1905 / 119 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 20 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

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es ih zur Zeit empfehlen, dem Antrage eine Folg? niht zu geben. In ter Sade selbst find übrigens sämtlihe Staatsregierungen der Ansicht, daß sih bei Befolgung des in dem Antrag niedergelegten S&lußsatzes, wonach jede Erhöhung der bisberigen indirekten Steuern und jede Einführung neuer solher Steuern ausges{lofsen sein foll, eine befriedigende Reichsfinanzreform niht durchführen lassen wird.

Deutsche Kolonien.

Aus Deutsh-Südwestafrika wird dem W: D B zufolge amtlich gemeldet: | i:

Im Norden des Schutgebiets bob der Oberleutnant Graf von S{weiniy am Eiseb östlich von Epata mebrere Hererolager auf und stieß am 11. Mai auf 200 bewaffnete Salatiel-Leute, die nach heftigem Feuergefecht gezwungen wurden, eine von ibnen besegte Wafferftelle zu räumen. Der Feind verlor !4 Tote. Oberleutnant Sraf von Schweinßz wurde leit verwundet. Der Hauptmann Wilhelmi ift am 13. Mai mit dem Detachement Nembe von Gpata zur Verfolgung vorgegangen. Der Herero Andreas, der von den Komasbergen aus angeblich das Walfischbavgebiet zu erreichen su@te, ist jezt am Nuuibebgebirge festgestellt worden. Er wird dur Etappentruppen verfolgt.

Der Betbanierbäuptling Cornelius Frederek, der am 9. Mai von der Abteilung des Hauptmanns Baumgärtel am oberen Ganachab geschlagen worten war, ist in die Gegend von Besonder- maid zurückgegangen. Teile seiner Leute find von dort nach Nordoîten, andere in der Richtung na den Kleinen Karasbergen abgezogen. Die Verfolgung wird von verschiedenen Seiten fortge|eßt. 330 Stüdck Groß- und 630 Stück Kleinvieh sind bis jezt erbeutet worden.

Samuel Isaak, ein Unterkapitän Hendrik Witbois, der ur- sprünglih bei Goamus gemeldet worden war, tit über Nuis in süd- lier Richtung abgezogen. Bei Mukorob gelang es, Nachzüzler des Feindes unter Artilleriefcuer zu nehmen. 28 Hottentotten, meist Weiber und Kinder, wurden gefangen genommen, 50 Stück Großvieh erbeutet.

Oesfterreih-Ungarun.

Im Einlaufe des Niederösterreihishen Landtags befindet sih eine Interpellation des Abg. Baechle, in der der Statthalter unter Hinweis darauf, daß in den evangelischen Pfarrämtern Wiens sogenannte Uebertrittsformulare aufliegen, die bezwecken, die Los von Rom-Bewegung zu fördern, gefragt wird, ob er den evangelischen Kirchenrat veranla}jen wolle, daß si die evangelishen Pfarrämter von der Los von Rom-Aaitation fernhalten und insbesondere die Verteilung solcher Uebertrittsformulare einstellen.

Großbritanuieu uud Jrlaud.

Amilich wird bekannt gegeben, daß Han Johnstone zum britishen Gesandten in Kopenhagen ernannt worden ijt.

Frankreich.

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ wird die Mission, die beauftragt werden soll, fh na Berlin zu begeben, um Frankreih bei der Hochzeit des Deutschen Kronprinzen zu vertreten, bestehen aus dem Gouverneur von Lyon, General de Lacroix als Chef, dem Kontreadmiral de Marolles, dem Colonel Chabaud, dem Gesandten und De- putierten Arago, dem Botschaftssekretär Guillemin und aus einer noch zu bestimmenden hohen Persönlichkeit der wissen- \chaftlihen Welt.

teilte der Minister des Auswärtigen, „W. T. B.“ zufolge, mit, daß auf E des Königs von Siam der Präsident der siamefischen

In der Devputiertenkammer erklärte in Erwiderung einer Anfrage der Unterstaatssekretär des Acußern Fusinato : die amtliche Anerkennung der rumänischen 9 ationalitiät durch die Türkei sei von Italien der Türkei N empfohlen worden, vor wie nach dem Zwischenfalle von Janina. ie _italienis e Regierung babe das Vertrauen, daß die Wünsche des rumänischen olkes erfüllt werden, und werde ih stets von der traditionellen Freundschaft und Sympathie leiten lassen, die zwischen beiden Völkern bestehe und niemals versagt habe.

Niederlande.

Die Kammer genebmigte, „W. T. B.* zufolge, mit 56 gegen 5 Stimmen eine Subvention von 700 000 Florins zum Ankauf eines Terrains von 9 PEaRA des Parks Zargvliet für den Friedens- palaft. Der Abg. Lieftinck bekämpfte diese Subvention, da Holland obne die Mitwirkung der Mächte niht dazu verpflichtet fet und die Schenkung Carnegies genüge. Der Minister des Aeußern Jonkheer de Wrede de Berencamp erwiderte, die Subvention sei gefordert mit Nüdsiht auf die dankenswerte Schenkung Carnegies und weil die Niederlande dadur, daß sie der Siß des Schiedsgerihtsßofes seien, eine neue Garantie ihrer Unabhängigkeit erhielten.

Türkei.

Nath einer Meldung des „Wiener K. K. Telegr.-Korresp.- Bureaus“ wurden in den leßten Tagen auf der Bee, die Kanea südli abgrenzt, Banden von Aufständischen be- merkt. Infolgedellen wurde seitens der internationalen Truppen ein umfassender Sicherheitsdienst um Kanea eingeführt. Auch das Kammergebäude wird bewacht. Kaufleute von Kanea haben Petitionen an das Konsularkorps gerichtet, in denen auf die angeb: lih von der Regierung ausgehende Bandenorganisation hinge- wiesen und um Schuß gebeten wird. Die Mohammedaner in den Küstenstädten sind beunruhigt. Bisher find aus Kanea 150 Personen ausgewandert. Auch in Kandia und in NRethimo herrscht Beunruhigung. Die Haltung der kretishen, unter italienishen Offizieren stehenden Gendarmerie ijt ernstlich zwei- deutig geworden. - Bisher sind 45 Gendarmen desertiert. Die Konsuln der Schußmächte beantragten die Cuno der Küstenpunkte aller Zollämter, sowie der avichtigsten Punfte im Jnnern.

Serbien.

Nach dem der Skuptschtina zu unterbreitenden n entwurf über die neue äußere Anleihe soll, wie das „Wiener K. K. Telegr.-Korresp.-Bureau“ meldet, die Ab- zahlung, die auf höchstens 50 Jahre veranschlagt ist, im Jahre 1910 beginnen. Die Annuität der Anleihe wird

| aus den Mehreinnahmen der Staatsmonopole bestritten; * außerdem werden die Einnahmen der neuen Bahnen als

Garantie dienen. Die Regierung wird ermähtigt, gegenüber den Banken, mit denen der Anleihevertrag abgeschlossen wird, die Verpflichtung einzugehen, daß fie bis zur Bens der neuen Anleihe, längstens bis zum Jahre 1907, keine neuen auswärtigen Anleihen aufnimmt, ausgenommen im Falle höherer Gewalt.

Afien. Nach einer Meldung der „Petersburger Telegr.-Agentur“

! brachte der russishe Geshäftsträger zur Kenntnis der chinesischen

renzregulierungsfommission die von ;

Frankreich geforderte Grenzlinie angenommen hat; diese Linie !

bildet von jeßt ab der Fluß Paknamven. Die fiamesishe Bez ; Feind zwanzig Meilen nordöstlih Kinkiatun und Hsiatutju an

vólferung, die von der neuen Grenzlinie betroffen wird, hat ein Jahr Zeit, um für Siam bezw. Frankreich zu optieren. Die Spaltung in der sozialistischen Partei des Parlaments ist, wie eine Rede des Mitglieds dcs Vollziehungsausshusses der französishen Sozialistenpartei Hervé hervorgerufen worden, in der dieser für einen militärishen Ausstand eintrat. Der Verwaltungsausshuß der französishen Sozialistenpartei hat infolgedessen eine Resolution beschlossen, in der er ich an die

Worte Hervés niht gebunden erklärt und an die Beschlüsse |

S

der internationalen Kongresse in Zürich und Brüfsel erinnert, |

die sich gegen den Gedanken eines militärishen Ausstands ausfprechen. Rußland.

General Linewitsch telegraphierte unter dem 18. Mai: In der Front der Armeen beseßte am 16. Mai eine kleine feindliche Abteilung den Engpaß von Yandilin. Ein Versuch der Japaner, das Dorf Schahotse zu besezen, hatte feinen Erfolg, sie wurden durch unser Feuer zurückgetrieben und zogen si in südlicher Richtung zurück. Am selben Tage näherte sih japanishe Kavallerie Aetett Abteilungen durch das Dorf Seonukhu, 6 Werst südlih von dem Dorfe Taoul. Nachdem unsere Truppen Verstärkungen erhalten und eine Abteilung freiwilliger Jäger in die Flanke der japanischen Arrièregarde geshickt hatten, zwangen sie den Feind, zurück- zugehen. : Der Hofmarschall Graf von Benkendorff ist zum Generaladjutanten und der Thronerbe des Emirats Buchara zum Flügeladjutanten des Kaisers ernannt worden.

Als gestern in DaD au ein Arbeiter sich der Beobachtung durch zwei Detektives zu entziehen suchte und in der Miodowa- straße über eine Lücke im Pflaster stolperte, explodierte eine Bombe in seiner Tasche, wodurch er, die beiden Detektives und ein Passant getötet und weitere 17 Personen verwundet wurden. Man glaubt, daß die Bombe für den General- gouverneur Maximowitsch bestimmt war, der zu dieser Zeit vom Gottesdienst aus Anlaß des Geburtstages des Kaisers aus der Kathedrale zurückehren sollte.

Ftalien.

Im Senat bob gestern bei der Beratung des beritigten Budgets für das zu Ende gehende Rehnungziane 1904/05 der Sthatzminister Carcano hervor, daß in dem Bericht des Finanz- ausschu}ses des Senats die andauernd gute budgetäre Lage festgestellt wird. Der Staatskredit Italiens sei so hoch, daß er Gegenstand des Neides sein könnte. Das Programm des Kabinetts sei, das Budgetgleihgewiht unversehrt aufrechtzuerhalten und dabei doch für alle Dieastzweige und Bedürfnisse des Staats, vor allem für die Landeéverteidigung zu sorgen. Der Minrister betonte s\o- dann, daß die in S@aßnoten bestehende Staatsshuld zu ibrem größten Teile durch die Metallreserve gedeckt sei, deren Umlauf nur die Hälfte der geseßlih zulässigen Summe betrage. Sodann legte der Minister dar, daß der Staatébetrieb der Eisenbahnen dem Staats- \haze nur eine jährlihe Belastung von 24 Millionen Lire Pen werde. Die Finanzlage sei gut und noch beffer, als fie sfich na dem berihtigten Budget des letzten Jahres -darftelle. Der Aktivübershuß werde größer sein, als er Eh aus dem berihtigten Budget ergebe.

S S 3 Pari ) E. : L d „W. T. B.“ aus Paris meldet, dur | festigungen und Baracken errihten und sehr große Vorräte

| Regierung, daß, ein grg enen Nachrichten zufolge, die Japaner

die Absicht hätten, den Kaiser von Korea troß dem Ver-

In dem gestern im Elysée abgch: ltenen Ministerrat | trage von Schimonoseki, der die Unabhängigkeit Koreas3

garantiert, nach Japan zu bringen. Die russische Regie- rung hat aus diesem Anlaß bei allen Mächten Beschwerde erhoben.

„Daily Telegraph“ meldet aus Tokio vom 19. d. M:

Die Vorhut des japanischen linken Flügels griff den

und {lug ihn zurück; beide Armeen stehen jezt in naher Fühlung miteinander. Die Russen im nördlichen

Korea operieren von Nowo - Kiewskoje aus, wo sie Bes

| aufgehäuft haben.

Parlameutarische Nachrichten.

Die Schlußberihte über die gestrigen Sißungen des Reichstags und des See der Abgeordneten befinden sih in der Ersten und Zweiten Beilage.

Jn der heutigen GEA Sißung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Niebers ding O wurde die zweite Lesung des E entwurfs, betreffend Aenderungen der ; ivilproze ß} ordnung auf Grund der Vorschläge der X11. Kommission, fortgeseßt und die Debatte über die Erhöhung der Revisions- summe wieder aufgenommen.

Abg. Dr. Rintelen (Zentr.) erklärt, er bleibe auch nah der gestrigen Ausführung des Staatssekretärs des Neichsjustizamts dabei, daß die Anwaltskammern, mit Ausnahme derjenigen am Neihsdericht, selbst die Heraufsezung der Revisionsfumme nicht befürwortet bätten. Der Staatssekretär babe ihn ebenso mißverstanden, wie der Abg. Gimburg, wenn er ihm unterstellt habe, den von der Kommission er- tatteten Bericht bemängelt zu haben. N

Abg. Himburg (d. kons.) gibt zu, daß cine fol&e Bemängelung nit direkt aus den von dem Abg. Nintelen gebrauchten Worten berau8zulesen war, hebt aber hervor, daß bei der überaus leisen Stimme, mit der Herr Rintelen gestern ge[prohen habe, ein Miß- verständnis nur zu leiht mögli gewesen fet.

Abg. Pohl (fc. Volksp.): Ih muß meinen Freund Dr. Müller egen die Behauptung in Schuß nehmen, daß er nur negiert ble denn er hat alle kleinen Mittel der Vorlage ut- eheißen; nur die Erböbung der Revifions\summe hat er abgelehnt. Für Herrn Spahn ift ebenso wie für die Reichêjustizverwaltung die Vorlage mit der Heraufsezung der Revisionssumme von 1500 auf 2500 „6 das Allheilmittel. Im Interesse Le Gefamtheit dürfen wir nicht wünschen, daß \ich eia gewisses Mißtrauen gegen die Gerichte noch weiter ausbildet. Schon beute sehen wir bei den großen Kartellen und den kaufmännischen Bereinjgum n die Gepflogenheit um sich greifen, den ordentlichen Rehtsweg auszuschalten und Schiedogerichte an dessen Stelle iu seyen, Der Effekt wird nur sein, das Rechtsuchen zu ver- teuern. Man kann doch die Richterstellen und die Senate vermehren ; gegen eine folhe Vermehrung ist überhaupt kein stihhaltiger Grund angeführt worden. Gs kann doch auch ein Wechsel der Mitglieder in den Senaten stattfinden; das würde der Rechtsprechung nicht ab- träglih sein. Würden noch 11 Rihterstellen ge|chaffen, 1 ständen jedem Senat 10 Richter zur Verfügung. Aber dagegen sträubt man sich in auffallender Weise. Ich kann mir nicht anders denken, als daß da der Kostenpunkt eine Rolle spielt . . . . und das angesichts der Tatsache, daß wir Jahr für Jahr ungezählte Millionen für die Kolonien hinauswerfen! Die Rechtwpflege wird ganz entschieden vershlehtert werden. Da kommt man nun mit der wunderbaren Berufung auf das historishe Moment: Es habe früher in der Regel bloß 2 Instanzen gegeben. Nichts falscher als das: das reu e Obertribunal war stets im wesentlichen eine dritte Instanz. Um die Arbeitslast des Obertribunals zu vermindern, ließ man in

reußen die Nichtigkeitsbeshwerde zu; leßtere M el hafte eine T a Entlastung, und es ging damit bis 1879 fahr gut. Wenn nun heute weiter geltend gemaeht wird, daß 2500 #4 heute niht mehr bedeuten als 1500 4 1879, so ift oe seit 1879 manches teurer ge» worden, aber doch nicht in diesem erbältnis, und namentlich ift der Arbeitslohn nit um ?/s gestiegen. Gerade die Leute, welWe um den Arbeitslohn kämpfen müssen, bei Entschädigungsprozessen, bet Prozefsen, die sich an die s{warze Liste anknüpfen usw., würden wir um ein Rechtsmittel bringen, welches ihnen heute zusteht. Die arallele mit den Gewerbe- und Kaufmannsgerichten kann hier nit erangezogen werden; die Fust ist doch§ nit nur ein Jnkosso- institut. G8 widerstreitet defi Begriffe des Rechts, wenn der Rechts- ftand ein anderer if, je nachdem das Objekt ein größeres oder kleineres ist; das Recht sollte F jeden rechtlich Denkenden keine Bagatelle sein. Deshalb kann i die Vonlage nit annehmen. Es darf nit das materielle Interesse gegenüber dem idealen ausf{lag- ebend gemaht werden. Die Regierung bält sich einzig an das SremvéL wie viel gewonnen wird, wenn man die Revisionsfumme fo oder soviel böber seßt. Das Vertrauen des Volkes zum Vaterland und Herrscher beruht auf dem Vertrauen zur Justiz als Hüterin der Gerechtigkeit; daran darf man nicht rütteln. Dem Abg. Stadthagen, der gestern die Qualität der Reichsrichter beruntergerissen hat, kann ich nun allerdings nicht folgen. Die Reich3srichter haben wohl Ver iändnis für soziale Fragen, fie haben ¡¿: B. die schwarie Liste verworfen, das Streikpostenstehen für zulässig erklärt. Au kann ich nicht finden, daß die Reich8gericht8urteile des gesunden Menschenverstandes entbehren. Im allgemeinen muß freili gesagt werdes, daß diejenigen Richter, die sich auf den gesunden Menschenverstand berufen, keinen großen Ueberfluß an Rechtskenntnis besien. Wenn man die Zakb[l der Neichsrihter vermebren will, fo wird es niht an deutshen Männern dazu fehlen. Was deutsche Mäuner \ind, bestimmt das Geseß. Dies macht keinen Unterschied nah der Rasse. Gott behüte uns vor Klafsenhaß uud Rafsenhaß. Gs if unpatriotisch, einen solhen Unterschied u machen. J fann Jbuen nur empfehlen, meinen Antrag anzunehmen, der in § 546 der proc s die Zabl 1500 beibehalten will. Die Kommission ist bis zum leßten Augenblick uneinig und sehr zweifelhaft gewesen über das, was eigentlih Geseß werden sollte. Um so notweniger ist eine Nachprüfung ihrer Beschlüsse. In dieser Beziehung begrüße ih einen Antrag des Abg. SHmidt-Warburg, der hinter § 924A der Koms missionsbeshlüfse folgenden § 554b einfügen will: „das Revision8geriht kann obne mündli&e Verhandlung nach Vortrag zweier Bericht- erstatter die Revision dur einstimmigen Beschluß (unter Angabe von Gründen) zurückweisen, falls es die Revifionsgründe 554 Nr. 2) für nicht geeignet erahtet, eine Abänderung der Vorentscheidung zu rechtfertigen.“ Sie werden dem Vaterland einen großen Dienst er- weisen, wenn Sie den Kommissionsbeshlüfsen thre Zustimmung versagen. ; .

Berichterstatter Abg. Trimborn stellt einige Ausführungen des Vorredners richtig. N - /

Abg. Burlage (Zentr.) tritt für die Kommissionsbeshlüfse ein und weist den Vorwurf zurück, daß diefe auf unsozialer Grundlage beruhen. Der Reichstag müsse dafür sorgen, daß der Spott allmäkblih verstumme, mit dem man anfange, das Neich8gericht mit dem seligen NReichskammergeriht in Weßlar zu vergleichen. s

Aba. Brubn (Reformp.) verwahrt sich dem Staatssekretär und dem Aba. Stadthagen gegenüber dagegen, daß er si die Bes bauptung, die Heraufsezung der Revisionssumme nehme die dritte Instanz den Nechtsuchenden weg und vershlechtere die zweite Instanz, von Referendaren oder am Biertish habe erjäblen lafsexn. G3 habe us legthin eine Versammlung von Ans wälten in Berlin stattgefunden, in der ein Justizrat am Kammer- geriht unter Zubmwung der Versammlung si in demselben Sinne ausgesprocen babe, wie er, der Redner. Die Ausführungen des Abg. Pohl gingen {ließli darauf hinaus, au beim NRei8geriht Vors rehte für die Juden zu verlangen.

Ad Pohl erwidert, es fei ibm niemals eingefallen, Vorrechte für die Juden zu verlangen; er habe fich lediglih auf den Boden der Gesetze gestellt.

Damit schließt die Diskussson.

Persönlich stellt der Abg. Dr. Spahn (Zentr.) dem Abg. Pobl gegenüber fest, daß er seinerseits nichts anderes vertreten habe, als was der vom Reich8geriht eingesezte Ausschuß für das einsig Richtige und Mögliche erklärt habe.

Die Abstimmung über den Kön L be treffend die Erhöhung der Revifionssumme auf 2500 f, i} auf Antrag des Abg. Singer o eine namentliche. Es werden im ganzen 154 Stimmzettel abgegeben, davon 76 für, 71 gegen den Kommissionsvorschlag; 7 Mitglieder enthalten sich der Abstimmung. Das Haus 1jt demnach nicht bes \{chlußfähig, und die Verhandlung muß abgebrochen werden.

Schluß 2 Uhr; nächste Sißung heute 21/2 Uhr, (kleinere Vorlagen und Rechnungssachen; dritte Lesung der Totalisator- vorlage). s

Das Haus der Abgeordneten verhandelte in der heutigen (185.) Sigung zunälst in zweiter Beratung über den Geseßentwurf, betreffend die L weiterer Staatsmittel zur Verbesserung der Wohnungs- verhältnisse von Arbeitern, die in staatlichen Be- trieben beschäftigt sind, und von gering besoldeten Staatsbeamten. Die Vorlage enthält die Forderung von 15 Millionen Mark für diesen Zweck.

Berichterstatter der Budgetkommission Abg. Graf Praschma arte, empfieblt die unveränderte Annabme des Entwurfs. Die

ommission habe einstimmig die Tendenz der Vorlage gebilligt und empfeble, auf diesem Wege fortzufabren.

Abg. von Bodelichwingh (b. k. F.) begrüßt die Vorlage als ein wichtiges Mittel zur Förderung des Familienlebens. Der Grunds besi sei gerade für die kleinen Beamten ein sicheres Mittel gegen die Verführung dur die Sozialdemokratie. Er (der Redner) böre z. B., daß in Berlin ziemlih sämtliche Postbeamten Sozialdemokraten 10: Wie wichtig der Besiß einer eigenen Scholle für die kleinen Leute fei, babe man in seiner westfälishen Heimat gesehen. Das Vorgehen auf Grund solcher Gesetze habe außerdcbenttüh Uner gewirkt.

Abg. Dr. Heisig (Zentr.): Ich stimme dem Vorredner darin bei, daß diese Gesetze segensreih gewirkt haben. Die gegen die Vorlage eingegangenen Petitionen von Grund- und Hausbesißervereinen \hießen über das Ziel hinaus, wenn e auf die Zabl der leerstehenden Wohnungen und Läden hinweisen. Aus der Denkschrift der Re- gierung über die Ausführung der , bisherigen gleichen Gesetze geht allerdings hervor, daß sogar Äiuhzbitetiwsd nungen für Staatsbeamte mit Hilfe dieser Staatsmittel errihtet worden find. Auch der Bes amtenwohnungtverein hat teilweise größere Wohnungen gebaut. Da kann man es verstehen, wenn die Haus- und Grundbesizervereine annebmen, daß mit diesen staatlihen Mitteln Wohnungen nit nur für mittlere Beamte, fondern sogar auch für höhere Beamte er- rihtet werden. Ich kann die Regierung nur bitten, ein folches Vor- gehen zu verhindern. s ;

Die Vorlage wird darauf genehmigt und die Denk- \chrift über die Ausführung der bisherigen gleihen Geseße für erledigt erklärt.

Berichterstatter Abg. Graf Pras ma berichtet darauf über die

etitionen von Haus- und Grundbesißzervereinen, die übereinstimmend darauf hinauslaufen, daß ein Bedürfnis zur Unter- fung der Baugenofsenshaften nicht vorliege, weil die private Bau- tätigkeit genügend für das Wohnungsbedürfnis sorge. Die Kom- mission habe fh den Ausführungen der Petitionen nicht anschließen können und beantrage, die Petitionen für erledigt zu erklären.

Das Haus beschließt ohne Debatte nah diesem Antrage.

des der Budgetkommission gg. Gamp (freikons.) und

Es folgt dann die Beratun überwiesenen Antrags der N Ae rsuchen, im nälstjährigen Etat ei beblihe

„die Regierung zu ersu n rigen Etat eine er Grhonag Titels „zu Unterstüßungen für Geistliche aller Bekenntnisse“ herbeizuführen.“

Der Berichterstatter der Kommission Abg. Schulze-Pelkum (kons.) beantragt die Annahme des Antrags.

Abg. Dr. Berndt (nl.) spriht namens seiner Freunde die Zu- simuiung zu dem Antrage aus, da die bisherigen keineswegs

enügten. Abg von Strombeck (Zentr) erflärt gleichfalls, daß seine Freunde einftimmig den Antrag annäßmen.

Abg. Dr. Lotihius (nl) bittet den Minisier, dahin zu wirken, daß au in den neuen Provinzen das Anfangügehalt der evangelischen Geistlihen auf 2400 M erböbt werde, wie es bereits auf Beschluß egr aes für die Geistlihen in den alten Provinzen ge“

eben sei.

Abg. Kreth (konf.) erklärt, daß auch seine Freunde für den Antrag stimmen werden.

g. Dr. Iderhoff (freikons.) spricht ebenfalls den Wunsch aus daß die Gehälter der Geistlichen in den westlihen Provinzen möglichst bald erhöht würden.

Abg. Schaffner (nl.) vertritt denselben Wunsch und bebt besonders hervor, daß die Geistlihen mit den akademi ch gebildeten Lehrern der höheren Lehranstalten gleihgestellt werden müßten.

Der Antrag wird darauf angenommen.

Außerhalb der Tagesordnung erhält das Wort

Abg. von Bodelschwingh und erklärt: Es tut mir leid, daß ih vorhin die Berliner Postbeamten als Sozialdemokraten bezeichnet habe. Ih nehme die Aeußerung gern zurü.

Abg. König (Zentr.) zur eIGElSorenungs Ich freue mi, da diese Bebauptung zurückgenommen is, und bemerke, daß nit blo die Berliner, ¡aurer sämtliche deutschen MELNOI ear und au die Unterbeamten brave, tüchtige, ehrlihe Leute sind. Es ist meine Ueberzeugung, daß sie niht von der Sozialdemokratie ergriffen sind, sondern treu und fest zu Kaiser und Vaterland stehen und zu den Behörden volles Vertrauen haben. Wir baben alle fo große Sympatbien für die Unterbeamten, daß es nötig ist, bier öffentlih zu erklären, daß unsere Postbeamten sämtlich nit sozial- demokratisch find.

Es folgt die Beratung des der Handels- und Gewerbe- fommission überwiesenen Antrags der Abgg. Arndt-

Gartschin (freikons.) und Genossen: „die Königliche Staatsregierung zu ersuhen, beim Bundesrat eine Abänderung der Bekanntmachung, betreffend die Beschäftigung von Gebilfen und Lehrlingen in Gast- und Schank-

wirtshaften, vom 23. Januar 1902 nach der Nichtung zu beantragen, daß die in Ziffer 4 dieser Bekannt- machung estgesezten MNRubezeiten für die kleineren

und mittleren Betriebe unter Berücksihtigung der Bedürfnisse der verschiedenen Arien der Gast- und Paten anderweit geregelt oder, daß die Ortspolijeibehörden ermächtigt werden, in ecigneten Fällen Ausnahmen von den erwähnten Be- A imutunaen ¡u bewilligen“.

(Die detrelge Bestimmung der Bundesratsverordnung shreibt vor, daß in jeder dritten Woche und in Gemeinden mit mehr als 20000 Einwohnern in jeder zweiten Woche den Gastwirtsgehilfen und -lehrlingen eine ununterbrochene Nuhezeit von 24 Stunden und in den übrigen Wochen mindestens einmal eine weitere Ruhezeit von 6 Stunden zu gewann ist.) :

ie Kommission beantragt die Ablehnung des Antrages.

Abg. Shmedding (Zentr.) \spriht fich gegen den Antrag aus,

da die Verfügung des Bundesrats niht über das hinausgebe, was

man billigerweise für die Angestellten der Gastwirte verlangen könne. Schon in der Bibel heiße es: sech8 Tage sollst du arbeiten, aber am siebenten Tage sollst du ruhen. ; Der Antrag A rndt wird darauf abgelehnt. Die dazu eingegangenen Petitionen werden für erledigt erklärt.

(Schluß des Blattes.)

Statistik nud Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

Am Freitag hielten, der „Voss. Ztg.“ zufolge, 2000 Shmiede- esellen Berlins und der Vororte (vgl. Nr. 107 d. BL.) eine

| bleiben.

Versammlung ab, um über ihre Lohnbewegaung zu beraten. Die Forderungen der Gesellen waren 550 Arbeitgebern mit einem Anschreiben | unterbreitet worden mit dem Ersuhen um Artwort bis zum | 17. Mai. Aber nur von einzelnen Firmen ift Antwort ein- | gegangen. Die eMRungen als sol haben keine Ver- | handlungen gepflogen. Cinzelne JInnungsmeister haben die ge- | forderte neunstündige Arbeitszeit wobl zugestanden und au erklärt, | Veberstunden seien nur bei Notstandsarbeiten zulässig, jedoch die ; geforderte Felilegung von Mindestlöhnen sowie eine unter- ! \hriftlihe Anerkennung von Forderungen entschieden abgelehnt. | Tarifverträge sind bisher nur mit 16 Arbeitgebern abges{lofsen. | Nath mehrstündigen Verhandlungen wurde folgender Beschluß gefaßt: | „An den aufgestellten Forderungen unter allen Umftänden festzuhalten | und den Arbeitgebern noch eine h bis Sonnabendabend, 20. d. M., | zu geben und, wo bis dahin die Forderungen nit bewilligt find, am | Montag, 22. Mai, die Arbeit niht wieder aufzunehmen.“ | In Elberfeld sind, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, die Sh u h- ! machergesellen, nahdem sie rechtzeitig - ekündigt hatten, am | Donnerstag in den Ausstand getreten, weil ihre Forderungen nit | bewilligt wurden. ; In Osnabrück is nah demselben Blatte der allgemeine Aus- | stand der Maurer gestern nah sechswöchigecr Dauer zu Ungunsten ' der Maurer beendet worden (vgl. Nr. 105 d. Bl.). | _In Dresden befinden ih, wie die „Vofs. Ztg.“ erfährt, seit | Dienstag sämtliche Steinmeßen im Ausstande Grund dieses | Streiks is ein Tarifbruch, den die Arbeitgeber in der von ihnen neuer- ; dings auf den Arbeitspläßen ausgehängten Arbeitsordnung insofern begangen haben sollen, als darin das Recht der organisierten Ge- | bilfen, mit ihren Verbandsbeamten auf den Arbeitspläßen Be- }

[preFtangen abzuhalten (das sogenannte Budenrecht), beseitigt | wes st. Eine achtgliedrige Kommission verhandelt mit den Arbeit- gebern

In Leipzig haben, wie der „Köln. Ztg.“ telegraphiert wird, ; 4000 Bauhilfsarbeiter die Sperre über sämtliche Bauten ver- | bängt, wo der Fgorperte Mindesilohn nicht gezahlt wird. Die Arbeit | ruht auf zahlreihen Bauten. | Aus Schwabach in Bayern berihtet die „Münchener (v Von der in Nürnberg neugegründeten Vereinigung der Fein- | A L Meg ißer eutschlands wird die Schließung * ämtlicher arolreer Betriebe angedroht, wenn die von einem Teil des Schwabacher Arbeits Fre nals wegen Neueinftellung von Lehrlingen ! “1008 Kündigung nicht innerhalb 14 Tagen zurückgenommen wird. ; Lyon traten, wie „W. T. B.“ meldet, + aen nachmittag die Polizeibeamten zum Teil in den Ausstand, weil eine Anzahl von ihren Kollegen, die sg in den leßten Tagen gegen die Disziplin vergangen hatten, heute ibrer Aemter eutieit: worden sind. Die Ausständigen wurden sofort durch Gendarmen oldaten er egt Aus Antwerpen wird der „Köln. Ztg.“ telegraphiert : den großen Ziegeleien der Rupelgegend brach ein {on seit Wochen drohender Ausstand aus. Die Feiernden follen hon nach Tausenden zählen. In der Gemeinde Rumpst erstreckfi sich die Bewegung auf sämtlihe, in Terhagen auf 5,

E E

Gut

! No vor vierzig Jahren zählte sie _nur 12 000

| Jahren eine See

in Boom auf 3 Betriebe. Es handelt sich um den Lohn. Im September jedes Jahres werden die Löhne zwischen den Arbeitgebern und den Arbeitern für das nächste Jabr festgeseßt, das Gewerbegericht bestätigt die Verträge. Die Ausständigen behaupten nun, daß die im vorigen Herbst verabredeten Löhne im Verhältnis zu dem gegenwärtigen Me der Ziegelsteine zu niedrig seien. Da man Unruhen befürchtet, wurden öffentlihe Versammlungen im Ausftands- gebiet Pecen und die Gendarmerie der Rupelgegend von Antwerpen aus ve

In den Glasfabriken von Charleroi (vgl. Nr. 117 d. BL) stellten fih nah demselben Blatte so viele Aus]tändige zur Arbeit, daß die vereinigten Arbeitgeber in sämtlihen Fabriken, die bisher noth gefeiert batten, sofort je einen Ofen wieder in Betrieb zu seßen beshlofsen. Damit dürfte der große Glasarbeiterausstand endgültig beendet sein.

Die Segnng ves Ausstandes der Lastfubrleute in Chicago (vgl. Nr. 114 d. B[.) scheint nahe bevorzustehen; na Aeußerungen des Bürgermeisters dürfte sie, wie dem „W. T. B.* gemeldet wird, in 24 bis 48 Stunden erfolgt e E3 beißt, die Einigung werde auf der Grundlage erreicht, daß die Arbeitgeber die Angestellten, die 1 ationa begangen baben, wieder in ihre früheren Posten einsetzen.

Kunst und Wissenschaft.

Von der Saalburg.

, Nach dem vorliegenden Jahresbericht für 1904 siad die Arbeiten an dem bekannten Röômerkastell rüstig vorgeschritten. Im Ehrenhof des Mittelgebäudes wurden am Standorte der Originale vor dem Fahnenbeiligtum die Bronzestandbilder der Kaiser Hadrianus und

everus Alexander von Job. Göß aufgeftellt. Es find Stiftungen des preußischen Kultusminifteriuums. Die von Seiner Majestät dem Kaiser dem Andenken Mommsens, als des Vorfißenden der Reichs-Limes- kommission, Ee Büste ist, mit der Weibeinschrift nach Art rômisher Grabdenkmäler auf einer Platte vereinigt, in der ehemaligen Waffenhalle angebraht worden. Aus freiwilligen Beiträgen, die ih im abgelaufenen Jahre auf 40 000 belaufen, wurden die

iederbersiellungs- und Au8grabungsarkbeiten in- und außerhalb des Kastells fortgeseßt. Von der eingeftürzten Wallmauer sind größere Stüde wieder aufgerichtet und die beiden Seitentore mit ihren Brücken beendet. Daneben konnten einige neu ausgegrabene Massivbauten, Keller, Heizungen, ein Backofen und mehrere Baureste von unbekannter Bedeutung wieder aufgesezt werden. Ihre Mauern wurden in der i ise mit Nasen abgedeckt.

n neuen Entdeckungen stebt ein kleines Heiligtum des Silvanus und der Diana in der Form linksrheinischer Sttis@or Tempel obenan. Zu den Brunnen kamen bier neue mit wertvollen Holzfunden, sodaß ihre Gesamtzabl jet 68 beträgt.

Eine ganz besondere Bedeutung haben mit der Zeit die unter dem Wehrgange und den Mauern des jeßigen Kastells freigelegten Teile einer âlteren Anlage erlangt. Während nämlich die Um- fassung des dieser voraufgebenden kleineren Erdkaftells in einem Damm aus Erde und Steinen bestebt, der durch unbearbeitete Holzstämme zusammengekbalten wird, finden wir, wie das „Zentral- blatt der Bauverwaltung* mitteilt, et dem zweiten Kastell fozusagen bereits eine böbere Stuse der Mauertechnik, die uns ¡um ersten Male geshibtetes Mauerwerk, jedod noch obne Mörtel aufweist. Die zebn Fuß breite Umwallung seßt fich, anscheinend jur Ersparung von Mauerwerk, aus _iwei s{wächeren getrennten Parallelmauern zusammen, deren Zwishenraum mit Erde ausgefüllt ist. An Stelle des Mörtels, den erst das nächste Kastell kennt, ist der Mauerkörper durch senkrechte, kantig beschlagene Holzpfosten innen und außen gebalten, die ihrerseits wieder mittels durchbindender, zangenartiger Querbalken verankert werden. Die Pfosienlöber und die Schliße, welche das verbrannte oder vermoderte ol;iwerk gelassen hat, baben fih überall nahweisen l[afsen. Diese Konstruktion8weise scheint überhaupt den zweiten Abschnitt am Taunuslimes zu kennzeihnen, der etwa in die Mitte des zweiten nahchristlihen Jabrbunderts zu seßen ist. Was hierbei als besonders merkwürdig erscheint, ift die Uebereinstimmung mit dem an den vorrömischen Ringwällen des be- nachbbarten Altkönigs geübten Verfahren. Diese waren nah den Unter- suhungen von Cohausen und Thomas ebenfalls durch Holz ¡ufammen- gebalten, entsprechend der Beschreibung, welche uns Caesar von den aallishen Mauern mit Holzeinlagen gibt. Aehnliches zeigen au die Darftellungen auf der Trajans/fule von den dacischen Mauern. Fraglih bleibt dabei nur, ob die rômische Besaßung die vor- gefundene germanische Bauweise nahgeahmt hat oder ob sie ihr vielleiht {on von Pause aus, das wäre für die auf der Saal- burg lagernde ‘Hilfskoborte „Raetien® (eiwa das beutige Bayern), be-

| kannt war. Die nordwestlihe Ecke dieses Holz-Steinkastells ist jetzt

ganz untersucht und der spätere Wehrgang fortgenommen, fodaß die este des darunterliegenden älteren Gckturms für immer sichtbar Von der weiteren UntersuGung der älteren Anlagen, welde dur den Aufbau der Umfafsung8mauern weiter er- möglicht wird, darf vor allem noch mancher Aufshluß über die tehnishen Einzelheiten der früheren Bauten erwartet werden. Ein ganz neues Forshung8gebiet is im Vorjahre südlich vom

| Kastell erschlofsen worden, nachdem es dort gelungen war, das keiner

größeren Niederlassung fehlende Heiligtum des pversishen Sonnen- gottes Mithras zu finden. Ihm folgten bald Reste eines Tempels der Mater deum (CGybele) und einiger anderen, noch nit vollständig freigelegten Kultbauten, die auf einem abgegrenzten Tempelbezirk neben dem großen Soldatenfriedhofe an der Nömerstraße vereint sind. Hiervon ist das Mithräum jeßt wieder aufgebaut worden, nachdem fich bierzu ein Stifter gefunden

Bauwesen.

Das neue Rathaus in Charlottenburg.

Charlottenburg, das in diesen Tagen fein 200 jähriges Jubiläum als Stadt begehen wird, ist dem Alter nah die jüngste der deutschen Großstädte, in deren Reihen sie einen hervorpgeren Play einnimmt.

i inwobner, vor

¡iwanzig Jahren war die Bevölkerung8ziffer auf 42 000 gestiegen, dann

jedo seßte der eee Aufshwung ein, der die Stadt vor zehn

enzabl von 132000 erreihen Jieß, während fie z. Z.

nabezu 230 000 beträgt. Das enorme Wachstum der Gemeinte s\piegelt

sih in der Entwicklung der städtishen Verwaltung und auch in der Geschichte der Charlvttenburger Rathäuser wider.

Der Neubau, der heute von der städtishen Hohbauverwaltung an den Magistrat übergeben wird, ist das dritte Nathaus, das Char- lottenburg befißt. Etwa anderthalb Jahrhunderte lang hatte die Kommunalverwaltung in einem bescheidenen Gebäude gehaust, das in der Schloßstraße in der Näbe des Luisenplazes auf dem Grund-

| stud der jeßigen Gemeindedoppelshule belegen war. Im Jahre

1857 wurde von der Gemeinde im Bee der Subhastation ein rivathaus in der Berlinerstraße zwishen Wilhelmplaß und irhbofstraße erstanden und der Beshluß gefaßt, es n ein

Natbhaus umzuwandeln. Die Kaufsumme belief sich auf 19 300

Taler; die Stadt war jedoch nicht in der Lage, den ganzen Be-

trag zu ers{wingen und konnte au die erforderlichen eparatiiv-

kosten niht bestreiten. Die Versuche, die Restsumme aufzubringen, zogen sih durch mehrere Jahre A und würden gescheitert sein, wenn

nicht im März 1859 der Prinz-Regent, der spätere Kaiser Wilhelm I,

der Stadt ein Geschenk von 4000 Talern gemacht hätte. Am 5. De-

ember 1860 fand der feierlihe Ginzug der Mitglieder der städtishen

ebôrden in das Rathaus in der Berlinerstraße statt. Die Verwaltung hatte damals einen fo (eringen Umfang, daß die sämtlichen Bureaus in der Hälfte der erften Etage untergebracht werden konnten. Die andere

Hälfte der Etage wurde dem Bürgermeister gegen eine jährlihe Miets-

entschädigung von 50 Talern mit der Bedingung überlassen, daß er

einen der Räume als Sprehzimmer einrihte. Das Erdgeshoß wurde an Privatleute vermietet. Später nahm die Stadtverwaltung das ganze Gebäude für s in Anspru, kaufte auch noch ein Nachbar- grundstück an, indessen genügten bald die vorhandenen Baulichkeiten

niht mehr und die. Dienstzimmer eines großen Teils der städtischen Verwoaltungszweige mußten in Mietshäuser verlegt werden. Von 1890 an wurden die Sißungen der Stadtverordnetenversammlung ¿zwölf Fabre hindurch in der Aula des ftädtischen Realgymnafiums in der Scillerstraße abgehalten.

Im Jahre 1897 \chrieb die Stadt Charlottenburg für einen Rathausneubau einen allgemeinen Wettbewerb aus, an dem sich eder deutshe KLrchitekt beteiligen konnte. Der mit dem ersten Preis gekrônte Entwurf der ren Reinhardt und Süßenguth in Charlottenburg wurde zur Ausführung bestimmt. Die Stadt- verwaltung betraute die beiden genannten Architekten mit der fünstlerishen Oberleitung des Baus, die technishe Ausführung wurde dem Pdtucen E an defsen Spie Stadtbaurat Bratring stebt, übertragen. Um das alte Gebäude an der Berliner Mane mögli{st lange in Benuzung lafsen zu können, wurde die Errichtung des neuen Rathauses in ¿wei Bauperioden bez \{lofsen. Der Bau begann im Mai 1899 auf einem Terrain, das eine Breite von etwa 60 m und eine Tiefe von 125 m hat und sich von der Berlinerstraße bis zur Lützowerstraße hinzieht. Zunäcdbst erfolgte die Ausführung des auf dem Hinterlande des Grundstücks belegenen Teils an der Lüßowerftraße, de}jsen Fafsade einfa, aber dohch würdig gehalten ift. Auch das Quergebäude, in dem sich die Sizungs- säle des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung befinden, wurde fertiggestellt, sodaß diese Säle {hon am 1. Januar 1903 in Gebrauch genommen werden fonnten. Die Grundsteinlegung für den Hauptbau an der Berlinerstraße hatte bereits am 18. Junt 1902 stattgefunden. Dieser Teil des Gebäudes und damit das gesamte Rathaus ift jegt vollendet. Das neue Nathaus bat einen Kosten- aufwand von 43 Millionen Mark erfordert. Für die äußere und innere Architektur ist die sogenannte moderne Formensprahe gewählt : modern nicht im übertriebenen, sondern im maßvolleren Sinne des Wortes. Das Bestreben dabei war die Erreibung einer gewissen Pracht, welche die glücklihen Verhältnisse von Charlottenburg, das machtvoll aufstrebende Gemeinwesen symbolisch zum Ausdruck bringen soll Dem plastischen Glement ist in Orrament und Figur, mehr als wobl sonst üblich, eine Mitwirkung an ter Schaffung eines einheit- lien Sesamtbildes verliehen.

Son von weitem sihtbar is der Neubau, defsen Turm die stattlihe Höhe von 89 m besißt. Die obere Plattform des Turmes, an dem die Rathau8uhr angebracht ist, gewährt einen großartigen Rundblick über Charlottenburg und Berlin. j Das ganze Gebäude an der Berlinerftraße ist unterkellert ; über einem großen Lagerkeller befinden sih die Bier- und Weinabteilungen des mit Malereien ornamentalen und figürlichen Charakters reih aus- gestatteten Natskellers. Im Hauptgebäude führt eine breite Freis trepve zu dem Mitteïbau mit seiner großen Eingangshalle, in der figürliche Reliefs die vershiedenen Verwaltung8zweige versinnbildlichen. In jedem Stockwerk befinden sich massiv gewölbte, mit reicher Steinmegarbeit versehene Vorballen, Teile des Haupttreppenhaufes, das im übrigen ftarke Dur&brechungen zeigt. Das Erdgeshoß wird von Kafsenräumen eirzencmmen. Die Haupttrepve führt im erften Stock zu dem Amis¡immer des Oberbürgermeisters, das äußerlich an der Fassade hervorgehoben ist durch eine vorgelagerte Loggia und die das Zimmer seitlih flankierenden Figuren der Weisheit und Geretig- Feit. An diesen Naum {ließen fich die Bureaus der städtischen Zentralverwaltung, das Amtszimmer des Zweiten Bürgermeisters und die Konferenzzimmer an. Im zweiten Obergeshoß liegen die Fest- und Versammlungs säle, die in der Hauptfront an den großen, zwei Stockwerke durhs{neidenden Fenstern erkennbar find. Zwischen den Festsälen befindet sih ein Vorsaal; alle drei Räume sind fo einge- richtet, daß sie für größere Festlihfeiten bequem miteinander verbunden werden können. An jeden Saal #ößt noch ein Nebenzimmer an; binter den drei Sälen zieht sich die durch zwei Geschosse reichende Wandelballe nebst der stattlihen Treppenhalle bin. Außer der Pracht- treppe vermittelt ein Personenaufzug den Verkehr vom Haupteingang zu den Festsälen, wie auch in den übrigen Teilen des Rathauses Fahr- stühle angebracht find. Außer der Haupttreppe find in dem Gebäude noch fünf Nebentreppen vorhanden. Ein Verbindungsgang führt vom Vorderhause zu den im Querbau belegenen Sitzungssälen der beiden städtischen Kollegien. Das mächtige Haupttor ragt bis in das erite Obergeschoß hinein. Der mittlere Teil des Gebäudes wird dur zwei Seitentürme flankiert. Zwischen den Dea augen der Festsäle er- beben fi auf s{lanken Pfeilern überleben8große Sandsteinfiguren, welche von links nach rechts gesehen Handwerk, Kunst, Wissen- schaft, Verwaltung, Religion, Handel, Ackerbau und Industrie vers förpern, während auf den die Fenster abs{ließenden Wappenschildern die entsprehenden Embleme Play gefunden haben. In Höbe der Brüstung des „ÜUmganges“ befinden sich am Rathausturm vier 2,75 m hohe Kupferfiguren, welche die sich auf alle Bedürfnisse der Bürger- schaft rihtende Wachsamkeit der Stadtverwaltung darstellen. Die einzelnen Gebäudeteile find durch geräumige Innenböfe und lang- gestreckte Seitenböfe getrennt. Hierdurch ist eine grundsägliche Scheidung der Anlage ermögliht worden in Haupträume an den Straßen und den Hauvtböfen und in Nebenräume an den Nebenbsfen. Schon längere Zeit vor Vollendung des Rathauses hat man damit gerechnet, daß später ein Erweiterungsbau sich als notwendig beraus- stellen wird, und die Stadt hat daher bereits das rechts von dem Nenbau belegene Grundstück zu diesem Zweck erworben.

Preisau3\chreiben zur Erlangung von mustergültigen Entwürfen für die gebräuchlichsten ländlichen und bürger- lihen Wohn- und Wirtshaft3gebäude mit besonderer Berücksihtigung der Einwirkung auf ein malerishes Ausfeben der Dörfer und Städte sowie auf die beste RNaumausnußung der Gebäude und deren Grundrißbildung find fowobl vom Regierungspräsidenten in Minden, als auch von der Regierung des Fürstentums Schaumburg-Lippe erlassen worden. Um das Ergebnis so nußbringend wie möglich zu gestalten, sollen die preis- gekrönten und ausgewählten Entwürfe veröffentli4t und in einer Sammlung dem Buchhandel übergeben werden. In jedem Landrats- bureau und Kreisbaubureau foll ein Exemplar der gedahten Sammlung zur allgemeinen, kostenfreien Einsichtnahme bereit gelegt werden.

Theater und Musik.

Deutsches Theater.

Als drittes StückEim Anzengruber-Zyklus wurden gestern „Die Kreuzelshreiber“ gegeben. Es ist der bündigste Beweis von der packenden Wirkung der Änzengrubershen Kunst, daß auch dieses Stü mit seinem gesunden, naiven Humor und mit feiner nichts weniger als realistishen Charakteristik dasselbe Publikum zu begeistern ver- mote, das sonst am radikalen Naturalismus oder an französischen Eindeutigkeiten Geshmack findet. Willy Tballer, der dei Stein- flopferhanns spielte, entfesselte wahre Beifallsstürme, und fie waren wohlverdient. Was er darstellte, war ein wirkli lebensooller, froher alter Bursh, voll Humor und Schalkbeit und doch mit einem fo nachdenklih-überlegenen Zug, daß die zum Teil in ibrem Ausdruck unwahrs{einlihen Philosophien, die der Dichter diesem Steinklopfer in den Mund legt, natürli klangen. Das Bauernpaar vom „gelben Hof“ wurde durch Robert von Balajtby und Hansi-Nieses« Sarno gut verkôörpert. Frau Hansi - Niese unterstrih freilich elegentlich zu stark. Eine Musterleistung 7einster Charaftte1 i- fierungdanft, die vollendetste Leistung des Abends überbaupt, dot Ludwig

tartinelli als Brenninger. Das Zusammenspiel war recht flott, die Statisten in der Wirtshausfzene, ebe es ans Raufen ging, aber zu steif. Die szenishe Ausstattung war etwas dürstig, die Einrichtung der Bauernstube sogar stillos. Diese kleinen Mängel traten aber binter den großen Vorzügen der Aufführung zurü.

Im Königlichen Opernbause wind morgen, Sonntag, „Figaros Hochzeit“ von W. A. Mozart gegeben; in dn Haupîts rollen sind die Damen Herzog, Hiedler, Lieban. Kothauser, Voly, die Herren Hoffmann, Krasa, Lieban, Nebe, Wittekopf beschäftigt.