1884 / 279 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 26 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Personalveränderungen.

Königlih Preußische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im aktiven Heere Berlin, 21. November. Erfling, Major vom Kriegs-Minifterium, unter Ernennung zum Commandeur des Pion. Bats. Nr. 6, zum Stabe des Jngenieur-Corps versetzt. Nebelsieck, Hauptm. von der 1. Ing. Insp., vorläufig auf drei Monate zur Dienstleistung bei dem Kriegs-Minifterium kommandirt. v. Apell, Major und Ina. Offiz. vom Plaß in Wesel, zum Com- mandeur des Pion. Bats Nr. 2, Frhr. v. Rössfing, Major und Commandeur des Pion. Bats. Nr. 2, unter Stellung à la suite des Stabes des Ing. Corps, zum Adjut. der Gen. Jasp. des Ing. Corps und der Festungen ernannt. Taubert, Hauptm. von der 1. Ing. Insp. und Ing. Offiz. vom Platz in Colberg, unter Beförderung zum Major, zum Stabe des Ing. Corps verseßt. Mathieu I., Hauptm. von der 4. Ing. Insp., zum Ing. Offiz. vom Plaß in Wesel ernannt. Graf v. Douglas, Sec. Lt. von der Reserve des Drag. Regts. Nr. 22, im aktiven Heere, und zwar als Sec. Lt. mit Patent vom 21. November 1884 bei dem genannten Regt., angestellt. von der Groeben, Sec. Lt. vom Drag. Regt. Nr. 12, dessen Kommando zur Dienstleistung bei des Prinzen Georg von Preußen Königliche Hoheit um ein Jahr verlängert. v. Trotha, Pr. Lt. vom Inf. Regt. Nr. 54, vom 1. Dezember cr. ab auf ein Jahr zur Dienst- leistung bei der Schloß-Garde-Comp. kommandirt.

Königlich Bayerische Armee.

Ernennungen, Beförderungen und Verseßungen. Im activen Heere. 19. November. Frhr. v. Pehmann, Pr. Lt. vom 11. Inf. Regt., zum 2. Inf. Regt, Schleicher, Pr. Lt. vom 1. Fuß-Art. Regt. unter Stellung à la suite dieses Trup- pentheils, zur Insp. der Art. und des Trains, Endres, Pr. Lt. à la suite des 2, Feld-Art. Regts., von der Insp. der Art und des Trains, Frhr. v. Neubeck, Pr. Lt. à la suite des 3. Feld-Art. Regts., unter Enthebung von der Funktion als Adjut. der 1. Feld- Art. Brig., Beide in den etatsmäß. Stand d. genannten Regimenter, verseßt. Straßner, Prem. Lieut. des 2. Feld-Artill. Regiments unter Stellung. à la suite dieses Truppentheils, zum Adjut. der 1. Feld- Art. Brig. ernannt. Thenn, Pr. Lt.,, als Comp. Chef im 2. Inf. Regt., Meyer v. Schauensee, Pr. Lt. vom 2. Pion. Bat., im Ing. Corps, zu Hauptleuten, Winter, Sec. Lt. von der 2. Ing. Direktion, im Ing. Corps, zum Pr. Lt. befördert. Frhr. v. Scherer, Hauptm. a. D,., unter Stellung à la suite des 10. Inf. Regts. und unter Verleihung des Charakters als Major, als Platzmajor der Festung Ingolstodt wiederangestellt.

Durch Verfügung des Kriegs-Ministeriums. 22, November. Graf v. Bothmer, Pr. Lt. des Inf. Leib-Regts,, Frhr. v. Bechtolsheim, Pr. Lt. des 8, Inf. Regts, Sirl, Pr. Lt. des 12, Inf. Regts., Lobenhoffer, Pr. Lt. des 3. Feld-Art. Regts., von ihrem Kommando zum Generalstabe enthoben. FJlling, Pr. Lt., bisher Bats, Adjut. des Inf. Leib-Regts,, Endres, Pr. Lt. des 2. Feld-Art. Regts., Frhr. v. Neubeck, Pr. Lt. des 3, Feld- Art. Regts., zum Generalstabe kommandirt.

Abschiedsbewilligungen. Jmaktiven Heere. 13. No- vember, Dütig, Oberst à la suite des 4. Chev. Regts., Com- mandeur der 2. Kav. Brig., in Genehmiguna seines Abschiedsgesuches, unter Verleihung des Charakters als Gen. Major, mit Pension zur Disp. gestellt. Dtt, Hauptm. à la suite des 5, Inf. Regts., Platz- major der Festung Ingolstadt, der erbetene Abschied mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Unif. bewilligt. 19. Novem- ber. Deu scber, Pr. Lt. z. D., Adjut. des Landw. Bez. Vilshofen, der erbetene Abschied mit Pension und mit der Erlaubniß zum Tragen der Uniform des 11, Inf. Regts. bewilligt. Reitter Oberst-Lt. a. D., als Oberst, Hoh, Simmeth, Pr. Lts. a. D.' als Hauptleute, Haag, Mayr, Wohmich, Fleishmann" Sec. Lts. a. D,, als Pr. Lts. charakterisirt. ,

Nichtamtliches. Deutsches Neicch.

Preußen. Berlin, 26. November. Se. Majestät der Kaiser und König nahmen heute den Vortrag des Hofmarschalls sowie des Chefs des Civilkabinets, Wirklichen Geheimen Raths von Wilmowski entgegen.

Se. Kaiserliche und Königlihe Hoheit der Kronprinz empfing gestern Vormittag 11/7 Uhr militärische an und begab Sich Abends 8 Uhr nach dem Deutschen

eater.

In der heutigen (3.) Sißung des Reichstages, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, die Staats- Minister von Boettiher und Bronsart von Schellendorff sowie mehrere andere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kom- missarien desselben beiwohnten, theilte der Präsident dem Hause mit, daß ein Schreiben des Reichskanzlers, unterzeichnet vom Staalssekretär von Boetticher, eingelaufen sei, welches die Neubildung der Reichstagsbau-Kommission betreffe,

Das Haus trat hierauf in die Tagesordnung ein, deren ersier Gegenstand die Berathung des von den Abgg. Kayser und Genossen eingebrahten Antrages wegen Sistirung eines beim Reichsgeriht gegen den Abg. Heine s{hwebenden Straf- verfahrens war. Der Antrag lautet:

Der Reichstag wolle bescließen :

den Reichskanzler zu ersuchen, zu veranlassen, daß das gegen den

Abg. Heine beim Reichsgeriht \{chwebende Strafverfahren wegen

Beleidigung des Vorstandes der Arbeiterkolonie in Sayda auf

Grund Art. 31 der Reichsverfassung während der Dauer der

Session eingestellt werde, ;

Nachdem der Antragsteller Abg. Kayser seinen Antrag kurz begründet hatte, wies der Staats-Minister von Boetticher darauf hin, daß gegen den Abg. Heine bei dem Landgericht in Dae tosi noch eine andere Anklage anhängig sei, deren

iflirung für die Dauer der Session gleihfalls im Jnteresse der Antragsteller liegen könne, Er gebe daher anheim, den Antrag in diesem Sinne zu erweitern.

__ Der Abg. Kayser amendirte hierauf seinen Antrag da- hin, daß auch das in Halberstadt anhängige Strafverfahren gegen den Abg. Heine sür die Dauer der Session sistirt werde.

Der Antrag wurde ohne weitere Diskussion angenommen.

Dann folgte die erste und eventuale zweite Berathung des von den Abgg. Ausfeld und Genossen eingebrahten Ge- On betreffend die Abänderung des Art. 32 der Ver- fassung des Deutschen Reichs. Derselbe lautet :

__ Der Reichstag wolle beschließen, nahstehendem Gesetzentwurf seine Zustimmung zu geben:

i i Geseß, betreffend die Abänderung des Artikels 32 der Verfassung des Deutschen Reichs. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen ‘des Deutschen Reis, nah erfolgter Zu- stimmung des Bundesraths und des Reichstages, was folgt :

G Der Artikel 32 der Verfassung des Deutschen Reiches wird aufgehoben. An dessen Stelle tritt der §. 2 des gegenwärtigen Ge! eßes. i

S 2, Die Mitglieder des Reicbstages erhalten aus Reichêmitteln Reisekosten und Diäten nah Maßgabe des Gesetzes. Ein Verzicht darauf ift unftatthaft. i

e * Bis zum Erlaß dieses at seßt der Bundesrath die Höhe der Reisekosten und Diäten feft.

Der Abg. Dr. Frhr. Schenck von Stauffenberg wies zur Be- gründung des von seiner Partei gestellten Antrages auf die Vorgeschichte desselben hin. Die Forderung, welche derselbe enthalte, bringe Fein Novum. Jn allen Landesver- tretungen Deutschlands, vielleiht mit alleiniger Ausnahme Mecklenburgs, würden den Abgeordneten Diäten bewilligt, und deshalb habe auch Hr. von Bennigsen mit Necht her- vorgehoben, daß nicht die Einführung von Diäten, sondern ihre Beseitigung ein Novum schaffen würde. Thatsächlih involvire die Versagung der Diäten eine Beschränkung des freien Wahl- rechts, die sich aus der Besorgniß erklären lasse, daß bei allgemeinem Wahlrecht die Umsturzpartei in bedenks liher Weise anwachsen könne. Wenn man- in der Versagung der Diäten in der That ein Palliativmittel in dieser Richtung erblickt habe, so liege die Fruchtlosig- keit desselben auf der Bi Aber auh nach anderen Seiten habe sich die Diätenlosigkeit nachtheilig erwiesen. Jn der Person der Abgeordneten sei ein#rasher Wechsel eingetreten, und vielen Ständen sei der Eintritt in das Parlament nicht möglich, weil sie die Kosten nicht zu tragen vermöchten, welche die Annahme eines Mandats verursahe. Die Handwerker- frage habe hier im Hause so oft hon eine große Rolle ge- spielt, aber diskutirt worden sei dieselbe hier im Hause nicht von Handwerkern, sondern zum größten Theil von Groß- grundbesißern. Redner verlas hierauf eine Statistik über die Dauer der Sessionen, um die Kosten, welhe die Annahme eines Mandats verursache, festzustellen. Die Entschädigung, die gefordert werde, würde so mäßig sein, daß sie nicht als Anlodung zur Annahme des Mandats aufgefaßt werden könne. Die Beschränkung der; Bahnkarten habe siher etwas Bedenkliches. Eine einseitige Aenderung an einer Etatsposition sei niht zulässig. Aber auch diese Maßregel bilde nur ein Glied in der Kette von Maßnahmen, die darauf abzielten, das Ansehen des Parlaments immer mehr einzuschränken. Er halte es für sehr bedenklih, wenn man auf diesem Wege weiter fortshreiten wollte. Das Reich be- ruhe auf dem Bunde der Fürsten und auf der Armee nicht allein, sondern auch auf dem Ansehen, welches das Parlament im Volke genieße.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode hielt den Zeit- punkt nicht für geeignet, einen solhen Antrag einzubringen. Das hätte vor drei Jahren geschehen sollen, als die frei- sinnige Partei einen großen Sieg erfohten habe, aber nicht jeßt, wo die Partei unterlegen sei. Von der Maßregel, die bezüglih der Bahnkarten getroffen, sei auch er niht angenehm berührt; aber man dürfe dieselbe nicht zu tragish nehmen. Das Ansehen des Reiches und des Parlaments würde durch die- selbe nicht beeinträchtigt. Fm Uebrigen weise er darauf hin, daß die Verhandlungen von 1874 ergäben, daß man damals nicht an eine unbeschränkte Benußung der Fahrkarten gedacht habe. Es sollte nur der Untgxschied in Bezug auf den Wohnort zwischen den einzelnen AbgFéordnéten beseitigt werden. Auch jeßt sei es allen Parteien möglih, Vertreter im Parlament zu finden ; das beweise doch auch die sozialdemokratische Partei, die auch, wenn Diäten beständen, niht mehr Vertreter in das Parlament geschickt haben würde als heute. Den rashen Wechsel der Personen halte er für keinen Nachtheil. Man verhindere so das Aufkommen von Berufsparlamentariern.

Der Abg. von Benda erklärte, daß seine Partei, wie schon in früheren Jahren so auch heute, die Diätenfrage für eine offene halte. Seine Partei werde also zum Theil dém Antrage zustimmen, freilih ohne damit die Opportunität desselben im jeßigen Augenblick anerkennen zu wollen, der andere Theil würde gegen den Antrag stimmen.

Bei Schluß des Blattes sprah der Abg. Auer.

Am 18. d. M. sind die Ratifikations-Urkunden zu dem deutsch-koreanishen Handels-, Freund- schafts- und Schiffahrts-Vertrage vom 26. November v. F. ausgewechselt worden.

Der Minister des Fnnern ist in einem Spezial-Erlaß vom 2. d. M. der Ansicht beigetreten, daß auch die von Vereinen veranstaltéten Tanzlustbarkeiten, zu denen ein Jeder gegen Erlegung eines bestimmten Eintritts- geldes zugelassen wird, als öffentlihe Lustbarkeiten angesehen werden müssen, Daraus folge dann, daß dergleichen Tanz- [lustbarkeiten allen denjenigen polizeilihen Einschränkungen unterliegen, dénen öffentlihe Tanzlustbarkeiten, den bezüg- lichen allgemeinen Vorschriften nach, überhaupt unterworfen sind. Es sei niht wohl abzusehen, welhen Unterschied es in dieser Beziehung begründen solle, daß die Veranstalter solcher Lustbarkeiten sich als „Verein“ bezeihnen, während es sih doh niht um eine Lustbarkeit des Vereins, sondern um eine für das gesammte Publikum bestimmte Lustbarkeit handele. Augenscheinlih wäre andernfalls der Umgehung der gedachten allgemeinen Vorschriften Thür und Thor ge- öffnet. Ebensowenig könne sodann aber auch die Kon- zessionspflichtigkeit der Unternehmer von Theatervorstel- lungen, zu denen Eintrittskarten an Jedermann ver- kauft werden, dadurch s\ich beseitigen lassen, daß die Unternehmer äußerlih im Namen eines Vereins auftreten. Auch hier sei es entscheidend, daß die gedachten Vorstellungen niht für den Verein, sondern für das gesammte Publikum veranstaltet würden. Die Annahme, daß eine derartige Ver- anstaltung eine gewerbsmäßige sei, werde dadurh nicht aus- geschlossen, daß der Verein in seinen Statuten die gesellige Vergnügung seiner Mitglieder als seinen Hauptzweck be- zeihne, während er sih gleihwohl thatsächlich auf diesen Zweck nicht beschränkt, in ähnlicher Weise, wie die behufs Umgehung der Konzessionspflicht zum Betriebe des Schank- gewerbes zusammentretenden „Konsumvereine“ 2c. Ob die Theatervorstellungen einen erheblihen oder un- erheblichen Gewinn abwerfen, sei an und für sich, soviel hier in Betracht komme, gleichgültig. Wenn endlih hervorgehoben werde, daß die in Rede stehenden Lustbarkeiten von jedem einzelnen Verein nur höchstens drei bis vier Mal im Jahre veranstaltet würden, so komme dem gezenüber in Betracht, daß nah der als feststehend zu betrahtenden gerichtlichen Praxis selbst eine einmalige Handlung, den Umständen des ¿Falles nach, als strafbarer Beginn eines Gewerbebetriebes aufgefaßt werden könne,

Die im Reichs-Eisenbahnambt aufgestellte, in Nr. 278 der Ersten Beilage veröffentlihte Uebersicht der Betriebsergebnisse deutsher Eisenbahnen für den Monat Oktober d. F. ergiebt für die 40 Bahnen, welche au schon im entsprehenden Monate des Vorjahres im Be- triebe waren und zur Vergleihung gezogen werden konnten, mit einer Gesammt-Betriebslänge von 30 893,02 km, nac- stehende Daten :

Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen war im Oktober d. J.: a, beim Vergleiche der provisori\ch ermittelten Ergebnisse des laufenden Jahres mit dem Definitivum des Vorjahres: bei 20 Bahnen mit zusammen 5602,05 km höher und bei 20 Bahnen mit zusammen 25 290,97 km niedriger, als in demselben Monate des Vorjahres, und auf das Kilometer Betricbslänge bei 18 Bahnen mit zusammen 4216,70 km höher und bei 22 Bahnen mit zusammen 26676,32 kw (darunter 5 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) niedriger, als in demselben Monate des Vorjahres; b. beim Vergleiche der pro- visorisch ermittelten Ergebnisse des laufen- den Jahres mit den im Vorjahre ermittelten provisorishen Angaben: bei 25 Bahnen mit zusammen 5841,76 km böber und bei 15 Bahnen mit zusammen 25 051,26 km niedriger, als in demselben Monate des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 25 Bahnen mit zusammen 5841,76 km höher und hei 15 Bahnen mit zu- jauimen 25 051,26 km (darunter 3 Bahnen mit vermehrter Be- O geringer, als in demselben Monate des Vor- jahres.

Die Einnahme aus allen Verkehrszweigen war vom 1. Ja - nuar bis Ende Oktober d. J.: a, deim Vergleiche der provisorisch ermittelten Ergebnisse des lau- fendenFahres mit demDefinitivum des Vorjahres: bei 23 Bahnen mit zusammen 6078,75 km höher und bei 17 Bahnen mit zusammen 2481427 km geringer, als in dem- selben Zeitraume des Vorjahres, und auf das Kilo- meter Betriebslänge bei 22 Bahnen mit zusammen 5979,25 km höher und bei 18 Bahnen mit zusammen 24913,77 km (darunter 6 Bahnen mit vermehrter Betriebslänge) geringer, als in demselben Zeitraume des Vorjahres ; b. beim Vergleiche der provisorisch ermitteltenErgebnisse mit den im Vorjahre ermittelten provisorischen Angaben: bei 26 Bahnen mit zusammen 7512,58 km höher und bei 14 Bahnen mit zusammen 23 380,44 km ge- ringer, als in demselben Zeitraume des Vorjahres, und auf das Kilometer Betriebslänge bei 24 Bahnen mit zusam- men 6106,75 km höher und bei 16 Bahnen mit zusammen 24 786,27 km (darunter 6 Bahnen mit vermehrter Betriebs- länge) geringer, als in demselben Zeitraume des Vorjahres.

Bei den unter Staatsverwaltung stehenden Privatbahnen, ausschließlich der vom Staate für eigene Rech- nung verwalteten Bahnen , betrug Ende Oktober d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 160 280 000 (54 915 000 Stammaktien, 44595 000 /4 Prioritäts-Stamm- aktien und 60770 000 4/6 Prioritäts-Obligationen) und die Län ge derjenigen Strecken, für welche das Kapital bestimmt ist, 642,82 km, so daß auf je 1 km 249 339 A entfallen.

Bei den unter Privatverwaltung stehenden Privatbahnen betrug Ende Oktober d. J. das gesammte konzessionirte Anlagekapital 625849129 M (311 069 650 / Stammaktien, 70914100 # Prioritäts- Stammaktien und 243 865 379 # Prioritäts-Obligationen) und die Länge derjenigen Strecken, für welche dieses Kapi- a 1 aues f 3300,05 km, so daß auf je 1 km 189 648 M entfallen.

Cassel, 25. November. Jn der heutigen Sißung des Kommunal-Landtages referirte zunächst der Legitimations- aus\schuß, worauf die in der 5. Sitzung des Kommunal- Landta..es abgebrohene Berathung über den Bericht des ständischen Verwaltungsausschusses über die Erweiterung der landwirth\schaftlihen Wintershule in Marburg beziehungs- weise die Errichtung einer Ackterbaushule wieder aufge- nommen wurde. Nach längeren Verhandlungen bes{chloß die Versammlung einstimmig, den ständishen Verwaltungs- aus3\{chuß zu beauftragen, mit der Königlichen Staatsregierung und dem landwirthschaftlichen Centralverein zu Cassel in erneute Verhandlung über cine weitere Hebung und Vervoll- ständigung des landwirthschaftlihen Unterrichts namentlich in praktischer Beziehung zu treten und denselben zu ermähtigen, für diesen Zweck die Summe von 12000 jährlih zu ver- wenden. Hiernächst gelangte eine Vorlage des ständischen Ver- waltungs8ausshusses, betreffend die Ernennung weiterer ständischer oberer Beamten, sowie die Abänderung in der bisherigen Klassifizirung, Bezeihnung und Gehaltsregulirung von stän- dischen Beamten zur Berathung und, wurden auf Vortrag des Hauptausschusses die in dieser Vorlage gestellten Anträge ohne Diskussion angenommen. Endlih wurde der Voranschlag über Einnahmen. und Ausgaben der Jrrenheilanstalt zu Marburg für die Jahre 1885/87 genehmigt.

Hessen. Darmstadt, 25. November. (W. T. B.) Der Landtag hat sich heute konstituirt. Zum Präsidenten der Ersten Kammer hat der Großherzog den Grafen Goerßt ernannt; zum Vize-Präsidenten derselben wurde Fürst Fsenburg-Büdingen gewählt. Jn der Zweiten Kammer wurde Kugler zum Präsidenten, Wolfs- fehl zum Vize-Präsidenten gewählt. Der Großherzog wird den Landtag morgen in Person eröffnen.

Elsaß - Lothringen. Straßburg, 24. November. Die Fälle, in denen die elsaß-lothringishen Gerichte genöthigt gewesen sind, auf Grund der Strafbestimmungen des Gesetzes vom 14, Mai 1879, betreffend den Verkehr mit Nahrungs- und Genußmitteln, gegen Weinfälsher vorzugehen, haben sich, wie die „Els.-Lothr. Lds.-Ztg.“ einer ihr vor- liegenden statistishen Zusammenstellung entnimmt, in den leßten Fahren erfreuliher Weise nicht unbedeutend vermindert. Während in der Zeit vom 1. April 1881 bis dahin 1882 der Vertrieb von Wein in 292 Fällen zu gerichtlihem Ein- schreiten wegen Weinfälshungen gegen Fabrikanten, Händler und Wirthe Anlaß gegeben hat, is in der Periode vom 1, April 1882 bis zum 1. April 1883 die Zahl der Ver- folgungen auf 74 und im nächstfolgenden Jahre auf 39 ge- sunken. Ja dem Halbjahre vom 1. April bis zum 1. Oktober 1884 betrug die Zähl der gerichtlihen Verfolgungen nur noch 13. Diese Zahlen dürften den Beweis liefern, daß die strengen Strafen, welche in einzelnen Fällen gegen Wein- fälscher erkannt worden sind, ihren Zweck nicht verfehlt haben.

Oesterreich-Ungarn. Pes, 24. November. (Wien. Ztg.) Der Einundzwanziger-Auss{chuß des Abgeordneten- hauses begann heute die Spezialdebatte über den Geseßz- entwurf, betreffend die Reform des Oberhauses. Gleichzeitig berieth der Petitionsauss{chuß des Ab- eordnetenhauses über mehrere Petitionen, dar- unter jene der Komitate Nograd und Szepes Zolyom, wegen Verfügungen zur Hintanhaltung von Unregelmäßig- keiten bei der Führung der israelitishen Matrikeln und jene des Komitats Torontal um Ueberlassung von Aerarial- Domänen zum Zweck der Kolonisirung. Der Ausschuß beschloß, die Ueberweisung dieser Gesuche an die betreffenden Minister in Antrag zu bringen.

Belgien. Brüssel, 23. November. (Köln. Ztg.) Auf Antrag des Justiz-Ministers de Volder hat der König eine Kommission von 19 Rechtsgelehrten und Richtern eingeseßt und beaustragt, die Aenderung gewisser Theile des Civil- geseßbuches zu berathen und vorzubereiten, damit die Streitpunkte, welche seit längerer Zeit zwishen Rechtslehre und Rechtsprehung obwalten, beseitigt werden können.

Großbritannien und Jrland. London, 24. November. (Allg. Corr.) Das Unterhaus hielt am Sonnabend Nach- mittag eine Sißung, in welcher die ministerielle Vorlage, welhe behufs Deckung der Nachtragskredite für die Nil-Ex pedition und die Expedition nah Betschuana- land die Einkommensteuer um einen Penny für das

N Pfund erhöht, dur die Einzelberathung gefördert wurde.

Fast gleichzeitig fand in Downing-street ein Kabinets- rath statt, um die Bill für die Neueintheilung der Wahlbezirke zu erwägen, welhe im Verlauf des Tages auch Gegenstand einer Konferenz mit den Führern der kon-

| servativen Partei bildete. Der Meinungsaustausch wurde

indeß in dieser Sißung niht zu Ende geführt und bis Mitt-

| poch vertagt. Was in dieser Konferenz stattfand, schreibt der

Observer“, bestärkt die Regierung in ihrer Annahme, daß

ih einem gütlichen Vergleich über die Vorlage für die Neu- | eintheilung der Wahlbezirke kein unüberwindlihes Hinderniß | in den Weg stellen wird.

26. November. (W. T. B.) Die „Daily News“

N bezeihnen die gestrige Mittheilung der „Times“, daß die Î Regierung die Vorschläge betr. s eines Arrangements über

N die egyptishen Finanzshwierigkeiten den Mächten Ï bereits habe zugehen lassen, als unrichtig; dieselben seien | den Mächten noch nicht unterb eitet, und es werde dies erst | nah der nähsten Sißung des Kabinetsraths erfolgen.

Calcutta, 283. November. (A. C) Die nah dem

i Zhobthale gesandte Expedition befindet sich jeßt auf Ï dem Rückmarsch. Die Expedition hat wenigstens ein werth- Ï volles Resultar erzielt, nämlih die vollständige Vermessung

des Zhobthales. Es ist festgestellt worden, daß die Haupt-

Ï straße vom Gomulpaß nah Candahar nicht, wie man glaubte, Ï durh das Zhobthal läuft, sondern durch das Thal von | Khwandar, und daß die Route für eine große Armee passirbar

ist, Das Zhobthal scheint für eine durchmarschirende Armee keine Hülfsmittel zu bieten, ausgenommen einigen ausgezeih- neten Weidegrund.

Frankreich. Paris, 25. November. (W. T. B.) Jn

der Deputirtenkammer wurde heute die Berathung der

Kreditoorlage für Tongking fortgeseßt. Der Bischof

Î Freppel vertheidigte die Politik der kolonialen Aus-

breitung mit dem Bemerken, daß Frankreih als Seemacht und civilisatorishe Nation Kolonien haben müsse. Die Eroberung von Tongking verdi:ne daher die verlangten Opfer.

N Anatole Delaforge führte aus: die chinesische Frage sei Ï nicht das Blut eines einzigen französishen Soldaten werth ; N man dürfe nicht an eine Kolonialpolitik denken, so lange i Frankreich nicht Elsaß-Lothringen wieder habe. Granet und F andere Redner verlangten, das Kabinet solle seine Absichten F flar darlegen. Die Berathung wird morgen fortgeseßt.

Die am Sonntag anläßlich der Arbeiterversamm-

E lung verhasteten Anarchisten wurden theils wegen auf- Ÿ rührerisher Handlungen, theils wegen Beleidigung der Polizei N zu Gefängnißstrafen von 8 Tagen bis 4 Monaten ver- F urtheilt.

Angesichts des fast gänzlichen Erlöschens der Cholera hat

: au der Seine-Präfekt die Veröffentlihung von Cholera- N berichten eingestellt. Aus Oran werden 3 Cholera- A Todesfälle gemel et.

Italien. Rom, 25. November. (W. T. B.) Die

Z heutige amtlihe Zeitung veröffentlicht die Dekrete, durch N welche das Entlassungsgesuh des Justiz-Ministers N Ferraciu genehmigt wird und der Senator Pessina N zum Justiz-Minister sowie General Durando zum E Präsidenten des Senats ernannt werden.

Türkei. Salonichi, 22. November. (Allg. Corr.) Ein

: Detachement von 600 ausgedienten Soldaten ist hier an- y gekommen und nah Anatolien weiter gesandt worden. F Diese Mannschaften bildeten einen Theil der Garnison von

Monastir, welche Ende vorigen Monats behufs Erzielung

Ï ihres rüdständigen Soldes eine Meuterei anzettelte. Einige Î Jnsuboroinationsfälle kamen in der vorigen Woche auch unter den

in Salonichi stationirten Truppen vor, aber jeßt ist die Ruhe in

| der Garnison wieder völlig hergestellt.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 25. No- vember. (W. T. B.) Der Kaiser und die Kaiserin sind

7 heute nah St. Petersburg Üübergesiedelt.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 21. Novem- ber. (Köln. Ztg.) Der oberste Gerichtshof hat heute

| sämmtliche 19 Stockholmer Reichstagswahlen, welche

sehr liberal ausgefallen, aber angefohten worden waren, weil fünf nicht stimmberechtigte Ausländer mitgewirkt haben, für null und nichtig erklärt. Die Neuwahl ist auf Anfang Dezember anberaumt.

Amerika. New - York, 22. November. (Allg. Corr.) Das Revisoren- Kollegium des Staates New-York trat gelern in Albany zusammen und erklärte endgültig das Resultat der Präsidentenwahl in dem erwähnten Staate, Der niedrigste demokratische Wahlmann hat eine Majorität von 1043 Stimmen über den höchsten republika- nishen Wahlmann. Der höchste demokratishe Wahlmann hat eine Majorität von 1149 Stimmen über den höchsten republi- kanischen Wahlmann. Das Kollegium begab si alsdann in

| Corpore zu dem Gouverneur Cleveland, um ihn anläßlih

seiner Erwählung zum Präsidenten zu beglüdwünschen.

Afien. China. Haiphong, 15. November. (Allg. Corr.) Schwere Kämpfe werden in Tongking erwartet.

Große Abtheilungen chinesischer Truppen nähern sich den Franzosen in verschiedenen Richtungen. General Brière de l'’Fsle behauptet nur die Hauptposten im Delta ; General grier hält eine verschanzte Linie diht am nörd- lichen Saume des Deltas beseßt. Das Krankheitsverhältniß unter den französishen Soldaten hat in leßter Zeit in Folge des Umstandes, daß das Kriegétheater jeßt nah den Dicichten und Bergen verlegt worden ist, zugenommen. Die Kanonen- boote können den Fluß nicht weiter hinauffahren. Shanghai, 23. November. (A. C.) Die chinesisch e Flotte {hickt sich an, Formosa zu verlassen. Man glaubt, daß die französishen Forderungen die Ausführung des Ver- trages von Tientsin, die Beseßung von Kelung und Tamsui für fünf Jahre Seitens der Franzosen und eine chinesische Abbitte für die Affaire vvn Langson umfassen. Die Chinesen andererseits behaupten, daß die Katastrophe in Langson die Schulb der Franzosen sei, und verwerfen die ihnen ange- brtenen Bedingungen gänzlih, da sie glauben, daß die Franzosen in diesem Falle Formosa behalten würden.

Afrika. Egypten. Kairo, 25. November. (W. T. B.) Die auf heute anberaunte Verhandlung des Prozesses der Staatsschuldenkasse gegen die egyptishe Regierung ist auf aht Tage verschoben worden.

Dongola, 23. November. (Allg. Corr.) Neuerdings sind wieder Gerüchte im Umlauf, daß Lord Wolseley Emissäre zum Mahdi mit Friedensanbietungen gesandt habe. Diese Gerüchte entbehren indeß der B e- gründung. i

KZeitungsftimnren.

Wie die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ mittheilt, ist dem Reichskanzler von den angesehensten, in Montevideo ansässigen Deutshen nachstehende Adresse zu- gegangen :

Montevideo, im August 1884. Durchlauchtigster Fürst! Hochverehrter Herr Reichskanzler!

Die Gefühle tiefen Dankes, welche Deutschland unserem erhabenen Kaiser schuldet, der Ew. Durchlaucht zu der gewaltigen Aufgabe der Leitung der deutschen Politik berufen und so die Einheit, ktie Größe, die Sicherheit des Vaterlandes geschaffen hat, find durch ein neues, hohes Verdienst Ew. Durchlaucht abermals gesteigert worden.

Seit Jahrhunderten lebte im deutschen Volke der dunkle Drang, seinen strebsamen Kräften, die ih immer vermehrend in der Heimath kein voll lohnendes Feld füc thre Thätigkeit fanden, im Auslande einen Boden für ihr Wirken zu bereiten, wo die Früchte ihrer Arbeit niht dem Vaterlande verloren gingen und nur dem Auslande zum Nuten gereichten.

Aber, wie früher die Erreichung der Einheit Deutschlands, \o ist auch bis in die letzte Zeit das von dem Gefühl einer inneren Nothwendigkeit getragene Streben nach einer wahrhaft deutschey, f way gesunden Kolonialpolitik auf übermäßige, äußere Hindernisse gestoßen.

Erst Ew. Dur(blauht hoher Weisheit und Thatkraft war es möglich, diese! Hindernisse aus dem Wege zu räumen und die Bahn zu öffnen, auf welcher der deutshe Handel unter eigener Flagge mit- telst regelmäßiger Verbindungen nach den fernen Küsten des großen Ozeans hinausstreben, auf welchen der deutshe Unternehmungsgeist von eigenem Lande die Früchte fremder Himmelsftricbe ernten kann ; cine Bahn, welche die Vertreter des Volkes nur cinzuschlagen brauchen, um dem tiefgesühlten Bedürfnisse der ganzen Nation volle Befriedi- gung zu verschaffen.

Mögen sie das ist auch der Wunsch, der hier im Osten des Silberstromes der alten Spanier, des mächtigen La Plata, weilenden und hier für deutsche Interessen wirkenden, unterzeihneten Söhne Deutschlands die nunmehr freie Bahn vorurtheilslos einlagen, zu Heil und Segen für unser theures, deutsches Vaterland! (Folgen zahlreiche Unterschriften.) : :

Die „Norddeutsche Allgemeine Zeitung“ bemerkt dazu:

Diese neue Kundgebung, die sich an viele ähnliche reiht, die wir seiner Zeit veröffentlicht haben, liefert wiederum den erfreulichen Beweis, daß die in den übersecishen Fragen vom Reichskanzler ver- folgte Politik gerade an kompetenter Stelle, nämlich bei den in über- seeishen Ländern wohnenden Deutschen, dankbare Anerkennung findet. Aber wenn unsere Landsleute „im Osten des Silberstroms der alten Spanier “- den Wunsch aussprechen, daß „die Vertreter des Volkes die vom Fürsten Bismarck frei gemachte Bahn zum Heil und Segen des deutschen Vaterlandes vorurtheilslos einschlagen mögen“, fo ist dies wohl nur als cin „frommer Wunsch" zu b-zeihnenz; denn daß die Opposition irgend eine Vorlage der Regierung anders als vom Parteistandpunkt aus vorurtheilslos, im Interesse des Heils und Segens des Vaterlandes allein prüfen sollte das ist bis jeßt noch nicht dagewesen, und wir bezweifeln, je ein solhes erbauliches Schau- spiel zu erleben.

Vie dem „Ulmer Tageblatt“ mitgetheilt wird, hat der Reichskanzler auf den telegraphischen Gruß einer Ver- jammlung in Augsburg zu Fishers Wahlfeier folgende \chriftlihe Anwort gelangen lassen :

„Den Gruß der s{chwäbishen Versammlung zu Augsburg er- widere ih mit herzlibem Dank und freue mich über den Sieg der nationalen Pariei in Ulm um so mehr, als er dem Reichâtage ein bewährtes Mitglied zurückgegeben hat, dessen Fehlen seit Jahren em- pfundea wurde. von Bismarck.“

Der „Hamburgische Correspondent“ bringt über die im Deutshen Reich anbrehende „nationalwirthschaft- liche und soziale Aera“ einen Leitariikel, welcher lautet :

.._. . Ueberblickt man die leßten sech8 Jahre und die Be- strebungen, die in dieser Zeit sih in den Vordergrund zu drängen suchten, so wird der unbefangene Beobachter zugeben müssen, daß Deutschland drauf und dran war, von der nationalen Baha herabgedrängt und in politische Ideen hineingezogen zu werden, welhe in leßter Konscquenz niht nur eine Shwächung der natio- nalen Kraft, eine Gefährdu»g der bestehenden Verfassung, sondern ein Verkennen der Aufgaben und Bedürfnisse der neuen Zeit, eine Bedrohung der sozialen Sicherheit sind. Jedes Ding hal seine Zeit. Der Kampf für Volksre&te und Volkëfreiheit hat seine Zeit gehabt. Gr war einst eine Nothwendigkeit. Wir find aber jeßt in dem Besitze der Volksrechte und Freiheiten, dank dem Liberalismus in allen seinen Schattirungen. Für das Errungene weiter kämpfen ist eine Kraftvergeudung. zumal wenn es von Niemandem be- droht wird. Hand aufs Herz, auh jeder „Freisinnige“ muß, wenn er ehrlich if, eingestehen, daß Niemand, daß keine Partci , und daß vor Allem nit die Regierung, an deren Spitze Fürst Bismark fteht, daran denkt, die Rechte und Freiheiten des Volkes zu beeinträchtigen, das Parlament abzuschaffen und eine unverantwortliche Regierungsallmacht herzustellen, Es wird nach Recht u- d Le regiert und verwaltet, nur solhe Entwürfe werden zum Gesetz erhoben, welche die Zustimmung der geseßgebenden Fak- toren erhalten haben, nur folhe Ausgaben werden gemacht, welche das Parlament gutgeheißen hat. Wo ift auch nur die Spur von einer politishen „Reaktion“ zu bemerken gewesen, die nun {on seit vielen Jahren von der privilegirten Opposition dem Volke vorgespiegelt wird? Immer und überall, wo dem Parla- mente ein Gesetz vorgelegt wurde, welches nicht vollständig den Intentionen des „Fortschritts“ entsprach, hieß es „Reaktion“ das ift ebenso bei der Vorlegung der preußischen Verwaltungsreformgeseße

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Mitte der siebenziger Jahre gesehen, wie bei allen anderen Gesezen und Maßregeln seit 1878. Wurde nit das Sozialistengeseß von jener Partei gerade deshalb bekämpft, weil es den Anfang eines politisch reaktionären Systems bilde, welbes darauf ausgehe, allmählich die Preß, Vereins- und Versammlungsfreiheit vollfländig zu beseitigen ? Und was war es denn, was dieser fortwährenden Vorspiegelung von „Reaktion“ zu Grunde lagi? Nur das Streben, die Macht und den Einfluß der Regierung zu brechen, die politishe Gegenpartei zu diskreditiren und der eigenen Partei eine so große Anhängerschaft zu verschaffen, daß sie im Parlament und später durch das Parlament herrschen könnte. Das if auch das leitende Motiv bei den jetigen Versuchen, das Volk gegen die Sozial-, Steuer-, Wirthschaits- und Kolonial- politik einzunehmen, gewesen. Es wurden ihm politische Gefahren vorgespiegelt, um einer Partei die Uebermacht zu ver- schaffen, welche das -Schwergewiht des Staatslebens in das Parla- ment verlegen, das Parlament zum Ausfhlag gebenden Faktor und zum angebli alleinigen Beshütßer der BVolksrehte und Freiheiten machen wollte. Verfafsungskämpfe und Streitigkeiten Über das Ver- hältniß der öffentlihen Gewalten zu einander waren das Ziel, die PEORRNLSeEIINE das Ideal, für welches ih das Volk begeistern oute.

Das mag „ideal“ gedacht sein, ift doch aber in Wahrheit nichts weiter als ein Anacronismus. Ueberall Unterdrückung sehen und nab den letzten Formen politischer Freiheit wir lassen dahin- gestellt, inwieweit dieselben das Prädikat der „Vollkommenheit“ ver- dienen würden streben, mag vor einer Generation noch den einzig berechtigten Inhalt des politishen Lebens gebildet haben. Heute aber hat doch die Politik einen anderen, etwas reiheren und gewichtigeren Inhalt bekommen. Die formale Politik mag am Plate sein, wo die sozialen Interessen in {önster Ordnung sind, oder wo dem Volke die jedem anderen civilisirten Volke gewährten Rechte und Freiheiten vorenthalten werden. Heute hat das Volk keinen Sinn für formale politishe Streitfragen, heute verlangt es nit mögli vollkommenen Ausbau seiner Konstitution, sondern Beschäftigung mit seinen sozialen und wirthscaftlihen Verhältniffen.

Der Ausfall der Wablen hat deutlih bewiesen, daß das Volk der Bestrebungen satt ift, die es für Vervollkommnung der Vers fassung, für formale politishe Streitfragen begeistern wollten, und daß es die einseitige Verfolgung der politishen Ideale des Freisinns für cine direkte Schädigung seiner näcbstliegenden wirthschaftliben und sozialen Jnteressen hält. Das Gewitter des Wahlkampfes hat die von dem „Freisinn“ verbreiteten Nebel und Dünste zerstreut und Deutschland wieder auf seine nationalen Aufgaben hin- gewiesen, welhe nach Lage der Dinge nur in derx Vervollkommnung seiner tcirtbschaftlihen und sozialen Ver- hältnisse der wahren Grundlagen des nationalen Daseins bestehen können. Indem die Nothwendigkeit dieser Aufgaben dem Volke mehr und mehr zum Bewußtsein gekommen is, hat es einen bedeutungsvolen Schritt auf dem Wege seiner Entwickelung voll- zogen und eine neue Aera eröffnet, welhe wie wir nicht zweifeln für viele Jahrzehnte die Geist®& beherrschen und nah und nah alle Völker ergreifen wird.

Wir stehen in den Anfängen einer nationalwirthscaftlihen und sozialen Epoche, welche sih als einen Fortschritt gegenüber der kon- stitutionell-liberalen Aera darstellt, die ihr Ursprung und ihre Grund- lage, freilich aber eben auch nur ihre Grundlage ist. Auf dieser sicheren, von Niemandem im Ernste bestrittenen Grundlage, deren Vertheidigung daher auch in der That nicht mehr die einzige Lebens- aufgabe einer Partei zu scin brauct, baut sich die Idee von einer Stärkung und Kräftigung des Staatsgedankens zur För- derung wirthschaftliher Interessen und Ausgleibung gesell- haftliher Gegensäte auf. Die Ideen der Freiheit und Gleichheit werden von großen Massen des Volks von dem yvoli- tischen Gebiet auf das wirthschaftlihe übertragen, um so mehr, als die Unfreiheit und Ungleichheit auf diesem Gebiet zu immer größeren Gegensäßen und Schäden geführt hat. Da hilft kein Majoritäts- beschluß, kein Zureden, keine Logik, da darf man nicht wie der Bogel Strauß den Kopf in den Sand ftecken. Hier heißt es, den Gefahren, welche aus der wirthschaftlihen und fozialen Unfreiheit und Un- gleihheit entstehen können, die Spiße abbrehen durch ein Ein- gehen auf diese Ideen unter Beobachtung strengster Gerechtigkeit. Das kann den Einzelnen nicht überlaffen bleiben, das kann nur der Staat thun, und dieser muß es auch thun durch Ausgleichung der Gegensäße und durch Zusammenfassen der gleichartigen Elemente. durch cine Einwirkung auf das wirthschaftlice Leben, durch Hebung des Lebensftandes der untersten Volksklassen. Das ist die Aufgabe und der Inhalt der neuen Epoche, in die wir allmählich eingetreten find. Wer das nit begreift, steht auf cinem veralteten Stand- punkt, und über den wird die Zeit zur Tagesordnung über- gehen. Je weiter wir in diese nationalwirthschaftlibhe und joztale Epoche hineintreten, desto mehr werden die veralteten An- \hauungen, daß die Regierung etne natürliche Feindin des Volks sei, und daß es kein größeres Ziel gebe, als fie lahm zu legen, zu ducken und zu stürzen, aufhören, desto mehr werden sich die rein politischen Gegensäte, die von Parteiegoismus und Parteieifersuht gepflegt wer- den, verwischen, und desto mehr wird die kleinlihe Auffaffung von dem Wesen des Staates, daß er eine unbequeme Ein- rihtung und nur eine Veranstaltung zur Steuererhehung sei, ver- \{winden. Den Parteien, welche sich auf diesen Standpunkt f{tellen, gehört die Zukunft. Wer sih von dem Staatsgedanken durchdringen läßt und sich thätig an der neuen wirthschaftlihen und foztalen Auf- gabe des Staates betheiligt, dem wird in der wirthschaftlihen und sozialen Aera nicht nur der größte Einfluß zufallen, sondern er wird auch vor Allem das größte Verdienst um die Gesundung der Nation haben. Möchte dieser Gedanke den neuen Reichstag beherrshen und durch ihr auch im Einzelnen praktische Anwendung finden!

Statiftische Nachrichten.

(Stat. Cor.) Das neue „Viehstandslexiklon für das Königreich Preußen“. Auf Grund der Materialien der letzten Viehzählung in Preußen ist seitens des Königlichen ftatistishen Bureau's cin Werk bearbeitet worden und soeben in dreizehn Provinzialheften zur Ausgabe gelangt, welches, analog dem in den Jahren 1874 und 1875 erschienenen ähnlichen Werke, für jede einzelne Kommunaleinheit, d. h. für jede Stadt, jede Landgemeinde und j.den Gutsbezirk des preußischen Staates, eine summariswe Nachweisung des Viehstandes nach der Aufnahme vom 10. Januar 1883 giebt, indem cs die Anzahl der Pferde, des Rindviehes (darunter besonders der Kühe), der Schafe, Schweine, Ziegen, Bienenstöke nachweist und außerdem die Zahl der Häuser (Gehöfte) überhaupt, sowie derjenigen mit Vichstand, die Zahl der viechbesitzenden Haushaltungen und endlich die ortsanwesende Be- völkerung nah der leßten Volkszählung vom 1. Vezember 1880 mittheilt. E

Der Inhalt des neuen Viehbstandslerikons {ließt sich im Wesent- liben jenem älteren, unter dem Titel: „Der Viehstand der Gemeinden und Gutébezirke im preußisden Staate nah den Urmaterialien der ollgemeinen Vieh,ählung vom 10. Januar 1873", veröffentlichten Werke an und unterscheidet sih von demselben nur in den nicht den Vichstand selbst betreffenden Angaben, und zwar in der Weise, daß einerseits neben der Zahl der viehb:sißenden Haushaltungen, wie {on hervorgehoben, auch diejenige der diesmaligen Echebungseinheiten (Häuser, Gehöfte) bezw. derjenigen unter ihnen, welche am Zählungs- tage Vieh besaßen, angegeben, andererseits aber die in dem älteren Werke noch mitenthaltene Angabe der Familienhaushaltungen nah der vorgehenden Volkszählung, als für den vorlicgenden Zweck ent- behrlich, fortgelafsen ift.

Die Anordnung der Kommunaleinheiten in den Regierungsbezirken u. st, w. ist nah Kreisen (tür Hannover nah Aemtern, für Hohenzollern nah Oberämtern) und innerhalb dieser alphabetisch je nah den drei Kategorien der Städte, Landgemeinden und Gutsbezirke erfolgt. Die

in dem 1873 er Viehstandslexikon 1873 noch berücksichtigte Zugehörig- keit der Kommunaleinheiten zu den Polizeibezirken (Amtsbezirken,

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