1884 / 281 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 28 Nov 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Form sehr ungewöhnlich. Besonders habe ja die Militär- verwaltung, ohne den Reichstag zu fragen, sehr fosispielige Bauten in Angriff genommen, für die sie nun nachträglich die Genehmigung verlánge, fo daß der Reichstag gewissermaßen schon dafür engagirt sei. Es hätten wohl politische Rücksichten diesem Verfahren der Verwaltung zu Grunde gelegen ; jedenfalls erwarte er, daß die Regierung dasselbe ausreichend rechtfertige. Das werde ja am besten in der Budgetkommission geschehen können. Dem von dem Abg. von Benda vorbereiteten Anträge auf Ueberweisung gewisser Theile des Etats an die Budgetkommission werde seine Partei zustimmen. Besonders sei eine reht gründliche kommissarische Berathung des Marine:Etats, der ja völlig umgestaltet er- scheine, dringend wünschenswerth. Daß die deutschen Kriegs- schifse jeßt bei den großen an sie gestellten Anforderungen nach höchstens zwanzigjährigem Gebrauch bereits erseßt werden müßten, sei reht beklagenswerth, aber kaum zu ändern, und es würden daraus für tünstige Budgets große Mehrbelastun-

Wettlauf sich entwickeln sehen im Vorschlagen neuer Steuern. Vor einigen Tagen habe er gelesen, daß der Verein mit dem langen Namen demnächst dem Reichskanzler eine wunder¡chöne Börsensteuer präsentiren werde. Flugs sei die konservative Partei gekommen und habe si beeilt, ein neues Börsensteuergeseß einzubringen. Der Antrag von Wedell sei sorgfältig darauf berechnet, alle Geschäfte, an denen der Groß- grundbesiß Interesse habe wie Spiritus, Wolle, Getreide, steuerfrei zu lassen. Jm Uebrigen reflektire derselbe genau die Anschauungen gewisser Kreise des Großgrundbesißes über den Kaufmannséstand, über Handel und Verkehr. Den mora- lischen Nebenzweck der Bekämpfung der Zeitgeschäste hätten die Konservativen jeßt fallen gelassen. Sie wollten alle Ge- schäste chne Unterschied bejteuern mit den vorerwähnten Aus- nahmen. Besonders stark werde der Eifer für neue Steuern unter Denjenigen erwachsen, welche dieselben niht blos zum Besten der Reichskasse, sondern auch für ihre eigene Tasche vor- \{chlügen. Die Agitation sür die Erhöhung der Getreidezölle

nannten 53 Millionen {hon auf 78 Millionen Mark steigern. Dazu kämen noch die kleinen Defizits, welche die Einzelstaaten für sih zu decken hätten. Mindererträge an den Zöllen und, der Tabacksteuer fielen den Einzelstaaten direkt zur Last. Diese Minderertröge beliefen sich pro 1883/84 auf 53/4 Mil: lionen, und für das laufende Jahr nah der Darstelluna des Staatssekretärs auf 11/, Millionen Mark. Diese beiden Minder- erträge müßten die Einzelstaaten decken und gleichzeitig für eine Erhöhung der Matrikularbeiträge um 41!/z Millionen Mark aufkommen. Es sei in der That ein vollständiger Zusammenbruch der Finanzpolitik seit 1878, der zu Tage trete. Was erstrebe denn diese Finanzpolitik? Jn erster Reihe sollten die Einzelstaaten siatt an das Reich zu zahlen, Ueberschüsse vom Reich erhalten. Am 26. November v. J. habe der preußishe Finanz-Minister Scholz bei Einbringung des Etats auf die Verdienste des Reichskanzlers in dieser Richtung hingewiesen, das Reich bettele niht mehr als lästiger Kostgänger an den Thüren der Einzelstaaten, sondern erhalte

Staaten verschwinden. Gewiß seien Neuerungen nöthig, aber Altes werde au überflüssig ; kostspielige Neuerungen würden eingeführt, bestehende, die fih überlebt hätten, würden nicht abgeschafft. Die Vakanzen im Heere fielen immer mehr und mehr fort, die Rekruten würden niht mehr später einge-, stellt, die Frage der zweijährigen Dienstzeit werde immer ernster, nicht nur volkswirthschaftlich, sondern auch finanzpolitish. Eine erhebliche Mehrausgabe bestehe aller- dings in großen einmaligen Aufwendungen von Kapital für Militärzwecke, aber von den 34 Millionen Mark seien 10 Millionen Mark Ausgaben {on im laufenden Jahre 1883/84 gemaht. Es sei erfreulih, daß die Thronrede den Frieden verkündige. Um fo überraschender seien die Truppendisloka- tianen nah Ost und West, für welche man jeßt nachträglich 10 Millionen verlange. Weshalb sei nicht rechtzeitia, vor diesen Dislokationen und Grenzbauten die Genehmigung des Reichstages nachgesucht worden, wie es für die Marine im Er meine, eine Finanzlage, wie

erfährt, und es wird diese Neuordnung verbunden sein für den Bceharrungszustand mit ciner Mehrausgabe von ca. 64 Millionen. Gndlich ift auch zu boffen, daß das Pensiontgeseß zu Stande kommt, und auch dieses wird mit einer Steigerung der Bedürfnisse un 37 Millionen Mark verbunden sein. Ich sehe ganz ab von weiteren Anforderungen, die im Laufe der Zeit an den Reichshaus- halt herantreten werden, aber \chon die hier [bezifferten Posten ergeben eine wesentlihe Steigerung der Ausgaben. Und, mcine Herren, ih glaube richt, daß die Befriedigung dieser Bz- dürfnisse etwa abgelehnt werden darf aus [Nücksiht auf die wirthschaftlihe und finanzielle Lage, denn diese Lage ist in allen Be- ziehungen eine bessere als die irgend eines anderen Landes. Was zu- nächst die wirthsaftlihe Lage anbetrifft, so ist ja nit zu verkennen, daß nicht alle Zweige unseres Erwerbslebens sib in Blüthe befinden, es leidet namentlich die Landwirthschaft zur Zeit stark unter dem Preisdruck für Zucker, für Spiritus und für Korn, also gerade für die wichtigsten Produkte der Landwirthschaft, aber im Allgemei- nen erfreut sich unser wirthschaftlihes Leben einer zufrieden- stellenden Lage und namentlich einer besseren Lage als in irgend einem anderen Lande. Was dann unsere finanzielle Lage an-

Was nun die Einnahmen betrifft, so möchte ih zunächst die Ein- nahmen berühren, die der Reichskasse nicht verbleiben, aus den Zöllen, der Takadck- und Stempelsteuer.

Bei den Zöllen ift für das näcbste Jahr auf eine Einnabme- stcigerung von 3 370000 M zu hoffen, und zwar auf Grund der an- \{cinend günstigen Einnahmen, die namentli in den letzten Monaten fd zu erkennen gegeben haben. Bei der Tabacksteuer wird ein Aus- tall cintreten von 3 267 0090 M aus dem bereits bezeibneten Grunde; bei den Stempeleinnahmen ift ein verhältnißmäßig geringes Mehr in Höbe von 320000 M vorauszusehen, sodaß die an die Einzelstaaten abzuliefernde Summe sich für das Jahr höher stellen wird um 442 000 A

Was die dem Reiche verbleibenden Einnahmen betrifft, so ift das Bild bier ziemli ebenso wie das der von mir bezeichneten Er- gebnifse des laufenden Jahres, Wir werden in dem nächften Fahre hoffen dürfen auf eine Steigerung fast aller Einnahmezweige, bei der Salzsteuer, Brannt1weinsteuer, bei der Brausteuer, auch bei der Post- und Telegraphenverwaltung ; dagegen werden wir wieder zu beklagen haben einen erbeblicen Einnahmeausfall bei der Rübenzuckersteuer, und zroar in Höbe von 8 602 000 M4

Meine Herren, ih glaube, diese Schäßung der Rübenzuckersteuer- cinnahme ift ja ho gegriffen, und vielleibt zu hoc auf der dreijährigen Fraktionsrewnung. Es ist der dreijährige Durch- \{nitt der Bruttoeinnahme angenommen, davon abgezogen der drei- jährige Durcbschnitt der Ausfuhrvergütung, und der Rest ist als Netto- ertrag eingestellt worden. Eine ondere Grundlage für die Veranschla- gung schien den verbündeten Regierungen \sih nicht zu empfehlen. Es ift allerdings bei der andauernden Produktionssteigerung der Rübenzuckerindustrie fast anzunehmen, daß die Einnahmen sich nicht in dieser Höhe verhalten werden, aber es fehlt an jeder Grundlage, um zu einer ziffermäßigen anderen Veranschlagung zu gelangen. Wir können allenfalls wiffen, wie ho sich die Brutto-Einnahmen an Rübensteuer für das nächste Jahr stellen werden, weil wir na den Zeitschriften ungefähr überslagen köunen, wie groß die Ernte ist; noch viel unsicherer ist die Veranschlagung des Zuckerertrags ; aber vollklommen unmöglich ift es, sich ein Bild darüber zu machen, wie hoch sich die Ausfuhr an Zucker belaufen wird für die Zeit vom 1. Oktober dieses bis zum 1. Oftober des nächsten Jahres, und das ist ein Hauptfaktor bei der Veranschlagung. Es ift also ganz unmöglich, auch nur an- nâbernd sich ein Bild zu maten, wie in Wirklichkeit sich die Rüben- zuckersteuer-Einnahmen stellen werden, wenn man voa der dreijährigen Frafktionsrechnung absieht. Aus diesen Gründen haben die verbün- deten Regierungen geglaubt, an dieser Veranschlagung festhalten zu falen, allerdings in der Befürchtung, daß der Anschlag zu hoch ge- griffen sei.

Meine Herren! Die Rübenzucker-Jndustrie leidet unter einer Krisis, die mit großer Heftigkeit und Schleunigkeit hereingebrochen ist und die Lebensfähigkeit dieses wichtigen Faktors unseres gewerblichen Lebens gefährdet und auch die Landioirthschaft in {were Mitleidenschaft zieht. Es hatte faft den Anschein, als ob, aachdem die Krisis ausge- brochen war, die Zustände fich wieder beruhigen würden, als ob wieder etwas bessere Preise zu verzeichnen sein würden; indessen hat sich diese Hoffnung als trügerish erwiesen, die Preise sind wieder ge- sunken, und wir können niht absehen, wann und in welcher Weise die Beruhigung wieder eintreten wird.

Meine Herren! Die verbündeten Regierungen und die ganze Nation hat sih über tas Aufblühen der Industrie gefreut, Aus den Éleinsten Anfängen hat sie sich zu einer Industrie entwickelt, die nit nur den Konsum des JInlandes vollständig befriedigt, sondern auch er- beblihe Werthe ins Ausland {aft und dadurÞ die mannigfachsten Kanäle unseres Etrroerbslebens befruchtet hat.

Als Anzeichen vorlagen eines erhebliden und andauernden Miß-

verhältnisses zwischen Steuersaß und Ausfuhrsat, haben die ver- bündeten Regierungen eine Verminderung der Ausfuhrvergütung in Vorschlag gebrabt, allerdings nur in einem Maße, wie es zulässig sien ohne Gefährdung der Industrie und ohne daß vorher eine eingehende Prüfung der Verhältnisse stattgefunden hatte. Es ift aber gleichzeitig von den verbündeten Regierungen und mit voller Zustimmung des Reichstages eine eingehende Untersuchung über die Lage der Zuckerindustrie eingeleitet worden. Die Untersuchung ist vorgenommen worden mit Gründlichkeit und Sachkunde. Die Ergeb- nisse liegen Ihnen vor und auf Grund dieser Ergebnisse hatten die verbündeten Regierungen im Frühjahr dieses Jahres Ihnen einen Vorschlag einer Reform der Steuer unterbreitet, in welcher ein erheblich höherer Steuersaß und zu gleicher Zeit eine relative Abminderung der Ausfuhrvergütung in Vorschlag gebracht war. Dieses Geseß ist niht mehr zur Verabschiedung und zur Berathung im Reichstage gelangt, und ih weiß nit, ob man dies beklagen soll. Finanziell wäre es ja natürlich ein großer Vortheil gewesen, wenn dieser höhere Steuersaß und diese Abminderung der Ausfuhrver- gütung eingetreten wäre. Aber wenn die Ueberproduktion der Haupt- grund für die jeßige Krisis der Zuckerindustrie ift, so würde das Gefe vollständig cinflußlos gewesen sein auf die Gründe der Krisis, da es erst mit dem 1, August d. J. ins Leben treten sollte, also mit einem Zeitpunkte, wo die Krisis {hon eingetreten war. Andererseits aber würde es die Lage unserer Zuckerindustrie mit dem höheren Steuersaß und der Verminderung der Ausfuhrvergütung wesentlih ers{chwert haben, und es würde dem Vorwurf Nahrung gegeben sein, daß durch diese Veränderung der Gesetzgebung die Waffen, der die Zuerindustrie bedarf, um den Kampf aegen die Rohrzuckerindustrie und die Zuckerindustrien anderer Länder fsiegreich durchzuführen, sumpf gemaht worden wären. Meine Herren, wir werden aber alle wünschen, daß unsere Industrie diesen Kampf siegreih zu Ende führen und aus demselben lebensfähig und thunlich ungeschwächt hervorgehe. Jh kann nicht sagen, ob die ver- bündeten Regierungen es füc angezeigt und thunlih erachten werden, alsbald und noch in diesem Jahre zu einer wesentlihen Beränderung unserer geltenden Rübenzuckersteuer-Gesetzgebung überzugehen. Neben den finanziellen Erwägungen wird dabei auch die Nücksicht auf die Lage dieser Industrie vorwiegend aus\chlaggebend sein.

Meine Herren, das Bild des Etats für 1885/86 ist ja ein höchst ungünstiges. J glaube aber, man muß der Sache ofen ins Gesicht schen und sich darauf gefaßt machen, daß noch wesentli böhere Anforderungen an ‘die Reichskasse herantreten werden. In dieser Bezichung möchte ich zunächst hervorheben, daß zur Deckung des Fehlbetrages des laufenden Jahres in Höhe von 142 Millionen im Jahre 1886/87 die Mittel disponibel gemacht werden müssen. &s werden ferner fortfallen die Zinsen aus den belegten Neichs- geldern, die für das Jahr 1885/86 veranschlagt sind in Höhe von 1800000 Æ und die allmählich sich vermindern, und in nit zu ferner Zeit vollständig fortfallen werden. Unbedingt wird auch eine Steigerung der Ausgaben für die Verzinsung der Reichs- \{uld eintreten. Nah Realisirung der noch offenen und der im An- leibegeseßentwurf für 1885/86 vorgesehenen neuen Kredite, wobei der für den Zollansbluß Hamburgs für 1886/87 flüssig zu machende Anleihebetrag nit mitgerechnet is, wird \ih eine Steigerung der Ausgaben für die Reichsschuld in Höhe von 4 Millionen Mark ergeben, Es steht ferner in Aussiht eine Vermehrung der fort- dauernden Ausgaben bei der Marineverwaltung, und zwar aus Anlaß von Personalverstärkungen, wie solhe son gesetzlich festgeseßt sind, und zwar wird für 1886/87 eine Echöhung um 302 000 6 nothwendig sein. Es ist dann nicht zu übersehen, daß au die Neliktenversorgung der Civilbeamten höhere Anforderungen an den Reichshaushalt tellen wird; die Ausgaben" aus diesem Arlaß find für 1885/86 nur in Höhe von 681 000 M veranschlagt, während sie si im Beharrungszustande auf mehr als 6 Millionen Mark be- laufen werden, Diese Ausgabesteigerungen, beziehentlich diese Ein- nahmeverminderung stehen \{.n fest.

Es treten aber nob hinzu Bedürfnisse, die nit abgelehnt wer- den können, ohne daß Deutschlands Interessen wesentlih geschädigt werden. Es ift das vor allen Dingen die {on projektirte Subven- tionirung von Postdampf\scifsverbindungen, die eine Anforderung an ten Etat von 1886/87 in Höhe von 5 400000 (A stellen wird,

Sie beruht

betrifft, so sind die Schulden des Reichs vollständig und mehr wie gedeckt durch den Eisenkahnbesiz des Neihs und dur den Besitz an werbenden Kapitalien. Aehnlich liegen die Verkbältnisse in Preußen, und auch in den übrigen deutschWcen Bundesstaaten, namentlih in den größeren is im Allgemeinen die Schuldenlast keine übermäßige und jedenfalls im Durchschnitt eine erhebli geringere als in irgend einem anderen Land, Was dann die Steuerkraft des Landes anbetrifft, so sind die Steuern sowohl im Reicte, wie auch in den Bundesstaaten im Allgemeinen i sehe von einzelnen Ausnahmen, namentli bei den kleineren Staaten ab geringere, wie bei alen anderen Staaten. Was die Steuern bei uns so empfindlich macht, das _ ist, daß bei uns die Vertheilung zwischen direkten und indirekten Steuern eine vollständig zweclwidrige ift , eine andere, wie in allen anderen Staaten. Während bei uns die indirekten Steuern nur cinen geringen Beitrag zur Bestreitung der Bedürfnisse im Reiche und in den Staaten liefern, sind die direkten Steuern in ganz unverhältniß mäßiger Weise in Anspru genommen, viel mehr als in irgend einem anderen Staate. Hier muß Abhülfe geschaffen werden, und na dieser Richtung haben sih auch die Re- formvorshläge der verbündeten Regierungen immer bewegt. Ich bin nit in der Lage, zu sagen, ob die verbündeten Regierungen ihrerseits bereit sein werden, neue Vorschläge zur Durchführung der Steuer- reform dem Reichstage vorzulegen. Sie haben dies bereits in ver- schiedener Weise und zu wiederholten Malen gethan, mit welchem Erfolge, das wissen Sie, die Vorschläge find stets einer ablehnenden Haltung begegnet. Ich kann deshalb nit sagen, ob und in welcber Weise neue Vorsbläge Seitens der verbündeten Regierungen in dieser Beziehung an den Reichstag gelangen werden.

Wenn ich nun noch einen Blick auf den außerordentlichen Etat werfen darf, so ist bei der Vertheilung ter Ausgaben auf den ordentlichen Etat und zu Lasten der Anleihe wesentlich nach den- selben Prinzipien verfahren worden wie in früheren Jahren. Es sind Ausgaben zu Lasten der Anleihe nit in Anspruch genommen worden für Postbautenz; die Beträge sind sämmtlich auf den ordentlichen Etat verwiesen worden. Bei der Marine ift nur cin Betrag von 2 Millionen in den ordentlichen Etat eingestellt worden, während der Rest in der Anleihe erscheint. Die Anlcihe beziffert sich auf 38 616 000 4 für das Jahr 1885/86. Es ist das ein um 2 365 000 M( niedrigerer Betrag als der Anleihebetrag für 1884/85, Außer der Forderung für das künftige Etatsjahr enthält aber der 8. 1 des Anleihegesetzes noch eine Forderung von 10055 000 G für Ausgaben, die bereits im Jahre 1884/85 entweder geleistet sind oder geleistet werden sollen.

Wie Sie aus den Motiven erseben werden, ift es im Jahre

1883/84 nothwendig geworden, verschiedene Maßregeln, insbesondere umfangreiche Dislokationen, Erhöhung des Kriegsetats und Vervoll- ständigung der Kriegsausrüstung vorzunehmen. Es war dies noth- wendig aus allgemeinen und militärtechnischen Gründen und s erschien niht möglich, die vorherige Zustimmung des Reichstages zu diesen Ausgaben einzuholen. Der Gesammtbedarf, der dur diese Maß- regel erfordert wird, beziffert sich auf 204 Millionen Mark. Davon sind bereits 1883/84 außeretatmäßig oder überetatmäßig verausgabt 2 243 000 A Dieselben erscheinen in der Haushaltsübersiht und werden Ihrer nahträglihen Genehmigung unterbreitet. Für das Jahr 1884/85 sind in Anspruch genommen 10 055 000 6 In dem Etatentwurf pro 1885/86 is ein Gesammtbetrag von 7 455 000 ein- geftellt und künftig vorbehalten ist der Betrag von 830 000 Æ, das giebt zusammen cine Bedarfssumme von 204 Millionen Mark. _ Meine Herren! JIch möchte damit meine einleitenden Worte scklicßen. Das Bild des zukünftigen Etats ift ein trübes. Prüfen Sie itrenge, ob es mögli ist, Ausgaben, die angemeldet sind, zurü- zustellen, ohne Deutstlands Interessen wesentlich zu schädigen. Wenn Sie zur Verncinung dieser Frage kommen, so werden Sie sih auch der Ueberzeugung uicht verschließen können, daß es dringend noth- wendig ift, auf der Bahn der Steuerreform einen energischen Schritt unverweilt vorwärts zu thun, um dem Reiche erheblih höhere Ein- nahmen aus den indirekten Steuern zuzuführen.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der vorliegende Etat bedeute einen vollständigen Zusammenbruch, das Fiasko der Finanzpolitik des Reichskanzlers, welche seit 1878 maßgebend gewesen sei. Der Reichskanzler erscheine nicht mehr als großer Staatsmann, sondern als kleiner Landedelmann von 1847, und in Deutschland herrsche jeßt größere Uneinigkeit, als vor der Herstellung des Reiches. Das, was der Staatssekretär als Steuerreform bezeichnet habe, sei nur ein s{ön kÉlingender Name für das Verlangen nah Erhöhung der Steuerlast. Der Staatssekretär meine, daß alle Vorschläge neuer Steuern im Reichstage stets abgelehnt worden seien. Das Gedächtniß des Staatssekretärs sei schr kurz. Wie sih aus einer Vergleichung der Einnahmen an Zöllen, Tabacksteuer und Stempelsteuer in diesem Etat mit dem Etat von 1879 ergebe, kämen jeßt 129 Millionen mehr ein; das sei die Wirkung der neuen Steuern und Zölle, die 1879 und 1881 bewilligt worden seien. Der Staatssekretär habe nicht sehr glüdlih seine Nede mit einem Wortstreit begonnen, was Defizit bedeute. Auf den kalkulatorischen Begriff von Defizit komme es nicht an. Ein Defizit sei immer vorhanden, wenn die bisherige Be- lastung des Volkes nicht mehr ausreihe, den Etat bilan- ziren zu machen. Jn diesem Sinne habe das Reich jeßt ein Defizit von 41 Millionen Mark. Ob die höhere Be- lastung in diesem Betrage zunächst auf die Einzelstaaten ge- legt werde oder auf die einzelnen Steuerzahler direkt, ver- schlage wirthschaftlich und finanzpolitisch nichts. Uebrigens habe man in Deutschland nicht blos ein Defizit, sondern Defizits aller Art vor sih. Es handele sih um nicht weniger als vier Defizits, während ein fünftes größeres für das Jahr 1886/87 bevorstehe. Nah dem Vortrage des Staatssekretärs werde das laufende Jahr ein Defizit von 141/74 Millionen Mark haben. Da nun schon das Defizit des abgelaufenen Jahres 1883/84 2 Millionen betrage, so werde der näste Etat 1886/87 noh ein um 12 Millionen höheres Defizit zu deckden haben und sih in Folge dessen schon die Erhöhung der Matrikularbeiträge von den jeßt verlangten, 41 Millionen Mark noch auf 53 Millionen Mark steigern. Der Staatssekretär habe aber auch offen anerkannt, daß pro 1886/87 noch eine Reihe anderer höherer Beträge erscheinen würden, welche theils schon auf vorhandenen Bewilligungen beruhten, theils auf Bewilligungen, welche für die Zukunft unabweisbar sein soll- ten. Diese Mehrausgaben würden weitere 25 Millionen betragen

Gs ist dann ferner auch gewiß zu wünschen, daß das Ne- liftenwesen für das Militär nun endlih eine Neuordnung |

und dadurch die Echöhung der Matrikularbeiträge von den eben ge-

jeßt 141/, Millionen von dem Reiche heraus. Wie stehe es heute ? Heute bettele wieder, um in der bilderreihen Sprache des Staats- sekretärs zu reden, das Reich als lästiger Kostgänger bei den Einzelstaaten um 28 Millionen Mark. Denn um 28 Millionen überstiegen nach diesem Etat die Matrikular- beiträge die Zuschüsse an die Einzelstaaten. Zweitens sollte die neue Finanzpolitik im Reiche nur neue indirekte Steuern einführen, um den Einzelstaaten es zu ermöglichen, besonders drücende Steuern abzuschaffen. Dies habe die Thronrede von 1879 ausdrüdcklich hervorgehoben, als sie die neuen Steuer- vorlagen angekündigt habe. Schon der berühmte Brief des Reichskanzlers von 1878 habe gesagt, daß nicht in der Ver- mehrung der für das Reih und den Staat nothwendigen Lasten, sondern in der Uebertragung eines größeren Theiles der unvermeidlichen Lasten auf die weniger drückenden in- direkten Steuern das Wesen der Finanzreform bestehe. Was sei nun heute aus den 129 Millionen neuer Steuern ge- worden. Die Einzelstaaten hätten davon 97 Millionen erhalten, aber gleichzeitig sollten dieselben 35 Millionen mehr Matriku- larbeiträge bezahlen. Den Einzelstaaten blieben also nur 62 Millionen, während das Reich die übrigen 67 Mil- lionen von den 129 Millionen behalte. Aber auch die 62 Millionen Mark, welhe die Einzelstaaten noch erhielten, seien in denselben nur zum kleinsten Theile zu Steuererlassen verwandt worden. Man wisse aus Preußen nur zu erzählen von einem Steuererlasse von 20!/ Mil- lionen Mark an der Klassensteuer, der noch dazu eine Er- höhung der Gebäudesteuer nah einer Neuveranlagung gegen- Überstehe. Heute shweige sich die Rechte vollständig darüber aus, daß damals die neuen Zölle und Steuern unter dem Titel der Steuerreform zur Verminderung bestehen- der drüdender Steuern gefordert seien. Heute ziehe man si {hon auf den Einwand zurück, daß man sage, wenn die neuen Steuern damals nicht bewilligt worden wären, so müßten jeßt noch vielmehr bewilligt werden. Er könne diesen Ein- wand als richtig nicht anerfennen. Hätte man damals erkannt, daß die neuen Zölle und Steuern in Wahrheit zu einer Mehrbelastung des Volks führen würden, würde der Reichstag die Aenderung der Steuergeseßgebung an einem ganz anderen Ende begonnen haben. Die preußische Regierung habe selbst zugeben müssen, daß die neuen Zölle und Steuern wesentlih auf die minder wohlhabenden Klassen gefallen seien. Er nehme zur Ehre der damaligen Majorität des Reichs- tages an, daß sie diese Mehrbelastung nur in der Voraus- seßung habe eintreten lassen, daß die minder wohlhabenden Klassen andererseits auh wieder beträchtlih entlastet würden. Er habe damals im Fahre 1879 am 28. Februar hier aus- geführt, daß wenn man eine wirkliche Steuerreform wolle, es keine fisfalishe Plusmacherei sein dürfe, sondern man die bestehenden Steuern reformiren und vor dem Verfall bewah- ren müsse. Jn diesem Sinne habe er shon damals vor 51/, «zahren eine Reform der Rübensteuer durch Beseitigung der Exportprämien verlangt, welche in vielen Millionen schon da- mals an Grundbesißer und Fabrikanten gezahlt seien. Schon damals habe er hervorgehoben, daß man überall nah Gegen- ständen für die Besteuerung suhe, aber an dem Schnaps mit ehrfurhtsvolem Schweigen vorübergehe. Das Finanzergebniß habe seine Ansiht gerechtfertigt. Er habe bei dem Militär-Pensionsgesey und bei der Dampfer- subventions:Vorlage immer auf die Fizanzlage hingewiesen, und damals habe er dabei noch auf ein Defizit von nur 20 Millionen gerechnet. Ebenso habe er auf die Finanzlage Nüclsiht genommen, wenn er gegen Kolonialpolitik gewesen sei. Fn der jeßt noch vielfah angezogenen Kaiserlichen Bot- schast heiße es avsdrüdlich, daß diese Bestrebungen von fiska- lishen Hintergedanken frei seien, nicht finanzielle Ueberschüsse würden erstrebt, sondern die Umwandlung der bestehenden direkten Staatslasten in weniger drückende indirekte. Die Anträge auf Einführung des Tabackmonopols seien bestimmt gewesen zur Steuererleihterung in einzelnen Staaten, habe der Reichs- kanzler gesagt. 7187 Millionen Mark sollten zur Verr endung kommen und der Reichskanzler sei sehr ungehalten gewesen, daß das Abgeordnetenhaus über das Verwendungsgesetßz nicht weiler habe berathen wollen, und habe mit Auflösung ge- droht. Wenn das Tabackmonopol damals wirkli bewilligt worden wäre, dann hätte man das Uebel des Tabackmonopols und die andern größern Uebel, die der Reichskanzler damit habe: vertreiben wollen, wären au noh eben so groß. 111 Millionen Mark sollte diese Steuer Reinertrag geben, eine Grundlage habe Niemand für die Rehnung aufzustellen gewußt. Glaube man wirklih, daß das Neich heute {hon 40 Millionen Mark aus dem Tabackmonopol hätte? Alles, was herauskän:e, würde aufgezehrt und zur Deckung von Mehrausgaben dienen. Diese ganze Finanzpolitik habe sih jeßt als undurWführbar erwiesen; sie gehe davon aus, daß man vorshußweise neue Steuern bewilligen müsse, und daß man sich damit tröste, daß diese verwendet werden würden, um andere mehr drückende zu beseitigen. Die Vertretung des allgemeinen Interesses der Steuerzahler sei viel zu chwach organisirt, um dasselbe wahr- zunehmen. Von Steuerreform, von der Entlastung der Kommunen U. #. w. sei gar nit mehr die Rede. Es heiße jeßt: Die Fortent- wickelung des Reiches bedinge naturgemäß ein Wachsen seiner Ausgaben. Der Reichstag müsse sih statt aller Philosophie daran erinnern, daß die Hauptsahe der Mehrausgaben von der fortgeseßten Steigerung des Militäretats und des Marine- Etats herrühre. 1872 hätten die Militärausgaben 252 Mil- lionen Mark betragen, heute um 91 Millionen mehr, die für die Marine 12 Millionen Mark, heute 35 Millionen Mark, also 23 Millionen mehr. Dabei vergesse der Staats- sekretär noch, daß Deutschland einen glücklichen Krieg geführt habe. Wenn es so fortgehe im Schuldenmachen, werde im

Laufe der Zeit auch dieser Unterschied gegenüber anderen

Nachtragsetat geschehen sei ? vi e sollte Veranlassung geben, von allen Neubauten, mili- tärishen und Postbauten so lange abzusehen, bis die Finanz- lage wieder eine günstigere werde. Eine Erhöhung von 27 auf 35 Millionen Mark trete hervor in dem Ordi: arium der Marine. Sie gehe wesentlich hervor aus einem größeren Umfange der Fndienststelung und der Naturalverpflegung. Die Marine \{hicke Schiffe mit unerfahrenen Rekruten ins Ausland, und wenn diesen ein Unglück passire, suche man den Grund dann in der ungenügenden Ausbildung. «Fe mehr die überseeishen Expeditionen ausgedehnt würden, desto weniger sei die Marine im Stande, im Falle eines Krieges der Schuß der Küste zu sein. Was hülfen Deutschland die Schiffe, wenn man im Ernstfalle niht im Stande sei, sie zu benußen? Was die Civilverwaltung betreffe, so seren noch überall neue Stellen ausgeworfen, Gehaltserhöhungen für einzelne Beamtenklassen, besondere Eile scheine cs mit den Subalternbeamten der Centralverwaltung zu haben. Die Rübensteuer sei mit 15 Millionen an dem Defizit Schuld. Wenn die Sache mit den Aussichten für den Rübenzuder so liege, wie hier angeführt sei, auf wie \{chwachcn Füßen stehe da der Anschlag sür das nächste Jahr? Die dreijährige Durch- shnittsrehnung sei nicht anwendbar, wo ein ständiger Rückgang merkbar sei. Als er (Redner) im Jahre 1873 auf die nothwen- dige Aenderung der Rübensteuer hingewiesen habe, habe der jeßige Minifter Dr. Lucius eine scharfe Stellung gegen ihn eingenommen : man dürfe nihts ändern, so lange keine Noth- lage vorhanden sei. Jn der Thronrede heiße es: Man dürfe nihts ändern an der Rübensteuer wegen der jeßigen Noth- lage. Wann solle denn eigentlich die Zeit zu einer Aenderung gekommen sein, wenn weder bei glülicher noch bei unglück- liher Lage geändert werden dürfe? Beim Tabak habe man sih nicht gescheut, Experimente zu machen, seien es doch hier beson- ders die kleinen Leute, die davon tangirt seien. Wenn man in Rücksicht auf die Landwirthschaft sih scheue, die Zucker- steuer zu ändern, so sei nur zu sagen, daß gerade die Land- wirthschaft schon jeßt daran genug zu leiden habe, Auf wen habe denn nun aber die nothleidende Jndustrie ihre Lasten abgewälzt ? Auf die armen Rübenbauern, d1e man kontraktwidrig gedrückt habe, so daß sie sih in Zukunft hüten würden, Rüben zu bauen. Die Frage sti jeyt nur eine Frage der Zulerindustrie, derjenigen großen Landwirthe, die zugleih Juleressenten an Zuckerfabriken seien. Nach seinem (des Nedners) Eindruck sei es auch nur das Großkapital in der Zuckerindustrie, welches sich jeßt einer Herabseßung der Exportvergütung und einer Besteuerung der Mela}ye 1widerseße. Eme Versammlung von Zuckerindustriellen in Magdeburg habe am 10, November d. J. selbst eine HevrabseLung Dex Exportvergütung auf 8!/, H verlangt das sei natürlich noch zu wenig und außerdem eine Besteuerung des Melassezuckers. Die Erfahrungen bei der Zuckerindustrie seien überaus lehrreih für die ganze Wirthschaftspolitik, Und Wo Die NaUileItgen » olgen 0 va UNnD drastisch hervorträten, könne man am Schicksal der Zuckerindustrie erkennen, wie das System der Staats- subventionen zulegt zum Ruin der betreffenden FJndustrie selbst führen müsse. Das sei insbesondere auch lehrreih für die ganze Landwirthschaft. Er wolle vor allem Er- mäßigung der Ausgaben, und um eine Ermäßigung der Aus- gaben handele es sih bei der Herabseßung der Exportprämie, Jn der Thronrede werde die Mahnung aufgestellt, neue Ein- nahmequellen für das Reich zu erschließen. Er halte es für durchaus nicht selbstverständlih, daß, wenn die Ausgaben höher würden, man dazu übergehen müsse, neue Einnahme- quellen zu erschließen, unter normalen Verhältnissen müßten auh schon vorhandene Einnahmequellen reichlicher fließen. Früher habe man in jedem Jahre hon um 1 Proz. höheren Ertrag der Steuern als Folge des Wadchsens der Bevöl- kerung angenommen. Aber jeßt mache sich ein Wachsthum des steuerpflichtigen Verbrauchs als Folge steigernder Wohl- habenheit kaum irgendwie bemerkbar. Fn früheren Thron- reden sei das erfreulide Wachsthum des Volkswohl}jtandes immer noch besonders hervorgehoben; dasselbe beweise die Richtigkeit der neuen Wirthschaftspolitik. " Dicsmal höre man das nicht. Seine Partei fühle gar niht den Beruf, der Neichsregierung neue Steuern zu präsentiren. Er halte überhaupt die Steuerlast für groß genug insbesondere auch deshalb, weil sie nah den leßten Steuervermehrungen noch mehr als früher auf den minder wohlhabenden Klassen laste. Er würde vielleiht mit Vorschlägen hervortreten in der einen

oder anderen Nichtung, wenn er Sicherheit hätte, daß bei solchen Vorschlägen die Steuerlast der minder wohlhabenden Klassen insbesondere die Steuern auf nothwendige Lebensmittel verringert würden. Es handele sich aber jeßt um Vermehrung Jeßt finde Keiner mehr Glauben, der neue Steuern in angeblihem YJnteresse der Entlastung Er halte die ZFnitiative des Parlaments betreffs neuer Steuern über- haupt nicht für eine Aufgabe desselben, und wie der Reichs- kanzler eine solhe Jnitiative aufnehme, habe man gestern wolle s{chlechte Steuergeseße ver- hindern; aber neue Steuern vorschlagen, das heiße re- i daß der Reichskanzler auf die eigene Jnitiative in Bezug auf neue Jn ganz sinniger Weise scheine der Reichskanzler, wie er (Redner) heute in den Zeitungen lese, eine Erhöhung des Petroleumzolles vorzubereiten. Die Petroleum- fässer sollten künftig niht mehr nah dem Saß des Petroleum, sondern als Böttherwaaren mit einem höheren Saß besteuert werden. So weit er das im Augenblick schäßen könne, laufe das auf eine Erhöhung des Petroleumzolles um 40 Proz.

der Steuerlast überhaupt. der Kommunen und des Grundbesißes empfehle.

gesehen. Seine Partei

gieren wollen. Uebrigens glaube er gar nit,

Steuern verzichten wolle,

hinaus.

bewege si in dieser Richtung. Während der Stichwahlen fei es auf das Entschiedenste abgeleugnet, daß die Regierung sih mit dergleichen beschäftige. eßt aber lasse der Reichskanzler wieder Briefe veröffentlihen, in welchen die Sehnsucht nah Erhöhung der Getreidezölle hervortrete, ein deutlihes Zeichen, was die Glocke geshlagen habe. Die landwirthschaftliche Be- triebsstatistik zeige, daß nur ein Achtel der landwirthschast- lichen Betriebe, diejenigen, welhe mehr als 10 ha umfaßten, Interesse an der Erhöhung der Getreidezölle hätten. Aler- dings besige dieses Achtel 72 Proz. der landwirthschafilihen Fläche. Das beweise, wie stark der Großgrundbesiß an der Zollerhöhung interessirt sei. Die Erhöhung des Kornzolles wäre eine positive Schädigung des Arbeiterstandes. Man rühme das Krankenkassengesez. Was wolle das besagen, wenn man den Arbeitern das verkümmere, was nöthig sei, um gesund zu bleiben? Man schlage Postsparkassen vor; die Vertheuerung des Brotes aber würde den kleinen Mann verhindern, überhaupt zu sparen. Die Thronrede bezeichne als Ziel der Regierungspolitik die möglichste Herstellung des inneren Friedens. Jeßt seien die Getreidepreise wegen der guten Ernte niedrig ; werde aber der Kornzoll erhöht, so säe man damit eine Saat, die bei ungün- stigen Ernten die helle Unzufriedenheit im Lande überall emporschießen lassen werde. Die ganze Regierungspolitik begünstige ja überhaupt nichts weniger als den inneren Frie- den. Die Eigenart des Kanzlers in der Kirch-npolitik habe die kirhenpolitishen Gegensäße verschärft, seine Eigenart in derx Sozialpolitik bringe immer schärfere Gegensäße auf die- sem Gebiet hervor. Der Kanzler sprehe von der Bedeutungslosigkeit der Mehrheit im Parlament. Dabei habe derselbe wohl noch nie so viel Sehnsucht gehabt, wic jeßt, den Reichstag für feine Pläne zu ge- winnen, auf die er seine eigene Herrschaft für alle Wechselsälle stüßen möchte. Eine gute Politik habe stets auch gute Finanzen im Gefolge. Die heutige, nah den eigenen Worten des Staatssekretärs beklagenswerthe Finanzlage Deutschlands sei aber nichts als der Reflex der ganzen Wirthschafts- und Finanzpolitik. An der jeßigen Lage werde sih nichts bessern lassen ohne eine völlige Aenderung dieser Politik. Die Regierung habe bereits viel mehr Versprehungen gemacht, als sie mit den paar neuen Steuern, die sie etwa ersinne, erfüllen könnte, Man werde also demnächst wieder neue Steuern brauen, das werde wieder neue Unzufriedenheit wahrufen, und diese wieder neue Versprehungen der Regierung, alfo zu deren Erfüllung au wiederum neue Steuern. So komme man sc{ließlih zu dem Aufbau eines Steuersystems in Deutschland mitten im Frieden, nach einem glücklihen Kriege, wie es anderen Staaten nur aus früheren Jahrhunderten mit unglücklichen Kriegsperioden überkommen fei. Wem die Zukunft des Deutschen Reiches am Herzen liege, der helfe mit aller Krast, den Staatswagen auf dem abschüssigen Wege, wo derselbe jeßt fei, aufzuhalten. Der Abg. Frhr. zu Franckenstein erklärte im Namen der Centrumspartei, daß jeine Partei den Ausgabeerhöhungen im Etat für 1885/86 überall da zustimmen werde, wo seiner Partei der Nachweis der absoluten Nothwendigkeit und Unaufschiebbarkeit der Ausgaben erbraht werden könne. Man müsse mit großer Sparsamkeit vorgehen, weil, wie man heut erst gehört habe, tieser Etat sehr ungünstig abschließe. Es sei eine Erhöhung der Matrikularbeiträge um mehr als 41 Millionen Mark be- absichtigt. Das Centrum halte es für seine Pflicht, nach Kräften zu verhindern, daß die Finanzen der einzelnen Bundes- staaten durch zu hohe Matrikularbeiträge in Unordnung ge- bracht würden; zu verhindern, daß auf diese Art die Einzel- staaten gezwung n würden, um ihre Landes:Eta!s zu balan- ciren, um ihre durch die hohen Matrikularbeiträge bewirkten Deficits zu decken, neue Anleihen zu erheben. Jnzwishen war von den Abgg. von Benda, Frhr. von Huene, Frhr. von Maltzahn - Güly und Ridert folgender Antrag eingebracht worden :

Der Reichstag wolle beschließen : : :

Folgende Tyeile des Reichshaushalts-Etats für das Etatsjahr 1885/86 der Kommission für den Neich8haushalts-Etat zur Vor- berathung zu überweisen:

A. Fortdauernde Ausgaben. Reichstag. Reichsamt des Innern. Verwaltung des Neichsheeres. Höhere Truppenbefehl8haber, Vermessungswesen. Kap. 24: Kap. 25: Naturalverpflegung. gebäude 2c. Kap. 37: Artillerie- Wohnungsgeldzuschüse, Marineverwaltung,

Auswärtiges Amt. Kap. 19:

Gesldverpflegung der

Kap. 27: Kasernen- und Garnison- und Waffenwesen.

Pensionsfonds. B. Einnahmen: Zölle

Reichs - Festungsbaufonds, Matrikularbeiträge.

Kapitel der einmaligen Ausgaben. 1885/86.

und der Reihs-Eisenbahnen.

sprochen habe,

im Hause geübt werde, seiner Sache wirklich diene.

Kap. 22: Generalstab und Landes- Truppen.

Kap. 40: Reichs - Schatzamt,

Veberweisungen an die Bundesstaaten, Reichs\{buld, Allgemeiner und Verbrauchéfteuern,

Post- und Telegraphen-Verwaltung, Eisenbahn-Verwaltung, Zinsen

aus belegten Reichsgeldern, Außerordentlibe Zuschüsse, Aus dem C, Sämmtliche D. Den Gesetzentwurf, betref- fend die Feststellung des Reichshaushalts- Etats für das Etatsjahr E. Den Gesehentwurf, betreffend die Aufnahme einer Anleihe für Zwecke der Verwaltungen des Reichsheeres, der Marine

Der Abg. Frhr. von Maltahn-Gülß erklärte, wenn der Abg. Richter vom Fiasko der Politik des Reichskanzlers ge- wenn derselbe gesagt habe, der Reichskanzler erscheine niht mehr als großer Staatsmann, sondern als der kleine Landedelmann von 1847, und in Deutschland* herrsche jeßt größere Uneinigkeit, als vor der Herstellung des Reiches so glaube er, mit solchen Hyperbeln schade der Abg. Richter seiner Sache selbst. Die geringe Zahl, in der seine Freunde hier wieder erschienen seien, sollte den Abg. Richter doch etwas zum Nachdenken darüber bringen, ob das Kämpfen mit sehr hohen Worten, wie es von jener Seite bei den Wahlen und Die von ihm angeführten Aeußerungen des Abg. Richter stelle er ge-

gen erwachsen. Vei den Bauten würde man vielleicht noch hier und da Ersparnisse machen können, Wenn über den Luxus der Neichsbauten so vielfah geklagt werde, so glaube er doch, daß das Deutsche Reich wohl den Anspruch habe, daß seine Bauten künstlerisch rihtig gedacht und \{ön ausgeführt würden ; dazu gchöre namentli, daß das Aeußere des Gebäudes dem Jn- nern stets entsprehe. Es könnte aber wohl namentlich bei den Postbauten noch dadurch gespart werden, daß man lieber kleinere Dienstwohnungen und größere Geschäftsräume darin einrihtete, Troß des Defizits von 41 Millionen sei der heutige Etat indessen noch nicht so ungünstig, wie es der Abg. Richter darstelle. Die Ausgaben sür die eigentlichen Reichs- zwecte seien seit 1875 nur um circa 18 Millionen gestiegen, troß der inzwischen stattgehabten Verstärkung des Heeres und der Flotte. Und wenn man berüeksihtige, daß von den 125 Millionen vorgeshlagener Matrikularbeiträge 97 Millionen aus Reichseinnahmen an die Einzelstaaten zurückgezahlt würden, die Effektivsumme der Matrikularbeiträge also nur 27 bis 28 Millionen Mark betrage, so hätten doch jeßt immer no die Kassen der Einzelstaaten erheblich weniger für das Ne) zu leiten, wie vor vem Jahre 1809, Die fortlaufenden nothwendigen Ausgaben Deutschlands wüchsen allerdings dauernd, aud bei ganz normaler Ent- widelung der Zustände, und hierin wwerspre@e er den entgegengeseßten Aeußerungen des Abg. Richter entschieden. Möchte der Abg. Nichter doch 4. B. allein die Mehrauegaben in RNehnung ziehen, die man in den nächsten Jahren nothwendig für die Wittwen und Waisen der Reichs- beamten und der Militärpersonen in den Etat werde einstellen müssen. Ferner brauhe man Geld, damit die so dringend nothwendige Steuerreform in den Einzelstaaten, die nur dur das ablehnende Verhalten der Liberalen, namentlich in Preußen ins Stocken gekommen sei, endlih weiter entwidlelt werden könne. Die Entlastung der unteren Klassen- steuerstufen von den direkten Steuern sei um so drin- gender erforderli, je mehr die ärmere Bevölkerung an den andiveltlen Steuern vehailiat werde AUG Hie Reform des Kommunalsteuerwesens sei nothwendig; und in Preußen erheishe besonders die Neuregelung des Schul- dotationswesens weitere Mittel. Woher könne man nun alle diese Miitel nehmen? Man müsse und in diesem Punkte sei seine Partei von jeher Gegner der deutshfreisinnigen Partei die indirekten Steuern weiter ausbilden. Aber aus der Zuckersteuer könne man demnächst Mehr- einnahmen nicht erwarten. Ec dedauere außerordent- lich, daß die Enquete über die Lage der Zukerindustrie nicht hon vier Jahre früher angestellt worden sei. Dann hätte man damals die rihtigen Maßregeln ergriffen, um all das Unheil zu vermeiden, welches durh die Errichtung viel zu zahlreicher neuer Fabriken seitdem entstanden sei. Aber gegen- wärtig sei die Krisis der Art, daß man es nicht verantworten könne, im jeßigen Moment mit einer Mehrbelastung auf diesem Gebiet vorzugehen. Wer das bestreite, der kenne eben nicht die Lage der Dinge aus eigener Anshauung. Evenso vorsichtig müsse man bei der Branntweinsteuerfrage vorgehen ; freilich jeien wohl große Flächen Landes, die besser zum Ge- treidebau verwendet würden, mit Rücksicht auf die Brenne- reien dem Kartoffelbau überwiesen ; aber es lebten eben gegen- wärtig so viel Menschen von diesem Kartoffelbau, daß man nicht ohne Weiteres hier einen tiefen Eingriff wagen dürfe. Neue Zölle einzuführen sei ja nun gewiß auch für die Kon- servativen kein Vergnügen, und besonders der Kornzoll dürfe nie böher werden, als ihn die Landwirthschaft zu ihrem Schuße bedürfe. Aber der Kornzoll in seiner jeßigen Höhe habe bisher nur als Finanzzoll gewirkt und die Landwirth- \chaft noch keineswegs geshüßt, Nöthig habe die Landwirth- schast einen folhen Shuß aber wahrlih, und zugleih wäre eine mäßige Erhöhung des Kornzolls auch eine erhebliche Ein- nahmevermehrung für das Reih. Die Korn- und Viehpreise seien zur Zeit unglaublich gering, so daß au die gute Ernte dieses Jahres nicht annähernd die Unterbilanz wieder aus- gleichen könne, welche die Landwirthschaft im vorigen Jahre gehabt habe. Man sage nun, der Kornzoll schüßge nur den Großarundbesiß und nicht den kleinen Mann. Das sei nicht wahr! Denke man nur an die vielen ländlichen Arbeiter, die ihren Lohn in natura, in Korn, erhielten und auf den Ver- kauf desselben zum jeweiligen Marktpreis angewiejen jeten. Ferner, wenn der Landmann nichts zu leben habe, so habe auch der Städter nihts zu leben, selbst der Groß- städter. Auf der Leipziger Messe machten zahlreiche Bauern ihre Einkäufe, und die Kaufleute in Leipzig freuten sih dann, aber wenn der Bauer kein Geld habe, so könne erx nichts kaufen. Gerade gegenwärtig seien fast alle Pächter und O E große und kleine, gezwungen, so- wohl Arbeiter zu entlassen, als auch die Anschaffung von Ma-

Eine angemessene Erhöhung der Korn- zölle würde also, indem sie dem Landmann helfe, ein Segen

schinen einzustellen.

für das ganze Land sein. Besonders aber würde dur einen höheren Kornzoll vielleiht ein wirksamer Riegel vorgeshoben vor dem infamen BVörsenspiel in Korn, unter dem die Land- wirthschaft in Deutshland shwerer leide, als unter irgend etwas Anderem. Wie werde es denn gemacht? Nicht der Ausfa!! der Ernte falle ins Gewicht, sondern an den großen Börsenpläßzen komme der Kaufmann X. zum Kaufmann Y. und wette mit ihm darüber, wie in vier Wochen der Preis für Weizen sein werde. Weder will X, den Weizen dann an- nebmen, no Y. ihn liefern ; aber wenn der Termin herankomme, müsse der Versprehende doch in der Lage sein, den Weizen eventuell liefern zu können. Nun werde Weizen aufgekaujit, wo er zu bekommen sei; ausländisches Korn werde ohne: Nücksicht

trost dem Urtheil des Landes anheim.

N Dahinter stecke mehr als der angeblihe Schuß des Vöttchergewerbes. Man werde ja nun hier einen artigen

i Der Etat selbst sei ja nun nicht nur sehr wenig erfreulich, sondern auch in seiner

auf den inländischen Bedarf über alle Grenzen herangezogen. ) Dann komme der Termin heran ; die Herren beglichen sich lediglich