1905 / 121 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 May 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Angekommen:

Seine Exzellenz der Unterstaatssekretär ini Ministerium für L und Gewerbe D. Lohmann und

S er Ministeraldirektor in demsclben Ministerium von der agen.

Nichtamtliches. Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 23. Mai.

Seine Majestät der Kaiser und König nahmen heute vormittag im Königlichen Schloß zu Wiesbaden die Vorträge des Chefs des Zivilkabinetts, Wirklihen Geheimen Rats Dr. von Lucanus und des Chefs des Militärkabinetts, Generalleutnants Grafen von Hülsen-Haeseler entgegen.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der heimreisende Transport der abgelösten BesaßungS. M.S. „Condor“ mit dem Reichspostdampfer „Seydliß“ gestern in Colombo (Ceylon) eingetroffen und hat an demselben Tage die Reise nah Aden fortge|eßt. E :

S. M. S. „Jaguar“ ist gestern von Schanghai nah Nanking in See gegangen.

S. M. S. „Pfeil“ ist gestern von Helgoland kommend in Portsmouth eingetroffen und geht am 23. Mai von dort nah Falmouth.

Wiesbaden, 23. Mai. Ueber das Befinden Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin wurde „W. T. B.“ zufolge heute morgen folgender Bericht veröffentlicht :

Schloß Wiesbaden, 23. Mai.

Das Befinden Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin am gestrigen Tage und in der Nacht ist andauernd gut gewesen. Ihre Majestät hat reihlich Schlaf gefunden. Dec Appetit if gut. Die Wunde zeigt keinerlei Reizersheinungen. Temperatur und Puls sind normal. Niedner.

Vayern.

Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz-Regent Luit- pold 6 die Prinzessin Therese sind gestern abend von München nah Wien abgereist, um der Herzogin von Modena einen Besuch abzustatten.

Deutsche Kolonieu.

Nach einem Telegramm aus Windhuk in Deutsh-Süds westa frika ist, wie „W. T. B.“ berichtet, der Gefreite Hans L geboren am 20. Mai 1877 zu Wismar, früher im

nfanterieregiment Nr. 89, am 20. Mai im Lazarett zu Windhuk an Typhus gestorben.

Oesterreich-Ungarn.

Graf Andrassy hat, „W. T. B.“ zufolge, die Aufgabe, das Programm der Koalition vor dem König zu vertreten, übernommen und reist heute zur Audienz beim .Eânig

h Mia 1h Hie Aufhebung des Verbots der Ausfuhr von Futterstoffen ist, „W. T. B.“ zufolge, auh auf Ungarn ausgedehnt worden.

Großbritannien und Frlanud.

In der gestrigen Sizung des Unterhauses teilte der Staats- sekretär für Indien B rodrick mit, daß die Zahl der in Indien an der Pest gestorbenen Personen vom 1. Zanuar bis 1. Aprik 471 744 und der vom 1. bis 29. April gestcrbenen 215 961 beträgt. Soagres (lib.) stellte sodann die Frage, ob die Negterung, wenn sie zur Zeit der im Jahre 1906 abzubaltenden Kolonialkonferenz noch im Amte sei, beabsichtige, die britishen Vertreter zu ers mächtigen, die Frage der Vorzugszölle mit den Vertretern der Kolonien zu erörtern. Der Premierminister Balfour erwiderte, diese Frage sei von der Regierung no@ nit in Erwägung gezogen, aber keine Negierung könne den Besprechungen der Konferenz Schranken seßen, besonders wenn die Regierung eine engere Handelsverbindung mit den Kolonien wünsche. Fn Er- widerung auf eine Neibe weiterer Fragen, die von Campbell Bannerman und anderen Mitgliedern der Opposition gestellt wurden, stellte der Premierminister es in Abrede, daß er die Politik, wie er sie in seiner am 3. Oktober 1204 in Edinburg gehaltenen Rede ge- kennzeihnet habe, aufgegeben habe und versicherte, daß er nah wie vor deren Anhänger sei. Weiter erklärte der Premierminister, die Kolonialkonferenz solle frei sein, sie könne aber weder die Kolonien noch das Mutterland binden. Darauf beantragte Campbell Banner - man unter lauten Beifallsrufen der Liberalen die Vertagung des Hauses, um Stellung zu nehmen zu der Erklärung Balfours, daß die Frage der Bevorzugung der Kolonien möglicherweise der Kolonial- konferenz unterbreitet werde, bevor das Land Gelegenbeit habe, seine Meinung zu äußern.

Die Besprehuvg des Antrags wurde in der Abendsißung vor- genommen. Campbell Bannerman begründete seinen Antrag auf Ver- tagung des Hauses; er führte aus, die Erklärung des Premierministers Balfour bedeute einen Wechsel in der Politik der Regierung, und er verlange Aufklärungen hierüber. Darauf wollte der Kolonialminister Lyttelton das Wort ergreifen, die Liberalen jedoch, die eine sofortige Antwort von Balfour selbst wünschten, brachen in den unausgeseßt wieder- holten Ruf aus: Balfour! Balfour! Lyttelton versuhte vergebens, fs Gehör zu verschaffen, doch war in dem Lärm nit eiïn Wort von einen Ausführungen zu verstehen. Der Vizesprecher legte ih eben- falls vergeblih ins Mittel, troßdem er erflärte, daß Balfour später das Wort ergreifen werde. Die Opposition weigerte si, Lyttelton anzuhören, dieser sprach über 10 Minuten zum Hause, ohne daß ein Wort seiner Rede vernehmbar war, und seute sich {ließlih nieder. Der Lärm dauerte fort. Nachdem Lyttelton seinen Plaß wteder eingenommen hatte, versuhte Winston Churchill (Tiberal) zu reden, seine Stimme wurde aber nunmehr durch lärmende Rufe der Ministeriellen übertönt. Churchill trat darau diht an den Plaß des Sprechers heran und redete von dieser Stelle aus, ohne daß jeooch das Geringste von feinen Aeußerungen hörbar wurde. Lloyd Seorge (liberal) richtete darauf an den Vizespreher die Anfrage, ob nicht das Haus, da Balfour direkt zu genaueren Erklärungen über seine heutigen Darlegungen aufgefordert worden sei, einen Anspruch darauf habe, diese Erklärungen von ihm zu empfangen. Der Sprecher er- widerte, es bestehe die Möglichkeit, daß noch weitere Mitglieder Fragen an den Premierminister zu stellen wünschten, der später antworten werde. Der Kolonialminister Lyttelton erhob si darauf abermals und versuchte zu sprechen, wurde aber wiederum nieder eschrien. Hugh C ecil (konservativ) ersuchte darauf die Versammlung, Lyttelton anzuhôren, hatte aber mit seiner Bitte ebensowenig Erfolg, wie der Sprecher mit wiederholten derartigen Versuchen. Nunmehr forderte Campbell Bannerman Balfour persönli auf, seine Anfrage zu beantworten. Balfour erhob sich und sagte, es würde ihm un- zweckmäßig geschienen haben, fofort nah Campbell Bannerman zu sprehen, da er doch die späteren, im Laufe der Erörterung noch fol- genden Angriffe nicht im voraus beantworten, aber doch zum Hause

nur einmal \pcechen könne. Er erkläre, er habe nie gehört, daß das

aus sih je geweigert habe, ein Mitglied der Regierung in eizer die L berührenden Frage anzuhören, er habe nie gehört, daß es eine Opposition gegeben habe, die es für ihr Amt gehalten, die Reihenfolge der Redner vorzushreiben. Wenn der heutige Auftritt Nachfolge finden sollte, so würde dies das Parlament zu Grunde richten. Nach diesen Erklärungen des Pretuierministers mate Lyttelton einen neuen Versuch, zum Pause ¿u sprechen, aufs neue aber erhob ih der Lärm. Der Kolonialsekretär fuhr in seiner Rede fort, sie ging aber in dem Tumult völlig verloren. Mac Neill (Ire) rief dem Minister zu: „Schaffen Sie Ordnung im Kulilager !“, während andere Iren ihm s\pöttisch zuriefen : „Rufen Sie die Polizei zu Hilfe!“ und dem Premierminister politische Feigheit vorwarfen. Nachdem dieLärm- zene eine Stunde gedauert, erklärte der Sprecher auf Grund der Geschäftsordnung die Sihung für vertagt, und die Mitglieder verließen das Haus, ohne daß es zu weiteren Zoischen-

fällen kam. Frankreich.

In der gestrigen Sizung der Deputiertenkammer sprach in Erwiderung auf eine Interpellation, betreffend den Ausstand der Polizeibeamten in Lyon, der Minister des Innern Etienne sich tadelnd über den von diesen Beamten bewiesenen Mangel an Dis- ziplin aus. Der Minister billigte die Haltung des Präfekten, versprah aber {ließlich, die Klagen der Beamten wohlwollend prüfen zu wollen, nachdem sie ihren Dienst wieder aufgenommen haben würden. Der Minister- präfident Nouvier führte darauf aus, Ordnung sei überall nôtig, besonders in einer Republik, und keine Regierung dürfe Aufsässigkeit von seiten der Beamten der öffentlihen Macht dulden. Das Haus nahm mit 504 gegen 75 Stimmen eine Tagesordnung an, in der die Erklärungen der Regierung gebilligt wurden. Hierauf wurde die Beratung des Gesehentwurfs, betreffend Trennung von Staat

und Kirche, fortgeseßt. Rußland.

General Lenewitsch telegraphierte unter dem 21. d. M., daß, als am 18. Mai östlich der Eisenbahn eine durch Kavallerie verstärkte russische Abteilung sih dem Dorf Shahotse näherte, sie von Zapanern in beträchtliher Stärke angegriffen wurde, die von den Kohlengruben her, die südlich Shahotse liegen, zur Offen- sive übergingen. Auf der Mandarinenstraße gingen zwei russische Abteilungen, ohne miteinander in Verbindung zu stehen, vor. Die eine stieß auf Widerstano von lapanichernfauterie und Kavallerie, warf sie der Reihe 1ach aus ihren Stellungen und beseßie das Fubta! des -Kaakhe und das Flußtal des Kbonda, westlih von Nanchentse. Die cndere Abteilung trieb die feind- lihen Kavallerievorposten von Tadlou zurü.

Die „St. Petersburger Telegraphen-Agentur“ meldet : Einige Zeitungen berichten, der russishen Regierung seien von ausländischen Kapitalisbn Anerbieten größerer [n- leihen egen Sicherst-llung durch die Ein- nahmen 1: staatlihen Eisenbahnen gemacht worden. Hierzu erklärt das Finanzminsterium, daß erstens ihm solche Anerbieten niht gemacht wowden sind und, daß zweitens das Ministerium weder die Absidt noch das Bedürfnis hat, der artige Anleihen abzuschließen. Ebenso unwahr seien auch ums- laufende Gerüchte, denen zuvolge die Regierung beabsichtige, einige Staatsbahnen Priodgesellscaften zum Betriebe zu übergeben.

S)auien.

Jn Saragossa kame! gestern in der Luna der Kirche del Pilar Ruhestör1ngen vor, die, wie „W. T. B.“ meldet, dadur veranlaßt purden, daß die Nepublikaner den Austritt einer Poren #1 verhindern suchten. Die Polizei und die Bürgergarde schritte®&fin-und nahmen: mehrere Ver- haftungen vor. Hierauf wur die Ruhe wieder hergestellt.

Niederlande.

__ Nach Meldung des „Reutershen Bureaus“ aus dem Haag ist der Spruch des Schiedsgerichts in der Streitfrage zwishen Japan einerseits und Deutschland, Frankrei ch und England andererseits wegen der in den ehemaligen Fremdenniederlassungen erhobenen Gebäudesteuern zu Gunsten der auopRisen Mächte ausgefallen. Der er- kennende Teil des Schiedsspruchs besagt: Die Bestimmungen der Verträge und der anderen in den Protokollen des Schiedsgerichts angeführten Vereinbarungen befreien nicht den auf Grund dauernder Pachtverträge von der japanischen Regierung oder in E Namen abgetretenen Grundbesiß allein, sondern sie befreien außer den Grundstücken auch die Gebäude jeder Art, welhe auf diesen Grundstücken errichtet worden sind oder noch errihtet werden könnten, von allen Steuern, Abgaben, Lasten, Kontributionen oder irgend- welchen Verpflichtungen anderer Art als denjenigen, die in den in Frage stehenden Pachtoerträgen ausdrücklich festgelegt worden sind. Der Vertreter der japanischen Regierung, Bot- hafter Motono in Paris, erklärte vor der Unterzeichnung, seine Meinung stehe mit der der Mehrheit des Schieds erihts- hofes ganz und gar im Widerspru, sowohl was die Be- ns des Schiedsspruchs als - auch das Erkenntnis selbst

etreffe. Türkei.

Nath einer Meldung des „Wiener K. K. Telegr.-Korresp.- ‘Bureaus“ aus Konstantinopel is der Streitfall mit Rumänien beigelegt. Es heißt, daß der ali von Janina dem rumänischen Konsul sein Bedauern ausdrücken werde. Außerdem sollen walahishe Gemeinden Ortsvorsteher threr eigenen Nationalität L können und in Kreis- und Provinzialausshüssen walachishe Untertanen der Pforte Sit und Stimme haben. Für die Errichtung walachisher Schulen sollen Erleichterungen gewährt werden.

Serbien.

Bei der gestrigen Präsidentenwahl in der Sklupschtina wurde, „W. T. B.“ zufolge, nah dreimaligem Wählen, da keine abjolute Mehrheit zu erzielen war, der frühere Präsident Aza Stanojewitsh mit 66 Stimmen rela- tiver Mehrheit gewählt. Er erklärte aber, die Wahl nicht annehmen zu wollen, da er nicht die genügende Autorität für die Leitung der Geschäfte haben würde. Die Re- gierung ues darauf eine Konferenz ab, als deren Ergebnis der Ministerpräsident Pas Mbl dem Könige mitteilte, daß das Ministerium nach der Ab timmung in der Skupschtina nur unter der Bedingung der Auflösung der Skupschtina im Amte verbleiben könne. Nach einer weiteren Meldung aus Belgrad hat das Kabinett Paschitsch die Entlassung eingereiht.

Schweden und Norwegen.

Der König wird am Ende dieser Woche die Negierung wieder übernehmen. Jn seinem Auftrage begibt ch der Kronprinz-Regent am 1. Juni nah Berlin, |[um der Hochzeit des deutschen Kronprinzen beizuwohnen.

Der Reichstag is gestern geschlossen worden. Jn seiner

Schlußrede sagte, wie ,W. T. B.* meldet, der Präsident der zweiten

Kammer, die Trennung ‘werde vielleiht nur kurze Zeit dauern. FiMay erblidckt hierin eine StiBtigung des Gerüchts, daß im Sommer auz N der norwegischen Frage eine außerordentlidhe Tagung des|Reichs, tags stattfinden werde. |

; Afien,

Amtlich wird aus Tokio gemeldet: Am 20. Mai magt

der Feind, bestehend aus über 1 Bataillon Infanterie, |

1 Regiment Kavallerie und 2 CSEEE eine Umgehung von der Nachbarschaft eines 10 Meilen östlich von Changtu gez legenen Kohlenbergwerks nach der 8 Meilen öftli von Changtu gelegenen Höhe von Santaokov und eröffnete um 111/, Uhr Morgens das Feuer. Später erschienen 4 feindliche Geschüße auf der nördlichen e von Chinyangpao. Um 4 Uhx Nachmittags gingen 2 russishe Bataillone von der ôsts lichen Seite des Dorfes vor, wurden aber zur ückgeschla gen, Eine weitere gemishte Truppenabteilung rückte in Ersilipag ein, seßte das Dorf in Brand und zog Rd zurück. Abgese}ene feindlihe Kavallerie griff Tangshed auf dem reten Ufer des Liaoho, 13 Meilen O Fakumen am Morgen des 20. Mai an. Nach zweistündigem Kampf zog sich der Feinb in Unordnung nah Südwesten zurück und ließ 300 Tote und Verwundete zurück. Außer kleineren Zusammen- stößen ist die Lage unverändert.

Nah Meldung der „St. Petersburger Telegraphen: Agentur“ ist Seine Königliche Hoheit der Ring riedri Leopold von Preußen gestern von Urga nah Kiachta ab: gereist, um sih zur russishen Feldarmee zu begeben.

Parlamentarische Nachrichten.

In der heutigen (190.) Sißzung des Reichstags, welcher der Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr, Graf von Posadowsky-Wehner und der Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding beiwohnten, wurde zunächst die zweite Beratung des Gesehentwurfs, be- ia E Ae der Zivilprozeßordnung, fort- ge]eßt.

Abg. Dr. Paasce (nl.): Bevor wir in die Wiederholung der namentliden Abstimmung über die Erböhung der MNevisions\umme eintreten, bitte ih, die Namen derer, die anf leßten Sonnabend die namentliche Abstimmung beantragten, durch das Bureau festzustellen. Ich habe wahrgenommen, daß von den 50 Mitgliedern, die diesen G stellten, einige Draa, Bet der Abstimmung nit zugegen waren,

bg. Bebel (Soz.): Die angeregte Frage hat uns {hon früber beschäftigt, sie ist aber niemals in dem Sinne des Antrags Paascha entschieden worden. Die Namen derjenigen, die den Antrag auf nament- lihe Abstimmung unterzeihnet haben, können ja festgestellt werden. Sollte die Geshäftsordnungskommission sih dafür entscheiden, daß sg verfahren wird, wie Herr Paasche es wünscht, so würde ih nichts da- gegen einzuwenden haben; ich möchte mich nur dagegen verwahren, daß man diesen einzelnen Fall aufgreift.

Abg. Dr. Spahn (Zentr.): Ih möthte nur dem Abg. Bebel

egenüber feststellen, daß es sich hier nicht um ein neues Verfahren bardelt. ch würde dem Antrage des Abg. Paasche zustimmen.

bg. Stadthagen (Soz.): Sollte der Antrag angenommen werden, so würde ih bitten, daß das Bureau auch die Namen ders jenigen Mitglieder feststellt, die am Sonnabend gefeblt haben und die dur ihre Abwesenheit die nochmalige Abstimmung veranlaßt baben, insbesondere au die der nationalliberalen Partei, von der am Sonn- abend nur sehr wenige anwesend waren.

bg. Dr. Ba Tus Die öffentlihe Meinung hat ein Interesss daran, an dem Vorgang eine Kritik zu üben und zu erfahren, daß von 51 Mitgliedern, die den Antrag auf namentliche Abstimmung geftellt haben, nachher ‘/; fehlten. Die Namen der Antragsteller sollten nicht allein im stenographischen Protokoll stehen.

„_ Abg. Bebel: Es handelt sich hier durchaus um ein Novum. Die Sache ist zwar seinerzeit angeregt, aber niht durchgeführt worden. Wir hatten die namentlihe Abstimmung von Fraktions wegen bereits für Freitag beantragt und in der betreffenden Sißung wäre das ers vielleiht beschlußfähig gewesen, wenn niht ein Teil der

tationalliberalen, denen die namentlihe Abstimmung unangenehm war, herausgegangen wäre.

Abg. Dr. Bachem (ateh: Der Antrag Paashe ist keinesw-gs ein Novum. Jch habe {hon bei früheren Gelegenheiten denselben Antrag gestellt und darauf find durch den Schriftführer die Unter- ¿cichner des Antrags auf namentlihe Abstimmung verlesen worden.

Abg. Büsing (nl.): Jh muß es ganz entschieden zurückweisen, daß eine große Anzahl meiner politishen Freunde am Sonnabend den Saal verlassen habe, um dadurch die Beschlußunfähigkeit des Hauses herbeizuführen. Der Abg. Bebel wird genau wissen, daß an der Beschlußfähigkeitsziffer an beiden Tagen ungefähr 50 itglieder gefehlt haben, und unsere Fraktion zählt überhaupt nur 50 Mitglieder.

…_ Abg. Frohme (Soz.): Meine Fraktion hatte si darüber ver- ständigt, die namentlihe Abstimmung zu beantragen. Es konnte aber niemand von uns wissen, in welcher Lin diese Abstimmung er- folgen würde. Das Vorgehen des Abg. Zedée hat nur den Zwedck, na außen einen gewissen Effekt zu machen.

Abg. Bebel: Die Herren täuschen sich sehr, wenn fie glauben, wir hätten irgendwelhe Scheu, daß die Namen der Antragsteller be- kannt würden. Wir verwahren uns nur gegen ein Verfahren, wie es bisher nicht übli war. Die Frage ist allerdings dur den Abg. Bachem zur geit der Zolldebatten hier angeregt worden, weil er glaubte, daß ein Teil der Antragsteller niht anwesend wäre. Es ist ana als ausdrüdlich festgestellt worden, daß dies Verfahren unzulässig sei.

Abg. Dr. Bachem: D diese Behauptung muß ih entschieden Verwabrung einlegen. Die Geschäftsordnungskommission hegte damals große Zweifel, und das Haus hat keine Entscheidung getroffen.

Abg. Singer (Sz): Ich bin fehr erstaunt, daß diese ©is- kussion jeßt stattfindet. ah der Geschäftsordnung ist vor der Ab- Geatts Ie Diskussion nicht zulässig, außerdem hält das nur die

eshâfte auf.

Präsident Eraf von Ballestrem: Nun werde ich mich au einmal aussprehen. Es liegt gar fein AUTag. vor. Der: Abg. Paasche hat mi gebeten, ih möthte doch die Namen der Herren, die den Antrag auf namentlihe Abstimmung gestellt haben, mitteilen. Geschäftsordnungsmäßig steht dieser Verlesung nichts entgegen. Es steht ganz bei mir, ob ih das tun werde oder niht. Da ih jedem Herrn Abgeordneten, der sih innerbalb der Geschäftsordnung bewegt, gern gefällig bin, so: werde ich- dem Wunsche des Abg. Paasche entsprehen. Ein Antrag liegt nicht vor, eine Abstimmung darüber findet nicht statt. Das \teht fest, daß es dem Brauche des Hauses ‘nicht entgegensteht, wenn auch im Hause niht anwesende Mitglieder einen Antrag auf namentlihe Abstimmung unterschreiben. Sie müssen ihn nur eigenhändig unterschrieben haben, darauf habe ih immer ge“ halten. Die Geschäft8ordnungskommission hat nur bestimmt, daß bei Anträgen auf Schluß und Vertagung die Antragsteller anwesend fein müßten. Ob es nun eine erfreulihe Erscheinung ist, daß von 51 Antragstellern, dié die namentlihe Abstimmun beantragen, 42 fehlen, ist ja eine andere Sache. Aber die Gesckäftsordnung sagt über“ diefen Fall nihts, und ih kann dies als Präsident nicht tadeln. Jch habe ja immer die Idee gehabt, taß man die

erren, die den Antrag auf-naméntliche Abstimmung ge\tellt haben,

i der Abstimmung als anwesend betrahten müsse, und wenn sie nicht. gestimmt haben, ols sch der Stimme enthaltend, aber bis jeyt ist die Geschäftsordnung noch niht nach dfeser Seite E worden. Jedenfalls ist es ein harmloser Wunsch, aus dem sih eine so große Debatte entwickelt hat, und ih werde ihm

t vädkottmen. (Dex Präsident verliest darauf die Namen der Mb iragstellor)

Hierauf schreitet das Haus zur Wiederholung der namentlihen Abstimmung. Es werden 203 Stimmzettel abgegeben, davon lauten 119 für, 74 gegen die Erhöhung der

Revisions]jumme von 1500 auf 2500 #4; 10 Mitglieder ent-

halten sich der Abstimmung. Die Erhöhung ist also nah dem Kominissionsvorschlag angen ommen. i - Der 8 547 der Zivilprozeßordnung wird ohne Debatte nah dem Antrag der Kommission dahin geändert, daß die Revision unbedingt stattfindet, „1) soweit es sich um die sa ch- lihe Unzuständigkeit des Gerichts handelt.“ (Das Wort „sachliche“ ist Zusaß der Kommission.) Die Kommission hat dem § 549 ferner folgenden zweiten Absaß r „In Rechtsstreitigkeiten über vêrmögensrechtliche Ansprüche kann die Revision niht darauf gestüßt werden, daß das Gericht seine örtliche Zuständigkeit mit Unreht angenommen hat.“ Abg. Stadthagen bekämpft diese Aenderung, indem er darauf hinweist, daß es dann keine Nemedur gegen irrtümlihe gerichtlihe Verurteilung zur Nachshußpfliht bei gewissen Genossenschaftsformen eben würde. Redner kommt in diesem Zusammenhang auf seine Be- auptung zurück, daß der Agrarierring den Abgang des Senats- präsidenten Hartmann vom Kammergericht veranlaßt habe, und sucht On daß der preußische Justizminister Unrichtiges er- ärt habe.

(Schluß des Blattes.)

Der Schlußbericht über die gestrige Sißzung des An es der Abgeordneten befindet sich in der Dritten eilage.

Das Haus der Abgéordneten erledigte in seiner heutigen (187.) Sizung zunächst eine Anzahl von Petitionen.

Veber eine Petition der Grundstücksbesiger Fürhtenicht und Genossen in Niederschönhausen bei Berlin um Aenderung der Baupolizeiordnung für die Vororte von Berlin geht das Haus auf Antrag der Gemeindekommission mit Nücksiht darauf, daß die Petenten den gleihen Antrag auch bei den Staatsbehörden geflellt haben und daß dieser Antrag dort zur Zeit einer Prüfung unterzogen wird, zur Tagesordnung über.

Eine Petition des Jnnungsverbandes deutsher Baugewerksmeister in Berlin um Aufhebung der Beitritts- und Beitrags- pflicht der Handwerksgroßbetriebe zu den Handels- kammern wird der Regierung zur Erwägung überwiesen.

Eine Petition des Verbandes deutsher Köhe um Anwendung der besonderen Bestimmungen der Gewerbeordnung für Handwerker auf die Köche wird durch Uebergang zur Tages- ordnung erledigt, desgleihen mehrere Petitionen von hannoverschen A um Aenderung der Städteordnung für die Provinz

annover.

Eine Petition der Oberlehrer an den Königlichen höheren Lehranstalten zu Biedenkopf und Marburg Webmeyer, Ewoldt und Armbröster um Anrechnung ihrer Bes äft igung an privaten höheren Lehranstalten, welhe die Berebtigung zur Ausftellung von Zeugnissen für den einjährig-freiwilligen Militär- dienst haben, auf die pensionsfähige Dienstzeit und das Besoldungsdienstalter, E LeTEt die Unterrichtskom- mission binsihtlich der Anrehnung bei der Bemess wud dee Nuhes- gehalts als Material, hinsihtlich der Anrehnung auf das dienstalter zur Erwägung zu überweisen.

Abg. Dr. Lotichius (nl.) empfiehlt das Petitum unter Hinweis darauf, daß der Staat ein Interesse an der Erhaltung solcher privaten Anstalten habe.

Das Haus beschließt nah dem Kommissionsantrage.

Außerdem wird eîne Reibe von Petitionen persönlthen Inhalts ohne Debatte nach den Kommissionsanträgen erledigt.

Es folgt dann die Beratung des Antrags der Abgg. Freiherr von Zedliy und Neukirch (freikons.) und Ge- nossen, betreffend pensionsfähige Zulagen für

Pi

Seminardirektoren, ¿Seminarlehrer und Seminar- lehrerinnen.

Nach dem Staatshaushaltsetat für 1905 sollen zum ersten Male der dienstälteren Hälfte der Lehrpersonen an den Seminaren und Präparandenanstalten nit pensionsfähige Zulagen gewährt werden; sie sollen betragen für die Direktoren 600 M, für die Oberlehrer, ordentlichen Seminar- lehrer und Präparandenanstaltsvorsteher 400 M, für die Zweiten Präparandenlehrer 300 A und für -die Seminar- lehrerinnen 200 A Jnsgesamt sind dafür 219600 M aus-

geworfen. : Die Abgg. Freiherr von Zedliß und Neukirch und

Genossen haben bei der Etatsberatung beantragt, die Er- wartung auszusprechen, daß diese Pagen durh den Staats- haushaltsetat für 1906 pensionsfähig gemacht werden.

ie Budgetkommission, welher der Antrag über- wiesen war, beantragt durh den Berichterstatter Abg.

Winckler, den Antra Moe.

Abg. Freiherr von Zedliß und Neukirch (freikons.): Jh halte dem Kommissionsbeshluß gegenüber meinen Antrag auf- recht und bitte, dem Antrag der Kommission entgegen, meinen Antrag anzunehmen. Die Gründe der Donat tou sind .nicht durhshlagend. Nah der Meinung aller, welche mit dem Seminarwesen vertraut sind, it die Stellen- zulage ohne die Pensionsfäbigkeit eine halbe Maßregel und wird nicht den Zweck erreichen, den Mangel an Seminarlehrern zu beseitigen. Daß die Zulage nicht pensionsfähig gemacht ift, beruht zwar auf einer Vereinbarung z¡wishen Unterrichts- und Finanzverwaltung ; aber in der Regel muß man nach kurzer Zeit doch das geben, was man zuerst versagen wollte; denn jede halbe Maßregel ist unzweckmäßig. Finanziell ist die Sache niht von Bedeutung ; es handelt sich nur um etwa 10 000 M an Pensionen mehr jährli. Wir kennen auch sonst außer der Ostmarkenzulage keine Stellenzulage, die niht pensonefahig wäre. Wir kommen in die Gefahr, daß wir nicht die nötigen Lehrkräfte zur Ausbildung unserer Vols\chullehrer besißen, wenn die Seminarlehrer sehen, daß fie fich shlechter stehen als die Volksschullehrer selbst. Im Interesse unserer Lehrershaft, im Interesse unseres Lehrerbildungs- meeS und unseres ganzen Volks bitte ich Sie, meinen Antrag an- zunehmen.

(Schluß des Blattes.)

efoldungs-

Statistik und Volkswirtschaft.

Ueber die geistigen Fähigkeiten der Knaben und Mädchen.

In einer Versammlung der British Association in Cam- bridge ; erregte ein Vortrag des auch in Deutschland als Verfasser statistischer S NOn bekannten Gelehrten Or. osef von Körössy, Direktors des Statistishen Amtes in Budapest, Aufsehen und zwar niht nur in den Kretisên der Gelehrten, sondern au in der Presse und im. Publikum. Dr. Körössy legte nämlih das Ergebnis einer seit 27 Jahren

dem Verhältnis der geistigen lecht befaßt.

ähigkeiten zum Ges

Diese Statistik scheint vor allem von met odologishem Werte zu

en Und us zu ähnlihen Erhebungen in anderen Städten vielleiht nlaß’ gebén. i :

m Jahré 1873 xegte Dr. Körössy- die Aufnahme dieser Statistik

an und bewog den Stadtrat von Butapest, die Abgabe des nötigen

Materials zu veranlafsen. Seitdem werden alljährlich ausführliche

eführten Statistik ps die sih mit *

Ausweise über alle Shüler der Budapester Kommunalshulen genetert,

Direktor Körössy hat die Daten über 808 305 Schüler aufgearbeitet, sodaß seine Feststellungen einen überaus ernsten ai ane Abwehr der Annahme einer vhysiologish begründeten geistigen inderwertig- keit des Weibes bilden. Die Erhebungen erstreckten sich nah einem in der „Sozialkorrespondenz“ wiedergegebenen Auszuge aus jenem Vortrage auf: Knaben Mädchen 412758 350 382 in 6 Elementärklafsen von 1873— 1899, 14201 20588 in 6 Bürgerklassen von 1899—1902, 2628 5326 in der 4. Klasse der Bürgershule von 1881—1894, 2 208 214 in 8 Gymnafialkflafsen von 1900—1903,

431 795 376 510.

Vor allem konstatiert der Bericht, der demnächst veröffentlicht werden wird, daß von einer angeborenen Minderwertigkeit keine Rede" sein kann, da in der von Dr. Körössys Statistik behandelten Alters- lage vom 6. bis 16. Jahre die Mädchen den Knaben an Fassungs- vermögen überlegen find. Es zeigt sih eine Ueberlegenheit, die im ersten Shuljahre kaum nennenswert ist, aber bis an die Grenze des behandelten Alters stetig und zu auffallender Höhe e S

Die Statistik bewegt sih nah zwei Richtungen. Einerseits zeigt fie, wie sich der allgemeine Schulerfolg der Mädchen zu dem der Knaben verbält, andererseits inwieweit fich in gewissen, und zwar in den hauptsächlichsten Lehrgegenftänden, eine Verschiedenheit des Erfolges bei Knaben und bei Mädchen zeigt. In ersterer Nichtung war die Zahl .der Sigengebliebenen auss{chlaggebend. Da von den 412 758 Elementarschü ern 69422, also 168 vom Tausend, und von den 390 382 Mädchen nur 54 391, also 158 vom Tausend, fißen blieben, ergibt sich, daß hier von einer Minderwertigkeit des weiblihen Ge- s{lechts niht die Nede sein kann. i

Wie diese Ueberlegenheit von Jahr zu Jahr steigt, geht aus der folgenden Aufstellung über die Wiederholenden der einzelnen Klassen hervor. Von je 100 Schülern wiederholten, d. h. wurden nicht verseßt:

Knaben Mädchen

1873—1874 . . 17,8 16,7 1875—1879 . . 17,6 16,2 1880—1884 . . 16,7 16,5 18865—1889 .. . 17,6 16,6 1890—1894 . . 17,2 15,4 1895—1899 . 15,7 14,0.

Die Erbebungen über die Erfolge in Spezialfähern wurden der vierten Klasse der Elementarshulen entnommen, auf deren Ergebnis Dr. Körössy darum das größte Gewicht legte, weil n ach dieser Klasse die großen Verschiebungen bezü lich der weiteren Schuldifferenzierung eintreten, diefe also für die einheitlihen Beurteilungen am günstigsten ist. Von den 172477 in Betracht gezogenen Schülern der 4. Elementarklasse erhielten beste Noten: :

Knaben Mädchen in Muttersprache . 15 494 = 23,6 9% 15.990 == 32,3 0/0 in Arithmetik . 18344 = 28 9% 18 450 = 37,3 9% in Geographie . 9 300 = 29,2 9/% 9491 = 36,9 9/6.

Bis zu dieser Klasse muß die angeführte Statistik mit als Beweis

dafür dienen, daß das Gehirn der Mädchen sich, gleih dem schnelleren

Sun des weiblihen Körpers, rascher entwickelt, als das der naben.

Wenn nun die Statistik der höheren Elementarshulen, der sogenannten Bürgerschulen, eine ganz beahtlihe Ueberlegenheit der weiblichen Intelligenz ergibt, so müssen wir die zahlenmäßig nicht festitellbaren Verhältnisse mit in Betracht ziehen, um die Sache näher zu erklären. Daß von 14201 Bürgershülern und 20588 Bürger- \hülerinnen 840 Knaben und nur 450 Mädchen sigen blieben, oder gar daß in der 4. Klasse beste Noten erhielten: L

Knaben Mädchen

in Mutterspracfe . . 16,7 9% 44,6 9/9 Deutsch . . R d O IEO 39,2 y « Geschichte . e O 47,3 , e Arithmetik . 20,8 7 D,

kann noch nit als absoluter Maßstab einer allgemeinen Ueberlegen- heit der gleichaltrigen weiblichen Jugend über die männliche gelten. Die Mädchen hatten in Pest bis vor einigen Jahren außer der Bürger- schule keine höhere Schule, während ein groner Teil der Knaben in die Gymnasien und Realschulen übergeht, die Bürgerschulen daher die acta E materiell vielleiht s{chlechter stehenden Knaben behalten. irektor Körössy weist auch noch auf einen anderen Umstand hin: Die Bürgerschullehrer find vielfach akademisch gebildet, während die Bügerschullehrerinnen lediglih an Präparandenan/stalten und Seminaren ausgebildet werden. Erstere, meint Körössy, stellten also wohl strengere und größere Anforderungen als ihre weiblihen Kollegen, was \ih in den Noten und Versetzungen widerspiegeln dürfte. ieser Auffassung entgegen wird in der „Sojialkorr.“ betont, daß der eigentliche Scbulplan vorschreibt, was sowohl von Knaben wie von den Mädchen gefordert werden muß, der persönlichen strengeren Auffassung im „Fallealafsen“ alfo viel zu genaue Grenzen gezogen werden, als daß sie so aus\{chlaggebend sein könnte, wie Köröfsy Poraus eni Seit einigen Jahren besißt nun Pest ein Mädchengymnasium. Die Ver- gleiche über die Gymnasialerfolge sind jedoch niht beweisfähig, da die vergleihenden Untersuchungen sich vorläufig erst auf 2208 Schüler und 214 Schülerinnen erstreckten, von denen bei dem Abiturienten- examen 494 = 22,4 9/9 Knaben und 22 Mädchen = 10,3 9/9 durch- fielen; das Gesamtresultat war folge j ymnasiasten Gymnasiastinnen

sehr gut absolvierten . . 283 = 12,8% 44 = 20,6 9/6 gut aDioIbierten:. . . . 012 S 08 = 31,8 , einfah absolvierten. . . 919.= 416, 80 = 37,3 y dUTMgesallen find …. . . 44 = 4. 2 = 103 „.

Daraus kann nur konstatiert werden, daß sich auch da zu Gunsten der weiblichen Studierenden große Verschiedenheiten zeigen; als Beweis darf dieses dürftige Material aber niht verwendet werden.

Köröfsy stand am Anfang seiner Forschung der Frauenfrage ganz objektiv gegenüber, und auch heute glaubt er seine Schlüsse ganz objektiv zu ziehen, indem er {hon in den angeführten Daten eine Ueberlegenheit der weiblichen Intelligenz während der Schuljahre meint wahrnehmen zu können. Er {ließt aber aus dem Umstand, daß „nicht nur in den Wissenschaften, sondern in allen Künsten“ das männlihe Geschleht allein die großen egen getan hat, daß die Entwicklung der

eistigen Fähigkeiten bei beiden Geshlehtern nicht gleihmäßig von tatten gehe. Er neigt zur Annahme, daß beim Weibe die Ent- wicklungsfähigkeit mit Eintritt der Reifezeit aufhöre, während die Leistungsfäbigkeit des männlichen Gehirns, troß eingetretener Reife, fortfahre, sich zu steigern. n :

Der Mangel an Ausbildungsgelegenheit für die Frauen, dem ja erst in neuester Zeit und vorläufig auch noch zögernd abgeholfen wird, wäre wie auch der Bischof von Hereford bei der Diskussion in der British Association hervorhob aber in erster Reibe zu berüdsihtigen. Köröfsy sagt dagegen, daß dieser Mangel kein Entschuldigungsgrund sei, weil das Genie ja keine Schranken kennt und fich Bahn brehen muß, wie es bei vielen männlichen Genies materiellen und sozialen T nen gegenüber zur Geltung gebraht hat. „Kann aber“, fragt die „Sozialkorr.“, „jemand beweisen, daß die im Verhältnis zur Menschheitszahl unendlich kleine Zahl der „anerkannten Genies* den upttetl aller je geborenen Genies bildet? Jst es niht möglich, daß die. sozialen und materiellen Kämpfe unsäglich viel von jener Glut gere haben, die die Kultur um ungeahnte Geisteshäge bereichert hätte? Die an hat aber nicht nur aus ihrem Stand, aus den wirt- | aftlihen Verhältnissen heraus, sondern überdies auch als Ge- 4chlehtswesen zu. kämpfen. Müssen wir also niht annehmen, daß die Mehrbelastung, der Hemmungsübershuß au {huld daran sei, daß ih numerisch von den weiblihen Genies noch weniger durchringen Tonnten als von den männlihen ?" Aber trog dieser Cinseitigkeit des Urteils Körösfys is seine wertvolle Statistik ein bervorragendes Dokument zur Untersuchung der Frage nah dem Verhältnis der geistigen Fähigkeiten der Geschlechter zueinander.

Die Fürsorgeerziebung in Großbritannien und Frankrei.

Für die weitere Entwicklung der Fürsorgeerziehung in Preußen ift es vielleiht von Interesse, über die Fürsorgeerziehung in England und Schottland aus dem neuesten, tem Parlament vorgelegten Berichte *) euge Mitteilungen zu erhalten.

Am 31. Dezember 1903 befanden sich in der Grziehung der Reformatory and Industrial-Schools 22954 Knaben und 4919 Mädchen, zujammen 27 873 Zöglinge. Der Zugang im Jahre 1903 betrug 6323 (gegen 6523 in Preußen im Rechnungsjahre 1903/4), der Abgang 5672. Dabei E beahtet werden, daß der Fürsorgeerziehung in Großbritannien nur Jugendlihe bis zum 16. Lebensjahre über- wiesen werden können, also 2 Jahresklassen weniger als in Preußen.

Die dafür aufgewendeten Kosten beliefen \sch auf rund 11815840 sh. Die jährlihen Kosten eines Zöglings \{chwanken ¡wishen 300 und 440 h. Von den Kosten tragen: der Staat 9 198 900 \h., die Gemeinden 4531 820 h., die Eltern 578 300 \h., freiwillige Beiträge und Vermächtnisse 725 960 h. Die Gesamt- ¡ahl der Erziehungsanstalten für diese Zöglinge beträgt 198.

Dazu kommen noch 24 Day Industrial-Schools, die am 31. De- zember 1903 von 3396 Kindeën besuht wurden und eine Ausgabe von 788 240 sh. erforderten, zu denen der Staat 148 C00 \h., die Ge- meinden 532 340 \h., die Eltern 60 040 sh. beisteuerten. j

Die Bestrafungen der Iugendlichen sind seit dem Jahre 1892 in England von 4036 auf 1081 im Jahre 1902, in Schottland von 718 auf 215 gesunken troy der Zunahme der Bevölkerung. S

Welche Bedeutung diesem Zweige staatlicher Fürsorge für die Jugend beigelegt wird, mag daraus bervorgehen, daß dafür cin eigenes Amt im Ministerium des Innern (Home Department) ein- gerichtet ist, an dessen Spite ein Inspektor steht, dem fünf Gehilfen, darunter eine Dame für die Besichtigung der Erziehungsanstalten für Mädchen, beigegeben sind. Diese Beamten haben jede Anstalt im Jahre zweimal und noch öfter besichtigt und sie auf ihre baulichen Einrichtungen, Verwaltung, körperliche und geistige Pflege der Zöôg- linge, Befähigung der Beamten, Unterricht usw. eingehend geprüft und das Ergebnis für jede Anstalt in den Berichten niedergelegt, \o- daß der Zustand dieser Anstalten sowohl der Kontrolle des Parlaments als au allen Kreisen, die sich für die Jugendfürsorge interessieren, ofen dargelegt wird.

__ Frankreich hat durch ¡wei Gesetze vom 18. und 27. Juni 1904 **) die Fürsorge für die verlafsenen, verwahrlosten und verbre(eriscen Jugendlichen in einer Weise geregelt, die noch weit über den Rahmen der englischen und der deutschen Gesetzgebung hinausgeht. Die Kosten der Erziehung der verlassenen und gefährdeten Jugendlichen werden zu je zwei Fünfteln vom Staat und vom Departement, zu einem Fünftel von den Gemeinden getragen, die Kosten der Erziehung der ver- let sen Jugend von dem Staat und den Departements je zur

älfte.

Zur Arbeiterbewegung.

Nachdem die Schmiedegesellen Berlins und der Um- gegend (val. Nr. 119 d. Bl.) am Sonntag in zwei Versammlungen nah dem Vorschlage der erweiterten Ortsvecwaltung den teilwenen Ausstand besclossen haben, ist die Arbeit, wie die „Voß. Ztg.“ mitteilt, gestern früh überall dort niedergelegt worden, wo die Forderungen nicht unterschriftlich bewilligt sind, und auch bei folchen Arbeitgebern, die wobl die Forderungen bewilligt haben, aber die Unterschrift verweigerten. Fn der ersten Versamms- lung der Ausftändigen, die gestern stattfand, hatten sich bis Mittag 900 Auséständige zur Kontrôlle gemeldet, während etwa 70 bis 80 Arbeit8willige in den noch vom Ausstand betroffenen 460 Betrieb:n zu verzeihnen waren. Jn 100 Betrieben, die die Forderungen unterschriftlih bewilligt haben, arbeiten 400 Gehilfen zu den neuen Bedingungen. Soweit bekannt geworden, wollen fh die Innur, en von Charlottenburg und Nixdorf den Beschlüssen der Berliner Schmiede- innung anschließen.

Cin Ausstand der Holzarbeiter in Magdeburg, der zehn Wochen gedauert hat, ist, der „Magteb. Ztg." zufolge, am Sonntag dur Vergleih beendet worden. Es gilt dana für die Woche eine Arbeitszeit von 56 Stunden; für die Arbeitéstunde wird ein Lovn- zushlag von 3 „S gewährt. Diese Vereinbarung soll bis zum 31. März 1908 in Kraft bleiben.

In Heilbronn sind, wie die „Frkf. Ztg.“ meldet, die Maurer eins{ließlich zahlreiher italienisher Arbeiter in eine Lohnbewegung eingetreten. Sie wollen in den Ausstand treten, wenn ihre Forderung eines Stundenlohns von 48 4 nicht bewilligt wird.

Aus St. Gallen wird demselben Blatte telegraphiert: Die Arbeiterunion vertagte den allgemeinen Ausstand und beshloß eine Demonstration vor dem Regierungsgebäude und dem städtisWen Rathaus. (Val. Nr. 120 d. Bl.)

Der Ausstand der Eisenbahnbediensteten im französishen Departement C orrèze (vgl. Nr. 116 d. Bl.) dauert, wie ,W. T. B.“ meldet, fort, doch wird der Dienst mit Unterstüßung von Pionieren aufrechterhalten. Die Lage ift gleihwohl niht unbederklih, da au die Arbeiter der Metallindustrie sowie diejenigen sämtlicher Waffenfabriken des Departements mit Ausstand droben.

In Lyon stimmte, dem „W. T. B.“ zufolge, eine von 700 Polizisten besuhte Versammlung gestern für die Fortseßung des Ausstandes (vgl. Nr. 119 d. Bl.). Gleichzeitig wurde beschlossen, an den Präfekten eine neue Abordnung zu senden, welche die Forderungen der Polizisten vertreten sol. Man glaubt, daß der Ausstand ncch heute beendet werden wird.

Der Ausstand der- Fuhrleute in Chicago (vgl. Nr. 120 d. Bl.) nimmt, wie dem ,W. T. B.* von dort telegraphiert wird, wieder an Ausdehnung zu. '

Kunst und Wissenschaft.

In der Menzel-A usstellung in der Nationalgalerie sind die legthin noch ausftehenden Werke des Künstlers, der berühmte Cexcle- Kaiser. Wilhelms 1. und das fkoloristisch äußerst reizvolle „Boudoir“ aus Wormser Privatbesitz eingetroffen. Die dritte Auflage des Katalogs ift um einen Nachtrag von über 1200 Nummern vermehrt worden, sodaß jeßt fast 7000 Werke Menzels in ihm verzeichnet sind. Der Na@trag ist für die Besitzer der früheren Auflagen um 20 4 käuflich. Für die große Zahl der Menzelverehrer sci nochmals auf die für eine ruhigere Betrachtung am günstigsten gelegenen Nahmittacstunden von 2—4 Uhr und A die Dienstage bingewiesen. Ein großer illustrierter Katalog, der die Abbildungen sämtlicher Oelbilder, Aquarelle, Guaschen und Pastelle enthalten foll, die in der Aus- stellung zu sehen waren, ist in Verbereitung und wird in wenigen Wechen erscheinen.

A. F. In der Maisißung der Berliner Gesellschaft für Anthropologie berichtete der Profefsor Dr. Lissauer, der als Ver- treter der Gesellshaft am Internationalen arhäologishen Kongreß in Athen teilgenommen hatte, über die dort empfangenen Eindrücke. Besonders die Ergebnisse der kretensishen Ausgrabungen übertreffen alle Erwartungen: Eine Kultur von hoher Entwicklung an der Schwelle der Metallieit, anscheinend fogar zurückreideud in die neolithische Zeit, sodaß die allgemeine Ansicht der Besuher war, weitere Ausgrabungen in den Königs- palâsten zu Knossos würden noch wichtige Aufschlüsse über diesen Mittelpunkt einer ältesten, von Asien und Aegypten her bes fruhteten Kultur erbringen, die um mehrere Jahrhunderte als vor- mykenisch zu gelten hat. Professor Lissauer nahm unter der Fülle

*) Forty-Seventh Report for the Year 1903 of the In- spector of Reformatory and Indusetrial-Schools. Presented to both Houses of Parliament. j

**) Ein Abdruck dieser französishen Geseße is als Aulaoa der im preisen Miniftetium des Innern bearbeiteten „Statistik über die Fürforgeerziehung Minderjähriger und über die Zwangserziehung Jugendlicher für das Rechnungsjahr 1903“ (Abschnitt B S. 62 ff.) beigefügt.