1884 / 280 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 27 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Verlíin, 27. November 1884.

Der Verein „Kinderhort“, der sich die Beaufsichtigung und Besckäftigung. \{ulpflihtiger Kinder unbemittelter Eltern in der \{ulfreien Zeit . zur Aufaabe geftellt hat, hielt geftern Abend unter Vorsiß des Stadt-Schulinspektors Dr. Zwick im Restaurant „Zum Roland“ seine Jahresversammlung ab. Der im Juni vorigen Jahres begründete Verein zählt bereits 635 Mitglieder und verfügte im ersten Jahre scines Bestehens über eine Einnahme von 2429 H, die ihm gestattete, im Oktober v. J. einen „Knabenhort“, im April d. J. einen „Mädchenhort“ zu eröffnen. Bei Einrichtung der Anstalten galt als leitender Gesichtspunkt : das Zusammenleben der Kinder in den einfach ausgeftatteten Wohrräumen demjenigen in der Familie mögli} ähnlich zu machen. Der Aufenthalt in der Anstalt um- faßt die Zeit von 2 bis 7 Uhr Nacmittags. Der Knaben- hort wurde mit 25 Knaben eröffnet; die Zahl derselben ftieg allmäblib bis über 50, hat \ich dann aber wieder etwas ver- mindert. Der Mädchenhort wurde von dur{schnittlich 24 Mädchen besucht. Zur Veranstaltung von Bewegungsspielen war den Anstalten, die in der Gericbts- bezw. Fennstraße gelegen find, ein Play im Humboldthain zur Verfügung gestellt. Während der beißen Monate erhielten die größeren Knaben Badekarten. Da sehr viele der Kinder durchaus mangelhaft ernährt waren, wurde mit der 9. Volkäküche ein Abkommen getroffen, demzufolge die Küche während des Winters die Lieferung nahrhafter Suppen übernahm. Vom Dezember bis März find auf diese Weise 1730 Portionen Suppe vertheilt wor- denz je 2 Portionen waren für 3 Knaben ausreichend.

klar, faßlid und jedem Laien verständlih geschrieben. hat den Zweck, den Landwirth cingehender bekannt zu maden: 1) mit den großen nnd wichtigen Aufgaben der Seuchenpolizei, mit den Grundzügen der allgemeinen Seuchenlehre, und den im Reicbsseucbengescße vom 23. Juni 1880 aufgeführten einzelnen Seuchen; 2) mit den ceseßlihen Bestimmungen beim Thierkauf und den sog. Gewährsfehlern oder Hauptmängeln. Unter einer Seucbe verfteht man eine auf eine gleihe Ursacbe zurückzuführende Krankheit, welche rasch na einander eine größere Anzahl von Thieren ergreift. Die Ursace der Seuchen liegt niht etwa im Mangel nothwendiger Lebensbedingungen, sondern in einem von außen in den Körper ein- dringenden Giftstoff. Man hat es bierbei niht mit cinem unbelebten Gifte, sondern mit einem belebten Gifte (sog. Pilze) zu thun. Beim Milzbrand. Roß und bei der Tollwuth hat man im Blute der er- krankten Thiere fsolche Pilze (Bakterien genannt) gefunden, und ohne Zweifel werden au bei andern Seuchen solche Pilze vorhanden sein. Da der einzelne Viehbesißer sib nit wirksam gegen die Seucen, welce oft rasch seinen ganzen Viehstand vernihten und da- dur dem Volkswohlstande große Gefahren bereiten, zu {büßen ver- mag, so mußte es eine wichtige Aufgabe der Staatsregierung sein, auf dem Wege der Geseßgebung für wirksamen Schuß gegen die Seuchen und rasche Tilgung derselben zu sorgen. Während bezügliþ der Rinderpest {on durch zwei Reichsgefete vom 7. April 1869 mit einer revidirten Inflruktion vom 9. Juni 1873 und vom 21. Mai 1878 cinheitliher Schuß geschaffen war, fehlte ein derartiges einheitlibes Reichsgeseß für alle übrigen Seucben. Demgemäß wurde, nachdem von verschiedenen Seiten auf die Noth- wendigkeit eines solchen Gesetzes hingewiesen worden, am 20. Juni 1880

Dasselbe nahme beigetragen, welche der neuen Oper durch das Publikums be-

reitet wurde; auch Frl. Hofmann (Janthe) that voll ihre Schuldigkeit, Von den _mitwirkenden Künstlern find Hr. Ernst (Leander), Hr. Biberti (Oberpriester) und Schmidt (Naukleros) mit Anerkennung zu nennen. Der Komponist wurde im zweiten Akte und am Schluß der Vorstellung wiederholt gerufen.

Krolls Theater. Während der Weihnachts - Aus- stellung beginnt die Vorstellung des Weihnachtsstüccks „Die Märchen meiner Amme“ um 6# Uhr. Dieser frühere Beginn if namentli im Interesse der vielen Familien angeseßt, welche ihren Kindern das Vergnügen des Besuches verschaffen wollen.

__ Belle-Alliance-Theater. Fr. Franziska Ellmenreich spielt übermorgen now einmal ihre unvergleihliÞhe „Donna Diana“ und tritt am Sonntag zum leßten Male als Kathari/a in „Bürgerlich und Romantis{“ auf. Am Dienstag gehen sodann mit ihr die letzten Novitäten des Gasftspiels, „Eine alltäglibe Geschichte“ und D

leßte Zopf“, zum ersten Male in Scene.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich

Berlin, Donnerstag, den 27. November

Preußischen Staats-Anzeiger.

M6 280. 1Sf,

Nichtamftliches.

Preußen. Berlin, 26. November. Jm weiteren Verlaufe der gestrigen (3.) Sizung des Reichstages wurde die erste Berathung des von den Abgg. Ausfeld und Es Gen. cingebrahten Geseyßentwurfs, betreffend die Abänderung des Art. 32 der Verfassung des Deutschen Reichs, fortgeseßt.

Der Abg. Auer erklärte, wenn von der Reichsregierung o großer Werth darauf gelegt werde, daß der Reichstag diätenlos bleibe, so möge dem die Tendenz zu Grunde liegen, die Thätigkeit desselben als eine unproduktive darzustellen, die nit bezahlt werden dürfe. Aeußerungen, die hierauf s{ließen ließen, habe der Reichskanzler ja mehrfah gethan; und seine Partei ihrerseits werde dem heutigen Antrag schon deshalb

es steckt Richtiges darin, und worüber ich mit Ihnen verhandeln fann, aber nicht Alles. Namentlich wenn Sie genöthigt sind, Ihre Pläne erst vor Jhren Wählern vollständig klarzulegen, wird ih deren Urtheil flären, dann werden Sie dahinter fommen, daß nit alle Leute, die sozialdemokratisch gewählt haben, dieserhalb alle Pläne der Führer billigen. Man unterschreibt Manchbes, was man nicht kennt ; ih bin oft in der Lage. Die Leute, die jeßt für Sie stimmen, das ift die Summe Derer, die mit irgend etwas unzufrieden sind, die das Bedürfniß haben, ibre Lage zu verbessern, und die von den Zukunftspolitikern, deren Pläne fie noch nit übersehen können, die Aufbesserung alles irdischen Elends hoffen. Die Pläne des Altliberaliëmus, der liberalen Partei, der Fortschrittspartei denen haben sie s{chon auf den Grund ge- sehen, von denen erwarten sie nicht mehr viel, aber die Sozial- demokraten haben noch immer den S{hleier des Propheten, den i hier {on öfters citirt habe, der ein so häßliches Gesicht hatte, daß er sih Niemand zeigte, den haben sie no vor dem Gesicht, den hüten fie sih zu lüften, dort ist noch eine dunkle Hoffnung, die Leute

da fände auch kein Mißbrauch statt. Nun, der Gebrau war nicht ausdrüclich vorgeschrieben, es war auch feine Strafbestim- mung in Bezug auf die unre{tmäßige Benußung dieser Karten gegeben, aber es waren die Karten do nur in dem Vertrauen ausgestellt, daß sie wesentlich zur Ausgleichung der Ungleichheiten be- nußt werden würden, die die Entfernung des Wohnsißes des Ab- geordneten vom. Siß des Parlaments mit si bringe. Es war aus- drülich darauf gere{net, und ich glaube mich auch aus den früheren Diskussionen, die darüber gepflogen sind, zu erinnern, daß diese Kar- ten es den Abgeordneten möglih machen sollten, jederzeit kostenfrei und ohne große Schwierigkeiten in ihre Heimath zu gelangen. Db nun die Gebrauchévorschriften in den Jedermann bekannten ver- trauensvollen Voraussetzungen liegen oder unter Strafandrohung er- lassen sind, das, g!'aube ih, macht keinen Unterschied. Ein Miß- brauch, welcher zu einer Kritik, die auf den Reichstag und die ÎIn- stitution zurückfallen fann, im Volke Anlaß giebt, ist es jedenfalls, wenn ein Abgeordneter während einer Gültigkeitszeit von 8 Monaten mit

: Vor gut beseßtem Saale und unter reihem Beifall haben vorgestern in der Sing-Akademie die Herren Emil Sauret und Heinrich Grünfeld den 3theiligen Cyklus ihrer Abonnementsconcerte begonnen. Die erste Nummer des Programms bildete ein Quartett für Piano, Violine, Bratshe und Cello von Fr. Gensheim, dem als Komponist für Kammermusik mit Recht ges@äßten Direktor des Kon- servatoriums in Rotterdam. Auch dieses neue Werk ift außerordentlich interessant, wenn auch mehr wegen der ganz im modernen Styl ge-

das Reichsgeseß, betreffend die Abwehr urd Unterdrückung von Vieh- in Kraft; L dnstrukti 1881 und Vollzugéverordnung der Cinzelreaierungen (in Baden Verordnung Nach einer Einleitung, welcher wir das Vor- stehende entnommen haben, bespricht der Verfasser das Reicbsseucben- geseß vom 23. Juni 1880, welches im Anhange zu diesem Buche i 1) Abwehr der Einschleppung aus dem Auslande, 2) Unterdrückung der Viehseuchen im Inlande : a. Allgemeine Vorschriften, b. besondere Vorschriften für einzelne Seuchen, c. besondere Vorschriften für Scblachtviehhöfe und öffentlide Schlachthäuser, 4. Entschädigung für getödtete Thiere. )-St Im folgenden Kapitel behandelt der Verfasser diejenigen Seuchen, welche im Reichsseuchengeseß als anzeigepflichtig angegeben, sind, sowohl deren Ursachen, als deren Behandlung: 1)- den rand, | _ Für diese 3 Krankbeiten und für die Lungeafeuche und Schafpoken \{lägt der Verfafser als bestes Heil- resp. Vorbeugungsmittel die Impfung gesunder Thiere mit der Lymphe der von seuchekranken Thieren gezüchteten Pilze vor. Besonders beim Milzbrand, bei der Lungerseuche und bei Schafpocken haben sich die Impfungen sehr bewährt und die gesunden Thiere troß Berührung mit fkranfen Thiercn vor der Seuche ges{ühzt, Es folgen 4) Maul- und Klauenseuche des Rindviehs, der Schafe, Ziegen und Schweine. 5) Lungen- 5 7) Beschälseuche der Pferde und Bläsbenausschlag der Pferde und des Rindviehs. 8) Râäude der Pferde, Esel, Maulthiere, Maulesel und Schafe. Der 2, Theil hat folgenden Inhalt: Währschaftsgeseßgebung und Gewähr-

seuchen,

erlassen und trat mit dem 1. dazu fkamen

noch

April 1881

eine Instruktion vom 24. Februar

vom 17. März 1881).

wörtlib abgedrudcktt ist. Dann folgen die Abschnitte:

3) Strafvorschriften.

Milzbrand, 2) die Tollwuth und 3) den Rot.

seuche des Rindviehs. 6) Pockenseuche der Schafe.

fehler. I. Die Währschaftgeseßgebung. 11. Die Grundsäte der Gewähr- leistung nah gemishtem Recht: 1) Verkauf und Uebergabe, 2) Pflicht der Nachgewähr, 3) Gewährleistungsklage, 4) Gerichtsbarkeit und Gerichts- stand, 5) Fristen. Dann folgt die Beschreibung der einzelnen Gewähr- fehler: a. bei Pferden: Koppen, Augenleiden, Roß, Dämvfigkeit, Koller, fallende Sucht; b. beim NRindvich: LTragsack und Scheide- vorfall, Lungen- und Perlsubt, Lungenseucbe, fallende Sucht; c. bei Schafen: Räude und Fôule; d. bei Schweinen: Finnen. Der Anhang am Schlusse enthält: 1) das Reichsgeseß, betreffend die Ab- wehr und Unterdrückung von Viehseuchen vom 23. Juni 1880; 2) die O f p 2E Gewährleistung für Mängel der verkauften Sache (französiscbes Civilrecht). b. Das badi ähr- schaftsgeseß vom 23. April 1859. d E

A pv und Handel. Nürnberg, 25. November. (Hopfenmarktbericht von Leopold Held.) Das rege Geschäft der Vorwoche seßte is gestern fort, fo daß bet einer Zufuhr von 400 Säcken über 900 Ballen die Eigner wechselten. Heute ist die Frage bis Mittag mäßiger gewesen, Zugebraht wurden ca. 250 Ballen vom Lande und etwa 500 von der Bahn. Die Frage erstreckte sich auf feine Hopfen und ganz billige Waare. Mittelsorten waren weniger beatet. Die Stimmung ist ruhig. Die Preise sind unverändert: Markthopfen 68—85 A; Gebirgshopfen 90—100 Æ; Aischgründer 70—95 #Æ; Württem- berger prima 100—110 #, do. mittel 80—90 M, do. ge- ringe 70—78 M4; Hallertauer prima 100—105 Æ; do. mittel 80— 88 J, do. geringe 79—77 M; EGlsäfser 68—82 Æ; Posener 95— 120 Æ; Wolnzacher und Auer-Siegelgut 112—125 M; Spalter Landhopfen 115—136 #; Bessere Lagen 135—140 #; Moos- ba, Stirn 170—180 M ; Spalter Stadt 185—195 M

__ Amsterdam, 26. Rovember. (W. T. B.) Die heute dur die niederländische Handelsgesellschaft abgehaltene Kaffeeauktion eröffnete für Nr. 1 zu 292 à 30, Nr. 4 362 à 371, Nr. 6 307 à 302, Nr. 9 304, Nr. 12 294 à 30, Nr, 15 46} à 46, Mix, 1( ZOT À 297, Nv. 19 282, Nr. 24 322 à 8382 Cent.

: Tondon , 26, November. (W. T. B.) Aus Halifax in Blr hire wird die Zahlungseinstelung der Wollsvinner und abrifanten Scarborough Brothers gemeldet. Die Passiva werden auf 130000 Pfd. Sterl. angegeben. Als Grund der Zahlungs- E O der Wollpreise bezeichnet.

‘ondon, ovember. (W. T. B.) Bei der gestri -

auktion waren Preise unverändert. / Ten O N 9

S Â A SRLSRntalten, amburg, 26. November. (W. T. B.) Der Postda „Bavaria“ der Hamburg - Ä me clan des Me Aktiengesellschaft ift, von Hamburg kommend, heute in St. Thomas, und der Postdampfer , Wieland * derselben Gesellschaft von Hamburg kommend, heute Morgen in New-York cingetroffen. Fiume, 27. November. (W. T. B.) Gestern ist der neuc Leuchtthurm im hiesigen Hafen in Funktion getreten,

Sanitätsösweseu und Quarantäneweseu. s G M A A MaREIA, Lau nordnung des K. K. nisteriums des Innern v 12. November d. J. haben im Hinblick auf die fortshrätende Besse- rung der Gesundheitsverhältnisse in Jtalien und insbesondere in den an die öfterreihisch-ungarishe Monarchie grenzenden venetianischen Provinzen die Länderehefs von Triest, Klagenfurt und Innsbruck die Weisung erhalten, daß die aus Anlaß des Fortschreitens der Cholera in Jtalien seiner Zeit getroffene Maßregel, betreffend die sanitäre Revision der auf Landwegen in das dortige Verwaltungsgebiet über- tretenden Reisenden und ihres Gepäcks „R.-A.“ Nr. 250 vom 23. Oktober nunmehr außer Anwendung zu seßen sei. Alle übrigen hinsihtliÞ des Eisenbahnverkehrs nach Italien ge- troffenen Maßregeln werden vorläufig noch aufrecht erhalten. 4 i Spanien. s Nachdem Schiffe, welhe aus nit inficirten Ländern direkt ommend in spanisbe Häfen einlaufen, vom 14. November ah frei zugelafsen werden („R.-A.“ Nr. 276 vom 22. November) soll die einzige Beschränkung für ungehinderte Landung von Waaren und Ftgieren aus solchen Schiffen fortan darin bettehen, daß die Paaren nachweisli nit aus Frankreih kommen und die Passagiere ein Certifikat vorzeigen müssen, aus welchem hervorgeht, daß sie seit Ausbruch der Cholera in Paris Frankreih nit berührt Haben. In Abänderung des Erlasses der Königlich spanishen General- direktion für Gesundheit und Wohlthätigkeit vom 10. November d. F. (,R.-A.* Nr. 276 vom 22. November) unter Ziffer 1 ist die Land-

quarantäne an der französishen Gre nt redi, nze von 10 Tagen auf 7 Tage

Mae E P ersuch einer Dper im großen Styl, der in fast allen Thei o lungen ist. Der Text, welcher der Musik zu Grunde liegt G Grillpariers Drama „Des Meeres und der Liebe Wellen“ nit ge- rade glüdcklich bearbeitet worden, hat aber immerhin den Vorzug einen tief poetischen Stoff zu behandeln, der unsere Sympathien im Voraus ponisten Das eben R 200 er ausgestaltet hat, obgleih er niht jene mächtigen und unvergänglichen Wirkungen erzielen konnte, die der groß i ; Sdule aid A große Meister der modernen gebildeter Musiker, der aud von Richard Wagner vie ; er ift ferner ein talentirter Komponist, aber srine Beate nach der lyrishen Seite hin zu überwiegen. die liedartigen Nummern und Partien, welhe uns am meisten inter- essiren und auc bei den Hörern den meisten Beifall finden’; selbst das Grhabene und Heilige kleidet sib daher h A e Liedes, Tiefe und große Leidenschaft findet ers im zweiten E s fie mehr es si einem Ende naht, um fo s{chônere und wirkungsvolle Elemente zeigt. Der erste Akt, welcber in seinem ersten D uar dem Tempel zu Sestos und dann in dem Tempelhain spielt, bietet kaum nennenswerthe dramatische Wirkungen, aber einige hübsche Melodien und zeigt son, wie auch die in der Form knappe Ouverture, die orcestrale Meisterschaft des Komponisten. Im zweiten Akt gewinnt mit dem Terte auh die Musik an Bedeutung und innerem Leben; hier gestaltet sich Hero’s und Leanders Zwiegesang im Thurmgemah zu einer Überaus wirkungsvollen Scene, und diese wie weiterhin dieWeise der Nerei- den gewinnen die vollen Sympathien der Hörer. Der dritte Akt endlich führt uns an’ die Küste des Meeres bei Sestos. Hero erwartet den Geliebten und {lummert am Gestade ein; ein großer Sturm erhebt si, Nereiden- und Tritonen-Chöôre übertönen die volle orcestrale Musik; Hero's Erwachen, die Auffindung der Leiche Leanders, Heros Tod, das Alles ist dem Komponisten in der musikalischen Zeichnung P A Engen, Ce in der D S Hörers einen mitfühlen- 1 V . Die Darstellung war im Allgemeinen ei i weiblichen Hauptrollen eine ausgezeichnete. iner an eme gu N den welche die umfangreiche und \chwierige Partie der

Während des Sommers trat im Knabenhort an Stelle der Suppe abgekohte Milch, von der 1560 1 verbraucht wurden; die Máäden erhielten auch im Sommer Suppe. Eine große Schwicrigkeit bildete die zweckmäßige Beschäftigung namentli der Knaben. Man hat zu- nächst die Anfertigung gewöhnlicher Papparbeiten vorgenommen und will in diesem Winter nun auch Flickschneiderei treiben, Das Ministerium des Innern unterstüßte die Bestrebungen des Vereins durch einen Beitrag von 300 4 Mit dem 1. Oktober ist der Knaben- hort na der Pankstraße 1 a. übergesiedelt, während der Mädcenhort sih auch fernerhin Fennftraße 2 befindet. Die Gesammtaus8gabe des L fih auf 2387 M, so daß cin Bestand von 42 M ver-

eben ift.

Das „Leipziger Tageblatt“ veröffentliht einen Aufruf zu Beiträgen, um zu Ehren des ersten deutschen Admirals Carl Rudolf Bromme bei Gelegenheit der 25 jährigen Wieder- kehr seines Todestages (9, Januar 1885) an dessen Geburts- hause in Anger bet Leipzia eine SGedenktafel zu stiften. Bromme , der die griechische Marine organisirt hatte, wurde in Folge seines im Februar 1848 in Berlin ver- öffentlihten Buchs8 „Die Marine* im Jahre 1849 nad Frankfurt «a M n die Reichsregierung berufen und brate in der kurzen Zeit von 3 Monaten die Flotte so weit, daß er mit der Dampffregatte „Barbarossa“ (9 Geschüße) und den Dampfkorvetten „Hamburg“ und „Lübeck“ (je 4 Geshütze) aus- laufen konnte, um das erste Gefe{bt gegen die Dänen zu bestehen. Am 4. Juni erretchte er in der Nähe von Helgoland das aus 3 Fregatten, 1 Korvette und 1 Dampf!chiff bestehende dänische Ge- \{chwader. In dem Gefecht, das sich hier entspann, wurde die dänische Fregatte „Valkhyrien“ so übel zugerichtet, daß sie zur Ausbesserung nach Kopenhagen abgehen mußte. Es war das ein Ereigniß, das überall im deutshen Lande hohe Begeisterung bervorrief, und Bromme (oder auch Brommy, wie er sich aus amerikanischen Diensten her nannte) war in jener Zeit ein Held des Tages. Am 19. August ernannte ihn der Reichsverweser, Erzherzog Johann zum Commodore und am 21. November 1849 unter ehrender An- erkennung seiner Leistungen zum Contre-Admiral. Er hatte nach und nach eine Flotte geschaffen, die im Jahre 1850 aus 3 Dampf- fregatten, 6 Dampfkorvetten, 1 Segelfregatte und 26 Kanonenbooten also 36 Schiffen mit insgesammt 115 Geschützen bestand. Die Be- E aier a Ber und 1220 Unteroffizieren, Ma-

jiniften un atrosen gebildet, wozu noch ein e : R E C R a

Wien, %2. November. (V. T. B) Heute hat vor d

Ausnahmegeriht der Prozeß gegen die 20 Anarchisten bo gonnen, welche anaristis{ revolutionäre Flugschriften mittelst einer geheimen Druckpresse crzeugten und verbreiteten.

Zwei Bazare zu wohlthätigen Zwecken haben heute ihre Pforten geöffnet. In den vorderen Sälen des Arcitektenhauses ift ein Verkauf eingeri{tet, dessen Ertrag für das Lazarus-Kranken- haus bestimmt ist. Der zweite Bazar findet im Herrenhause statt, und zwar zum Besten der unter dem Protektorate Jhrer König- lihen Hoheit der Herzogin Wilbelm von Mecklenburg - Schwerin stehenden Kindererziehungtanstalt „Zionshülfe“.

Bei Eintritt des Winters bringt das Polizei-Präsidium zur Verhütung von Unglücksfällen in Erinnerung, daß die Benutzung der Eisbahnen zum Schlitts{chuhlaufen nur auf denjenigen Stellen gestattet ist, wo sih besondere Aufseher befinden.

Die gestrige Novität des Königlichen Opernhauses, eine ero“, von Ernst Frank, stellt fich dar als der

besißt, aber tief Verdienst

bi au Ur. die . Arbeit des ergreifende und dankbare Momente aufweist.

des Komponisten besteht in erster Linie solche Momente auch musikalisch ergreifend

Kom-

Ernst Frank ift offenbar ein allseitig durh- In der That sind es

ier gern in das Gewand

dritten Akt einen

wahren und

aub er- denn auch das i

Werk, je

darum

wie ganze

Fr. Sachse-Hofmeister, ero sang, ver-

dient alles Lob und hat im Verein mit den dret Nereiden singer, Göße und v. Ghilany am meisten zu der freund en Auf-

rl8, Lei-

haltenen Faktur als der nicht besonders originellen Eifindung der Themen. Jener dagegen wird dur Breite und Uebe!schwängli@keit der Modulationen die beschränkte Form des Quartetts häufig zu eng, so daß es sich zur Symphonie erweitern zu wollen \ckeint. An der Ausführung betheiligten sfih außer den Concertgebern die Pianistin Fr. Anna Grofser und der Bratschist Hr. Viktor von Herz- feld; sie war im Ganzen eine in Betracht der großen Schwierigkeiten des darum auch nit gerade dankbaren Werks eine wohlgelungene, jedoch hätte der vom Komponisten bevorzugte Klavierpart nicht so disfret zurückgehalten zu werden brauchen, wie dies dur Fr. Grofser geschah. Die wohlberufene Pianistin {bien überhaupt an dem Abend nicht so diéponirt zu sein wie sonst; wenigstens hätte die doch so dankbare Rubinsteinshe 5. Barcarole viel mehr Wirkung erzielen können, als es der Fall war; das leidenschaftliche Tempo rubato und der harte Anschlag in der singenden Phrase, mit der Rubinstein stets so großen Effekt erzielt, kamen dem Vortrage wenig zu statten; auch das „Près du ruisseau“ aus Op. 99 von dem- selben Komponisten hätte zarter und harafkteristisher klingen können, Von den beiden Concertgebern fand Hr. Sauret namentlih in der „Rêverie* von Vieuxtemps (troß der ziemlich mangelhaften Klavier begleitung) wieder Gelegenheit, seinen prahtvollen Gesangston mit der ganzen mächtig packenden Innerlihkeit und Wärme zu entfalten, in der dieser Künstler beinahe unerreicht dasteht. Wer die häufig ge- spielte „Mêverie" von einer unserer modernen Violin-Virtuofinnen gehört hat, und dazu war in dieser Saison öôftcr Anlaß, der wird den ungeheueren Abstand erkannt haben, der troß aller gleich- mäßig großen technischen Fertigkeit zwishen männlihem und weib- lihem Virtuosenthum besteht. Hr. Sauret spielte außer- dem noch eine von ihm bcsorgte Uebertragung des bekannten Klavierst üs von dem Norweger Edvard Grieg, worin derselbe einen ländliden Brautzug musikalisch arakterisirt. Die Uebertragung dieses humoristishen Charakterbildes ist ihm vorzügli gelungen und übertrifft an Wirksamkeit noch die des Originals; fie fand vielen Beifall und wurde auf Verlangen wiederholt. Auch Hr. Grünfeld bot zwei Solostücke für Cello mit Klavierbegleitung und entzückte namenlich in einer s{wärmerischen „Mélodie polonaige“ von Philipp Scharwenka durch seelenvollen Ton und |chöôönen Vortrag, wäh- rend ein effektvoll rythmisirter spanisher Tanz von Pop- per mit Imitation des Pizzicato's der Guitarre ihn auf der Hôohe des Virtuosenthums zeigte. Dem lauten Beifall, welcher sich danach erhob, kam der Concertgrber dur eine weitere melodiöse Zugabe nah. Das reichhaltige Programm bot auch Ab- wecbselung in vokaler Hinsicht: Frl. Therese Zerbst sang mit ange- nehmer Sopran-Stimme und gefühlswarmem Vortrage Lieder von Schubert, Schumann, Jensen, H. Riedel und A Zarzyzki. Besonders gut gelang ihr die Shumannsche Komposition des Heine'shen Liedes „Du bist wie cine Blume“; dem Publikum aber gefiel am meisten das neckische Liedchen von Zarzyzki : „Zwischen uns ist nichts geschehen“, welchem dieSängerin aufVerlangen noch eine weitereLiedergabe folgen licß, DenSchluß des Programms bildete eine dem Anschein nach ganz beson- ders interessante Nummer, nämli ein unbeendetes Trio für Violine, Bratshe und Cello aus dem Nachlaß von Franz Schubert, dessen Originalmanuskript s{ch im Besiß des Hrn. Nicolaus Dumba in Wien befindet. Wenn man sich aber unter diesem bisher unbekannten Werk des sang- und melodienreihen Meisters ein wirkli durch den Tod unterbrochenes Opus aus seiner leßten reifsteen Periode vor- gestellt hatte, so wurde man doch einigermaßen enttäusht, denn es zeigt nihts von dem großen elegischen Zuge, welcher seiner unvollendeten herrlihen H-moll-Symphonie eine fo bobe ernste Schönheit verleiht, sondern ist noch gayz von der Naivetät und \cerzfrohen Heiterkeit des Mozart-Haydnschen Styls erfüllt und dem entsprechend wahr- \cheinliÞh auch in einer früheren Periode der Schaffensthätigkeit Schuberts entstanden, dann aber unvollendet geblieben. Daß das Trio (zwei Sätze) von den Concertgebern nebft Hrn. von Herzfeld vortrefflih gespielt wurde, ift selbstverständlich ; indessen wäre es doch vielleicht rathsamer gewesen, wenn, um eine rihtigere Climax des Interesses herbeizuführen, das soviel einfachere und ältere Schubertshe Werk an den Anfang und das komplizirte, von allen fortgeschrittenen Mitteln der modernen Kompositionsweise so gehäuften Gebrauch machende Gernsheimsche Quartett an das Ende geseßt worden wäre. j

Troß des Schnees und Regens hatten sich gestern Abend zu dem Concert des Hrn. Eugen d'Akbert in der Sing-Akademie zahl- reiche Zuhörer versammelt, die durch den gebotenen Genuß für die

Ungunst der Witterung reihlich entschädigt wurden. Hr. d’Albert hat

seit seinem ersten Auftreten sein Spiel noch in erfreuliher Weise

vervollkommnet: er ist ruhiger, auch maßvoller in Verwendung der aen Mittel geworden, was den klassishen Stücken sehr zu ute kam. Fantasie von Bach wie in der Beethovenshen Sonate, op. 111, ge- langten sehr klar und verständlih zum Ausdruck, wenn auch wohl über die Wahl der Tempi und über den Gebraucb der Verschiebung im Piano mitunter zu rechten wäre, z. B. bei dem Eintritt des Fugen themas bei Bach. Die sehr s{chwierigen Variationen von Brahms, lane ae ae : geber mit wahrer Meisterschaft vor. Das leßtgenannte Werk spielt ihm vielleicht kein lebender Pianist in diesem Tempo nah. inter den kleineren Klavierstülen von Chopin, Rubinstein und Liszt gefielen lg io Ee E Ersteren und das W i8zt, das wegen seiner Originalität nnd Lebendigkeit ten Klavierstücken des Meisters gehört. A L E daß Hr. d’Albert die 12 im Programm angeführten Piècen, von denen die 3 ersten allein den Zeitraum von anderthalb Stunden einnahmen, auswentig und ohne die geringste Spur physisher Abspannung be igte. werthen Leistungen mit der gespanntesten Aufmerksamkeit bis zum späten S{hluß und ehrte den Künstler dur den lebhaftesten Beifall.

Alle polyphonen Schönheiten in der chromatischen

antasie von Schubert - Lißt trug der Concert-

alzer-Impromptu von Schließlich sei noch erwähnt,

Das Publikum folgte diesen in der That bewundernt-

E

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S ch olz). Druck: W, Elsner. Fünf Beilagen (eins{chließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

zustimmen, um auch nicht entfernt die Meinung aufkommen zu lassen, als ob seine Partei die Arbeiten des Reichstages unter die unproduktiven zähle. Was wolle denn sonst noch der Reichskanzler mit der Diätenlosigkeit ? Der Reichskanzler wolle das Fernbleiben der Armen aus dieser Versamm:- lung; derselbe wolle hier nur Leute sehen, die wohl- genährt und mit Glücfsgütern gesegnet seien; ihm graue vor dem hohlen Blick der Armuth. Seiner Partei dürfe es nun aber niht darauf ankommen, welche Art von Gesellshaft dem Reichskanzler die angenehmste sei; seine Partei habe vielmehr die ernste Pflicht, dem allgemeinen direkten Wahlrecht voll und ganz Geltung zu verschaffen; er und seine politischen Freunde bekämpften deshalb jede Maßregel, die dahin ziele, Leute, die nihts hätten, hier von Siß und Stimme auszu- \c{ließen, Die Regierung betone jeßt immer die Nachtheile, die aus dem Fraktionswesen, dem Fraktionszwang, dem Be- rufsparlamentarismus erwüchsen; sie wolle, wie sie sage, daß völlig unabhängige Männer hier säßen, und ferner, daß die Fnteressen des kleinen Mannes besser als bisher hier vertreten würden. Der kleine Mann aber habe niht die Mittel, ohne Diäten hier in Berlin zu leben; derselbe werde daher gerade durch die Diätenlosigkeit gezwungen, sich unter den angeblihen „Bann der Pariel zu steilen, indem derselbe sich aus Mitteln der Partei unter- stügen lasse. So erreiche die Regierung mit der Diäten- losigkeit das Gegentheil von dem, was sie zu crstreben vor- gebe. Der Reichskanzler habe ferner wiederholt bedauert, daß die Männer des praktishen Lebens einen zu geringen Einfluß auf die Gesezgebung hätten. Jndeß an praktischen Leuten der Börs2, praktischen Leuten des Großkapitals, an denen habe es ja bisher im Hause noch nicht gefehlt; aber wenn bisher die Zahl der Männer, die sich in praktischer Thätigkeit mühsam durchs Leben plagen müßten, hier noch viel zu gering gewesen sei, dann sei das eben gerade eine Folge der Diätenlosigkeit; denn Männer der leßteren Art fönnten eben niht Jahre lang ohne materielle Unterstüßung in dem theueren Berlin leben. Wolle die Regierung wirklich dem kleinen Mann aufhelfen, wolle sie wirklich praktische Leute, die mitten im Volksleben ständen, zur Gesehgebung heranziehen, dann müsse sie auch die von diesen Männern ge- leistete praftishe Arbeit angemessen bezahlen. Dur die Diäten- losigkeit aber komme lediglich der Standpunkt zum Ausdruck, wona die zur Vertretung des Volkes nothwendige Intelligenz und Einsicht nur bei den großen Geldsäken gefunden werde. Seine Partei ihrerseits stehe direkt auf dem entgegengeseßten Stand- punkt ; sie wolle auch solche Talente hier im Hause sehen, die nit mit irdischen Glücksgütern gesegnet jeien. Nun sage man: Wenn Diäten gezahlt würden, so kämen noch mehr Sozialdemokraten in den Reichstag. So erfreulih es aber auch für ihn wäre, wenn die Majorität im Hause aus Sozial- demokraten bestände, so glaube er doch niht, daß, wenn die Abgeordneten Diäten bezögen, ein Sozialdemokrat mehr hier wäre. Seine Partei habe bisher noch immer die Mittel ge- funden, sih im Hause vertreten zu lassen, wenn sie von ihren Wählern berufen worden sei, und so werde es auch in Zukunst bleiben. Wenn man das allgemeine geheime Wahlrecht be- seitigen wolle, so sage man das doch offen, und komme man nit hinten herum! Die Regierung stelle sich bei allen der- artigen Fragen auf einen erhabenen Standpunkt und zeige bei solhen Anträgen eine gewisse Empfindlichkeit, und doch habe auch die Opposition ihre großen Vortheile; würde man sonst z. B, ein Unfallgesey in solcher Fassung wie das vorliegende erhalten haben? Die Herren, die hier so gegen die Diätengewährung seien, hätten in ihren entsprehenden Landtagen noch nie Sqritte gethan, um dort die Diäten abzuschaffen. Für Spar- samkeit sei auch er, aber an der richtigen Stelle. Gerade jeßt erhalte man Berufsparlamentarier, weil die Wähler eine jo geringe Auswahl von Kandidaten hätten. Und fei denn der Beruf eines Parlamentariers ein s{himpfliher? Wenn es wahr sei, daß die Politik den Charakter verderbe, wie stehe es denn mit den Berufspolitikern ? Mit den Freifahrtkarten habe kein Mißbrauch getrieben werden können, weil gar kein Ge- brauch vorgeschrieben gewesen sei. Wenn der Gebrauch der Karte zu einer Privatreise ein Mißbrauch sei, o sei es au ein Mißbrauch, wenn er einen Brief auf Reichstagspapier an seine Frau schreibe. Es handele sih hier wieder einmal ledig- lih darum, dem Reichstage zu beweisen, daß eine höhere Macht über ihm stehe. Es sei das lediglich eine Herabdrücckung des Ansehens des Reichstages, ein Ansinnen, bei welchem seine Partei dem eisernen Reichskanzler - stählernen Widerstand entgegenseßen werde! :

j Meraut ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarl

as Wort:

Das Herunterdrücken der Würde des Reichstages durch die Be- \{ränkung der Cirkulationsfreiheit auf den Eisenbahnen ist nicht von dem Herrn Vorrédner zuerst behauptet worden, sondern, wenn ih nit irre, von dem Hrn. Abg. von Stauffenberg, der die Diskussion eröffnet hat. Ich bin nun nicht der Ansicht, daß die Entziehung der Freiheit, nah Belieben, ohne Bezahlung auf privaten und öffentlichen Eisenbahnen. hin und her zu fahren, die Würde des Reichstages irgendwie berühren, irgendwie beeinträchtigen sollte; ich bin vielmehr der Meinung, daß das, was der Herr Vorredner Gebrau, was ih aber Mißbrauch dieser Karten nenne, dazu beitragen kann, den Reichs- tag in dem öffentlihen Ansehen, wenigstens in der Gestalt einzelner Mitglieder, die diesen Mißbrauch treiben, herunterzudrücken. Der Herr Vocredner hat gemeint, wo kein Gebrau vorgeschrieben wäre,

diefer Freikarte über 17000 km auf den deutscen Eisenbahnen zurückgeiegt hat ein einziger, und zwar kein Sozialdemokrat —; wenn andere Abgeordnete dem nahe gekommen sind mit 10- bis über 12 000 km in der Zeit von 8 Monaten. Ich glaube doch nicht, daß Sie behauyten wollen, daß das mit der Intention, in welcher die Karten verliehen wurden, im Einklang stände, und daß hier ein Mißbrauch nicht vorläge. Ich selbst gehöre zu den ursprünglihen Anregern dieser Freikarte, allerdings nur in dem Sinne, wie sie heute noch besteht, daß sie freie Hin- und Rückfahrt, so oft dies der Abgeordnete für nützlich hält, gewähren soll. Damals ist durch meinen Kollegen , den Minister Delbrü, die Sache bei mir angeregt worden, und i habe mein Einverständniß soweit dazu gegeben. Die weitere Auëdehnung hat nie meiner Ansicht entsprochen, und id würde sie eine Ungerech- tigkeit, eine Verkürzung des Blöderen zu Gunsten Desjenigen nennen, dem die landesübliche Blödigkeit vollständig fehlt.

Veber das Recht der Regierung, diese Sache aufzuheben, und den gänzlihen Mangel an Begründung in der Behauptung, daß damit das Budgetrecht verletzt würde, darf ih in einer Versamm- lung, worin so viele juristishe und budgetkundige Leute figen, kaum ein Wort verlieren. Der Regierung ist die Berechtigung, die Be- fugniß ertheilt worden, bis zu einem gewissen Maximalhetrage Gel- der für die freie Fahrt der Reichstagsmitglieder auszugeben, aber es ist keinesrzegs festgestellt und ihr die Verpflichtung auferlegt, noch hat sie eine solche eingegangen, von diesem Recht in einem bestimm- ten Umfange für jeden Einzelnen Gebraub zu machen. Wenn das der Fall wäre, wenn hier das budgetmäßige Recht vorläge, so wären die Herren vollständig berechtigt, diefes Recht vor dem Richter einzuklagen, und jeder Richter würde die Klage annehmen; indessen ih sehe der Klage mit Ruhe entgegen und werde abwarten, ob Sie irgend ein obsiegendes Erkenntniß erwirken.

Also cine Verpflichtung der Regierung liegt nicht vor. Wenn Sie sagen: kleine Geschenke erhalten die Freundschaft, ja, das ist ein anderes Gebiet, dazu muß die Freundschaft erst vorhanden fein.

Dann komme ih auf die Diäten, und darin bin ih mit meinem politischen Freunde, dem Redner von der fonservativen Seite, nicht einverstanden. Jch würde von dem Grundsaß ausgehen, daß die Budget- und Defizitfrage auf diesem Gebiet gar feine Rolle jpielt. Wenn es überhaupt nützlich und gerecht wäre, Diäten zu geben, fo würden die Summen, die hiersür oder für die freie Fahrt erforderlich sind, kein Hinderniß sein, auch wenn unsere Finanzen noch \chle{chter lägen, wie sie heute liegen; dann würde man sagen: was recht und billig ist, das zu bezahlen ist die deutsche Nation noch reih genug. Der Gedanke hat mir vollständig fern gelegen bei der Freikarten- und ebenso bei der Diätenfrage, die uns eigentlich beschâftigt ; die erstere habe ich nur inzidenter berührt, weil ich die Verantwortlichkeit dafür zu tragen habe, daß die Karten nicht mehr in dem Umfange bewilligt werden wie früher.

Was die Diätenfrage selbst anbelangt, so hat mich zuerst über- rast, daß der Antrag, der uns hier beschästigt, von fo sehr viel Berlinern unterzeichnet ist. Es sind unter einigen 50 Antragstellern 94 Berliner. Es sind das die Herren Dr. Bamberger, Beisert, Broemel, Bunsen ic nenne Berliner, solche, die ihren üblichen Wohnort in Berlin haben Greve, Hermes, Hinze, Hoffmann, Meibauer, Meyer, Munckel, Parisius, Richter, Rickert, Schend, Sie- mens, Struve, Witt. Jh verlese die Namen, um, falls ic mich geirrt habe in der Ziffer und Jemand unter den Verlesenen seinen Wohnsiß nicht in Berlin hat, diesem Gelegenheit zu geben, zu reklamiren. Jh möchte glauben , daß gerade die Berliner am wenigsten der Diäten bedürftig fein sollten. Dieselben haben keine Reisen zu machen, ihre Wohnung auch nicht aufzugeben, ihre Familien nit zu verlaffen, sie sind nicht genöthigt, ununterbrochen auf den Betrieb ihrer Geschäfte zu verzichten; sie fönnen aus ihrem Redaktionsbureau oder aus ihrem industriellen Etablissement oder von ihrem Katheder einfah hierher in die Leipzigerstraße gehen, sie können sich_ zu den Abstimmungen oder zu den häuslichen Geschäften abrufen lassen. Kurz, das Abgeordnetersein ist für sie in keiner Weise ein Opfer von irgend einem Zeit- oder Geldwerth, sondern einzig cine Abwechselung in ihrem Leben, eine der vielén Annehmli&keiten, deren sih die Berliner vor den Be- wohnern der Provinz überhaupt erfreuen.

Alfo wenn überhaupt Diäten bewilligt werden sollten und ih stehe gar nit der Frage so verschlossen gegenüber, wie Sie glau- ben mögen, so würde die erste Bedingung sein, daß Derjenige, der in Berlin wohnt, keine Diäten bezieht und noch viel weniger freie Fahrkarten erhält.

Zu welchem Zweck die freien Fahrkarten benutzt werden, darüber hat der Abg. Bamberger in einem von ihm herausgegebenen Buch „Deutschland und der Sozialismus“ eine ganz richtige Ansicht aus- gesprochen. Er sagte da: „So ist es gar keine Frage, daß die Ein- führung der freien Eisenbahnfahrkarten zu Gunsten der Abgeord- neten mit Erfolg verwandt wird zur Verkündigung der sozialistischen Lehren, und vielleiht dazu beigetragen hat, die Zahl ihrer Abgeordneten zu vergrößern.“ Der Herr Vorredner war nicht der Meinung, das mag er mit dem Hrn. Abg. Bamberger abmahen. Fch bin über diese Vergrößerung gar niht unglücklih. Je größer die Zahl der sozialistishen Abgeordneten wird, desto mehr wird ihnen die

Ehrenpflicht obliegen, doch bald mit positiven Plänen hervorzutreten und zu sagen, wie si{ch in ihren Köpfen die Zukunft der Welt und die Verfassung gestaltet. Bisher sind sie damit im Rückstand ge- blieben: Was besteht, ist Alles f\chlecht, das unterliegt ihrer Kritik, wird Allcs verworfen. Es is gar leicht, zu sagen: alle mens{hlichen Einrichtungen find unvollkommen im höchsten Maße, und am allermeisten die staatlichen Einrichtungen. Ja, weil so: viel Leute dabei mitzuarbeiten haben, so kommen auc die Ünvollkommenheiten der vielen Urheber dabei mit zur Geltung. Also die Kritik ist außerordentlich leiht; aber das Bessermahen! Wenn ih doch endlich einmal eine Verfassung, eine solche Geseßgebung sehen fönnte, wie die Herren Führer der Sozialdemokraten sie sich denken. Sie sind jeßt 25; das zweite Dubend baben sie also; ih will ihnen no das dritte geben, wenn sie aber 36 sind, erwarte ih mit Sicher- heit, daß sie ihren vollen Operationsplan zur Verfassung, wie sie sein foll, entwerfen; sonst glaube i, sie können nichts. :

Bisher liegt uns nichts vor. . Stellen Sie Anträge, wie die Verfaffung sein soll, legen Sie Ihr Eldorado doch auf den Tisch des

fönnten ein Geheimniß haben, was mich von all meinem Elend, meiner Qual und Armuth befreit, kurz, die Zahl ihrer Wähler zeigt : wir find materiell unzufrieden, wir sind solche Leute, die nicht blos eine Verbesserung ihrer Lage wünsckden wer thut das nitt? —, sondern auch von den politischen Maßregeln, von der Gesetzgebung eine solbe erwarten. Man muß aber doch {on fehr kindlih und vertrauensvoll sein, um von der Gesetzgebung eine Verbesserung der persönlichen Lage zu hoffen, alle diese findlich Vertrauenden, diese Unzusriedenen stimmen mit ihnen, ohne eine Ahnung von dem zu haben, wohin sie wollen, es sind zum Theil sehr fönig8treue Leute, die mögen ja auch unter den Sozialdemokraten sein, aber id möchte zur Beruhigung auch aller Derer, zu_denen ih nit gehöre, die die Sozialdemokratie als das größte Schreck- bild der Zukunft betrachten, ich möchte zur Beruhigung aller Dieser sagen, wenn die Herren erst mit positiven Plänen herausfommen, werden sie viel zahmer werden als sie sind, auch in ibrer Kritik, und die Zahl ihrer Anhänger wird sich ganz außer- ordentlih lichten. Jh wollte, wir könnten ihnen eine Provinz einräumen und ihnen in Entreprise geben, ih möchte schen, wie fie wirth\caften ; dann würde die Zahl ihrer Anhänger sich lichten, viel- leiht über den Bedarf hinaus, denn die Sozialdemokratie ist fo, wie fie is, doch immer ein erhebliches Zeichen, ein Menetekel für die besitzenden Klassen dafür, daß niht Alles so ift, wie es sein sollte, daß da Hand zum Bessern angelegt werden kann, und insofern ist ja die Opposition, wie der Herr Vorredner sagte, ganz außerordentlich nüßzlih. Wenn es keine Sozialdemokratie gäbe, und wenn nicht eine Menge Leute sih vor ihr fürhteten, würden die mäßigen Fortschritte, die wir überhaupt in der Sozialreform bisher gemacht haben, auch noch nicht existiren, und insofern ist die Furcht vor der Sozialdemo- fratie in Bezug auf Denjenigen, der so kein Herz für feine armen Mitbürger hat, ein ganz nüßlihes Element. (Bravo! bei den Sozialdemokraten.) Ja, sehen Sie, in etwas find wir doch einver- ‘standen. Der Grund, warum ich die Diäten b¿kämpfe, liegt mehr darin, weil sie weit entfernt sind, eine Gleichheit herzustellen, weil sie erst recht eine Ungleichheit unter dem Schein der Gleichheit hafen. Für den Berliner, wie gesagt, sind die Diäten eine reine baare Zulage, ein Taschengeld, was ihm dafür, daß er sich in seirer äußeren Würde und Annebhmlichkeit seiner Beschäftigung als Neichs3- tag8abgeordneter gehoben fühlt, noch zufließt. Für die übrigen, die nit in Berlin wohnen, find es ja zum großen Theil do nicht die Koften des Aufenthalts -in Berlin, die ihnen das größte Opfer auf- erlegen, sondern die Abwesenheit aus ihrem eigenen Beruf ; sie ver- lieren zu Hause viel mehr, sie haben ihre Wohnung, ihre Familie zu verlassen; ein Advokat ohne Praxis kann das mit Leichtigkeit, ein Arzt ohne Praxis mit noch größerer, für cinen Arzt, der Praxis hat, ist es {on eine {were Aufgabe, sich drei, vier Monate von seinem Domizil zu entfernen, ein Privat- mann, der industrielle oder landwirthschaftlihe Geschäfte hat, verliert vielleicht das Zehnfache der Diäten, die er bekommen fann, aber er wird als abg-:funden angesehen, weil er hier 4 oder 5 Thaler Diäten bezieht. Das ist kein Vortheil. Die alleinigen Kosten des Aufent- haltes in Berlin sind so theuer nicht, das zeigen die Herren, die Parteidiäten, ih möchte sagen, die vershämte Diäten beziehen, denn es hat si noch Keiner dazu bekannt, das Faktum, daß es geschieht, wird allgemein zugegeben, ih würde es für einen erfreulichen Beweis von Offenheit halten, wenn die B die in ter Lage sind, es ofen erklärten und wenn die erren Spender das auch sagten, damit man ungefähr beurtheilen kann: wird dadur ein Abhängigkeitsverhältniß eines Abgeordneten vom anderen geschaffen ? Wird dadur cine Nöthigung geschaffen, so zu stimmen, wie der zahlende Abgeordnete es will? Ja, meine Herren, dann, glaube i, möchte do, wenn die Sache klargestellt wird, die Beziehung der Situation zum Strafrecht zweifelhaft werden; jedenfalls glaube ih, daß der Abgeordnete, der Diäten aus irgend einer Quelle bezieht, wenn es amtlih konstatirt wird, die Cigenschaft als Abgeordneter dadur ipso iure, auf Grund der Verfassung verliert, und wenn es bei der Wahlprüfung konstatirt wird, daß er Diäten bezogen hat, meines Erachtens die Wahl für nichtig erklärt werden muß, weil der Abgeordnete die Bedingung, welche die Verfassung in Bezug auf seine Stellung im Leben von ihm fordert, nicht erfüllt.

Ft es denn überhaupt in unserem Deutschen Reih und im preu- ßischen Staat so unerhört, daß Jemand gratis etwas [leisten muß, ohne Diäten dafür zu beziehen? Welch ungeheuere Belästigung liegt in der Funktion als Geshworener, nawenilid in dem übertriebenen Maße, in dem die Geschworenen citirt werden! In dreimal so großer Zahl wie erforderlich werden fie geladen und müssen wotenlang, fern von ihrem bürgerlihen Beruf, in dem Gerichtsort j ihre Rekusation oder Citation abwarten , dem \chärfsten richter- liGen Verfahren ausgeseßt, wenn sie irgendwie ohne Urlaub sich entfernen. Wie nun, wenn sie Urlaub nicht bekom- men? Wenn sie in dem Gasthof einer kleinen Stadt zu bleiben gezwungen sind, die Heimath am Abend nit erreichen können, wocenlang {ill liegen müssen, ohne einen Groschen zu beziehen ? Und da hängt es nicht von Jemand ab, ob er Geschworner werden will, wie beim Abgeordneten; wir haben ja Abgeordnete, die zwet Mandate haben und do nit genug beschäftigt sind. Ebenso fleht es mit den unbesoldeten Ehrenämtern, auf denen unsere Provinzial- verfassung beruht; das sind ungeheuere Aufgaben, während hier die meisten Herren, die nicht gerade Referate übernehmen, doch ein for- genfreies Leben, otium cum dignitate genießen, Was aber den Ge- \{worenen recht ist, warum soll das niht den Abgeordneten billig sein ? : :

Mas i hier vertrete, ist aus\{ließlich die Reichsverfassung und ihre Gültigkeit. Es ist {on mehrfa erwähnt, daß die Verfassung in diesèm Punkte lompromißmäßig zu Stande gekommen ist und daß die Diätenlosigkeit ein Aequivalent für die weit ausgedehnte Wahl- befugniß, die unser Wahlgeseß verleiht, geben sollte. In wieweit das erreicht wird, das ist eine andere Frage, über die ih hier nicht zua entscheiden habe; es ist eine Frage der Erfahrung. Thatsache ist, daß die Verhandlungen über die Verfassung die Beabsichtigung des Acquioalents ergeben. Nun sind Sie seit Jahren bemüht, einen von diesen Steinen, aus denen das Gewölbe der Verfassung künstlich und nicht ohne Mühe gefügt ist, herauszukraßen aus der Wand. Sind sie sier, daß nichts nacfällt ? sind Sie sicher, daß von der anderen Seite, wo man vielleicht nicht mehr die Furt vor der Bewegung von 1848,

Hauses hin, damit jeder Andere ein Urtheil darüber bekommt. Jch bin überzeugt, es wird Vieles darunter sein, von dem ih sagen kann,

niht mehr die Furt vor einem in Waffen stehenden Preußen wie