1884 / 274 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 20 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Nichtamtliches. Deutsches Neéich.

Preußen. Berlin, 20, November. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen heute den General- Lieutenant Loewe, Commandeur der 31. Division, wohnten demnächst dem Gottesdienst im Dome bei und eröffneten um 1/2 Uhr im Weißen Saale des Königlihen Schlosses in Allerhöchsteigener Person den Reichstag.!

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz kehrte mit Sr. Majestät dem Kaiser und König gestern Abend 71/4 Uhr aus Letßlingen hierher zurü. i i

Jhre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin traf um Mitternaht, von München kom- mend, in Berlin ein. v eda

Am 17. Novewber d. J. verschied hierselbst nach längeren Leiden der Geheime Ober- Regierungs-Rath und vortragende Rath im Ministerium des Jnnern, Kapitular des Domstifts zu Brandenburg, Hermann Carl Friedrich von Lebbin.

Den 15. April 1821 zu Trawpe bei Soldin geboren, trat er im Jahre 1843 als Auskultator in den preußischen Staatsdienst. Fm Jahre 1846 wurde er zum Regierungs- Referendar, 1851 zum Regierungs: Assessor ernannt ; im Jahre 1863 erfolgte seine Beförderung zum Regierungs-Rath. 1866 in das Ministerium des Jnnern berufen, wurde er im Jahre 1869 zum Geheimen Regierungs-Rath, 1870 zum vortragenden Rath und 1874 zum Geheimen Ober-Regierungs-Rath ernannt. Durch die Gnade Sr. Majestät des Königs, dem er in unerschütterliher Treue ergeben war, wurde ihm in seinem leßten Lebensjahre ferner noch die Ernennung als Kapitular des Domstifts in Brandenburg zu Theil. Den Zwecken des Johanniter-Ordens, welchem er als Rechtsritter angehörte, hat er ein lebhaftes Jnteresse gewidmet. Er besaß den Rothen Adler-Orden 11. Klasse mit Eichenlaub und den russischen St. Stanislaus- Orden II. Klasse.

von Lebbin ist während seiner 18 jährigen Thätigkeit in dem Ministerium des Fnnern hauptsählich mit der Bearbei- tung der Personalien der allgemeinen Verwaltung betraut ge- wesen und hat dieses umfangreiche Referat, namentlih au während der Ueberleitung der preußishen Verwaltung in die im Jahre 1866 neu erworbenen Landestheile und während der Durchführung des Geseßes über die Organisation der

allgemeinen Landesverwaltung mit dem ihm eigenen Takt und Geshick wahrgenommen. Mit scharfem Verstand und umfangreihem Wissen vereinigte er schnelle Auffassung und hervorragende Gewandtheit.

Durch seine dienstlihe Stellung zu pcrsönlihem Verkehr mit einem großen Kreise von Beamten berufen, hat er es sich unablässig angelegen sein lassen, namentlich die jüngeren Beamten mit seinem Rath und seiner Erfahrung zu unter- stüßen, und stets ein volles Verständniß für die Bedürfnisse des Beamtenstandes- gezeigt. Seinen Mitarbeitern ist er ein entgegenkommender, liebenswürdiger Kollege, seinem ausge- dehnten Freundeskreise ein immer willkommener, anregender Genosse gewesen. Sie alle werden ihm ein freundliches An- denken bewahren.

Der Bundesrath genehmigte in der gestern unter dem Vorsiß des Wirklichen Geheimen Raths, Staatssekretärs Dr. von Schelling stattgehabten Plenarsißung den Entwurf zum Etat der Reichsshuld für 1885/86, den Entwurf eines Geseßes wegen Feststelung des Reichshaushalts-Etats für 1885/86 und den Entwurf eines Geseßes, betreffend die Auf- nahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Re:hs- heeres, der Marine und der Reichs-Eisenbahnen. Zum Schluß wurde über die geschäftlihe Behandlung von Eingaben Be- luß gefaßt.

Der Kaiserlihe Gesandte am Königlich niederlän- dishen Hofe, Graf von Bismarck-Schönhausen, hat sih nah Berlin begeben, um an der bevorstehenden Eröff- nung und den nächsten Berathungen des Reichstages Theil zu nehmen. Während seiner Abwesenheit fungirt der Lega- tions-Sekretär Graf von Pourtalès als interimistischer Geschäftsträger.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich württembergische Wirkliche Geheime Kriegsrath von Horion, ist von hier wieder abgereist.

Der General-Lieutenant Loewe, bisher Commandeur der 16 Jnfanterie-Brigade, ist aus Veranlassung seiner Be- förderung sowie Ernennung zum Commandeur der 31. Division zur Abstattung persönliher Meldungen auf einige Tage hier angekommen.

Eine Vertragsvereinbarung zwischen einer Stadtgemeinde und einer Person (physischen oder juristischen), wonach die Stadt dieser Person Befreiung von den Kommunalsteuern zusichert, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, 11. Civilsenats, vom 14. Oktober d. J., im Geltungsbereih der preußishen Städteordnungen für die ses östlihen Provinzen, Westfalen und Rheinland, von den Jahren 1853 und 1856, selbst wenn diese Vereinbarung als Gegen- leistung in einem onerosen Vertrage getroffen worden, geseßlich unzulässig und völlig unwirksam. Ebenso unwirksam sind Vertragsbestimmungen, durch welche das geseßliche Verbot der Steuerbefreiung umgangen werden soll.

Württemberg. Der König und die Königin sind, laut Meldung des „W. T. B.“, gestern früh in N izza ein- getroffen.

Meck&Flenburg-Schwerin. Schwerin, 19. November. (Medl. Anz.) Die Großherzogin Alexandrine und die Großherzogin Marie haben si heute Mittag zu mehr- tägigem Aufenthalt nach Berlin begeben, um die dortselbst am morgigen Tage auf der Durchreise nah St. Petersburg eintreffende Großfürstin Maria Paulowna von Ruß- [land zu begrüßen.

Schwarzburg - Nudolstadt. Rudolstadt, 17. No- vember. (Leipz. Ztg.) Dem hier versammelten Landtage des Fürstenthums sind u. A. folgende Vorlagen zur Be- rathung und Beschlußfassung zugegangen: 1) der Staats- haushalts:-Etat für die Finanzperiode 1885/87, 2) die Haupt- Landeskassen- und Landeskreditkassen-Rehnungen für 1882 und 1883, 3) ein Geseßentwurf, die Feststellung des Prozent- saßes sür die zu erhebende Grund- und Gebäudesteuer be- treffend, u. s. w. Der Landtag hat einige kleinere Vorlagen

{ bereits erlediat. Die Budgetvérhandlungen werden vom all- gemeinen ZJynteresse getragen, da es als sehr wünschenswerth und als für die Entwickelung der Jndusirie des Landes un- umgänglich nothwendig angesehen wird, daß die Ober- und Unterherrshaft endlih Eisenbahnen erhalten; bisher genießen fast nur die Residenz und die angrenzenden Gebiete diese Wohlthat.

Oesterreich-Ungarn. Pest, 18. November. (Wien. Abdp.) Der Finanz-Ausshuß des Abgeordneten- hauses erledigte in seiner heutigen Sißung das Budget des Finanz-Ministeriums. Jm Laufe der Berathung unterbreitete der Finanz-Minister eine Zusammenstellung sämmtlicher auf das Steuerwesen bezüglihen Normen und Verordnungen mit dem Bemerken, daß diese Zusammen- stellung auch dem Abgeordnetenhause vorgelegt werden würde. Bei dem Titel „Rechtsgebühren“ erwiderte der Minisler ¿E e Frage des Abg. Uagxon, woher der Rücstand von 25 Millionen stamme, daß er große Aufmerksamkeit auf die Eintreibung der Rückstände verwende, die übrigens bercits in Abnahme begriffen seien. Bei Be- rathung des Titels „Budapester Staatsbrücen“ betonte Abg. Wahrmann, daß der hauptstädtishe Verkehr durch die hohen Mauthgebühren gedrückt werde. Der Minister erkannte hierauf an, daß die bestehenden Verhältnisse, insbesondere bei dem Transporte geistiger Flüssigkeiten, unbillige seien, doch befasse er sich mit der Frage, die zugleich eine wichtige Geldfrage sei. /

«In der nächsten Sizung wird über die in Schwebe be- lassenen Posten und über die allgemeine Finanzlage diskutirt werden.

19, November. (W. T. B) Die Session der ungarischen Delegation ist heute nach Verlesung der sanktionirten Beschlüsse und nachdem der Präsident im Namen der Delegation den Dank für die beruhigenden und befriedigenden Erklärungen der Regierung ausgedrückt hatte,

geschlossen worden.

Großbritannien und Jrland. London, 18. November. (Allg. Corr.) Die „Pall Mall-Gazette“ weiß über den in Aussicht gestellten Kompromiß zwischen der Regie- rung und dem Oberhause Folgendes mitzutheilen : 1) Die Behauptung des „Standard“, daß die Regierung christlich auf ihr Verlangen nah angemessenen Versicherungen verzichtet hätte, ist unrichtig. 2) Die Regierung hatte, ehe die Unterhandlungen zu einem befriedigenden Abschluß gebracht wurden, Versicherungen erhalten, die sie als angemessen be- trachtet. 3) Zwischen Lord Salisbury und Mr. Gladstone wird in Kurzem eine Zusammenkunft stattfinden, um die

Details der Neueintheilungsvorlage zu vereinbaren. 4) Diese Vorlage wird auf folgende Prinzipien basirt sein: a, die

Vertretung soll auf der Bevölkerungsbasis geregelt wer- den; þ. Trennung von städtishen und ländliten Wählern ; c, Städte, deren Einwohnerzahl unter 10 000 ist, sollen in die Grafschaften aufgehen; d, Städte mit einer Einwohnerzahl! von zwischen 10000 und 25000 sollen mit benachbarten städtischen Bevölkerungen gruppiri werden ; e. keine Stadt mit weniger als 25 000 Einwohnern soll eine entschiedene Vertretung haben; f. große Städte, die zu mehr als zwei Vertretern berechtigt sind, sollen in Wahlbezirke eingetheilt werden, von denen jeder einen Abgeordneten wählt. 6) Die Wahlreform-Vorlage soll vom Oberhause vor Weihnachten angenommen werden. 7) Wenn die Vorlage für die Neu- eintheilung der Wahlkreise in einem der beiden Häuser ver- worfen wird, wird die Regierung entweder zurücktreten oder das Parlament auflösen. Ein gestern ausgegebenes parlamentarisches A ften- süd enthält die Fnstruktionen, welhe dem General- Major Sir Charles Warren als Spezialkommissar für Betshuanaland ertheilt worden ist. Derselbe wird darin aufgefordert, durch alle geeigneten Mittel die Mitwirkung der vtegierungen des Orange-Freistaates und der südafrika- nischen Republiken nachzusuhen und zu erlangen „zur Er- haltung des Friedens und der Sicherheit in Betshuanaland sowie zur allgemeinen Wohlfahrt und zum Fortschritt der Bevölkerung des Landes“, Das Schriftstück fährt fort: „Der allgemeine Zweck hrer Mission besteht darin, die Freiveuter aus Betschuanaland zu entfernen; die Ordnung in dem Gebiete wiederherzustellen; die Eingeborenen in ihre. Län- dereien wiederum einzusezen; solhe Maßregeln zu er- greifen, die nothwendig sein dürften, um fernere Beraubungen zu verhindern; und endli das Land beseßt zu halten, bis dessen fernere Bestimmung entschieden ist. Als Spezial-Kom- missar werden Sie unter der Leitung des Gouverneurs der Kapkolonie und Fhrer Majestät Ober-Kommissar in Südafrika, Sir Hercules Robinson, stehen, der indeß ersucht werden wird, Jhnen in lokalen Angelegenheiten ein sehr weites Feld der Diskretion einzuräumen, Sie werden natürlich klar ver- stehen, daß Fhrer Majestät Regierung dem beigestimmt hat, daß die Kap-Minister sih zuvörderst bemühen, eine friedliche Beilegung der Schwierigkeiten in Montsioa's Land zu erzielen, Und daß aktive militärische Operationen nicht beginnen dürfen, bis eine angemessene Frist verstrichen ist; Sir H. Nobinson hat angedeutet, daß 6 Wochen erforderlih sein dürften. Jhrer Majestät Regierung hofft aufrichtig, daß die Kap-RNegierung im Stande sein möge, eine derartige Regelung vorzuschlagen, die mit Ehren angenommen werden kann; aber es liegt auf der Hand, daß, falls dies unglückliherweise mißlingt, keine Zeit verloren werden sollte, aus dem Protektorat diejenigen zu entfernen, die dessen Unabhängigkeit verleßt und die Ländereien der unter unserem Schußte stchenden Chefs mit Beschlag belegt haben. Die Kap-Regierung hat erklärt, daß falls Jhre Mission erfolgreich ist sie in der Lage zu sein denkt, dem Kolonial-Parlament gleich nach dessen Zusammentritt einen Plan für die Regierung des Landes, vorbehaltlich dessen Einverleibung in die Kolonie, zu unterbreiten, Sollten ihre Erwartungen sich verwirklihen, dann wird es eine Frage zur Erwägung für Sir Hercules Robinson, nah vorgängiger Be- rathung mit Jhnen sein, ob Sie die Obhut über das Protektorat fortsezen sollen, bis die nothwendigen Maßregeln für dessen Uebernahme von dem Kap-Parlament angenommen worden sind. Wenn andererscits die Einverleibung des Ge- bietes in die Kolonie für jeßt sich als unpraktisch erweisen sollte, dann wird es nothwendig werden, innerhalb des Terri- toriums eine ausreihende bewaffnete Polizeimaht zu unter- halten, wozu geeignete Mannschaften unzweifelhaft unter den

berittenen Freiwilligen gefunden werden dürften, die Sie an- zuwerben im Begriff stehen.“

Ein soeben erschiénéner ministerieller Erlaß bringt die Bestimmung in Erinnerung, daß Staatsbeamte, welche unter der Kontrole der Regierung stehen, ihr Amt sofort niederzulegen haben, sobald sie sich zu Kandidaten für einen Siß im Unterhause aufstellen lassen. :

420. November, Morgens. (W. T. B.) Bei der gestrige: Wahl eines Unterhausmitgliedes für den Londoner Wahlbezirk Hackney an Stelle des verstorbenen General-Postmeisters Fawcett wurde Professor Stuart (liberal) mit 14540 Stimmen gewählt. Der konservative Gegen- kandidat Mac Alister erhielt 8534 Stimmen. ;

Ein Artikel der „Times“ versichert: es sei zweifellos, daß die Regierung den Bericht Lord Northbrooks aiht annehmen könne; Northbrook habe eine englishe An- leihe für Egypten von 16 Mill. Pfd. Sterl. empfohlen und befürwortet, daß die Zinsen aller Anleihen aufrecht erhalten würden zu dem durch das Liquidationsgeseß festgeseßten Be- trage. Um möglichst ein finanzielles Gleichgewicht herzu- stellen, habe er ferner vorgeschlagen, daß alle Kosten der Ok- kfupations-Armee von England getragen und die Aus3gaben für Militär und Polizei herabgemindert würden ; die Suspen- dirung der Amortisirung solle erfolgen zu Gunsten der Zinsen der neuen Anleihe. Northbrook glaube auf diese Bedingungen hin die Zustimmung der Mächte zur Modifikation des Liqui- dationsgeseßes und zur Abänderung der ökonomischen Verhältnisse in der Verwaltung der egyptishen Schuld zu erlangen ; er befinde sih hierbei aber in dem verhängnißvollen Jrrthum, daß er niht nöthig zu haben glaube, sich an die Jnhaber der Obli- gationen zu wenden, welche die nothwendigen Opfer zu bringen haben würden. Das Kabinet könne eine solche Politik nicht adoptiren. Die „Times“ ihrerseits befürwortet die Herstellung eines eingestandenen Protektorats oder eine Reduktion der Zinsen für die ganze egyptishe Schuld und eine Garantie Englands für die Zahlung eines Zinsenminimums während der Dauer der englischen Okkupation.

Frankreich. Paris, 18. November. (Fr. Corr.) Der Conseils-Präsident sowie die Minister des Jnnern und der Justiz erschienen heute in der Kommission der Deéputiytenlammner für dies Wahlrkéform dés Senats. Herr Jules Ferry theilte mit, daß die Regierung sih dem ursprünglichen Entwurf der Senatskommission, der auh gestern hon von dem Kammerausshuß angenommen wurde, anschließe. Auf verschiedene Fragen der Herren La- bassetière und Bernard gab Herr Waideck- Rousseau die ge- wünschten Auskünfte. Der Conseils Präsident bat die Kommission, ihre Arbeiten zu beschleunigen, damit die Kammer si ehestens über den Entwurf aussprechen könne. Er bestätigte das Recht der Regierung, die Senatorenwahlkollegien erst für den 30. Ja- nuar einzuberufen, verhehlte aber nicht den dringenden Wunsch, die Wahlen womöglich zur richtigen Zeit vornehmen lassen zu können, auf welche die Verfassung hinzuweisen scheint, indem sie die Eröffnung des Parlaments für den zweiten Dienstag im Januar bestimmte. Der Bericht über die Wahlreform des Senats dürste am nächsten Montag im Plenum der Kammer eingebracht werden.

Der Gemeinderath von Paris hat beschlossen, den Seinepräfekten aufzufordern, von der der Regierung im Geseh ertheilten Ermächtigung Gebrauch zu machen und die Brodtaxe auf drei Monate einzuführen. Auch die Er- rihtung einer Bäckerei für Nehnung der Gemeinde kam zur Sprache,

18. November. (Köln. Ztg.) Die Regierung läßt gegenr ärtig ein Kolonialgeseßbucch ausarbeiten. Mit der Avsarbeitung ist die Kolonial-Kommission. der n Vorsißender der Unter-Staatssekretär für die Kolonien, Felix Faure ist, betraut, Jm Ministerium des Jnnern bildet man zur Zeit eine Ober-Arbeitskommission, deren Aufgabe darin besteht, Verbesserungen in die Beziehungen der Arbeit-

geber zu den Arbeitnehmern einzuführen und si mit len auf Die Verde erna der Lage der Abs beiter Bezug habenden Fragen zu beschäftigen. Diese

Kommission wird. aus Beamten, Arbeitgebern und Arbeit- nehmern bestehen. Die Jury für das Denkmal Gam- betta’'s hat heute einen endgültigen Beschluß gefaßt. Der Plan von Aubé (Bildhauer) und Boileau (Architekt) wurde mit 9 gegen 6 Stimmen angenommen. Von den 6 Stimmen erhielten Falquière und Peyol 4 und Dalou und Faure- Dujarrie 2, Die Leßtern erhielten die Prämie von 6000, die Ersteren die von 4000 Fr.

19, November, Nachmittags. (W. T. B.) Gestern sind 41 Cholera-Todesfälle, und zwar 16 in der Stadt und 25 in den Hospitälern vorgekommen; in die Hospitäler wurden gestern 40 Cholerakranke gebraht. Heute früh wurden nur 4 Cholera-Todesfälle gemeldet.

19, November, Abends. (W. T. B.) Bezüglich den in London und anderwärts umlaufenden Gerüchte vor einem Schritt Lord Granville's behufs friedlicher Bei- legung des französish-chinesischen Konflikts meint der „Temps“: man lege dem Kommen und Gehen der Diplomaten in London zu große Bedeutung bei. Uebrigens sei keine ernsthafte Unterhandlung in dieser Frage wöglich, so lange nicht die geforderten Kredite von der Kammer be- willigt wären. Das Journal „Paris“ sagt: auf alle Fälle werde Frankreich fortfahren, seine militärishen Maß- nahmen zu treffen und erst nah der Besitznahme geeigneter Pfänder und nach der Räumung Tongkings Seitens der cchinesishen Truppen abrüsten.

Nach dem Bericht des Seine-Präfekten sind heute in der Zeit von Mitternaht bis Abends 6 Uhr hierselbst 14 Personen an der Cholera gestorben und zwar 4 in der Stadt und 10 in den Hospitälern. Jn Oran sind gestern 9, in Nantes 2 Personen an der Cholera gestorben.

Numänien. Bukarest, 19. November. (W. T. B.) Die gestern begonnenen Parlamentswahlen sind nach den bis jeßt vorliegenden Resultaten im ersten Wahlkollegium fast durhweg der Regierung günstig ausgefallen. Die Er- öffnung der Kammern soll am 22. November stattfinden.

Dänemark. Kopenhagen, 19. November. (W. T. B.) Die gemäßigte Linke des Folkethings brachte heute eine motivirte Tagesordnung ein, welhe dahin geht, die Berhandlungen über alle Regierungsvorlagen zu sistiren und das Thing hat dieselbe mit 63 gegen 18 Stimmen angenommen. Der Conseils-Präsident Est ru p erklärte : wenn die Opposition ihre Wünsche nicht näher darlege, so nöthige sie ihn zum Verharren auf seinem Posten.

Amerika, Washington, 17. November. (Allg. Corr.)

Der Sekretär der Marine wird dem Kongreß in seiner Dezembersession den Bericht der tehnishe Beiräthe des

Marine-Ministeriums zugehen lassen, welcher empfiehlt, daß die Marine durch den Bau von 12 neuen Kreuzern mit einem Kostenauswande von 10 000 000 Doll. vergrößert werde.

New-York, 18. November. (Allg. Corr.) Ein Tele- gramm aus Mexiko meldet, daß die Vorlage für die Konversion der englishen Shuld unpopulär ist, und daß zur Aufrechthaltung der Ordnung Kavallerie und berittene Polizei in den Straßen der Hauptstadt patrouilliren.

Mittel-Amerika. Mexiko. (W. T. B.) Aus Mexiko wird vom 18. November über New-York gemeldet: Anläßlich der Conversion der englishen Schuld wurde von einer Volksmenge eine Demonstration gegen den Präsidenten Gonzales unternommen. Die Demon- stranten wurden von Soldaten, welche einige Personen tödteten und andere verwundeten, zerstreut. Gestern Nach- mittag wurden vor der Kammer während ver Berathung Truppen aufgestellt. Der Präsident vertagte die Sißung, w-il unter den Deputirten Besorgnisse entstanden waren. Die Ruhe wurde indeß Abends nicht weiter gestört.

Afrika. Egypten. Kairo, 17. November, (Allg. Corr.) Der Mudir von Dongola meldet telegraphisch: er habe von General Gordon eine Depesche erhalten, welche ihm den Rang eines Muschirs oder Brigade-Generals verleiht und auch mehrere sciner Beamten um eine Rangstufe beför- dert. Jm Weiteren sagt die Depesche : Gordon befinde si wohl und erwarte die britishen Truppen. Er ermahnt den Mudir, bis zum Aeußersten Stand zu halten, wie er dies selbst zu thun beabsichtige.

Suakim, 17. November. (A. C.) Es sind authentische Nachrichten hier eingegangen, denen zufolge Ali Bekhit 3000 Kameele, die mit Getreide für Osman Digma beladen von Kassala zurückkehrten, erbeutet habe. Osman Digma büßt durch den Verlust dieser Getreidesendung fast sein ganzes Vermögen ein. Suakim wurde in vergangener Nacht beschossen. Die Rebellen unternahmen heute einen Raub- zug, erbeuteten 40 Ninder und tödteten einen Hirten. Osman Digma erließ eine Proklamation des Jnhalts, daß der Eisen- bahnbau eingestellt werden müsse.

Zeitungsftimmen.

In einer Berliner Korrespondenz der Münhener „A l[l- gemeinen Zeitung“ lesen wir:

Die zur Berathung einer Steuerreform eingeseßte gemiscte Deputation der Berliner Stadtverwaltung zerbriht ih vergeblich die Köpfe, wie der Ungerechtigkeit der Miethssteuer abzuhelfen sei.

An Reformvorscblägen der allerverschiedensten Art fehlt es nicht. Auch die leßte Sißung hatte nur ein negatives Resultat ; man beschloß rämlich, eine Miethssteuerbefreiung Überhaupt

nicht, also au nicht der niedrigst Besteuerten eintreten zu lassen. Es wäre {on ein großer Fortschritt, wenn wenigstens eine gerechtere Skala durc{geseßt würde ; der kleine Mann ift jeßt um viele Prozente feines Cinkommens böher besteuert als der Reiche, bei dem der Mieth- zins den zchnten Theil und weniger des Einkommens ausmacht, während in ven mittleren Schichten durchs{chnittlich der fünfte Theil der Einnabme für die Miethe verausgabt wird.

De Dee voltsviIrtbsGastliGe Cor: respondenz“ äußert sih zur Brodpreisfrage :

Diese wichtige Frage, welce schon so lange die hervorragendsten Federn bcschäftigte, und bei deren Besprehung es sich bisher meist immer nur um die Einwirkung der Getreidezölle auf den Getreide- preis, sodann um die Frage, wer den Zoll trägt, sowie um die Ver- theuerung der Preise durch den Zwischenhandel drehte, wird nun von einer Seite in völlig antimanchefterlichew und in einem den praktischen Grfahrungen Rechnung tragenden Sinne behandelt, von der man es E hâtte träumean lassen, nämlich von den Manchesterianern elbst.

Das „Berliner Tageblatt" fand \sih in seiner Morgennummer vom 16. d. M. endlich bewogen, in cinem gegen die Bäker gerichteten scharfen Artikel zuzugeben, daß diese es sind, welhe dem armen Manne troß des so sehr gesunkenen Getreidepreises das Brod ver- theuern. Ja es geht noch weiter; es zählt eine Reihe von Fällen auf, wo die Verschwörungen der Bäter jede staatlihe Intervention ad absurdum führten, erklärt daraufhin, daß mit Zwang in dieser Frage gegen die Bäcker nihts auszurichten sci, und gelangt sogar zu dem wortwörtlich hier wiedergegebenen Ausrufe :

„die bisherige Art des Brodverkaufs ist ein sinnloser Unsinn, und es is nur zu verwundern, daß das Publikum fih denselben so gedankenlos gefallen läßt“ ...

Als Remedur gegen die Verschwörung der Bäder empfiehlt das Blatt, daß von denselben gefordert werde, auf den Verkauf des Brodes nab Gewicht einzugehen. Es verweist desfalls auf die Gebräuche in Süddeutschland, wo der kleine Mann nicht ein ganzes Brod, sondern Brod nah Gewicht verlangt, und jeder Bâäcker gerade so viel Brod

p abgeschnitten abgiebt, als der Käufer bezahlen will. .….

Das Blatt scheint jedo nit zu wissen, daß auch in Süddeuts{ch- land der Verkauf des Brodes nach Gewicht immer mehr in Abnahme kommt. Dagegen besteht dieser Gebrauch in ganz Frankreich, und so- wohl in Paris wie in der kleinsten Stadt s\chneidet der Bäcker nicht etwa blos Roggenbrod, sondern auch Weizenbrod, auf Verlangen bis zu einem Viertel Pfunde ab.

Man frage aber z. B. die Pariser Ouvriers, ob und wie viel ihnen dies nüßt, wenn gleichzeitig, wie es gescbicht, die Bäcker den Brodpreis pro Pfund ebenso wie bei uns auf einer künstlihen Höhe erhalten? Man weiß ja, wie sehr es unter den französischen Ar- beitern speziell wegen des Brodpreises gährt, und daß der Seine- präfekt erst jüngst wieder die Vorstände des Synditats der Pariser Väcker zu sich entbot, um ihnen zu erklären, die Regierung könne ihnen nit länger ihre Sicherheit garantiren, wenn sie auf ihre seitherigen Preise beharren, auch würde sih die Regierung ge- zwungen sehen, selbst große Bäereien zu errihten, um das berechtigte Murren der Arbeiter zu stillen.

Welches Geschrei würde bei uns entstehen, wenn z, B. der Polizei-Präsident von Berlin die Bäcker zu sich lüde, um fße zu billigeren Preisen zu bewegen, widrigenfalls der Staat Bäereien er- rihten würde. Das würde als ein unerhörter Terrorismus und als eine Staatsfozialisterei der shiimmsten Gattung in Acht und Bann gethan werden.

Was die Mantestrianer betrifft, so haben sie dur ihr „Berliner Tageblatt“ einstweilen zugegeben, daß die Preise keineswegs, wie sie so oft behaupteten, bloß durch Angebot und Nachfrage geregelt wer- den. . . , Die Bresche in ihr theoretishcs System ist gelegt, hoffent- lih kommt das Uebrige na. Mit dem obigen so einseitigen Vor- {lage jedoch, wie dem Uebel gesteuert werden könne, haben sie aber- mals bewiesen, wie kleinlich und unzulänglich die Heilmittel sind, die ihre Volksapothcke enthält, und so ist es denn ein großes Glü für die ganze Staatsgesellshaft, daß diese Partei zur öffentlichen Aus- übung ihrer Heilkunde noch immer nicht autorisirt ist.

Neichstags- Angelegenheiten.

Rest des Ergebnisses der Stichwahlen zum Reichstage:

2. Wahlkreis Hannover. Vissering, Oekonomie-Nath auf Wilhelmehof bei Dorum (Nat.-Lib.), mit 7674 Stimmen aegen A Saar tai für Ahlhorn, Landwirth aus Jaderaltendeih (Dfr.), gewählt.

10. Sachsen. De. Braun, Justiz-Rath und Rechtsanwalt zu Leipzig (Dfr.), mit 8339 Stimmen gegen 7600 Stimmen für Dr. Calberla, Rittergutsbesißer auf Hirschfeld (Kons.), gewählt.

2. Hessen. Hinze, Major a. D. zu Berlín (Dfr.), mit 7360 Stimmen gegen 7231 Stimmen für Goerz, Ober-Landesgericht- Prâsident zu Darmstadt (Nat.-Lib ), gewählt.

Wie uns von zufständiger Seite mitgetheilt wird, war im 3. Weimarischen Wahlkreise der Gegenkandidat des in der Stichwahl gewählten nationalliberalen Prof. Dr. Meyer der Recbts- anwalt S{önemann in Gera nicht, wie in Nr. 271 des „Reicbs- Anz.“ angegeben, von der deutschfreisinnigen, sondern von der fre i- konservativen Partei aufgestellt worden.

Landtags- Angelegenheiten.

Im 1. Merseburger Wahlbezirk, Liebenwerda- Torgau, is an Stelle des zum Landgerichts-Direktor ernannten Landgericbts-NRath Walther (Freikons.) der Gutsbesißer Knauer- Gröbers (Kons.) mit 184 Stimmen zum Mitglied des Hauses der Abgeordneten gcwählt worden. Von den Kandidaten erhielt Land- geridts-Nath Grobe (Nat.-Lib.) 103 Stimmen und Oberförster Passow (Freikons.) 59 Stimmen.

Statistische Nachrichten.

Die deutsben Eisenbahnen im 2. Quartal 1884. In den Monaten April, Mai und Juni 1884 waren nach den Mit- theilungen des Reichs- Eisenbahn-Amtes von den deutschen Eisen- bahnen (auëschließlich der bayerischen) durch\schnittli% 29 892,86 km Hauptbahnen und 676,93 km Bahnen untergeordneter Bedeutung im Betriebe, d. h. 600,47 bezw. 22,20 km mehr als im selben Zeitraume des Vozjahres. Von decn Hauptbahnen waren 25 949,75 km Staats- bahnen, 566,81 km Privatbahnen in Staatsverwaltung und 3376,30 km Privatbabnen in eigener Verwaltung. In der angegebenen Zeit wurden vereinnahmt durch: A : vom 1. Januar im Ganzen bis 30. Juni

pro Kilom. und Monat

M. A. M. Staatébahnen. ; 198 558 631 2551 389 738 976 déden 183... =* I0T2 76 4784 219 Privatbahnen in Staatsverwaltung 2-571 656 1512 5 077 285 gegen 188 . . 330 391 194 _— 599 901 Privatbahnen in eige- ner Verwaltung 16 873 924 1666 32 495 015 Gde 1883 502 826 66 2063 162 Hauptbahnen.. 218004211 3431 497 311 276 a Qt 1983 - = 2008950 73 7447 282 Bahnen untergeord- neter Bedeutung . 1 368 482 674 2 694 394 geaen 188 . . + 64 908 +- 10 -+- 129 142

Bei einer Betriebslänge von dur{s{nittlich 30 703,02 km hatten die 544 564 fahrplanmäßigen Personen- und gemischten Züge 4566 Verspätungen (= 0,849%/); davon wurden 1891 oder 0,35% durch Abwarten verspäteter Anschlüsse herbeigeführt, während 2673 oder 0,49 %/9 der Verspätungen durch eigenes Verschulden erfolgten. Betriebsunfälle fanden im Ganzen 525 statt, darunter bei den fahrenden Zügen (943 248) 9 Eatgleisungen, 4 Zusammenstöße und 422 foxftige Unfälle, beim Rangiren 45 Entgleisungen und eben fo viele Zusammenstöße. Die Zahl der getödteten Personen belief si auf 136, die der verleßten auf 317. Unter den Getödteten befanden fich 8 Reisende, 67 Bahnbeamte und Arbeiter, 1 Post- oder Steuer- beamter, 30 Fremde und 30 Selbstmörder; unter den Verletzten waren 16 Reisende, 264 Bahnbeamte und Arbeiter, 4 Post- und Sieuerbeamte, 28 Fremde und 5 Selbstmörder.

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Aus König Friedri Wilhelms IV. gesunden und kranken Tagen, von Alfred von Reumont (Leipzig, Verlag von Duncker und Humblot 1885, 579 S., 10 M). Die Hocselige Königin Elisabeth, deren gesegnetem Andenken dieses Buch gewidmet ist, hatte dem Verfasser, wie dieser in dem Vorwort mittheilt, wieder- holt nahegelegt, das Leben ihres verewigten Gemahls zu chreiben. Erst jeßt, nahdem der König seit fast einem Vierteljahrhundert im Grabe die Ruhe gefunden hat, die er im Leben nicht fand, hat sich der greise Verfasser gedrungen gefühlt, in dem vorliegenden Werke nach dem, was er selbst im beinahe 2ö5jährigen lebhaften Verkehr mit dem Könige erlebt und erschaut hat, „ein Zeugniß der Wahrheit und zuglcih der Dankbarkeit“ für seinen Königlichen Gönner abzu- legen. Daß die Königin keinem Würdigeren den Auftrag ertheilen konnte, beweist das Buch, Hr. von Reumont ist so bescheiden, seine musterhafte Schilderung kein Gemälde nennen zu wollen, dazu fehle Abrundung und Vollständigkeit, aber kann man das Bild des edlen Königs treuer und plastischer wiedergeben, als dies S. 51 ff. des Buchs geschieht ? „Wenige, sagt von Reumont, haben cinen solchen Ein- klang von Cigenschaften des Geistes und Herzens aufzuweisen. Schärfe des Verstandes und Tiefe des Gemüthes, Lebendigkeit der Phantasie und Ausdaxer der Ueberlegung waren bei ihm in wunderbarem Maße vereinigt. Er war ein Mann Königlicher Gedanken und Königlicher Empfindungen. Die lebensvollste Frische, die rascheste Auffassung, die innigste Durcdringung, verbunden mit dem natürlihsten Wohlwollen, dem regsten Mitgefühl, der nahsihtigsten Freundlichkeit. Bei großer Beweglichkeit des Geistes und Gefühls, standhaftes Festhalten an dem als wahr Erkannten; bei ungewöhnlicher geistiger Spyannkraft unLerwandtes sittlihes Bewußtsein; bei fürstlihem Hochgefühl wärmste Schäßung des Menscenwerths; mit der liebe- vollsten Anhänglichkeit an die Seinen und der treuesten Fürsorge für dieselben vereint sih eine seltene Zuverlässigkeit in der Freundschaft; bei dem schlagendsten Witz eine sensitive Scheu vor Kränkuagz bei lebendigem, zuleiht aufbrausendem Temperament eine versöhrende Güte, Er war eine durchaus edle Natur, voll Zart- gefühl, glei voll von reger Empfänglichkeit für das Verwandte toie von unüberwindlicher Abneigung gegen Heterogenes und Verletzendes. Nie, man darf es sagen, hat eine unedle Begierde Herrschaft über ihn gewonnen, Ja es fehlte ihm in gewissem Sinne das Vermögen, das Unreine zu begreifen, so daß er innerlich unberührt davon durchs Leben gegangen ift, in der Jugend wie in späteren Jahren, in der Hoffnungs8zeit wie unter bitterer Enttäushung. Sowie der leiseste Hauch seinen Seelenspiegel trübte, suchte er sich Einflüssen ¿u ent- ztehen, mit denen Abfindung und We{selwirkung unmögli war. Die Sehnsucht nah dem Siege des ewig Wahren und Schönen kam

in ihm stets zum Dur(bruh, und lein falsher Schein fonnte ihn lange täuschen, denn sein innerstes Gefühl war der sichere Probirstein für Echtes und Falshes; wenn

er wohl stille shwieg, nachdem er cinen Irrthum erkannt hatte, fo ges{ah cs meist aus jener s{onenden Rücksicht, welche, indem sie Uebelstände entfernte, Persönlichkeiten nicht fallen lassen wollte, in die cr das, was ihn anzog, vielmehr hineingesehen, denn als ihr Eigenthum gefunden hatte.* Der Verfasser geht dann weiter aus- führlih auf die ästhetische Begabung des Königs ein, auf sein stark ausgeprägtes Rehts- und Pflichtgefühl, seine christlibe Gesinnung, seine Begeisterung für das deutsche und sein Sicheinswissen mit dem preußischen Vaterlande und seine ebenso umfassende wie gründliche Bildung. Das eheliche Glück, dessen sih der König erfreute, führt Hrn. von Reumont dann zur Charakteristik der Königin. „Bei ihr, jagt er S. 68 ff, standen Geist und Herz in vollkommenem Einklang, während der Einklang mit dem Fühlen und Denken ibres Ge- mahls ein gleich großer war, so daß nie die geringste Wolke ihr sieben und dreißigjähriges Zusammenleben getrübt hat. .. . Es war nicht s{wer, die Königin zu erkennen, wenn man erkennen wollte,

denn wahrer und konsequenter ist kein Charakter gewesen; alle Ver- stellung, aller Schein lag ihr fern... An dem, was sie mit

ihrem klaren Blick und ruhigem Urthcil ermaß und als wahr er- kannte, hielt sie unverbrühlih fes. Sie war nit sanguinisch und gab sid nit leiht Jllusionen hin; vor manchen Enttäuschungen ift sie dadurch bewahrt worden. Auch bierdurch hat fie wohlthätig eingewirkt, fo auf ihren Gemahl wie auf die allgemeine Gestaltung der Dinge. so fern es an ihr lag. Ihr Blick war rasch, aber sie ließ sih Zeit zur Prüfung. Laune kannte sie nichi. Wem sie Ver- trauen und Wohlwollen gesenkt, der konnte auf deren Dauer rechnen. Ihre herzliche und einfache Freundlichkeit und wahre Leut- seligkeit, die sih in ihren Blicken kund gaben, drangen bei Allen, Großen wie Kleinen, zum Innern... . Ihr gerader und gerechter Sinn und tiefinnerlibe Wahrheit bestimmten au ihre Haltung dem gegenüber, was keine Achtung und kein Vertrauen einflößte. Dingen wie Personen gegenüber kanute sie darin feinen Kompromiß; man fühlte es durd, Sichvor drängen, Uebertreibung, Indiskretion stieß?n sie ab; das lebendigste Sittlichkeitsgefühl theilte sie mit dem Könige. Sie verlangte Wahrheit und Treue, wie sie dieselben besaß. Die Königin lebte das Leben ihres Gemahls mit. Sie is in Mandem seine Ergänzung gewesen. Seine oft übersprudelnde Lebendigkeit und Erregbarkeit fanden in ihrer ruhigeren Anschauung ein Korrek- tiv, scin Unmuth über Widerstand und Täuschung eine Beruhigung. Wo die Phantasie bei ihm zu überwiegen drohte, verschaffte sie der Realität ihr Recht. Ihre gründliche Bildung seßte sie in den Stand, an seinen geistigen Bestrebungen thätigen, durch Uebereinstimmung in Geshmack und Neigungen vielfah gehobenen Antheil zu nehmen. Vieles, so in der Literatur wie in der Kunst, hat sie fördern ges bolfei? u f, 1.

Zu dem auf diesen Seiten dur Meisterhand ausgeführten Bilde des edlen Königspaars liefert das Buch in chrorologischer Ordnung und mit den geschichtlihen Daten verknüpft, die einzelnen Züge, die der Verfasser, wie bemerkt, in beinabe fünf und zwanzigjährigen regen, man darf wohl sagen, freundschaftlihem Verkehr mit dem Könige, als diplomatischer Geschäftsträger, als Begleiter auf Reisen, als oft und gern geschener, die intimen Kreise des Königs dur seine geistvolle Unterhaltung belebender Gast beobachtet hat und für deren wahrheits- treue Wiedergabe scin Name bürgt. Er beginnt seine Erzählung mit seiner Vorstellung bei dem Kronprinzen am 10. Januar 1836 und beendet sie im Juni 1860 am Sterbebette des Königs. Welche Fülle tragisher Ereignisse liegt zwishen diesen bziden Daten, und wie ergreifend wirkt ißre Schilderung durch den Mann, der sie an der Seite des Königs mit erlebt und mitempfunden hat! Neben dem Königépaare treten in dem Bube aber auch aus der Umgebung des Königs und auch aus der Berliner Gesellschaft alle hervorragenden oder bekannten Persönlichkeiten, Staaismänner, Gelehrte, Künstler auf, die das entworfene Bild zu einem überaus lebendigen und fesselnden gestalten. Ueber Alle urtheilt der Verfasser aus eigener Bekanntschaft, meist mit wenigen, aber treffenden Worten, nur von Bunsen beschäftigt ihn ein- gehender. Das Uriheil ist oft \chneidig (z. B. über Friedrih von Raumer (S. 154), Rütert (S. 159), Alexander von Humboldt, von Bun- fen (S. 99), dem Staats-Minister von Rohow wird, wie wir beiläufig bemerken (S. 165), zu Unrecht das geflügelte Wort von dem beschränk- ten Unterthanenverstande imputirt), aber, wie das ganze in gewählter Sprache geschriebene Buch, stets vornehm gehalten. Von Reumont verschmäht es auch, dur L ikanterien zu reizen, fliht jedo gern hie und da eine hübsche Anekdote ein. Der Politik geht er mögli&| aus dem Wege, erhellt aber auch hier manchen, bisher noch dunklen Punkt; aub religiöse Angelegenheiten meidet ec thunlichst, er kann si hierbei jedoch in der milden Beurtheilung man(er Dinge von seinem Standpunkt als Katholik nicht ganz freimacen. Mit besonderer und erkiärlihcer Vorliebe verweiit er bei der Förderung, deren fi die Kunst dur den König zu erfreuen hat, und hier tritt auch der als Kunstverständig:r berühmte Verfasser mit seinem Wirken und seinem reihen Wissen gebührend in ven Vorder- grund, wodurch das Werk auch eine kunstgeshichtlihe Bedevtung er- hâlt. So vielseitige Interessen dasselbe aber auch vereinigt, alle ordnen sih dem einen Zweck unter, für den leider noch heut so viel- fa verkanntien Kö,ig und seine verehrungswürdige Gemahlin, ein wahrheitsgemäßes, vor der Gesecbichte bestehendes Zeugniß abzulegen, für welches ihm das preußische Volk zum höchsten Danke verpflichtet sein muß. Es geht durh das ganze Buch ein ergreifender, weh- müthiger Zug, aber dow wirkt der Schluß versöhnend dur die herrliden Worte Sr. Majestät des Kaisers und Königs: „Großes, kaum Geträumt-8 ist errungen. Was dem Bruder nicht bescieden war, zu erreichen, was er als cine Lebensaufgabe betrachtete, und was ih in Demuth hinnehme, war Gottes Wille.“

Ueber Dr. Georg Hirth's Kunst- und kunstgewerb- lie Publikationen is soeben ein elegant autgestatteter, rei illustrirter Katalog ausgegeben worden, auf den wir nit ver- fehlen, alle Kurst- und Alterthumsfreunde aufmerksam zu maden. Laut Mittheilung der Verlagshandlung (G. Hirths Kunftverlag in München) wird der Katalog auf besondern Wunsch gratis ver- fandt.

Die ia Leipzig und Berlin ‘am 22, d. M. erscheinende Ne. 2160 der „Illustr irten Zeitung“ enthält folgende Abbildungen : Sehnsuht. Gemälde von N. Sichel. Na einer Photogrophie im Verlage von Sustav Schauer in Berlin. Deutsche Schlösser und Burgen: Schlo: Oels in Schlesien. Originalzeihnung von Th. Blätterbauer. -— Henry Mocton Stanley. Die Spitze des Fest- zugs zur Einweihung des neuen Gebäudes der Technischen Hochschule zu Berlin, Originalzeihnung von G Koch. Frankfurt am Main aus der Vogelschau. Aufgenoinmen u. gez*ichnet von Adolf Ellzuer. Schlüssel zu der Vogelschauansibt von Frankfurt a. M. und Sachsenhausen. Cin Haberfeldtreiben im bayrishen Gebirge. Originalzeichnung von E. Horstig. Die Violiavirtuosin Arma Senkrah. Zu-Thal- Tragen eines Berghirshes. Originalzeihnung von A. Thiele. Polytechnisbe Mittheilungen: Gabheizung mit Ventilation. 2 Fts guren. Modea: Sammtbaret für junge Mädchen. Elegante \{warze Toilette, Vom Weihnachtsbücherti\h: Aus „Aecnnchen von Tharau" von Franz Hirsch, illustrirt von Georg Knorr (Leipzig, Karl Reißner). Eine Abbildung. Nach einem Lichtdruck.

Gewerbe und Handel.

Deutsche Jute-Judustrie. Die deutse Jute-Industrie umfaßt nah den sorgfältigen Ermittelungen des Vereins deutscher Jute-Industrieller mitgetheilt in der „Zeitschrift für Deutsche Volkswirthschaft", Heft 5, S. 469 ff. des Jabrgangs 1884 gegen- wärtig 23 Jutespinnereien und Webereien mit 51 126 Spindeln und 2340 Webeftühlen. Außerdem bestehen eine große Zahl Hand- und mechanishe Webstühle ohne Spinnereibetrieb, welche das von den Fabriken gefertigte und von deren eigenen Webereien nit bewältigte Gespinnst, sowie au ausländishe Garne verarbeiten. Einige Werke sind noÞ in der Vergrößerung begriffen, so daß sich im Jahre 1885 die Zahl der Spindeln noch um ca. 10000 und die der Webestühle um etwa 600 vermehren wird. Die dann bestehenden 61 000 Spin- deln besißen eine Produktionéfähigkeit von etwa 522009 Doppels- Centnern Fabrikate, und da sih der Konsum nah dem zweijährigen Dur{bschnitte von 1882 und 1883 auf etwa 385000 Doppelcentner beläuft, so werden ca. 137 000 Doppelcentner über den Bedarf pro- duzirt. Auf einen größeren Export ift aber \{werlich zu rechnen, da die ältere hoh entwickelte schottis{e Konkurrenz, sowie die stark emporblühende Jute-Jndustrie Oftindiens, der Heimat der Rohbjute, schon ohne genügenden Absatz ihrer Fabrikate sind.

Die nächste Börsen-Versammlung zu Essen findet am 24. November 1884 im Kasino (bei C. Rothe) statt.

Die „New-Yorker Handels-Zeitung“ schreibt in ibrem vom 7. d. M. datirten Wochenbericht: Das Geschäft am Waaren- und Produktenmarkt ist in Folge der Aufregung, welche die Präsidentenwahl in allen Kreisen erzeugte, noch stiller ge- wesen, als in den Vorwocben. Die Exportfrage für Weizen ift in Folge ungünstiger Berichte aus Europa troß willigerer Preistendenz bedeutend \{chwädber aufgetreten, Mais hat dagegen nah diefer

Richtung mehr Beachtung gefunden und bci stark reduzirten Vor-

räthen erhcbli im Preise angezogen. Weizenmehl und andere Mehl-

forten waren ruhig und hatten vorwiegend willige Tendenz. Das Befrachtungsgeschäft ist von fehr beschränktem Umfang gewesen. Am