den deutshen Unternehmern und den deutschen und preußischen Fabrikanten mit seiner Rede keinen guten Dienst geleistet hat. -
Minister für Handel und Gewerbe Möller: :
Auf die Fragen des Herrn Freiherrn von Durant aus dem Kom missionsberihte möchte ih hier nur das eine berichtigen, daß von einer Streichung der Arbeiter als Wahlberehtigte oder als Wählbare nicht die Nede sein kann, lediglih weil er gestreikt hat, sondern nur, wenn er, z. B. infolge des Streiks und des Kontraktbruhs, aus der Beleg- schastsliste, das heißt der Arbeiterliste, gestrichen ist. Jch meine das au in der Kommission klar hervorgehoben zu haben; da aber noh Zweifel bestehen, glaubte ih dies hier noch ausdrücklih konstatieren zu follen.
Oberbürgermeister Schmieding: Ich bin ein Gegner aller drei Vorlagen. Ih würde es nicht sein, wenn in einer ab- lehnenden Haltung diesen Geseßentwürfen gegenüber eine Stellung- nahme gegen das gesamte Staatsministerium und die Fest- stellung zum Ausdruck käme, daß das Herrenhaus zu ihm und namentlich zu dem Reichskanzler nicht mehr das volle Ver- trauen besäße. Um mir keinen Vorwurf zuzuziehen, will ih dies gleih hier feststellen. Meine ablehnende Stellung gründet sich auf meine Erfahrungen im Nuhrrevier, während des Streiks. Der ganze Streik war nach meinen Beobachtungen vorbereitet dur das Wirken einer zügellosen Presse, die eine Umkehrung der ganzen Nechtsanschauungen bewirkt hat, welche die Arbeitgeber nicht mehr als die Herren der Werke betrachtete, sondern die Arbeiter auf ihnen als die Befehlenden ansah. ie Stellung der gesamten Arbeiterschaft war mehr eine materiell-wirts{aftlihe, die auf höheren Lohn und kürzere Arbeitszeit ausging; aber ausgegangen war die Be- wegung von der Sozialdemokratie. Als die Bewegung zuerst bei uns in Gang kam, nahm sie ihren Anlaß aus einem verhältnis- mäßig geringfügigen Ereignis auf der Zehe Bruchstraße ; sie hat sich dann ausgedehnt — und leider sind auch die Christlich- Sozialen ihr beigetreten — und ergriff \{ließlich die gesamte Arbeiter- chaft. Es war notwendig, irgend ein Mittel der Dämpfung zu finden. Der Minister sandte seine Kommissare hin. Jch halte diese Sendung für durchaus verfehlt. Es erschien mir auch unrichtig, aus- zusprechen, daß durch das Uebergreifen des Streiks auf die gesamte Industrie maßloses Unglück entstehen konnte. Wenn eine \olhe Be- wegung entsteht, muß man die Konsequenzen tragen; greift man ein, so wird naturgemäß dieses Eingreifen von der einen Partei so ge- deutet werden, daß es auf dem Unrecht der anderen Partei beruht. So ist es in unserer Gegend auch gewesen. Wir haben da den Eindruck gehabt, daß das Eingreifen zu Gunsten der Arbeiter geshah, obwohl feine Gründe dafür vorlagen. Es wurde eine Vorlage versprochen, mitten in der Zeit der Auf- regung. Ich glaube ja, daß man über dieses Geseß {hon seit 1889 vorberiet ; aber dem muß doch entgegengehalten werden, daß in den Akten seitdem ein großes Material gesammelt sein mußte, und daß dieses, wenn man es wieder herausholen wollte, ers von neuem ge- prüft werden mußte, um {ließlich zu einer verständigen Geseßgebung zu kommen. Ich halte für h dieses Versäumnis nachzuholen, wenn diese Vorlage zu Falle kommen sollte, und dann mit einer völlig durhgearbeiteten Vorlage an uns heranzutreten. Ich würde das für kein Unglück halten. Was mi hauptsächlich gegen das Geseß Front zu machen bestimmt, ist die Rücksiht auf die Sozial- demokratie. Sie ist die Hauptgefahr, die uns entgegensteht. Unter dem Drucke dieser Forderung wollen Sie jeßt dazu kommen, ein folches Geseß ins Leben zu bringen; Sie werden damit das Ansehen der Sozialdemokratie heben und die Bewegung der nichtsozial- demokratischen Arbeiter zurückdrängen. Als der Minister sich ents{chloß, mit den Arbeiteraus\{üssen über die Beilegung des Streiks zu ver- handeln, hat diese Verhandlung zu absolut keinem Ergebnis geführt. Die Arbeitsdelegationen sind mit ihren Vorschlägen zu den Beleg- haften zurückgekehrt und sind da zum Teil gar niht als wirkliche Vertreter der Arbeiter anerkannt worden ; diese Ausschüsse haben si also in Kriegszeiten niht bewährt. Die Arbeiter können sich ja mit ihren Klagen an die Staatsbeamten wenden, ohne daß es zur Kenntnis der Zechenbesizer kommt. Das sind im wesentlichen die Gründe, die mich gegen das Gesetz bestimmen. Wenn der Minister sagt, es seien keineswegs unerträgliche Zustände in den Bergwerken gewesen, fo soll das doch wohl heißen : sie waren immer noch sehr {limm. Jh muß das entschieden bestreiten. Der Minister des Innern hat sich über- zeunt, daß die Bergleute im großen und ganzen doch in einer recht lücklihen Arbeitslage sind. Man hat davon gesprochen, daß der Berri Standpunkt der Bergwerksbesißzer niht zu billigen sei. Auch dagegen muß ich Protest einlegen. Auf die Verhandlungen mit Delegierten einer politishen Partei konnten sih die Arbeitgeber nicht einlassen. Der Vorstand des Bergbaulichen Vereins is voll- kommen forreft verfahren. Ich werde gegen die ganze Vorlage stimmen.
Ministerpräsident, Reichskanzler Fürst von Bülow:
Meine Herren! Ich möchte vor allem meinem Bedauern darüber Ausdruck geben, daß ih dur dringende Besprehungen davon abgehalten worden bin, der heutigen Debatte von Anfang an beizuwohnen. Dieses mein Bedauern bezieht sich nach dem, was ih gehört habe, vor allem auf die hervorragenden Ausführungen des von uns allen gleih hochverehrten Grafen Botho zu Eulenburg, Ausführungen, deren Grundzüge und Ziele mit meinen politischWen UÜeberzeugungen übereinstimmen. Die Darlegungen auch der anderen Herren, die heute das Wort ergriffen haben, scheinen so anregend und interessant ge- wesen zu sein, daß die Versuchung für mich nabe liegt, auf die mannigs- fachen zur Sprache gebrachten Fragen näher einzugehen. Wenn ih mich dessen enthalte, so geschieht dies vor allem, weil ih den Gang der Debatte nicht aufhalten möchte. Anderseits habe ih sowohl in diesem hohen Hause wie im Hause der Abgeordneten manche, vielleiht die meisten der heute entwickelten Bedenken und Zweifel zu widerlegen mich bemüht und möchte nicht in Wieder- holungen verfallen. Ich werde mih deshalb auf einige kurze Be- merkungen beschränken.
Die Bedenken auch des Vorredners, des Herrn Schmieding, gegen die Bergarbeiternovelle haben sich weniger gegen die einzelnen Bestimmungen dieses Gesetßentwourfes gerichtet als gegen seine Gesamttendenz, und namentlich gegen seine Zweckmäßigkeit im Hinblid auf den Zeitpunkt der Einbringung. Selbst Herr Schmieding hat die Gefährlichkeit der einzelnen Be- stimmungen der Arbeiternovelle nicht in den Vordergrund geschoben. Den Kernpunkt feiner Ausführungen bildete die Auffassung, daß es ih bei diesem Streik überhaupt nicht um einen wirtschaftlichen, sondern um einen rein politishen Kampf gehandelt hätte; die Arbeitnehmer wären im vollsten Unrecht und die Arbeitgeber durhaus im Recht ‘gewesen. Meine Herren, ih glaube, daß der geehrte Herr Vorredner damit in denselben Fehler verfallen ist, den man gerade von seiner Seite während des Streiks und nicht ganz mit Unrecht der öffentlihen Meinung gemacht hat. Es ift einseitig, es ist nicht objektiv, in diesem Falle die Arbeitgeber als völlige Engel hin- zustellen, die in der frivolsten Weise bedroht und angegriffen worden wären. Ebensowenig wie ih jemals die Schuld und den Kontrakt- bruch der Arbeitnehmer verteidigt oder beshönigt habe, kann ih zu- geben, daß bei diesem Streik das Verhalten der Arbeitgeber ganz einwandsfrei gewesen wäre und sie den Streik nicht hätten vermeiden fönnen. Im übrigen, meine Herren, habe ih auch sonst kein Hehl
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daraus gemacht, daß ih manche Bedenken verstehe, die gegen die Vor- lage erhoben worden sind. Aber die Gründe, welche die Annahme, die unveränderte Annahme der Ärbeiternovelle politisch nüßlih und politis notwendig erscheinen lassen, überwiegen doch bei weitem. Es handelt sich darum, eine von der Königlihen Staatsregierung nun ein- mal gegebene Zusage einzulösen, das Vertrauen der monarchisch ge- sinnten Bergarbeiter auf den Schuß des Staates und in seine Macht nit zu ershüttern, die Autorität der Staatsgewalt aufrecht zu er- halten. Es handelt sich darum, daß das hohe Haus, wie es das Ab- geordnetenhaus {on getan hat, zeigt, daß es große sozialpolitische Aufgaben lösen kann, daß es der Sozialdemokratie keine Triumphe gönnt und ihre Vorausfagen Lügen strafen will. Das wird — und darin stehe ich gerade auf dem entgegengeseßten Standpunkt wie der Herr Vorredner — nit durch die Verwerfung, sondern durch die Annahme der Vorlage erreicht werden. Daß in unserem bedeutendsten Montanbezirke die Verhältnisse auf ein geseßgeberisches Eingreifen hin- drängen, das, meine Herren, hat erst vor wenigen Tagen ein Blatt hervorgehoben, dem weder \{wächlihe Nachgiebigkeit gegenüber der Sozialdemokratie, noch besondere Vorliebe für gewagte sozialpolitishe Experimente nachgesagt werden kann. Die „Deutsche Tageszeitung“ führte vor einigen Tagen aus, man könne den Anlaß bedauern, der zu der Zusage an die Bergleute geführt habe; unbestreitbar aber sei, daß Mißstände vorhanden wären, welhe der Remedur bedürften. Diese Mißstände wollen wir in Preußen und mit der preußischen Landes8geseßgebung beseitigen. Herr Vopelius hat an mi das Er- suchen gerihtet, ih möchte die Erklärung abgeben, daß das Bergreht weder direkt, noch durch Einfügung in die Gewerbe- ordnung zum Gegenstand der Reich8geseßgebung gemacht werden soll. Ich habe sowohl in diesem Hause wie im Hause der Abgeordneten niemals einen Zweifel darüber gelassen, wie lebhaft die Königliche Staatsregierung wünscht, das Bergrecht der preußischen Landesgesect- gebung zu erhalten. Jch habe mih in demselben Sinne mit großem Nachdruck auch im Reichstag ausgesprochen. In diesem ihrem Be- streben muß die Königliche Staatsregierung aber auch von den beiden Häusern des Landtages unterstüßt werden. Wenn Herr Vopelius die Berggeseßgebung dem preußischen Landtag erhalten will, möge er für die Bergarbeiternovelle timmen, das ist der sicherste Weg dazu. Es handelt sih darum, daß das hohe Haus den festen Willen zeigt und der Königlichen Staatsregierung die Möglichkeit bietet, die Berggesetz- gebung, wie fie wünscht und anstrebt, der preußischen Landesgesetz- gebung zu erhalten. e Meine Herren, es kann keinem Zweifel unterliegen, daß die Berg- arbeiternovelle eine hochpolitisde Angelegenheit geworden ist und daß ihre Annahme oder Ablehnung von politischer, niht nur von \ozialpolitischer Tragweite ist. Sie hat unter langwierigen, s{chwierigen und mühsamen Ver- handlungen im Hause der Abgeordneten zu meiner Genugtuung eine Gestalt gewonnen, mit der die Königliche Staatsregierung noch einverstanden sein kann. Weitere Abschwähungen würden nah Lage der Dinge das Seitern der Vorlage bedeuten und damit die höchst unerwünschten politischen Konsequenzen nah si zichen, die ih, wie ih glaube, ge- nügend angedeutet habe. Herr Freiherr von Manteuffel hat bei der ersten Lesung Bergarbeitervorlage am Anfang dieses Monats an die hohe Aufgabe erinnert, die diesem Hohen Haus für eine wahrhaft staatserhaltende, von Tageéëströmungen und Parteirücksihten nicht beeinflußte Politik geseßt ist. Gewiß, der Augenblick is gekommen, wo das Herrenhaus zeigen sfoll, daß es dieser Aufgabe gewachsen ist. Dieses hohe Haus wird diese Session, diese fruhtbare Session des Landtages, welche alte und gefährliche Mißverständnisse endlih beseitigt und für das Gemeinwohl {ädliche Gegensäßze überbrückt hat, nicht mit einem Mißton {ließen lassen. Es wird den ruhigen Gang der preußischen Politik und der allgemeinen Politik des Reides nicht in vielleiht verhängnisvoller Weise hemmen und \tören. Ich bin der zuversichtlihen Hoffnung, daß das Herrenhaus auch diesmal den rechten Weg finden, daß es, seinen staatserhaltenden, monarchischen, konservativen Traditionen folgend, in dieser wichtigen und ernsten Frage der Königlichen Staatsregierung seine Unterstüßung nit verweigern wird. Dann wird es sih wiederum um das Vaterland wohlverdient mahen. (Lebhaftes Bravo!)
Freiherr vonLandsberg - Steinfurt (s{chwer verständlich) : Jh gehöre der Provinz an, in der der Ausstand entstanden ist, und kann be- zeugen, daß bei der Arbeiterschaft der Eindruck allgemein vorherrs{ht, daß die Vorlage auf das Drängen der Arbeiterschaft, die in den Streik trat, erfolgt ist, und diese Tatsache ist sehr bedauerlich. Jn der Tendenz, die die cristlihen Bergarbeitervereinigungen ver- folgen, stehen sie durhaus der Sozialdemokratie gleich. Ihre Organe und ihre Versammlungen erklären gleihfalls die Novelle für durhaus ungenügend; auch fie haben zum preußischen Landtage kein Vertrauen, sondern fordern reihsgeseßliche Regelung; sie erwarten, daß die Regierung im Reichstage von den arbeiterfreundlihen Parteien gedrängt werde, ein genügendes Bergarbeitershußgeseß vorzulegen. (Redner verliest eine Anzahl entsprehender Zeitungsnotizen.) Jch kann nit glauben, daß das Vorgehen der Regierung irgendwie der Sozialdemokratie und ihren Tendenzen entgegenwirken wird. Erfreulih ist mir die Ueber- einstimmung, in der ih mich bei der Veurteilung der Vorlage mit dem Prof. Niehues und mit dem Oberbürgermeister Shmieding befinde. In der landwirtschaftlihen Bevölkerung if natürlich wenig Sympathie für diese Bevorzugung der Bergarbeiter anzutreffen. Wenn der Handelsminister erklärt, die jezige Vorlage reihe in ihren Anfängen bis 1889 zurüdck, fo ist \chon mit Recht gefragt worden, warum man erst jeßt darauf zurückgriff, warum man nit, wenn sie son 16 Jahre in Vorbereitung war, noch ein Jahr länger warten konnte, um dann mit einer gründlich vorbereiteten Arbeit an uns heranzutreten. Die Berufung auf die öffentlihe Meinung hat ihre zwei Seiten ; die öffentlihe Meinung wird meistens in Berlin gemacht, oder sie wider- \spiegelt nur die Auffassung über eine bestimmte Angelegenheit in einer bestimmten Gegend. In diesem Falle is die öffentlihe Meinung absolut in die Irre gegangen, wie Hecr v. Burgsdorff {on in der ersten Lesung überzeugend nachgewiesen hat. Durch das Eingreifen der en die Frag nur eine neue Schwierigkeit entstanden. Wir
der
können die Frage jeßt nur vom Standpunkt des kleineren Uebels entsheiden. Wie die Sachen nun einmal liegen, {eint es meinen politishen Freunden das Richtigere, aus allgemeinen politischen Er- wägungen für die Vorlage zu stimmen ; aber wir tun das unter dem großen Bedauern darüber, daß eine eingehende Prüfung der Sache niht mehr mögli ist. 2 Oberbürgermeister Becke r- Cöln: Der Vorredner ist nah einer sharfen Kritik doch zur Annahme der Vorlage gelangt ; Herr Schmieding hat diese Konsequenz nicht gezogen, er steht aber unter seinen Meneen mit dieser Auffassung ziemlih vereinsamt. Nach meiner Meinung ist sowohl der Einwand mangelnden Bedürfnisses, wie die Befürhtung, daß die Annahme der Vorlage die S massenhaft in die fozialdemokratishen Reihen treiben würde, unbe- ründet. Die Vorlage kann nur als äußerst maßvoll und nach jeder ihtung als unbedenklich erachtet werden, die in ihren Wirkungen
weit übers{ätßzt wird. In der Kommission hat Fürst Stolberg mit-
eteilt, daß sein Vater {hon Arbeiteraus\{chüsse eingeführt babe z; sh durchaus bewährt hätten. Die Stadt Cöln h 4 die thren sämtlihen Betrieben obligatorische Arbeiteraus\{üsse, » ebenfalls zu Beanstandungen keinen Anlaß gegeben babey Es hat au noch fein Gegner der Ausschüsse nahgewiesen, daß fe {chädlich gewirkt hätten. Warum soll man sie also nicht einführen) Bringen fie die Vorteile nicht, die wir von ihnen erwarten, so baben wir doch wenigstens alles getan, um künftigen Streiks vorzubeugen Und {ließli liegt doch die Möglichkeit vor, daß bei Ablehnung der Vorlage der Reichstag die Sache aus eigener Jnitiative in Angrif nimmt, und das wollen wir doch alle, wie wir au sonst zu der Nor. lage stehen, vermeiden, um die Autorität des Staates aufrechtzuerbalten Ich bitte Sie, in möglichst großer Anzahl für die Vorlage zu stimmen,
Graf von Mi r ba ch (zur tatsählihen Berichtigung) : Ich bedauere das unkorrigierte Stenogramm der Nede des Herrn von Boettither niht zur Hand zu haben. Soweit mir erinnerlich, hat Herr voy Boetticher Ausführungen gegen gewisse Machinationen, die seinerzeit im Reichstage gegen das Alters- und Invaliditätsgeseß im Gange waren, gemaht. Man konnte diese Ausführungen so verstehen, als fie sich au gegen mih wendeten. Herr von Boetticher hat mir abe ausdrücklich erklärt, daß er mi niht gemeint hat.
Staatsminister von Boetticher: Jh werde Herrn Grafey von Mirbach mein unkorrigiertes Stenogramm zur. Verfügung {tellen Er wird daraus entnehmen, daß ih seinen Namen nicht genannt habe und ih bin deshalb vollständig mit ihm darin einverstanden, wenn e diese meine Aeußerung nit auf sich bezieht.
Damit schließt die Generaldiskussion.
_JIn der Spezialdebatte referiert Herr von Burgsdorff L über Art. 1 (Beseitigung des Wagennullens, Geld; trafen und deren Verwendung, Arbeiterausshüsse).
Der Entwurf in der Fassung des anderen Hauses bestätigt als ständige Arbeiterausschüsse u. a. die bereits vor dem 1. Jz; nuar 1892 errichteten ständigen Arbeiteraus\hüsse, deren Mit: glieder in ihrer Mehrzahl von den Arbeitern aus ihrer Mitt: gewählt werden.
Herr von Buch-Karmzow beantragt, „vor dem 1. Januar 1892“ zu streichen.
Herr von Durant beantragt, die Vorschrift, daß die Ausschüsse in unmittelbarer und geheimer Wahl gewält werden sollen, dahin zu ändern, daß die Worte „in unmittelbarer und geheimer Wahl“ gestrihen werden sollen; ein Antrag dez Grafen von Roon will das Wort „geheimer“ durch „öffent: licher“ erseßen.
Graf vonRoon: Ich habe zu denen gehört auf unserer Seite, die gehofft haben, die Vorlage würde eine annehmbare Gestalt erlangen, diese Hoffnung hat mich getäuscht. Jn der veränderten Situation vermag ih der Vorlage nur zuzustimmen, wenn das politis bedenk. lihe Moment der geheimen Wahl ausgeschieden wird. Das all, gemeine gleiche, direkte und geheime Wahlrecht, besonders das geheime, war das größte Unglück, das unser Land betroffen hat, seine Ein- führung war der s{chwerste politishe Fehler ; dieses Wahlrecht ift von den großen Arbeitermassen in der unheilvollsten Weise auf Ver- anlassung der Sozialdemokratie gemißbraucht worden. Da kann id mich niht entschließen, hier wiederum großen Arbeitermassen geseßlid das geheime Wahlrecht zu geben. Bewiesener- und zugestandenermafen wird dieses Wahlrecht seit Jahrzehnten zu den grundstürzendsten Agita- tionen benußt. Glücklicherweise hat Preußen, das fast ganz im Deutschen Reiche aufgegangen ist, doch noch einige gute partikulare Eigentümlichkeiten behalten, die auch fkonserviert werden müssen, und dazu gehört das öffentlihe Wahlverfahren. Ich kann meiner]eits es niht übers Herz bringen und werde, wenn mein Amendement nicht angenommen wird, zu meinem großen Bedauern gegen das ganze Ge- seß stimmen müssen. Das Amendement Durant entspricht ja aller- dings auch meinem Standpunkt, weil in ihm au das Wort „geheim“ niht vorkommt ; eventuell würde ih dafür stimmen können, da dann
die Frage ofen bleibt.
Oberbürgermeister Becker: Ih möchte umgekehrt zu Gunsten des geheimen Wakblrechts ein paar Worte sazen. Es handelt sd hier niht um Volkswahlen, sondern um Spezialwahlen für cinen be- stimmten Zweck. Für solche Wahlen haben wir {on jeßt fast durchweg das geheime Wahlrecht. Bürgçermeister , Beigeordnete, Statträte werden geheim gewählt, die Wahlen in den Provinzial- ordnungen find geheim. Hier hat die geheime Wahl noch den Vorzug, daß sie geheim bleibt auch den Arbeitsgenofsen gegenüber.
Herr von Bu ch- Karmzow : Ich bin ein Gegner des Gesetzes und werde auch dagegen stimmen, aber man muß sich in solchen Fällen ein Bild davon mawhen, ob die Folgen der Annahme des Gesetzes gefähr liher find als der Schade, den die Ablehnung der Autorität der Regierung zufügt. Nah meiner persörlihen Meinung überwiegen die Gefahren des Gesetzes. Da aber die Annahme des Gesetzes ry der shwerwiegenden Bedenken dagegen gesihezt erscheint, möchte i dazu beitragen, einzelne Gefahren, die in dem Geseßentwurfe liegen, zu beseitigen. Ich bin ein Anhänger der freiwilligen Arbeiterauss{Üüse, die im böcbsten Grade fegensreih gewirkt haben. Es war auch ein Fehler der Arbeitgeber in Rheinland-Westfalen, solche nicht rechtzeitig freiwillig gebildet zu haben, und au ein Fehler der Regierung, nicht red tzeitig in diesem Sinne auf die Arbeitgeber eingewirkt zu haben. Nun sollen alle nach dem 1. Januar 1892 gebildeten freiwilligen Arbeiter- aus\hüsse beseitigt werden, eine immerhin niht ganz kleine Anzahl, in denen teilweise Beamte Vorsißende sind. Mit der Auflösung wird un- nüß in bestehende friedlihe Verhältnisse eingegriffen. Daß an dieser Bestimmung die Einigung zwischen den beiden Häusern des Landtags scheitern sollte, kann ih nit glauben.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Der Herr Antragsteller hat aus den Verhand- lungen der Kommission {hon hervorgehoben, daß das Objekt, um das es sih hier handelt, ein vergleihsweise unbedeutendes ist. Jch habe damals in der Kommission nur über diejenigen Aus\{hü}sse Auskurft geben können, die nah 1892 gebildet sind. Ich kann ergänzend jeßt noch cine Frage beantworten, die ih in der Kommission nicht be antworten konnte, weil ih erst eine Statistik darüber aufstellen lafsen mußte. Es sind im Bergbau bis 1892 im ganzen 41 den gesetzlichen Erfordernissen entsprehende Aus\chüsse mit 81000 Mann gebilde! worden ; dann ist nach 1892 nur noch eine Neubildung erfolgt au! 23 Werken, aber zum großen Teil sehr kleinen Werken, mit insgesamt 9000 Arbeitern, sodaß insgesamt augenblicklich bestehen: 64 geseßzmäßige Ausschüsse mit 90 000 Arbeitern. Meine Herren, die Bedeutung des Antrags ist also nit sehr erheblih, und es ist die Frage, ob das hohe Haus zu einer Aenderung \{hreiten will, die, wie der Herr Vorredner richtig hervorgehoben hat, vielleiht nicht die Ge- fahr involviert, daß in dem Abgeordnetenhaus Schwierigkeiten ent- stehen könnten, die aber infofern eine Gefahr bedingt, als die Beschluß- unfähigkeit des Abgeordnetenhauses eintreten könnte. Ich mötte also bitten, wenn tunlich in Bestätigung dessen, was der Herr Minister- präsident gesagt hat, die Geseßvorlage unverändert anzunehmen. Die Geringfügigkeit der Bedeutung der Aenderungen, um die es sich hier handelt, muß do davon abhalten, immerhin ein gewisses Risiko nod dur die Annahme dieses Antrags zu übernehmen.
Oberbürgermeister Be ck er: Wenn der Inhalt des Antrages im Geseg f\tände, so würden wir niht das geringste Bedenken haben. Man soll aber doch nicht dieses höch# wichtige Gese einer so unter geordneten Frage wegen in Frage stellen.
(Swhluß in der Zweiten Beilage.)
die Worte
git; vor dem Landtags\{luß verhandeln zu müssen.
zum Deutschen Reichsanzeiger und Königli
M 151.
Zweite Beilage ch Preußishen Staatsanzeiger.
Berlin, Donnerstag, den 29. Juni
1905.
(S(hluß aus der Erften Beilage.)
Professor Loen ing: Die nah 1892 gebildeten Arbeiteraus\{chü}e sind ja im großen und ganzen nah denselben Normen zustande gekommen, die dieses Geseß vorschreibt.
, Nachdem Herr von B u ch und Oberbürgermeister Be cker noh einmal ihre Ansicht vertreten haben, wird der Antrag von Buch mit knapper Mehrheit abgelehnt.
Graf von Roon: Es ist doch ein großer Unterschied, ob es sich bei der Poi n Wahl um kommunale Angelegenheiten handelt, die mit der Politik nichts zu tun haben, oder ob großen Arbeitermassen das geheime Wahlrecht gegeben werden foll, die st{ch von der Sozial- demokratie beeinflussen lassen, der sih leider auch Tausende von crist- lichen Arbeitern anschließen. Die Institution der geheimen Wahl würde hier zum ersten Male in Preußen durch Gesetz sanktioniert werden. Man ist nun son seit Jahren Schritt für Schritt vor der Sozial- demokratie zurückgewichen und hat ih in eine \{chmachvolle Defensive treiben lassen. Vas Hohenloheshe Arbeitswilligengeseß ist dur die Umsturz- und Judenpresse sofort als Zuchthausgeseß gebrandmarkt und nit einmal einer Kommissionsberatung für würdig erahtet worden. Das hat sih leider Gottes damals die Regierung gefallen lassen. Gott sei Dank haben wir jeßt einen Reichskanzler, der bei jeder Gelegen- heit der Sozialdemokratie entgegentritt. Aber zu geseßgeberischen Laten hat fi das bis jeßt niht verdihten können. Wenn ih auch anerkenne, daß folhe augenblicklich nicht zulässig sind, so sehe ih do nit ein, warum wir nah der entgegengeseßten Seite Schritte tun müssen. Diesen ersten Schritt, das allgemeine geheime Wahlrecht in Preußen zum Gescß werden zu lassen, mae ich nicht mit. Wir wollen uns unser gutes Preußen dadurch nicht auch noch verruinieren lassen. Die Arbeiteraus|chüfse sollen ebensowenig Politik treiben, wie die Kommunalverwaltungen.
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Gegenüber dem Herrn Grafen Roon wollte ih nur hervorheben, daß es sich hier nicht um die Neueinführung des geheimen Wahl- rechts an einer Stelle handelt, wo es früher niht bestand, sondern lediglih darum, eine Bestimmung aufrecht zu erhalten, die bereits in dem Berggeseß von 1892 für die Wahl der Ausshüsse aus- gesprohen war.
Professor Loening: Daß auch eine politische Wahl geheim vorgenommen wird, ist altes preußishes Necht. Ein großer Teil der Mitglieder dieses Hauses ist vom Könige berufen worden auf Prä- sentation von Verbänden, durch die sie durh geheime Wahl gewählt sind. Die unbedingte Vorausseßung dafür, daß der Arbeiteraus\{chuß eine gute Wirkung ausübt, ist die, daß er in einer Weise gewählt wird, durch die er das Vertrauen der Arbeiter haben kann. Es ist zweifellos: wenn die Ausschüsse öffentlich zu wählen sind, so werden sie entweder nicht zustande kommen, weil die Arbeiter sih nicht be- N oder wenn sie zustande kommen, werden sie nit das ge- ringste Vertrauen der Arbeitershaft haben. Dur die öffentliche Wabl stellen Sie die Arbeiter entweder unter die Kontrolle des Arbeitgebers oder des sozialdemokratishen Agitators. Lehnen Sie also beide Anträge ab; diese würden alles Gute, das das Gesetz bringen kann, beseitigen, ja das ganze Geseß in Gefahr bringen.
Herr von Wedel-Piesdorf: Bei der öffentlißen Wahl lann größerer Cinfluß. geübt werden, und es fragt \ich nur, ob mir der Einfluß erwünscht ist. Bei den Reichstagswahlen is mir ein Einfluß auf die große Masse der Wähler erwünscht, und deshalb bedaure ih, daß wir dabei nicht die öffentlihe Wahl haben. Anders ist es aber bei den Arbeiteraus\{chüssen. Hier werden bei der geheimen Wahl die Arbeiter vor dem Terrorismus der Sozialdemokratie ge- hüßt und es wird wenigstens die Möglichkeit geboten, daß ein Teil bon ihnen seiner eigenen Ueberzeugung folgt. So sehr ih gegen die geheime Wahl bei den Reichstagswahlen bin, hier bin ih für die geheime Wahl.
Graf von Roon: Auch bei den Reichstagswahlen wird der Terroriémus der Sozialdemokratie geübt. Die Arbeiter wagen gar niht anders zu \timmen, und es ist eine Illusion, daß wir durch die geheime Wahl zu besseren Arbeiteraus\{hüfsen kommen könnten. Wir haben das Unheil der geheimen Wahl lange genug ausgehalten und wollen niht mehr auf uns herumprügeln lassen. Die beste Parade isl der Hieb; gehen wir endlich zum Angriff vor, hoffentlih auch noch auf anderen Gebieten. Wir müssen lediglich im Interesse unseres geliebten teueren Vaterlandes uns entschließen.
Herr von Buch: Das geheime Wahlreht können wir allerdings uus dem Berggeseß niht mehr beseitigen, aber ih meine, der Antca QVurant trifft das Richtige. Dann kann in der Arbeitsordnun lad E TILIGER Bedürfnissen öffentlihe oder geheime Wahl festgeseßt verden.
Oberbürgermeister B e ck e r: Wenn Herr von Buch das geheime Wahlrecht im Berggeseß anerkennt, des er auch niht für den Antrag Durant stimmen, der die Entscheidung in das freie Er- nesen der Arbeitgeber stellt und fortgeseßte Differenzen herbei- hren wird.
Der Antrag des Grafen von Roon wird abgelehnt.
, Freiherr von Durant befürwortet seinen Antrag damit, daß ne folhe Verbesserung einem großen Teil des Hauses die Annahme s Geseßes wesentlih erleihtern würde. Allerdings befinde sih das
errenhaus wieder einmal in der peinlichen Lage, ein wichtiges Gesetz Es würde aber
êin Schade sein, wenn der Landtag noch eine kurze Zeit zusammen- balten würde. Sein Antrag lasse wenigstens die Möglichkeit offen, le Offentlihe oder geheime Wahl zu wählen. Der Antrag des Freiherrn von Durant wird abgelehnt. ie Vorlage wird darauf in ihren einzelnen Teilen unver- dert sowie in der Gesamtabstimmung im ganzen mit über- Negender Mehrheit angenommen. Die dazu eingegangenen ‘elitionen werden für erledigt erklärt. Das Haus geht über zu der von Herrn von Burgsdorff ngebrahten Resolution: edie Königliche Staatsregierung zu ersuchen, sobald als möglich und mit allem Nachdrucke Maßregeln zu ergreifen, welche geeignet find insgs
ist das öffentlihste Interesse, und wir kommen in Verlegenheit, wenn die Arbeiter im entscheidenden Moment versagen. Gegen die Arbeitsniederlegung nah einer Kündigung ist nihts zu sagen, aber die Arbeit is gerade in Westfalen oft ohne Kündigung niedergelegt worden, und das ist eine Rechtswidrigkeit. Es ist mir nicht eingefallen, wie die demokratishe Presse mir vorwirft, das Koalitionsrecht an sich als unmoralisch anzusehen, aber auf rehts- widriger Basis kann ein Recht nit konstruiert werden. Hier treibt uns nit Privatinterefse, sondern nur das des Gesamtwohls und das des Königtums in Preußen. Geht die Reise so weiter wie bisher, so de- gradiert man die Krone Preußens. Das. preußische Herrenhaus wird es aber dahin nicht kommen lassen; hier tut Eile not und Energie not, hier liegt periculum in mora.
Justizminister Dr. Schönstedt:
Meine Herren! Jch glaube, es wird kaum jemand in diesem hohen Hause sein, der niht der Tendenz des Antrags des Herrn Dr. von Burgêsdorff wohlwollend gegenüberstände; es wird niemand hier sein, der niht das Bedürfnis anerkennte, gegen einen rehtswidrigen Kontraktbruch, insbesondere da, wo öffentliße Interessen berührt werden, stärkere Shußmittel zu suchen und zu finden, als sie nach der bestehenden Gesetzgebung gegeben sind. Ebenfowenig wird in diesem Haufe die Absicht, die in der Resolution an zweiter Stelle zum Ausdruck gebracht worden is, daß ein stärkerer Schug der Arbeitswilligen herbeigeführt werden möge, an sich auf irgend- welhen Widerspruch stoßen. Aber, meine Herren, troßdem stehen der beantragten Resolution nicht unerhebliße Bedenken entgegen, und ih halte mich für verpflichtet, auf diese Bedenken zu- nächst vom juristishen Standpunkt aus aufmerksam zu machen.
Es werden von der Königlihen Staatsregierung Maßregeln verlangt, die das Ziel, das die Resolution sch gesteckt hat, erreihen sollen. Diese Maßregeln können nur geseßz- geberishe Maßregeln sein; auf dem Gebiete der Verwaltung läßt sfih das, was die Resolution will, niht erreichen. Da fragt es sih nun an erster Stelle: ist die Landesgesetzgebung oder nur die Neich2gesezgebung ¿zu einer derartigen geseßlihen Regelung zuständig? Nun glaube ih mit voller Bestimmtheit die Bebauptung aufstellen zu dürfen und aufftellen zu müssen, daß das, was hier ver- langt wird, im Rahmen der Landesgeseßgebung nicht erreiht werden kann. Die Gewerbeordnung hat \sich mit der Frage der Arbeits- einstellungen und ihrer Strafbarkeit in den §8 152 und 153 be- \chäftigt und hat im § 152 ausdrücklich die Bestimmung aufgestellt :
Alle Verbote und Strafbestimmungen gegen Gewerbetreibende, gewerblihe Gehilfen, Gesellen oder Fabrikarbeiter wegen Ver- abredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn- und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittels Einstellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben.
Die Anwendbarkeit dieser Bestimmung au auf Bergarbeiter ist im § 154 a der Gewerbeordnung ausdrücklih ausgesprochen.
Nun kann man, meine Herren, darüber im Zweifel sein, ob dieser § 153 alle Vereinigungen und Verabredungen zur Erzielung besserer Arbeitsbedingungen, also auch folche, die auf eine rechtswidrige Ein- stellung der Arbeit hinauslaufen, im Auge hat oder nur die An- wendung geseßlich zulässiger Mittel {hüßen will. Die Meinungen darüber gehen auseinander. Eine weit verbreitete Meinung geht dahin, daß jede Art der Arbeitseinstellung zum Zwecke der Erlangung besserer Arbeitsbedingungen durch diese Bestimmung der Gewerbe- ordnung für \traflos habe erklärt werden sollen. Diese Meinung hat angesehene Autoritäten zu ihren Vertretern. JIch kann nur erinnern an den Kommentar des früheren bayerischen Ministers Land- mann zur Gewerbeordnung, der auf Grund der Entstehungsgeschichte des Gesetzes diese Auffassung vertritt. Ih gebe aber ohne weiteres zu, meine Herren, daß diese Frage als eine zweifelhafte angesehen werden und daß man darüber vershiedener Meinung sein kann. Aber, meine Herren, gerade auf dem Gebiete des Bergrechts liegt die Sache anders, und für dieses Gebiet ist der Antrag doch zunächst beabsichtigt und gewollt. Wir haben nämli in der preußishen Gesetzgebung eine Strafbestimmung wegen Kontraktbruchs der Bergarbeiter ge- habt. Das Geseß vom 21. Mai 1860 über die Beaufsichtigung des Bergbaus und das Verhältnis: der Berg- und Hüttenarbeiter ent- hielt im § 18 eine Bestimmung dahin, daß derjenige, welher ohne geseßlihen Grund eigenmächtig die Arbeit verläßt, mit Geldbuße bis zu 20 Talern oder verhältnismäßiger Gefängnisftrafe zu bestrafen sei. Diese Bestimmung hat zu Recht bestanden bis zum Jahre 1869, bis zur Einbringung der Gewerbeorduung für den Norddeutschen Bund. Der von den verbündeten Regierungen vorgelegte Gesezentwurf zur Gewerbeordnung überging sie mit Stillshweigen; fiewürde also in Kraft geblieben sein, wenn der Entwurf, wie er eingebracht war, Geseß geworden wäre. Im Reichstag wurde aber dem Entwurf eine Bestimmung eingefügt, durh welhe sämtliche Strafbestimmungen wegen Kontraktbruchs aufgehoben wurden. Der so Gese gewordene § 154 Abs. 2 der Gewerbeordnung für den N orddeutshen Bund hebt ausdrücklih diejenigen Bestimmungen auf, welche Bergarbeiter wegen groben Ungehorsams, beharrlihßer Wider- seßlichkeit oder wegen Verlassens der Arbeit mit Strafe bedrohen. D amit hat die Reich8geseßgebung sich der Sache bemähtigt, und es ist anerkanntes Recht, daß, wenn die Reichsgeseßgebung innerhalb
steht auch dem Arbeiter fend Denn die Kohlengewinnung
1) die rechtswidrige Auflösung des Arbeitsvertrages, besondere da, wo ein öffentlihes Interesse obwaltet, unter
Strafe zu stellen; i 2) der Aufforderung durch Wort oder Schrift zu rechts- rbeitsvertrages entgegenzutreten ;
„, widriger Auflösung des Arb ; 3) den Arbeitswilligen denjenigen Schuß zu teil werden zu
lassen, auf welchen sie einen berechtigten Anspru haben.“
Dr. von Burgsdorff: Die Resolution ist das Korrelat für nhe Bestimmung in dem Gesetzentwurf, und ein großer Teil des ses wird für das Gese in der Voraussezung gestimmt haben, die Resolution angenommen wird. Für die Einbringung der Resolution en mih bestimmt das öffentlihe Interesse und die Rechtswidrig- en, die vielfa zu Tage getreten sind. Der Bergbesißer wird bestraft, n er den öffentlihen Jnterefsen zuwider handelt, eventuell wird das Bergwerkseigentum entzogen. Auf derselben Basis be-
ihrer Zuständigkeit, die auf diesem Gebiete niht bestritten werden kann, geseßgeberisch eine Materie zu regeln unternommen hat, dann der Landesgesezgebung der Weg verschlossen ist. Allerdings findet sich die Be|timmung, die ich soeben erwähnt habe, niht mehr in der gegenwärtig geltenden Gewerbeordnung; sie ist bei der Neu- redaktion des § 154 durch die Novelle vom 17. Juli weggelassen worden. Dies is aber ohne Bedeutung für die vorliegende Frage. Wenn nah dieser Richtung ein Zweifel bestéhen könnte, so würde er dadurch erledigt, daß in der Begründung der Novelle von 1878 ausdrücklich gesagt ist: Diese Bestimmung sei niht aufgenommen, weil fie überflüssig geworden sei; die älteren landesrechtlihen Straf- vorschriften seien eben beseitigt und könnten in der früheren oder
wenn das Neichsgeseß ihre Unzulässigkeit niht ausdrücklich wieder hervorhebe.
Damit, meine Herren, is für die Landesgesezgebung der Weg niht mehr gangbar, der hier beshritten werden sollte, und es bleibt nur der Weg der Neich8gesetßgebung.
Nun will ich mich niht darüber áuslassen, ob die Be- shreitung des Weges der Reichsgesezgebung an und für sch Aussicht auf Erfolg verspriht, ob sie. opportun wäre oder nicht; das sind Fragen, die außerhalb des von mir vertretenen NRefsort- standpunktes liegen; aber auf eins glaube ich doch hinweisen zu müssen, nämlich darauf, daß wenn Sie für diese Frage die Neichs- geseßgebung in Anspruch nehmen wollen, Sie sich in Widerspruch setzen mit der Auffassung, die, wie ich glaube, übereinstimmend von allen Parteien geteilt wird und beute wiederholt lebhaften Ausdru gefunden hat, daß nämlich auf dem Gebiete der Berggesetgebung die Landes- geseßgebung \sich nicht vom Reih hereinred-n lassen solle; daß die Regelung der bergrechtlihen Verhältnisse der Landesgeseßgebung reserviert bleiben müsse und die Neich8gesezgebung dafür unter keinen Umständen in Anspruch genommen werden dürfe. In einen folchezn Widerspruch würden Sie dh, wie _ich glaube, seßen, wenn Sie dieser Resolution Folge geben. Dasfelbe gilt, meine Herren, für dea Schug der Arbeitswilligen. Herr Graf von Roon hat \{chon den verunglüdckten Versuch erwähnt, den die verbündeten Regierungen vor einer Reihe von Jahren gemachi haben, einen stärkeren Schuß der Arbeitswilligen herbeizuführen. Es mag ja niht ausges{lossen sein, daß ein solher Versu wiederholt wird; ich weiß nicht, ob er bessere Aussihten auf Erfolg haben würde als damals. Aber, ich kann auch hier nur wiederholen : soweit es sich um den Schuß Arbeitswilliger auf dem beschränkten Gebiet des Bergwerksbetriebs handelt, da würden Sie durch An- nahme der Resolution sich în Widerspru segen mit Jhrer sonstigen, heute zum Auédruck gebrachten Auffassung über die für das Gebiet des Bergrehts anzurufenden geseßgeberischen Faktoren. Nun bin ich der Meinung, daß eine politische Körperschaft, wenn sie eine Re- solution beschließen will, doch nur dann dazu übergeben sollte, wenn sie mit einiger Wahrs{heinlihkeit auf etnen praktischen Erfolg rechnen kann. Jst diese Frage zu verneinen, so ist es, möchte ih glauben, nit opportun, die Staatsregierung mit einer Resolution zu belasten, mit der sie nihts anfangen kann, und die {ließlich das so bäufig beklagte Schicksal so vieler Resolutionen teilen müßte," das unter Umständen wie die vorliegenden unabwendbar ist. Aus diesem Grunde kann ih, obglei ich wiederhole, daß ih persönlich den Ausgang8punkt des Antrages von Burgsdorff als be- rehtigt anerkenne, nur bitten, der Resolution Jhre Zustimmung zu versagen und sie nicht durch Mehrheitsbeschluß der Regierung zu unterbreiten.
Oberbürgermeister Becker: Die Resolution s{eitert {hon an der rehtlihen Schwierigkeit. Mit der Tendenz bin ich und wohl das ganze Haus einverstanden. Die Resolution hat aber außer dem juristischen noch das sozialpolitische Bedenken gegen \ich, daß in Arbeiterkreisen noch mehr Unzufriedenheit geshaffen würde, als fie hon vorhanden A Dies Gesey soll doch Beruhigung und Befriedigung herbei- führen. |
_Hrhr. von Manteuffel: Ich habe gegen das Geseß gestimmt, weil es lediglich Unheil anrichten wird. Ich stimme jeßt für die Mefsolution, weil die Arbeiter mit der Resolution zufrieden sein können, nämli die guten und arbeitêwilligen Arbeiter, auf die wir Gewicht legen. i;
Grafvon Hohenthal-Dölkau: Ich sche die Resolution als Korrelat zu dem eben angenommenen Geseßz an. Es ist notwendig und an der Zeit, daß das Rechtsberoußtsein in unserem Volke wieder einmal gestärkt, daß die Arbeitswilligkeit noch mehr als bisher ge- hüßt wird. Gerade die christlich-monarchisch gesinnten Arbeiter- organisationen müssen wir gegen den fozialdemokratishen Terrorismus einigermaßen zu s{üßen suhen. Jene Organisationen haben ohnehin mit den größten Schwierigkeiten zu kämpfen, und es ist sehr bedauerlih, daß ein Teil der Presse ihre Bestrebungen als womöglich noch \{limmer hinstellt als die sozialdemokratischen. Die Delegiertenversammlung des Verbandes evangelischer Arbeiter- vereine hat neulich in Breslau ausdrüdcklich resolviert, daß der Miß- brauch des Koalitionërechtes unter Strafe gestellt wird.
Professor Loening legt für seine Person Protest auch gegen den Inhalt der Resolution ein, die Herr von Burgsdorff vorgeschlagen hat. Bei Massenstreiks sei der Staat gar nit in der Lage, die geseßlihen Strafandrohungen auch wirklich durchzuführen; wie solle gegen mehrere hunderttausend Streikende event. das Strafverfahren durchgeführt werden? Der leßte große Streik im Nuhrrevier sei ver- laufen, ohne daß die Arbeitswilligen auch nur im geringsten behindert worden wären.
Die Resolution wird in ihren drei Nummern ange- nommen; für die Nr. 3 stimmt auch ein erhebliher Teil der Neuen Fraktion.
Es folgt der mündlihe Bericht der 17. Kommission über
das Zechenstillegungsgeseß (Betriebszwang).
Minister für Handel und Gewerbe Möller:
Meine Herren! Ich habe im Anschluß an die Verhandlungen der Kommission über diesen Gesetzentwurf, die in der Kommission abgebrochen worden sind, hier eine Erklärung abzugeben.
In der Kommission des Herrenhauses habe ih ebensowohl wie im Abgeordnetenhause in Uebereinstimmung mit dem Herrn Finanz- minister erklären müssen, daß es bei dieser Geseßzesvorlage zwet Punkte gäbe, mit denen das Gesetz steht oder fällt; das ift einmal die Beibehaltung des Zwangsbetriebes in dem Geseß und andererseits die Einfügung der geldlihen Verantwortlichkeit des Staates an Stelle der im Entwurf vorgesehenen Haftung des Bergwerksbesißzers für die Aktion aus diesem Gesetz.
Meine Herren, ungeachtet dieser Erklärung ist der Antrag, die Streichung des Zwangsbetriebes, in der Kommission einstimmig angenommen worden. Ich habe daraufhin in der Kommission erklärt, daß ich meinerseits beim Staatsministerium auf Grund dieses Be- \{lu}ses, der, wie ih dana nicht zweifelte, dem der Mehrheit dieses hohen Hauses entsprechen würde, die Zurückziehung der Vorlage beantragen würde. Das Staatsministerium hat diesem Antrag bei-
t sih mein Vorschlag, denn das öffentlihe Interesse be-
anderen Gestalt auch dann nit wieder in Geltung gebracht werden,
gestimmt, und ich bin in der Lage, auf Grund Allerhöchster Er-