1884 / 281 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Alster von dem in Hamburg gebornen Dichter Friedrich von Hage- dorn (1708—1754), nebst zwei alten Ansichten von der Binnenalster und der Außenalster aus dem Jahre 1764, nab von Anton Tischbein gezeibneten, von Chr. Frißsch gestotenen Blättern. Sodann theilt Berthold Litmann 17 Briefe von Anna Maria von Hagedorn an ihren Sohn, den jüngeren Bruder des Dichters, Christian Lud- wia, späteren Ditektor der Dresdener Akademie mit. Die Briefe fanden \sich unter den Papieren des Dichters und bieten mancherlei Neués zur Charakteristik der {arf ausgeprägten Eigen- thümlicfkeiten beider Brüder, verdicnen aber nod mehr Beachtung als Spiegelbild einer klugen tüchtigen Frau voll auf- opferndcr Sorge und Mutterliebe. Ciren anziehenden Beitrag zur dramatischen Literatur- und Theatergeshihte Hamburgs hat Emil Riedel unter dem Titel „Scbuldrama und Theater“ geliefert. Zwischen dieser und der nätstfolgerden Arbeit hat ein charakterisli- ses zopfiges altes Hochzeitsgedißt von Georg Greflinger (gest. zu Hamburg um 1677) Plaß gefunden. Dann folgt ein interessantes Kulturbild von dem Herausgeber, welbes die Leichenbegäng- nisse im 18. Jahrhundert wit ihrem Ceremoniell und ihren Kosten schildert und im Facsimile die Abbildung eines damaligen abendliben Leichenkondukis vor Augen führt. Der von dem Herauétgeber in der Generalversammlung des Gesammt- vereins der deutschen Gesicbts- und Alterthumsvereine zu Hamburg im Jahre 18806 gehaltene, gediegene, viel Forscberfleiß und in langen Jahren gesammelte Kerntnisse in gedrängter Fassung darbietende Vor- trag „Aus der Geschichte Hamburgs im Mittelalter“ hat verdienter- maßen ebenfalls Aufnahme gefunden. Von den weiteren Kultur- bildern sind zu erwähnen: „Hamburger Handel und Handelspolitik im 16. Jahrhurdert“, von Richard Ehrenberg, und „Die Befestigung Hamburgs im Mittelalter“, von C. F. Gaedechens (mit den Abbildungen der alten Stadtthore: des Spitaler-, des älteren und jüngeren Stein-, und des Millernthores). Die Reihe \chließt mit einer Arbeit von E. Rautenberg „Aus der vorgescictlihen Zeit“ Hamburgs, welche mit einer Reihe von Holz- schnitten nab prähistorischen Gegenständ?ckn versehen ist.—Die Prosa- beitcäge wechseln mit Dichtungen, So finden wir von Brokes, eben- falls cinem gebornen Hamburger (1680—1747) ein plattdeutsches Gedicht: „Als Herr Hinrich Diederid Wiese zu Rathe erkoren ward, 31, Juli 1716“ mit Erläuterungen von C. Walther ; ferner von Paul Fleming (1640 in Hamburg gestorben) ein Gedicht: „Elsgen's treues Herz“, zwei Räthsel von dem {on eræxähnten Georg Greflinger und Michael Nichey (geh. zu Hamburg 1678, gest. daselbst 1701) ; endlich zwei kleine lateinische Carmina nebst den deutschen Uebersetßungen, welche den alten Hamburgern theils Lob, theils Tadel spenden. Die Verlagsbuchhandlung hat das Buch in Druck und Papier elegant ausgestattet. Dem Unternehmen dürfte es besonders bei den zahl- reihen Hamburgern im JIn- und Auslande nicht an dem verdienten Beifall fehlen und sich die Hoffnung des Herausgebers sicher erfüllen, daß vämlih der vorliegende nur der 1. Band einer Reibe ähnlicher Kulturbildersammlungen sein werde, zumal auch außerhalb Hamturgs Freunde der Städtegeschichte und der Kulturgeschichte darin mannig- fache Anregung und belehrende Unterhaltung finden dürften.

Im WVerlage von Albert König îin Guben erschien eine patriotiswe Dichtung, betitelt: „Die Schlacht von Vion- ville-Mars la Tour, ein Gedenkblatt an den 16. August 1870 von Louis Wolff.“ Dem Urtheile des Lesers bleibt es überlassen, ob der Autor in sciner Scilderung dieses heißen Augusttages, der vom Auf- gang der Sonne bis zum Niedergang vom Kanonendonner und Waffenlärm erfüllt war, den richtigen Ton getroffen hat. Zur Er- flärung der Deutlichkeit und der Truppenaufstelungen wird auf die beigegebene Karte nebst beigedruckten Marschordnungen verwiesen. Zwar i} aus der Karte nur die beiderseitige Aufstellung in der fünften Nachmittagsftunde zu ersehen, indessen wird cs dem aufmerk- samen Leser nicht {wer fallen, sich daraus Vorhergegangenes und Nachfolgendes zurecht zu legen. Wie der Verfasser felbst in seinem Vorwort sagt, hat er fich ernstlih bemüht, seine Darstellung dem offiziellen Quellenwerke des preußischen Generalstabes über den Feldzug von 1870—1871 anzupassen. Die Dichtung ist von dem Verfasser zu musikalisch - deklamatorishem Vortrage in Vereinskreisen 2c. einge- richtet und die betreffende Musik von dem Königl. Kapellmeister des Grenadier-Regiments Prinz Carl von Preußen (2. Brandenburg. Nr. 12) A. Smidt arrangirt worden. Der Musikcyklus wird zu- nâcbst als Begleitung der Dichtung im Arrangement für Pianoforte zu 2 Händen und darauf als selbstständiges Potpourri für Orchester- Mun Een. Der Preis des ungebundenen Gedicht-Bucbes beträgt

art.

In Kürze wird ein „Schriftsteller-Album“, von Adolf Hinrichsen herausgegeben, erscheinen. Das Werk liegt in seinem umfassenden Material, das von ca. 700 Schriftstellern und Scriftstellerinnen zusammengesteuert worden, bereits fast vollendct vor. Um von der Vielseitigkeit und der litcrarischen Bedeutung dieses „Album“ einen Begriff zu geben, erwähnen wir in Nachf-lgen- dem aus der Mitarbeiterliste der 1. Lief. einige Namen, wie G. p. Amyntor, Ld. Anzengruber 2c., Beyer, K. Bleibtreu 2c., Felix Dal;::, Dieffenbach 2c.,, Geora Ebers, E. Cchstein 2c, J Fastenrath, Ad. Fishhof, L, Foglar, E. Franzos, Fricdrih Friedrich 2c, Ph. Galen, K. Garok, Ad. Glaser, Rud. v. Gottschall, Kl. Groth 2c. 2c.

Das Verzeicchniß Nr. €8 des antiquarishen Bücher- lagers von Ferd. Raabe's Nahf. Eugen Heinrich, Anti- quariat und Buchhandlung in Königsberg i. Pr. führt im Ganzen 3778 Schriften auf, von denen 2820 deutshe \{chönwissen\caftliche Literatur seit der Mitte des 18, Jahrhunderts (Anthologien, Volks- lieder, Sprichwörter, Parodien, Lessing, Schiller, Goethe, Mundarten, Sagen, Märchen, Volksbücher), 839 Ueberseßungen aus fremden Lite- raturen betreffen, 86 aber einen Nachtrag zu den 2 voraufgehenden eo enthalten, 33 endlich Prachtwerke verschiedener Art angeben.

Laad- und Forstwirthschaft.

‘Der soeben erschienene neue Katalog empfehlenswerther Werke über Landwirthschaft, Gartenbau und Forfst- wesen ter Verlagsbuchhandlung von Paul Parey in Berlin 8W. (Wilhelmsstr, 32) ist mit einer großen Reihe von Porträts der her- vorragendsten Männer auf dem Gebiete der Landwirthschast, des Gartenbaues und des Forstwesens ausgestattet und bietet dadur ein ganz besonderes Interefse. Der Katalog wird Jedem, der ihn ver- langt, gratis und franko übersandt.

Gewerbe und Handel,

Wien, 27. November. (W. T. B.) Die außerordentliche Generalversammlung der österreihisch-ungarishen Bank hat die Anträge, wonach der Generalrath beauftragt wird, das An- fuchen um Erneuerung des Privilegiums bei der öfterreichisen und bei der ungarischen Regierung cinzubringen, über eventuelle Abände- rungen des Privilegiums unter Wahrurg der Interessen der Bank zu verhandeln und das Ergebniß derselben rechtzeitig der Beschlußfassung der Generalversammlung zu unterbreiten, ohne Debatte und ein- stimmig angenommen.

Amsterdam, 27. November. (W. T. B.) Bei der heute von der niederländishen Handelsgesellschaft abgehaltenen Zinnauktion über 22506 Blöke Bancazinn wurden 46 à 463, M SIRNE 463, und über 299 Blôcke Billitonzinn 45+ à 45{ Cents gezahlt.

London, 27. November. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll- auktion waren Preise unverändert.

Bradford, 27. November. (W. T. B.) Wolle stetig, in

olge Halifaxer Fallimente geringe Gesbäftsstokung; Garne ruhiger, toffe geshäâftslos bei ansehnlicher Produktion.

Submissionen im Auslande.

I. Niederlande. 31. Dezember 1884, Mittags. Ministerium von Waterstaat, Handel en Nijverheid im Haag.

Die Lieferung eines eisernen Oberbaus einer Brücke für Eisen- bahn- und gewöhnliÞben Verkehr über die Donge zu Geertruidenberg (Tarwerth 156 000 Fl.)

Bedingungen liegen unter Nr. 927 vem 15. Dezember ab im vor- genannten Ministerium, in den Büreaus der Staatseisenbahnen im Haag, sowie in den Büreaus der Provinzial-Verwaltungen zur Ein- ficht aus urd sind käuflih bei den Buchhändlern Gebrüder van Cleef im Haag, Spui Nr. 28a. y

Auskunft ertheilt der Chef-Ingenieur der Staatseisenbahnen zu ’8 Hertogenbosch.

Anweisung an Ort und Stelle am 23. und 24. Dezember, Vor- mittags 11 Uhr, zu Raamédonksveer (Provinz Nord-Brabant).

I1I, Rumänien. -

29./17. Dezember. 4 Uhr. Bukarest. Direktion der rumänisben Staatsbahnen. Lieferung und Aufstellung eiserner Brücken auf der Linie Faurei— Fetesci.

Näheres an Ort und Stelle.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 27. November. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Llovd „Eider“ is heute Nachmittag in Southampton, und der Dampfer „Hannover“ von derselben Gesellschaft ist am 23. d. M. in Montevideo angekommen.

Hamburg, 27. November. (W. T. B.) Der Postdampfer „Saxonia“ der Hamburg-Amerikanishen Packetfahrt- Aktiengesellschaft ift, von Westindien kommend, heute in Havre eingetroffen.

Saníitätsöwesen und DQuarantänewesen.

Südamerika.

Durch Schreiben vom 24. September d. J. hat die Regierung der Vereinigten Staaten von Columbien den fremdländischen Ver- tretern zu Bogotà mitgetheilt, daß die in Europa aufgetauchte Cholera sie veranlaßt habe, an der Atlantishen Küste Quarantänemaßregeln in Ausfidt zu nebmen. Durch Telegramme vom 22. September sind die Präsidenten der Staaten Panama, Bolivar und Magdalena ermächtigt worden, geeignete Anordnungen zu treffen, damit Schiffe, welche aus infizirten Häfen in Columbien anlangen oder auf welchen Cholera- fälle während der Reise sich zeigten, weder Pafsagiere, Waaren oder Poststücke aus\chiffen, noch überhaupt mit dem Lande Verbindung unterhalten.

Verlín, 28. November 1884.

Der Verein für das Museum schlesischer Alter- thümer in Breslau, welcher sih des hohen Protektorats Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin erfreut, hat soeben seinen 56. Bericht versandt, welckder unter dem Titel: ¿Swlejtens Borzeit inl Bild und SWrift (2B), Ne, 12) im Oktober erschienen ist. Das Heft bringt an der Spitze den Bericht über die Verwaltung des Museums während des Etatsjahrs 1883, erstattet von dem Kustos des Museums, Direktor Dr. Lu{8. Das vornehmste Ereigniß des Jahres bildete danah die Feier des 2d jährigen Jubiläums des Bereins, am 11. Januar 1883, welche cinen in jeder Beziehung befriedigenden Verlauf nahm. Der reich iUustrirten Jubelschrift ist vi.lfahe Anerkennung zu Theil geworden. Sie brachte eine Ge- {ite des Vereins, eine kunstgeshihtlihe Würdigung der Martini- kirhe in Breslau von dem Baumeister Salzmann und eine Be- \chreibung des von Rechenbergshen Altarwerks in Klitshdorf von Dr. Luhs. Die Feier felbst fand im Börsensaale statt. Ste wurde durch eine Rede des Hrn. Dr. Luchs eröffnet, welcher darin eine kurz- gefaßte Geschichte der Muscen von der Zeit der alten Griehen und Egypter an durch das Mittelalter bis in die Gegenwart hinein gab und dem Breslauer Museum seine Stelle unter diesen Bildungs- anstalten anwies. Dann folgten dramatishe Aufführungen und s\ch{licßlich cin Festmahl. Ein Gratulationstelegramm von Seiten der hohen ProtektoriÛn wirkte auf die Fest- stimmung besonders erhebend. Als weiteres erfreuliches Ereigniß aus dem Berichtsjahre wird der durch Allerhöchste Kabinets- ordre vom 19, März erfolgten Verleihung der Korporationsrechte an den Verein gedacht. In der auf Grund der neuen Statuten am 18. Juni abgehaltenen Generalversammlung zur Wahl des Vorstandes wurden zum Präses Archiv-RNath Prof. Dr. Grünhagen, zum Vize- Präses Sanitäts-Rath Dr. Grempler, zum Schaßmeisler Fabrik- befißer G. Bock, zum Kustos Direktor Dr. Luchs sowie ferner die Hrren. Dompropst Dr. Kayser, Baurath Lüdecke, M ectere Hugo von Saurma, Direktor Berg und Prof. Dr. Roßbach gewählt. In derselben Sißung wurde eine Erhöhung des Jahresbeitrages von 3 auf 6 4. beschlossen. Ueber den Personalbestand des Vereins meldet der Bericht, daß im Laufe des Jahres 1883 11 Mitglieder gestorben und 77 ausgeschieden sind (39 Breslauer, 49 auswärtige), davon 60 mit einem Jahresbeitrage von 3 4; ferner neu hinzu- gekommen sind: 63 (49 Breslauer, 14 auswärtige), so daß die Mit- gliederzahl am 17. Dezember 1883 500 betrug, wovon 270 in Bres lau und 230 außerhalb wohnten. Ehrenmitglieder sind: Prof. Dr. Wattenbach in Berlin, Graf Constantin P:zedziecki in War|chau und Prof. Dr. Alwin Schul in Prag. Eine Beröffentlihung des Mit- gliederverzeichnisses is in Ausfiht genommen. Die Ver- mehrung der Alterthümer bezifferte sich, ohne die Medaillen Und Münzen, U 4 Mlummern, mit einer ungleiw höheren Stüdzahl, und zwar waren 257 Nummern von 100 Geschenkgebern überreicht, 142 von 4 Personen mit Eigenthnms- vorbehalt überlassen und 78 Stück angekauft. Von diesen Erwer- bungen waren: A. vorgeschictlich: 112 Nummern aus 33 Fundorten, B. fTirchlic.: 6 Nummern, C. ritterlich-militärisch: 9 Nummern, D. bâuélih u. #. w. als: 1) Möbel und Bilder 13 Nummern, 2) Uhren 2c. 4, 3) Hausgeräth von Metall und Stwlofser- arbeiten 17, 4) Kostüme, Gewebe, Stickereien und Spitzen 164, 5) Schmud- und Nippfachen 12, 6) Gebrannte Thonsachen u. f. w. 13, 7) Gold- und Silbcrarbeiten 2, 8) Maße und Gewichte 2, 9) Allotria und Kuriosa 15, 10) Musikinstrumente 2, 11) Glasf\achen 10 12) AbbUbUnden, Ce Diude (C 060 1) Ur kunden 9, 14) Zur Bibliothek 23, 15) Siegelabgüsse und Sonn 1, 160) Wonne L 10) Vedalte 2 18) Bescbreibungen 1 Nummer; E. Architektonishes8: 1 Nummer. Zu Ostern und Pfingsten wurden zwei Sonderausstellungen veran- staltet, indem die textilen Schätze des Museums, welche für gewöhn- li in Schränken und Truhen aufbewahrt werden, nah Alter und Technik geordnet, zur Schau gestellt wurden, und zwar zuerst die Webereien dann die Stickereien. Ein von Hrn. Kalesse verfaßter Katalog wurde an die Mitglieder und Besucher vertheilt. Da das Museum im Laufe des Berichtsjahres zum zweiten Male vom Mauerschwamm heimgesuht wurde, so mußte der davon infizirte Saal der kirhliwen Alterthümer in der Zeit vom 5. September bis 18. November behufs Erneuerung des Fußbodens geräumt und das Museum geschlossen werden. Dieselbe Zeit wurde auch zur Ausführung anderer, lange in Aussicht genommener Ergänzungs- und Sicerheits-Vorrichtungen, zur Reinigung 2c. benußt. Obgleich die Arbeiten zur Shwammausrottung auf Kosten der Provinzialverwal- tung hergestellt worden sind, haben die anderen Neuerungen dem Museum doch bedeutende Kosten verursacht. Gleichwohl war man be- strebt, den Besuch des Museums soviel wie möglich zu erleichtern : seit dem 18. November 1883, dem Tage der Wiedereröffnung, ist dasselbe täglih (mit Ausnahme des Sonnabends) von 11 bis 1 Uhr ge- öffnet und sind für Schüler und Vereine, welche Bildungszwee verfolgen, Eintrittspreisermäßigungen eingeführt. Pei, des langen Schlusses wurde die Anstalt von weit über 2000 Personen besuht. Auch die Sammlungen find nach den verschiedensten Richtungen zu Studien benußt worden, Der von dem inzwischen leider verstorbenen Mu-

4 D Pr GECE:

seums-Assistenten Kalesse ausgearbeitete „Führer“ (den wir f. Z. an dieser Stelle besprochen haben) fand lebhaften Absatz. In Folge der durch den Umbau verursachten Verzögerung haben im Berichts- jahr nur 8 Vortragsabende, zwei Generalversammlungen und 7 Vorstandssißungen sowie außerdem eine Führung durch den Dom (unter Leitung des Berichterstatters Dr. Luch8s) stattgefunden. Für die Vereinsinteressen wurde nah den verschiedensten Richtungen bin gewirkt, und es konnten dieselben häufig genug gefördert werden. Die Zahl der aus- und eingegangenen Schriftstücke überstieg die Zahl 1400. Am 1. Juli betheiligten si einige Herren vom Vorstande an der von dem Grundbesitzer des Ortes, Grafen Edgar von Henckels- Donnersmarck, veranstalteten Ausgrabung eines prâähistorishen Be- gräbnißplatzes in Kaulwiß, Kreis Namslau, welte für Schlesien überraschende Resultate ergab. Außer in- terefsanten Cisenbeigaben wurden daselbs, während die bis- her in Schlesien überhaupt nur bei Wittgendorf, Kreis Sprottau, gefundenen Gesichtsurnen anderer Art sind, einige von pommerellischem Typus aufgedeckt, voa welben ein Exemplar von dem Grafen Henkei dem Museum als Geschenk überlassen wurde. In der Zeit vom Juli bis September wurde die vorgesckichtlihe Abtheilung des Museums, soweit dieselbe Schlesien betrifft, zum zweiten Mal in den neuen Räumen auf das genaueste festgestellt und die einzelnen Gegenstände Übersihtliher aufgestellt. Gleichzeitig wurde eine Spezialstatistik der Abtheilung verfaßt sowie der Spezial- katalog dieser Abtheilung vollendet. Der Etat weist an Einnah- men 14 312 Æ, an Ausgaben 14240 Æ (darunter zum Ankauf von Alterthümern 1461 Æ, als Kosten für das Jubiläum 1525 4) auf, so daß ein Kassenbestand von 72 „(6 bleibt, wozu noch das Baar- vermögen von 2540 M. zu renen ist. E

Das Heft enthält, außer dem Jahresbericht, an größeren wissen- \chaftlihen Beiträgen: urkundlihe Mittheilungen von Dr. Gustav Bauch über das Münzprivilegium des Bischofs Johann V. Thurzo von Breslau, vom Jahre 1515, sowie den Versuch einer Gescvichte der Bunzlauer Töpferei bis zum Jahre 1800, von Dr. E. Wernicke in Bunzlauz ferner eine Beschreibuna des Münzfundes von Wättrisch, im Kreise Nimptsch, (südöstlid von Schweidnitz) von dem verstorbenen Direktor des Berliner Königlichen Münzkabinets, Geh. Rath Dr. F. F-tiedländer (mit einigen Abbildungen meist dem 11. Jahrhundert an- gehöriger Denare), sowie endlich eine Chronologie des Breslauer Domes, von Dr. Luchs.

Die große Weihnacbtsmesse, die der Letteverein in diesem Jahre zum Besten seiner Änftalten arrangirt hat, ift beute eröffnet worden. In den mit den Büsten des Kronprinzlichen Paares und des Präsidenten Lette ges{mückten Räumen der ersten Etage des Lettehauses ift eine reibe Fülle voa Gegenständen aller Art zu- fsammengehäuft, Jhre Majestät die Kaiserin und Königin hat zwei prachtvolle Majolikavasen, Jhre Kaiserlihe und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, die hohe Protektorin des Vereins, einen kunstvoll gestickten Ofenschirm, eine Majolikavase und andere werthvolle Gaben geschenkt. Namhafte Künstler und Gelehrte haben dem Verein Photographien mit eigenhändiger Unterschrift zur Ver- fügung gestellt und die Damen des Vereins sih bemüht, die Messe mit Erzeugnissen ihrer kunstfertigen Hände reich auszustatten. Bereits in der Eröffnungsstunde erschien Ihre Kaiserliche Hoheit die Kron- prinzessin in Begleitung der Gräfin Brühl, um Armenwäsche u. A. anzukaufen.

Ein ganz eigenartiger Wohlthätigkeits-Bazar ist beute von dem „Christlihen Verein junger Männer“ in den Vereins- räumen, Friedrichstraße 214, eröffnet worden. Der Eintretende glaubt sich in der That in eine Markthalle verseßt zu sehen. Auf langen Tafeln liegen Gänse, Hühner und Enten ausgebreitet; an hohen Ständern sind Hasen aufgehängt; an anderen Stellen sieht man Körbe voll rothbäckiaer Aepfel und Sädcke mit Nüssen ; in der Mitte des großen Saales sind Schinken und Wurstwaaren ausgestellt ; die eine Langseite nimmt ein großes Lager ‘von Hülsenfrüchten u. dgl. ein; zunächst dem Eingange sind Körbe mit frishen Gemüsen und Salaten niedergeseßt, und in dem großen Vorraum ladet ein Buffet zum Zu- langen ein. Die Gaben sind dem Verein namentlih von den Freun- den und Gönnern aus der Provinz zur Verfügung gestellt worden. Den Verkauf haben die Gräfinnen Waldersee, Bernstorff, Scbulen- dorf und andere Damen der Aristokratie übernommen. Die Kauflust war eine so rege, daß in den weiten Räumen nur mit Mühe die Cirkulation aufrecht erhalten werden konnte.

Der Besuch des gestrigen Wohlthätigkeits-Concerts im Saale der Sing-Akademie war durcch die Ungunst der Witte- rung leider ret beeinträchtigt. Eröffnet wurde dasselbe durch das von den Herren Dr. Westphal, von Makomaski und Ph. Roth trefflich vorgetragene D-moll - Trio von Schumann. Hr. Kammersänger Krolop erfreute dann durch Pressel's Lied „An der Weser“, am Schluß des Concerts aber durch die Locwe’she Ballade „Der alte Schiffsherr“, welche vollendet wiedergegeben wurden und ungethcilten Beifall fanden. Sodann trug Frl. Therese Zerbst drei und später in Vertretung der leider erkrankten &r. Frister nochmals drei reizende Lieder vor, während Hr. von Makomaski mit großer Virtuosität cin Violinsolo und gegen das Gnde, im Verein mi1 den Hrrn. Grigorowitsch, Müller und Ph. Roth, zwei Streichquartettnummern spielte, deren Ausführung als recht woblgelungen bezeichnet werden muß und welche deshalb auch mit raushendem Beifall aufgenommen wurden.

Die Anziehungskraft, welche der Circus Renz an jedem Abend auf Jung und Alt ausübt, erhielt an dem gestrigen eine besondere Stärke durch das Benefiz, welches Hrn. Adolf Wells mit der leßten Vorstellung gewährt worden war. Hr. Wells feierte gestern sein zehn- jähriges Berliner Reiterjubiläum und blickt in diesem langen Zeit- raum auf eine in feinem Fache ausgezeichnete und von reichen Er- folgen begleitete Thätigkeit zurückl. Das Publikum war denn auch zahlreih erschienen, um dem Benefizianten an scinem Ehrenabend in reiblihem Maße durch Beifall und Ehrenbezeugungen in Form mächtiger Lorbeerkränze einen Beweis der Ane!kennung zu geben, welchen die wirklich tüchtigen Leistungen des gewandten Parforcereiters und Turners verdienen. Zur ersten Nummer seines Kuftretens hatte Hr. Wells gestern eine mimische Verwandlungsscene, „Die drei Nationen“ betitelt, gewählt, und bot in allen drei Theilen Außerordentliches, insbesondere in dem zweiten, wo er einen Trunke- nen zu Pferde darstellte und einen Beweis seiner außerordentlichen Geschicklikeit ablegte , dasselbe gilt von der dritten Piece, wo er als Ritter mit Schild und Schwert erschien, und im lebhaftesten Galopp die schwierigsten Fechterstellungen ausführte; einen besonderen Reiz erhielten diese Verwandlungen dadurch, daß sie auf dem Pferde vor den Augen des Publikums geschahen. Nicht minder groß- artig war die Vorsftelung als englisher Jockey auf ungesattelteIm Pferde, welhe Hrn. Wells die reichste Ge- legenheit bot, sein Können im vortheilhaftesten Lichte zu zeigen. Die außerordentlichen Tremplin-Sprünge und Doppel-Saltomortales über zehn Pferde, an welchen sich Hr. Wells betheiligte, waren eben- falls geeignet, von der erstaunlihen Gewandtheit des Künstlers Zeug- niß zu geben. Derselbe erntete hier wie überall reichlichen, auf- richtig gemeinten Beifall, Die Vorstellung wies im Uebrigen mehr oder minder bekannte Sachen auf und bewährte aufs Neue den alt- erprobten Ruf des Etablissements,

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S ch olz). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (einschließli Börsen-Beilage).

Berlin:

Sia; E R E E E

M 281.

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Freitag, den 28. November

1534,

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 28. November. Jn der gestrigen (4.) Sizung des Reichstages begann das Haus die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes ein, betreffend die Fest- stellung des RNeihshaushalts-Etats für das Etats- jahr 1885/86, in Verbindung mit der ersten Berathung des Entwurss eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichs- heeres, der Marine und der Reihs-Eisenbahnen.

Die Debaiîte wurde von dem Staatssekretär des Reichs- Schaßamts von Burchard mit folgenden Worten eingeleitet -

Das Bild des Reichshaushalts für 1885/86 is ein wesentli \{leckteres als das seiner Vorgänger. Der Etat {ließt ab mit ciner Mehrbelastung der Bundeéstaaten in Höhe von etwa 404 Millionen Mark. Es ift das ein gewiß höchft beklagen8werthes Ergebniß. Bevor ih aber zu einer Einzelbesprebung übergehe, möchte ih eine Bemerkung voraus\{chicken und namentlih einer Behauptung entgegentreten, die sonst in der Presse als auch hier im MReichs- tag wiederholt aus8gesprohen worden ift, der Behauptung nämli, daß wir vor einem Defizit des Reichéhauéhalts ständen und zwar vor einem solchen in Höhe von 40 bis 42 Millionen. Meine Herren, diese Behauptung beruht nicht nur auf einer Verkennung der Ver- hältnisse zwisdben dem Reich und den Bundeëstaaten, sondern fie ist auch thatsäcklih unrichtig. Von einem Defizit spribt mau bei der Aufftellung eines Staatshaushalts - Etats dann, wenn die ordentlicen Einnahmen hinter den ordentlichen Aus- asben zurüdbleiben. Dann ift es das Streben bei der Aufstellung eines jeden Staatshaushalts-Etats, das Gleich- gewicht herzustellen zwishen den ordentlichen Einnahmen und den ordentlichen Ausgaben. Bleiben tie Einnahmen auf die Dauer wesentli zurück hinter den Ausgaben und ist es nicht möglich, eine Beschränkung der Ausgaben eintreten zu lassen, dann wird es noth- wendig sein, zu einer Vermehrung der Einnahmequellen überzugehen. Umgekehrt, wenn die ordentlihen Einnahmen auf die Dauer wesent- lih über die Ausgaben hinausgehen, dann wird es geboten sein, zu ciner Verminderung der Einnahmen zu schreiten.

Das ist die Lage, wie sie in der Regel im Staatshaushalt si stellt, Ganz anders liegen aßer die Verhältnisse im Reich. Die staatlichen Aufgaben find in Deutschland vertheilt zwischen dem Reich und den Bundeéstaaten. Dem Reich sind zur Erfüllung seiner Anf- gaben eigene Cinnahmen und Beiträge der Bundesstaaten zugewiesen, und zwar die leßteren nicht nur subsidiarish, also dann, wenn die eigenen Einnahmen niht ausreichen zur Bestreiturg ‘der Ausgaben, sondern seit 1879, wie ja bekanrt, unter allen Umständen in ge- wisser Höhe, gleihviel, wie hoch die eigenen Einnahmen des Neiches sind.

Wie hoc nun die eigenen Einnahmen des Reichs sich in con- creto belaufen werden, das hängt von manchcen Umständen ab, ins- besondere auch von der Lage der Gesetzgebung, und Sie wissen, daß die Tendenz der Steuerreform immer dahin gegangen ift, die eigenen Einnabmen des Neichs wesentlich zu vermehren, niht blos zu ver- mehren bis zur Höhe der eigenen Ausgaben des Reichs, sondern darüber hinaus, so daß den Einzelstaaten noch Beträge zuc Erleichte- rung des Steuerdrucks bei ihnen überroiesen werden.

Hiernach kann man von einem Defizit im Reichshaushalt über- haupt nicht sprechen; ein solhes Defizit kann ja in den Budgets der Einzelstaaten hervortreten, das Reich ift auf die von mir bezeichneten beiden Einnahmequellen angewiesen, und bei dieser Lage ist es un- möglich, daß überhaupt ein Defizit vorhanden ist. Wenn wir das als Defizit bezeihnen wollten, daß die eigenen Einnahmen des Neichs hinter den eigenen Ausgaben zurückbleiben, dann bätten wir im Deutschen Reich von jeher mit sehr erheblichen Defizits zu thun gehabt, mit Defizits bis zu 70 Millionen. Es ist aber niemals im Reich der Anspru erhoben worden, daß die eigenen Einnahmen genau die eigenen Ausgaben des Reichs deen.

Wenn man also überhaupt von einem Defizit im Reich nicht sprechen kann, so ist es nun aber aber au vollständig unrichtig zu fagen: die eigenen Einnahmen des Reichs wenn man das als Defizit bezeichnet bleiben hinter den Ausgaben um 42 Millionen zurück. Vor der Einführung des Zoltarifgeseßes, des Tabackiteuer- gesetzes und des Neichs-Stempelabgabengeseßes waren die Beiträge, die die Bundesstaaten zur Befriedigung der Bedürfnisse des Reichs beizusteuern hatten, allerdings erheblich größere. Sie beliefen O M Se 1 /eS au G4. Jullonan n Sabre 1878/79 auf 70 Millionen, sie verminderten sh dann, nachdem die von mir bezeihneten Gesetze in Kraft getreten waren, schr erhekb- lib. und zwar im Jahre 1880/81 auf 25 Millionen, im Jahre 1881/82 auf 17 Millionen; im Jahre 1882/83 betrugen diese Bei- träge der Bundesstaaten no etwas über eine Million, und im Jahre 1883/84 trat bereits ein Umschwung einz; die Einnahmen, welche die Einzelstaaten vom Reich empfingen, waren nunmehr höher als die eigentlichen Matrikularbeiträge von denen spreche ich nur und es wurden den Staaten im Jahre 1883/84 Beträge von 115 Millionen überwiesen über die gezahlten Matrikularbeiträge hinaus, Dieser Betrag steigerte sih im Etat des laufenden Rechnungsjahrs noch auf beinahe 32 Millionen. Jn diesem Verlauf ist nun allerdings jetzt ein beklagentwerther Umschwung insofern ein- aetreten, als im künftigen Etatsjahre nach dem Voranschlag an die Einzelstaaten nicht mehr Beträge herauszuzahlen sind über die Matrifkularbeiträge hinaus, sondern als die Einzelstaaten noch faktisch zu den Kosten der Reichsbedürfnisse beizutragen haben,2 und zwar in Höhe von ca. neun Millionen Mark... Wenn man also übetr- haupt von einem Defizit sprechen will, fo ist es nicht cin solches von 49 Millionen, sondern etwa von neun Millionen Mark.

Meine Herren, nahdem ih dies vorausgeschickt habe, darf ih mir gestatten, auf die Einzelheiten einzugehen, und zwar möchte ich, che ih Ihnen cin Bild der Zukunft gebe, einen Blick auf die Ver- gangenheit, den Haushalt des vergangenen Jahres, und auf die Gegenwart, das laufende Jahr, werfen.

Die Haushaltsübersiht für das abgelaufene Jahr licgt Ihnen vor, und ih kann mi in dieser Beziehung ganz kurz fassen. Das Jahr \{ließt ab mit einem Fehlbetrage von 1 905 000 M gegen den Etat, der sich in Folge der Recbnungsrevisionen noch auf etwa 1740 000 M vermindern wird. Jch bitte um die Erlaubniß, immer die Hunderte weglafsen zu dürfen. Das Ur ein an sih wenig erfreulihes Resultat, namentlich gegenüber dem Er- gebniß des vorigen Etatsjahres. Das Jahr 1882/83 {loß nicht mit einem Fehlbetrage, sondern mit einem erheblichen Ueberschuß in Höhe von 15 800000 M ab, die dem laufenden Etatsjahre zu gute kommen. An si aber kann ein Feblbetrag von 1 740000 ÆM nicht zu besonderen Bedenken Anlaß geben. Es wäre ja das Richtigste, wenn die Wirklich- Écit mit dem Anschlage vollständig übereinstimmte, wenn der Etat im Haushalt genau ausgeführt wird. Das ist natürlich nur ein Ideal, es ift unmöglich in der Praxis. Es müssen sih immer kleine Diffe- renzen ergeven, entweder ein Uebershuß oder ein kleiner Fehlbetrag, selbst wenn ganz normale Verhältnisse vorliegen. Nun is ja ein Sehlbetrag von 1 700000 6 im Verhältniß zu der Höhe der Aus- gaben und Einnahmen des Reihshaushalts ein verhältnißmäßig sehr geringer. (Er beziffert sich, wenn man, wie es nothwendig ist, unter die Ausgaben und Einnahmen auch die Ausgaben und Einnahmen

der Betriebsverwaltungen stellt, auf etwa Prozent. Das ist also De einer folhen Summe in dex That ein niht sehr hoher Betrag.

Wenn ich nun zu den Einzelßeiten übergeben darf, so seßt sich dieser Fehlbetrag zusammen aus einer Mehbrausgabe von 435 090 M und aus einer Mindercinnahme ron 1 469 000 A Bei den Mehr- aus8gaben möchte ih mich darauf beschränken hcrvorzuheben, daß besonders beim auswärtigen Amt, und zwar dort beim Crtraordinartum eine Mehrausgabe erwacbsea is, ferner bei der Marineverwaltung eine erheblihe Mehrausgabe bci dem Fonds für die Erbaltung der Schiffe. Bei dem allgemeinen Pen- sionsfonds ist eine Mehrau8gabe von nahezu 200 090 Æ erforderlich gewesen, und auch bei der Eisenbahnverwaltung sind die einmaligen Ausgaben und zwar für den Bau einer Eisenbahn erheblich höher ewesen, als verans{lagt. Minderausgaben find blos zu verzeihnen bei der Verwaltung des Reichsheeres, bei der Neicbs-Juftizverwaltung dort namentlich bei der Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlihen Gescbbußes —, und auch bei dec Reichss{uld ist eine Minderausgabe von 355000 M eiagetreten. Was die Einnahme anbetrifft, so ergeben H Mehreinnahmen von er- heblidem Betrage bei der Salzsteuer in der Höhe von mehr als einer Million, bei der Brausteuer in Höhe von 1715000 A Auch bei der Posttelegraphenverwaltung und der Eisenbahnverwaltung ist ein Uebershuß verzeibnet gegen den Etat von je etwa 440000 , endlich ist bei den Zinsen aus den belegten Reichögeldern eine Mehc- cinnahme hervorgetreten in Höhe von 643 000 , weil die Fonds nicht mit der Schnelligkeit aufgebrau&t sind, wie vorausgesetzt wor- den war.

Einer Mehreinnahme von 5 454 000 4, wie fie sich hieraus er- giebt, steht nun gegenüber eine Mindereinnahme von 6b 923 000 4 und zwar abgesehen von der Branntweinsteuer, die mit- einem ver- hältnißmäßig geringen Betrage hierbei konkurrirt, hauptsäcblih bei der Rübenzuckersteuer. Meine Herren, ich behalte mir vor, auf di:sen Steuerzweig noch naher mit einigen Worten zurückzukommen.

Was die in ‘der Reichskasse nit verbleibenden Einnabmen an Zöllen, TabaËsteuer und Stempelabgaben betrifft, so hat das abgce- laufene Rechnungsjahr einen Mehrbetrag bei der Stcmypclabgabe für Werthpapiere in Höhe von 984 090 f. ergeben, dagegen ift cin Minder- betrag bei den Zöllen hervorgetreten in Höhe von 575090 4 Es ist das eine verhältnißmäßig niht hohe Summe im Hinblick auf die Veranschlagung der Zölle in Höhe von 191 Millionen. Es er- giebt sich fener ein Minderbetrag bei der Tabacksteuer in Höhe von 6 Millionen. Eine ähnliche oder gleiche Erscheinung weist aub das laufende Jahr auf, wo die muthmaßlichen Einnabmen hinter dem An- \chlage zurückbleiben werden, ebenso hat für den Reicshaushaltt-Etat des nächsten Jahres die Tabacksteuereinnahme um circa 3 Millionen niedriger veranschlagt werden müssen, als im vorigen Jahre. Es beruht dies allerdings auch darauf, daß die Ernten der leuten Jahre weniger günstig gewesen sind, haupt\ächlich aber darauf. daß die Ernten der ersien Jahre nach Einsührung des neuen Tabacksteuer- geseßes ganz hervorragend günstige gewesen sind, günstiger als Durch- \{chmtts8ernten. Bei der Veranschlagung der Tabacksteuereinnahme für das Iahr 1883/84 war nun keine andere Grundlage gegeben, als die Verhältnisse der Jahre 1880 und 1881, denn auf frühere Jahre konnte man nicht zurückzreifen, weil genauere Angaben des Tabackquantums für die frühzren Jahre niht vorlagen. Naturgemäß mußten, da fo außerordentli günstige Verhältnisse der Veranschlagung zu Grunde lagen, die Anschläge auch zu hoch aus- fallen, und das ift der hauptsählihe Grund, weshalb für das ab- gelaufene Rechnungéjahr, wie für das laufende die Beträge hinter dem Anschlag wesentli zurückbleiben. Für das Jahr 1885/86 ist es bereits thunlih gewesen, zu derjenigen Grundlage der Veranschlagung überzugehen, die das Normale für die Etatêveranschlagung bildet, nämlih zu der dreijährigen Fraktionsperiode. Auf Grund dieser Rechnung stellt sich der Anschlag für 1885/86 um etwa drei Millionen niedriger, als für das laufende Jahr.

Wenn man für das Jahr 1883/84 die Mehreinnahmen und die Minbvdereinnahmen bei den der Reichskasse nicht verbleibenden Be- trägen gegenÜüberstellt, fo ergicbt si, daß für das Jahr 1883/84 zur Ueberweisung an die Bundesftaaten etwa 5 767 000 #6 weniger ge- langt sind, als nah dem Etat.

Ih möchte dann übergehen auf eine Beleuhtung der muthmaßlichen Ergebnisse des laufenden Jahres, Jch darf Sie daran erinnern, daß es sich hier eben nur um Muth- maßungen und Schäßzungen handelt. Die Schätßzungen sind auf- gestellt auf Grund der Finanzergebnisse bis Ablauf des Monats Oktober, also eines fiebenmonatlichen Zeitraums, es bleibt noch ein fünfmonatlicher Zeitraum übrig und es ist natürlich, daß die Schätzungen durch diesen Zeitraum wesentlich verändert werden können. Ich darf hinzufügen, daß den von mir mitgetheilten Daten die An- gaben der betheiligten Ressortbehörden zu Grunde liegen, so daß also so sorgsam dabei verfahren ift, wie es nur möglich ift.

Das Bild ift nun allerdings ein wenig erfreulihes. Es werden sich Mehrausgaben gegen den Anschlag ergeben, insgesammt in Höhe von mehr als zwei Millionen Mark.

Solche Mehrausgaben treten namenilichß hervor beim Auswärti- gen Amt. Dort werden die fortdauernden Ausgaben, namentlich wegen den höheren Anforderungen, die im Extraordinarium zu er- heben waren i erinnere an die Expedition nach Teheran und au bie afrikanishe Konferenz eine Echöhung von 300 009 Æ, und die einmaligen Ausgaben eine Steigerung um 260 000 s ergeben, leßtere für das Konsulatsgebäude in Shanghai zufolge des Gesetzes vom 20. Juli d. JI., so daß sih die Mehrausgabe beim Auswärtigen Amt auf 560000 M beziffern wird.

Beim Reichsamt des Jnnern wird eine Mehrausgabe vorzuschen sein in Höhe von 188000 4, und zwar hauptsächlich infolge Be- lohnung der Mitglieder der Cholerakommission auf Grund des Ge- seßes vom 27. Mai d. I.

Bei der Marineverwaltung ergiebt sich cine Steigerung der fort- laufenden Ausgaben, vermuthlich von 1095 000 #4, namentlich beim Fonds zur Indiensthaltung der Schiffe, infolge der Steigerung der Aufgaben und der Erweiterung der Marine.

Auch beim allgemeinen Pensionsfonds tritt eine Steigerung des Bedürfnisses als wahrscheinlih hervor in Höhe von 600000 / Es beruht diese Steigerung ter Ausgaben des allgemeinen Pensionsfonds zum Theil darauf, daß in den Jahren 1872 und 1874 die Bezüge der Offiziere und Beamten erhöht worden sind.

Minderausgaben sind zu verzeiwnen bei einigen Verwaltungen, namentlich bei der Neichs-Justizverwaltung, bei den sächlichen Aus- gaben der Kommission für das bürgerlihe Geseßbuch in Höhe von 50000 Æ, und beim Neichs-Schaßtzamt bei der Ausgabe für das Münzwesen in Höhe von 80 000 46; dann hauptsählicz bei der Neibss{uld. Dort wird vermuthlich eine Ersparniß eintreten von circa 200 000 4; es werden an Zinsen der vierprozentigen Anleihe 400 000 M. erspart werden. Dem gegenüber steht aber eine Ausgabesteigerung um 200000 Æ an Zinsen für die Schaßanweisungen zur vorübergehenden Verstärkung des Betriebsfonds der Reichs- Hauptkasse, so daß sich bei der Reicbs\huld cine Minderausgabe von 200 000 A herausstellt. Bei der Verwaltung des Reichsheeres wird voraussichtlib, wie ic DIRRE darf, weder eine Minder- noch eine Mehrausgabe hervor-

reten.

Es resultirt aus diesen Angaben eine Mehrausgabe von 2084 000 6 Hierzu kommt nun cine Mindereinnahme. Es werden

sich Mehreinnahmen herautstellen fa bei allen Verwaltungszweigen, namentli bei der Salzsteuer in Höhe von 1700000 Æ, auch bei der Brannytweinsteuer in vorauésihtli6 nob höherem Betrage, bei der Brausteuer in Höhe von über 2000097 , bei der Wechsel- stempelsteuer von 188000 #Æ, und auch bei der Eisenbahn- verwaltung in Höhe von 250000 Æ, endli bei den so- genannten verschiedenen“ Einnahmen der einzelnen Verwaltungs- zweige in Höhe von 2171000 ÆA Unter diesen möchte ih besonders hervorheben eine Einnahmesteigerung bei der Marineverwaltung in Höfe von 1 729 090 Æ, der gegenübersteht cine Ausgabe, die in den Etat von 1885/86 aufaenommen worden ift in faft derselben Höhe, und zwar aus dem Verkaufe alter Geschütze. Es wird fic ferner an Zinsen aus den belegten Reichegeldern eine Mebreinnahme ergeben von 745 000 A; die Kapitaliea sind nicht in dem vorausgesebencn Maße in Anspruch genommen. Es ergiebt si hiernach eine Mehr- einnabme von 9 125 009 M

Dieser Mehreinna!hme steht nun aber cine sehr erhebliGe Minder- cinnabme gegenüber und zwar ledigli® bei einem Steuerzweige: bet der Rübenzukersteuer. Meine Herren, es ift, wie Jhnen bekannt \cin wird, wenigstens einigen von Ihnen, sehr {wieriz, jeßt zu veran- \{lagen, wie sid die muthmaßlichen Ergebnisse des laufenden Jahres bei dieser Steuer stellen werden. Wir wissen allerdings die Bruttoeinnahmen aus den versteuerten Nüben, wir wissen auch genau, welwe Vergütung wir zu zahlen haben werden für die Ausfuhren an Zucker, aber wir kennen einen Faktor nit, und der ist von außerordentlicher Bedeu- tungz das sind nämlich die Baarzahlungen, d. h. die Zahlungen von Steuerbeträgen, für die Kredit in Anspru genommen werden könnte, aber nicht in Anspruch genommen worden ist Wie hob sih diese Baarzahlungen für den Lauf des zweiten Halbjahres des Etatsjahres stellen werden, ist in der That niht vorauszusehen. Es ist deshalb nothweadig, sih anzulehnen an die Verhältnisse des vorigen Fahres.

Die Baarzahlungen betrugen im abgelaufenen Rechnungsjahre ungefähr 7 °/0 der Brutlocinnahme. Legt man diesen Faktor ¿u Grunde, dann ergiebt sich eine vorautsichtlibe Mindereinnabme bei der Rübenzuckersteuer in Höhe von etwa 21 Millionen Mark ih will aber nit unterlassen, hinzuzufügen, daß voraus\i{tlih der Aus- fall noch etwas größer sein wird. Es ift niht unwahrscheinlich, daß die Baarzahlungen nicht in demselben Maße wie im vorigen Fahre eingehen werden, und zwar de8wegen nit, weil das Kreditbedürfniß der Zuckerindustrie in diesem Jahre wohl ncch cin erheblih größeres ist als im vorigen Jahre, und deshalb thunli{st Baarzahlungen ver- mieden werden, thunlichst Kredit in Anspruch genommen werden wird.

Wenn tch diese Zahlen gegeneinander akwäge, so ‘komme i ziu einer Mindereinnahme von 12 300000 M, zu der hinzutritt eine Mehrau®sgabe von 2 Millionen, so daß der Fehlbetrag des laufenden Jahres sich voraussichtlich beziffern wird auf 14 Millionen und elwa 400 000 M oder rund 144 Millionen.

JIcch darf nun noch einen Blick werfen auf die Einnahme aus Zöllen, Tabacfteuer, Stewnpelabgaben von Werthpapieren, welche der Reichskasse nicht verbleiben. E3 wird sich für das laufende Jahr voraussichtlich ein Mehrbetrag geaen den Anschlag ergeben bei den Zöllen îin Höhe von über 2 Millionen Mark, bei der Stempelabgabe in Höhe von etwa 1 400090 4 Dem steht gegenüber ein Ausfall bei der Tabalsteuer in Höhe von 4 950 000 A aus den Gründen, die ib mir {on erlaubte vorhin zu bezeichnen, so daß eine Summe der Ueberweisung an die Bundes- staaten resultir1, die niedriger ist, als die im Etat vorgesehene, um etwa 1 500000 ( Es ist aber zu hoffen, daß die Einnahmen aus den Zöllen sih noch mehr steigern werden, als hier anzunehmen war, sofern nämlich die gün]1tige Strömung, die jeßt bei der Zolleinnahme hervortritt, andauert.

Meine Herren, ih wende mich nun zu dem Etat für das Jahr 1885/86; derselbe \ch{ließt, wie ih mir {on erlaubt habe hervorzu- heben, mit einer Mehranforderung an Matrikularbeiträgen in Höhe von etwas mehr als 41 Millionen Mark. Hiervon sind obzuziehen die Mekbrbeträge der aus dem Ertrag der Zölle, der Tabacksteuer und Stempelsteuer zu leistenden Herau®szahlungen in der Höhe von 442 000 M, fodaß cine Mehrbelasturg der Bundesstaaten für 1885/86 von 40 580 000 M fi ergiebt. Wenn man auf die Gründe zurüd- geht, welche zu diesem beklagenëwerthen Resultat geführt haben, fo sind es im Wesentlichen drei.

Zunächst kam dem laufenden Jahre ein Uebersbuß zu gute aus dem Jahre 1882/1883 in der Höhe von 15 825 000 /\( Für das nächste Etatsjahr steht ein sol&er Ueberschuß niht nur nicht zu Ge- bote, vielmehr is cin Ausfall zu decken von 1 740 000 16, welche das leßte Haushaltsjahr ergeben hat. Es refultirt hieraus eine Verschlehterung von 17 565 000 Dann werden sih die Ausgaben, sowohl die cin- maligen al8 die fortlaufenden, in dem nächsten Jahre wesentlich steigern, und zwar die fortlaufenden um mehr als 12 000000 4 und die cinmaligen um 8 700000 #, abgesehen von der Erhöhung der Ucberweisungen. Im Ganzen würde ih eine Ausgabesteigerung ergeben für das nächste Etatsjahr in der Höhe von mehr als 20 000 000 Æ Drittens sind Cinnahmeausfälle zu gewärtigen, ab- gesehen von den Ueberweisungen, in der Höhe von 4434000 M Diese drei Posten zusammengerechnet ergeben die Mehrbelastung der Einzelstaaten in der Höhe von rund 40000 000 6.

Wenn ich mich nun zu den fortdauernden Ausgaben wende, fo möchte ih mi darauf beschränken, diejenigen Verwaltungszweige zu bezeichien, bei denen eine erheblihe Mehrausgabe hervortritt. Es if das zunächst das Auswärtige Amt. Dort ift eine Mehrausgabe gegen das laufende Jahr in der Höhe von 381 000 hervorzuheben und zwar bei den persönlichen Ausgaben, sowohl in Berlin hei der C:ntral- stelle, als bei den Gesandschaften und Konsulaten.

Bei der Verwaltung des Reichéheeres ergiebt sich eine verhältnißs mäßig nur geringe Steigerung der fortdauernden Ausgaben, nämlich 1083000 (A Das ist gegenüber dem Etat von zusammen 340 000 000 Æ. cà. ein drittel Prozent.

Bei der Marineverwaltung ist die Stcigerung dagegen eine cer- bebliche, sie beziffert sih auf 7640000 A Sie hat zur Ursache be- sonders Perfonalvermebrung des Offiziercorps, eine Erhöhung des Fonds zur Indiensthaltung von Schiffen im Betrage von 2 300 000 M, an Schiffsersaßbauten in der Höhe von 2800000 und Mittel zum Ersatz veralteter Geshüße in Höhe von 1640000 ( Jch er- wähne hierzu, daz der Erlös der verkauften Geschüße dem laufenden Jahre zu gute kommt.

Bei der Reichs\huld ergiebt sih eine Steigerung der Ausgaben um 1 175 000 MÆ, beim allgemeinen Pensionsfonds ift eine Steigerung der fortdauernden Ausgaben zu gewärtigen und zwar bei der Ver- waltung des Reichsheeres in der Höhe von 110700090 4 Auw bei der Marineverwaltung, sowie bei der Civilverwaltung wird der allgemeine Pensionsfonds höher in Anspruh genommen.

Was die einmaligen Ausgaben betrifft, so is ein Mehrbedürfniß vorhanden bei der Post- und Telegraphenverwaltung und zwar für Bauten in der Höhe von 3 124000 #, besonders hervorzuheben ift eine geforderte erste Rate für einen größeren Postbau in Cöln im Betrage von 1700000 4 Auch bei der Verwaltung des Reichsbeeres sind die einmaligen Ausgaben erheblich gesteigert, sie beziffern sib auf eine Mehrausgabe zu Lasten der ordentlichen Mittel von 3 654 000 M gegen das laufende Jahr. Bei der Marineverwaltung sind die ein- maligen Ausgaben überhaupt in Höhe von 7 639 000 (6 zu beziffern;z von diesem Betrage ift eine Summe von 2000 000 auf die ordent- a ie Einnahmen. angewiesen, während der Rest im Anleihegeseß erscheint.