1884 / 289 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

fassung über einen Bau beim Ständehause beschäftigte sih der Landtag im Wesentlihen mit der Verleihung von Stipendien und Stkiftungsgenüssen aus den ver- schiedenen ständishen und unter ständisher Verwaltung stehenden Stiftungen und Fonds und mit verschiedenen Be- willigungen zu wohlthätigen und gemeinnüßigen Zwecken, und stellte insbesondere auch dem Landeshauptmann eine Summe zur Verfügung, aus welcher deutshe Predigtamts-Kandidaten bezw. Studirende der Theologie, welhe Behufs Uebernahme einer wendischen Pfarrstelle in der preußischen Oberlausiß die wendishe Sprache erlernen, Kostenbeihülfen bewilligt werden können. Nachdem die Geschäfte des Landtages beendet waren {loß der Vorsißende denselben mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Ver- sammlung begeistert einstimmte,

Württemberg. Stuttgart, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Zweite Kammer hat die in der Reihs-Postspar- kassen-Angelegenheit von der Kommission gestellten Anträge mit 82 gegen ö Stimmen angenommen. Der Staats-Minister von Mittnacht erklärte Namens des Ministeriums: die Regierung gehe von der Ansicht aus, daß Württemberg verfassungsmäßig keine Verpflihtung habe, die Landespost zum Betricb der Sparkassen herzugeben. An- gesihts der Nüßlichkeit sowie der höheren Bedeutung der Reichsvorlaoge in sozialpolitisher Hinsiht und der Vortheile einer Reichs-Anstalt werde die Regierung aber zustimmen, wofern das württembergische Reservatreht in dem Reichsgeseß ausdrüdlih gewahrt und die Unterstellung der Beamten unter die württembergische Postverwaltung anerkannt werde. Selbstver- ständlih sei die Vorausseßung, daß der Weg einer selbständigen Verständigung zwischen der Reichspost und der württembergi- schen Post eingeshlagen werde. Materiell erwähnte der Staats-Minister von Mittnaht in seiner Erklärung noch einiger beim Bundesrath gestellten Anträge Württembergs, namentlih bezüglih der Repartition und Verwaltung der Sparfonds, endlich auch des freien Zustimmungsrechts Württembergs bei allen ferneren Stadien des Reichsgeseßz- entwurfs.

Mecklenburg. Schwerin, 7. Dezember. Die leßte Woche hat eine Reihe bemerkenswerther Verhandlungen und Beschlüsse des Landtages in Malchin gebracht. Am Montag ward ein von der Regierung vorgelegter neuer Entiwutf, die Reorganisation des Hebammenwesens be- treffend die vorigjährige Regierungsvorlage über diese Materie war von den Ständen auf dem Stern- berger Landtage abgelehnt worden angenommen, unter der Bedingung, daß die bisher benugten, jest aber als unzulänglich anerkannten Lehrbüher nur noch bis zum 1. Juli 1886 beibehalten werden dürfen. Nach einem alsdann erstatteten Bericht der Schuldentilgungs- Kommission betrug die Salomon Heine’sche Anleihe, nahdem im leßten Rehnungsjahr 375 000 Mk. Bco. getilgt worden sind, noch 2 252 000 Mk. Bco. Ferner ward verhandelt über die Ver- wendung der 4 Millionen Mark, welche die Königlich preußische Regierung als Abfindung für den Uebergang der Mecklenburg- Schwerin an dem Berlin-Hamburger Eisenbahnunternehmen zu- stehenden finanziellen Betheiligung auf den preußischen Staat gezahlt hat. Die Regierung hatte proponirt, das Abfindungs- tapitel zu konserviren und die Zinsen der Allgemeinen Landes- rezepturkasse zu überweisen. Dieser Antrag ward mit 26 gegen 19 Stimmen abgelehnt und von der Regierung erbeten, dem nächsten Landtage weitere Vorshläge zu machen, wie das Geld zur Vermeidung "neuer Anleihen und zur Tilgung der Landesshulden zu verwenden sei. Jn der Dienstagssißung wurde ein s{chwerinshes Reskript an das Comité für Eisenbahn- und Wegesachen ver- wiesen, welches mittheilte, daß die Direktion der Friedrich FFranz-Eisenbahn sih unter Voraussezung der Gewährung der Landeshülfe bereit erklärt habe, den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von Schwerin nah Gadebusch resp. Criviß zu übernehmen. Weiter kam ein s{werinsches Reskript zur Vor- lage, dur weiches die Regierung den Antrag der Ritterschaft wegen Wiederherstellung des früheren Trauformulars ablehnte. Jn Betreff der Aufhebung des Chausseegeldes kam es nah Erstattung eines Berichts des Comités für die Eisenbahn und Wegesachen zu keiner Einigung, da die Landschaft (Städte) erklärte, zu- nächst unter sih (als Stand) berathen zu wollen, also die fo- genannte itio in partes eintrat. Der 3. Dezember war der Tag, an welchem die verschiedenen landständishen Wah- len vorgenommen wurden, Zum Deputirten der Ritterschaft mecklenburgishen und wendishen Kreises im engeren Ausshuß zu RostoX ward der Amt- mann a. D. von Dôöring-Badow und zum Klosterhaupt- mann für das Kloster Malchow der Rittmeister von Gundlach- Hinrichsberg gewählt; für die erledigte Stelle cines Landes- Steuerdirektors wurden der Regierung der Kammer Nath a. D. und Kammerherr von Oerßen zu Kotelow und der Ritt- meister a. D. von Storch zu Rostock präsentirt. Am Dons- nerstag bewilligte man für den beim Ober-Landesgericht in Nostoc anzustellenden Hülfsarbeiterein Jahresgehalt von 8500 4/4 Alsdann referirte das Justizcomite über die dritte Allerhöchste Landtagsproposition, betreffend die fernere Bestreitung der Kosten der Justizverwaltung nah Johannis 1885, Der von der Landtagsversammlung genehmigie Bericht geht dahin, daß Stände den Abschluß eines neuen Provisorii, wie ihn ein Regiminalreskript vom 23, September d. J, vorgeschlagen, ablehnen, dagegen die Verlängerung des bestehenden Jnteri- mistikums auf ein Jahr, also bis Johannis 1886 unter Ausbescheidung derjenigen Kosten, rücksihtlich welcher jebt ein Definitivum proponirt, beschließen und dem Großherzoge zu den laufenden Kosten der Justizverwaltung sür das Jahr von Johannis 1885 bis dahin 1886 aus den Mitteln“ der Landes- rezepturkasse einen einmaligen aversionellen Hülfsbeitrag von 520 000 J zur Verfügung stellen. Vorgestern erklärten sich die Stände mit einem s{chwerinshen Reskript, betr. die ZU- ständigkeit der Polizeibehörden zur Erlassung der Straf- verfügung nah §. 81 des Reihhsgeseßes vom 15. Juni 1883, betr. die Krankenversiherung der Arbeiter, einverstanden. Endlich bewilligte die Landtagsversammlung am Freitag 3000 M für Vornahme hydrotehnisher Beobachtungen und Messungen im Flußgebiete der Nebel und genehmigte den Bericht über den Etat des Landarbeitshauses zu Güstrow pro 1885/86. Gestern bes{hloß man die Erhöhung des bisherigen Zuschusses für die Blindenanstalt zu Neukloster von 18 000 M für die nuhsten 9 Jahre auf 22 000

Oesterreich-Ungarn. Wien, 5. Dezember. (Wien. Ztg.) Unter den Regierungsvorlagen, welche in der gestrigen Sißung des Abgeordnetenhauses zur ver- fassungsmäßigen Verhandlung eingebraht wurden, befindet sih au ein Geseßentwurf über die neuerlihe Verlän ge- rung der Wirksamkeit des Geseßes vom 25. Mai 1880, be- treffend die Zugeständnisse und Begünstigungen für Lokalbahnen.

6. Dezember. Jn der heutigen Sißung des Ab- geordnetenhauses wurde von dem Minister für Kultus und Unterriht, Frhrn. von Conrad-Eybesfeld, eine Vorlage eingebracht, welhe die Eröffnung eines Nachtragskredits von 39300 Fl. zum Staats- voranschlage für das Jahr 1884 betrifft. Dieser Nachtragskredit steht im Zusammenhange mit der Er- richtung eines neuen griechisch-katholischen Bisthums inStanislau und dient zur Bedeckung der im Finanzgesetße für das Fahr 1884 nicht vorgesehenen Auslage zur Erwerbung und Einrichtung eines Hauses in Stanislau als Nesidenz des neucreirten griechish-katholishen Bischofs daselbst, während die mit der pâäpstlihen Kurie vereinbarte JFahres- dotation sowie die übrigen Adaptirungs-Auslagen für das neue Bisthum in dem Staatsvoranschlage für das «Jahr 1885 Berücksichtigung finden werden, weil erst in diesem Jahre mit der Beseßung des neuen bischöflichen Stuhles, der Kapitular- und Domvikar-Stellen, der Einrich- tung der Konsistorial-Kanzlei wie mit der Adaptirung der Pfarrkirche in Stanislau zur Kathedrale vorgegangen werden soll. Der regelmäßige Jahresauswand für das Bisthum wurde mit 17 575 Fl. festgestelll. Die in dem erwähnten Nachtragskredit pro 1884 noch nicht enthaltenen Adap- tirungskosten der griehisch - katholishen Pfarrkirhe in Stanislau zur Kathedrale sind mit 19 000 Fl. veranschlagt worden.

Pest, 6, Dezember. (Wien. Ztg.) Jn der heutigen Sißung des Abgeordnetenhaujes konstatirte Csanàdy, daß die zur Beschlußfassung erforderlihe Anzahl von 100 Mitgliedern niht anwesend sei, was den Präsidenten veranlaßte, in dieser Bezichung den Abgeordneten die pünkt- liche Erfüllung ihrer Pflicht in nahdrückliher Weise ans Herz zu legen. Jn Folge der Resignation des Abg. Madarász wurde Helfy in den Finanzausshuß gewählt. Jn der Spezialberathung des Budgets wurden heute die Ka- pitel „Allerhöchster Hofstaat“, „Kabinetskanzlei“, „Reichstag“, „Bau des Parlamentsgebäudes“ und „Gemeinsame Ausgaben“ votirt.

Der Justizaus\chuß des Abgeordnetenhauses verhandelte gestern den Gesetzentwurf, beetreffend die Au f- hebung der Fnstitution ider Hauskommunionen in der gewesenen Militärgrenze und acceptirte denselben nah kurzer Debatte zur Basis der Spezialverhandlung. Die kroatishenAbgeordneten hielten in leßterer Zeit mehrere Konferenzen, in welchen wiederholt der Vorschlag auf- tauchte, sih an der Generaldebatte über das Budget zu betheiligen. Die Majorität lehnte indeß den Antrag ab, um nicht eine Debatte über croatishe Angelegenheiten zu provo- ziren, welche den Verhandlungen der Negnikolardeputation präjudiziren könnte; dagegen wurde beschlossen, si an der Spezialdebatte mehrfah zu betheiligen.

Großbritannien 421d Irland. London, 5, Dezember. (Allg. Corr.) |' Jn der Plarrtirchè zu Esher (Surrey) fand gestern in Gegenwart der Königin, des Prinzen und der Prinzessin von Wales sowie der anderen Mitglieder der Kö- niglihen Familie die Taufe des jungen Herzogs von Albany statt. Taufpathen waren die Königin und der Prinz von Wales. Der Prinz erhielt die Namen : Leopold Charles Edward George Albert. Der Bischof von Winchester vollzog die heilige Handlung.

6. DGember. QUg, Corr.) Die Bill rur Die Neueintheilung der Wahlbezirke wird im Ganzen sehr beifällig beurtheilt, aber in diesen Beifallshor mischt si fast allgemeines Bedauern und Unzufriedenheit über das neue System, welches den meisten Wahlbezirken nur einen Ver- ireter giebt. Jm liberalen Lager sind bereits Proteste laut geworden gegen eine Bestimmung, die, wie man arg- wöhnt, dem liberalen Kabinet von Lord Salisbury auf- gedrungen worden wäre. Die Klausel, welche die großen Städte und Wahlkreise in kleine Bezirke mit einem Vertreter zer- splittert, hat der Regierung bereits ein nüßliches Mitglied, den Finanzsekretär des Shaßamtes Mr. Courtney, geraubt, und es heißt, daß der kürzlih verstorbene General-Postmeister Fawcett ebenfalls sein Amt niedergelegt haben würde, wenn er am Leben geblieben wäre. Die zweite Lesung der Vill ist allerdings, troß des Protestes Courtney's und Goschens gegen die erwähnte Klausel, erfolgt, allein in der Einzelbera- thung im nächsten Fahre wird \ich voraussichtlich ein neuer und vielleicht weit ernsterer Sturm gegen die Zersplitterung der großen Städte und Landbezirke und die Eintheilung der- selben in „single member districts“* erheben. Der Premier Gladstone hat indeß schon angedeutet, daß die Regierung be- reit sei, in der Einzelberathung rationellen Modifikationen der Klausel Gehör zu schenken. Die liberale Partei weiß, daß von der Bill zur Neueintheilung der Wahlbezirke das Schi- sal des Kabinets abhängt. Unter diesen Umständen werden die Gegner der Klausel wahrscheinli ihre Opposition dagegen niht auf die Spigße treiben und die Hand zu einem Ausgleich

bieten.

6, Dezember. (W. T. B.) Beide Häuser des Parlaments wurden heute, nahdem die Reformb ill die Königliche Sanktion erhalten hatte, bis zum 19. Fe- bruar künstigen Jahres vertagt.

7. Dezember. (W. T. B.) Der „Observer“ meint, daß die den egyp tischen Finanzvorschl ägen gewordene Aufnahme nicht zu großen Hoffnungen auf eine \chließliche Annahme dieser Vorschläge berechtige.

Frankreich, Paris, 5. Dezember. (Köln. Ztg.) Das neue Wahlgeseß, welches heute der Ausschuß auf den Tisch des Senats niederlegte, hat die volle Zustimmung der Regierung und r ird voraussichtlih von dem Senat ange- nommen werden, da das linke Centrum unter dem Vorsitz von Léon Say sih heute zu Gunsten desselben aussprach. Dasselbe hält die gegenwärtigen Senatoren auf Lebens- zeit aufreht, schaft sie aber für die Ggulunst: ab: d. h: alle 300 Senatoren werden von den Departements ge- wählt werden. Das Gese wird wahrscheinlich am nächsten Montag wieder vor die Kammer kommen, die es jedenfalls annehmen wird, da eine große Anzahl Deputirter, welche für den Antrag Floquet waren (man sagt sogar Floquet selbst) thren Widerstand aufgeben. Die Debatten im Senat werden

wabrscheinlih heiß werden, da der Herzog von Broglie in de Kampf eintreten und das direkte allgemeine Stimmrecht für die Senatswahlen verlangen will.

6, Dezember. (W. T. B.) Jm Senat ver: langte heute bei der Generaldebatte über die Wahlreform Niemand das Wort. Lareinty von der Rechten gab seinem Erstaunen über dieses Schweigen Aug. druck und warf der Majorität vor, in ihrer Wahlvertheilung die -Stimmen der Minorität unterdrücken zu wollen. er Redner sprach \sich für ‘das System der Deputirtenkammer aus. Das einzi@e Mittel, dem Senat die Autorität wiederzu- geben, sei die V ‘fung an das Volk. Der Senat nahm sodann die fünf ersten Artikel ohne Diskussion an. Die von Naquet (radikal) und dem Herzog von Broglie (Nechte) eingebrahten Amendements, wona die Wahl des Senats mittelst des allgemeinen Stimmredts erfolgen soll, gaben zu längerer Debatte Veranlassung. Der Minister-Präsident Ferry spra sih gegen die Amendements aus und wies darauf hin, daß das Hervorgehen beider Kammern aus demselben Entstehungsmodus das gegenwärtige System vollständig umstürzen und dem parlamentarischen Regime widersprehen würde. Das Amendement Naquets welches das allgemeine direkte Stimmreht für die Senats: wahlen vorschlug, wurde abgelehnt, ebenso ein Amendement Lareinty's, welches für die Senatswahlen das allgemeine Stimmrecht mit zwei Abstufungen angewendet wissen wollte mit 146 gegen 86 Stimmen. Die Berathung wird am Mon: tag fortgeseßt.

Die hiesige Handelskammer hat gegen die Erhöhung der Getreide-Eingangszölle Protest eingelegt.

Durch Straßenanschläge war in der vergangenen Nacht zu einem morgen in Belleville abzuhaltenden Meeting aufgefordert worden, in welchem über eine vor dem Elysée zu veranstaltende Massenkundgebung hbe- rathen werden sollte, Die Plakate wurden von der Polizei entfernt.

Spanien. Madrid, 8. Dezember. (W. T. B.) Aus- wärtige Blätter fahren fort, über die am 20. v. M an der hiesigen Universität stattgehabten Vorgänge über- triebene Nachrichten zu verbreiten. Dem gegenüber ist hervorzuheben, daß die Freiheit des Unterrichts bei jenen Vor- gängen gar nicht in Frage gekommen und von einer Mi- nisterkrisis keine Rede gewesen ist.

Italien, Rom, 7. Dezember. (W. T. B.) In der heutigen Sigung der Deputirtenkammer gab der Finanz - Minister Magliani das Finanzexposé, Dasselbe beziffert den Ueberschuß der Einnahmen für das Jahr 1883 auf 24 Millionen und den Gesammtübers{chuß auf 44 Millionen Lire, Troy der Aufhebung der Mahl: euer e De L Sa D «3, beträat im exsten Semesier der Ueberschuß mehr als 15 Millionen, Bezüglich der Abschaffung des Zwangscourses konstatirt der Minister die Auswechselung von Noten im Betrage von 232 Millionen Gold und 116 Millionen Silber; es bleiben mithin noch 252 Millionen einzuwechseln. Der Goldvorrath in Ztalien erhöhte sich. Die gegenwärtige Gebahrung er- giebt wegen der Cholera nur einen Uebershuß von 300 000 Lire; derselbe dürfte sich jedoch demnächst viel böôher gestalten und zur Deckung der außerordentlichen Aus- gaben hinreichen. Für 1885/1886 wird der Uebers\chuß auf 108/19 Millionen beziffect, wovon 91/2 Millionen zur Amortisirung von Staatsschulden bestimmt sind. Nach hinreichender Bedeckung sämmtlicher ordentlihen Aus- gaben wird das Budget noch über 90 Millionen zur Bestreitung außerordentlicher Ausgaben und Amortisi- rung der Staatzschuld disponiren. Der vorgelegte Geseh: entwurf über die Reorganisirung der Geschäftstaxen und die Eisenbahn-Konventionen werden das Budget vor jeder zu- fälligen Eventualität sicherstellen. Der Minister besprach sodann den gegenwärtigen Entwurf betreffs der vierteljährigen Zahlung der Rentenzinsen und betonte die Nothwendigkeit eines organischen Jnstituts zur Amortisirung der Staats-

\{huld.

O Err

Numänien. Bukarest, 6. Dezember. (W. T. B.) Das Parlament autorisirte heute in einer vertraulichen Sißung die Präsidenten beider Höuser, dem Könige als denjenigen, der den Kammern geeignet erscheine, das neue Kabinet zu bilden, Bratianu zu bezeihnen. Der Be- {luß wurde heute dem Könige unterbreitet, und schon heute oder morgen dürfte Bratianu beauftragt werden, die Bildung des Kabinets zu übernehmen.

8. Dezember. (W. T. B.) Das Minisierium hat sein Demissionsgesuch zurüdlgezogen.

Nußland und Polen. St. Petersburg, 8. De- zember. (W,. T. B.) Die russishe „St. Petersburger Zeitung“ meldet, daß im nächsten Jahre der Bau des größten russischen Panzerschiffes nah dem Muster des „Duilio“ begonnen werden soll. Dasselbe wird einen Tonnengehalt von 11 000 haben und mit einem zwölfzölligen Panzer versehen sein; bei 8000 indizirten Pferdekräften wird die Schnelligkeit auf 17 Knoten berechnet; die Armirung wird aus 16 zölligen Geschüßen bestehen, und die Baukosten sollen sih auf 5 Millionen Rubel belaufen.

Odessa, 6, Dezember. (W. T. B.) Der persönliche Adjutant des Sultans, Edip Bei, welcher beauftragt ist, dem Kaiser Alexander: den Osmanié-Orden in

Brillanten zu überreichen, is auf der Reise nah St. Peters-

burg heute hier dur{hpassirt.

Amerika. Washinaton, 5. Dezember. (Allg. Corr.) Der Staatssekretär Frelinghuysen und der Ge- sandte von San Domingo haben den auf Gegenseitig- keit beruhenden Handelsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten und San Domingo, dessen in der Botschaft des Präsidenten Erwähnung gethan ward, unterzeichnet.

8. Dezember. (W. T. B.) Der Vorsißende des Comités für Banken und Geldumlauf wird bei der Kammer heute einen Entwurf wegen Suspendirung der Aus- prägung von Silberdollars einbtingen.

Asien. China. Hongkong, 4. Dezember. (Alg. Corr.) Die Chinesen scheinen alle Hoffnung aufgegeben zu haben, daß der Krieg durch Unterhandlungen beigelegt werden dürfte, und sind zu einer energishen Politik entschlossen. Zwölf Kriegs\chiffe haben den Befehl, in See zu stechen und Formosa zu entsezen. Fünf dieser Schiffe gehören zu dem Nanking:Geschwader und die übrigen sieben sind der Division in Tientsin entnommen. Dex frühere Vize-König Yang hat die Weisung erhalten, Pen Yulin, der jetzt in

E gehenden Zolleinnahmen ?

470000 M,

Canton befehligt, zu erseßen ; während Leßterer si als Com- mandeur en chef nach Tongfing begeben und dort mit Lin Jungfu kooperiren foll.

Afrika. Egypten. Alexandrien, 5. Dezember. (Allg. Corr.) Die Frauen und Kinder aus Senheit sind in Massauah glückih angekommen, und nur die männliche Bevölkerung ist in jener Stadt zurücgeblieben. Geld zur Be- zahlung der Truppen wurde sicher nah Senheit befördert Dasselbe liegt 5000 Fuß über dem Meeresspiegel, und die dorthin führenden Pässe sind schwierig zu passiren; es ist daher sehr befriedigend, daß so viel bewerkstelligt worden ist, Die Behörden bemühen si auch, die Frauen und Kinder aus Matammeh, im Distrikt Kalabat an der abessinischen Grenze, fortzuschaffen. Dieser Entsag ist \{wieriger als der von Senheit, da der Plaß weiter im Jnnern liegt. Die Flüchtlinge werden dur Abessinien geführt werden, und ein egyptisher Offizier ist mit dem Entsaß beauftragt worden. Suakim, 4. Dezember. (Allg. Corr.) Die Rebellen eröffneten gestern Abend im Norden der Stadt ein lebhaftes Feuer gegen die befestigte Stellung der Marinesoldaten. Dann zogen sie außerhalb der Linien nach dem Süden zu und machten dort einen entsclossenen Angriff, wobei sie in einer Entfernung von 250 m aus Schießgräben feuerten. Die Marinesoldaten und die egytishen Truppen erwi- derten das Feuer aus den als Forts beseßten Häu- sern, wobei e von ben _Gentetruppen unterstüßt wurden. Das auf den Feind gerihtete Musketenfeuer, sowie das aus den Gardiner-Geshüßen beherrshte einen sehr großen Flähenraum, und in 20 Minuten war von den arabischen Scharmüßlern nihts mehr zu sehen. Dann aber begann ein sogenanntes Kaninchenschießen. Fm hellen Mondschein sah man die Rebellen aus ihren Verstecken nah den Schießgräben \hlüpfen; doch der Granatenhagel brahte Viele zum Fall, die alsdann von ihren Kameraden fortgeshleppt wurden. Dies dauerte 3 Stunden lang, bis der Boden mit Blutlachen be- deckt war. Zwei Leichen wurden auf dem Schlachtfelde auf- gefunden, aber die Spursfinder behaupten, daß 15 Feinde ge- tödtet und viele andere verwundet wurden. Jm Hinter- grunde sah man, daß die Todten und Verwundeten den dort harrenden Kameeltreibern überliefert wurden.

Zeitungsstimmen.

Das „Deutsche Tageblatt“ wendet sih in dem Leit- artitel seiner leßten Sonnabend-Nummer gegen die neuliche Behauptung des Abg. Richter von dem „Zusammenbruch der ganzen Wirthschaftspolitik des Kanzlers“ und sagt:

Daß er den Beweis dafür schuldig blieb, versteht si von selbst \{on aus dem einfachen Grunde, daß derselbe eben nicht zu liefern ist, Es kommt ja auch nur darauf an, ein so vorwurfsvolles Wort einstweilen in die Welt zu \{leudern; findet es doch der Gläubigen genug, die auch ohne Beweise nachzubeten bereit sind, was sie selbst mit Beweisen nicht verstehen würden.

Eines s{chickt sich aber nicht für alle, und für Herrn Eugen Richter als den anerkannten Sach- und Fachverständigen in allen Dingen, die mit der Finanzwirthschaft zusammenhängen, ziemt es {sich nicht, bei diesem einstweilen gesprohenen großen Wort ftehen zu bleiben ; das ungewöhnliche Maß seiner Kenntnisse zwingt ihn geradezu, demselben bei jeder sih bietenden Gelegenheit und wo fände er die niht noch weiter nachzuhelfen.

So ließ er sich denn au in der Montagssitzung bei Gelegenheit der Dampfersubventionsvorlage wieder also vernehmen: „Der Neichs- kanzler meint, daß sih seit der neuen Wirthschaftspolitik die Ver- hältnisse in Deutschland erfreulich gebessert hätten und daß sich der Import beständig höbe. Der Anscblag der Zolleinnahmen beweist

# das Gegentheil. Gerade weil die natürliche Steigerung der Ein-

N nahmen nicht vorhanden ist, erscheint das Deficit so bedeutend. F Gerade die neue Zollpolitik hat das überseeische Geschäft so geschädigt, | daß die Dampferjubvention, selbs wenn sie den erwarteten Nutzen

Ï brädte, es nicht aufzuwiegen vermag —— : Es ist sehr bedauerlich, daß Worte wie diese, nicht gleih an Ort

E und Stelle die verdiente Zurückweisung erfahren, troßdem eine solche,

der absoluten inneren Unwahrheit der ganzen Behauptung halber, \o

E sehr angebracht wäre; man mag es ja müde werden, denselben un- i wahren allgemeinen Behauptungen immer und immer wieder dieselben

Î vor aller Welt daliegenden Thatsachen entgegenzuhalten, auf unsere

E zahlenmäßig nachgewiesenen beständig steigenden Jmporte und Exporte,

| unsere demgemäß günstig sich gestaltenden Bilanzen zu verweisen, und

E damit zugleih das widerwärtige Geshwätz von der Schädigung der

| Geschäfte in sein Nichts zurück.uführenz es sollte aber doch nicht

E unterbleiben, dem dreisten Ankläger müßte besser gedient werden. An

Ï ausreidendem Material dazu gebriht es nicht. Wie steht es denn z. B. mit der Behauptung von den rück-

Die Zollerträge des Kalenderjahres 1883 betrugen 209 793 (00 4,

E Ì die des Jahres 1882 202799 000 Æ, mithin ergab sich ein Mehr E von 7000000 A

Sehen wir uns nun einmal das Jahr 1884 oder doch die

\ i: bisher abgelaufenen 10 Monate desselben an und fragen wic, wie T sih die Resultate derselben nach der offiziellen Reichsstatistik der

Ein» und Ausfuhr im Gegensaß zu der Privatstatistik des Herrn

| j Richter gestalten.

Für die zehn Monate vom 1. Januar bis ult. Oktober 1884 er-

: i geben si gegenüber demselben Zeitraum des vorigen Jahres die nach- F stehenden Mehr- und Mindererfräge an Zolleinnahmen von denjenigen

hauptsählih in Betracht kommenden und für das Gesammtergebniß

F aus\{laggebenden Artikeln, bei welchen eine irgendwie erhebliche

Differenz in den Einfuhrmengen sich bemerklich macht. » , Mehrecträge: Getreide 3 300 000 4, Rum, Arrak 2c. 1 030 000 6, Wein 560 000 46, Heringe 240 000 Æ, getrocknetes Obst 90 000 M, # Eier 50000 6, Käse 40 000 (, Tabak 2 900 009 46, Petroleum E 2520000 K, Maschinen 150 000 M, Eisenwaaren 170 000 M, Leder-

I waaren 50 000 e, Holz 80000 4, Baumwollengarn 230 000 Æ, E Wollengarn S 12690000 A

190600 M, Seidenwaaren 90 000 Summa , „Mindererträge. Mehl, Graupen 2c. 240 000 4, Salz 300000 (, Vieh 910 000 ÁÆ., Butter 190 000 (6, Schmalz 640 000 M, Fleisch 780000 4, Olivenöl 100000 4, Leinöl 310 000 &, Stearin, Talg 2c. 150 000 4M, Kaffee 1870000 #, Reis 250 000 . Thee 0000 M, Zucker und Syrup 170000 #, Citronen, Apfelsinen Bs Rosinen 550 000 , Korinthen 540 000 4, Mandeln I 130009 A, Leinenwaaren 110 0.0 4M, Wollenwaaren 10000 #, Summa 7 770000 4 7 E Mitbin übersteigen hiernah die Mehrerträge die Mindererträge 7 um 49200009 Æ (selbstverständlich handelt es si hier nur um runde ahlen und um die Brulto-ZolUerträge ohne Anrechnung der Ver- H waltungskosten) und von einem Rückgange der Zollerträge zu reden ist

Ÿ also eitel Flunkerei.

_ Außerdem aber ist es wohl der Beachtung werth, daß Ÿ unter denjenigen Artikeln, welche geringere Zollerträge ere S geben, sich gerade eine ganze Reihe solcher befindet, deren Einfuhrrückgang unseren eigenen wirthschaftlihen Interessen N N qute kommt wie z. B. Vieh, Butter, Schmalz, Fleisch, } Mehl, Zucker, ebenso auch Leinewand und Wollenwaren ; nit zu

A (A ,

übersehen ist ferner, daß die recht erheblihen Mindererträge der Zôlle j auf Citronen, Apfelsinen, Rosinen, Korinthen und Mandeln nicht i A in geringeren Cinfuhrmengen ihren Grund haben, sondern le- y glich dur die handelsvertragsmäßig bedeutend reduzirten Zollsätze

hervorgerufen sind, und daß gerade im Gegentheil die Einfuhrmengen dieses Jahres die des vorigen sehr bedeutend übersteigen.

Daß Kaffee, Reis und Thee eine Mindereinfuhr und somit zu- gleih einen Ausfall an den Zollerträgen aufweisen, hat, wie sattsam bekannt, nur darin seinen Grund, da5 die abnorm niedrigen Preise des vorigen Jahres eine den Bedarf übersteigende Einfuhr bewirkten.

Auch hier ftehen also wieder die Behauptungen des großen a und Rechenkünstlers im geraden Widerspruh zu den That- achen.

Die „Staatsbürger - Zeitung“ schreibt zum Kapitel des parlamentarischen Regime:

Einer der hervorragendsten National-Oekonomen Frankreihs hat im „Economiste français“ die Behauptung des Näheren begründet, daß an cine Gesundung der französishen Staatsfinanzen erst dann zu denken scin werde, wenn die Besugnisse des Parlaments erheblich eingeschränkt und Sicherheiten gegen die „Despoten-Launen*“ der Volksvertretung beschafft werden. Dies sind goldene Worte und es ist namentlih zu beachten, daß sie aus einem Lande kommen, wo das sogenannte rein parlamentariihe Regime seit etwa sechs Jahren, das ist seit Verzichtleistung des Marsc{alls Mac Mahon auf seine Stel- lung als Präsident der Republik, bis in seine äußersten Konsequenzen akiivirt worden ist.

. Bis jeßt Hatte Frankreih die hochweise Einrichtung

daß den in der Kammer der Deputirten vor- herrschenden mehr oder weniger radikalen Elementen ein Gegen- gewi{ht gegeben war in der Kammer der Senatoren, welche nidt aus direkten Volkswahlen hervorginger, sondern mittelbar ge- wählt wurden. Auf diese Weise ward der Senat aus besonnenen Clementen zusammengeseßt, welhe zwar ebenfalls überwiegend repu- blikanishen Ideen huldigten, aber den Strömungen der Zeit in einem etwas langsameren Tempo folgten. Man rüttelte seit geraumer Zeit an den Grundlagen des Senats; denn die Madikalen hätten ihn am liebsten ganz beseitigt, so daß dann der Wille der Kammer der De- putirten allein maßgebend gewesen wäre. Die Furcht vor einer ge- waltsamen Erschütterung seiner Grundlagen nöthigte ihn zu gar mancher Konzession, die er dann später bedauerte, indem er damit {ih selbft untergraben half.

Nach einem etwa fünfjährigen Rütteln an feinen Fundamenten gelangten die Radikalen nun wirkli dazu, das Ministerium zu einer Geseßesvorlage zu prefsen, betreffend eine andere Zusammensetzung des Senats. Der betreffende, nun in Vorlage gebrachte, soeben in Berathung stehende Regierungsentwurf \trebte selbstverständlich die Beibehaltung cines Theiles des seitherigen Modus der Zusammensetzung des Senats an ; aber wie von vielen befürchtet wurde, erfochten auch hier die immer mehr zum Extrem drängenden Radikalen einen neuen Sieg, indem die Kammer ein Amendement annahm, nach welchem die Wahlen zum Senat mittels des allgemeinen Wahlrechts und Listenscrutiniums vorzunehmen seien. Die Negierung war bestürzt, es drohte ein Nück- tritt des gegenwärtigen Ministeriums, dem Frankreich in der That sehr viel zu verdanken hat, nur mit Mühe konnte man die Minister überzeugen, daß die betreffende Abstimmung kein Mißtrauens- votum gegen sie involvirte. Aber die Unruhe bleibt und was die Hauptsache bei der ganzen Affaire ist, die Kammer der französischen Deputirten, welche ohnehin schon viel radikaler ist, als irgend eine in der Gegenwart cxistirende Volkökammer, wird, sobald sie obigen Be- \{Gluß nicht festhält, als reaktionär verschrien werden und die nächsten Wahlen werden alsdann noch viel radikaler ausfallen.

An dem Beispiel Frankreichs ersieht man also, wohin das \o- genannte parlamentarische Regime führen kann, wenn den bes{ließenden Kammern kein auf einem unverrückbaren, ja felsenfesten Fundamente stehendes Geaengewicht gegenübersteht, in der Person eines hocbgeistigen, erleuchteten Monarchen, der den Pulsschlag, den Willen seines Volkes und die Bedürfnisse desselben richtiger beurtheilt, als es von Seiten der Abgeordneten geschieht, die in Folge der Gelüste herrs{chsüchtiger Fraktionen nur allzu leiht der Degenerirung verfallen. Die Despotenlaunen der Volkévertretungen find gar viel gefährlicher als die Maßregeln der Vernunftsdespotie eines großen Staatsmannes, welcher, sobald ec sieht, daß sih das parlamentarische Regime zu einer gemeinschädlichen Fraktionswirthschaft und zu einem traurigen Spiele auëswächst, der Volksvertretung ein Quos ego! zuruft. . .. i

In der „Baugewerks-Zeitung“ lesen wir:

Das Eeseß Ackermann, betreffend den 8. 109e der Gewerbe- Ordnung, dessen Publikation durch den „Staats-Anzeiger“ man täg- li ermarten darf, wird in der fortschrittlihen Presse vielfah er- örtert. Während man aber vor der Annahme durch den Bundesrath resp. durch den Reichstag dasselbe immer als Schreckbild und gleich- bedeutend mit der Zwangsinnung hinstellte, verfolgt man jeßt die Praxis, das Ge seß als vcrhältnißmäßig einflußlos darzustellen, welches überdies leiht zu umgehen sei. Auf die Mittel der Umgehung kommt cs natürli jener Partei nicht an. So sagt das „Braun- \chweigische Tageblatt“ vom 20. November d. J.:

„und möglicherweise sind auch die Folgen der Annahme des Ackermannschen JInnungéantrages nicht so fühlbare, wie befürchtet worden, weil durch das Fehlen der Strafbestimmungen für die Ueber- tretung des Verbotes an Nicht-Jnnungsmeister, Lehrlinge zu halten, die Durführung der Neuerung so gut wie unmöglich gemacht worden ist. Wird aber das Versäumte nachgeholt, was erft nah einiger Zeit im Reichstage würde geschehen können, \o bleibt den Nicht-Innungs- meistern immer noch der Weg frei, sih über die Schranken des Lehr- lingsparagraphen hinwegzuseßen, indem sie ihre Betriebe äußerlich und auf die leichteste Weise zu Fabrikbetrieben machen und ftatt eLehrlinge* fortan „jugendliche Arbeiter® anstellen.“

Also man soll fih über die Schranken des Lehrlingsparagraphen hinwegsetzen, indem man die Betriebe äußerlich in Fabrikbetriebe um- wandelt und ftatt des Lehrlings nur „jugendliche Arbeiter“ anstellt. Versteht der Schreiber des Ariikels im „Braunschweigischen Tage- blatt” die Bedeutung feines Nathshlages? Weiß er, daß man damit die Zukunst des jungen Arbeiters und die Zukunft des Handwerks vernichten würde. Es ift das Lehren und Lernen ein sehr ernstes Ding und ein jugendlicher Arbeiter in einer Fabrik kann wohl bei guter Drillung ein Stück Maschine werden, aber niemals ein tüchtiger Gesell. Tüchtige Gesellen und Meister werden aber —— abgesehen vom Handwerk im Fabrikbetriebe sehr nothwendig gebraucht, denn ohne jolche kann keine Fabrik, keine Großindustrie bestehen.

Die Innungen laden sih große Arbeit und Verantwortlichkeit durch die Ueberwachung des Lehrlingswesens auf, und daß man ihnen dur die lex Ackermann ein wirkiches Vorrecht gegeben, werden sie durch viele shwere Pflichten wieder wett machen müssen.

Uebrigens scheint es uns an dieser Stelle angebracht, auf die, fagen wir, Ungenirtheit hinzuweisen, mit welcher die mancesterliche Presse ihre Anhänger die Umgehung von Gesetzen lehrt.

In demselben Artikel giebt jener „Kenner der handwerklichen Verhältnisse“ noch ein:n anderen Rath, indem er sagt:

„Vielleiht wäre es sogar von Vortheil, wenn die bisher außer- halb der Innungen gewesenen Meister jeßt in die Jnaungen eintreten, um nicht dur die lex Uckermann benachtheiligt zu werden.

Diesem Rath können wir nur zustimmen, denn seine Wirkung wird eine andere sein, als sih der Rathgeber vorstellt. Diejenigen, welche in die Innung treten, werden nämlich bald erkennen, daß dort nit Zünftlerei und Formenkram getrieben, sondern recht ernsthaft gearbeitet und. gestrebt wird. Wenn unsere Gegner {ih uns erst an- \hließen, so werden bald aus Feinden Freunde unserer Sache gewor- den sein, und darum können wir den „liberalen“ Handwerkern, wenn sie nur tüchtig find, zurufen: „Kommt zu uns, das Weitere wird si finden.“

besessen,

Land- und Forstwirthschaft.

London, 6, Dezember. (A. C) Am 5. d. verstarb in London Dr. Augustus Völcker, berathender Chemiker der König- lichen Landwirthschaftlihen Gesellshaft von England.

Gewerbe und Handel.

Das Königliche Polizei-Präsidium hierselbst bringt die Po-

[izel-Verordnung vom 23. April 1869 in Erinnerung, nach welcher nicht

allein das Anfectigen von Feuerwerkskör pern und erplodirenden Stoffen, sondern auch die weitere Behandlung derselben behufs des Verpackens sowie das Verpaken selbst nur in Räumen gesehen darf, für deren Benutzung zu den gedahten Zwecken eine besondere poli- zeilihe Konzession ertheilt worden is, Zuwiderhandlungen werden in Gemäßheit des §. 367 Nr. 4 des Strafgeseßbuches mit Geldbuße bis zu 59 Thlr. oder Gefängniß bis zu 6 Wochen bestraft.

Der Bericht der Berliner Unions-Brauerei für das Geschäftsjahr 1883/84 konstatirt, daß sih das Geschäft stetig und in normaler Weise Eebt; es sind in diesem Jahre bei einem Malz- verbrauch von 38 060 Ctr. rund 76 846 11 Bier verkauft, während im Vorjahre bei 29 700 Ctr. Malzverbrauchß nur 63 6307 hl Bier ab- gefeßt wurden. Der Nettogewinn des verflossenen Jahres beziffert si inkl. 1207 Æ Vortrag aus 1882/83 auf 110 749 A Davon erhalten der Reservefonds 5477 #, der Aufsichtsrath 6572 46, die persönlich haftenden Gesellschafter 6572 (4, die Aktionäre 3% Divis- dende mit 90000 4 und 2121 A werden auf neue Rechnung vor- getragen.

Danzig, 8. Dezember. (W. T. B.) Die Einnabmen der

Marienburg-Mlawkaer Eisenbahn betrugen im November cr. 160 600 Æ, mithin 14485 Æ weniger als im felben Zeitraum des Borjahres. London, 6. Dezember. (Allg. Corr.) Die handelsamt- lihen Ausweise pro November ergeben einen Einfuhr- werth von 30752453 Pfd. Sterl. oder 5773 984 Pfd. Sterl. weniger als im November 1883, Der Import für die abgelaufenen 11 Monate beziffert sih auf 356 689 579 Pfd. Sterl, d. i. eine Ab- nahme von 34 926 222 Pfd. Sterl. im Vergleich mit demselben Zeit- raum des Vorjahres. Der Ausfuhrwerth pro November stellt sfi auf 17 704 213 Pfd. Sterl., was einer Abnahme von 2 350 485 Pfd. Sterl. gleihkommt. Die Verminderung für die 11 Monate beträgt 5 771 170 Pfd. Sterl.

Glasgow, 6. Dezember. (W. T. B.) Die Vorräthe von

Roheisen in den Stores belaufen sich auf 579 700 Tons, gegen 583 500 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betriebe befindlichen Hochöfen 93 gegen 103 im vorigen Jahre. Stk. Petersburg, 7. Dezember. (W. T, B) -Die trats- kautasische Eisenbahngesellschaft hat den Tarif Tir Kerosin und Naphta herabgeseßt; von Baku bis Batum und Poti beträgt die Zuscblagstare 16 Kop. pro Pud, der Rücktrans8port der leeren Fastage erfolgt unentgeltlich.

New-York, 7. Dezember (W. T. B) Der Werth her Waareneinfuhr in leßter Woche betrug 6500 000 Dollars, davon entfallen 1 100 000 Dollars auf Manufakturwaaren.

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Fulda“ ist gestern Vormittag 11 Uhr in New-York eingetroffen.

Bremen, 8. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Habsburg“ ist gestern früh 6 Uhr in New-York eingetroffen.

Hamburg, 6. Dezember, Abends. W. T. B.) Das \chwim- mende Dok „Blohm Voß“ ist im Laufe des heutigen Tages aus seiner gefährlichen Lage glücklih befreit und in Sicherheit ge- bracht worden, nachdem es gelungen war, das Do sinken zu laffen und den englischen Dampfer „Athens“ herauszubringen. Der Gis8gang ift bedeutend geringer geworden.

Hamburg, 7. Dezember. (W. T. B.) Der Postdampfer „Westphalia“ der Hamburg-Amerikanishen Packetfahrt- Aktiengesellschaft is, von New-York kommend, heute Morgen in Plymouth cingetroffen.

Triest, 7. Dezer:ber. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Achille“ ist gestern Nachmittag mit der ostindischen Ueberlandpost aus Alexandrien hier eingetroffen.

Holyhead, 8. Dezember. (W. T. B.) Der Dampfer „Pochard“, mit Passagieren und Ladung von Cork nach Rotterdam bestimmt, ist gestern Nachmittag in dec Nähe von hier gesunken, Dögleih das Rettungsboot sofort hinausgeshickt wurde, so konnte des {weren Seeganges wegen doch Niemand gerettet werden.

Sanität8weseu und Quarantänewesen. JTalten. Nr. 41. Erlaß des Königlich italienishen Ministeriums des Fnnern vom 23. November 1884:

Artikel 1. Die aus allen nicht egyptischen, jenseits des Suez- fanals gelegenen Häfen und Pläßen kommenden Schiffe, welche mit reinem Patent verschen und auf denen während der Ueberfahrt Krank- heitsfälle nicht vorgekommen sind, werden von heute ab einer ärzt- lihen Untersuhung und einer Beobachtung von 24 Stunden unter- worfen, während welcher Zeit an Bord die im Artikel 133 der ministeriellen Instruktionen vom 26. Dezember 1871 vorgeschriebenen Desinfektionsmaßregeln und Lüftungen ausgeführt werden müssen.

Bon dieser Beobachtung bleiben diejenigen Schiffe befreit, welche si in der oben erwähnten Lage befinden und barthun können, daß sie jener Beobachtung bereits in zum freien Verkehr zugelassenen Zwischen- häfen unterworfen gewesen sind.

Artikel 2. Das zur Zeit bezüglih der Einfuhr von Hadern, Lumpen und alten niht gewaschenen Kleidungsstücken, welche aus jenen Gegenden stammen, bestehende Verbot bleibt bis auf Weiteres in Kraft.

Berlin, 8. Dezember 1884.

Se. Majestät der Kaiser und König konnten, der unsicheren Witterung halber, der am Sonnabend, den 6. De- zember cr., in der Göhrde stattgefundenen Hofjagd nicht bei- wohnen, und auch Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz war behindert. Deshalb ward die Jagd im Aller- höchsten Auftrage von Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Wilhelm abgehalten.

Die am Schluß verrihtete Gesammtstrecke ergab nah einer Suche mit der Findermeute auf Sauen im abgestellten Jagen am Waschkabel und einem Hauptjagen auf Rothwild in Adlershorst : 32 Hirsche, 35 Stück Wild, 118 grobe, 68 ge- ringe Sauen und 1 Rehbock. Auf die Strele Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm entfiellen 2 Hirsche, 10 grobe und 13 geringe Sauen.

Togogebiet und Biafra-Bai. (Aus der dem Reichstag vorgclegten Denkschrift.)

Ier. L. Berlin, den 14. April 1883.

In den französischen Documents Parlementaires vom März d. F. wird der Worlaut ciner am 28. Juni v. J. in Paris unterzeichneten Konvention zwischen Frankreih und England, betreffend eine Demar- kfationslinie für die Ausdehnung ihrer beiderseitigen Besitzungen an der Westküste von Afrika, nördlich von Sierra Leone, veröffentlicht.

In den Motiven zu dem inzwischen angenommenen Ratifikations- geseßze ift außer auf die Nothwendigkeit einer geographischen Ab- grenzung der beiderseitigen Besitzungen, bezw. in Besitz zu nehmenden Landstriche, au auf die in der dortigen englisben Kolonie gebräuch- liche höhere Belastung des fremden als des britishen Handelsftandes hingewiesen.

Na Artikel 5 nnd 6 der Konvention sollen die Angehörigen der Kontrahenten in ihren beiderseitigen Besitzungen an der ganzen Westküste von Afrika auf gleichem Fuße behandelt werden.

Diese Konvention und andere noch schwebende Verhandlungen zwischen verschiedenen Kolonialmächten zur Regelung? ihrer Beziehungen

und Handelsinteressen an der westafrikanischen Küste, legen uns den