1884 / 294 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 13 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

zuglei das Gebiet der Amba8-Bay, wo seit langer Zeit eine britisbe Niederlassung besteht, unter den Schuß und die Aufsicht der britishen Krone zu stellen.

Indem ih mir die Ehre gebe, diese Thatsachen zu Euer Ercellenz Kenntniß zu bringen, bcnute ic 2c.

sei, halte er das vorhin von ihm (dem Redner) Gesagte volllommen aufrecht. Allerdings verträten einzelne Parteien im Hause vorzugsweise bestimmte Fnteresen und Richtungen. Wenn der Abg. Günther immer so stark“ bei den Wahlen sih als Vertreter der bäuerlichen Jnteressen aufgespielt habe, so hätte er (Nedner) von seinem heutigen Standpunkte aus ihm dazu ebenfalls das Recht bestreiten können. Die Liebe des Abg. Günther für die Armen fei bisher sehr platonisch; sie habe immer nur so weit gereiht, als es nichts gekostet habe und sich stets nur in Reden, niht in Thaten geäußert. Der Abg. Günther und seine ganze Partei habe am aller- wenigsten das Recht, sich Vertreterin der Armen zu nennen ; (Zwischenruf des Abg. Prinzen Carolath) und der Abg. Prinz Carolath, der das bestreite, follte fich doch lieber erinnern, daß er sein Mandat mehr seinem Land- rathzamt, als der Vertretung der armen Leute verdanke. Die Antwort des Staatssekretärs von Schelling habe gar nichts gegen seine Behauptung bewiesen, daß die Regierungen das Gerichtskostengeseß als Finanzgesez gebrauhten. Wenn sich die Einnahmen aus den Gerichtskosten vermindert hätten, so liege das eben nur daran, daß wegen zu hoher Kosten viel weniger Prozesse als früher geführt würden. Die Regierung habe sih hier ebenso verrechnet als bei den indirekten Steuern ; Gerichtskosten wie indirekte Steuern, wenn fie im Mißver- hältniß mit der wirth\chaftlihen Leistungsfähigkeit der großen irg ständen, brähten um so weniger ein, je höher fie eien.

Der Abg. Günther erklärte, er sei niht erst heute ein Freund der armen Leute geworden, sondern sei es stets ge- wesen, wie er durch seine Abstimmungen auch oft bewiesen habe. Aber die sozialistischen Bestrebungen unterstüße er gerade deshalb nicht, weil sie niht den wahrcn nteressen der Armen dienten.

Das Kapitel wurde hierauf bewilligt.

Die Titel 3, 4, 6 und 7, welche Mehrforderungen ent- hielten, wurden auf Antrag des Abg. Nickert der Budget- fommission überwiesen. y

auß den Herren eine gewisse Auesi&t auf ein kleines f einer Prozeßführuna werden sorgfältiger erwogen, Avancement noch eröffnen, daß sie den Rang und die Kompetenzen eines Staboffiziers noch erreiden können. I glaube, daß das eben alles hier Personen trifft, welche, wenn sie nit mit einem leiten körperlihen Gebreden, was fie sih aub in der Mehr- zahl der Fälle im Dienste zugezogen haben, behaftet wären, eine ganz gute und vortreffliche Ausficht auf Avancement in der Armee ge- habt bâtten.

Unter diesem Gesichtépunkte, meine Herren, baben wir nun für die beiden größten Gefängnisse und da motivirt sis ja einiger- maßen, daß man an die \{wierigsten und umfangreihften Posten auch Offiziere von höherem Range stellt für derartige Perfönlich- Feiten zwei solbe Stellen in Aussiht genommen. Jh möchte also hiernach dem Reichstage die Bewilligung tieser Position empfehlen, im Interesse auch der Freudigkeit des Dienstes, damit auch diesen Offizieren, die in das Gefängnißwesen, in diese Partie dauernd über- gehen müssen, dochþ auch eine gewisse Ausficht zu einem immerhin be- \cheidenen Avancement bis zum Stabsoffizier noch gewahrt bleibt.

Der Abg. von Benda erklärte, die nationalliberale Partei halte die beantragte Erhöhung niht für allzudringlih und werde mit Nücksiht auf den Etat für dieses Jahr dagegen stimmen.

Die Mehrforderung wurde darauf abgelehnt, der Titel im Uebrigen bewilligt, desgleichen die übrigen auf der Tages- ordnung stehenden Titel des Militäretats.

Die zweite Berathung des Etats der Verwaltung des Reichsheeres soweit er niht der Budgetkommission überwiesen war, war damit erledigt.

Es folgte der Etat der Reihs-Justizverwaltung (focidauernde Ausgaben Kap. 65 Tit. 1).

Bei Kap. 65 Tit. 1 (Staatssekretär) brachte der Abg. Payer die Frage einer Revision des Gerichtskostengeseßes in Anregung. Der Reichstag habe sich schon früher für cine Ermäßigung der Gerichtsgebühren ausgesprohen und auch eine Herabseßung der Anwaltsgebühren für wünschenswerth erklärt. Am 15. De- zember 1881 sei dann der Reichstag aufs Neue mit großer Majorität für diese Forderungen eingetreten und habe zuglei die Erwartung ausgesprochen, daß eine durchgreifendere Er- mäßigung der Gerichtsgebühren bald herbeigeführt werden

Nüßlichkeit ja vielleicht von dem einen oder anderen der Herren be- stritten wird, aber es bestebt doch einmal die Militärverwaltung doch verpflichtet, ein sol%es Institut im Interesse der Armee so weit wie mögli auszunutzen.

Nun fagt der Herr Abgeordnete: ja, das Manko an Offizieren nimmt ja mit der Zeit ab. Ja, doch mit Hülfe des Kadettencorps; wenn wir nit mehr junge Leute aus dem Kadettercorps in die Armee überführen, wird doch immer ein erheblibes Manko bleiben, und Sie mögen darüber denken, wie Sie wollen, die Er- gänzung des Offiziercorp3 dur das Kadettencorps ift ein wesentlicher Theil unserer Ergänzung, und wenn wir das beschneiden und ab- \{neiden, wird dadur cin Element aus der Gesammtergänzung unseres Offiziercorps herausgenommen, welch(es niht zu entbehren ift.

Was nun den Antrag, den der Herr Abgeordnete stellen will, anbetrifft, so setze ich voraus, und es wird auch wohl hier aus dem Hause irgend Jemand den Wunsch haben, daß wir die Sache nicht im Plenum zu Ende briúgen, sondern auch vielleiht in der Budgetkommission erörtern. Ih habe gar nichts dagegen, id meine nur, wenn der Antrag des Herrn Abgeordneten Eeseß wird, dann werden j er O. Ut: Der

' _sorgf namentli solle aus der Tasche der Einzelstaaten genommen werden, und | dee DUNEE Zee DaBung I Gatat pee und qus al dafür solle die Rechtspflege vertheuert werden! Die Ver- lelem a L ergeven etne Jeyr eryebvuwe ¿nutn 4 : : e. e Pro. ese ne Brsen Pelider ih nur eine üb e derung ë theuerung der Rechtspflege sei ein Unglüd, sie verlege dem E E % erwl2gend günsti, armen Manne den Rechtsweg. Die Klagen seien nicht er- D qs eg Bes loschen, sie seien auch dur den Reichstag, als offiziellen Nertreter des Volkes, bei jeder Gelegenheit vorgebraht worden. Eine Reform hier allein wolle er auch nit, sondern er wolle Druck der Prozeßkosten, die ebenso die Herabseßung der Rechtsanwaltsfosten, wie der Abg. der leßten Zeit merklich nachgelassen haben, nit , Hartmann, aber man müsse diese beiden Bedürfnisse nicht in einen Hintergrund von Berechtigung find. Der went Zusammenhang bringen. Daher sei es gekommen, daß man E a play in dee That G in Has [chwierigen Lee jezt so gut wie gar nichts erreihen werde. Wenn man den wenn er letn Ne vor Werl verso gen, nocl meHr, wenn s 9 2 D d 5 Gerichtsvoll ieherwesen in Süd- ) idi s i e É wae N C es nwaltszwang un a ) z e 1 vertheidigen soll, und namentlich wenn det Prozeß vor dem éandgei-M peutschland, wo es früher nit bestanden habe, wieder ab- o J ) ( i ) S; T fa F A = O S der Prozeßordnung im Auge; ih glaube im Gegentheil, ‘dag schaffen würde, -#0 würde ein Sturm der Freude dur das Land Armenrecht in unserer Geseßgebung vielleiht einen zu wz gehen. Er werde den Reichstag nun doh, was er anfangs Raum einnimmt und den Anwaltstand mehr als bis niht gewollt habe, vor die ¿Frage stellen, ob derselbe sich mit belästigt. Jch s\prebe von derienigen Klasse der Bevölkery,® den vom Regierungstische gegebenen Erklärungen begnügen, welbe das Armutbzeugniß nit erlangen kann oder will, aber »,4 oder ob derselbe das Votum früherer Reichstage: neben der in es E O is e Es nabesteht Herabminderung der Kosten auf anderen Gebieten der Justiz welche 1h mil dem Armenrech1 aué]lalten zu lasen pflegt. Wor F h ex Gerichtsko vorzunehmen, wieder- dar ves E hie DEwierigret Jet VetdtovesliBeng und Regi afer eien der Gerichtskosten vorzunehmen, “g B ais E Bala anti mge, da Der Abg. Kayser bemerkte, die Justiz solle keine melkende gehen, “aber der Weg, den der Hr. Abg. Payer berei Kuh sein, aus der die Verwaltung Früchte für sich ziehe, sondern will zur Abhülfe der hervorgetretenen Uebelstände, der jj vielmehr so eingerichtet sein, daß «zedermann, der si in seinem dod ein zu einseitige. Ec will von unserer ganz Rechte gekränkt fühle, auch die Rechtspflege in Anspruch nehmen Gebüßrengeseßgebung nur cinen Theil, nämli das Geribtskostey, könne. Als Vertreter der armen Leute wende er sih beson- geses mit Auésschluß der Anwalts- und Gerichtsvollzieher-Gebührey, ders lebhast gegen die Erklärungen des Staatssekretärs von On, in M E ks T EE iw ¿pillen. Z Schelling, daß die hohen Gerichtskosten von Prozessen abs einem so einseitigen Vorgehen werden si, glaube ich, die rec tats Go - Dio F i Ne bündeten Regierungen in keinrm Falle entschließen. s: schrecken sollten. Das f ph M E Nun möchte ih aber auch noch die Meiaung ausfprecen, daß verzichten, weil ne nicht Geld genug hâä e d B vet nicht so sehr die Höbe der einzelnen Gebühr oder die Höbe der einzelne zuleiten. Seine Partei sei deshalb für Herabsezung er Ge- Auslagevergütung ist, welche den wirthshaftlich Schwachen bei der rihts- und auch der Anwaltskosten. Der Abg. Dr. Porsch Prozeßführung bedrüct, sondern das vorzugsweise Beschwerene habe dem Hause den Anwalt do gar zu sehr als armen 4 E S E, zu Ca enen Gebühren. Und worin ht Mann vorgeführt. Jhm sei bekannt, daß für Konferenzen diese ihren Grund? Diese hat ihren Grund, daß die Partei, um y von fünf Minuten, wobei es sich um ganz geringe Be- ihrem Rechte zu kommen, zwei Vrgare, den Richter und den Gerichts. träge gehandelt habe, 20 6 gefordert worden seien. Die I Be Mute, Evan: Lev: Aal In Gu S Kosten müßten um so mehr niedrig bemessen werden, da

Charles Scott.

Nun, meine Herren, mißverstehen Sie mi aber nit, Wi

ih alles in der Prozeß- und Kostengeseßgebung als in befter Ordnys en, daß d Übrigens d

befindlich ansehe.

/ Ib muß meinerseits vielmehr zugeben, Klagen über den

Nr. 12.

(Auszug.) .

Klein-Elodby, den 16. August 1884. Ero. Durcblaucht beechre ich mich, den nachfolgenden Bericht e meine Thâtigkeit in der Biafra-Bai ganz gehorsämft zu unter- reiten. Nachdem wir am 8. Juli die Rhede von Waidah verlassen hatten, wendeten wir uns der Biafra-Bai zu und trafen am 11. Juli am späten Nachmittage vor der Mündung des Kamerunflusses ein. In der Mündung des Kamerunflusses stießen wir auf zwet Woermann"sche Dampfer, von denen der eine Kohlen für S. M. S. „Möwe“ nat dort gebracht hatte, und der andere, der kleine Küsten- dampfer „Mpougwe“, von Bimbia kam und zu unserer großen Freude den Kaizerlichen Konsuk Herrn Emil Schulze, den Agenten von C. Woermann in Kamerun, Herrn E. Schmidt und Herrn Woermann, einen jüngeren Bruder des Herrn Adolph Woermann, an Bord hatte. Von diefen Herren erfuhren wir zunächst, daß die im Auftrage des Herrn Adolph Woermann in den in der Biafra-Bai gelegenen Distrikten getroffenen Vorbereitungen für eine etwaige Inbesthnahme Deutschlands Ausfichten auf Erfolg bôten. Kaum waren wir am nächsten Vormittag vor den dicht neten einander liegenden Residenzen der Könige Bel und Agua angelangt, als die Agenten von C. Woermann und von Jantzen & Thormählen an Bord kamen und meldeten, daß der Häuptling Dido und seine Unterhäupilinge am gestrigen Tage einen Vertrag mit ihaen ab- geschlossen habe. Der Tag ging mit Verhandlungen mit dem König Bell und dem König Aqua, welcher letzterer erst am Abend eingetrcffen war, hin. Scließlih führten dieselben zu dem Ergebniß, daß auch die Könige Bell und Agua nebst ihren Æuten einen Vertrag unter- zeicneten, durch welchen sie den Firmen C. Woermann und Janßen & Thormählen sämmtliche Hoheitsrechte abtraten. In den mit den Kamerunhäuptlingen abges{lofsenen Verträgen find seitens der leßteren folgende Reserven ganz besonders ftipulirt worden :

wir 1a Lage sein, wieder Manguemcnts unter Umständen in den Penfionärs- ftellen zu haben und fie niht anderweitig decken zu können. Ich glaube, daß das dow nicht im Interesse der Sache liegt, nabdem das Snstitut einmal besteht mit seinen großen Einrichtungë- und General- kosten. Jch meine, wir treffen doch auch vom finanziellen Stand- punkt aus das Richtige nur dann, wenn wir sagen: wir werden für manquirende Pensionâre so viel etatsmäßige Kadetten einstellen dürfen, daß, wenn wir berechnen, welhe Kosten nun durch die mehr- eingestellten Kadetten erfo derliÞh find, diese Kosien auch dur die mehr cingehenden Pensionsbeiträge im Ganzen gedeckt wer- den, und daß wir im Einzelnen dann auch in ähnlicher Weise ab- tufen, wie wir überhaupt bei den Pensionssäßen abstufen.

Das würde meiner Meinung nach cine Lösung sein, die in der Billigkeit läge, und wo cs angemessen wäre, der Militärverwaltung eine derartige Ermächtigung zu ertheilen. /

Der Abg. von Vollmar bemerkte, seine Partei hade stets gegen das Kadettenwesen sich erklärt, weil es eine ganz ein- jeitige Erziehung darstelle, welche seine Partei ebenso wie bei den Unteroffiziershulen und ähnlihen Anstalten durchaus be- kämpfe. Er habe nur auf die Ausführung des Kriegs- Ministers eingehen wollen, wonach Zurückweisungen „wegen

Du s

mündlier Abg. Frhr. von Huene R dom aßgabe des Etats paritätischen Anstalt etatsmäßig vorgesehez U fatholishe Geis:lihe angeslelt sei oder nit;

der sozialen Stellung der Familien“ erfolgt seien. Es könne kein Zweifel darüber bestehen, was unter diesem Ausdruck gemeint sei. Begreiflih sei, daß man im Allgemeinen die Söhne von Adligen, Offizieren und vom höheren Bürgerstande vorzüglich oder aus\scließlich in die Kadettenanstalten auf- nehme; Handwerker- und Arbeitersöhne seien zweifellos aus- geschlossen; sie gehörten eben in die vorher genannte Kate- gorie. Er habe auch gar nichts dagegen, daß sie niht auf: genommen würden; aber es sei doch ganz gut, wenn hierbei wieder einmal konstatirt werde, daß die Organe einer Regierung, welhe mit Vorliebe vom kleinen Mann spreche, welche heutzutage von Arbeitersreundlichkeit überfließe, hier derartige Klassenunterschiede aufrecht erhalte, mit ver- \chiedenem Maß nach der sozialen Stellung messe, die Söhne von Arbeitern und Handwerkern anders behandele, als die Söhne der höheren Stände, beziehungsweise die ersteren als nicht anständig genug betrachte, um zu Offizieren erzogen zu werden.

Der Abg. Kalle beantragte, den Antrag Nichter der Budget- Éommission zu überweisen.

Das Haus beschloß demgemäß und erledigte darauf eine lange Reihe von Titeln desselben Kapitels ohne Debatte.

Bei dem Titel „Militär-Knabenerziehungs-Fnstitut zu Annaburg, einschließzlich der Unteroffiziershule daselbst“ fragte an, 0b dex an diejer naGV

Gründen event. die Anstelung unterblieben sei, ob dann?

anderweit für den Religionsunterriht der katholischen Kinder gesorgt sei, resp. ob katholische Kinder in der Anstalt nicht vorhanden oder etwa zurückgewiesen seien.

Der Bundeskommissar, Major Haberling erwiderte, wegen der geringen Zahl der gegenwärtig in der Anstalt aufgenom- menen fkatholischen Knaben sei der etatsmäßige katholische Geistliche niht angestellt. Die Knaben seien aber behufs Be- friedigung ihrer religiösen Bedürfnisse in katholishen Waisen- häusern untergebraht. Die Aufsnahmebedingungen seien für die evangelishen wie für die katholishen Knaben ganz dieselben.

Der Titel wurde bewilligt.

Jn Kap. 36, Militärgefängnißwesen, ist eine Mehrforde- derung von 3600 (6 beantragt, indem von den 8 Stellen für Hauptleute 1. Klasse à 3600 /( vom Aufsihts- und Verwal- tungspersonal der Festungsgefängnisse 2 in Stabsoffizierstellen à 5400 6 umgewandelt werden sollen. Nach den Erläute- rungen foll dur diese Kreirung von Stabsoffizierstellen der dienstlichen Bedeutung, Erfahrung und Verantwortlichkeit, welche für die Stellen der Vorstände der Festungsgefängnisse zu Cöln und Spandau erforderlich sind und die Beseßung durch ältere, als Compagniechefs erprobte Offiziere verlangen, Rechnung getragen werden.

Der Abg. Richter (Hager) hielt diese Mehrforderung An- gesihts der Finanzlage und auch sahlich für ungerechtfertigt und beantragte ihre Ablehnung. Man solle lieber statt der aktiven solche Offiziere zum Gefängnißdienst verwenden, die in Folge leichter körperliher Gebrechen sonst {on in jüngeren Jahren pensionirt würden.

Demnächst ergriff der Staats-Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Meine Herren! Die neue Organisation des Militärgefängniß- wesens ift von außerordentlich gutem Einfluß auf die Sache selbst gewesen. Unzweifelhast, das ergeben die alljährlihen Berichte des General-Auditoriats, bessern sih die Verhältnisse im Miilitär- gefängnißwesen zusechends insofern, daß die Leute nicht bloß ihre Strafe absiten, sondern auch wirklich gebessert werden, und insofern, daß viel weniger Bestrafungen im Gefängniß selbst jeßt vor- fommen und vicl weniger harte Bestrafungen als früher. Das ist im Wesentlichen auch cine Folge davon, daß wir in neuerer Zeit be- bis A E RO sind, tüchtigere Kräfte an die Spiße der Gefängnisse zu Treuen.

Der Herr Abgeordnete hat ganz recht, wènn er sagt, man könnte ja cin Militärgefängniß nicht wie cin Bataillon betraten. Es ift z. B. volle Felddienstfähigkeit niht ein Bedürfniß für den Vorstand eines Festungsgefängnisses, das ist vollständig zuzugeben ; es erfordert aber doch ganz erhebliche Qualifikationen des Geistes und des Charakters. Nun haben wir, um dem Militärgefängnißwesen aufzuhelfen, sogar ganz besonders hervorragend qualifizirte ¡Dffiziere aus dem Frontdienst in das Gefängnißwesen übergeführt, um diesen gewissermaßen verirrten Mannschaften, deren weitere Disziplinirung und Erziehung ja eine \{wierigere Aufgabe ift, als im Frontdienft, auf den richtigen Weg zu helfen. Gewiß, meine Herren, lassen wir solche Difiziere dann au, wenn sie voll- Tommen dienstfähig sind, roieder in den Frontdienst zurücktreten ; wir wollen doch aber überhaupt nur vollständig für den Zweck geeignete Personen anstellen und wollen doch auch, wenn Jemand, wie der Herr Nbgeordnete sagt, um eines leichten körperlichen Gebrechens willen

aus welch

möchte, als sie durch die Novelle zum Gerichtskostengesch ge- währt werde. Am 21. Januar 1883 habe der Staatssekretär im Reichs-Justizamt die Erklärung abgegeben, daß dem Reichs-Justizamt in kurzer Zeit eine statistishe Zusammen- stellung der Ergebnisse des Gerichtskostengesezes im Fahre 1882 zugehen werde, und daß alsdann eine Entschließung werde ge- troffen werden, in welher Weise eine Revision des Geseßes vollzogen werden fönne. Und noch im Juli vorigen ahres sei vom Staatssekretär von Schelling diese Zusicherung wieder- holt worden, indem derselbe hervorgehoben habe, daß dem Hause demnächst eine Denkschrift mit den Ergebnissen der Jahre 1881 und 1882 zugehen werde. An Aufforderungen und Versprehungen habe es also in dieser Frage nicht ge- fehlt. Aber troßdem sei dieselbe in der leßten Zeit um nichts gefördert worden. Es sei daher wohl niht unbesheiden von thm, wenn er anfrage, wie es jeßt mit dieser Reform aus- sehe, Er würde auch jeßt wieder einen selbständigen Antrag eingebracht haben; aber er habe cinige Notizen in der Presse dahin verstanden, daß dem Hause in nächster Zeit eine Vorlage in diesem Sinne zugehen werde, und daher beschränke er sich auf die bloße Anfrage.

Der Abg. Dr. Hartmann bat, auch die Gebührenordnung der Nechtsanwälte zu revidiren, da die Gebühren, namentlich wenn in einem Prozeß zwei Rechtsanwälte thätig gewesen seien, oft unershwinglih seien. Hier und in der Presse werde immer nux von der Hdhe der Gerichtskosten gesprohen, man brauche den Ausdruck gleihbedeutend mit Prozeßkosten, Die diNecchtsanwaltskosten stellten sich zu den Gerichtskosten wie 8 zu 5 Jn das Armenreht hinein zu gehen, scheuten die meisten Leute, selbst wenn fie es bekommen könnten, des Ehrenpunktes wegen. Diesen Leuten sei dann der Rechtsweg vollständig verschlossen. Andererseits könnte man den Rechts- anwälten viel Zeit sparen, wenn man über die Termine be- züglich der Zeit besser disponirte. Oft müßten die Anwälte stundenlang auf den Korridoren verweilen, vielleicht nur, um dann zu erfahren, daß der Termin aufgehoben sei. Weiter glaube er, daß der Stand der Rechtsanwälte überfüllt sei. Die Herren seien vielfah nur einen kleinen Theil ihrer Zeit be- schäftigt. Eine Selbstregulirung sei hier niht möglich, bei einer Revision werde aber dieser Punkt ebenfalls berücsichtigt werden müssen. Ferner komme die Beschränkung des Anwalts- zwanges in Betracht. Er wünsche, daß die Nevision der Ge- bühren der Rechtsanwälte zugleih mit der Revision der Ge- richtskosten vorgenommen werde. Eine getrennte Behandlung wäre fehlerhaft. Er bitte den Staatssekretär, recht bald dem Hause eine Vorlage in dieser Richtung zu machen.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Sta1tssekretär des Reichs-Fustizamts Pr. von Schelling das Wort:

Meine Herreu! Was zunächst die Anfrage des Hrn. Dr. Payer anlangt, so möchte ich glauben, daß er si bei Stellung derselben wohl selbst niht dem Gefühl verschloffen hat, daß diese Arfrage keine zeitgemäße war. In einem Augenklick, wo zu einer erheblichen Stei- gerung der Matrikularbeiträge der Bundeëstaaten geschritten werden muß, da ift es wohl nicht angezeigt, den Landesregierungen, in deren Kasse die Gerichtskosten fließen, eine Verkürzung dieser Cinnahmen zuzumuthen, nachdem diese Einnahme schon empfindlih berührt worden ift durch die Gerichtskostennovelle von 1881, Ich möchte glauben, daß der Herr Abgeordnete sih einen aktuellen Erfolg von seiner Anfrage über- haupt nicht verspricht, daß es ihm nur darauf angekommen ist, das Prinzip einer Verminderung der Serichtskosten aufrechbt zu erhalten. Ich bin nun sehr gern bereit, auch auf die prinzipielle Frage cin- zugehen und halte es für sehr .natürlih, “ay gerade der Hr. Ubg. Dr. Payer hier die Führung in dieser Sache übernommen hat ; denn in seinem engeren Heimathslande, in Württemberg, bestanden vor 1879 so niedrige Kostensäte, daß die Rechtspflege als eine annähernd unentgeltliche bezeichnet werden Tonnte. Die Regierung des König- reichs Württemberg und die Vertreter Württembergs im Reichstage haben damals diese Eigenthümlichkeit geopfert im Interesse des Zu- standekommens eines gemeinsamen deutschen Gerichtskostengesetzes. Nun, meine Herren, glaube ich, es is doch gut gewesen, daß die Sache niht den umgekehrten Gang genommen hat, daß wir richt etwa die Gerichtskoftensäße Württembergs auf das Reich übernahmen. Die Gerichtskosten müssen in gewissem Maße etwas Abschreckendes haben, der Prozeß muß den Betheiligten als ein Uebel erscheinen, was sie nah Möglichkeit zu vermeiden suchen. Wenn das nicht der Sall ist, wenn die Gerichtskosten vielleicht so niedrig find, daß sie nicht cinmal die Zinsen der Zwischenzeit decken : was entsteht daraus ? Eine große Unpünktlichkeit in der Erfüllung \{webender Verbindlich- keiten, ein Borgsystem, welches sih zuletzt bis auf die geringsten Biktualien erstreckt, wie wir das alles in Preußen unter der Herrschaft der früheren niedrigen Bagatellkosten erlebt haben. Seitdem die Kosten, wenigstens in den niederen Werthstufen, einen höheren Charakter at Albanien haben, ist eine bemerkbare Besserung der Kreditverhält- niste eingetreten. Der Gewerbetreibende ist vorsihtiger geworden in der Gewährung von Kredit. Die Erhebung frivoler Ansprüche, die frivole

handelt, ein drittes Drgan, den Anwalt in Bewegung seßea my Die Häufung der in Anspruch zu nehmenden Organe muß noth wendig auch eine Häusfung der Kosten und eine vielfältig lästige Nachforderung von Kosten im Gefolge haben, Lß, Erwägungen, welche der Herr Neichskanzler in Bezug auf das Cizil, verfahren anzuregen in Begriff steht und welche i gestern die Esr: hatte, dem hohen Hause mitzutheilen, sind ja auch wesentli dabi gerichtet, die von mir geschilderte Kostspieligkeit des Verfahrens y vermeiden und decn Rechtsgang für eine unbemittelte Partei zu ex leihtern. Sie zielen insbesondere auf eine Vereinfachung unsere Zustellungswesens hin und sie werden wahrsceinlichß dahin führen, daß die Zustellungsgebühren, über deren Höhe jeßt hauptsächlich Kay geführt wird, in Zukunft entweder ganz in Wegfall kommen ody doch cine sehr erheblihe Ermäßigung erfahren.

Ich möchte noch mit einigen Worten auf den von dem Hrn, Alz Dr. Hartmann berührten Gegenstand eingehen, nämlich auf die Au waltsgebühren. Es sind Vorarbeiten zur Revision derselben bereit im Gange, aber bevor der Reichstag mit einer Vorlage befaßt wird, würde ih es doch für sehr wünschenswerth erachten, daß die Revision nicht in ihre Erscheinung trete als eine dem Anwaltstande feindlity, daß sie vielmehr zum Abschluß gebraht werden könnte im Einver ständniß und unter der Mitwirkung derjenigen Mitglieder des Aw waltstandes, welhe diesem hohen Hauje angehören. Es fänt doch an, mehr und mehr im Anwaltstande das Gefühl {ih zu regen, daß die Länge der Kostenrechnungen, zu welchen das gegenwärtig System nöthigt, den Anwalt in kein erwünschtes Verhältniß zu sein Partei und der Gegenpartei bringt, daß es dem Ansehen des Anwalb standes föcderliher wäre, wenn das Pauschquantum strenger dur geführt würde, wenn die Liquidation sih auf einige kurze Sätz, welche von den Parteien kontrolirbar find, beschränkte. Sollte, mein Herren, diese Anschauung in den betheiligten Kreisen dieses hoh Hauses Anklang finden, fo glaube ih, wird es an der Bereitwillig keit der verbündeten Regierungen nicht fehlen, derselben im. Wege die Gesetzgebung Rechnung zu tragen.

Der Abg. Brünings erklärte, seine politishen Freund und er beklagten es lebhaft, daß Seitens der Regierung dit Aussichten auf eine Vorlage, welche die Neform der Geri(ts: kosten herbeiführe, sehr in die Ferne gerückt seien. Er beklagt es, weil seine Partei nicht der Ansicht sei, daß die Gründ der Regierung durhschlagende seien. Seine Partei glaube, daß dem Staate, dem in der Jeßkzeit ungebührlih new Pflichten aufgelastet würden, bei der Erfüilung seine dringendsten Aufgabe, des Nechtsshußes und der Rechtspflege, der finanzielle Gesichtspunkt allein niht maßgebend sein dürft, Die Sache habe auch noch eine volkswirthschaftliche Seit, durch die Höhe der Gerichtskosten werde auch das Bewußksein der Rechtssicherheit im Volke zerstört. Am 9. Dezember 188 sei eine Erkläruag abgegeben, wonach Erhebungen gema! werden sollten, in welhem Maße eine Aenderung der Kosten nothwendig sei. Er sei nun weit entfernt, den Anwaltsstand, den Grundpfeiler einer guten Justiz, in seinem Einkommet verringern zu wollen, aber es würden auch die Anwalts gebühren künftig revidirt werden müssen.

Frage der Zeit, daß eine Novelle zu dem Gerichtskostenge|t und zur Gebührenordnung für Anwalte das Haus beschäftigen werde. Die Höhe der Gerichtskosten hindere die Leute, ihr Recht zu verfolgen, wenn es zweifelhaft sei und wenn der Rechtsuhende wisse, daß vom Gegner weder das Streitobjel! noch die Kosten zu erlangen seien. Die Höhe der Gerihl® kosten erkläre sih nur zum Theil aus der zu hohen Bemessung derselben, sie werde au bedingt dur die Kostspieligkeit des seit 1. Oktober 1879 eingeführten Verfahrens überhaupt Er begrüße daher mit Freuden die Aeußerung des Staatssekretärs, wonah man überhaupt das Verfahren besonders das Zustellungswesen , vereinfahen und verbilligt! wolle. Die Änwaltsgebühren würden auch nicht so h sein, wenn nicht die Gerichte förmlich mit der Zeit der Ar walte ein Spiel trieben, Hierin sei allerdings eine gew! Nemedur durch die Verfügung des preußischen Justiz-Ministets schon eingetreten, wonach die Termine auch zur angegeben Zeit abgehalten werden sollten. Man müsse ferner be! det Kostenrehnung der Anwalte unterscheiden, was beziche v Anwalt wirklich und was lege derselbe nur aus, Hie werde ersihtlih sein, daß der Anwalt für seine Bemühung? nicht zuviel erhalte, höchstens könnte man die Kosten für Kor ferenzen herabseßen. Er müsse nur erklären, die altpreußis)n Anwälte wären mit einer Herabsezung der Gebühren d einverstanden, wenn sie nux auch das frühere einfaht Verfahren bekommen könnten. i: ntl Der Abg. Payer erklärte, er habe si allerdings S, aktuellen Erfolg von seiner Anregung versprochen. Er 4 allerdings gewürsht, daß das Votum des Reichstages De i Regierungen mehr Beachtung gefunden hätte. na n „Noth solle eine Minderung der Gerichtskosten zurückha Und doch bringe man eine Dampfersubventions-Vorlagt

hier Aufnahme und Verwendung findet, was ganz rihtig ist, doch

Befireitung berechtigter Ansprüche vermindert sh. Die Chancen

die viele Millionen erfordere. Die Zeche für diese Vorlags

Der Abg. Dr. Porsch hob hervor, es sei ja nur noch ein! F

man den Anwaltszwang habe, und die Richter die korrigiren- den billigeren Rechtskonsulenten als Vertreter nicht zuließen. Der Staatssekretär habe ge)agt, daß die Prozesse sih deswegen vermindert hätten, weil jeßt weniger geborgt werde. Das Borgsystem habe aber mit den Gerichtsfosten gar nichts zu thun, das sei noch nicht vorgekommen, daß die wirthschaftlichen Verhältnisse nah der Justizgeseßgebung _sih richteten, das Umgekehrte müsse der Fall sein. Er wünsche niht blos eine Reform, wie sie der Staatssekretär in Aussicht gestellt habe, sondern eine Reform der ganzen Rechtspflege. Es wäre z. B. auch nöthig eine Reform des Kostenwesens beim Strafprozeß, wo jeht die Kosten nah der Höhe der Verurtheilung berechnet würden. Bei der Civilrechtêreform würde er namentlich wünschen, daß man den Schuldnern ein Minimaleigenthum in Händen lasse. Was jeßt in der Prozeßordnung stehe, sei gar nichts werth, sie lasse dem Schuldner niht das, was zu etner wirthschaftlichen Selbständigkeit nothwendig sei. Finanzgründe sollten also bei der Justiz nicht gelten. Auch das Armenrecht, das man habe, helfe niht aus. Der Handwerker und Arbeiter, der Ehr- gefühl habe, wolle dieses Necht nicht in Anspruch nehmen. Es bleibe in gewissem Sinne auch dabei wahr, daß Armuth shände. Denn wer vom Armenrecht Gebrauch mache, ver- liere seine politishen Rechte auf zwei Jahre. Er wolle, daß es dem kleinen Mann eben so möglich werde, seine kleinen Beträge eben so einzuklagen, wie dem Millionär die großen.

Demnächst nahm der Staatssekretär des Reichs-Justizamts, Dr, von Schelling, das Wort:

Ih möchte nur einer thatsählihen Behauptung des Hrn. Abg. Payer widersprechen, die ich nicht für richtig halte, nämlich die Behauptung, daß die Rechtspflege vertheuert sei. Das mag für sein engeres Vaterland zutreffen, für andere Länder z. B. für Elsaß-Lothringen ist in Folge des Gerichts- kostengesetze8 eine Verringerung des Kostensaßes einge- treten. Jn anderen Staaten, z. B. in Preußen sind die Kostensätze, wenn man von den alleruntersten Werthklassen absieht, so ziemlich auf demselben Niveau geblieben, wie früher. Selbst aber, wenn gegen früher eine Vertheuerung vorhanden wäre, so würde si doch daraus nimmermehr der von dem Hrn. Abg. Kayser gezogene Schluß rechtfertigen, daß die Regierung das Gerichtskostengesey als eine finanzielle Quelle betrachte. Gerade das Umgekehrte ist der Fall. Während die Kosten der Gerichtsverwaltung gestiegen sind seit dem Jahre 1879, zeigen die Gerichtskosten-Einnahmen, soweit si in die‘er Beziehung überhauvt eine vergleichende Kontrole ermöglichen läßt, einen Rückgang. Ich kann beispielsweise auf die Zahlen für die älteren preußishen Provinzen hinweisen, wo ja dîe maß- gebenden Verhältnisse vor 1879 und nah 1879 i analog waren, und kann konstatiren, daß gegen die Gerichtskosteneinnahme des Jahres 1877/78 eine Mindereinnahme in Preußen fi gezeigt hat, im Jahre 1881/82 von 30,72 %/e, im Jahre 1882/83 es zeigt sih jeßt der Einfluß der Gerichtskoftennovelle eine Minder- einnahme von 42,05 9/6, im Jahre 1883/84 ein ziemli konstantes Verhältniß, nämlich eine Mindereinnahme von 41,42 °/o. L

Jch habe mich auf diese thatsählihen Bemerkungen bes{chränkt.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, es würden leider noch allenthalben recht viel Klagen, über zu hohe Gerichtskosten laut. Die Leute trügen vielfach Bedenken, einen Prozeß ledig- lih wegen der zu hohen Gebühren zu beginnen; denn auch, wenn das Recht noch so klar liege, unsicher bleibe der Rihhter- spruch immer. Solche Zustände könnten niht zur Aufrecht- erhaltung des Rechtsgefühls im Volke beitragen. So wenig es erwünscht sei, daß man unnöthige Prozesse führe, so wenig sei es andererseits heilsam, wenn vielfach das gute Recht blos mit Rücksicht auf die etwaigen Prozeßkosten nicht verfolgt werde. Au sonst gebe es gewiß Mißstände im Fustizwesen, die zu beseitigen wären; nur müsse man unker allen Umständen bei einer Revision sehr vorsichtig zu Werke gehen. Dem Abg. Kayser gegenüber bemerke er doch, daß nicht seine gane allein die Armen En H agi daß alle Parteien Reich und Arm hier gleihmäß verträten.

n Abg. Klemin machte auf die Mißstände aufmerksam, die sich für Anwälte und Parteien daraus ergäben, daß von den Gerichten häufig zu viel Sachen auf eine und dieselbe Terminsstunde anberaumt zu werden pflegten. ;

Der Abg. Günther (Sachsen) bemerkte, au er protestire ausdrücklich gegen die Behauptung, daß die Sozialdemokratie allein die Vertreterin der armen Leute sei. Daß sie das für \sih in Anspru nehme, wisse er allerdings aus den Wahl- versammlungen; und daß es im Publikum geglaubt werde, dem verdankten die Sozialdemokraten ihre Erfolge. Er hätte aber nicht gedacht, daß die Herren es wagen würden, auh im Reichstag so etwas zu behaupten. Er bestreite dem Abg. Kayser das Recht dazu und glaube, daß im ganzen Saal kein Mitglied vorhanden set g e armen Leute weniger am Herzen lägen, als dem Abg. Kay}er. :

Der Abg. Kayser bemerkte, obwohl der Abg. Günther

Bei den Ausgaben für die Kommission zur Ausarbeitung eines bürgerlihen Geseßbuches richtete der Abg. Dr. Meyer (Jena) unter besonderer Anerkennung der Sorgfalt und Gründ- lihkeit der Kommissionsarbeiten an den Staatssekretär im Justizamt die Frage, wie weit diese Arbeiten gediehen seien, da eine Aeußerung eines früheren Kommissionsmitgliedes ver- breitet sei, nah welcher dieselben sih noch bis zum Fahre 1900 hinziehen dürften.

Wiederum nahm der Staatssekretär des Reihs-Justizamts Dr. von Schelling das Wort:

Fch freue mich bezeugen zu können, daß die Arbeiten der deut- {hen Civilgeseßbuh-Kommission in bestem Fortaang begriffen sind, Der allgemeine Theil des Obligationenrechtes ist bereits in erster Lesung festgestellt. Die Kommission ist zur Berathung des Sachen- rechts übergegangen, und ich kann mittheilen, daß auch bereits die \chwierigsten und wichtigsten Theile des Sachenrechts erledigt sind, und in den ersten Monaten des nächsten Jahres die Festst-llung dieses Theils in erster Lesung vollendet sein wird.

Was sodann die Prognose anlangt, auf welche der Herr Vor- redner hingewiesen hat, nämli die Prognose, wann wohl das deutsche Civilgeseßbuch in Kraft treten werde, so glaube ih ist das eine Frage, die wohl Niemand zu beantworten im Stande is. Wenn er da gemeint hat, na einer gefallenen Aeußerung sollten die Arbeiten der Civilgeseßbuch-Kommission bis zum Jahre 1900 andauern, so muß ih dem entgegentreten. Die Arbeiten der Civilgefeßbuch-Kommission e in cinem bedeutend früheren Zeitpunkt zu ihrer Endschaft ge- langt sein.

: Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, es könnte den Anschein haben, als ob in der vom Abg. Meyer angezogenen Aeuße- rung ein leiser Vorwurf gegen die Kommission läge. Er verfolge die Arbeiten mit großem Jnteresse und müsse sagen, daß die Kommission sehr gründlih und fleißig gearbeitet habe, Wer geglaubt habe, daß die Aufgabe in kurzer Zeit würde erledigt werden können, habe für die Sache gar kein Ver- ständniß. Nichts sei s{wieriger, als ein allgeineines Civil- geseßbuh für Deutschland zu machen; es habe dies seinen Grund namentlich in der Verschiedenheit der jeßt in Deutsch- land geltenden Nechte. Er wünsche lebhaft, daß man sobald als möglich fertig werde, aber man solle niht drängen. Man könnte fonst bei dem Civilgeseßbuch leiht noch s{limmere Er- fahrungen als bei der Civilprozeßordnung machen. :

Der Abg. Dr. Meyer (Jena) bemerkte, er habe die Gründlichkeit der Kommissionzarbeiten ausdrücklih anerkannt ; es habe ihm fern gelegen, einen Vorwurf zu erheben; er habe nur den Staatssekretär um eine authentishe Auskunjt bitten wollen. e

Der Titel wurde bewilligt. h

Hierauf vertagte sich um 41/2 Uhr das Haus auf Sonn- abend 1 Uhr.

Togogebiet und Biafra-Bai. (Aus der dem Rcichstag vorgelegten Denkschrift.) (Fortseßung und Schluß.) Nr. 11. (Ucberseßung.) Britishe Botschaft, Berlin, den 29. August 1884. Herr Minister. : : :

Fh beehre mich Euerer Excellenz mitzutheilen, daß ich von Ihrer Majestät Staatssekretär für Auswärtige Angelegenheiten folgende Nachrichten über die Beziehungen Ihrer Majestät Regierung zu den eingeborenen Häuptlingen verschiedener Städte und Dörfer im Oel- flüsse- und Kamerungebiet erbalten habe und beauftragt bin, dieselben zur Kenntniß der Kaiserlichen Regierung zu bringen. N

Vor einigen Jahren haben diese Häuptlinge Fhre Majestät um Gewährung Ihres Schutzes gebeten und den dringenden Wun} aus- gesprochen, si unter englische Hoheit zu stellen. Petitionen in diesem Sinne wurden unter Anderen von König Bell und König Aqua nebst anderen Kamerun-Häuptlingen am 7. August 1879 und am 6. No- vember 1881 eingereiht. Dieselben wurden im März 1882 benach- richtigt, daß die Angelegenheit geprüft und ihnen weitere Mittheilung gemacht werden würde. Ihrer Majestät Konsul für das gedachte Gebiet, welcher damals beurlaubt war, wurde demgemäß beauftragt, die näheren Umstände zu ermitteln, um Ihrer Majestät zur Ent- scheidung über die Angelegenheit in den Stand zu seßen. Er besuchte das Gebiet im November 1882. Während seines dortigen Aufenthalts wurden auch seitens der Eingeborenen von Bimbia Gefuce um Annektirung an ihn gerichtet. Im April 1883 \{rieben die Könige Bell und Aqua von Neuem: „Wir können nicht zulassen, daß eine andere als die britishe Regierung unser Land annektire, da wir diese Regierung freiwillig eingeladen haben, uns und unser Land unter ihren Schuß zu nehmen. Wir erwarten Fast tägli unsere Wünsche

ult zu sehen.“ A s Gi rae verhinderten die Rü&fehr Ihrer Majestät Konsuls zur

1) Rechte Dritter sind vorbehalten ; 9) a Handels- und Freundschastsverträge follen Gültigkeit ehalten; 3) ver Grund und Boden der Städte und Ortschaftezn und ihrer Bewohner soll das Eigenthum derselben bleiben; 4) 2 en follen ihre Abgaben erheben dürfen wie isber ; 5) in der ersten Zeit sollen die Sitten und Gebräuche der Eingeborenen respektitt werden. : Somit konnte die Oberhoheit Sr. Majestät des Kaifers über das ganze Kamerungebiet als gesichert betrachtet werden, und es herrschte am Abend des 12. Juli große Freude unter den dortigen Deutschen. Am anderen Tage kamen die Eingeborenen aus den entfernteren Ort- schaften in ihren buntbemalten oft 20 Meter langen Kanoes, um ihrer Freude über den Anschluß an Deutschland Ausdruck zu geben, und die Angesehenen unter ihnen drängten sich zur Unterzeichnung des Vertrages. Nur der lokale Häuptling von Ekre- (engl. Hikory-) Town, Lock Preso, war auf einer Handelsreise abwesend, und sein Stell- vertreter wagte niht für ihn zu zeihnen. Da aber Lock Preso, wenn auch nit ohne ein gewisses Anfthen und eine gewisse Selbjtändigkeit, doch weit entfernt davon ist, cine Stellung einzunehmen, wîie etwa äuptling Dido, sondern unter der direkten Oberhoheit King Bell’s bt fo glaubte ich Ekre-Town ohne Weiteres als zu dem in den Verträgen behandelten Gebiete renen zu dürfen, indem ih für die aecignete Hinzuziehung Lok Preso's nah seiner Nüctkehr bei meiner Abreise die nöthigen Anweisungen zurüließ.

Nachdem ih durch einen von den Vertretern der genannten Ham- burger Firmen und mir unterzeihneten Akt die von denselben gemachte Erwerbung unter den Schutz des Deutschen Reichs gestellt und die Uebernahme der Allerhöchsten Schußherrlichkeit Über das Kamerungebiet erklärt hatte, wurde am 14. Juli in den Residenzen der Häuptlinge Bell, Aqua und Dido der Akt des Flaggenhissens vorgenommen. Da die angestrengte Reise S. M. S. „Möwe“ unter beständigem Dampf bis Kamerun eine längere Ruhe der Maschine erheischte, und da be- ständige starke Regenfälle die dringend nothwendig gewordene Revision der Effekten schr ershwerten, so konnten wir erft am Sonntag den 20. Juli Kamerun verlassen. i:

Da dur diesen Vorgang in Kamerun die englischen Interessen in Mitleidenschaft gezogen wurden es sind dafelbst fünf englische: Firmen vertreten —, \o_ erließ ih ein Cirkular an die betreffenden Agenten, um dieselben über ihre Handelsinteresfen zw beruhigen und machte einen Besu in der dort bestehenden Baptistenmisfion, unn auch diese des ungestörten Fortgangs ihrer Thätigkeit zu versichern.

Bei der Mannigfaltigkeit der kommerziellen Interessen und der politishen Verkältnisse in Kamerun war es außerdem dringente geboten, in irgend einer Weise für die Begleichung elwaiger Differenzen der Fremden mit den Eingeborenen Sorge zu tragen. Zu diesem Zwecke funktionirt seit Jahren dez unter dem Borsig des englischen Konsuls tagende sogenannte Court. of Equiar. Ich glaubte also ein zweites Cirkular an die Agenten der doctigen englischen Handelsfirmen, welhe mit den Vertretern von G. Woermann. und Sangen & Thormählen und mit den eingeborenen. Häuptlingen den Court of Equity zusammenseßen, erlassen zu sollen, in welhem ich sie um ihre Mitwirkung bei einem Sciedsgericht bat, das ganz wie der Court of Equity, nur unter deutschem. Protektorat, zu funêtioniren: bâtte, bis die Kaijerlihe Regierung weitere Bestimmungen getroffen baben würde. In einer Berathung, zu welcher die englischen Herren sch bereitwilligst einfanden, erklärten dieselben, daß Fie eventuell nicht verfehlen würden, an einem provisorischen Gerichtshof der genannten Art, wie zuvor am Court of Equity, mitzuwirken, daß fie aber den natürlichen Wunsch hätten, zunächst mit dem englischen Konsul, der: demnächst erwartet werden könne, zu konferiren. In dieser Berathung: zog ih meinen indem erwähnten Cirkular gemachten Vouschlag, den modifizirten Gerichtshof unter dem Vorsitz des von mir zurüd= zulafsenden interimistishen Kaiserlihen Vertreters tagen zu, laffen, zurück und \chlug vor, daß ein unter den Mitgliedern zu wählender Chairman, als durch seine Kenntniß der lokalen Verhältnife besser dazu geeignet, die Sizungen leiten möchte, verlangte aber, daß. der interimistis{he Kaiserlihe Vertreter den leßteren beimohnen und die Entscheidungen sanktioniren sollte. Im Allgemeinen sand id bei den in Kamerun etablirten Engländezn ein anexkennen8werthes Gntgegen- kommen. i: : -

Am Sonnabend den 19. Juli NaHmittags lief das englische Kanonenboot „Flirt“ in den Kamerunfluß ein. Der an Bord befind» lihe Konsul Hewett ließ noch selbigen Avends die Häuptlinge Bell und Aqua bitten, an Bord zu komme, welcher Aufforderung jedo nur der Erstere Folge leistete. Herr Hewett machte. ihm Vorwürfe,

daß er über das Land verfügt hätte, ohne die Antwort der große britannishen Regierung abgewartet zu haben, theilte ihm mit, daß er Geschenke der Königin Für ihn an Bord habe, und fragte ihn, ob er nit do noch vielleicht / in der Lage sei, mit, ïhm einen Vertrag abzuschließen. King Bell verhielt si ablehnend, berief s darau}, daß er lange genug vergeblich die Antwort der englishen Regierung erwartet und {ließlich die sichere Gelegenheit ergriffen hätte, seinem Lande die Segnungen einer starken Regierung unter einem mächtigen Souverän und der Civilisation einer hochentwickelten Nation zu

verschoffen. i :

Am näh{en Vormittage machte der Konsul Hewett mit dem Kommandanten der „Flirt*“ an Bord S. M. S. „Möwe“ mir, während ih an Land war, cinen Besuch, den ih unverzüglich erwiderte.

Bei diesex Gelegenheit protestixte Herr Hewett in freundlicher E

Küste bis zum Mai dieses Jahrs. Er ging fort mit der Weisung,

mit einem Mal ein so‘großer Freund der armen Leute geworden

unter gewissen Bedingungen die Abtretung Kamervns anzunehmen und

mündl¿ch gegen die Unterstellung des benannten Gebietes unter die | Obecboheit Sr. Majestät des Kaisers, da die Häuptlinge dur