1884 / 298 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Dec 1884 18:00:01 GMT) scan diff

eine innerhalb der Neichsgrenzen \sich haltende Bestrebung der polnischen Nationalität unmöglih zu machen, gebe es zwischen diesen Extremen, die er beide perhorreszire, keinen Mittelweg, keinen Boden, auf welchem man sich verständigen könne, auf welchen: man die Polen der Rolle enthebe, von der Bundes: regierung als lustige Komödianten angesehen zu werden? Die Polen hätten das Bedürfniß, mit dem Hause als ernste praktische Männer sih an praktishen Aufgaben zu betheiligen. Aber durch Rede und Gegenrede, wie sie jeßt geführt werde, käme man nit zu diesem Ziel. Die Polen hätten auch das Be- dürfniß, niht durch Redensarten sih gegen den Vorwurf der Reichsfeindschaft zu vertheidigen, Gebe man den Polen Ge- legenheit dazu , indem man den Polen das Minimum dessen bewillige, was sie verlangen könnten, so erfülle man somit die Wünsche, welche in den Kreisen der polnischen Bevölkerung von Tage zu Tage lebhaster würden.

Die Diskussion wurde ges{lo}en.

Jm Schlußwort wandte sih der Abg. Dr. von Jazdzewski gegen die Behauptung des Abg. von Unruhe-Bomst, daß die Germanisirung in den polnischen Landestheilen niht gewalt- sam betrieben werde. Der Autorität des Abg. von Unruhe sei in diefer Frage die Autorität des Fürsten Bismarck gegen- überzustéllen, der shon vor mehreren Fahren erklärt habe, die polnishen Anträge auf Zulassung der polnishen Sprache bei den Gerichtsverhandlungen würden von der NRe- gierung mit Anträgen erwidert werden, dieselbe zu unterdrüden. Auch die Thatsachen, die in der Pro- vinz Posen vorlägen, müßten die Ueberzeugung verstärken, daß die Vehauptung des Abg. von Unruhe nicht richtig sei. Diese Thatsachen träten auf dem Gebiete des öffentlichen Lebens wie auf dem der Schule den Polen entgegen. Die Behauptung, daß die Landräthe die respektabelsten Beamten in der Provinz Posen seien, habe der Abg. von Unruhe als eine Schmeichclei aufgefaßt. Er habe aber hier nicht Schmei- cheleien zu sagen, sondern die Wahrheit zu vertreten; wenn der Abg. von Unruhe seine Bemerkung als eine Schmeichelei aufgefaßt babe, so wolle er dieselbe gern zurüczichen. Des Abg. von Cuny Kritik seiner Auffassung der den Polen durch die Wiener Kongreßakte völkerrehtlich garantirten Nechte sei schon vom Abg. Windthorst richtig gestellt worden. Der Abg. Stauty, der den Polen Mangel an Logik vorgeworfen habe, weil sie die Vergünstigung, die sie für sih erbeten hätten, nicht auh auf die anderen fremden Nationalitäten in Deutsch- land ausgedehnt hätten, könne er auf die im Eingang seiner ersten Rede abgegebene Erklärung verweisen, daß seine Partei jedem derartigen Antrage, der von anderer Seite komme, zustimmen werde. Der Abg. Liebknecht habe behauptet, die Polen hätten sich das Wohlwollen anderer Parteien hier im Hause verscherzt durh ihr Eintreten für feudale Forde- rungen und für die Erweiterung der polizeilihen Befugnisse durch die Gewerbeordnungs-Novelle. Der gleihe Vorwurf sei gegen seine Partei früher bereits vom Abg. Richter erhoben worden, und exr könne das Haus auf Das verweisen, was gegen diese Behauptung erklärt worden sei, Sehr bedauert habe er, daß noch, ehe die Kommission sich mit der Prüfung dieser jchwierigen Frage befaßt habe, vom Vertreter des Reichs-Justizamts die Erklärung abgegeben sei, die Neichs- regierung weise den vorliegenden Antrag einfah zurück., Es hätte seiner Partei wenigstens in einer anderen Tonart und in einer anderen Form geantwortet werden können, wenn die Polen forderten, was ihr Recht sei.

Hierauf ergriff der Bevo!mächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reichs-Fustizamts, Dr, von Schelling das Wort :

Ich begreife nit, wie der Herr Vorredner dazu gelangt, die Tonart, in der ich bier vor dem hohen Hause zu \prechen die Ehre hatte, der Kritik zu unterwerfen. Jch habe Stellung. genommen zu den Anträgen, wie sie hier vorliegen, und ih glaube, wenn die ver- bündeten Regierungen {on bei der ersten Berathung ihrer Auffaffung Ausdruck geben, so haben die Antragsteller niht einen Grund, sich über Unhöflichkeit zu beshweren, sondern eher den Regierungen dank- bar zu fein, Was mich betrifft, so konnte ih doch die Stellung nur in ciner Weise nehmen, welche den Ansichten der verbündeten Regie- rungen entspricht; ih kann doch nicht Aussichten eröffnen, während nach meiner Meinung der Antrag aussichstlos is, Ich habe; weiter nichts gesagt, als daß die verbündeten Regierungen nicht dazu gelan- G in eine Aenderung des bestehenden Rechtszustandess zu willigen.

Der Antrag wurde hierauf an eine Kommission von 14 Mitgliedern verwiesen.

Es folgte die Berathung des Antrages der Abgg. Lieh- kfnecht, von Vollmar wegen strafrechtliher Verfolgung der Polizeibeamten, welhe am 2. und 3. April pr. die Ver- haftung der Abgg. von Vollmar und Frohme bewirkt hatten.

Der Antrag lautet :

Der Reichstag wolle beschließen:

Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, zu veraulassen, daß gegen die Polizeibeamten, welhe am 2. und 3. April v. I. die Abgg. von Vollmar und Frohme in Kiel entgegen dem Art. 31 der Reichsverfassung verhafteten und sie so gewaltsam verhinderten, an den Berathungen und Beschlußfassungen des ReiXstages Theil zu nehmen, das Strafverfahren wegen Verleßung der einsbhlagenden Bestimmungen des Reichs - Strafsgeseßbuches eingeleitet werde. Von dem Resultat des Verfahrens ift dem Neichstage \{leunigst Mittheilung zu machen.

Der Abg. Liebknechht befürwortete seinen Antrag: in den Tagen vom 25, März bis 1, April v. J. habe in Kopenhagen ein Kongreß der Sozialdemokraten stattgefunden, von dessen Sigzungen die deutsche Polizei erst nah seiner Beendigung Nachricht erhalten habe. So aufmerksam geworden , habe man auf der Nüdckreise die Abgg. Frohme und von Vollmar verhaftet und den Abg. Dieß jistirt. Nachdem die Sache im Reichstage zur Sprache gekommen sei, sei die Verhaftung resp. Sistirung sofort oufgehoben und sei derselbe Antrag, der heute vorliege, am 2. Mai 1883 zur Verhandlung gelangt. Die Kommis- fion, welcher der Antrag überwiesen sei, sei der Meinung ge- wesen, daß §. 131 der Verfassung, welcher von der Jmmuni- tät der Reichstagsabgeordneten handele, verleßt sei. Der Reichstag sei zur Zeit der Verhaftung bereits zusammenberufen gewesen und die Abgeordneten seien nicht auf frisher That oder einen Tag nah derselben verhaftet, wie es §8. 131 für den Fall einer Verhaftung vorshreibe. Von „frischer That“ habe nicht die Rede sein können, da die Polizei so gut wie gar nichts vom Kopenhagener Kongreß gewußt habe. Der Antrag sei wegen des Schlusses der Session hier im Hause damals nicht zur Abstimmung gekommen und in der leßten Session gar nit einmal zur Berathung. Deshalb wiederhole er den Antrag, weil er glaube, daß es nothwendig sei, daß der Reichstag diesen Eingriff in seine Rechte energish zurück- weisen müsse. Denke man nicht daran, daß es sich hier um Sozial- demokraten handele, sondern um Abgeordnete. Was den So-

feindlih gewesen oder könnten sie es niht werden? Hier habe der Reichstag einmal Gelegenheit, sich Respekt zu verschaffen, thue derselbe das nicht, so zeige derselbe damit, daß er eine solde Behandlung verdiene.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath Weymann entgegnete: Der vorliegende Antrag sage, daß gegen die Abgg. Frohme und von Vollmar, die bei der Rückehr vom sozialdemokratishen Parteitage von Kopenhagen in Kiel gewissen polizeilihen Maßnahmen unterworfen seien, der Ar- tikel 31 der Verfassung verleßt sei, und zwar niht blos objektiv, sondern so, daß die Polizeibeamten \ich strafbar ge- macht hätten. Wäre diese Unterstelung rihtia, so würde die Bestrafung jener Beamten längst erfolgt sein; denn die Re- gierung, weit entfernt, die verfassungsmäßigen Rechte des Hauses verleßen zu wollen, woLe dieselben vielmehr ohne Unterschied der Parteien vor jeder Einschränkung geschützt sehen. Aber die Regierung würde feinen Staatsanwalt und keine Gerichte gesunden haben, um die Verurtheilung jener Beamten zu erreichen. Es mangele durhaus an dem Nachweise des fstrafrehtlihen Dolus. Das rechtswidrige Bewußtsein, der Vorsaß der Beamten, ihre Amtsgewalt zu mißbrauchen und zwar zu dem Zwecke, um die Abgg. Frohme und von Vollmar zu hindern, an der am folgenden Tage stattfindenden Reichstagssizung theilzunehmen; dieser Vorsaßtz lasse sih durh nihts erweisen, es fehle wirkliÞh an jedem Schimmer eines thatsählihen Anhalts dafür. Die Beamten hätten den Verdacht gehabt, daß die Herren im Besiß von Beweismaterial für sozialistishe Umfsturzpläne wären, lediglich deshalb hätien sie die Verhaftung vorgenommen. Was die Beamten für ein Jnteresse daran haben sollten, die beiden Abgeordneten von der Theilnahme an der Reichstagssißung zurückzuhalten, sei für ihn nicht erfindlih. Es wäre doch wohl für eine Anwendbarkeit der Strafgeseße auch erforderlich, daß beide Abgeordnete den Willen gehabt hätten an der Reichstags- sißung theilzunehmen ; das Leßtere hätten dieselben doch bisher noch nicht behauptet, sie pflegten ja auch sonst nicht so regélmäßig im Reichstage anwesend zu fein. Er verstehe überhaupt nicht, weshalb die Abgeordneten sich an den Neichskanzler gewendet hätten. Sie hätten ja nur nöthig gehabt, wenn sie meinten, daß eine strafbare Handlung vorliege, sih an den zuständigen Staats- anwalt zu wenden und bei der Erfolglosigkeit der Denunzia- tion den geseßlihen Beshwerdeweg an den Ober-Staatsanwalt und an das Ober-Landesgericht zu gehen. Ein anderer Weg stehe selbst dem Reichskanzler nicht offen. Gott sei Dank lägen die Dinge in Deutschland noch so, daß jeder deutsche Staatsanwalt und jedes Gericht die bei ihm eingehenden An- träge mit derselben Sorgfalt und Gewissenhastigkeit prüfe, möchten sie herkommen, von wem sie wollten. Er halte also den vorliegenden Antrag für gegenstandslos und bezweifle nicht, daß das Haus sich dieser Meinung anschließen werde.

Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, mit Nücksicht darauf, daß man jeßt Neuwahlen gehabt habe und viele neue Mit- glieder im Hause seien, schlage er vor, niht den früheren Kommissionsberiht den Berathungen zu Grunde zu legen, fon- dern den Antrag Liebknecht von Neuem zur Vorprüfung an die Geschäftsordnungskommission ‘zu überweisen. Allerdings habe man alle Ursache, darüber zu wachen, daß die Privilegien des Reichstages in jeder Nihtung gewahrt blieben. Es fei ganz gleihgültig dabei, welher Partei die Herren angehörten, in deren Person die Nechte des Neichstages verleßt worden seien ; man müsse auch sozialdemokratischen Abgeordneten Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er glaube, es sei undenkbar, daß irgend ein Mitglied im Hause hierüber anders denke. Die Diskussion wurde geschlossen.

Der Abg. von Vollmar erklärte im Schlußwort, was den Nachweis der Thatsache betreffe, daß Frohme und er der Sizung des Reichstages, an der theilzunehmen sie durch die Verhaftung verhindert seien, hätten beiwohnen wollen, so könne er wenigstens versichern, daß er diese Absicht gehabt habe, Für die Sißung habe eine wihtige Abstimmung über den Holzzoll vorgelegen, der bekanntlih später mit nur einer Stimme Mehrheit abgelehnt sei, wo also das Fehlen eines einzigen Mitgliedes bei der Abstimmung von auss{laggebender Bedeutung hätte werden können. Dar- über, daß eine Verfassungsverleßzung objektiv vorliege, sei man ja einig. Daß aber die Beamten, die die Abgeordneten ver- haftet hätten, insbesondere der eigens zu diesem Zwecke vom Berliner Polizei-Präsidium nach Kiel gesandte Kommissar, recht wohl gewußt hätten, daß sie das Recht verletzten, dürfte doch auch anzunehmen sein. Man würde die Polizei ja be- leidigen, wenn man das Gegentheil annähme und damit eine in der That sehr geringe Rechtskenntniß bei ihr vorausseßte. Bei Mißbrauch der Amtsgewalt durch rechtskundige Beamte sollte man überhaupt immer strafbaren Dolus aunehmen, um so mehr, als ja kein Staatsbürger, auch nicht der Un- gebildete, gegen die Folgen seiner Rechtsunkenntniß geschüßt jei, Es sei ihnen gejagt, sie hätten die Sache hier nicht zur Sprache bringen, sondern si direkt an einen Staatsanwalt wenden sollen. Die Sozialdemokraten hätten aber so s{chlechte Erfahrungen mit den Staatsanwälten gemacht; der Be- griff des „öffentlihen Jnteresses“, auf Grund dessen der Staatsanwalt über die Anklageerhebung befinde, sei sehr dehnbar; es herrschten darüber unter den Staatsanwälten so verschiedene Auffassungen, daß es nur ganz natürlich gewesen sei, wenn sie niht erst aussihtslose Schritte beim Staats- anwalt hätten thun wollen. Sie hätten sich an das Haus ge- wendet, weil sie sih nicht als Personen, sondern als Abge- ordnete verleßt fühlten, weil eine Verlegung der Nechte des Hauses vorliege, deren Sühne dies beanspruchen müsse, wenn es nicht auch seiner jeßigen wenigen Rechte verlustig gehen wolle.

Der Geh. Ober-Regierungs-Rath Weymann behielt si vor, allen Ausführungen des Abg. von Vollmar in der Kommissions- berathung entgegenzutreten; nur die Bemerkung, daß derselbe zu den Staatsanwälten kein Vertrauen habe, beantworte er schon jetzt mit dem Hinweise, daß in solhem Falle eine Beschwerde an das Ober-Landesgericht freistehe.

Der Antrag wurde darauf mit großer Majorität der Ge- schästsordnungskommission überwiesen.

Es folgte die dritte Berathung des von den Abgg. Aus- feld und Genossen eingebrahten Geseßentwurfs, betreffend die Abänderung des Art. 32 der Verfassung des Deutschen Reichs auf Grund des in zweiter Berathung unverändert angenom- menen Antrages. (Diäten-Antrag.)

__ Der Abg. Dr. Windthorst erklärte, das Centrum werde in dritter Lesung stimmen, wie es in zweiter Lesung gestimmt habe. Die Ansicht, daß etwa in Bezug auf das Wahlrecht vielleiht dieses oder jenes zu ändern sein möchte, theile er

zialdemokraten passirt sei, könne den Mitgliedern jeder Partei passiren. Seien denn niht alle Parteien shon einmal reihs-

nicht; seine Partei werde unter allen Umständen an dem all- gemeinen, direkten, geheimen Wahlrecht festhalten !

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, seine Partei hab von vornherein das Festhalten an dem allgemeinen, gleiden direkten und “geheimen Wahlreht als etwas Selbstverstän)! liches angesehen. 4

Der Abg. von Helldorf erklärte, auf der rechten Seit werde die vom Bundesrathstishe wiederholt vertretene Auf fassung getheilt, daß die Diätenlosigkeit in einem inneren historischen Zusammenhange zum allgemeinen, gleichen, geheimen und direkten Wahlrecht stehe.

Der Abg. Sabor bemerkte, vor wenigen Tagen, als hier über den zweiten Direftor im Auswärtigen Amt verhandelt sei, seien von der Rechten des Hauses einige Worte gefallen als ob der Reichstag bei Gelegenheit der Diätenberathung sehr rash gewesen sei, um etwa zu seinem Vortheil, seinem Nuß einen Beschluß zu fassen, Dieser Vorwurf sei bisher nid genügend zurückgewiesen worden. Wenn die Mehrheit des Reichstages in diesem Sinne votirt habe, so sei es nicht um ihres eigenen Vortheils willen ge: schehen, sondern in der Erkenntniß, daß es dem Wohle des Landes förderlich sei, wenn Jedermann ohne Nü: sicht auf seine Vermögenslage Gelegenheit erhalte, hier, wein derselbe gewählt werde, als Vertreter des Volkes zu erscheinen (Lachen rets.) Wenn die Nechte lache, so gestehe er derselben nicht das Recht zu, über die Motive, welhe das Haus geleitet hätten, so abzuurtheilen, wie die Rehte es dur ihr Lathen andeute. Er fahre in seinem Gegenstande fort, ohne zu unt: suchen, was das bedeute, und ohne auf einen Ton einzugehen der seinen Gewohnheiten widersprehe. Das allgemeine Wahlreht ohne die Möglichkeit, daß jeder Gewählte hier erscheinen könne, sei nur ein formelles Recht, das nicht verwirklicht werden könne. Das sei aber zuglei der tiefe Gegensay in der Gesellschast, der zu der „sozialen Frage“ Veranlassung gegeben habe, der Widerstreit zwischen den abstrakten ideellen Rechten und der Möglichkeit resp. Unmöglichkeit, sie zu verwirklichen. Wer ernsthaft joziale Reformen wolle, müsse auch die Bewilligung von Diäten wollen. Er spreche niht im Jnteresse seiner Partei, denn sie habe soviel opferwillige Elemente unter si, daß seine Parte auch drei Dußend stark im Reichstage erscheinen könnte. Cz sei das Leßtere ja auch der Wunsch des Reichskanzlers, und die Herren von der Rechten theilten ihn doch gewiß, denn es sei doch der Wunsh des Reichskanzlers. Der Reichskanzler sei gegen Diäten, weil derselbe die Verfassung nicht so {nel geändert wissen wolle; in derselben Rede aber erkläre derselbe sih bereit, Diäten zu bewilligen, wenn dasür das allgemeine Wakhlrecht beseitigt würde. Der Reichskanzler wolle also das Wahlreht in seinem jeßigen Umfange niht. Das [asse tief bliden, das lasse einen Einblick thun in die geistige Werkstatt derjenigen, die heute die soziale Reformpolitik ver: träten; sie würden und müßten \{cheitern, wenn sie soziale Reformen herbeiführen wollten im Widerspruch mit der die neuere Zeit beherrschenden geistigen Strömung. Ein der Rechten nahestehender Mann, Graf Alexis Tocqueville, ein sehr gemäßigter Mann, habe es ausgesprochen: Die ent: schiedene demokratische Richtung, das sei der Weg, auf den die Neuzeit angewiesen sei ; die Vorsehung selber leite diese

Wege! Jn diesem Sinne bitte er, den Antrag anzunehmen. Der Geseßentwurf wurde darauf in dritter Lesung definitiv

genehmigt. i Hierauf vertagte

Donnerstag 11 Uhr.

sich das Haus um 4/4 Uhr auf

Angra Pequeña. (Aus der dem Reichstag vorgelegten Denkschrift.) (Fortseßung und Schluß.)

Nr. 41. Berlin, den 19, August 1884,

Im Anscbluß an mein Telegramm vom 17. d. M. ersuche ih Cuer Hohwohlgeboren, Lord Granville baldigst Folgendes münd- lich mitzutheilen:

„Nördlich von dem Territorium, welches Herr Lüderitz im vorigen Jahre durch Vertrag mit dem Häuptling von Bethanien er- warb, [ätten andere Angehörige des Reichs in den beiden letzten Jahren durch Verträge mit unabhängigen Häuptlingen bezw, dur) Zessionsverträge mit früheren Erwerbern Eigenthums- und Nußungé- rechte in Gebieten von Namaqua und Damara erlangt; zu diesen Erwerbungen gehöre au die, bis dahin anerkanntermaßen nit unter englischer Hoheit stehende, Umgebung des englischen Territoriums der Walfish-Bai.

Nachdem besagte deutsche Unterthanen für diese Erwerbungen den Kaiserlihen Schuß reklamirt hätten, sei ihnen derselbe von der Neich- regierung zugesagt worden. Wir gewährten diesen Schutz, sobald der- selbe nachgesucht würde, überall, wo deutsche Niederlassungen auf einem, bisher von einer anderen Macht nicht okkupirten Gebiete be gründet würden und den deutshen Erwerbungen gültige, die Rechte Dritter nicht verleßzender Verträge zur Seite ständen.

Dies sei auch hier der Fall; die Verträge seien in aller Form Rechtens abgefaßt und habe also kein Grund vorgelegen, den Antrag(- stellern den nachgesuchten Schuß zu versagen. Gerade deshalb aber seße, wie Cw. Hohwohlgeboren schon mitgetheilt, der von der Kap- Regierung bei Einverleibung des englischen Walfisch-Bai- Territoriums in die Kap-Kolonie jüngst erhobene Anspruch auf die außerhalb der britishen Herrschaft gelegenen benachbarten Gebiete die Reichsregie rung in Verlegenheit; denn dieselbe sei außer Stande, diesen An- spruch mit dem den deutschen Unterthanen {huldigen Schutze in Ein- klang zu bringen. e

Nachdem der Oranjefluß im Jahre 1880 als die mit einziger Ausnahme der Walfish - Bai und eines kleinen umliegenden Gebietes festzuhaltende Nordwestgrenze der englischen Jurisdiktion in Nordwest afrika bezeichnet worden sei, häiten wir nicht erwarten können, daß die im vorigen Jahre von uns an die englishe Regierung 06“ richtete vertravensvolle Anfrage, welche Rechte ge in den Gebieten nördlih vom Oranjefluß jeßt etwa besiße, zum Ergebniß den Versu hvben würde, die Grenzen der britishen Hoheit über die in den früheren amtlichen Erklärungen der englishen Regterung bezeichneten Grenzen hinaus gerade jeßt, und zwar in Konkurrenz mit den deut- schen Bestrebungen, abzuändern und zu erweitern.“

A Graf von Haßtfeldt. n

den Kaiserlichen Geschäftsträger, Herrn Freiherrn von Plessen, Hochwohlgeboren. London.

Nr. 42. . Berlin, den 22. August 1884.

Mit Bezug auf mein Telegramm vom 17. d. M,, betreffend

Angra Pequena, ersuche ich Ew. Hohwohlgeboren ergebenst , die im Entwurf beiliegende Note an Lord Granville zu richten. z , Bei Ihrer Besprechung der Angelegenheit wollen Sie sich des anliegenden Aide-mémoire bedienen und ermächtige ih Sie, dasselbe Lord Granville auf dessen Wunsch zurückzulassen. Graf von Haß feldk.

An den Kaiserlihen Geschäftsträger, Herrn Freiherrn von Plessen, Hochwohlgeboren. London.

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Anlage 1 zu Nr. 42. London, den August 1884,

Entwurf

zu …_ Note des Kaiserliben Geschäftsträgers en i London an Lord Granville. R S Der Unterzeichnete ift beauftragt, der Königlich großbritannischen g die folgende Mittheilung zu maden: : Die in leßter Zeit gemeldeten Besblüsse des Kap-Parlaments, y welche die Unterstellung der nördlich vom Ocanjefluß liegenden de ngebiete bis zur portugiesisben Grenze, mit Ausnahme des von gujte deri im vorigen Jahre» erworbenen Gebiets, unter das ren m vorigen orbenen Gebiet i Pt teftorat und die Autorität der großbritannischen Regierung bezweckt pre steht mit der in der Note des Kaiserlichen Botschasters vom pit zember v. I. erwähnten Erklärung der großbritannischen E. ¡erung über die festzuhaltende Nordwestgrenze der Kap-Kolonie in Reg ftr die Kaiserlide Regierung unerwarteten Widerspru. Da R Antwort auf ihre Note niht zu Theil wurde, so hat die ie vrliche Regierung, in Betreff der Protektion der deutschen Unter- N ungen an der Küste nördlich vom Ocanjefluß ihren Beschluß P prehend jener amtlichen Erklärung der britischen Regierung gefaßt on am 24. April durch den Kaiserliwen Botschafter der groß- tannisen Regierung und durch den Kaiserlichen Konsul in Kap- 4 den dortigen Behörden amilich mitgetheilt. 0 Der si hieran knüpfende Meinungsaustausch, namentlich die im Monat Juni von dem Staatssekretär des Auëwärtigen Amts Ihrer Britischen Majestät abgegebenen Erklärungen licßen für die Kaiser- lihe Regierung keinen Zweifel zu, daß die großbritannische Regierung die erforderlihen Wei1ungen nach Kapstadt ertheilen werde, um Keshlüssen vorzubeugen, welbe den beiden befreundeten Regierungen Ferlegenheiten bereiten könnten i i Noch am 13. Juli d. J. übersandte Lord Granville dem Grafen Mün ster die Abschuft ciner an den britishen Botschafter in Berlin gerichteten Depesche, in welcher auf die von der groß- hritannishen Regierung öffentlich gegebenen Definitionen der Grenze der (ap-Kolonie ausdrüdlich Bezug genommen wird. Diese Definitionen fônnen nur diejenigen sein, an welche die Note des Grafen Münster yom 31. Dezember v. J. erinnerte, und wonach die großbritannische Regierung erklärt batte, daß der Oranjefluß mit alleiniger Aus- nahme der Walfish-Bai und eines kleinen umliegenden Territoriums die nordwestliche Grenze der Kap-Kolonie bilde, und daß sie keinem Ylane zur Ausdehnung der britischen Jurisdiktion über Groß-Namaqua und Herero Folge geten werde. _ 5 ; Die nah den jüngsten Beschlüssen des Kap-Parlaments beabsich- tigte Ausdehnung des englischen Kolonialbesißes richtet si im Effekt auf die Schädigung der deutschen Unternehmuns. 5 Der Unterzeichnete hat dem Vertrauen der Kaiserliben Regierung Auêdruck zu geben, daß die Königlich großbuitannische Regierung den freundscaftliden Beziehungen beider Länder dadur Rechnung tragen werde, daß sie den Anträgen der Kap- Kolonie die Genehmigung e N Vertrauen auf diese bisher bestehenden Beziehungen hat die deutsche Regierung in offener und loyaler Weise im vorigen Jahre ¡unächst vertraulich und zuleßt durch die amtliche Note vom 31. Dezem- her v. J. an die englische Regierung Anfragen geribtet zu dem Zwecke der amtlichen Fesistelung der aus, den früheren Vorgängen sich von elbst ergebenden Thatsache, daß Ansprüche Englands auf irgend welhe Gebiete nördli des Dranjeflusses mit Ausnahme der Walfisch- Bai nicht bestehen. Es würde mögli gewesen sein, die Antwort hierauf in wenigea Tagen zu ertheilen, da es hierzu einer Korre- spondenz mit der Kap-Regierung nicht bedurfte. Die deutsche Re- gierung hatte allerdings bei ihrer Anfrage nit darauf gerenet, daß die definitive Antwort sih mehr als sechs Monate verzögern und die Zwischenzeit benußt werden tönnte, um konkurrirende englishe Besitz- (rgreifungen vorzubereitin. i ; Der von dem Kap- Parlament angewandten Theorie von theoreti- den Besißergreifungen auszedehater und unerforshter Küstezs und Undstrihe auf dem Wege des Dekrets aus der Catfernung kann eine rehtlihe Wirkung nicht zugeschrieben werden; sie widerspciht dem Völkerrecht und den Traditionen. S O Wenn die Kap-Regierung die von ihr gefaßten Beschlüsse zur Aufführung brächte, so würde die großbritannisce Regierung die Ver- autwortlichkeit hierfür nicht ablehnen können, au abgesehen von der Thatsache, daß der englische Kolonialminister die Zeit, während welcher wir auf die Beantwortung unserer Anfrage vom 31. Dezember v. J. Y vertrauensvoll warteten, benuygt hat, um durch seine in Kapstadt publizirten Telegramme vom 3. Februar, 8. Mai, 17. Juni und 14, Juli d. J. die Kap-Regierung zu diesen Beschlüssen, welche die CEntwickelung der deutshen Unternehmungen zu beeinträchtigen bezwecken, auédrücklich ermuntert hat.

Anlage 2 zu Nr. 42, Aide mémoire. /

Die Kaiserliche Regierung ist bei Behandlung der Angra Pequena- Angelegenheit davon ausgegangen, daß keine andere Macht auf die Gebiete nördlih vom Oranjefluß bis zur portugiesisben Grenze, mit einziger Ausnahme der Walfish-Bai und eines kleinen umliegenden Lrritoriums, Anspruch erheben kann. e __ Was England anbelangt, fo stüßte {ih diese Annahme auf ver- shiedene amtliche Dokumente, welche seinerzeit dem englischen Par- lament vorgelegt und in der Kapstadt publizirt worden sind. : __ In erster Linie kam hierbei eine Instruktion des damaligen bri- tischen Staatssekretärs für die Kolonien, Lord Kimberley, an den Gouverneur der Kap-Kolonie und Ober-Kommissar in Süd-Afrika vom ö0, Dezember 188) in Betracht, worin erklärt wurde, daß der Oranje- fluß, mit Ausnahme der auf Wunsch der Kap-Kolonie für britisches Zrritorium erklärten Walfish-Bai, als die nordwestliche Grenze der Kap-Kolonie anzusehen sei und daß die großbritannische Regierung keinem Plane zur Ausdehnung der britischen Jurisdiktion über Groß- Namaqua und Herero Folge geben werde. Der Kaiserli deutscben Regierung gegenüber hatte die großbritannische Regierung, aus Anlaß von Schußanträgen der in den leßteren Gebieten seit 40 Jahren etablirten deutschen Rheiniscben Missionsgesellschaften, durch eine Note od Granville ’s vom 29. November 1880 erklärt, die Kap-Regie- tung werde deutschen Unterthanen gern den Schuß gewähren, den sie verleihen könne. Der Kolonialminister bitte aber, der deutschen Re- gierung ausdrückli zu sagen, daß die englische Regierung nit ver- anlwortlih sein könne für das, was außerhalb des britiscen Lerritoriums vorgehe, welch’ leßteres nur die Walfish «- Bai dle sehr kleinen Theil des unmittelbar umliegenden Landes

eße.

Nach diesen Erklärungen der großbritannischen Regierung würde & an sih nicht erforderlich gewesen sein,- aus Anlaß des Schußantrages 6 Herrn Lüderiß für die von ihm auf notorisch unabhängigem

ebiet begründete Niederlassung nochmals an die großbritannische

élerung eine Anfrage zu richten. i . Wenn die Kaiserlih deutshe Regierung dies dennoch gethan, so felhah es, weil sie früher si an die großbritannishe Regierung ge- vandt hatte, um eine Gefälligkeit in Anspruh zu nehmen, jept der eine amtlibe Aeußerung über die bestehenden Rechte der englischen ‘gierung auf die fraglichen Gebiete zu besißen wünschte. Im Ver- trauen auf Englands Freundschaft hoffte sie zugleich, für die zu be- s ndende deutsche Niederlassung in der Nachbarschaft ciner britischen es auf das Wohlwollen der großbritannishen Regierung zählen nnen,

h Die Note Lord Granville?s an den deutschen Botschafter vom be ovember v. I. cntsprah nicht dieser leyteren Hoffnung ; sie itätigte indeß in der Hauptsache die Annahme, daß England inzwischen j M der fragliden Küste keine neuen Rechte erworben habe. Zugleich der erhob sie einen Anspru auf Ausschließung der Jurisdiktion lder anderen Macht ledigli aus dem Titel der Nachbarschaft. Diesen lass daß konnte die deutsche Regierung nicht gelten lassen und stellte des- N durch die Note des Kaiserlichen Botschafters vom 31. Dezember die Utishe Frage, welche Einrihtungen etwa England dort getroffen

habe, um den S{uß, welchen das Reich seinen Anhörigen \{ulde, entbehrlich zu machen.

Während die Beantwortung dieser Note seitens der groß- britannishen Regierung vier Monate auf sich warten ließ, ging der Kaiserlichen Regierung aus Kapstadt die Nachricht zu, daß die Kap- Regierung zu zweifeln \{hiene, ob die Landerwérbungen und Geschäfte des Herrn TOISEIT, nördlich vom Oranjefluß auf den Schutz des Deutschen Reichs Anspruch hätten. Der Kaiserlihe Konsul in Kapstadt ward deshalb unter dem 24. April telegraphish angewiesen, diesen Zweifel durch eine amtliche Erklärung zu beseitigen, und der Kaiserliche Botschafter in London ward zugleich beauftragt, der groß- britannishen Regierung hiervon Kenntniß zu geben.

Bei den an die leßtere Mittheilung sih fknüpfenden Unter- redungen hat der britiswe Herr Staatssekretär der Auswärtigen Angelegenheiten die Nichtbeantwortung der Note vom 31. Dezember v. J. auf ein Mißverstehen der leßteren und avf eine in Folge dessen stattochabte Korrespondenz zwischen dem engliihen Kolonialamt und der Kap-Regierung zurückgeführt,

Die Blaubücher der Kap-Regierung enthalten jedoch eine Anzahl von Depeschen, welche ergeten, daß die Neigung der Kap-MRegierung zur Erweiterung ihres Gebietes durch die Telegramme Lord Derby's erft allmälig geweckt und bis in die jüngste Zeit gesteigert worden ist. Die Kaiserliße Regierung crhielt zuerst Kenntniß von diesen Vorgängen durch ein Telegramm des deutshen Konsuls in Kapstadt aus den ersten Tagen des Monats Juni, wonach in Folge eines Telegramms Lord Derby's vom 8. Mai sih die Kap-Regierung bereit erklärt habe, die Kosten für die Uebernahme der Küste bis zur Walfish-Bai, einschließlih Angra Pequena, zu tragen. Der hierdurch veranlaßte Meinungsaustaush zwischen d:cr deutschen und englischen Regierung führte zu der von Lord Derby unter dem 17. Juni ertheilten telegraphischen Weisung an die Kap-Regierung, vorläufiz den Beschluß über diese Frage au?zuseßen. :

Der Kaiserlich deutshe Botschaster ward hiervon durch Lord Granville amtlih in Kenntniß geseßt. Die Kaiserliche Regierung hielt es nach den damaligen Aeußerungen Lord Granville's für definitiv abgemacht, daß von jeßt an der naturgemäßen Entwickelung der deutshen Untérnehmung keinerlei Erschwernisse von englischer Seite würden bereitet werden. In dieser Annahme konnte sie durch den Hinweis auf die von England öffentlich gegebenen Definitionen der Grenzen der Kap-Kolonie, welcher sih in der am 13. Juli dem Kaiserlichen Botschafter mitgetheilten Depesche an Lord Ampthill findet, nur bestärft werden.

Sie war daher auch nicht genétigt, dem ihr um die Miite Juli mitgetheilten Privattelegramm des Herrn Lüderiy Glauben zu schenken, wonach sich am 15. Juli, in Folge ‘eines Telegramms Lord Derby'’s vom 14. desselben Monats, das Kap-Parlament zur Ueber- nahme der Kosten für die Annexion der ganzen Küste bis zur und über die portugiesisde Grenze hinaus bereit erklärt habe,

Auf die Frage des Kaiserlichen Votschafters, ob seit dem 17. Juni Weisungen nah der Kapstadt ergangen seien, erhielt derselbe von Lord Granville nur die Antwort, daß am 14. Juli eine ent- sprechende telegraphisbe Weisung dorthin ergangen sei. Es konnte dies von der Kaiserlichen Regierung nur so verstanden werden, daß diese Weisung dem Inhalt der dem Grafen Mün ster am 13. Juli mitgetheilten Depesche entsprochen habe. Nach den in diesen Tagen aus Kapstadt eingelaufenen Berichten und Zeitungen ist jedo nicht mehr zu bezweifeln, daß der Inhalt der Weisung vom 14. Juli jenem Privattelegramm entsprochen hatte.

In der That hat danach Lord Der b y erklärt, die großbritannische Regierung sei bereit, den ganzen Küstenstrih, mit Ausnahme der Lüderitzschen Erwerbung bei Angra Pequena, unter britishen Schuß zu stellen, wenn das Kap-Parlament die Kosten für diese Annexion übernehmen wolle. Das Kap-Parlament beschloß demgemäß am 15, Juli und verlangte zugleich, daß die Küstenländer zwischen dem Oranjcfluß bis zur portugtesishen Grenze für britishes Territorium erklärt werden möchten. s

Der Unterstaatssekretär im britischen Kolonialamt, Mr. A \hley, erwähnte diesen Beschluß in der ore des Unterhauses vom 29, v. M. in der Form: es sei in Vorschlag gebracht worden, daß die Küste zwischen dem Oranjefluß und der südlichen portugiesischen Grenze einschließlich der britishen Niederlassung von Walkfish-Bai unter die Aufsicht der Kap-Negierung gebracht, und daß diese Aufsicht nur in dem Gebiet ‘von Angra Pequena, welches unter deutschem Schuß stehe, niht ausgeübt werden, jolle.

Zu Folge der Zeitungsberichte über die Verhandlungen im Kap- Parlament, welche diesen Beschlüssen vorausginge, steht fest, daß es sich bei den leßteren um eine beabsichtigte Schädigung der deutschen Unternebmung handelt.

Diese Beschlüsse und die dabei geäußerten Gesinnungen sind für die Kaiserliche Regierung um so befremdlicher, als aus den von der Kap- Regierung vorgelegten Blaubücbern erhellt, daß die sich dort folgenden Ministerien ursprünglich finanzielle Bedenken gegen jede Ausdehnung der Grenzen der Kap-Kolonie gehegt und der englischen Regierung gegenüber geäußert hatten.

Nr. 43, London, den 18. August 1884,

Die Hoke telegraphishe Weisung vom 17. d. M,., betreffend die Beschlußfassung der Kap-Regierung, habe ic zu erhalten die Chre ge- habt und dem Unterstaatssekretär Sir Julian Pauncefote die ent- \prebende Mittheilung gemacht. :

Der Herr Unterstaatssekretär erwiderte mir, daß cs si, soweit ihm bekannt, bei der Beschlußfassung der Kap-Regierung um Küsten- strecken handele, von denen die deutscherseits beanspruchten Territorien ausdrüdcklich auêgesblossen worden seien. Au sei der von der Kap- Regierung gefaßte Beschluß seines Wissens noch nicht zur Ausführung gelangt, während meiner früheren Mittheilung zufolge das Territorium vom Oranjefluß bis zum 26. Grad südlicher Breite bereits faktisch unter den Schuß Sr. Majestät des Kaisers gestellt worden set. Natürlich habe Deutschland das Recht, von Linderstrecken, die res nullius feien, Besiß zu ergreifen.

Sir Julian Pauncefote äußerte \{ließlich die Zuversicht, daß diese Frage keine weiteren Schwierigkeiten bereiten werde, und stellte mir eine Antwort der hiesigen Regierung auf meine bezüglichen Mit- theilungen in baldige Aussicht.

von Plessen.

Sr. Dur{laucht dem Fürsten von Bismarck.

Nr. 44. London, den 26. August 1884.

In Gemäßheit der Hohen Weisung vom 22. d. M., betreffend Angra Pequenà, hâbe ih die vorgeschriebene Note heute an Lord Granville gerichtet, und mit dem Unterftaats\ekretär Mr. Currie, der Lord Granville gegenwärtig vertritt und dem ih die Note persönlich übergab, nah Maßgabe des dem Erlaß beigefügt gewesenen Aide-mémoire über die Angelegenheit gesprochen.

Mr. Currie nahm meine Eröffnungen entgegen, ohne seinerseits etwas Wesentliches darauf zu erwidern.

In Folge der mir ertheilten Ermächtigung habe ich demselben auf seinen Wunsch das Aide-mémoire in Abschrift zugestellt.

von Plessen. Sr. Dur(laucht dem Fürsten von Bis8marck.

Nr. 45, i London, den 29, August 1884. Da i, einer Einladung Lord Granville?s folgend, heute in Walmer Castle war, suchte ih die Gelegenheit zu benußen, um im Sinne der mir durch den Erlaß vom 22. d. M., betreffend Angra F equens, ertheilten Hohen Weisung mit dem Herrn Minister über die Angelegenheit zu sprechen. Ich knüpfte daher an die Note an, die ich

Lord Granville erwiderte mir, daß ihm die Note zuaegangen sei. Es herrsche ein Mißverständniß bei der Sache vor. „„There is a misunderstanding altogether.“ Er werde mir eine Antwort zu- kommen lafsen, nawdem er mit Lord Derby Nücksprahe genommen habe. Weiter ließ sich Lord Granville, der leidend ist, auf eine Erörterung der Angelegenheit nicht ein.

von Plessen. Sex. Durchlaucht dem Fürsten von Bismarck.

Nr. 46,

Kapstadt, den 5. September 1884. Telegramm. An das Auswärtige Amt. Berlin,

Der Konsul berichtet, daß ihm cine schriftliche Mittheilung von dem Kommando S. M. Kanonenboot „Wolf“ aus Anara Pequena zugegangen sei, wona die Küste vom 26. Breitengrad bis Kap Frio, ausgenommen Walfish-Bai, unter deutschen Schuß gestellt sei. Lippert.

Nr. 47. (Inhalt.)

Berlin, den 7.

Telegramm. An den Kaiserliben Geschäftsträger in London.

Auftrag, unter Bezugnahme auf die früheren, auf Grund des Erlasses vom 19. August gemahten mündlihen Mittheilungen, ver- traulich der englishen Regierung davon Kenntniß zu geben, daß die Küstenftrecken von dem 26. Breitengräd bis Kay Frio nördlich, aus- genommen Walfish-Bai, von S. M. S. „Wolf“ durch Flaggenhissen unter RNeichs\{chuy gestellt seien; ferner, zur Regelung dieser An- gelegenheit ebenfalls Verhandlung durch Kommiffarien vertraulih anzubieten.

September 1884,

Bus.

Nr. 48.

Kapstadt, den 11. August 1884.

Ero. Durblaucht beebre ih mich, in der Anlage einen Auéschnitt der amilien Zeitung zu behändigen, welcher Proklamation Nr. 184 enthält, betreffs Annektion von Walwich-Bai und der Westküste, sowie einer Landstrecke an der Südostküste.

Der Kaiscrlih deutsche Konsul.

Lippert.

An den Herrn Reichskanzler Fürsten von Bismarck, Dur(laucht. Berlin.

Anlage zu Nr. 48, Proclamation

by His Excellency theRightHonourableSirHercules George Robert Robinson.

A Member of Her Majesty’s Most Honourable Privy Council, Knight

Grand Cross of the Most Distinguished Order of Saint Michael

and Saint George, Governor and Commander-in-Chief of Her

Majesty’s Colony of the Cape Good Hope in South Africa, and the

Territories and Dependencies thereof, and of Tembuland, Emigrant

Tambookieland, Bomyvanaland and Galekaland, and Her Majesty’s High Commissioner etc, etc. etc.

Whereas it is enacted by the Act No. 35 of 1884, intituled „An Act to provide for the annexation to the Colony of the Cape of Good Hope of the Port or Settlement of Walfish Bay on the West Coast of Africa and certain territory sourrounding the same, and of certain British Territories in the St John's River in South Africa“, that from and after such day as the Governor shall, pursuant to the powers in that behalf contained in Her Majesty’s Letters Patent, bearing date at Westminster, the 14th day of December 1878, by Proclamation under his hand and the public seal of this Colony, fixed in that behalf, the Port or Settlement of Walfish Bay on the West Coast of Africa, and certain territory surrounding the same, the limits of which are defined in the Letters Patent aforesaid, shall become and be part of the Colony of the Cape of Good Hope, and subject to the laws in force therein, except as the application of the same to the sgaid Port or Settlement of Walfish Bay and certain territory surrounding the same may be modified by any - guch proclamation: Now, therefore, I, the Governor aforesaid, under and by virtue of the powers aforesaid, do hereby proclaim, declare, and make known, that I have fixed the date hereof, as the day from and after which the said Port or Settlement of Walfish Bay and certain territory surrounding the same, and included under the following limits, that is to say: On the south by a line frome a point on the coast, fifteen miles south of Pelican Point, to Scheppmann'’s Dorp; on the east by a line from Schleppmann's Dorp to the Rooibank, including the plateau, and thence to ten miles inland from the mouth of the Swakop River; on the north by the last ten miles of the course of the Swakop river, and on the west by the Atlantic ocean, shall, under the name, designation, and title of Walfish Bay, become and be part of the Colony of the Cape of Good Hope, and subject to the laws in force therein.

2. I do further proclaim a Court of Resident Magistrate to be erected, constitnuted, and established for and within the said territory of Walfish Bay, and the said Court shall.be holden by and before the Resident Magistrate for the territory aforesaid.

God Save the Queen. Given under my hand and the Public Seal of the Colony of the Cape of Good Hope, this 7th day of August, 1884, Hercules Robinson, Governor By Command of His Excellency de Governor in Council, Thomas Upington:

(Auszugsweise Uebersetzung.) Bekanntmachung

des Gouverneurs der Kap-Kolonie Sir Herkules George Robert Robiason

Durch die Akte Nr. 35 von 1884 ift verfügt, daß der Hafen oder die Niederlassung von Walfish-Bai an der Westküste von Afrika und ein gewisses dieselben umscbließendes Gebiet, deren Grenzen in Ihrer Majestät Letters patent, d. d. Westminster, den 14. Dezember 1878, festgeseßt sind, von demjenigen Tage, den der Gouoerneur in Gemäß- beit der in den Letters patent enthaltenen Vollmacht durch eine Be- kanntmachung bestimmt, ein Bestandtheil der Kolonie des Kaps der guten Hoffnung werden und deren Geseßen unterworfen sein follen. Der Gouverneur bestimmt den 7. August als denjenigen Tag, von welchem jenes Gebiet, in den nacstehenden Grenzen eingeschlossen, nämli: Im Süden von einer Linie, die von einem Punkt an der Küste fünfzehn Meilen südlih von Pelikan-Point bis Sceppmanns Dorp geht; im Osten von einer Linie, die von Scheppmanns Dorp bis zu dem Rooibank führt, das Plateau eins{chließt und von da bis zehn Meilen landeinwärts von der Mündung. des Swakop - Flusses aeht; im Norden von den leßten zehn Meilen des Laufes des Swakop- Flusses, und im Westen von dem Atlantishen Ocean unter dem Namen „Walfish-Bai“ Bestandtheil der Kap-Kolonie sein soll.

2. Der Gouverneur ordnet ferner die Einseßung eines Gerichts für die Walfisb-Bai an, welhes durch den Resident Magistrat dieses Gebiets abgehalten werden soll.

in Gemäßheit dieses Erlasses am 26. d. M. richtet habe.

an denselten ge-