1885 / 9 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

deshalb beantragen, daß die Position, die hier in Frage stehe, an die Budgetkommission überwiesen werde, mit dem Wunsche, daß sie dasclbst s{leunigst berathen werde. Er wisse zwar, daß dies nach den Bemerkungen des Reichskanzlers nit gern gesehen werde, aber er sei alt genug, um solchen Dingen gegenüber sih nit durch augenblickliche Begeisterung fortreißen zu lassen. Er müsse wissen, wenn er einen Schritt thue, daß er ihn auzch mit Erfolg thun könne. Darin werde das Land, so begeisteri es au sein möchte, niht irgend ein Dementiren seiner Begeisterung finden können, sondern nur die Sorgfalt eines Mannes, der beherzige: „was du auch thust, das thue weise und bedenke das Ende“. Er habe niht einen Augen- blid gezweifelt, daß der Reichstag große Einsicht in diese Dinge habe und wenn er im Zweifel darüber gewesen wäre, so würden die Aktenftücke, die dem Hause mitgetheilt worden seien, ihn belehrt haben, daß der Kanzler von diesen Dinge:1 etwas ver- siehe, aber so sehr er bemüht sei, dies anzuerkennen, so entbinde ihn das doch nicht, die Sache zu prüfen, und er glaube auch, daß der Neichstag von dieser Pflicht nicht entbunden werden könne. Er neige dahin, das zu bewilligen, was hier verlangt werde, aber da es mit der Kolonialpolitik zusammenhänge und der erste ernste Schritt auf diesem Gebiete sei, so möchte er die Position niht im Sturnlauf genommen sehen. Er sage das, wiewohl ev wisse, daß auch seine heutige Erklärung fals{ch ausgelegt werden würde. Jeder im Hause sei erfreut, wenn der Reichskanzler die Güte habe, selbst die Debatte zu leiten und die Mittheilungen zu machen, keiner könne das vollstän- diger als der Kanzler. Aber mit dieser Neigung, ihn zu hören und seinen Gedanken zu folgen, sei nicht zu verwech- seln, daß man nun auch unbedingt das thun müsse, was der Kanzler fordere und wünsche, da müßte man ja seine eigenen Gedanken ohne Weiteres aufgeben. Es müsse doch dem Reichs- kanzler angenehmer sein, seine Forderung selbst prüfenden

tännern gegenüber durhzuseßen als Leuten gegenüber, die ihm blind folgten.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Worí : i j

Der Herr Vorredner hat als Hauptbasis seiner Entwickelungen den Saß genommen, daß die Bewilligung dieser Position ein außer- ördentlih wichtiger Schritt sei, wichtiger als die Summe, die da- hinter steht. Mrcine Herren, ich gebe das vollkommen zuz aber sehr wichtig nach beiden Seiten. Sowohl die Annahme wte die Ableh- nung, wie bie Verzögerung wird Konsequenzen nach si ziehen.

Die Annahme wird vor der Hand, soweit ich sie übersehen kann,

die Konscquenz nah sich ziehen, daß wir überhaupt bei der Absicht, Kolonialpolitif in dem bisher übersichtlihen Umfange zu betreiben, stehen bleiben, daß wir zu diesem Zweck Ihnen in kürzester Zeit einen Nachtragsetat nicht zu 1884, wie er heute diskutirt wird, son- dern zu 1885 einbringen, der die Kosten für den Gouverneur, für seinen Kanzler und für cin paar andere Beamten, die Kosten für ein Gebäude für diesen Gouverneur von Stein oder von Holz ih weiß es niht enthält. Das wird Ihnen in kurzem vorgelegt werden es wäre Ihnen schon vorgelegt, wenn wir rechtzeitig die Informationen über das Minimum, für welches diese Erfordernisse herzustellen sein würden, hätten beschaffen können, aber die Entfernungen sind weit, und wir find eben auf das sahkundige Urtheil (die Regierung näm- li hat Vertrauen auf Sachkundige), auf das sahkundige Urtheil des Syndikats in Hamburg angewiesen, daß seinerseits an Ort und Stelle über manche Dinge noch Rückfragen hält. Es hat lange ge- dauert, aber ich habe doch im Konzept für den Bundesrath die Forderung für den Gouverneur und das, was daran hängt, schon ge- eichnet. E Das also sind die Konsequenzen, die die Bewilligung vorläufig nah sich zieht. Der Herr Vorredner hat sie sehr viel weiter aus- gesponnen, als fie in der natürliden Entwickelung der Dinge be- gründet sind. Er hat dazu eine Situation zu Grunde gelegt, die gar nit vorhanden ift, und hat sie mit den Worten geschildert : wir sind von Feinden umgeben. Meine Herren, das waren wir viel- leiht im Anfang der 70er Jahre, von Feinden oder von unsicheren Freunden, aber mit der jeßigen Situation ift diese Behauptung des Herrn Vorredners doch kaum verträglih, und bei der politischen Intelligenz, die ihm beiwohat, kann ich mir wirklich kaum denken, daß das ctwas anderes als eine rhetorishe Figur von ihm gewesen ist, die ihm entschlüpft ist, so wie eine andere Aeußerung, bei der er auch nit gleih wünschte, festgenagelt zu sein ih weiß nicht mehr, welce. i;

Wo sind denn die Feinde, von denen wir umgeben sind? JIch sehe rundum nur befreundete Regierungen, mit denen wir in den engsten vertrauensvollen Beziehungen stehen. Vielleiht können Sie mir cine nennen, die Sie besonders fürhten? Ih würde für diese Belehrung in meinem Fache und auf diesem Gebiet sehr dankbar sein. Vielleicht is mir irgend eine Eke der europäischen Politik, aus der ein Ungewitter über uns losbrechen könnte, vollständig ent-

angen ?

Î Daß wic mit den beiden öftlihen Mächten, den beiden Kaiser- reihen in intimen und sieren Verhältnissen leben, dürfte auch von dem Herrn Vorredner nicht in Zweifel gezogen werden, und diese Verbindung an si bildet ein starkes Dach und eine starke Wölbung, von der gestüßzt, jedes von den drei Kaiserreihen {on manches aus- halten kann, was ihm von anderer Seite kommen könnte.

Wir leben mit Jtalien in intimer und guter Freundschaft, in sicheren Verhältnissen ; das gleiche ist mit Spanien der Fall. Wir haben mit Frankrei seit vielen Jahren ich kann wohl sagen seit der Zeit vor 1866 nit in so guten Beziehungen gestanden, wie heute. Es ist das das Ergebniß eîner weisen und Ad Re- gierung in Frankreich, die die Wohlthaten des Friedens ihrerseits ebenso Hoch zu s{äßen weiß wie wir: beide Regierungen wissen, daß es auf dem Koniinent kaum eine größere Kalamität giebt, als einen deutsch- französischen Krieg. Wir haben das einmal gegenseitig durchgemacht, und für den Sieger und Besiegten ift es ein \{chweres Unglück, nah beiden Seiten hin; selbst ein siegreiher Krieg von diesen Dimensio- nen ift ein Unglück sür das Land, das genöthigt wird, ihn zu führen, und ih glaube, daß auf keiner von beiden Seiten eine Versuchung dazu besteht, Minoritäten, die rerum novarum cupidae sind, und die die jeßige Regierung um jeden Preis stürzen wollen, auch um den, {hr Vaterland in auswärtige Kriege zu ftürzen ja, meine Herren, die finden Sie in jedem Lande. Sie find niht in jedem glei groß vorhanden sind sie wohl überall, denke ih mir. (Brävo! rechts. Zuruf links.) Ich weiß niht, ob sich Eine dort meldet von den Minoritäten, ih hörte eine unverständlihe Stimme, habe aber kein Bedhriots, fe kennen zu lernen.

tit Cngland leben wir in gutem Einvernehmen. Daß England in dem Bewußtsein „Britannia rules the waves“ etwas verwunder- lih aufsieht, wenn die Landratte von Vetter als die wir ihm er- \{einen plößglih auch zur See fährt, ist nicht zu verwundern; die Verwunderung wird indeß von den höcften und leitenden Kreisen in England in keiner Weise getheilt, Die haben nun eine gewisse Schwierigkeit, den Ausdru des Befremdens bei allen ihren Unter- thanen rechtzeitig zu mäßigen; aber wir stehen mit England in althergebrahten befreundeten Beziehungen, und beide Länder thun wohl daran, diese befreundeten Beziehungen zu erhalten. Wir wür- den, wenn die-englishe Regierung sih die Beurtheilung maner ihrer Unterthanen in Betreff unserer Kolonialpolitik vollständig aneignen follte, in anderen Fragen, die England nahe interessiren, kaum im Stande sein, ohne Mißbilligung von Seiten der deutshen Bevölke- rung die englische Politik zu unterstüßen. Wir würden vielleicht ge- nöthigt sein, diejenigen, die, ohne es zu wollen, Gegner von England sind, zu unterstüßen, und irgend ein do ut, des herzustellen, aber ih glaube, daß wir auch mit der englischen Regierung in Beziehungen leben und leben werden, die den Saß des Herrn Vorredners, den er

braudte, um die Folgen der Bewilligung ret \{recklich darzustellen, den Saß, daß wir von Feinden umaeben sind, vollständig unanwendbar machen auf diese augenblicklihe Situation.

Wir find von Freunden umgeben in Eurcva d. b,, *eshalb will ih den Spruch meines verehrten Freundes, des Grafen Moltke, nit invalidiren und nicht bekärnpfen. Wir find von Regierungen umgeben, die mit uns das gleiche Interesse haben, den Frieden zu er- halten, es giebt keine einzige Regierung, die cinen Krieg besser ver- tragen könnte, wie die deutsche thn vertragen Tann, und wenn cine andere glaubte, ohne Schädigung ihrer sonstigez Junterefsen den Frieden Europas brechen zu können, so würde Deutschland immer sagen : Wir können das noch cher, wir sind nur gewißenhafter und nebmen mehr Rücksicht!

Also bin ih es der öffentlichen Beruhigung sch{uldig, zu erklären, daß der Hr. Abg. Windthoxcft im Jrrtbum ist, wenn er meinte, wir wären von Feinden umgeben, Wichtig bleibt der Schritt deshalb doc, denn er zieht immer die weitere Bewilligung eines Gouverneurs nah fih. Die ganze Forderung ift begründet auf der Voraussetzung, daß Sie den Gouverneur bewilligen werden, dern ohne Gouverneur ist keine Barkasse nothwendig; ih wüßte sonst Niemand, der sonst darauf fahren sollte. Hr. Woermann hat scine eigene.

Der Herr Vorredner hat es nun so dargestellt, daß er uns nur die Wahl stellte, eniweder auf unsere Kolontalpolitik zu verzichten, oder unsere Seemacht auf eine Höhe zu erhebzn, daß wir überhaupt zur See Niemand zu fürchten haben, ich will also einmal sagen: auf die Höbe der Seemabt von England; dann hätten wir immer noch ein Bündniß von England und Frankreih zu fürhten. Die find immer noch stärker als eine einzelne Macht jemals in Europa sein kann und sein wird. Dies ift daber ein Ziel, das ja nie erstrebt werden kann. Jch gebe zu, daß das Fahren zur See immer eine ge- fährlihe Sache für Kaufleute, æber nod mehr für Kriegsschiffe ist. Es ift von allerlei Gefahren und von allerlei Kosten umgeben, aber wie machen es denn andere Mächte? Frankreich also is zur See vielleibt weniger ftark als England, und es fürbtet fich doch nicht, seine Kolonien, die fo weit entlegen sind, daß der Seeweg ihm an verschiedenen Stellen unterbunden werden kann, ruhig im Vertrauen auf sein Gesbick, seine Tapferkeit und sein Ansehen, sowie auf die Gerechtigkeit und Friedensliebe anderer Staaten dur{- zuführen. Ih will indeß kei Frankreich gar niht stehen bleiben; auch eine Seemacht wie die französische halte ich gar nicht für Deutschland indizirt. Aber sollte es wirklih für uns unmöglich sei», uns auf die Höbe von Portugal aufzushwingen, von Holland, von Spanien, von Nordamerika, ja seibst von Rußland? Sollte Deutsch- land wirkli außer Stande sein, eine Seemacht zu halten, die allen übrigen Mächten, außer England und Frankreich, gegenüber die See halten kann, leßteren gegenüber fie auch halten wird nah dem Geiste,

den ih in unseren Seeleuten kenne, entweder über der See oder unter der See? Also das ift ja eine außerordentliche Uebertreibung. Wenn der Herr Vorredner verlangt, um die Frage

zu erörtern, ob der Marine-Minister, wie er den Herrn Chef der Ad- miralität nannte, in einer Kommission das ist das Liecblingsfeld des Herrn Vorredners im Stande sein würde, auf feine Ueber- zeugung hin die Versicherung abzugeben, daß Deutschland unter allen Umständen allen Gefahren gewachsen sein könne, die aus Kolonial- besiß überhaupt entfteben mögen, ohne Shwäcbung der Landarmee —, ja dann verlangt der Herr doch von dem Marine-Minister eine ab- jolute Unmöglichkeit, wie er sie auch von mir auf einem kleineren Gebiete verlangt: i soll in Kommi sionen erscheinen, Meine Herren, was soll ih da? Ich habe in der That {on mehr Geschäfte außer- halb der Kommissionen, als ih überhaupt besorgen kann, und ich bin in der Hauptsache doch nicht im Dienste des Parlaments, noch weniger im Dienste der Kommissionen und des Hrn. Abg. Windthorst, ih bin in der Hauptsache im Dienste Sr. Majestät des Kaisers. Dessen Ge- schäfte habe ih zuerst zu besorgen, die rufen mich niht in die Kom- mission. Wenn Sie mir hier oder den Organen der Regierung in der Kommission keinen Glauben schenken wollen, so daß ih blos ad audiendum verbum dort ersceinen soll, so sage ih Ihnen einfach: ih komme nicht. (Lebhaftes Bravo! rechts. Zischen und Heiterkeit links.) Meine Herren, erregt das Ihre Heiterkeit? Würden Sie anders handeln an meiner Stelle? Ich bín ein großer Feind ano- nymer Kundgebungen. Wenn Einer mir in inartikulirtken Tönen kundgiebt, daß ih etwas, seiner Meinung nah, Unhaltbares gesagt habe, so habe ich es gern, daß die Darstellung gezeichnet wird mit der Unterschrift, dann werden wir uns ja verständigen können.

Also wichtig ist der Schriit ja im höchsten Grade, aber nah zwei Sciten hin. Es ist aber auch wichtig, meine Herren, daß er {nell geschehe. Wenn Sie überhaupt keine Lust haben zu der Sache, wenn Sie ents{lossen sind, durch Verschlceppung der Sache in Kom- missionen die Entwilkelung unserer Kolonieen zurückzuhalten und ab- zuwarten, interim fit aliquid, ob man die Regierung nicht aus diesem Geleise herausdrängen kann durch irgend cine andere Frage wenn Sie das wollen, meine Herren, fo möchte ich wirklich bitten, daß Sie Ihr ablehnendes Votum s{chärfer und klarer aus\yrechzn, als es dur die thatsäclihe Rückverweisung der Sache in eine Kommission der Fall ift, damit auf diese Weise die Sache uicht vers{chleppt werde.

Ich habe außer den Nachrichten, die ich Jhnen vorhin mittheilte, gerade an demselben Tage noh ein paar andere erhalten, von denen eine {on gedruckt ist, ein Telegramm aus Welington :

Die Regierung von Neuseeland hat den Antrag gestellt, die Samoainseln zu annektiren.

Während wir bisher mit der englischen Regierung das ftill- \chweigende, unausgesprochene Abkommen haben, daß keine der beiden Regierungen eine Veränderung des status quo dort vornehmen soll ohne Zustimmung der anderen, und kaß wir die Unabhängigkeit der Samoainseln erhalten wollen.

Ein Dampfer hält sich also in Neuseeland bereit abzugehen, sobald die Entscheidung Lord Derby's eingetroffen sein wird.

Eine andere Nachricht, die mir ebenfalls gestern zugegangen ift, und die in ihrem Lakonismus mir noch ni{t vollständig verständlich ift, ist, daß die Eingeborenen in Neu-Guinea die dortigen deutschen Ofkkupationen hinausgeworfen haben. Das Telegramm hat nur fünf bis sechs Worte, ih kann mir das weiter noch richt erklären. Es ist mir nur merkwürdig die Koinzidenz des Widerstandes der Eingeborenen gegen die deutshe Okkuvation, die an den verschiedenen Küsten stattfindet. Auch in Samoa sind es die Eingeborenen, die diese Annexionen Seitens der englishen Kolonien beantragt haben. Kurz, wir sehen Andere überall beim thätigen Handeln; währenddefsen berusen wir Kommissionen und citiren den Reichskanzler dorthin. Das kommt mir doch etwas vor, wie der Hof-Kriegsrath in alten Zeiten in Wien. Ih würde mich, wenn ich Abgeordneter wäre, für verantwortlih halten nicht den Wählern, aber dem ganzen Lande gegenüber, wie es der Verfassung entspriht. Der Herr Vorredner hat gestern von den Aufträgen, diz er von seinen Wählern erhalten fte gtiproen. Ich mache ihn darauf aufmerksam, daß das ver-

assunagswidrig ift.

Alle die Herren sind Abgeordnete des ganzen Volkes und sind an Mandate Seitens einzelner Wähler oder Wählerkreise nicht gebunden.

Sie haben die Interessen des ganzen Landes hier sorgsam zu er- wägen und zu berathen. Der Herr Vorredner knüpfte daran die gewöhn- lihe Aeußerung: wozu sind wir denn überhaupt hier, wenn wir das nicht genau prüfen und verwerfen können? Ja, das können Sie jeder Sache gegenüber, bei jedem einzelnen kleinen Gegenstände. Wenn Sie da immer sagen, wozu sind wir denn überhaupt hier, so muß ih daraus \ch{ließen, Sie find überhaupt dazu hier, um Alles zu ver- werfen, Alles aufzuhalten, Alles zu hemmen, was geschehen kann. Indessen geht die Uhr der Welt vorwärts und Sie sitzen hier als Hof-Kriegsrath und ih als Feldrnarshall Daun.

Unterdessen werde ich geschlagen, wenn ich mich dazu hergebe, Ihr Daun zu fein. Das werde ih aber nicht.

Kurz und gut, ich muß meinerseits die Mitwirkung an diesen weiteren Hof-Kriegs-Berathungen in den Kommissionen ablehnen. Ich will die Mitschuld daran nicht tragen.

Der Herr Vorredner hat so mannigfaltige Fragen berührt, daß ih nit weiß, ob ic sie alle beantwortet habe. Eine fällt mir noch ein. Er stellte am Eingang seiner Rede die Meinung auf, als hätten

wir am 15. Dezember die Direktorstele im Auswärtigen Amte zur wegen der Kolonialverhältnisse gefordert. Ja, das ist ein vollständiger Irrthum. Da hat der Herr nicht die Güte gehabt, meinen Reden mit derselben Aufmerksamkeit zu folgen, die ich den seinigen zu widmen pflege, wenn ih sie überhaupt verstehen kann von der Stelle wo er zu stehen pflegt. Auch wenn Jhr Verdikt so ausfällt, daß wir die Kolonialpolitik ganz aufgeben müssen und daß wir darüber „S{womm drüber“ sagen müssen, so ist es doch urmsglich, obne eine neue Direktor- stelle im Auswärtigen Amte auszukommen, ohne einen Beamten mehr, der von der prin:a plana ift und der unter Umständen in mei- ner Vertretung unterzeihnen und mir die Gewißheit geben fann, daß ich neben seine Paraphe die meinige seßen kann. Den müssen wir do haben, und wenn Sie mir den ablehnen, fo bin i genöthigt zwei höhere Beamte aus dem Auswärtigen Dienste einzuberufen, und das kostet dann leiht dreimal so vicl, als wenn Sie diese Stelle be- willigen. Der Dienst kann darunter nicht leiden. Er geht {on jetzt \{lechter. Seit wir darüber diskutirt haben, ist der Graf Hakfeldt voliständig erkrarkft- und für Wochen aus dem Dienfte vollständig ausgeschieden. Er kann die Arbeit, die ihm zugemuthet ift, niGt mehr leisten, und ih habe jeßt fon einen Gesandten heranziehen müssen. Ste müssen doc bedenken, daß ih niht mehr wie in alten Zeiten meine 12 big 16 Stunden des Tages arbeiten kann. Jb habe 3—5 Stunden Arbeitszeit am Lage, und mit so wenig Leistungéfähigkeit würde ih ja im Dienste nicht bleiben, wenn nit zwingerde Gründe für mih da wären. Jh habe meinerseits das Gefühl gehabt, daß ich bamit nit tanti bin, aber wenn ich einmal darin bin, fo verlangen Sie, daß ich von diesen wenigen Stunden noch einige in Ihren Kommissionen verbringen foll. Auch wenn ih das ablehre, fo kann ih doch den Arbeiten nicht die Spiye bieten, die da sind. Jh muß und selbst, wenn ich dem Lande Kosten mache, die ih bedaure, Hülfe dazu heranziehen, oder die Geschäfte gehen fo \{lecht und fo langsam, daß i die Verant- wortung überhaupt nicht dafür tragen kann: 56009 Nummern im Jahre kann ein einziger Beamter nit bewältigen.

Der Herr Abgeordnete hat in Aussicht gestellt, daß wir irgend eine Garnison in Afrika haben müßten und hat sich darauf berufen, daß ih früher gesagt habe oder wenigstens darauf angespielt —, daß eine solche nicht erforderlih scin würde. Ja, meine Herren, dabei bleibe ih aub noch. Haben denn die anderen Nationen dort Gar- nisonen? Sie schen, daß die Mannschaft, die die Engländer, die Franzosen dort auf ihren einzelnen Kolonialpunkten haben, Leute, die viel strengere Begriffe von dem Kolonialregiment haben, wie wir qus einem Konsul und ein paar Leuten von der Kategorie besteht, rie man im Oriente Kawassen nennt, und die dort anders heißen :

Krooneger oder Haussa odex Zanzibarfoldaten, die sie um ih haben. Sie schen, daß einzelre Engländer unter Umständen gefangen genommen, in Verlegenheit gerathen, und daß keine

englishe Streitmacht \ofort zur Hand ist, um dem abzuhelfen. An vielen Stationen wenn Sie die Blaubuchmittheilungen aufmerksam gelesen haben, so werden Sie das darin gefunden haben haben unsere Bevollmächtigten beispielsweise einen französischen Zollsoldaten gefunden oder Douanier unter der Rubrik ift er bes zeibnet —, er ist natürlich respettirt worden, er is eine Autorität, das heißt, er ist nicht etwa ein Franzose und ein Mann von höherer Bildung, sondern cin Neger mit einem gewissen Anzuge und einem gewissen Gürtel, der eine französische Legitimation hat, und der steht an Stelle der französischen Flagge da und wird respektirt. Und des- halb zeugt dieser Gedanke, den der Herr Vorredner in Ihnen anzu- regen sute, als wenn wir dort große Garnisonen anlegen müßten, davon, wie wenig die Herren die Verhältnisse dort kennen; Sie können "Sie auch nicht kennen; aber wenn ih die Verhältnisse nit kennte, dann würde ih in folhen Dingen, wie Guinea und die afri- kanische Küste, doch immer noh eher geneigt sein, Hrn. Woermann zu folgen als Hrn. Windthorst.

Ich glaube, daß Hr. Woermann die Sachen genauer kennt als Hr. Windthorst, während Hr. Windthorst gewiß sons uns Allen an mannihfachen Kenntnissen überlegen ist, aber in Bezug auf Afrika habe ich keinen Glauben an ihn. Die Regierung hat Autoritäten wie denen der Herren Woermann, von Jantzen und Thormählen dieser Hamburger Firmen, dieser angesehenen fürstlichen Kaufhäusfer, die mit ihren eigenen Interessen, mit ihrem ganzen Vermögen für den Erfolg der Unternehmungen engagirt sind, denen hat sie volles Vertrauen geschenkt, sie ift denen in fidem nabgegangen, sie kann ja darin irren, aber es ist nicht wahrscheinlich. Wenn die kauf- mnännische Aristokratie eines großen Handelsemporiums, des ersten in Deutschland, des ersten auf dem Kontinent, diese Wege aus freier Wahl eingeschlagen hat, nicht etwa genöthigt dur irgend eine Re- gierungsinitiative, und sie sleht nachher dafür ein, A EBE ihr Vermögen dazu cin: hat denn Deutschland zu dem kaufmännischen Geschick seiner ersten Handelsstadt nicht so viel Zutrauen, daß es ihr da mit 50 000 M oder einer Baarkasse zu folgen im Stande ift ? Sind die Hamburger so einfältig, daß fie nicht wissen, was ihnen frommt? Haben wir gegen Dura, den eigentlichen Führer unseres deutschen Exrportes nah Üüberseeishen Ländern, ein solches Mißtrauen, daß wir glauben, die Leute werden die deutschen Interessen entweder kaufmännish nit verstehen oder aus egoistis&en Interessen fals behandeln? Ja, meine Herren, dann verzichten wir auf die Aktion, dann friehen wir auf unsere thüringer Berge zusammen und sehen s Meer mit dem Rücken an. Das ist das Beste, was wir thun

nnen.

Meine Herren, ich habe für meine Kräfte beute genug geredct, obwohl mein Herz von dieser Sache voll genug ist: aber ih fürchte, ih möchte \{ließlich in Unmuth übergehen, nachdem ih auch heute den- selben Kommissionsturm wieder wie gestern gehört hobe.

Also ih kann Ihnen nur empfehlen, nehmen Sie diese Vorlage an und entscheiden Sie sich damit für Beibehaltung und Befolgung der Kolontalpolitik in dem Sinne, wie sie von den hanseatischen Pionieren unseres Handels begonnen und von der Regierung unter ihren Schuß genommen ist! Wenn Sie die heutige kleine Position ablehnen, so nehme ih an, Sie haben „nein® gesagt, und dann fallen die Folgen auf Ihre Verantwortung, aber nicht auf meine.

(Schluß in der Zweiten Beilage )

übernehmen würden.

Zweite Beilage

zum Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M D.

Berlin, Montag, den 12. Januar

15.

(S{luß aus der Ersten Beilage.)

Der Abg. Richter (Hagen) betonte, daß die Aeußerung der Heiterkeit, welche der Reichskanzler auf seiner, des Redners, Seite so mißfällig bemerkt habe, sich niht auf eine Ausfüh- rung von ihm, sondern auf die Beifallssalven, mit welchen die Rechte seine an sih minder wichtige Erklärung begleitet habe, bezogen habe, daß der Kanzler nicht in die Kommission gehen würde. Uebrigens könne er dem Reichskanzler versichern, daß seine Partei des Kanzlers Erklärungen über das friedlihe Ver- hältniß mit den Nachbarstaaten mit großer Freude entgegen- genommen habe und auch nit zweifle, daß sie im Lande die- selbe Aufnahme finden würden. Nun feien der ersten heutigen Rede des Reichskanzlers nur zwei Reden von des Redners Partei vorausgegangen ; wer aber die erste Rede lese, könnte

glauben, es seien das zwei durchaus polemische Reden ge-4

wesen. Jn Wahrheit aber habe der Abg. von Bunsen für seine Perjon an die Entwickelungsfähigkeit Afrikas so hohe Hoffnungen geknüpft, wie sie vielleicht \{chwerlich

von allen Seiten getheilt würden; und die im Namen der Partei abgegebene Erklärung des Abg. von Stauffenberg be- shränke sih darauf, daß dieselbe auf dem Standpunkt des Reichskanzlers vom 26. Juni v. F. stehen geblieben sei, daß sie also die Kolonialpolitik in der damaligen engen und fnappen Begrenzung im Gegensaß zu dem sogen. französischen Kolonialsystem im Allgemeinen zu unterstüßen wohl im Stande sei, und daß sie ihre damals markirten Bedenken ge- gen eine weitergehende Kolonialpolitik ebenso au heute fest- halte. Jn leßterer Beziehung jtimmten viele Ausführungen des Abg. Windthorst mit den Anschauungen feiner Parlei überein, und die seitherigen Erscheinungen seien sogar ge- eignet, diese Bedenken zu verstärken. Jndeß habe der Reichs- fanzler jüngst mit Necht darauf hingewiesen, wie man in der Politik lernen müsse, und so müßten denn auch auf diesem ganz neuen Gebiete erst Erfahrungen gemacht werden in dem Make, wie die praktische Bedeutung der Frage zunehme, werde das Urtheil des Hauses immer fester und sicherer begründet werden. Er sei der Meinung, daß das Haus heute nicht über ein Kolonialsystem und über irgend eine in ihren Grenzen nit erkennbare Kolonialpolitik entscheiden könne, auch nicht über die Entwickelung der Marine; diese Fragen würden vielleicht bei späteren Gelegenheiten an das Haus herantreten. Vor- läufig halte er sih an das, was der Reichskanzler am 26. Juni über den leßteren Punkt gesagt habe, daß nämlich das fran- zösishe System die deutsche Marine zu sehr in Anspruch neh- men würde. Es sei ja möglih, daß eine Kolonialpolitik \ich vollziehe, die über den vom Kanzler damals gezogenen RNah- men hinausgehe; so weit man aber übersehen könne, scheine die Bewilligung dieses Schiffes für eine solche weitergehende Politik niht zu engagiren. Nun habe der Reichskanzler heute hervorgehoben, daß er demnächst mit der Forderung eines Gouverneurs für Kamerun kommen würde sowie mit dem Verlangen eines gewissen Personals zu dessen Unterstüßung. Nach dieser Nichtung werde nun allerdings ein gewissesEngagement eingegangen, denn was solle die Barkasse ohne den Gouverneur ? Aber sür die rehtlihe Stellung dieses Gouverneurs übernehme das Haus damit kein Engagement. Jn den dem Reichstag vorgelegten Vlaubüchern heiße es, ein Gouverneur sei dort nöthig, weil die Eingeborenen nur unter diesem Titel ein gewisses Ver- ständniß für eine amtliche Stellung hätten. Nach diesen Er- läuterungen gehe für uns auch die Anstellung des Gouver- neurs, die Beschaffung des Schiffes, selbst die seines Hauses und der sür ihn zur Verfügung zu stellenden Mannschaft über jenen knappen Rahmen nicht hinaus. Die vom Neichs- lanzler angezogene Analogie mit den Konsuln sei ganz richtig ; es jei in der That dasselbe, als wenn man einen Konsul in

ein Land schicke, das noch keine geordneten Rechtsverhältnisse besie, und ihn deshalb mit einer gewissen Gerichtsbarkeit aus- stalte, Seine Partei habe den Beschluß, diesen Gouverneur zu bewilligen er erwähne das, weil auch der Reichskanzler wieder auf den Neichstagsbeshluß vom 15, Dezember gekoms- nen sei am 14. Dezember in derselben Fraktionssizung gefaßt, wo dieselbe sich für die Ablehnung der zweiten Direktorstelle im Auswärtigen Amte s{chlüssig gemacht habe, Damit entfalle der Mythus, als ob es sich bei seiner (des Redners) Partei um eine systematische persönliche, unsahlihe Opposition ge- handelt habe, sie sei ebenso einstimmig zur Bewilligung der ersteren, wie zur Ablehnung dex leßtecen Position gekommen. Ver Reichskanzler habe übrigens Recht, wenn er hervorgehoben habe, daß der zweite Direktor mit dem Kolonialsystem nichts zu thun habe; aber derselbe dürfe es nicht übel nebmen, wenn im Lande vielfach diese Meinung verbreitet sei. Habe doch ein Aufruf für eine Ehrengabe an den Reichskanzler zu kolonial- politishen Zwecken, unterzeihnet von den Herren Marquard- sen, Buhl und anderen pfälzishen Abgeordneten des Reichs- tages diese Aufforderung geradezu damit motivirt, daß der Reichstag dem Kanzler die Mittel zur wirksamen Führung der Geschäfte des Reichs, namentlih für seine kolonialpolitishen Zwecke vorenthalte. So werde von nationalliberalen Abgeord- neten, die do aus dem stenographischen Bericht wissen müß-

len, daß der Unter-Staatssekretär Dr. Bush hier das Gegentheil gesagt habe, ein solcher «Frrthum im Lande

verbreitet, und dann dürfe man sich nicht wundern, wenn auh hier im Hause diese falsche Vorstellung zuweilen auf- iauche, und er sei dem Reichskanzler besonders dankbar dafür, daß derselbe diesen Jrrthum seinerseits zerstört habe. Der Abg. Woermann habe ihn gewissermaßen darüber beruhigt, daß weitere Belastungen sür das Kamerungebiet, soweit er das Übersehe, nicht stattfinden würden, und erx stelle auch in Aussicht, daß die Fnteressenten dort jeßt oder später die Kosten für den Gouverneur und wohl au für die Schiffsbesaßung | Diese wichtige Geldfrage dränge \ich ihm nämlich sofort auf: Was zahlen diejenigen Herren, die den nächsten, den größten Vortheil von der Sache haben ?

iese Frage werde sehr bald praktisch werden, und umsomehr beruhige ihn die amtliche Erklärung des Reichskanzlers in den Aktenstüclen, daß außer dem Kriegs- und Zustizdeparte- ment alle sonstizen Ausgaben dieser Gebiete als Angelegen- heiten der Interessenten der Kaufleute, der Faktoreien betrachtet

Deckung dieser Ausgaben sich auf eine eigene Steuer, die Erhebung eines eigenen Ausfuhrzolls in diesen Gebieten ge- faßt machen. Nach den Jnformationen aus den Blaubüchern halte also der Reichskanzler auch Kamerun gegenüber an der ursprünglichen, am 26. Juni dargelegten Politik Ten. Sim Uebrigen nehme er die Aeußerungen des Abg. Woermann mit der Reserve auf, wie man die Aeußerungen des Nächst- interessirten aufnehmen müsse. An seine Bemerkungen krititshe Erwägungen zu knüpfen, {eine ihm, im gegen- wärtigen Augenblicke und nach den Mittheilungen, die er heute über Vorfälle in diesen Gebieten erhalten habe, nicht angemessen. Denn es bleibe bestehen: wenn irgendwo die deutshe Flagge engagirt sei, müßten alle, Parlament und Parteien, für diese Flagge . und für die exolgen mit einstehen, und dazu rechne er auch die größere Reserve, die das Haus sich heute auferlegen sollte. Eine Kom- missionsberathung habe seine, des Redners Partei, am 14. De- zember nicht für nöthig gehalten, weil es sich um eine relativ vereinzelte Frage handele, und sie die Tragweite, daß hier die ganze Kolonialpolitik in unfaßbarer, vershwommener Gestalt engagirt werde, nicht erkennen könne. Seitdem seien mehrere Wochen verflossen ; die Frage liege außerdem ganz anders wie gesiern. Die Gelder für die Afrikanische Gesellshast würden ja erst zum 1. April und danach verlangt, die gestrige Kom- mifsionsüberweisung habe für die Erforshung Afrikas keine Verzögerung zur Folge. Heute liege dem Hause ein Nachtrag zum laufenden Etat vor, damit das Schiff bis zum Sommer gebaut werden könne, um noch in der guten Jahreszeit nach Kamerun befördert zu werden. Die Vorlage sei am 20. No- vember an das Haus gelangt, auch nicht dur ein Verschulden verzögert worden, sondern durch die in der Thronrede erfolgte Ankündigung jener diplomatischen Aktenstücke, deren Publika- tion inzwischen erfolgt sei. Solle aber die Forderung den ge- wollten Zweck erfüllen, so könne man selbst bei sachlichen BVe- denken einer beshleunigten Berathung zustimmen. Und da seine Partei bereits vor Wochen beshlofen habe, wenn es die parlamentarischen Verhältnisse mit sih brähten, auch sofort in zweiter Lesung für den Posten zu stimmen, so sei dieselbe dem entsprehend auch heute bereit, für die Bewilligung ein- zutreten.

Darauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:

Es ist mir nicht erinnerlich, in meiner ersten Aeußerung heute etwas gesagt zu haben, was so ausgelegt werden könnte oder von mir so gemeint worden wäre, als hätte ih auf polemishe Vorreden aus der Fraktion des Hrn. Abg. Richter antworten wollen. Es hat das nicht in meiner Absicht gelegen; id habe nur den Sc{luß der Rede des Frhrn. von Stauffenberg gehört, ohne über die Tragweite der ganzen Rede ein Urtheil zu gewinnen, und habe die ganze Rede des Hrn. von Bunsen gehört, die mich in ihrer Gesammtrichtung nur sympathisch angesprochen hat. Wenn ich irgend etwas richtig gestellt habe von dem, was mir über den Inhalt früherer Aeußerungen zu- gekommen ist, o hat kein. -polemischGes, sondern nur ein sahliches Bedürfniß mich dazu veranlaßt, wie ih das ¿. B. auch gegenüber der Aeußerung des Hrn. Abg. Richter in An- spruch nehme, welcer sagte, ich wäre zurückgekommen auf die Ab- stimmung vom 15. Dezember. Ich würde das nit gethan haben, wenn niht der Hr. Abg. Windthorst darauf zurücgegriffen hâtte, indem er sagte, die damalige Forderung sei dur die KolonialbedÜrf- nisse motivirt die nämli einer dritten Abtheilung im Auswärti- gen Amt. Es war für mi nothwendig, das zu berichtigen; ich würde sonst nah Lage der ganzen Dinge meinerseits der Abstimmung vom 15. Dezember nicht erwähnt haben.

Im Uebrigen kann ih mich nur freuen, daß ih ausnahmsweise einmal das Vergnügen habe, mich mit dem Hrn. Abg. Richter in Uebereinstimmung zu bewegen.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein bemerkte, es habe si heute im Vergleich zu der Debatte über die Dampfersubvention ein sehr erfreuliher Umschwung vollzogen. Er hätte nur ge- wünscht, daß auch die damaligen Redner, namentlich der Abg. Bamberger, gesagt hätten, ob sie noch dieselben Gegner des Kolonialsystems seien. Sie hätten vom Lande einen sehr deutlichen Ton gehört. Das Land habe die kleinliche, spieß- bürgerlihe Auffassung des Abg. Bamberger verurtheilt. Es stehe in nationaler Begeisterung hinter seinem Reichskanzler. Jeßt handele es sich um eine prompte Antwort, nahdem die bedauerlichen Ereignisse in Kamerun stattgefunden hätten. Das Haus habe nicht nur die Pflicht, Deutschlands braver Marine seine volle öffentliche Anerkennung auszusprechen, jon- dern auch keinen Zweifel auskommen zu lassen, daß es den Boden, den Deutschland mit dem Blut seiner Landsleute er- worben habe, nicht wieder aufgeben wolle, darum wolle seine Partei diese Frage so rasch wie möglih ohne Kommissions- berathung erledigen. Es sei nicht eine finanzielle, sondern eine hocpolitishe Frage, über die sih jeder hier im Hause klar sein müsse.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, troßdem er ruhig und sahlich diskutirt habe, habe der Reichskanzlec es für noth- wendig gefunden, seine Erwiderung persönlich zuzuspißen. Daß der Kanzler diese Dinge sehr genau kenne, sei ihm nicht zweifelhaft. Darum habe er aber niht das Reeht, so zu thun, als ob alle anderen Menschen gar nihts von der Sache wüßten, und als ob es vermessen sei, daß Andere si über-

haupt darin mischten. Ein einfaher Abgeordneter habe nicht die Mittel, welhe dem Reichskanzler zur Seite gestanden

hätten, auch könne er auf dem Gebiete auswärtiger Po-

litik niht handeln wie der Reichskanzler, der 2 Mil-

lionen Soldaten hinter sich habe. Auswärtige Politik

auf diesem Boden zu treiben, sei kein übermäßi-

ges Kunststück. (Widerspruh und Lachen rechts.) Daß

man (rets) diese Behauptung sonderbar finden werde, sei

ihm klar gewesen; aber er habe dieselbe absichtlich gethan.

Wenn er Unrecht hätte, so wäre es bedauerlih; denn man

würde alsdann nach dem Fürsten Bismarck in {were Be-

drängniß kommen. Er glaube aber, daß sich auch da noch Männer

zur Führung der auswärtigen Politik finden würden. Wenn der

Reichskanzler zu persönlihen Angriffen geschritten sei, so sei das

wohl geschehen, weil es an materiellen Gründen gebrochen habe.

Der Kanzler habe ihm vorgeworfen, er habe gesagt, daß

Deutschland sei ringsum von Feinden umgeben. Er habe

sih auf eine Autorität bezogen, die hoffentlih hier niht des-

nicht widerlegt worden (Rufe: auch nicht bestritten), auch nicht bestritten, nur heute dur den Reichskanzler, der erklärt habe, Deutschland hätte ringsum nur Freunde. Das Haus wercde, denke er, Veranlassung nehmen, einige Armee: Corps zu streichen. Dies sei die nothwendige Konsequenz, Uebrigens glaube er, daß Deutsch- land ohne seine feste Rüstung die Freunde nicht hätte, Dann habe es der Reichskanzler für nothwendig befunden, auf den Be!hluß vom 15. Dezember mit allerlei Seitenbemerkungen ein- zugehen. Er (Redner) folge ihm auf dieses Gebiet heuie nit, zu einer anderen Zeit werde er ihm gründliß darauf antworten. Jm weiteren Fortgange der deutschen Kolonialpolitik würde sich eine Verstärkung unserer Marine unabweislih herausstellen. Er werde den Marine-Minister bitten, sih demnächst hierüber zu äußern. Sehe man doch auf England! Was in Bezug auf Samoa mitgetheilt worden, beweise, daß die Erregung keine kleine sei, und er meine aller- dings, daß es Fälle geben könne, wo Deutschland sich auch England gegenüber in Waffen zeigen müsse. Es könne ja sein, daß er sih irre, wenn Deutshland einmal auf diesem Gebiete anfange, so sei kein Ende abzusehen. Der Abg. Woer- mann sei allerdings auch für ihn eine große Autorität. Die großen aristokratishen Kaufleute seien aber nur deëwegen o vertraut damit, weil sie ihr Jnteresse sehr genau kennten. Daraus mache er ihnen keinen Vorwurf. Der Aba. Woer- mann hade auch gewiß nichts gethan, um sein persönliches «Fnteresse zu befördern, aber wenn man sh einmal in der Atmosphäre dieses Jnteresses befände, so föônne man sih nit

ganz davon losmachen. Es sei nun wunderbar, daß mit einem Mal alle diese großen „Könige“ in Ham- burg aus der Erde hervorzuwachsen schienen. Er fei

nit dagegen, daß man diese Herren in ihren Interessen mög- lichst unterstüße; denn diese Jnteressen seien zugleich die der Nation. Er habe den Eindruck, daß die Erregung, welche sih jeßt der Nation bemähtige, dazu benußt werde, um das Haus zu einem schnellen Votum zu veranlassen. Er wolle auf der Kommisionsberathung nicht bestehen, erkläre aber, daß er bei seinem Votum für die Position ih für die Kolonialpolitik des Reichskanzlers nicht engagire. Es werde vielleicht einst der Tag kommen, wo man sagen werde, er, der Redner, habe ruhig warten wollen, ehe er das Land in eine Verwickelung hinein- geführt habe.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Vi3marck das Wort:

__ So ungern ih die Debatte verlängere, die ja nußlos \ch{eint, so bin ih doch durch die Bedeutsamkeit des Herrn Vorredners und durch die Stellung, die er als Redner in unseren parlamentarischen Kreisen fch erworben hat, geaöthigt, auf das, was er in seiner jüngsten Aeußerung Neues gesagt hat, mit einigen Worten zu antworten, {on im Interesse meiner persönlihen Reputation als friedfertiger und verträgliher Mensch; denn der Herr Vorredner hat damit be- gonnen, daß er sein Bedauern darüber aussprach, daß die ruhigste und sacblichste Diskussion gar nicht stattfinden könnte, ohne daß von meiner Seite Persönlichkeiten hineingebraht würden. Nun rufe ich die ganze

Versammlung zum Richter an, ob das heute von meiner Seite der Fall gewesen ist. Jch glaube rubig und sachlich ge- sprohen zu haben, und am allerwenigsten bin ih geneigt,

dem Herrn Vorredner gegenüber Persönlichkeiten einzuflehten, mit dem ih auf leinem ganz gleichen Standpunkte stehe. Ich kann von mir sagen : von Zeit zu Zeit höre ih ihn gern und hüte mib, mit ihm zu brechen, aber ih finde da durchaus keine Gegenseitigkeit, er shont mi durchaus gar nicht, er is ja gewiß in seinen hohen Jahren, bei seiner Stellung wahrheitsliebend mit der größten Genauigkeit, aber ih finde, daß er mir gegenüber cinen kleinen Hang zur Ueber- treibung hat, Jäger ist er nicht, aber der Hang zur Uebertreibung ist da. Er sagte im Beginn seiner Rede und er hört so fein, wie wir Alle wissen, daß er mich kaum mißhört haben kann —, daß ih behauptet hätte, alle anderen Menschen wüßten gar nichts außer mir. Das hat mir doch sehr fern gelegen; ih habe blos behauptet, daß Hr. Woermann und Genossen in dieser Sache mehr wüßten, als Hr. Windthorst und ih zusammen. Das behaupte ih auch noch. Das iff doch aber durchaus verschieden von der Art von Ueberhebung, die der Herr Vorredner mir Schuld giebt ih habe unter Umständen viel Selbstgefühl, aber ih halte mich im Ganzen für einen bescheidenen Menschen und möchte mi gegen dieses falsche Licht, das in der öffentlihen Meinung dur ein so ange- sehenes Urtheil auf mich fällt, einigermaßen salviren. Und das kann ih nur wiederholen, daß ih wirklich ein gewisses Vertrauen auf die hanseatishe Kaufmannschxft habe, und wenn der Herr Vorrdner sagt, diese ich weiß nicht, ich verstand so, daß er sie Handelskönige oder etwas ähnliches nannte, ih bin des Ausdrucks nit ganz sicher, aber ein „König“ war dabei, seien plößlich aufgetaucht, wir hätten

sie früher nicht gekannt und ohne sie sehr glücklich gelebt, Ja, das war in der Zeit, wie Deutschland überhaupt so zerrissen war, daß das Königreich Hannover, in dem der Herr Vorredner Minister war, von den Handelsinteressen Hamburgs, seines Nachbarstaates, sehr wenig oder gar nichts wußte, sons würde der damalige hannoverische Minister doch auch diese Handelskönige, wie er sie, glaube i, nannte, {hon einigermaßen wahrgenommen haben. Daß die in Folge der Konsolidation des deutshen Volkes, in Folge der Errichtung des Deutschen Reis größer geworden sind, daß sie anges{wollen im besten und wünscbenswerthesten Sinne seitdem sind, das glaube ih gern; aber eine Ahnung sollte der frühere hannövershe Minister von diefer Zukunft Hamburgs doch immer damals {hon gehabt haben. Ich kann das nicht als eine ganz ephemere und unerwartete Erschei- nung betrahten, daß Hamburgs Handel seine Fühlfäden nach übers- secishen Ländern unter dem Schuße des deutschen Reichsadlers auss streckt da, wo er früher mit dem Hute in der Hand bei Fremden bettelnd sich durchzuschlagen suchte, oder, wie Hr. Woermann die Sache aus feinen und seines Herrn Vaters Erfahrungen kennt, den Schuß fremder Mächte anrufen mußte, und daß jeßt der deutsche Schuß dafür eintritt. Natürlich, das hat Hamburg ein gewisses Selbstgefühl gegeben, aber das gönne ih ihm. .

Der Herr Vorredner is ferner in einen eigenthümlichen Wider- spruch mit seiner ersten Rede gerathen. Zuerst sprach er von „Feinden ringsum“; wir waren kleine, ängstliche, unvermögende Leute, die ih zur See und zu Lande nicht in dem Maße wie Portugal wehren könnten und die jedem Ehrgeiz über Sce entsagen müßten, weil sie nicht stark genug wären, sih auf beiden Elementen zuglei zut ver-

theidigen ; jeßt sagt er in seiner Rede: es ist gar keine Kunft, an der

Spitze von zwei Millionen Soldaten europäische Politik mit Erfolg

zu treiben. Nun, zwei Millionen ih hoffe für die Zukunft, daß

darin eine Vorbedeutung liegt für die Bewilligung von Seiten der

Centrumspartei so weit gehen unsere Prätentionen noch nit,

aber andere haben eben auch Millionen von Soldaten. Ich bin ja weit

davon entfernt, das Verdienst der auswärtigen Politik Sr. Majestät

des Kaisers in Vergleich mit dem viel größeren der militäris{hen

Leistung in der preußisch-deutshen Politik irgendwie zu überschägen.

werden würden, und mit Genugthuung sehe er die Herren zur

avouirt werden würde, den Grafen Moltke, dessen Wort sei

Ich habe mich meiner Leistung nie gerühmt, und ih bin überzeugt,