist. Nachträge und Gegenproteste werden nur zu elaen soweit sie sich auf bêreits erhobene Protestbehauptungen beziehen. Selbst diese Bestimmung ist erst später getroffen worden; in den 1870 er Jahren verfuhr der Reichstag viel strenger und nahm au davon keine Notiz. Auch der Abg. Singer hat 1902 ih ausdrücklih zu den-

selben Grundsäßen bekannt. Abg. Fischer s- Berlin (Vot): Der Standpunkt des Vor- 1 ift gültig, wenn fein Feli

redners ist der: eine Wa eingereiht ist, auG wenn fie unter den größten Ungeseßlich-

feiten durch Fälshung zustande gekommen is, Die Gegen- proteste zuzulassen, hätte gerade die nationalliberale Partei das größte Interesse, denn die ersten Gegenproteste kamen aus den Kohlenrevieren, wo die Herren die politishe Herrschaft haben und die Wahl- beeinflussungen am ungeheuerlihsten waren. Was im Falle Franks» furt a. D. recht war, nämlich eine Wahl zu kassieren, weil amtliche Mahlbeeinflussung getrieben war gegen den unterlegenen Kandidaten, muß auch ret sein im Falle Lehmann. Die Wahl von Vollmars können Sie nicht für ungültig erklären, denn Sie haben ja selbst bes{chlossen, daß E dem Reglement niht entsprehenden Stimmzettel gültig sein sollen.

Abg. Liebermann von Sonnenberg (wirtsch. Vgg.): Menn bis zum 18. Dezember 1903 die Beweisstüke für die Nichtig- feit einer im Juni 1903 erfolgten Wahl nicht beigebraht waren, foll

ch der Reichstäg ruhig an feine alte Praxis halten ; die Gegner hatten siherlich ausreihende Zeit, das Material rechtzeitig zu be- schaffen. i

Die Wahl wird gegen die Stimmen der Sozialdemokraten

und der Abgg. Schrader und von Gerlach für gültig erklärt.

Auch die Wahl des a) von Dirksen (9. Frankfurt,

Rp.) beantragt die Kommission für gültig zu erklären.

Abg. Geyer (Soz.) befürwortet seinen Antrag, den Beschluß über die Gültigkeit der Wahl auszusezen und den Reichskanzler zu ersuhen, über eine Reihe von Protestbehauptungen, insbesondere darüber, daß der Landrat von Wackerbarth das Vorstandsmitglied des liberalen Vereins, den Lehrer Karstedt, aufgefordert habe, die Liberalen dur ein Plakat aufzufordern, für Herrn von Dirksen ihre Stimmen abzugeben, und daß Herr Karstedt diese Aufforderung befolgt habe, Beweis erheben zu lassen und die Ergebnisse der Beweiserhebung dem Reichstage mitzuteilen.

Abg. Stadthagen (Soz.) unterstüßt diesen Antrag, da es sich hier um eine krasse Wahlbeeinflussung handele.

Abg. Dr. Müller - Sagan (fr. Volksp.) weist darauf hin, daß, wenn der Wahlprotest sich als wahr erwiese, eine stärkere Wakhlbeein- flussung gar niht gedaht werden könne," die unbedingt zur Kassierung der Wahl führen müßte.

Abg. von Oeryen (Rp.) tritt dieser Auffassung entgegen. Der Landrat habe sich lediglich als Privatmann an den Lehrer ge- wandt. Eine Beeinflussung des Landrats auf den Lehrer nah außen hin sei niht nachgewtesen. :

Nach weiteren Bemerkungen der Abgg.G eyer, Dr. Müller- Sagan, Sch warze-Lippstadt (Zentr.) und Wellstein wird der Antrag Geyer gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und Freisinnigen abgelehnt und die Wahl des Abg. von Dirksen für gültig erklärt.

Bezüglih der Wahl des Abg. Schlüter (6. i Rp.) werden Beweiserhebungen beschlossen. Dasselbe chlägt die Kommission vor bezüglih der Wahl des Abg. Pauli - barnim (5. Potsdam, Rp.).

Abg. Geyer (Soz.) beantragt, die Wahl für ungültig zu ln weil t En Flugblatt, das dem amtlihen Oberbarnimer Kreisblatt beigelegen und die Unterschriften von Bürgermeistern und anderen Beamten getragen habe, zur Wahl für Herrn Pauli auf- gefordert wurde. Die Kommission habe in diesem Falle ihren früheren Standpunkt aufgegeben.

Abg. Wellstein (Zentr.) bestreitet diese Behauptung. Es handle ih hier niht um eine prinzipielle Aenderung des Standpunktes der Wablprüfungskommission, sondern um eine andere Beweiswürdigung des vorliegenden Materials. |

Abg. Fischer - Berlin (Soz.) wendet sh in heftiger Weise

eaen die Haltung der Kommission. Es handle sich hier um einen Mißbrauch der Majorität. (Präsident Graf von Ballestrem rügt diesen Ausdru.) —_

Abg. Merten (fr. Volksp.) spricht si ebenfalls für die Ungültig- feit der Wahl aus und erwartet von dem Gerechtigkeitsfinn der Mehrheit, daß sie sih seinem Votum anschließen werde.

Nach einer kurzen Bemerkung des Abg. Schwarze- Lippstadt wird über den Antrag Geyer auf Antrag des Abg. Bebel (Soz.) namentlich abgestimmt.

Es werden im ganzen 201 Stimmzettel abgegeben, und war 128 für, 67 gegen den Antrag Geyer, 6 Mitglieder ents Falten sich der Abstimmung. Die Wahl des Abg. Pauli-

Ober-

Oberbarnim ist sonah für ungültig erklärt. Die Wahlen der Abgg. Dr. Brunstermann (Schaum-

burg-Lippe, b. k. F.) und von Oergzen (9. Potsdam, Rp.) werden für gültig erklärt.

Ueber die Gültigkeit der Wahl des Abg. Barbeckck (fr. Volksp., 2. Mittelfranken) war in der 178. Sigzung namentli abgestimmt worden, wobei pen die Beschlußunfähigkeit des Hauses ergeben hatte. Jn der heute wiederholten nament- lichen Abstimmung werden 195 Stimmen abgegeben, von denen 98 für, 95 gegen die Gültigkeit sind und 2 Mitglieder ih der Stimme enthalten. Das Haus ist also niht mehr be- \hlußfähig, und die Verhandlung muß abgebrochen werden.

Schluß 61/2 Uhr. Nächste Sizung Freitag 2 Uhr. (Rechnungssachen und Petitionen.)

Preußischer Landtag. Haus der Abgeordneten. 179. Sißung vom 11. Mai 1905, Vormittags 11 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Auf der Tagesordnung steht zunächst die zweite Beratung des Geseßentwurfs, betreffend die Erweiterung und Vervollständigung des Staatseisenbahnneßes und die Beteiligung des Staats an dem Bau von Kleinbahnen, über deren Beginn {hon in der gestrigen Nummer d. Bl. berichtet worden ift. :

Zur Herstellung einer Haupteisenbahn von Schmentau nach Riesenburg werden, wie hier kurz wiederholt sei, 23360000 # und für die Einrichtung der im Zuge der Bahn vorgesehenen Weichselbrüke für den Landverkehr 800 000 #. gefordert. Die Ausführung dieser Linie wird davon abhängig gemacht, daß seitens des Reichs u den Baukosten ein unverzinslicher, niht rüzahl- arer Zuschuß in Höhe von 70 Prozent zum Betrage von 16 352 M geleistet wird. Die Einrichtung der A E für den Landverkehr soll nur dann erfolgen, wenn die Be- teiligten die Verpflichtung zur A: eines angemessenen, von der Staatsregierung noch näher fe}tzuseßenden, unverzins- lichen, nicht rückzahlbaren Baukostenzushusses übernehmen.

Die Abgg. Eichstädt und Witt- Marienwerder (fr. kons.) beantragen, die etre Bedingung betreffs des Kostenanteils

teiligten zu streichen. vi Abe Mitt « Marienwerder (fr. kons.) befürwortet diesen Antrag mit dem Hinweis darauf, daß es der erste Fall sein würde, daß die Interessenten für die Erweiterung einer Eisenbahnbrücke für den Aandverkehr einen Beitrag leisten müßten, Die Brücke würde außer- dem so ungünstig gelegen sein, daß man nur auf einem großen Um-

Minister der öffentlihen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Ich glaube, die Sache liegt do etwas anders, als sie bisher hier vorgetragen ist. Der Stadt Marienwerder und den übrigen Interessenten fällt hier cine Eisenbahn über die Weichsel in den Schoß ; sie würde niemals von uns gebaut worden sein, wenn wir nit einen ganz erheblichen Beitrag des Reichs zu dieser Bahn- linie bekämen, denn der öffentlihe Verkehr erfordert diese Brücke nicht. Nun haben die Interessenten in dortiger Gegend zunächst den gewaltigen Vorteil, daß diese Bahn, die ihrer Natur nah für die dortige Gegend den Charakter einer Nebenbahn hat, unter den Haupt- bahnen aufgeführt ist, und daß die Interessenten infolgedessen durch Beiträge zu Grunderwerbskosten in keiner Weise belastet sind. (Hört, hört!) Sie stehen also in dieser Hinsicht besser als alle Gegenden, wo wir Nebenbahnen bauen, wo die Interessenten den Grunderwerb entweder ganz oder teilweise bewerkstelligen müssen. (Sehr wahr!) Das ift ein großer Vorteil, der den Interessenten dort zufällt.

Nun braucht der Staat die Brücke nur so breit zu bauen, wie es vom Reiche verlangt wird. Die Interessenten haben aber ge- wünscht, daß die Eisenbahnbrücke auch für den Landverkehr ausgebaut werden möge. Dieser Teil der Brücke würde also lediglich den Charakter einer: Landbrücke haben, wie wir fie auch über andere Ströme unabhängig von Bahnlinien bauen. Diese Landbrücken werden grundsäßlih von den Interessenten gebaut, wobei der Staat ih nur mit einem Beitrag beteiligt. Hier nun zu fordern, daß der Staat diese Landbrücke baut als Zusay zur Eisenbahnbrücke, ohne daß die Interessenten einen Beitrag leisten, das würde nach den Grundsäßen, die von diesem hohen Hause seit Jahren als rihtig anerkannt worden sind, unrichtig und ungerecht sein. Wenn nun der Herr Vorredner gesagt hat, das wäre der erste Fall, in dem die Snteressenten für die Erweiterung einer Eisenbahnbrücke auch für den Landverkehr einen Beitrag zu leisten hätten, so kann ih nur bitten, diese Nachweisung, die ih in der Hand habe, einzusehen, in der enthalten ift, daß fast in allen Fällen, eigentli überall solhe Beiträge geleistet worden find. Nun ist diese Angelegenheit von dem Herrn Oberpräsidenten auch {hon beurteilt worden. Mir ist gesagt worden, daß die Interessenten ih auch {hon bereit erklärt haben, einige Beiträge zur Verfügung zu stellen, und zwar die Stadt Marienwerder 5000 4, der Kreis Marienwerder 50 000 6 Außerdem hat der Herr Oberpräsident zu- gesagt, in eine Erwägung darüber einzutreten, ob die Provinz, wenn die Landbrücke gebaut werden sollte, sich nicht auch beteiligen würde. Ferner hat -der Kommissar des Herrn Finanzministers in der Budget- fommission ausgeführt, daß der Staat bereit wäre, wenn die Fähre, die jeßt statt einer Brücke betrieben wird, fortfiele, sh mit dem fapitalifierten Betrag der Unkosten der Fähre an der Herstellung der Landbrücke zu beteiligen; das würden rund 400 000 M sein.

Es ift also auch nit rihtig wenn ih rihtig verstanden habe —, daß hier von den Interessenten 800000 verlangt würden. (Zurufe: Nein!) Es steht ja im Wortlaut des Para- graphen, daß nur ein angemessener Beitrag, der noch festzustellen sein würde, von den Interessenten zu leisten ist. Nun hat, wie ich bereits erwähnte, der Herr Finanzminister eventuell {on 400 000 M zur Verfügung gestellt, 50 000 sind vom Kreise Marienwerder zugesagt, wie mir mitgeteilt worden ist, und 5000 von der Stadt Marienwerder, der Herr Oberpräsitent hat auch die Prüfung zugesagt, ob auch die Provinz sich beteiligen könne. Bei dieser Sachlage würde ein Beschluß dieses hohen Hauses, daß von Beträgen der Interessenten abzusehen sei, den ganzen Grundsäßen, die in solchen Fällen beobachtet worden sind, widersprechen. Ich kann nur bitten, daß der Saß im Geseyß stehen bleibt, und daß Sie es der Staatsregierung überlassen, die Interessenten in angemessener Weise, ohne daß sie erdrückt werden, zu Beiträgen heranzuziehen. Den Interessenten fällt durch diesen Schienenweg über die Weichsel, wofür sie keinerlei Beitrag zu zahlen haben, eine wohl kaum erwartete Bahnlinie mit allen ihren Vorteilen in den Schoß.

i; i edliß und Neukir r. kons.) bittet dem ire V ichstädt T An sich E richtig, daß sich in einer Neihe von Pei die Interessenten mit ihren Beiträgen beteiligt haben. Andererseits handele es sh hier um eine Ausnahme- forderung. Dazu komme, daß Stadt und Kreis Marienwerder fo

tark mit S teuerlasten überbürdet seten, daß man eher an eine Ent- a als an eine neue Belastung denken Put

Abga. von Arnim (kons.) erklärt sich namens seiner Freunde gegen Len Antrag, der den bisherigen Gepflogenheiten des Hauses widersprehe und den ganzen Brückenbau gefährden könne.

Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Ic kann nur den Ausführungen des Herrn Abg. von Arnim zustimmen, daß die Landbrücke tatsählich in Gefahr steht, wenn Sie diesen Teil des Geseßes ablehnen. Es liegt die Sache doch etwas anders wie bei den übrigen Weichselbrücken. Bei diesen sind, soweit ich mich erinnere ih habe die Akten nicht zur Stelle die Brücken in jedem Falle so breit gebaut worden, wie die Neichs- militärverwaltung es nah dem Reichsinteresse für notwendig hielt. Danach ist der Beitrag des Reiches au für die ganzen Brücken, wie sie jeßt gebaut sind, bestimmt worden. Hier handelt es sich aber um folgendes. Das Reih hat dem Staate Preußen mitgeteilt : wir brauchen bei Marienwerder eine Brücke von bestimmter Breite. Da ist der Herr Oberpräsident der Provinz im Interesse der Provinz und der Interessenten gekommen und hat gesagt: wir wünschen, daß die Brücke breiter gemacht wird, damit sie auch dem Landverkehr dienen kann. Darauf haben ‘wir uns an die Reichsmilitär- verwaltung gewandt und haben gesagt: machst du dieses mit, bist du bereit, die Brücke“ etwas breiter zu bauen und dann natürlich deinen Zushuß für diese breitere Brückenkonstruktion zu bemessen ? Da hat das Reich uns geantwortet : Dem militärischen Interesse ist mit der ursprünglich angemeldeten Breite genügt. Das, was der Herr Oberpräsident im Interesse des Landes verlangt, ift also ein Mehr, an dem ih das Reich nicht beteiligt. Hier liegt also der Fall ganz anders wie bei den übrigen Brücken, die so breit hergestellt worden sind, wie das Reich es von vornherein gefordert hatte und wofür also das Reih auch einen entsprehenden Beitrag gezahlt hat.

JIch kann nur wiederholen : bitte, lehnen Sie den Zusay nicht ab; die Staatsregierung wird mit allem Wohlwollen prüfen, welcher Bet- trag von den Interessenten gezahlt werden kann, wobei selbstverständ- li au die Leistungsfähigkeit der VInterefsenten mit in Rücksicht ge- zogen werden soll.

Die Forderung der Vorlage mit der erwähnten Bestim-

Zur Herstellung einer zweigleisigen Verbindung zwischen den-Eisenbahnlinien Cöln—Bonn und Cöln (Kalk) Troisdorf mit Ueberbrückung des Rheins werden 16 450 000 M gefordert. Abg. Graf Prashma (Zentr.) bemerkt, daß wohl jeder, der nach Côln gefahren sei, bedauert babe, wie das \{chône Städtebild am Rhein durch die jeßige Cölner Eisenbahnbrüdte beeinträchtigt werde. Er bitte, bei dem Bau der neuen Brücke nit in denselben Fehler zu verfallen, sondern auf die landscaftlihe Schönheit Rücksicht zu nehmen. Auch bei einer späteren Reparatur der alten Brücke möge der Fehler beseitigt werden und ebenso, wie bei der neuen Brücke, möglichst Schönes gestaltet werden. i: Abg. Trimborn (Zentr.): Bisher war der Verkehr auf der rechten Rheinseite vollständig lahmgelegt. Ich danke deshalb der Regierung für die endliche Vorlegung dieses Projektes auf das ver- bindlihste. Die Wünsche des Grafen Prashma unterstüßte ih leb- haft. Es muß die Gelegenheit wahrgenommen werden, diese häßliche Brücke, die wir jetzt in Cöln haben, zu vershônern und sie so zu ge- stalten, daß sie das {chône Städtebild niht beeinträchtigt. Wie he- rechtigt diese Wünsche sind, können Sie daraus ersehen, daß sogar ein Séhlesier, der Graf Prashma, dafür eintritt. Nirgends in ganz Deutschland hat man ein so {chônes Flußpanorama wie dort, und es wäre eine wirklihe Schande, es zu ruinieren. Die jeßige Brücke O aus wie eine langgestreckte Mausefalle. Ih möchte die Eisfen- ahnverwaltung bitten, auch die ästhetishen Nücksihten zu wahren. Ferner möchte ih bitten, auf dem Cölner Zentralbahnhof mehr Zu- gänge und Ausgänge zu schaffen. / Abg. Pleß (Zentr.) drückt seine Befriedigung aus, daß die Linie JFülih—Dalheim endlih ihre Aufnahme in diese Vorlage gefunden hat, und knüpft daran den Wunsch, daß das jeßige Projekt ergänzt werde durch eine Linie von Dalheim nah Burgwaldniel. E Abg. Schmieding (nl.): Ob die von dem Abg. Franken empfohiene Linienführung über Löttringhausen oder die in der Regierungsvorlage geforderte Verbindung die richtigere ist, mag eine offene Frage sein. Ich halte es nicht für gut, diesen Kampf über die Linienführung wieder aufzunehmen. Es würde die Gefahr bestehen, daß, wenn wir die Strecke der Regierungsvorlage ablehnen, {ließli vorläufig keine von beiden gewählt wird, und diese Verzögerung würde ih sehr beklagen. Der Redner empfiehlt {ließlich möglichste Berück- sichtigung der Wünsche der Stadt Hörde in bezug auf diese Linie. Die neuen Linien in Westfalen und der Rheinprovinz ein- \hließlih der 16 450 000 M zur Herstellung einer zweigleisigen Verbindung zwischen Cöln-Bonn und Cöln-Troisdorf mit Ueber- brückung des Rheins werden bewilligt. : Die Petition des Kaufmanns Mengelberg in Waldbreit- bah um Erbauung einer Bahn Hönningen—Waldbreitbah— Neustadt—Seifen statt Linz—Seifen wird durch die gefaßten Beschlüsse für erledigt erklärt.

Ueber die in Sachsen, Thüringen, Hannover und Hessen- Nassau geplanten Nebenbahnlinien berihtet Abg. Macco (nl.).

Abg. Dr. Dahl em (Zentr.) empfiehlt, daß die vorgeschlagene Linie Westerburg—Montabaur möglihst rasch gebaut, die Wünsche der Interessenten wegen Anlegung von Haltestellen berücksichtigt und die Linie bis zur Lahn fortgeführt werde. i |

Abg. M eyer - Diepholz (nl.) befürwortet die baldige Fort- seßung der vorgeschlagenen Linie Nienburg—Rahden über Rahden auf Bohmte—Osnabrück. : C

Abg. Dr. Wiemer (fr. Volksp.) begrüßt es, daß endlich die Linie Bleicherode— Herzberg zur wirtshaftlihen Erschließung des östlichen Eichsfeldes in Angriff genommen werden soll, und wünscht eine Ver- besserung des Bahnhofes Bleicherode. s

Die erwähnten Linien werden hierauf genehmigt, ebenso sämtliche sonst geforderten neuen Linien ohne Diskussion, ferner 15 575 000 # zur Beschaffung von Betriebsmitteln und 5 Millionen zur Förderung von Kleinbahnen.

Bu den übrigen allgemeinen Bestimmungen der Vorlage bemerkt der

Minister der öffentlichen Arbeiten von Budde:

Meine Herren! Wir stehen am Schluß der Beratung der Vor- lage. Es ift oft aus diesem hohen Hause die Klage an die Staats- regierung gerichtet worden, daß die von Ihnen bewilligten Nebenbahn- geseße zu spät ausgeführt würden, und deren Ausführung so lange Zeit in Anspru nehme.

Ih möchte nun an das hohe Haus die Bitte rihten, daß die Herren bei ihrem großen Einfluß, den sie im Lande haben, und speziell auch in den Kreisen haben, für die die Bahnen bewilligt worden sind, diesen ihren großen Einfluß geltend machen, damit die Interessenten \sih recht bald einigen über die Einzelheiten der Bau- auéführung, damit wir s{chneller zum Ziele kommen. Denn im wesentlichen ist die langsame Bauausführung dadurch begründet, daß die Interessenten selbst sich niht einigen können und die ärgsten Feinde der schnellen Ausführung der Eisenbahnprojekte sind.

Diese Bitte möchte ich an alle Herren richten, damit wir schneller vorwärts kommen, Bauzinsen erspart werden, und damit die Bahnlinien, die im Interesse des Landes, des Verkehrs und aller Erwerbszweige gebaut werden, auch baldmöglichst diesen Zwecken

dienen können. i : : Der Rest der Vorlage wird darauf ohne weitere Debatte angenommen.

Es folgt die erste Beratung des Geseßentwurfs, be- treffend die Erweiterung des Stadtkreises Essen, wonach die Landgemeinde Rüttensheid in Essen einverleibt werden soll.

Abg. Schmed ding (Zentr.): Nah dem Wortlaut des Geseßz- entwurfs kann es zweifelhaft sein, ob der Stadtkreis Essen lediglich erweitert werden oder ob eine neue Gemeinte entstehen foll. Ie nachdem sind die Wirkungen verschieden für die Personen, welche innerhalb zwci Jahren den Unterstüßungs8wohnsiß in der Stadt Essen erwerben. Wird eine neue Gemeinde eingerichtet, so werden diese Personen in Essen den Unterstüßungëwohnsiß niht erwerben, und dann wird der Landarmenverband die Unterstütungskosten zu tragen haben. Es wäre erwünscht, wenn seitens der Stadt Essen die Er- flärung abgegeben würde, daß sie ihrerseits diese Unkosten über- nehmen will. :

Geheimer Oberregierungsrat Dr. Freund: Ich kann darauf erklären, daß der Oberbürgermeister von Essen namens der Stadt- gemeinde dem Provinzialverbande gegenüber erklärt hat, daß eine Aen- derung. in der Erwerbung des Unterstüßungswohnsißes nicht eintreten oll und die Stadt Essen keine Ginwendungen aus dieser Eingemein- L bezüglich ihrer bisherigen Verpflihtungen erheben wird.

Damit schließt die erste Beratung. Der Gesetzentwurf wird sofort in zweiter Beratung unverändert angenommen.

Es folgt die zweite Beratung der von der Handels- und Gewerbekommission beantragten Novelle zum Waren- haussteuergeseß vom 18. Juli 1900. i

Nach § 1 des Kommisfionsvorschlages soll die Waren- haussteuer bereits beim Umsay von 200 000 H beginnen und vom gesamten Umsaß erhoben werden, gleichviel, ob derselbe aus dem Verkauf lediglich der im Z 6 des Gesehes auf- geführten Warengruppen oder auh anderer Waren erzielt wird.

Die Gay, Cahensly und Marx (Zentr.), sowie Hammer

mung über die Brücke wird unter Ablehnung des Antrags

wege nah Marienwerder gelangen könnte.

Eichstädt unverändert angenommen.

und Strosser o beantragen, daß die Warenhausfteuer be- ginne in Orten bis zu 50000 Einwohnern bei einem Umsay von