1884 / 286 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 04 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

Le Président croit qu'il serait nécessaire de régler préa- lablement un point de procédure concernant les travaux de la Haute AssembIée.

Le projet présenté par le Gouvernement Allemand parle des „territoires constituant le bassin du Congo et de ses affluents“. Or, personne ne sait encore exactement ce gui doit être compris dans cette expression générale. Il y aurait donc lien, pour donner une base utile aux travaux de la Conférence, de fixer d’abord ses vues sur ce point. Dans ce but, une commission pourrait être nommée par la Haute Assemblée, et elle se composerait, en outre des Plénipotentiaires Allemands, de tous les Plénipotentiaires accrédités par les Etats les plus directement intéressés qui ont été compris dans la première invitation envoyée pour la Conférence ; c'est-à-dire des Représentants de l’Allemagne, de la Belgique, de l’Espagne, des Etats-Unis d’Amérique, de la France. de la Grande Bretagne, des Pays-Bas et du Portugal.

Cette Commission présenterait à la Conférence un rapport sur la question sus-Visée, et elle aurait le droit de s'éclairer en faisant appel aux Délegnés des Gouvernements représentés dans la Con- férence.

Le Comte de Hatzfeldt férence à cette proposition.

Le Baron de Courcel met à la disposition de la commission les services des délégués-adjoints, désignés par le Gouvernement Français à loccasion de la Conférence.

Les autres Membres de la Haute Assemblée offfrent, de même, le concours de leurs délégnués-adjoints.

Le Président en prend acte.

Sir Edward Malet demande si la Commission aura la faculté d’appeler d’autres personnes que les délégués, et, s8ans en faire l’objet d’une propesition formelle, il indique que, dans sa pensée, la Commission aurait avantage à puiser à-toutes le s80urces d’informaticn.

Le Président fait observer que les Plénipotentiaires seuls, et non les délégués, auront voix délibérative dans la commissÍon ; mais que, d’une façon générale, cette dernière serait libre de chercher, partout elle espérera les trouver, des indications propres à l’éclairer. Elle convoquera donc, en outre des délégnués, toutes les autres personnes qu'’elle croira utile d'entendre.

Quant à la date de la prochaine réunion de la Conférence, elle pourra être fixée seulement lorsque la commission sera en mesure d’exposer le résultat de ses travaux. #4 &#

constate l’adhésion de la Con-

r O Le Comte de Launay fait observer que la commission devant comprendre exclusivement les Plénipotentiaires des Puissances les plus directement intéressées et primitivement invitées à la Conftérence, un des délégués adjoints appartenant aux autres Puissances pourrait tout au moins assister aux séances de la Com- misgion. Le Président répond en renouvelant les explications qu'il a déjà données, et d’après lesqueiles la commission, intéressée à se renseigner le plus complétement possible, ne manquera pas de faire largement appel au concours des délégués. L’ordre du jour étant epuisé, le Président lève la séance à 2 heures 1/4, signé: SZÉCHÉNYI. CTE AUGTE yAxN DER STRATEN PONTHOZ. BN LAMBERMONT, 1 VIND. COMTE De BENOMAR, JOHN A. KASSON. H. S. SANFORD. ALPH. De COURCEL. EDWARD B. MALET. LAUNÑAY. F, P. VAN DER HOEVEN. MARQUIS px PENAFIEL. A. DE SERPA PIMENTEL GILLIS BILDT. SAID. P. HATZFELDT. BUSCH. v. KUSSEROW. Certifié conforme à l’original: RAINDRE. COMTE W. BISMARCK. SCHMIDT.

Jm weiteren Ver- laufe der gestrigen (7.) Sißung des Reichstages wurde die erste Berathung des von dem Abg. Dr, Windthorst ein- gebrachten Geseßentwurfs, betreffend die Aufhebung des Gesetzes über die Verhinderung der unbefugten

Preußen. Berlin, 4, Dezember.

Ausübung von Kirchenämtern vom 4. Mai 1874

fortgeseßt. e

Nach dem Abg. Blos ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarc das Wort:

Es find nur wenige Wochen vergangen, seit der Bundesrath den gleichen Antrag, der uns heute vorliegt, und der im Juni d. F. ge- stellt worden war, mit ciner großen Mehrheit abgelehnt hat. Wenn nun heute, wenige Wochen nach dieser Ablehnung, derselbe Antrag dem Bundesrath zur nohmaligen Erwägung, wie meinem Vernehmen nah der Hr. Abg. Windthorst vorhin gesagt hat, zugestellt und ihm zu diesem Behufe der Anknüpfungöspunkt eines neuen Antrages ge- währt werden soll, so liegt darin doch eine Stellungnahme des Reichstages dem Bundesrath gegenüber, die ih nicht anders als mit dem Ausdruck der „Mißachtung der verbündeten Regierungen“ be- zeichnen kann. Ich bin hierzu um so mehr berectigt, als, wie ih eben höre, der Hr. Abg. Windthorst denselben Ausdruck in Bezug auf das Verhalten der Bundesregierungen gegenüber dem Reichstage gebraut hat. Er hat, wenn ih recht unterrichtet bin, von einer MißaHtung des Reichstages gesprochen. Die Mißachtung ist „ganz auf Ihrer Seite, meine Herren, indem Sie den Antrag wieder stellen, mit dem Sie in väterlicher Milde dem Bundesrath Gelegenheit geben wollen, von seinem übereilten Beschlusse noh zurück- zukommen. Es ist das ein Maß von Geringshätzung, das der Bun- desrath dera Reichstage gegenüber sich niemals erlauben würde. Wenn Sie sich das Maß davon klar maten wollen, fo denken Sie nur, daß die verbündeten Regierungen Ihnen eine Vorlage ih nehme an eine Steuervorlage gemacht hätten. Sie lehnen Sie ab nach sorgfältiger Erwägung, und 8 Tage darauf wird dieselbe Steuer- vorlage hier eingebraht, als hâtten Sie die erste gar nit abgelehnt. Wenn das niht eine Mißachtung des Reichstages wäre, daun weiß ich nicht, was man so bezeihnen foll, Nun stehen aber in dieser Beziehung sich die beiden Faktoren der Gesetzgebung vollkommen gleich, und ih halte es nit für nüßlich und auch nicht für eine Anerkennung dieser Gleichheit, wenn Sie jeßt den Versuch machen, durch wiederholte massenhafte Mehrheits- Demonstrationen die verbündeten Regierungen gewissermaßen einzu- \{chüchtern, cine Pression auf sie zu üben, damit sie wohlerwogene Beschlüsse drei Wochen, nachdem sie gefaßt sind, zurücknehmen. Sie würden dadurch die verbündeten Regierungen in die Lage bringen, ihrerseits an dem Ansehen, dessen sie sich bisher in der Oeffentlich- keit erfreut haben, merklich einzubüßen, und ih weiß nit, ob es im Interesse der Antragsteller liegen kann, das Ansehen der verbündeten Regierungen durch ein solches Wiedervorseßzen eines von ihnen ge- s{chmähten Gerichts unter Pression zu nehmen.

Man sollte glauben, es wäre Gefahr im Verzuge, es wäre eine besondere Eile, um einem Nothstande abzuhelfen, vorhanden. Worin besteht denn der - Nothstand? Dieses Geseß is nur unter dem Ministerium Falk in Preußen angewendet worden, soviel ich habe ermitteln fönnen; in den außerpreußischen Bundesstaaten ift es über- haupt nicht angewendet worden, und

au in Preußen ist es untex Interzession derjenigen Mäte,

| den Ministerien Puttkamer und Goßler, also seit 5 oder 6 Jahren,

überhaupt richbt mehr zur Anwendung gekommen, es ift gar kein Gebrau mehr davon gemact, es if als reponirt betrachtet. Die 200 und etwa 80 Geifllide, die unter dem Ministerium alk den Wirkungen dieses Geseßes ausgeseßt gewesen waren, nd so weit sie darum eingekommen find, oder die Bischöfe es gewünsht haben, sämmtli ich will nicht sagen beznadigt worden, aber dié Wirkung des Geseßes ist in Bezug auf sie aufge- hoben. Es sind nur noch 27 geblieben, verschollene Geistliche, für die Niemand das Wort ergriffen hat, die aber wahrscheirlich au der Wohlthat der Repatriirung theilhaftig geworden wären, wenn ke darum nachgesucht hätten, oder wenn die Bischöfe der betreffenden Herren dies gewünscht bätten. Ob die 27 Herren noch leben, das wissen wir nicht; «es mögen zum Theil alte Leute gewesen sein, die gestorben sind; sie haben vielleiht auch in anderen angenehmeren Stellungen im Auslande Unterkommen gefunden oder in anderen geistlihen oder weltlihen Verhältnissen, aber die Re- gierung weiß nichts davon. Es ift also das Geseß von den beiden leßten preußischen Kultus-Ministerien, mit einer großen Zurückhaltung gegen das ganze System, absolut niht zur Anwendung gebracht worden, kein einziger Fall liegt vor und run kommen Sie mit einer Sturmpetition gegen den Bundesrath, er \oll dieses Gesetz außer Kraft seßen. Nachdem der Bundesrath von scinem Recht Gebrauch gemacht hat, diesem Antrage die Zustimmung zu versagen, wixd drei Wochen darauf der Antrag erneuert! Ist das etwas An- deres als daß Sie im Namen der Neichstagämajorität, ib möchte sagen, cine Art von Geßlershem Hut vor dem Bundesrath aufrichten, den er grüßen soll? Eine andere Wirkung und einen anderen Zweck kann der Antrag nit haben, als die verbündeten Regierungen zu demüthigen. Das wird Ihnen nicht gelingen, meine Herren!

Aber, warum Sie diesen um mich in der Weise des Hrn. von Scbhorlemer auszudrücken Schlag ins Gesicht der verbündeten Regierungen überhaupt geführt haben, das ist mir heute noch ein Râäthsel. Jch hatte geglaubt, Sie suchten die Verständigung mit den verbündeten Regierungen, wenn ih auch bei verschiedenen Gelegen- heiten dadurch irre geworden bin, daß in Momenten, wo ih glaubte, der Verständigung in Rom nahe zu sein, stets hier in Deutscbland irgend eine stürmishe Bewegung, eine Pression in Gang kam, ein Streit entstand, und wenn er mit meiner Person auch nur über häus- lihe Beziehungen gesucht wurde, der uns für den Augenblick die Ver- ständigung unmöglich machte, die Hoffnung auf eine Berständigung mit Rom stets wieder täushte. Es ist das eine cigenthümliche Er- scheinung, die mich irre gemaht hat in manchen Beziehungen, ob niht hier in Deutschland irgend einflußreihe Kräfte thätig sein könnten, die das Bedürfniß haben, daß der Kampf fortgeseßt wird und daß die Verständigung mit Rom mißlänge; ih weiß es nit, aber jedenfalls hat dieser Sturmlauf für eine zur Verständigung und zum Entgegenkommen geneigte Reichsregierung kaum eine andere Erklärung.

Db die große Majorität dieses Hauses ih glaube nit, daß sie unter dem Druck des bestehenden Gesetzes sch erzeugt haben kann —, ob die Herren, von denen damals das Centrum in seiner Taktik unterstützt worden ift, und die sonst gewohnheitsmäßig die Regierung unterstützen, gerade in Kenntniß dieses Geseßes und mit der Ueber- zeugung, daß cs mit Mißbrauch oder Härte angewendet worden wäre, die Sache unterstüßt haben, is mir fehr zweifelhaft. Ich glaube, daß damals die große Majorität \sich zusammengefunden hat, weil andere Fraktionen bei den bevorstehenden Wahlen die Unterstützung der Antragsteller erwarteten, daß diesem Antrage zugestimmt worden ist in der Hoffnung, das Centrum würde für die anderen stimmen und seine in der Diaspora lebenden Mitglieder oder Wähler, die es selbst nit brauchte, dem etnen oder anderen zur Verfügung tellen.

Nun, diese Rehnung hat, glaube ih, einige Derer, die sie auf- gestellt haben könnten, vollständig getäuscht. Die Fortschritt8partei oder, wie sie si selbst nennt, die deutscfreisinnige Partei hat ja er- hebliden Vortheil von dem Hof, den sie dem Centrum gemacht bat. Inwieweit das bei den Konservativen der Fall ist, weiß i nicht, aber ih gebe mi der Hoffnung hin, daß, wenn dieser Grund, für einen folchen Antrag zu ftimmen, heute wegfällt, da wir eben Neuwahlen gehabt haken, und Niemand weiß, was bei den näbsten geschieht, die Herren, welche das vorige Mal dafür gestimmt haben, ohne oFektiv und sacblih von der Nothwendigkeit ihrer Abstimmung überzeugt zu sein, welche lediglich die Demonstration mitgemacht haben, si darauf beschränken werden, kundzugeben, nicht daß sie ihre Meinung geändert haben das verlangt kein Mensh aber daß sie es nicht für opportun halten, s{chon jeßt nah einigen Wochen die Regierung wiederum in dieser stürmischen Weise zu mahnen und unter Pression zu nehmen. Jch hoffe also, daß die Herren den Shritt, den ih als eine Geringshäßung des Bundesraths und seiner Beschlüsse charakte- risire, heute niht mitmachen werden.

Was nun die Gründe anbelangt, aus denen der Bundesrath den Antrag des Reichstages abgelehnt hat, so bin ich ja nicht berufen, die Viotive zu erforschen und kundzugeben, die die einzelnen Regierungen dabei geleitet haben. Der Bundesrath stimmt in sch über die Motive nicht ab, er stimmt mit Ja und Nein, gerade wie der Neichs- tag, über die Thatsache, ob ein Antrag die Majorität gefundet hat. Ich stehe aber gar nicht an, diejenigen Motive anzugeben, dur welche die preußische Regierung, die ihrerseits zu der ablehnenden Majorität gehörte, veranlaßt worden ist, dieser Majorität des Reichstages und ihrem Votum nicht beizutreten, Es liegen die Gründe auf dem Boden verschiedener Ressorts. Soweit sie auf dem des preußischzn Kultus-Ministeriums liegen, bin ih zu einer Kritik und Darlegung derselben niht berufen. J weiß nicht, ob für die Zwecke, die ‘das preußische Kultus-Ministerium im preußischen Staat zu verfolgen hat, der Fortbestand dicses Geseßes, die Möglichkeit, es nah 5 oder 6 Jahren MRuhezeit wieder zu benußen, von erheblichem Werth if. Jch möchte glauben, daß das in Betreff der rein deutshen Gebiete des preußischen Staates wahrscheinlib nit der Fall sein wird. Jch weiß es jedoch nicht, ich bin nicht verant- wortlich für das Kultus-Ministerium, und ih bin frob, daß ih es nit bin. Meine Herren, ih kann mi nur um den politischen Theil kümmern. Wenn i also sage, ich weiß nicht, ob das Kultus-Mi- nisterium seinerseits nod Werth darauf legt oder es sür nothwendig hält, das Gesetz aufrecht zu erhalten, so kann ich immer nur meine persönliche Ansicht mit allem Vorbehalt geben, daß ih nicht weiß, ob der Herr Kultus-Minister fie theilt. JIch würde überhaupt, wie in vielen anderen Konzessionen, gar nit abgeneigt sein, wenn mic die Bemühungen geglückt wären, in unserer Gesetzgebung cine Scheidelinie ¿wischen jenen Landestheilen einzuführen, welche polnische Zunge reden, und denen, wel@e deutshe Zunge reden. Nah meiner Ueberzeugung kann dieses Geseß im Ganzen, soweit die deutscbe Zunge reicht, einfach zurüdgenommen werden, ih würde nichts dagegen haben. In den polnischen Bezirken liegt die Frage aber dob etroas anders. Ob da dics Geseh nit noch cinmal Anwendung finden kann, das weiß ich nicht, das hängt von der Zukunft ab. Die polnishe Bewegung hat uns mit der Loëreißung von preußisben man kann jeßt {on sagen altpreußisWen Provinzen, von deutsch gewesenen Provinzen, ehe sie polnisch wurden, wie Westpreußen, bedroht. Diese Bewegung ist niht so sehr gefährlih zu einer Zeit, wo der Friede ringsum voll- ständig gesichert ist. Wenn das aufhört, woran ich nicht glaube, so lange die jeßige Regierung an Haupt und Gliedern am Ruder ift aber sie ift niht unstecblih, und die Politik ist auc genöthigt, auf weitere Zeiträume hinzubli@en —, \o könnten doch Momente ein- treten, wo eine polnisch nationale Bewegung für den preußischen Staat sehr unbequem werden kann. Wenn ih sage, diese Even- tualität, die eine Friedens\öcung vorausseßt, liegt uns fern, so muß ih Ihnen doch danekten einen Theil unserer gemeinsamen Erlebnisse vergegenwärtigen. Wenn Sie 20, 21 Jahre zurückdenken, an das Jahr 1863, zur Zeit der damaligen polnischen Bewegung, als ein Vertrag zwischen Preußen und Rußland ges{lo\sen wurde, der bekannt war unter dem Namen „Seeschlange", zur Zeit, wo die Herren Gra-

bow und Behrend Präsidenten des Abgeordnetenhauses roaren, da war die Bewegung außerordentlih mächtig und sie wurde hier in Berlin unterstüßt von einer sehr lebhaften, ja ich kann fast sagen, drohenden roelche für Polen gegen Rußland

Partei nahmen. Wir batten außer von Rußland in der damaligen Lage gegenüber dem gesammten übrigen Europa, welches in Gestalt seiner mi fast täglich besuhenden Botschafter fast drohend auf mi einwirkte, im Kriegefall kaum Beistand zu erwarten, und wenn es zum Kriege gekommen wäre, wie es damals im Wunsche der russi {en Regierung, nicht der preußischen laa, so wäre es sehr ins Ge- wicht gefallen, ob die preußische Regierung in ihren polnischen Lin- dern vollständig Herr, und zwar auch dann Herr gewesen wäre wenn sie mit Oesterreich nicht einig gewesen wäre. Wenn Sie sich die damalige Situation vergegenwärtigen: ist einer unter Ihnen ich bin es ganz gewiß nicht —, der 1863 die Situation vorhergesehen hat, in der wir 1870 waren, die Ereignisse, die in, zwischen eintraten, der Jahre 1864, 1866? Hat das einer voraus- gesehen? Jh führe das nur an, um Ihnen zu beweisen, wie wenig man in der Politik auf die Zukunft, die man augenbliäli übersieht und die kaum über 24 Stunden reiht, rechnen darf. Wir können ebenso, wie wir damals durch mehrere glückliche Kriege in cine ganz neue und glänzendere Lage gekommen sind, durch einen oder mehrere unglücklihe Kriege ih hoffe, wir sind davor bewahrt in eine Lage kommen, wo wir die Anstrengungen aller Kräfte brauchen, um uns zu halten, und alle Geseße brauhen, um die Bewegungen, die dem Reiche feindlich und {hädlich sein können und dem preußischen Staat i spreche jeßt immer nur von Preußen —, niederzuhalten, Dies wäre allenfalls ein Grund zu sagen: wir können nit wissen ob wir dieses Geseß nicht noch einmal brauen, und jedenfalls ums sonst wollen wir es nit weggeben und darauf verzichten.

Aber, wie gesagt, ich will mi niht einmal ganz bestimmt zu dieser Ueberzeugung bekennen, doch will ich die Gründe zu derselben, die ih eben andeutete, noch weiter entwickeln, und zwar ganz sine ira et studio, ih sprehe darüber mit der Ruhe eines Schacspielers, aber ih muß dabei doch wieder von der Konstcllation unserer Parteien reden, auf die Gefahr hin, Hrn. Richter damit wieder zu langweilen; es sollte mir das leid thun; ih bitte jedoh auch cinmal zu erwägen, daß ich eigenilih dazu nit hier bin, ihn ¿u amüsiren, und daß, wenn ihn die Langeweile übermannt, es ihm ja frei steht, für die Zeit, wo ich rede, anderen Beschäftigungen si hinzugeben. Ih bitte ihn aub, mir nicht den Vorwurf zu machen, als brauchte ih die- selben Argumente, aus der Kritik der Parteisituation entnommen, zu hôufig, sondern do einen Rückblick auf seine eigenen Reden ein- mal zu halten, dann wird er zu der Ueberzeugung kommen, daß, wenn ihm die Wiederholung sehr oft gebrauhter Argumente unter- sagt gewesen wäre, er überhaupt seit mehreren Jahren absolut hätte scchweigen müssen.

Ich muß also diese Parteifrage berühren. Eine Regierung, wie die preußische, die verfassung8mäßig regieren will, hat doc noth» wendig das Streben, sih eine Majorität zu \{chaffen, und zwar eine Majorität, auf die sie möglichst dauerhaft rechnen kann, um die Wechsel des Systems, nah dem regiert wird, glücklih zu vermeiden, so viel an ihr liegt. Bei diesem Streben, sich eine Majorität zu hafen, kann sie fih verschiedene Kombinationen denken. Wenn es möglich wäre, eine Majorität zu bilden, welhe die konservative Partei, das Centrum und die Nationalliberalen umfaßt, so wäre das ja eine s{hóne Sache, dann wäre die konstante Majorität gegeben, Ich appellire aber an Ihr eigenes Urtheil : sind unter diesen Ele- menten nit solche, die unter einander inkompatibel sind, die es ab- solut ablehnen, in einer gemeinsam die Regierung unterstütßenden oder füh- renden Majorität zusaramenzubleiben ? Ich glaube nicht, daß es möglich ist, die Centrumspartei mit den Nationalliberalen , ja vielleicht kaum mit den Freikonservativen in dieser Weise zu verschmelzen ; es ift vielleicht möglich mit den Deutschkonservativen, das weiß ich nicht ; die sind ja für das Centrum von einer großen Hingebung beseelt, aber ob das dauernd ist ? wir haben au s{chon recht heftige Scharmüzel er- lebt, und Worte sind gefallen, die sih ehemalige Freunde, die es nod einmal wieder werden wollen, öffentlich kaum sagen sollten oder nicht zu sagen pflegen, also ich weiß nicht, ob das möglich ist. Jch will aber einmal annehmen es ginge, und die Regierung wollte ihr System auf eine Unterstüßung dur die Konservativen und dur das Centrum dauernd einrihten, so würde sie das nicht können, ohne darauf zu rechnen, daß die Unterstüßung des Centrums, an die sie sich nun anlehnt, und um derentwillen sie andere Freunde, die bereit wären, sie zu unterstützen, nur niht in Gemeinschaft mit dem Centrum, von sich #|ößt, daß diese Unterstützung auch eine dauernde und die erften Bedingungen des Zusammengehens, den status quo festhaltende sein wird. Da kann ih mich nun von der Befürchtung nicht ganz frei machen, daß ein konfessionell gemischtes Staatswesen deutscher Nation, welches mit Ausschließlichkeit oder Unentbehrlichkeit auf die Unterstüßung des Centrums und der römischen Kurie an- gewiesen wäre, auf die Dauer nicht haltbar ist, daß ein solches Staatswesen nur dann haltbar ift, wenn es zeitweise auch in die Lage kommt, der Unterstüßung, die ihm von der römischen Geistlichkeit ge- währt wird, vorübergehend entbehren zu können.

Ich bin sehr weit enkfernt, vielleicht weiter als Sie glauben, von der Neigung, dem Centrum entgegenzutreten. Die Partei hat Vieles an si, was mich, im Vergleich mit den anderen, im hoben Grade anzieht und bestiht. Sie hat eine sehc strenge Disziplin, sie har eine bestimmte Führung in einer bestimmten Person, sie hat monarische Einrichtungen in sib; sie ist weder eine aristokratishe noch eine demokratische Republik. Viele ihrer Grundsätze sind mir vollständig sympathisch, und ih theile sie. Man kann mit ihr renen ; fie hat für mich nur die Gefahr: man kann \sich mit _ihr niht einlassen, ohne sich dem Geist, der in ihr lebt, mit Leib und Seele zu vershreiben; man wird auf die Dauer davon ‘ers faßt, und es kommt immer wieder der Moment, wo es heißt: willst Du jeßt fechten, oder willst Du weiter mit mir gehen? Das ist die Perspektive, die ih fürchte; es mag Mangel an Muth sein; aber ih kann mich davon auf Kosten des Reihs nicht vollstäudig los- reißen. Wenn man nicht mit dem Papst, soadern mit einer dauern- den inländishen Vertretung des Katholizismus ein „bis hierher und nicht weiter* abschließen könnte, gewissermaßen ein der preußischen Geseßgebung unterworfen bleibendes Konkordat, das nicht überschritten werden foll, ja, davon ließe sich reden; aber vorläufig {ind wir von einer solchen Möglichkeit ziemlich weit entfernt. Jh sehe auch gar nicht die Möglichkeit einer praktishen Ausführung der Sache, aber es würde mir außerordentli lieb fein, niht für meine persôn- liche Bequemlichkeit, sondern im Interesse des Landes, wenn ich einen modus vivendi mit dem Centrum wüßte, ohne mih und den Staat ihm mit Haut und Haar zu eigen zu geben.

Die Befürchtung, daß der Kampf immer wieder erneuert werden wird, auch nach jeder Konzession, daß die Konzession nur ein Aus- gangspunkt für neue Forderungen sein würde von Seiten des Centrums, hat Niemand eifriger und bedrohlicher genährt, als dec absolute Leiter des Centrums, der Abg. Windthorst. Er hat uns, wie sie ih erinnern werden, in Aussicht gestellt, daß es mit diesem jeßigen Kampf nicht vorbei sein werde; es würden andere von noch viel größerer Tragweite kommenz nur die Schule wollte er beispielsweise nennen also tief eingreifend in unsere bürgerlihen Verhältnisse ; ih weiß nicht was noch. /

Ic fürchte nur, es würde mit diesem Streben ein Frieden nicht mögli sein, so lange nicht alles in Deurschland vernichtet ist, was an das ehemalige Corpus Evangelicorum erinnert. (Widerspruch im Centrum.) Es wäre mir lieb, wenn ich mich darin täuscte, es wäre mir lieb, wenn das Maßbalten in den Ansprüchen von Seiten der Centruméêpartei ih will keinen verleßenden Ausdruck gebrauchen, deshalb bleibe ih bei diesem, erlauben Sie mir, vollständig unzureichen- den einen modus vivendi finden ließe, wenn ih ein Geheimniß wüßte, daß das Zusammenleben mit der Centrumspartei mögli machte, so würde ich darin eine große Verbesserung sehen, aber bedingungslos kann ich mich nicht unterwerfen und ih kann auch keine Konzessionen machen, so lange ih der Gegenkonzession und des Werths davon nicht sicher bin; das do ut des haben Sie selbst in die Politik hineingebracht, und daran müssen wir festhalten. Hier verlangen Sie eine Kleinigkeit, das gebe ih zu, aber Sie ver- langen fie ganz ohne Gegenleistung und ganz intempestiv «und stür- misch, Dem können wir in der Folge niht nachgeben. Wir fürchten uns außerdem, in cine Lage zu gerathen, in der wegen Verstimmunga

aller anderen Parteien die Unterstüßung des Centrums uns ganz un- entbehrlich sein würde, weil die hauptsächlihste Direktion, die das Gentrum in seinem politiswen Verhalten zu empfangen hat, in ihrem Schwerpunkt außerhalb des Deutschen Reiches liegt. Ich kann _es der römischen Kurie nit verargen, wenn Völker, die rein katholis geblieben sind, wie die Franzosen und Polen, ihrem Herzen näher stehen als das dur den Kircbenstreit zerrüttete und ihr zum Theil

entfremdete Deutschland. Es is auch wohl nicht unnatürlih, wenn

sich in Rom die Tradition forterhält des alten Bundes mit den MWelfen unter den Hohenhaufen, wobei ich unter Welfen nit blos die paar Hannoveraner verstehe, „die den Namen führen, sonden Alles, was antighibellinisch, was ein Gegner der Reichseinheit aus weltliden Gründen und Partikularis8mus ist. Diese Beziehungen, die politischen Intimitäten zwischen Rom und den Welfen in diesem erweiterten Sinne sind fehr alte, von der S(lacht von Legnano ber se{chshundertjährige; sie haben {ih von Zeit zu Zeit immer wieder erneuert.

Allè diese natürlichen und historisch berebtigten Reminiszenzen der Kurie würden gegen eine Regierung ins Gewiéht fallen, die auf die Unterstüßung des Centrums, also indirekt auf das Wohlwollen der Kurie angewiesen wäre. Wir können nicht verlangen, daß der oberste Priester der römischen Kirhe auf einen evangelischen Deut- {en Kaiser mit demselben Wohlwollen blicken solle, als wie auf den erstgeborenen Sohn der Kirche in Frankreihß oder auf die um jeden Preis getrenen Polen. i

Sie sehen, ib setze, obne irgend Jemand verletzen zu wollen, alle Gründe auseinander, die Jemand in meiner Stellung in Erwägung nehmen muß, wenn er eine Konzession machen will. Daß Sie doch darauf verzichten, dies Alles als einen Ausfluß von Willkür und Rechthaberei anzusehen, wenn wir zu dergleichen Nein sagen! Das ist eine Frage von sehr ernster und großer Tragweite, namentlich aber um deshalb, weil die Freundscbaft zwischen Regierung und Centrum für Kleinigkeiten und Einzelheiten, wie die kleine Münze, um die es si hier handelt, nit zu haben ift. Entweder ganz oder gar nit! und das Ganze können wir ihm nicht anvertrauen. Nun schien außerdem vorher cin Ausdruck von Mißbilligung vorgekommen zu sein, als ih sagte, daß der Schwerpunkt der Centrumspartei außer- halb Deutschlands gelegen sei. Jch bestebe nicht darauf; es ist mein Eindruck. Aber jedenfalls ifl die preußische Regierung genöthigt, den modns vivendi mit den preußishen Unterthanen am Rhein, in Westfalen und im Großherzogthum Posen in Rom zu suhen, und in Rom darüber zu unterhandeln, wie es möglich is, sih mit den katholishen Unterthanen des Königs hineinzufinden in einen modus vivendi, der die Billigung des Papstes hat. Da ist nun ein weites Feld, wo die Frage, ob dieses Geseß im Reic8- tage angenommen oder abgelehnt werden soll, sich ablöst und es zu einer rein praktischen Frage auf dem Gebiete der Diplomatie wird, ob sie den Zeitpunkt für gekommen hält, Konzessionen zu machen oder mit solhen zurück zu balten, wovon sie sid einen besseren Erfolg verspriht. Die Unterhandlungen mit der römischen Kurie {weben nunmehr über sech8s Jahre. Es war im August 1878, wenn ic nit irre, wo ih mit dem Nuntius Masella unterhandelte, vamals auf ciner Basis, die bereits weit hinter uns liegt, die durch die Konzes- sionen, welche die preußishe Regierung der Kirche gemacht hat, seit- dem weit überholt ist. Damals wurde die Ernennung cines preußi- {en Gesandten in Rom noch als ein erhebliches Objekt der Kon- ¡ession behandelt; es ivar in der Blüthe der strengsten Maigesetz- gebung, mit allen ihren Konsequenzen, die ih meinerseits nie gebilligt habe, i bin in den ganzen Kampf nur durch die polnische Seite der Sache hineingezogen worden. Jch habe vor 20 Jahren ebenso gedaht wie heute, daß man in deutsh redenden Gegenden eine große Latitüde lassen kann; aber ih bin in den Kampf damals hin- eingezogen worden, weil mir der üÜberzeugende Beweis ge- liefert wurde, daß unter der Leitung der Geistlichkeit in West- preußen namentlich, aber auch in Schlesien polonisirt wurde, in Westpreußeu mit dem Erfolge, daß die Enkel von Großeltern, die zweifellos Deutsche waren, deutschen Ursprungs, deutschen Namens, hon niht mehr wußten, daß sie Deutsche waren, nicht mehr deuts sprechen konnten und sich für Polen hielten. J habe mi damals, wo ih mehr Zeit hatte, der Saße mehr widmen können, und habe den Eindruck gewonnen, daß diese ganze poloni- sirende Thätigkeit der Geistlichkeit, ihren Ausgangspunkt hier in Berlin hatte, bei der damaligen katholiscven Abtheilung, die ihrerseits unter dem Einfluß von polnishen Magnaten stand. Und das ist der Grund, weshalb ih Front gemacht habe, und \chließ- lih, da es unmögli war, die Polonisirung abzuschneiden, ohne die Wurzel, die katholische Abtheilung, zu beseitigen, habe ih den Antrag gestellt, diese abzuschaffen, und erst auf diese Weise bin ic in den Kampf hinein gerathen, der sich in seinen ersten Anfängen im Jahre 1873 ja ganz ohne meine Mitwirkung vollzogen hat. Jch war damals weder Kultus-Minister noch Minister-Präsident, noch war ih gesund genug, thâtig zu sein; Minister-Präsident war der Graf Noon, und ih war wegen Krankheit beurlaubt.

Also die Unterhandlungen vom Jahre 1878 konnten noch in Aussicht nehmen, daß man sofort cine Art von zweiseitigem Abkommen {ließen würde, und ich war damals mit dem päpstlichen Nuntius so gut wie einig, bis plößlich die Nachricht ankam, daß unerwarteter und auffälligerweise der Kardinal Franchi gestorben sei.

__ Von dem Augenblick an dauerten die Verhandlungen noch zehn bis vierzehn Tage und fingen dann auf einem anderen Fuße wieder an, der ihnen keinen Fortgang brachte. Daun ift der Versuch, ein gleizeitiges Entgegenkommen herbeizuführen, von welt- liber und fkirchliher Seite, ein reines „do ut des“, zu jagen: wir wollen dies geben, wenn ihr das gebt, mehrere Jahre hindurch fortgeseßt worden und hat wie es bei cinem so weiten Felde natürlich ist zu keinem andern Ergebniß geführt als zu dem oft und vielleicht zu oft wieder- holten gegenfeitigen Briefwechsel, wo immer die Abgeigung, etwas zu t un, in den möglift liebenswürdigsten Redensarten von beiden Seiten verbrämt wurde. Aber man kam damit nicht über böfliche fins de non recevoir hinaus. Darauf habe ih versucht, einen Weg, den i für einen praktisheren hielt, einzuschlagen, indem ih unsererseits mit Konzessionen vorauêging, gewissermaßen einen Vorschuß darauf leistete la der Hoffnung und Ueberzeugung, daß von Seiten der Kurie dem mit gleiher Münze würde entgegengekommen werden, und daß, wenn sie nur sähe, daß es uns aufrichtig darum zu thun \ci, wir auc auf Gegenleistungen renen könnten, besser als wenn wir uns verklau- ulirten. Es ift auf diese Weise do, wie die Herren mir zugeben werden, eine erheblice Aenderung und Besserung geschaffen : alle diese kleinlihen Verfolgungen seelsorgender Priester, das Ver- folgen des Spendens von Sakramenten , dieses ganze Aufbieten der Genöd'armerie mit ihrer {werfälligen Nüstung gegen leihtfüßigere und gewandte Herren im Civil, die geistliche Funktionen ausüben, das findet gegenwärtig nicht mehr statt. Es sind Bisthümcr in erheblicher Anzahl beseßt, es sind Sperren aufgehoben worden, kurz, wir haben an Konzessionen eine recht anständige Summe von Vorschuß gelcistet ; es fehlt aber noch jede Gegenleistung bis zu diesem Augen- id Und wie wir run dahin gelangen wollen, diese Gegenleistungen erbeizuführen, das ist eine Sache, die müssen Sie der Diplomatie fon überlassen, die geht dur die Gesandtschaften, und die kann urch das Einbringen von Sturmpetitionen und Anträgen hier nur E O beirrt werden, wie das mehrmals \{hon der Fall ge-

ist.

Wir glaubten im vorigen Sommer, unsere Hauptaufgabe sei für leßt, die Bischofstühle in Posen und Cöln wieder zu beséßen, nicht il ob die Regierung ein Bedürfniß an Bischöfen an ih hätte; wer die katholischen" Einwohner in der Posener Diözese entbehrten er Wohlthaten einer geordneten Diözesanverwaltung, und nach dis n was hier berichtet wurde, haben wohl die Geistlichen selbst t Bedürfniß gefühlt, uamentlih in der Diöszese«Posen, daß die ichöflihe Zucht fühlbarer werde, als sie bisher war. sei ir glaubten mit Rom im vorigen Sommer vollständig geeinigt zu

i, so daß ih au damals von dem Antrage, wie er jeßt wieder- olt worden ist, meinerseits wenig Notiz nahm.

Wir glaubten, daß die Situation sich wesentlich geändert habe,

und daß wir einer Einigung über die Wiederbeseßung des Posenschen Stuhles nahe wären. Inzwischen aber machte fich ein Einfluß gel- tend, der nur zum Theil polnischer Natur war, aber nit gerade den dortigen Prälaten angehörte, und dieser Einfluß arbeitete darauf hin, in der Bevölkerung die Hoffnung zu erwecken, daß die Regierung nachgeben würde, wenn man nur fest auf sie drücke, sich im Parla- mente recht unentbehrlich mache, das „do ut des“ recht {arf und \{neidig durchführte, bei den Wahlen Stimmen gewönne und die feind- lichen Parteien gegen die Regierung unterftüge.

Also es ist damit nichts gewonnen worden mit den Kon- zessionen und dem Abwarten. Wir lassen uns dadur nicht ver- stimmen; aber ih habe als Diplomat, der gar mancve Ver- handlungen in diesem Leben {on geführt hat, die nicht ohne Erfolg gewesen sind, den Eindruck, daß weitere Konzessionen uns das Spiel nur verderben, und daß wir jeßt in der Lage find, ruhig abzuwarten, ob endlich eine Spur von Gegenkonzessionen von Rom geboten wird. Wir werden sie dann freundlich und wohl- wollend entgegennehmen und uns freuen, wenn uns Gelegenheit ge- gebe# wird, sie weiter zu entwickeln. Bis wir aber die Farbe und das Gepräge der ersten päpstlichen Konzession, die uns gemacht werden könnte, deutlih und faßlib in der Hand haben, so lange wird mit meinem Willen auch nicht um ein Haar. breit nachgegeben werden. Unsere Mitwirkung wird jederzeit offen scin, und wir werden vollständig bereit sein, in die Verhandlungen einzugehen, die uns entgegengebrat werden; aber wir sind dazu augenblicklich nit in der Möglichkeit, und aus - diesem Grunde wollen wir auch diese kleine Kon- zession gratis nicht geben, wir würden das Prinzip damit durbrechen, und ih weiß ja nicht, ob das preußishe Staats- Ministerium niht dec Meinung is, in Polen dies Gese auch unter Umständen gebrauchen zu müssen. Die Verhandlungen über die Wahl des künftigen Kirchenfürsten von Posen und Gnesen find ja noch immer im Gange. Die preußische Regierung läßt si dabei von dem Grundsatze leiten, daß sie nur einem solchen Prälaten ibr Placet geben kann, von dem fie ganz sicher ist, daß er keine Sympathie für Bestrebungen hat, die darauf hinausgehen können, die polnisch sprehenden Landestheile Posen, Westpreußen und Ober- {lesien jemals von Preußen loszureißen. Einem solchen Prälaten würde sie ihr Votum niht geben können. Aber das ift auch die einzige Bedingung, die wir tellen. Wir wollen und können in Posen keinen Erzbischof zulassen, der das, was wir Revolution nennen, der das, was die Polen Herstellung der Republik Polen nennen, mit wohlwollendem Auge ansieht. Wenn uns diese Bedingung nicht er- füllt werden fann, wird Posen vakant bleiben und so lange, wie die jeßige Regierung am Ruder ift, werden wir um kein Haar breit nachgeben.

Auf deutschem Gebiete liegt, wie gesagt, mein Bedenken weniger, als Sie glauben. Da wüßte ib kaum etwas, was ih von dem, was bisher gesordert wird, zu versagen für absolut nothwendig hielte ; nur glaube ih, daß wir die Konzessionen, die wir überhaupt noch auf Lager haben es sind ja gar nicht so ungeheuer viele uns aufsparen müssen, um sie als Aequivalent zu verwerthen, wenn künftig der große Kampf lo3geht, den der Hr. Abg. Windthorst uns in Aus- sit gestellt hat. Dann werden wir darauf eingehen, wir werden dann sehr viel mehr nachgeben, um den Frieden zu gewinnen, der uns bis- her sorgfältig, überlegter und berechneter Weise, in der Hoffnung, mehr von u-s herauszudrüccken, versagt wird, sehr zu unserem Be- dauern. Wir werden fortfahren, ihn nicht mehr in der bisherigen Weise zu erwarten und dann werden wir zu solchen Unterhandlungen bereit sein.

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) bemerkte, wie der Abg. Windt- horst, so wolle au er Alles zu vermeiden suchen, was das Gefühl erregen könnte. Er bedauere indessen, daß der Abg. Windthorst troß dieses Strebens einen persönlichen Angriff gegen seinen Freund Hobrecht vorgebracht habe, der, da der}elbe niht mehr Mitglied des Hauses sei, sih nicht vertheidigen könne. Seine politishen Freunde hätten bereits im vorigen Sommer bestimmte Stellung zu diesem Antvage genommen, sie hätten ihn abgelehnt, und inzwischen sei nihts eingetreten, was seine Partei veranlassen könnte, ihren Standpuunkt von damals zu verlassen. Auch er halte die Beseitigung des kirchenpoliti- hen Streites für wünschenswerth, glaube aber nicht, daß die Annahme des Antrages Windthorst jeßt den Ausgleich die- ser Streitigkeit fördern könnte. Das Expatriirungsgesetßz sei nicht in sih unabhängig und abgeschlossen, es sei im Wesent- lihen nur ein Ausführungsgeseß zu den kirchenpolitishen Ge- seyen Preußens. Er glaube daher, daß der Moment zur Auf- hebung dieses Gesehes, den auch er herbeiwünsche, erst ge- fommen sei, wenn die Kirchenfrage in Preußen definitiv ge- lôst sein werde, dann werde auch seine Partei für Aufhebung dieses Gesctes stimmen, heute aber nicht.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, die Ruhe, mit welcher der Reichskanzler heute gesprochen habe, sei für ihn wohl- thuend gewesen. Jn der Sache selbst aber bedauere er die Aeußerungen desselben aufs Lebhasteste. Das Geseß, um das es sih handle, habe der Reichskanzler niht mit einem Wort erörtert. Derselbe habe es vielleiht niht ge- than, weil es ihm widerstrebe, das deutshe Bürger- recht so gering anzushlagen. Nachdem man Deutschland geeinigt und die Zugehörigkeit zum Reich so viel werthvoller gemacht oder zu machen geglaubt habe, da sollte man es doch zu würdigen verstehen, wie s{merzlich es sein müsse, wenn das jo tostbar gewordene deutsche Heimathsreht aus solchen Gründen, wie sie das Expatriirungsgeseß vorschreibe, den deutschen Priestern entzogen werden könne. Nach der Rede des Reichstanzlers follte man glauben, daß derselbe das Geseh nur mit Rücksicht auf die polnischen Landestheile einerseits und auf seine politish-diplomatishe Aktionen andererseits behalten wolle, Dabei habe der Kanzler gar nicht einmal bestimmt be- hauptet, daß das Geseß gegenüber den polnishen Landes- theilen von Erfolg gewesen sei. Derselbe habe von einem Vielleicht gesprochen. Wichtige Fragen sollte man aber nicht auf das Bielleicht stellen. Und wenn die polnischen Landes- theile es wirkli irgendwie an Erfüllung ihrer Unterthanen- pflicht hätten fehlen lassen, wäre felbst dann ein solches Gesetz nöthig? Es handele sich ja im Geseg niht um politische, sondern um rein kirchlihe Handlungen, um Messelesen und Sakramentspenden. Wolle man da unter- scheiden zwischen Katholiken polnisher und deutscher Natio- nalität ? Seien denn in Posen wirklich Zustände vorhanden, welche die Regierung berechtigten, den Leuten das Wichtigste zu nehmen, worauf jeder Mensch sein Recht habe, und die vornehmsten Fnteressen' der Religion und des religiösen Ge- fühls zu verlegen und zu mißbrauchen? Das sei eine Knech- tung des Gewissens, wie sie ärger zu keiner Zeit vorgekommen sei. Habe die Regierung irgend einen Beweis erbracht, daß die Polen nicht ihre Unterthanenpflicht erfüllt hätten? Hätten nicht die polnischen Bataillione in den Feldzügen überall im Vordertreffen gestanden? Hätten die Polen etwa nicht ihre Steuern bezahlt? Seien sie niht zu allen Staatspflichten bereit? Und wenn sie es nicht wären, würden etwa die preußischen Behörden niht mächtig genug sein, sie dur dies Geseß zur Ordnung zu bringen? Aber in das Heiligthum zu dringen, ihnen dort Gewalt anzuthun, das habe die Regierung ge- wiß uicht nöthig. Gerade damit werde man die Polen nicht be- ruhigen ; damit könne man sie am leichtesten zum Aufruhr bringen. Es sei eine alte Erfahrung, daß kein Volk auf die

Dauer eine Beeinträchtigung seiner religiösen Ueberzeugung ertrage. Die Völker seien immer noch stark genug gewesen, die Tyrannen zuvernichten, welche ihre Religion ibnen hätten nehmen wollen. Der Beifall, den die Rechte heute dem Reichskanzler gespendet habe, beweise, daß sie noh nicht die große Bedeu- tung zu würdigen wisse, welche die religiösen Gefühle im Volksleben hätten, daß sie niht eingedenk sei des Wortes des greisen Kaisers, „dem Volk solle die Religion erhalten bleiben.“ Man wolle ferner das Gese erhalten wegen der diplomatischen Verhandlungen, die man mit der Kurie führe. Als das Gesetz gegeben sei, habe man nicht an Verhandlungen mit der Kurie gedaht. Auch habe es ihn überrascht, daß der Reichskanzler jage, er sei am Zustandekommen des Gesetzes mehr oder weniger unschuldig. Er (Redner) habe leider mehr als einmal im Abgeordnetenhause wahrnehmen müssen, daß der Zteihskanzler sih in der allerlebhastesten Weise an dem Kampfe betheiligt habe. Es sei auch undenkbar, daß der Reichskanzler \sich bei dem Eifer und der Energie, die er an der Spiße der Geschäfte entwickele und die er (Redner) an ihm verehre, daß er sih daran nicht follte betheiligt haben, denn etwas Widchtigeres, als diese Käwpfe sei in Preußen gar nicht vorgekommen. Wenn der Kanzler das Gesetz lieber niht gemacht sähe, so brauche er ja nur einen Brief an den Minister von Goßler zu schreiben, die Maigesetße vollständig zu revidiren, und man werde fertig sein. Jn Preußen sei nihts bisher geschehen ohne die Zu- stimmung des Reichskanzlers. Wenn das Gese ohne Ver- handlungen mit der Kurie gegeben Fei, so könne es auch ohne jolhe aufgehoben werden. Ein so verwersliches Geseß dürfe niht als Handelsobjekt nah dem Prinzip do ut des gebraucht werden. Der Diplomatie bleibe in den Maigeseßen ja immex noch ein bedeutendes Ouantum von Handelsobjekten übrig. Er widerspreche, daß die Kurie bei Ernennung der Bischöfe keine Konzessionen gemacht habe. Sei denn die Ernennung der Bischöfe an sih dur den Papst keine Konzession ? Wenn die Sache durh Jnterdikt geregelt wäre, so wäre es doch ganz anders geworden, blicke man nur auf frühere Fahrhunderte ! Auch bei der Wahl der Personen hätten Konzessionen statt- gefunden, eine fernere Konzession fei die der Nothseelsorge, bei der er sih über die Nachgiebigkeit des römischen Stuhles ge=- wundert habe. Eine der ersten Arbeiten im Landtage werde sein, daß man in Preußen anstatt der bisherigen Brocken umfassende Revisionen der Maigeseße erhalte. Man frage nah dem Ende der Forderungen des Centrums! Seine Partei wolle den Status zur Zeit Friedrich Wilhelms I1V. wieder herstellen, der durch Wilhelm 1. in Königsberg bestätigt sei! Damit wäre seine Partei zufrieden. Allerdings wolle das Centrum den Kampf um die Schule nicht aufgeben. Die deutshen Schulen seien entkirchliht. Die Schule solle auf die Basis vor der Falkschen Aera wieder zurückgebraht werden! Kehre man auf diesen status quo ante zurüd, so sei der Frieden absolut. Wo so große Gewitter am politishen Himmel aufzögen, wie jeßt, da sollte man nicht Geister berufen, die man vielleicht nicht bannen könne. Wenn man den Abgeordneten, die früher für seinen Antrag gestimmt hätten, vorwerfe, sie hätten aus Wahlrücsihten gehandelt, so beständen die Rücksichten noch heute, denn die Auflösung scheine ihm niht unwahrscheinlich. Der Reichskanzler ziehe sih hinter den Bundesrath zurüd, eine shöône Brustwehr! Für ihn (den Redner) sei der Bundesrath der Reichskanzler. Derselbe sei die Hauptperson sowohl durh seine Person als dur die ihm zustehende Stimmenzahl, Er appellire also in der That immer nur an den Reichskanzler. Er hoffe, daß der Reichstag auch heute in seiner großen Mehrheit feinem Antrag zustimmen und daß der Reichskanzler dann nochmals erwägen werde, ob es nit gerathen erscheine, das Expatriirungsgeseß nun wirklih aufzuheben. Eine eigent- liche Regierungspartei werde die Ceftrumsfraktion aber nie- mals werden; das Streben nach einer absoluten Regierungs- partei sei auch fo lange, wie man in Deutshland keine par- lamentarishe Regierung habe, die er selbst niht wünsche, geradezu verwerflih, verfassungsverleßend und zerstörend, Ex sei allerdings nicht für eine Parlamentsherrschaft; ‘er wünsche nicht, daß das Ministerium mit jeder politishen Strömung im Lande wechsele. Wolle die Regierung ebenfalls keine Par- lamentsherrshaft, dann müsse sie auch bereit sein, hier im Hause stets Männer um sih zu haben, die jeden einzelnen Fall unabhängig prüften und lediglih nah dem bestimmten, was sie für richtig hielten. Das jeßige Fraktionswesen, über das sih der Reichskanzler immer beklage, habe sih erst ge- bildet, nahdem die Regierung mehr als einmal die Partei- fragen im Parlament zu Machtfragen gestempelt habe. Naturgemäß würden dadurh die Parteien gezwungen, diese Dinge ebenfalls als Machtfragen zu behan- deln, Wenn also der Reichskanzler immer über die Schäden des Parteiwesens klage, so sei derselbe selbst Schuld daran. Darin irre er durchaus, daß die Centrumspartei im politisGhen Gebiete sich wesentlich von anderen politischen Pa rteien unterscheide. Gebe die Regierung die Freiheit der Kirche nah dem System Friedri Wilhelm IV. zurück, beendige sie diesen Kampf, dann stehe das Centrum rein politis da und habe nihts mehr von einer kirhlihen Partei an si, und dann würde es au eine große Reihe von Berührungs- punkten geben, in denen das Centrum den Reichskanzler aufs Wärmste unterstüßen würde. Aber auch diese Unterstüßung würde seine Partei dem Reichskanzler nur als freie Männer gewähren können, nicht als bloße Nachtreter des Willens der Regierung. Jn dieser Weise habe das Centrum au die Schutzollpolitik des Kanzlers unterstüßt; keineswegs aber, indem seine Partei sich dem Kanzler gegenüber auf den Stand- punkt des do ut des gestellt habe. Das Centrum habe für seine Unterstüßung nichts verlangt und nihts bekommen. Seine Partei habe lediglih im Fnteresse der deutschen Nation gehandelt und sei stolz darauf, daß sie Ret gehabt habe. Das Centrum sei schon für den Schußzoll gewesen, als der Reichskanzler noch freihändlerisch gewesen sei; und heute erkenne die deutsche Nation den Zolltarif von 1879 als eine Wohlthat an. Wäre ferner irgendeines der Sozial- reformgeseße ohne die Unterstüßung des Centrums zu Stande gekommen? Aber troßdem sei jeßt plößlih bei den Wahlen eine ganze Fluth von Angriffen der Regierungspresse auf das Centrum gekommen, um seine Partei zu diskreditiren. Man habe fogar regierungsseitig sozialistishe Kandidaten bei der Wahl auf Kosten des Centrums empfohlen. Damit, daß man sozialistishe Abgeordnete hier im Hause. habe, fei er durchaus einverstanden, denn wenn die Herren sich erst an den Arbeiten des Reichstages positiv betheiligen würden, so würden sie bald einsehen, wie viel Utopien sie im Kopfe trügen. Auch sei es gut, daß alle Parteien recht oft durch die Herren an die Nothwendigkeit erinnert würden, die berehtigten Forderungen des arbeitenden Volkes zu erfüllen. Die Fürsorge der