1884 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 24 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

3) daß im §. 112 im erften Satze hinter dem Worte „Ver- bände“ die Worte zuzufügen find: : : .

„sowie der früheren Distriktsverbände (Distriktsgemeinden in

den vormals Königlich bayerishen Bezirken“ ;

unverändert angenommen, au beshloß der Kommunal-Land- tag für eine Anordnung auf administrativem Wege dahin einzutreten, daß mit Rücsiht darauf, daß ein Wahlberechtig- ter in mehreren Kreisen wahlberechtigt sein könne, bei An- beraumung der Wahltermine nah §. 1 des Wahlreglements Fürsorge zu treffen sei, daß den Betheiligten die Ausübung ihres Wahlrechts in jedem der betreffenden Kreise ermöglicht werde.

Hierrächst trat der Kommunal-Landtag in die Berathung des zur Begutachtung vorgelegten Provinzialordnungs- Entwurfs ein und erhob zu der Eingabe der Viril- stimmberechtigten und der Rittershaft vom 25. v. M. den Antrag des Hauptauss{hus}ses :

„Der Kommunal-Landtag wolle diese Eingabe der Königlichen Staatsregierurg zur Kenntnißnahme überreichen und sich zugleich dafür aussprechen, daß die gegenwärtige historisch erwachsene Ver- tretung des Kommunalverbandes im Regierungsbezirke Cassel als wobl bewährt beibehalten und demgemäß der vorgelegte Entwurf der Provinzialordnung in der Zwecks Erhaltung der gedachten Ver- tretung erforderlichen Weise umgestaltet werde. |

in namentliher Abstimmung mit 32 gegen 27 Stimmen zum Beschluß. j i :

Jn der alsdann Nachmittags fortgeseßten Sitzung [lehnte der Kommunal-Landtag die Bildung des nah dem Geseßentwurfe beabsichtigten gemeinsamen Provinzialverban- des ab und nahm folgende Anträge auf Abänderung des Provinzialordnungs-Entwurfs an:

1) den e:sten Saß im Art. T zu streichen und den zweiten Saß mit den Worten : „Jnnerhalb der Provinz Hessen-Nafsau bleiben“ 2c. beginnen zu lassen. 2) Die Worte in Zeile 3 und 4 im Art. III „auf den Provin- zialverband der Provinz Hefsen-Naffau, sowie“ und auf Seite 40 die Worte: „A. Provinzialverband 2c. B. Bezirksverbände“ (40 Zeilen) zu streihen. 3) Jn Nr. 2 des Art. II]1 die beiden ersten Säße zu ftreichen und dafür folgendes zu seßen: „Zu den Bezirksversamm- lungen (Kommunal- Landtagen) (S. 9 ff.) wird für jeden Kreis mit weniger als 20 000 Einwohnern ein Abgeordneter, für jeden Kreis mit 20— 30000 Einwohnern werden zwei Abgeordnete gewählt. Er- reibt die Einwohnerzahl eines Kreises 30 000 Einwohner, so werden drei Abgeordnete gewählt. Für jede fernere Vollzahl von 50(00 Ein- wohnern tritt ein Abgeordneter hinzu. 4) Eine Bestimmung dahin zu treffen, „daß die Wahl eines Landrathes zum Kommunal-Landtag in seinem eigenen Kreise für unzulässig erklärt werde, sofern derselbe in dem betreffenden Kreise niht als Großgrundbesitzer angesessen sei." 5) In Artikel ¿111 Nr. 5 den ersten Saß hinter „Obliegen- beiten aus* zu \chließen und den Rest des Absatzes zu streichen. 6) den Art. IV ausfallen zu lassen. Der Hauptauss{ch{uß besbloß einstimmig zu dem Ende, den Art. V zu streichen und an dessen Stelle als Art. 1V die nachstehenden Bestimmungen treten zu lassen: „Die Vorschriften der §8. 10 bis 12 und 28 des Gesetzes über die allge- meine Landeêsverwaltung vom 30. Juli 1883 (Ges.-S. S. 195) hin- sichtlib der Wahl der Mitglieder des Provinzialrathes und des Bezirks- aus\ckufses finden in der Provinz Hefsen-Nassau mit folgenden Maßgaben Anwendung! a. Die fünf zu wählenden Mitglieder des Provinzialraths und deren Stellvertreter werden aus der Zahl der zum Kommunal- Landtage wählbaren Bezirkeangehörigen von den Landesausshüssen der beiden Kommunalverbände in gemeinschaftliher Sitzung gewählt. Die Landesausschüsse treten zu diesem Zwede abwechselnd in Cassel und Wiesbaden unter dem Vorsitßenden des Landesaus\chusses des Wahlorts zusammen. Ist die Mitgliederzähl der Landes- auëshüfse ungleich (8. 46 der Provinzialordnung), so nimmt der zahl- reichere Lande2aus\{chuß nur in einer der geringeren Mitgliederzahl des anderen Landeëaus\{huf}ses gleihkommenden Anzahl, welche er aus seiner Mitte zu wählen hat, an der Wahl Theil. Wahlen und Beschlüsse können nur erfolgen, wenn von jedem Landesaus\chusse mehr als die Hälfte der Mitglieder mit Einschluß des Vorsiyenden anwesend ist. b. Von den zu wählenden Mitgliedern des Provinzial- raths und deren Stellvertretern müssen abwechselnd drei dem einen, zwet dem andern der beiden Regierungsbezirke angehören. Der Wechsel findet bei den alle drei Jahre vorzunehmenden Neuwahlen ftatt. Bedarf es zur Herbeiführung desselben des Ausscheidens eines Mit- gliedes oder Stellvertreters, dessen Wahlperiode noch nicht abgelaufen ist, so erfolgt die Bestimmung defselben durch das Loos. c. Die

erste Wahl findet in Caffel ftatt. Bei derselben sind drei Mitglieder des Provinzialrathes und drei Stellvertreter aus den Angehörigen des Megierungsbezirks Cassel, zwei aus den Angehörigen des RMegzerungsbezirks Wiesbaden zu wählen. d. Die vier zu wählenden Mitglieder des Bezirksaus\chusses und deren Stellvertreter werden von dem Landesaus\cbusse des Bezirks aus den Einwohnern defselben gewählt. e. Darüber, ob eine Wahl ihre Wirkung verloren hat (8. 11 a. a. O.), haben hinsihilih des Pro- vinzialraths die beiden Landesaus\chüfse in gemeinschaftliher Sitzung, hinsichtlich des Bezirksaus\chusses der Landesausshuß des bctreffenden Bezirks zu beschließen. Jn beiden Fällen findet gegen den Beschluß innerhalb zwei Wochen die Klage bei dem Ober-Verwaltungsgericht ftatt und fteht dieselbe auch dem Vorsißenden des Provinzialraths zu.

Meck&lenburg-Schwerin. Schwerin, 23. November. Der, wie in Nr. 269 bereits gemeldet ist, am 12. d. M. in Malchin eröffnete diesjährige Landtag hat sich bisher mit der Berathung der landesherrlichen Propositionen sowie der- jenigen des engeren Ausschusses der Ritter- und Landschaft beschäftigt. Unter den 4 medcklenburg-{hwerinshen Propo- fitionen betrifft die erste, wie gewöhnlich, die ordentliche Landeskontribution, die zweite die Bedürfnisse der Allgemeinen Landes-Rezepturkasse. Für die leßtere werden für das Etatsjahr pro 1. Juli 1885/6 nach dem Kontributionsedikt vom 18, Juni 1874 und dessen Zusaßverordnung 8/6 des vollen ediktmäßigen Be- trages gefordert. Die dritte noch nicht diskutirte Proposition bezieht fich auf die Berathung über die Bestreitung der Kosten der Justiz- Verwaltung nah Ablauf der hierüber für die Zeit von Joha..nis 1882 bis Fohannis 1883 abgeschlossenen Vereinba- rung. Die vierte endlich shlägt vor, ein auf dem Sternberger Landtage von 1879 getroffenes Abkommen, betreffend die dem Großherzoge zustehende Zahlung an ordentlicher Kontribution für einen ferneren Zeitraum von fünf Jahren bei Bestand zu lassen. Diese Prolongation ward nun in der vorgestrigen Sitzung bewilligt. Dagegen lehnten die Stände die von der Rigierung beantragte Errihtung einer achten Rathsstelle beim ODber-Landesgeriht zu Rostock ab und bewilligten nur die Adbibirung eines Hülssarbeiters. Gestern erfolgte die Bewilligung von 500 000 (6 zum Bau des neuen Hoftheaters hierselbft sowie von 30000 4 zur Unterstüßung der Zwecke des Medcklenburgishen Marienfrauen-Vereins zur Pflege im Felde verwundeter und erkrankter Krieger. Beide Beträge sollen aus dem franzöfishen Kriegskosten-Entschädi- gungsfonds bestritten werden. Einige Tage früher stellte die Landtagsversammlung für das ritter- und landschaft- liche Schullehrer - Seminar zu Lübtheen für den Zeit- raum von Michaelis 1885 bis dahin 1895 einen jähr- lien Zuschuß von 14200 # zur Verfügung. Gleich- zeitig beauftragten die Stände den Landes-Archivar Dunkel- mann zu Rostock, nahdem die schon mitgetheilten Aktenstücke, betreffend die Verzichtleistung Sr. Hoheit des Herzogs Paul Friedrich von Medcklenburg - Shwerin für sich und feine

Descendenz auf die demselben zustehenden Rechte zur Erb- folge im Großherzogthum Medcklenburg, vorgelegt worden waren, zu berichten, was bezüglih des Landesfürstlichen Hausgeseßes sih in dem ständishen Archive, beziehungsweise in der Landesbibliothek befindet und die betreffenden Akten- stücke einzusenden.

WWaldeck# und Pyrmont. Arolsen, 18. November. Der Landtag der Fürstenthümer Waldeck und Pyrmont lehnte in der heutigen Sißung 1) eine Geseßesvorlage, welche eine Theilung gemeinschaftliher Waldungen verhindern wollte, und 2) eine Körorödnung für Zuchtstiere, troß warmer Verthei- digung durch die Regierung, nah längerer Debatte ab. Die Gegner der Vorlage zu 1 hegten niht die Befürch- tung einer Entwaldung, wie sie in anderen Gegenden stattgefunden habe, und die Gegner der Körordnung wollten keinen Zwang und waren der Ansicht, daß die Rindviehzuht im Waldeckshen auf einer so guten Stufe stehe, daß sie keiner Körordnung bedürfe, die nur Belästigungen und Nachtheile bringcn werde. 3) Ein Geset- entwurf, betreffend die Bildung einer Kirchengemeinde der separirten Lutheraner im Kreise der Eder, wurde genehmigt. 4) Ein Gesuch der evangelisch-lutherischen St. Johannis - Gemeinde zu Pyrmont um Verleihung der Korporationsrehte wurde der Regierung zur Prüfung und Bescheidung überwiesen. 5) Der Landes-Direfktor machte die Mittheilung, daß ein Geseßentwurf, betr. die Erhöhung der Tagegelder und Reisekosten der Beamten, voraussichtlih dem nächsten Landtage zugehen werde. 6) Ueber eine Pe- tition um Befreiung der Milchfuhren zu Molkereien vom Chausseegelde wurde zur Tagesordnung übergegangen. 7) Es wurde beschlossen, den Landes-Direktor zu ersuchen, eine Geseßesvorlage zu machen, wonach der Termin zum Ab- {uß der Nehbödke vom 24. Juni auf den 1. Juni vorgerückt werde. 8) Schließlich beschloß der Landtag, dem scheidenden Landes-Direktor von Puttkamer den Dank des Landes sür seine dem Lande mit Treue und bestem Erfolge geleisteten Dienste sowie die besten Wünsche sür seine Zukunft aus- zusprehen. Herr von Puttkamer sprah dem Landtage für dieses Votum und für die ihm während seiner hiesigen Amts- führung so vielfach gewordenen Beweise der Liebe und des Vertrauens seinen wärmsten Dank aus und erklärte den dies- jährigen Landtag in Allerhöchstem Auftrage Sr. Majestät des Königs von Preußen für geschlossen.

Nach einem dreifahen Hoh auf Se. Majestät den König von. Preußen und Se. Durchlaucht den Fürsten zu Waldeck und Pyrmont trennte sich die Ver- jammlung.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 23, November. (Wien. Ztg.) Der Kaiser, welher am 21. November von Pest nach Wien zurückgekehrt ist, hat an den Reichs: Kriegs- Minister, Grafen Bylandt-NRheydt, anläßlich dessen fünfzigjährigen Dienstjubiläums ein Schreiben gerichtet, in welchem ex seinen Dank für die hervorragenden und erfolgreichen Dienste des Jubilars ausspriht und der Hoff- nung, noch lange die bewährte Wirksamkeit des Ministers zum Wohle der Armee enifaltet zu sehen, Ausdru giebt. Der Reichsrath ist auf den 4. Dezember ‘einberufen worden.

Pest, 22. November. (Prag. Ztg.) Der Verkehrs8- Minister legte dem Abgeordnetenhause den Geseß- entwurf, betreffend dieRegulirung der oberenDonau von der österreichishen Grenze bis Radvany, vor.

Schweiz. Bern, 22. November. (Bund.) Der erogen Me Kommtsar im Ceqliin, Hr. Karres, ist vom Bundesrath am Sonnatktend eingeladen worden, den tessinischen Staatsrath anzuweisen, daß er bis zum 28. November, in Vollziehung der bundesräthlihen Scchluß- nahme rom 15. November, alle ihm zu Gebote stehenden Mittel anwende, damit Hr. Enderlin wieder in den Besitz des verkauften Grundstücks geseßt werde.

Belgien. Brüssel, 21. November. (Köln. Ztg.) Die Zweite Kammer hat sih heute auf Dienstag vertagt, ohne daß die Besprehung der Fnterpellation Frère Orbans zu ihrem Al schluß gelangt wäre. Bara griff das Kabinet wegen dessen Fortseßung der Politik Woestes und Jacobs

heftig an.

Frankreich. Paris, 21. November. (Fr. Corr.) Gestern trat in der e d’'Horticulture, Rue de Grenelle- Saint Germain, der Verein der französischen Land- wirthe, unter dem Vorsiß des Marquis de Dampierre, zu- sammen. Den Hauptgegenstand der Verhandlungen bildete die Erhöhung der Getreidezölle, welche zwar von Einzelnen bekömpft wurde, aber den Wünschen der Mehr- heit entsprah, welche folgenden Beschluß annahm: „Der Rath der Landwirthe Frankreihs, welhem Delegirte aller landwirthschaftlihen Vereine zur Seite stehen, giebt dem Wunsche Ausdruck: 1) daß der jeßige Einfuhrzoll auf Getreide erhöht werde; 2) daß, wenn die Erhöhung dieses festen Zolls nicht statifindet, ein dem Steigen und Fallen der Kornpreise entsprechender beweglicher Zoll eingeführt werde. Es wird ein Ausschuß von zwölf Mitgliedern ernannt, um einen Bericht aufzuseßen, der den Kammern über das Quantum dieses Zolls belehrenden Aufschluß geben soll.“

21. November. (Köln. Ztg.) Die „Sociétó des agriculteurs de France“ trat heute, nachdem ein von ihr ernannter Ausshuß einen Bericht abgefaßt hatte, noch- mals zusammen. Pouyer-Quertier vertheidigte in einer längeren Rede die Ansicht, daß auf den Kilocentner ein Ein- gangszoll von 5 Fr. gelegt werden müsse. Jhm zufolge sei dies keineswegs Schußzoll, sondern nur eine gerechte Ent- schädigung. Nach seiner Rede bewilligte die Versammlung 5 Fr. L auf Weizen und 9 Fr. auf Mehl von jeder Beschaffenheit sowie den gleihkommenden Zoll auf Hafer, Korn, Mais un“ Buchweizen.

22. November. (Köln. Ztg.) Die Versammlung der Landwirthe hat in ihrer vierten Sißzung noch folgende Eingangszölle gewünscht: Noggen, Hafer, Gerste 3 Fr. für 100 kg, Dhsen 60 Fr. das Stück, Stiere und Kühe 40, Hammel 7, Schweine 15 Fr. für das Stü; frishes Fleisch 20 Fr. für 100 kg, Pferde 70 Fr. das Stü. Die ver- schiedenen Beschlüsse werden heute dem Ackerbau- Piinister über- geben. Der Ministerrath ist noch unentschieden und hat die Festseßung der Höhe der Getreidezölle bis Dienstag verschoben. Der Staatsrath hat gestern sein Urtheil in dem Prozeß der Stadt Paris mit dem Pfarrer von Saint Nicolas gesprochen. Der Staatsrath gab dem Pfarrer

Recht, da, dem Konkordat gemäß, eine besondere Verfügung nothwendig sei, um einem dem Kultus zugesprohenen Gebäude eine andere Bestimmung zu geben.

%22. November. (W. T. B.) Die Protokolle der Tongking-Kommission sind heute an die De- putirten zur Vertheilung gelangt. Nach denselben er- klärte der Minister-Präsident Ferry in der am 6. d. M. ab- gehaltenen Kommissionssißung: in Betreff Tongkings sei mit den Mächten kein Schriftstück gewechselt worden ; es hätten nur freundschaftlihe vertraulihe mündliche Aeußerungen stattgefunden. Eine Mediation Deutsch- lands sei weder erbeten noch angeboten worden. Von England habe die französishe Regierung auch nichts verlangt; mehr könne er nicht sagen. Jn Bezug auf die Blokade der JFnsel Formosa erklärte der Minister- Präsident: im Einverständniß mit England sei die Blokade eine friedlihe wie diejenige, die im Jahre 1827 an den Küsten Griechenlands ausgeübt worden sei. Die französishe Re- gierung werde niht von dem Reht Gebrauch machen, Schiffe auf hoher See durchsuchen und wegnehmen zu lassen; sie habe aber das Recht, die Zugänge zu den blokirten Häfen hermetisch zu verschließen und jedes Schiff in den Grund bohren zu lassen, welches dem Verbot zuwider versuchen sollte, zu passiren. Auf die von Mazé an ihn gerichtete Frage, wie die Regierung China zur Nachgiebigkeit zu nöthigen gedenke, antwortete der Minister - Präsident: dadurch, daß die französischen Streitkräfte auf Formosa blieben und sih dort befestigten. China habe die Japaner nicht auf Formosa geduldet und werde die französishen Truppen daselbst ebenso wenig dulden. Was die Kriegsentschädigung angehe, so gebe es dafür Aequivalente; es würden z. B. die Bergwerke von Kelung und die Zölle von Tamsui auf 15 oder 20 Jahre an Frank- reih abgetreten werden können, ohne daß Tongking und Formosa von den französishen Truppen geräumt zu werden brauchten. Eine Verstärkung und Befestigung der Gar- nisonen halte die Regierung vom militärishen wie vom po- litishen Gesichtspunkt aus für vortheilhaft.

Die Deputirtenkammer seßte heute die Budget- Berathung fort. Der Finanz-VMin ister Tirard wider- legte die Ausführungen mehrerer Vorredner, bezeichnete ihre Angaben über die ungünstige Finanzlage als über- trieben und beharrte dabei, daß das Gleihgewiht im Budget ein thatsächliches sei. Gleichzeitig gab der Minister die Absicht kund, eine Getränkesteuer einzuführen, und betonte am Schluß seiner Rede sein Vertrauen auf die Hülfs- quellen des Landes.

Der Ministerrath hat seine Entscheidung über die Sätze, um welche die Fmportzölle auf Getreide und Mehl erhöht werden sollen, verschoben.

Eine Depesche des Admirals Courbet meldet, daß eine Truppenabtheilung von 400 Mann die chinesischen Werke auf dem Wege von Kelung nah Tamsui zer- stört habe.

22. November, Abends. (W. T. B.) Gestern sind hierselb im Ganzen 26 und heute von Mitternaht bis Mittag 7 Cholera-Todesfälle vorgekommen. Von heute Mitternacht bis heute Abend 6 Uhr starben 18 Personen an der Cholera. Aus Oran von gestern werden 2 Cholera- Todesfälle gemeldet.

Die von dem Admiral Courbet gemeldete Zerstörung der hinesishen Werke auf dem Wege von Kelung nah Tamsui hat am 14. d. stattgefunden; die französfishen Truppen hatten dabei 3 leiht Verwundete. Heute wurden in Algier und Philippeville 2000 Mann Truppen nah Tong- f ug eingeschifft ; weitere 2000 Mann sollen in nächster Woche olgen.

283. November. (W. T. B.) Der „Agence Havas“ wird aus Hanoi, vom heutigen Tage, gemeldet, daß ein französishes Kanonenboot im weißen Flusse an- gegriffen worden sei, und die französischen Truppen unter dem Overst Duchesne die Angreifer vollständig zurückgeshlagen hätten. Die Franzosen hätten 8 Todte, darunter 1 Lieutenant, und 25 Verwundete verloren.

Ein Telegramm des Generals Brière, vom 23, d. M., bestätigt, daß am 19. d. M. bei Duoc ein Gefecht stattgefunden habe. Die „schwarzen Flaggen“, verstärkt durch reguläre chinesische Truppen, welche sich in den befestigten Werken festgeseßt hatten, wurden aus denselben vertrieben und flohen in der Richtung nach Norden und nah Westen. Das Kanonenboot „Revolver“ wurde am 16, d. M. von den Chinesen angegriffen und verlor hierbei 2 Todte und 3 Verwundete. Das Gefecht endete mit der Niederlage der Chinesen. General Brière meldet ferner, daß das Songkau-Thal vom Feinde geräumt sei. Von anderen Punkten der Grenze lägen keine Nachrichten vor.

Von Mitternacht, den 21. d. M., bis zu derselben Zeit am 22, nd hiex 12 Cholera Todesfalle, davon 4 N der Stadt und 8 in den Hospitälern, vorgekommen. Von heute Mitternacht bis Mittag sind 2 Personen in der Stadt und 8 in den Hospitälern an der Cholera gestorben.

283. November, Abends. (W. T. B.) Heute Abend fand hier eine Versammlung von ctwa 5000 beschäf- tigungslosen Arbeitern statt, in welher nah einer sehr stürmischen Debatte beschlossen wurde, demnächst eine Ver- fammlung im Freien an einem noch zu bestimmenden Orte abzuhalten. Nah dem Schluß der Versammlung sangen einige Theilnehmer an derselben die Marfeillaise und Car- magnole. Fn Folge dessen schritt die Polizei ein und nahm etwa 30 Verhaftungen vor. Hierbei wurden einige Polizei- beamten verwundet.

Eine Depesche des Generals Brière de l'Jsle aus Hanoi, vom 23. d. M., meldet: Oberst Duchesne habe bei Verfolgung der ia dem Gefecht gegen die Chinesen er- langten Vortheile drei befestigte, in der Umgebung von Tuyenquan gelegene Ortschaften, ohne selbst irgendwelche Verluste zu erleiden, weggenommen und die aufgespeicherten Proviantvorräthe des Feindes erbeutet oder zerstört. Die „\chwarzen Flaggen“ und die reaulären chinesishen Truppen irrten in völliger Auflösung in Wäldern und Bergen umher. Das Kanonenboot „Eclair“ habe an den Gefechten der französischen Truppen theilgenommen.

Von heute Mitternacht bis heute Abend 6 Uhr kamen hier 14 Cholera-Todesfälle vor.

Spanien. Madrid, 24. November. (W. T. B.) Jn Toledo sind weitere Cholerafälle vorgekommen. Die Behörden haben die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln getroffen.

Italien. Rom, 22. November. (W. T. B.) Von der hiesigen Bevölkerung sind große Vorbereitungen zum fest

c E E E E A L R C mnn d

Î treibenden Auslassungen fkatholisher Zeitungen

Ì Wortführer der Unirten beklagten, } politishe Umtriebe hervorger1:fen wotden, welche dahin zielten,

I gramm N vom E i T Vize-Präsidenten des Kriegsamts ernannt worden.

i | Dongola besuchte | dessen Rückehr

Î sagte, in diesem Lande ganz unerhört sei.

abend-Abendnummer :

| Kolouialgebiet.

lichen Empfange des Königs und derKönigin, welche morgen hierher zurückehren, getroffen worden.

Der vormalige Kriegs - Minister General Dukando wird, wieverlautet, an Stille Tecchio's zum Präsiden- ten des Senats ernannt werden.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 23. No- vember. (W. T. B.) Anläßlich des Artikels des „Osservator'e Romano“, betreffend die Audienz griechisch-unirter Katholiken bei dem Papst im Juli d. J., giebt das J ournal de St. Pétersbourg“ seiner Befriedigung darüber Ausdruck, daß das Organ des Vatikans die über- 1 auf ihren wahren Werth zurücführe. Das Journal sagt weiter, ohne auf die Aeußerungen des „Osservatore Romano“ im Einzelnen einzugehen: es wolle nur darauf aufmerksam machen, daß

- der Zeitpunkt, welher von den katholishen Zeitungen zur

Verbreitung ihrer Kufsehen erregenden Darstellungen gewählt

M worden, der Tag nach der Drei: Kaiser-Zusammenkunst in M Skfierniewic2 gewesen sei. M Kommentare der E Genüge

E welche

Dieses Zusammentreffen und die Presse bezeugten zur

den polnishen Ursprung dieser Jntrigue, bezweckt habe, den Keim der Zwietraht aus- zustreuen , angesihts der Bemühungen der drei Mon- arhen , dort Eintraht und Harmonie herzustellen, wo die polnischen Agitatoren Uneinigkeit und allgemeinen Kampf sinnen. Das Journal erinnert daran, hon wiederholt nach- gewiesen zu haben, daß die Mißhelligkeiten zwischen der Kurie und dem russishen Kabinet ausschließlih durch das dauernde Bestreben hervorgerufen worden seien, die Fnteressen der katho-

ultramontanen

M lischen Religion in Rußland mit denjenigen der Politik des Polen- Î thums zu identifiziren. Der vorliegende Zwischenfall liefere hier-

für einen neuen Beweis. Die Maßregeln, über welche si die seien gerade durch rein

die Bevölkerung zu polonisiren upd zu Feinden dex Regierun : E g E De B heranzubilden. An dem Tage, an dem die Kurie die Gefahr

M dieser Vermischung zwischen “olitik und Religion erkennen M werde,

werde in Rußland kein Mißverständniß mehr die wünschenswerthen guten Beziehungen zwischen der katholischen Kirche und dem Staate trüben.

Gegenüber verschiedenen Zeitungsauslassungen hat das Finanz-Ministerium an verschiedenen Stellen erklärt, daß es jeder Operation, um den Cours des Papier- rubels künstlih zu heben, gänzlich fernstehe,

Asien. China. 22. November. (W. T. B.) Ein Tele- des NeUutersGWen Bureaus“ aus Tientsin 21, d. M. meldel: Marquis Dseng. sei zum ersten

Afrika. Egypten. Kairo, 20. November. (Allg. Corr.)

- Die egyptishe Garnison von Massauah, in Stärke von # ungefähr 800 Mann, ist in Suez angekommen.

Dongola, 21. November. (A. C.) Der Mudir von Lord Wolseley heute Abend nah und drüdckte großes Erstaunen über die Schnelligkeit der Reise des Generals aus, die, wie er Der Mudir wird

E sih mcht so bald nah der Front begeben, wie gemeldet wor- S den ist.

Suakim, 21. November. (A. C.) 5000 Rebellen

haben bei Handub Temai ein Lager bezogen, um zu ver-

hindern, daß die Eisenbahn bis zu jenem Plate geführt wird.

SZeitungsftinmaien.

Die „National- Zeitung“ schreibt in ihrer Sonn-

In den leßten Tagen gingen durch die Presse Mittheilungen, wonach aus finanziellen Kreisen an die Regierung behufs Beseitigung des Projk!8s der Börsensteuer Vorschläge zur Einführung ciner all- gemeinen Quittungssteuer gelangt wären, die nach der cinen Angabe 20, nach einer anderen gar 50 Millionen Mark eintragen sollte. Mit Recht i} alsbald lebhafter Widerspruh gegen cinea solchen Plan, behufs Scbonung der Börsengeschäfte dem gesammten Handel und Wandel eine neue Steuer aufzuerlegen, laut geworden. Wir erfahren aber zuverlässig, daß aus den leitenden finanziellen Kreisen Niemand bei diesem Projekte betheiligt ist; sollte es wirklih be- stehen, so könnte es nur von sehr wenig berufener Seite herrühren. Dagegen wird der Gedanke, aus der Mitte der Börse selbst Vor- schläge zu einer erhöhten Börsensteuer zu machen, in den bethet- ligten Kreisen lcbhaft erörtert; während er allerdings noch viel- fahen Widerspruch findet, wird er doch andererseits aub ent- shieden mit der Motivirung vertheidigt, daß bei der jetzigen Strömung der öffentlichen; Meinung und bet der gegenwärtigen Zu- sammense zung des Reichstages eine höhere Börsensteuer do nicht zu vermeiden sei, und es sich daber empfehle, daß die Sachkundigen Vorschläge machen, bei denen das solide Geschäft bestehen kann. U. A. wird der {on früher aufgetauhte Gedanke der Kontingentirung des von jeder Börse aufzubringenden und von dieser auf ihre Mit- E, zu vertheilenden Betrages wieder auf maßgebender Seite erörtert,

Dasselbe Blatt befürwortet in seiner Sonntags- nummer die Annahme der Dampfervorlage. Jn dem betreffen- den Artikel heißt es:

__«_. . Der dur@scblazxcnde Beweggrund für die Subvention ist die Förderung des direkten Handelsverkehrs zwischen Deutschland und jenen Welttheilen, sei es des Verkehrs mit selbständigen Staaten oder fremden Kolonien, sei es mit deutschen Ansiedlungen auf

__ Wir habcn von Anfang an gegenüber der Auffassung, daß es si hier um eine unzulässige Eiamishung der Staatsgewalt in den privaten Geschäftsverkehr handle, die Analogie mit der Subventioni- rung oder direkten Auéfübrung von Eisenbahnbauten durch den Staat betont; mit Recht wird darauf hingewiesen, daß Deutschland in dieser Beziehung {on früher durch die Gewährung großer Zu- {üsse zur Gotthardbahn so weit gegangen ift, Kommunikations- mittel zu subventicniren, welche nit blos wie die projektirten Postdampfer, dem Verkehr mit dem Auélande dienen, sondern \o gr selbst dem Auélaude angehören, während es si jetzt um deutsche Sciffe handelt, die im deutsben Interesse die berrcnlosen Meere durchs\chneciden sollen. Selbst in England, wo das gesammte Eisen- bahnnetz dur private Jnitiative entstanden is, werden für Dampfer- Subventionea jährlich 12 Millionen Mark vom Staate bezahlt, abgesehen von Zuschüssen der Kolonialverwaltungen; wie sollten wir in Deutscland da Bedenken tragen für den gleichen Zweck eine mäßige E Unterstüyung zu gewähren, in Deutscbland, wo ohne solche sogar die wichtigsten Eitenbahnverbindungen nicht zu Stande gekommen wären! Die Verweisung auf die englischen und französisden mit 26 Millionen Maik jährlich subventionirten Postdampfer, welcbe, wie bisher, von dem deutschen Handel ohne eigene Opfer Deutschlands benutzt werden konnten, wird von allen deut- \c{en Interessenten abgelehnt; und auch dem Laien leuchtet ohne Wei- teres ein, welchen Vorzug die direkte Beförderung von deutschen Häfen aus vor der indirekten über englische oder französische, dec Verkehr mit

ean Ama n i m D L E E I I E I

Tranéportunternehmern der Heimath vor dem mit solchen des Aus- landes haben muß. Es if wabr, daß der letztere durch die mäßige Anzahl deutscher Poslschiffe, wel@&e auf Grund der Vorlage zunächst in Fahrt geseßt werden sollen, nicht überflüssig wird; aber etwas ist befser als nichts; und, erweist der erste Versuch }ch erfolgreich, so wird man weiter gehen können, während durch den Erfolg der erften Unternehmungen zugleih allmählich die Geldmittel zur Unterstützung neuer Linien frei würden.

Die Vorlage is neuerdings in cinem ongesehenen Handel8organ Hamburgs von dem Standpunkte aus fritisirt worden, daß sie keine Gewähr für auêreihende Leistungen biete, daß daher die 5 400 000 A Subvention nicht aenügend seien. So weit wir über die von der Regierung mit Rhederei-Gesellshaften über die Ausführung des Planes geführten Verhandlungen unterrichtet sind, halten wir diese Einwendungen nit sür erheblich

Welches Schicksal wird die Vorlage diesmal haben? Wir hoffen auf ein günstiges. Von vornherein sind ihr 150 Stimmen der beiden konserva- tiven Fraktionen und der Nationalliberalen gesichert. Die fehlenden 50 Stimmen werden, so glauben wir, aus der freisinnigen Fraktion, von deren Mitgliedern eine Anzahl sich während der Wahlbewegung prinzipiell für tie Subvention erklärt haben, und aus dem Centrum ge- stellt werden, das s{werlih den Febler begehen wird, cine oppositionelle Abftimmung bei diesem Anlaß zur Fraktionssache zu machen. . . Selbst aus den Éleinen Fraktionen ist wohl auf einige Stimmen für die Vorlage zu rechbnen: die Volkspartei hat ihc von Anfang an nicht feindlich gegenübergestanden, und die Elsaß-Lothringer finden darin cinen Ge- danken wieder, der ihnen aus den französishen Staatstraditionen her vertraut ist. Aber wieder, wie scit Jahren bei so vielen wichtigen Entscheidungen des Reichstages, kann Alles von wenigen Stimmen abhängen; wir können Angesichts dieser Sachlage nur den Wunsch wiederholen, daß Seitens der freisinnigen Fraktion nit eine Haltung wiederholt werden möge, zu welcher sie prinzipiell in keiner Weise ge- nöthigt ift und über deren praktische Verfehltheit sie niht mehr zweifelhaft sein kann.

Die „Leipziger Zeitung“ schreibt:

.…. Um zu berechnen, welche Klasse der Landwirthe von einer Preis- erhöhung der landwirthschaftlichen Produkte Nutzen ziehen würde, führt rie Freibßandelspresse Deuts&lands Folgendes aus:

„Die Grenze der landwirthschaftlihen Betriebe, weldbe Über ihren eigenen Bedacf hinaus produziren, liegt bei 5 ba, Die Ge- fsammtzabl der landwirthschaftlihen Betriebe bis zu einem Umfange von 5 ha beträgt etwa 75 9/0, also drei Viertel aller landwirth\schaft- lichen Betriebe, also hat nur ein Viertel von einer Erhöhung der Getreidepreise Nutzen, drei volle Viertel der landwirthschaftlichen Bevölkerung und die gesammte Jndustriebevölkerung Deutschlands bâtte davon nur Schaden.“

Wir möchten den „kleinen Mann“ sehen, der auf dieses Exempel nicht „hereinfi-le.“ Wer an dem geistigen Zusammenhang zwischen Fortschritt, Sozialdemokratie und ertremem Freihandel nob immer zweifelt, der hat hier einen Beweis für denselben, wie er besser nicht gefunden werden kann. Denn daß jene 75 °/6 aller landwirthschaft- lichen Betriebe nur 15% der landwirthschaftlihen Gesammtfläche umfassen, daß fich insbesondere unter jenen 75 9% aller Betiiebe kein einziges Bauerngut befindet, daß unter jenen 75% kleiner Land- wirthe nur versbwindend wenig wirkliche Landwirthe sind. die große Mehrzahl derselben vielmehr die Landwirthschaft nur als Neben- gewerbe betreibt, das Alles wird geflissentlih verschwiegen.

Sieht man unsere Tabellen genauer an, so ergiebt \ih, daß die Wirthscbaften bis zu 5 ha Umfang nur 15 9/9, die Wirthschaften von 5 bis zu 100 ha Umfang 60% (in Sachsen fogar 70 %/) und die Wirthschaften mit einem Umfange von mehr als 10 ha 25% (in Sachsen 15 9/0) der landwirthschaftlichen Gesammtfläche repräsen- tiren. Gerade derjenige Theil der landwirthschaftlihen Bevölkerung, dem jede gesetzgeberiswe Maßregel zu Gunsten der Landwirthschaft in erster Linie zu Gute kommen muß, weil er aus\ch{ließlich Landwirth- schaft treibt, derjenige Theil unserer Landwirthe, deren durchschnitt- liber Besitz 5 bis 100 ha und deren Gesammtbesitz 70%, somit nahe zu drei Viertel der landwirthschaftlichen Gesammtfläche umfaßt, gerade er bleibt von der freihändlerishen Berechnung ausges{hlofen. Daß in diesem Bauernftande noch immer das Mark des Staates ruht, daß jede Begehungs- oder Unterlassungssünde gegen diesen eigentlichen Repräsentanten der Landwirthschaft in thren Folgen Industrie und Handel, den großen wie den „kleinen Mann“ mittrifft und sich unbarmherzig rächt an dem Staate, der sie begeht oder zuläßt, ift seit Gustav Freitag nacbgerade auch in freisinnigen Kreisen zum Gemeinplatz ge- worden. Aber leider eben auch nur zum Gemeinplaß; wo s Ernst wird und es ein freihändlerishes Erempel gilt, da ftreiht man den deutschen Bauernstand als unbequemen Faktor einfah aus der Rechnung.

Amtsblatt des Retchs-Poftamts. Verfügungen: vom 14. November 1884, Leitung der Briefsendungen nah Smyrna. Vom 15. November 1884. Post-Dampfschiff- verbindung Stettin—Kovenhagen.

Archiv für Post und Telegraphie. Nr. 21. Inhalt: Akterstücke und Aufsätze: Einweihung des neuen Post- und Tele- araphengebäudes in Lübeck, Das Postwesen der Schweiz im Jahre 1883, Zur Geschichte der ersten Zeitungen. Gedenkblatt zum fünfzigsten Jahrestage der Errichtung des deutschen Zollvereins. Die amerikanise Polar-Erpedition unter Lieutenant Greeley. —— Kleine Mittheilungen: Neue Erwerbung für das Postmuseum. Telegraphen in Australien. Aenderungen im Postanweisungs- dienit British-Indiens. Ueberbrückung der Meerenge von Messina. Serbische Eisenbahnen. Auf der Zahnradbahn zwischen Nüdes- heim und dem Niederwald-Denkmal. Die Walfische und die unter- seeishen Telegraphenkabel. Zeitschriften-Ueberschau.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 47. Inhalt: Amtliches: Personalnachricbten. Gutachten der Königlichen Akade- mie des Bauwesens, betreffend den Neubau einer evangelischen Gar- nifsonkirche in Neisse. Nichtamtliches: Die Verwendung des Buchen- holzes zu Bauzwecken. Statistik der Eisenbahnen Deutschlands im Betriebsjabre 1882/83. Eine neue Befestigung8weise für Schienen auf eisernen Schwellen. Die Klosterkirbe von Icrichow (Forts). Vermischtes: Dritte Ausstellung von Lehrlingsarbeiten der Ber- liner Gewerbe. Gedächtnißkirhe in Speier. Preisbewerbung für Entwürfe zu einem Börsengebäude in Amsterdam. Bernward- säule in Hildesheim. Ueber Steinkohle und Seéfahrt. Ober- Baurath Gnauth f. Albert Castigliano |.

Nr. 60. Inhalt:

Kunft, Wissenschaft und Literatur.

Nach kaum vollendetem 70. Lebenéjahre i aestern Morgen um 6 Uhr in seiner Wohnung, Kurfürstendamm Nr. 7, dev Direktor des Zoologischen Gartens, Dr. Heinrich Bodinus, an einem Lungen- schlage gestorben.

Im Verlage von Th. Chr. Fr. Enslin (Richard Shoetz) in Berlin sind „Reisebilder aus der Schweiz“ erschienen, welche acht der herrlichsten Alpenansichten in vorzüglihster Darstellung wieder- geben: 1) den BVlick von der Rigi-Staffel na dem Pilatus, 2) das Wetterhorn, vom Grindelwald aus gesehen, 3) der Stäuberbah im Maderaner Thale, 4) der Vierwaldfstetter See, vom Wege auf den Axenstein bci Brunnen, 5) eine Mühle bei Champéry im Val d'Illiez, 6) bei Amstäg an der Gotthardbahn, 7) Jseltwald am Brienzer See, 83) das Maderaner Thal am Ausfluß des Hüfizletshers. Die Tafeln haben die ftattlihe Höhe von 51 ecm bei 40 cm Breite, so daß die Bilder eine gefällige Größe haben, in welcher auch die Details her- vortreten. Sämutlihe Ansichten sind nah der Natur, Nr. 1 bis 5 îin Aquarell, Ne. 6 bis 8 ‘ia Bleistift ausgeführt. Die Auswahl und Auffassung der Gegenstände zeugen von künst- lerischem Verständniß, die Ausführung ist bei strenger Korrektheit der Zeichnung und äußerster Sauberkeit flott und genial und bekundet eine gewandte Technik. Aus allen Aquarellen tritt dem Auge eine

L E Senn L E R S O E

wohlthuende Harmonie der Farben entgegen, die si in lcisen Ueber- gängen von kräftigen zu zarten Töônen abftumpfen, ohne weiblich zu werden. Vorzüglich gelungen if die duftige Ferne und die klare Luft, Die Stimmung, die in allen Aquarellen liegt, is besonders in dem Blicke von dem Axenstein auf den Vierwaldstetter See carafkteriftish. Die Bleistiftzeihnungen find fas noch mehr zu loben als die Aquarellen. Die Reproduktion der letzteren ist in der artistishen von Guftav W. Seitz in Wandsbeck dur Chromographie, die der Zeibnungen dur Libtdruck von Albert Sris in Berlin meisterhaft erfolgt. Besonderes Interesse gewinnen diese Bilder noch dadurch, daß der Autor, der \ich in becsceidener Avoonymität nur W. Reinhard nennt, eine bocgestellte, dur ibr Wirken für das öffentlihe Wobl allgemein bekannte und geachtete Persönlichkeit ift, deren hohe künstlerisbe Begabung bisher nur ver- trauten Kreisen bekannt gewesen ist. Die Verlagshandlung hat dem Kunstwerk eine würdige Ausftattung gegeben. Die Blätter find in einem reich verzierten soliden Karton enthalten. Der Preis dieser für den Weihnachtstisch bestens geeigneten Reisebilder beträgt 368 M4 __— Dttilie Ludwig hat von ihren Bildern aus dem Leben im Forsthause „Aus dem Waldleben jeßt den zweiten Theil (Verlag von Otto Hendel in Halle a. d. Saale) berausgegeben. Die Ve: fasserin hatte in ihren waidmännischen Erfahrungen dafür noch reihen Stoff gesammelt, den sie in ansprechender Weise verarbeitete. Zu den bekannten Personen des ersten Theils treten im zweiten noch die eigenartigen Bewohner des S{losses Birkenstein und einige Andere, unter denen si der harmlose Roman abspielt, der die ein- zelnen Forst- und Jagdbilder, den Waldbrand, die Berfolgung von Wilddicben, die Krähenhütte, den Fischotternfang, den Anstand auf Wildschweine, die Hühnerjagd, aub ein Fuchsprellen aus dem vorigen Jahrhundert und vieles andere Jnteressante mit einander verbindet. Aus Allem tritt die Empfänglichkeit der Verfasserin für die Schön- heiten der Natur und für den Reiz des Lebens im Forsthause dem Leser in wohlthuender Weise entgegen.

„Franfkreich in Wort und Bild. Seine Ge\chichte, Geographie, Verwaltung, Handel, Jnduftrie, Produkiion“, geschildert von Friedrich von Hellwald. Mit 455 Illustrationen. In ca. 50 Heften zu je 75 „5 Leipzia, Schmidt & Günther. 5. u. 6. Heft. Diese Hefte enthalten weitere Schilderungen aus Paris, so z. B. der feinen Gesellschaft bei Gelegenheit eines Diners, ferner eine Scilde- rung der Toilette resp. Reinigung von Paris, der Katakomben u. s. w. Sodann folgt die durch Jlustrationen veranscaulibte Beschreibung der anmuthigen Umgebung von Paris, an erster Stelle Versailles, dann St. Cyr, Sèvres, das \{óöne St. Cloud u. \. w.

Von dem Henry Préville’shen Roman „Was silissa“ (Les Koumiassine), überseßt von Wilhelm Henckel, ist im 6, Bande von „Cnaelhorns allgemeiner Romanbibliothek* (Stuttgart, A. Engelhorn) der Schluß erschienen. (Preis 50 4.)

y,1084. Bibliotheca Carthusíana, Catalogue XL de Ludw Rosenthals Antiquariat à Maunich (Munich)“, enthält ein Berzeicbniß von 1372 Schritten, betreffend den Karthäuserorden, ein- zelne Klöster, Mönce und Bischöfe dieses Ordens sowie theologische Schriften des versciedensten Inhalts, aus dem 15,, 16,, 17. u. 18. Jahrhundert, meist in lateinischer, mehrere in französischer, einige in italienisher und deutsher Sprache, welche in Rosenthals Antiquariat zu München vorräthig sind.

Gewerbe und Handel.

In einer Botschaft, welche der \{chweizeris{e Bundesrath am 7. d. M. an die Bundesversammlung gerichtet hat, wird darauf aufmerksam gemacht, daß die unterm 29. Juli/16. August d. J. be- \lossene Herabseßung des Einfuhrzolls für rohe Carbol- säure von 1 Fr. 50 Cts. auf 60 Rappen pro 100 kg nur so lange in Kraft zu bleiben habe, als die Behörden die vom Bunde zum Schug gegen die Cholera aufgestellten Vorschriften zu vollziehen haben werden.

__— Erläuterungen zum russishen Zolltarif. Zufolge Cirkularverfügung des rufsishen Zolldepartements vom 4. November/ 23. Oktober d. Js. fallen unter die im Punkt 1 d:s 8. 219 des Zoll- tarifes aufgeführten Waaren fortan: Kragen und Manscetten aus baumwollenen Geweben, überzogen mit einer Celluloidschiht (Zoll- saß pro Pud 1 Rubel 50 Kop.), ferner im Punkt 2 des §. 168 des Zolltarifs genannten Gegenstände: dünner gewalzter Draht, welcher im Handel unter dem Namen „Silber- und Goldregen“ bekannt ift und namentlich zur Verzierung der Christbäume dient (Zollsaß pro Pud 3 Rubel 30 Kop.), jowie unter Punkt 3, §. 232 des Zolltarifs: Musikkafsten jeder Art, sowohl die, welche mit einem Shlüsel auf- gezogen werden, als aucy die, wle mit der Hand beim Musicirean gedreht werden müssen (Zollsaß pro Pud 17 Kopy.).

- Krupp's Etablissement. Die „Zeitung des Vereins deutscher Eisenbahnverwaltungen“ giebt in ihrer Nr. 71 des Fahr- gangs 1884 folgende Uebersicht über die Größe und Leistungsfähigkeit des Krupp’shen Etablissements bei Essen: Im Jahre 1860 betrug die Zahl der in Cssen beschäftigten Arbeiter 1764; bis 1870 war die Zahl derselben auf 7084 gestiegen, und heute verdienen ungefähr 20 000 Arbeiter daselbs ihr Brot. Die Zahl der Familienglieder der im Etablissement Beschäftigten beläuft sih auf 45 776 Personen, darunter befinden fih ca. 13/00 Schulkinder, so daß im Ganzen 65 381 Personen auf den Krupp'shen Werken ihren Unterhalt finden. Von dics.r Anzahl leben 19 009 Menschen in Arbeitshäusern, die der Firma gehören. Gegenwärtig umfaßt das Etablissement folgende Abtheilungen: 1) Das große Etablissement in Essen, 2) drei Kohlen- bergwerke bei Efsen und Bochum, 3) 547 Eisenbergwerke in Deutschland, 4) verschiedene Eisenbergwerke im Norden Spaniens, bei Bilbao, 5) vier Hochofenwerke in Duisburg, Neuwied und Sayn, 6) einen 17km langen Scießpla bei Meppen für Versuche mit Kanonen, 7) Probescießpläße in Dülmen, 7!/4km lang, 8) vier Ozeandampfer, 9) verschiedene Lehm- ‘und Sandg:uben und Steinbrüche. Jn den Abtheilungen 1 bis 5 sind gegenwärtig in Betrieb, 11 Hochöfen, 1542 andere Defen verschicdener Art, 439 Dampfkessel, 82 Dampf- hämmer von 1 bis 40t Gewicbt, 21 Walzmühlen, 450 Dampf- maschinen, jede von 2 bis 1009 Pferdekräften, zusammen mit 185 000 Pferdekräften. Die Gesammtproduktion der Werke in Essen allein im Jahre 1881 betrug 260 000 000kg Stahl und Schmiedeeisen. Der Verbrauch an Kohlen beträgt 3100t pro Tag; ungefähr 1500t Eisen- erz werden täglich in den Hochöfen verarbeitet, 50km Eisenbahngleise, 38 Lokomotiven, 883 Eisenbahnwagen, 69 Pferde und 191 Wagen, 65km Telegraphenlinien mit 35 Stationen und 55 Morsemaschinen helfen die Arbeit auf dem Efscner Werke bewältigen. Außerdem gicbt es daselbst ein chemis{ches und cin physikalishes Laboratorium, ein photographishcs Atelier, eine lithographisce Anstalt, eine Druckerei mit 3 Schnell- und 6 Handpyressen, eine Buchbinderci, und eine Berufs- feuerwehr von 63 Mann. Zum Nutzen der Angestellten sind Konsum- anstalten eingerichtet, welce im Jahre 1882 für beinahe 4 Millionen Æ Waaren verkauften. Dazu gehören ein Hotel, 8 Bierwirthschaften und eine Selterwasserstube, eine Dampfmühle, eine große Bäckerei, cin Sc(lachthaus mit Fleischhalle, eine Schneiderwerkstatt, 2 Schuh- madcherläden und 465 Materialwaarenhandlungen, woselbst die An- gestellten ihre Waaren zum Selbstkostenpreise beziehen können mit einem geringen Aufschlage von 5 Proz.

Die Kohlen- und Roheisenpyroduktion Oester- reis im Jahre 1883. Nach den amtlichen Ermittelungen des K. K. Ackerbau-Ministeriums hat sich die Produktion von Koble und Roheisen in Oesterrei im Jahre 1883 abermals erheblich vermehrt. Wir entnehmen der „Zeitschrift des Oberschlesischen Berg- und Hütten- männischen Vereins“ (September 1884) die nacstehenden wichtigsten Zahlen: An Braunkohle wurden 98 538 652 Metercentner (9,53%) mehr gegen 1882) im Werthe von 18286 790 Fl. (7,97 °/@ mehr gegen 1882) erzeugt; davon entfielen allein 73/9 auf Böhmen. Bei der Förderung derselben waren 30045 Personen mit einem Durch- \hnittsantheile von 608,6 Fl. beschäftigt. Die Ausfuhr betrug 37 003 398 Metercentner oder 389/69 der Gesammtproduktion. Die Steinkohlenproduktion belief sich auf 71940961 Meter- centner (+ 9,68 %/9 geaen das Vorjahr). im Werthe von 22875877 FL (+ 6,69 9%/o gegen 1882); exportirt davon wurden 3 698 086 Meter- centner oder 5,14%, Die Zahl der beschäftigten Arbeiter betrug

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