1885 / 9 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 12 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

deshalb beantragen, daß die Position, die hier in Frage stehe, an die Budgetkommission überwiesen werde, mit dem Wunsche, daß sie daselbst shleunigst berathen werde. Er wisse zwar, daß dies nah den Bemerkungen des Reichskanzlers nit gern gesehen wéerde, aber er sei alt genug, um folhen Dingen gegenüber sih niht dur augenblickliche Begeisterung fortreißen zu lassen. Er müsse wissen, wenn er einen Schritt thue, daß er ihn auch mit Erfolg thun könne. Darin werde das Land, so begeisteri es auh sein möchte, niht irgend ein Dementiren seiner Begeisterung finden können, fondern nur die Sorgfalt eines Mannes, der beherzige: „was du auch thust, das thue weise und bedenke das Ende“. Er habe nit einen Augen- blid gezweifelt, daß der Reichstag große Einsicht in diese Dinge habe und wenn er im Zweifel darüber gewesen wäre, so würden die Aftenstücke, die dem Hause mitgetheilt worden seien, ihn belehrt haben, daß der Kanzler von diesen Dinge: etwas ver- siehe, aber so sehr er bemüht sei, dies anzuerkennen, so entbinde ihn das do nicht, die Sache zu prüfen, und er glaube auch, daß der Reichstag von dieser Pflicht nicht entbunden werden könne. Er neige dahin, das zu bewilligen, was hier verlangt werde, aber da es mit der Kolonialpolitik zusammenhönge und der erste ernsie Schritt auf diesem Gebiete sci, so möchte er die Position niht im Sturwlauf genommen sehen. Er sage das, wiewohl er wisse, daß auch seine heutige Erklärung fals{ch ausgelegt werden würde. Jeder im Hauje sei erfreut, wenn der Reichskanzler die Güte habe, selbst die Debatte zu leiten und die Mittheilungen zu machen, keiner könne das vollstän- diger als der Kanzler. Aber mit dieser Neigung, ihn zu hören und seinen Gedanken zu folgen, sei niht zu verwec- seln, daß man nun auch unbedingt das thun müsse, was der Kanzler fordere und wünsche, da müßte man ja seine eigenen Gedanken ohne Weiteres aufgeben. Es müsse doch dem Reichs- kanzler angenehmer sein, seine Forderung selbst prüfenden Männera gegenüber durhzuseßen als Leuten gegenüber, die ihm blind folgten.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Worí :

Der Herr Vorredner hat als Hauptbasis seiner Entwickelungen den Saß genommen, daß die Bewilligung dieser Position ein außer- ördentlih wichtiger Schritt sei, wichtiger als die Summe, die da- hinter steht. Meine Herren, ih gebe das vollkommen zuz aber sehr wichtig nach beiden Seiten. Sowohl die Annahme wte die Ableh- nung, wie bie Verzögerung wird Konsequenzen nah si ziehen.

Die Annahme wird vor der Hand, soweit ih sie übersehen kann, die Konscquenz nah sich ziehen, daß wir überhaupt bei der Absicht, Kolonialpolitif in dem bisher übersihtlihen Umfange zu betreiben, stehen bleiben, daß wir zu diesem Zwet Ihnen in kürzefter Zeit einen Nachtragsetat nicht zu 1884, wie er heute diskutirt wird, son- dern zu 1885 einbringen, der die Kosten für den Gouverneur, für seinen Kanzler und für cin paar andere Beamten, die Kosten für ein Gebôude für diesen Gouverneur von Stein oder von Holz ich weiß es nicht enthält. Das wird Ihnen in kurzem vorgelegt werden es wäre Ihnen schon vorgelegt, wenn wir rechtzeitig die Informationen über das Miniwum, für welches diese Erfordernisse herzustellen sein würden, hätten beschaffen können, aber die Entfernungen sind weit, und wir sind eben auf das sachkundige Urtheil (die Regierung näm- li hat Vertrauen auf Sachkundige), auf das sachkundige Urtheil des Syndikats in Hamburg angewiesen, daß seinerseits an Ort und Stelle über manche Dinge noch Rüdcfragen hält. Es hat lange ge- dauert, aber ih habe doch im Konzept für den Bundesrath die Forderung für den Gouverneur und das, was daran hängt, schon ge-

eichnet.

S Das also sind die Konsequenzen, die die Bewilligung vorläufig nach sich zieht. Der Herr Vorredner hat sie sehr viel weiter aus- gesponnen, als fie in der natürliden Entwickelung der Dinge be- gründet sind. Er hat dazu eine Situation zu Grunde gelegt, die gar nicht vorhanden ift, und hat sie mit den Worten geschildert : wir sind von Feinden umgeben. Meine Herren, das waren wir viel- leiht im Anfang der 70er Jahre, von Feinden oder von unsicheren Freunden, aber mit der jeßigen Situation ift diefe Behauptung des Herrn Vorredners doch kaum verträglich, und bei der politischen Intelligenz, die ihm beiwohat, kann ih mir wirklich kaum denken, daß das ctwas anderes als eine rhetorishe Figur von ihm gewesen ist, die ihm ents{lüpft ist, so wie eine andere Acußerung, bei der er auch nit gleich wünschte, festgenagelt zu sein ih weiß nicht mehr, welche. /

Wo sind denn die Feinde, von denen wir umgeben sind? Ich sehe rundum nur befreundete Regierungen, mit denen wir in den engsten vertrauensvollen Beziehungen stehen. Vielleiht können Sie mir cine nennen, die Sie besonders fürhten? Ich würde für diese Belehrung in meinem Fache und auf diesem Gebiet sehr dankbar sein. Vielleicht is mir irgend eine Ede der europäischen Politik, aus der ein Ungewitter über uns losbrechen könnte, vollständig ent- angen ?

9 Daß wir mit den beiden östlichen Mächten, den beiden Kaiser- reihen in intimen und siceren Verhältnissen leben, dürfte auch von dem Herrn Vorredner nicht in Zweifel gezogen werden, und diese Verbindung an si bildet ein starkes Dach und eine starke Wölbung, von der gestützt, jedes von den drei Kaiserreichen {on manches aus- halten kann, was ihm von anderer Seite kommen könnte.

Wir leben mit Jtalien in intimer und guter Freundschaft, in fcheren Verhältnissen; das gleiche ist mit Spanien der Fall. Wir baben mit Frankrei seit vielen Jahren ich kann wohl sagen seit der Zeit vor 1866 nit in so guten Beziehungen gestanden, wie heute. Es ist das das Ergebniß einer weisen und gemäßigten Re- gierung in Frankreich, die die Wohlthaten des Friedens ihrerseits ebenso ho zu \{chäßen weiß wie wir: beide Regierungen wissen, daß es auf dem Kontinent kaum eine größere Kalamität giebt, als einen deutsch- französishen Krieg. Wir haben das einmal gegenseitig durchgemacht, und für den Sieger und Besiegten if es ein [{chweres Unglück, nah beiden Seiten hin; selbst ein siegreiher Krieg von diesen Dimensio- nen is ein Unglück für das Land, das genöthigt wird, ihn zu führen, und ih glaube, daß auf keiner von beiden Seiten eine Versuchung dazu besteht. Minoritäten, die rerum novarum cupidae find, und die die jeßige Regierung um jeden Preis stürzen wollen, au um den, ihr Vaterland in auswärtige Kriege zu ftürzen ja, meine Herren, die finden Sie in jedem Lande. Sie find niht in jedem gleich groß vorhanden sind sie wohl überall, denke ich mir. (Bravo! rechts. Zuruf links.) Jch weiß niht, ob \sich Eine dort meldet von den Minoritäten, ich hörte eine unverständlihe Stimme, habe aber kein Bedürfniß, fie kennen zu lernen.

Mit Cngland leben wir in gutem Einvernehmen. Daß England in dem Bewußtsein „Britannia rules the waves“ etwas verwunder- li aufsieht, wenn die Landratte von Vetter als die wir ihm er- \{einen plöglih auch zur See fährt, ist nicht zu verwundern; die Verwunderung wird indeß von den höchften und leitenden Kreisen in England in keiner Weise getheilt. Die haben nun eine gewisse Schwierigkeit, den Ausdruck des Befremdens bei allen ihren Unter- thanen rechtzeitig zu mäßigen; aber wir stehen mit England in althergebrachten befreundeten Beziehungen, und beide Länder thun wohl daran, diese befreundeten Beziehungen zu erhalten. Wir wür- den, wenn die englishe Regierung sich die Beurtheilung mancher ihrer Unterthanen in Betreff unserer Kolonialpolitik vollständig aneignen follte, in anderen Fragen, die England nahe interessiren, kaum im Stande sein, ohne Mißbilligung von Seiten der deutshen Bevölke- rung die englische Politif zu unterstüßen. Wir würden vielleicht ge-

nöthigt sein, diejenigen, die, ohne es zu wollen, Gegner von England

braudte, um die Folgen der Bewilligung ret \{recklich darzustellen, den Satz, daß wir von Feinden umaecben sind, vollständig unanwendbar mahen auf diese augenblickliche Situation.

Wir find von Freunden umgeben in Eurcpa ®§. b,, teshalb will ih den Spru meines verehrten Freundes, des Grafen Moltke, nicht invalidiren und nicht bekämpfen. Wir fird von Regierungen umgeben, die mit uns das gleiche Interesse haken, den Frieden zu er- halten, es giebt keine einzige Regierung, die cinen Krieg besser ver- tragen könnte, wie die deutsche ihn vertragen kany, und wenn eine andere glaubte, ohne Schädigung ihrer sonstigez Interessen den Frieden Europas brechen zu können, so würde Deutschland immer sagen : Wir können das noch cher, wir sind nur gewissenhafter und nebmen mehr Rücksicht!

Also bin ich es der öffentlichen Beruhigung \{uldig, zu erklären, daß der Hr. Abg. Windthorst im Jrrtbum ist, wenn er meinte, wir wären von Feinden umgeben, Wichtia bleibt der Schritt deshalb de, denn er zicht immer die weitere Bewilligung eines Gouverneurs nah fich. Die ganze Forderung ist begründet auf der Vorausseßung, daß Sie den Gouverneur bewilligen werden, dern ohne Gouverneur ist keine Barkasse ncthwendia; ih wüßte sonst Niemand, der sonst daravf fahren sollte. Hr. Woermann hat scine eigene.

Der Herr Vorredner hat es nun fo dargestellt, daß er uns nur die Wahl stellte, entweder auf unsere Kolonialpolitik zu verzichten, oder unsere Seemacht auf eine Höhe zu erheben, daß wir überhaupt zur See Niemand zu fürbten haben, ich will also einmal sagen: auf die Höbe der Seemabt von England; dann hätten wir immer noch ein Bündniß von England und Frankreih zu fürchten. Die find immer noch stärker als eine einzelne Macht jemals in Europa sein kann und fein wird. Dies ift daher ein Ziel, das ja nie erstrebt werden kann. Jh gebe zu, daß das Fahren zur See immer cine ge- fährlihe Sache für Kaufleute, aber noch mehr für Kriegsschiffe ist. Es ift von allerlei Gefahren und von allerlei Kosten umgeben, aber wie machen es denn andere Mächte? Frankreich also if zur See vielleibt weniger ftark als England, und es fürcbtet fich doch nicht, seine Kolonien, die so weit entlegen sind, daß der Seeweg ihm an verschiedenen Stellen unterbunden werden kann, ruhig im Vertrauen auf scin Geschbick, seine Tapferkeit und sein Ansehen, sowie auf die Gerechtigkeit und Friedensliebe anderer Staaten duc(- zuführen. JIch will indeß kei Frankreich gar nicht stehen bleiben; auch eine Seemacht wie die französisbe halte ich gar nicht für Deutschland indizirt. Aber sollte es wirklih für uns unmöglich sei», uns auf die Höbe von Portugal aufzushwingen, von Holland, von Spanien, von Nordamerikzx, ja seibst von Rußland? Sollte Deutsch- land wirkli außer Stande fein, eine Seemacht zu halten, die allen übrigen Mächten, außer England und Frankreich, gegenüber die See halten kann, letzteren gegenüber fie auch halten wird nah dem Geiste, den ih in unseren Seeleuten kenne, entweder über der See oder unter der See? Also das ift ja eine außerordentliche Uebertreibung. Wenn der Herr Vorredner verlangt, um die Frage zu erörtern, ob der Marine-Minister, wie er den Herrn Chef der Ad- miralität nannte, in einer Kommission das ist das Lieblingsfeld des Herrn Vorredners im Stande fein würde, auf feine Ueber- zeugung hin die Versicherung abzugeben, daß Deutschland unter allen Umständen allen Gefahren gewachsen sein könne, die aus Kolonial- besiß überhaupt entfteben mögen, ohne Schwäcbung der Landarmee —, ja dann verlangt der Herr doh von dem Marine-Minister eine ab- jolute Unmöglichkeit, wie er sie auch von mir auf einem kleineren Gebiete verlangt: id soll in Kommi sionen erscheinen. Meine Herren, was soll ih da? Jch habe in der That {on mehr Geschäfte außer- halb der Kommissionen, als ih überhaupt besorgen kann, und ich bin in der Hauptsache do nicht im Dienste des Parlaments, noch weniger im Dienste der Kommissionen und des Hrn. Abg. Windthorst, ih bin in der Hauptsacze im Dienste Sr. Majestät des Kaisers. Dessen Ge- \cbäfte habe ih zuerst zu besorgen, die rufen mich nit in die Kom- mission, Wenn Sie mir hier oder den Organen der Regierung in der Kommission keincn Glauben schenken wollen, so daß ih blos ad audiendum verbum dort erscheinen soll, fo sage ih Ihren einfach: ih komme nicht. (Lebhaftes Bravo! rechts, Zischen und Heiterkeit links.) Meine Herren, erregt das Ihre Heiterkeit? Würden Sie anders handeln an meiner Stelle? Ich bin ein großer Feind ano- nymer Kundgebungen. Wenn Einer mir in inartikulirten Tönen kundgiebt, daß ih etwa8, seiner Meinung nah, Unhaltbares gesagt habe, so habe ich es gern, daß die Darstellung gezeichnet wird mit der Unterschrift, dann werden wir uns ja verständigen können.

Also wichtig ist der Schriit ja im höchsten Grade, aber nah zwei Sciten hin. Es ist aber auch wichtig, meine Herren, daß er {nell geshehe. Wenn Sie überhaupt keine Lust haben zu der Sache, wenn Sie entsclossen sind, durch Verscleppung der Sache in Kom- missionen die Entwilkelung unserer Kolonieen zurückzuhalten und ab- zuwarten, interim fit aliquid, ob man die Regierung nicht aus diesem Geleise herausdrängen kann durch irgend cine andere Frage wenn Sie das wollen, meine Herren, so möchte ih wirklich bitten, daß Sie Jhr ablehnendes Votum \chärfer und klarer aussprechen, als es dur die thatsächlihe Nückyerweisung der Sache in eine Kommission der Fall ift, damit auf diese Weise die Sache nicht vers{leppt werde.

Ich habe außer den Nachrichten, die ich Jhnen vorhin mittheilte, gerade an demselben Tage noch ein paar andere erhalten, von denen eine {on gedruckt ist, ein Telegramm aus Wellington :

Die Regierung von Neuseeland hat den Antrag gestellt, die Samoairseln zu annektiren.

Während wir bisher mit der englishen Regierung das ftill- \hweigende, unausgesprochene Abkommen haben, daß keine dec beiden Regierungen eine Beränderung des status quo dort vornehmen foll ohne Zustimmung der anderen, und kaß wir die Unabhängigkeit der Samoainseln erhalten wollen.

Ein Dampfer hält sich also in Neuseeland bereit abzugehen, sobald die Entscheidung Lord Derby's eingetroffen sein wird.

Eine andere Nachricht, die mir ebenfalls gestern zugegangen ift, und die in ihrem Lakonismus mir noch nickcht vollständig verständlich ift, ist, daß die Eingeborenen in Neu-Guinea die dortigen deutschen Offkupationen hinausgeworfen haben. Das Telegramm hat nur fünf bis sech8s Worte, ih kann mir das weiter noch richt erklären. Es ift mir nur merkwürdig die Koinzidenz des Widerstandes der Eingeborenen gegen die deutsche Okkuvation, die an den verschiedenen Küsten stattfindet. Auch in Samoa find es die Eingeborenen, die diese Annexionen Seitens der englishen Kolonien beantragt haben. Kurz, wir sehen Andere überall beim thätigen Handeln; währenddefsen berufen wir Kommissionen und citiren den Reichskanzler dorthin. Das kommt mir doch etwas vor, wie der Hof-Kriegsrath in alten Zeiten in Wien. Jh würde mich, wenn ih Abgeordneter wäre, für verantwortlih halten nicht den Wählern, aber dem ganzen Lande gegenüber, wie es der Verfassung entspricht, Der Herr Vorredner hat gestern von den Aufträgen, diz er von seinen Wählern erhalten fattes gesprochen. Jch mache ihn darauf aufmerksam, daß das ver-

assungswidrig ift.

Alle die Herren sind Abgeordnete des ganzen Volkes und sind an Mandate Seitens einzelner Wähler oder Wählerkreise nicht gebunden.

Sie haben die Interessen des ganzen Landes hier sorgsam zu er- wägen und zu berathen. Der Herr Vorredner knüpfte daran die gewöhn- liche Aeußerung: wozu sind wir denn überhaupt hier, wenn wir das nicht genau prüfen und verwerfen können? Ja, das können Sie jeder Sache gegenüber, bei jedem einzelnen kleinen Gegenstände. Wenn Sie da immer sagen, wozu sind wir denn überhaupt hier, so muß ich daraus s{ließen, Sie sind überhaupt dazu hiec, um Alles zu ver- werfen, Alles aufzuhalten, Alles zu hemmen, was geschehen kann. Indessen geht die Uhr der Welt vorwärts und Sie sitzen hier als Hof-Kriegsrath und ih als Feldmarshall Daun.

Unterdessen werde ich geschlagen, wenn ich mich dazu hergebe, Ihr Daun zu sein. Das werde ih aber nicht.

Kurz und gut, ih muß meinerseits die Mitwirkung an diesen weiteren Hof-Kriegs-Berathungen in den Kommissionen ablehnen. Jch will die Mitschuld daran nicht tragen.

Der Herr Vorredner hat so mannigfaltige Fragen berührt, daß

wir am 15, Dezember die Direktorstelle im Auswärtigen Amte nur

wegen der Kolonialverhältnifse gefordert. Ja, das ist ein vollständiger Irrthum. Da hat der Herr nicht die Güte gehabt, meinen Reden

mit derselben Aufmerksamkeit zu folgen, die ich den seinigen zy widmen pflege, wenn ih sie überhaupt verstehen kann von der Stelle

wo cr zu stehen pflegt. Auch wenn Ihr Verdikt so ausfällt, daß wir

die Kolonialpolitik ganz aufgeben müssen und daß wir darüber ,Shwomm

drüber“ sagen müssen, so ist es doch urmäglih, ohne eine neue Direktor-

stelle im Auêëwärtigen Amte auszukommen, ohne einen Beamten mehr, der von der prin:a planua ift und der unter Umftänden in meji-

ner Vertretung unterzeibnen und mir die Gewißheit geben fann, daß ib neben seine Paraphe die meinige seßen kann. Den müssen wir do haben, und wenn Sie mir den ablehnen, so bin ib genöthigt, zwei höhere Beamte aus dem Auswärtigen Dienste einzuberufen, und das kostet dann leicht dreimal so viel, als wenn Sie diese Stelle be-

willigen. Der Dienst kann darunter nicht leiden, Er geht {on jetzt \{lechter. Seit wir darüber diskutirt haben, ist der Graf Habkfeidt vollständig erkrankt und für Wochen aus dem Dienste vollständig ausgeschieden. Ec kann die Arbeit, die ihm zugemuthet ift, nicht mehr leisten, und ih habe jeßt schon einen Gesandten heranziehen müssen. Ste müssen doch bedenken, daß ih nicht mehr wie in alten Zeiten mcine 12 big 16 Stunden des Tages arbeiten kann. J habe 3—5 Stunden Arbeitszeit am Tage, und mit so wenig Leistungsfähigkeit würde ih ja im Dienste nicht bleiben, wenn niht zwingerde Gründe für mih da wären. Jh habe meinerseits das Gefühl gehabt, daß ich bamit nit tanti bin, aber wenn ich einmal darin bin, fo verlangen Sie, daß ich von diesen wenigen Stunden noch einige in Ihren Kommissionen verbringen soll. Auch wenn ich das ablehre, so kann ih doch den Arbeiten nit die Spiye bieten, die da sind. Jch muß und selbst, wenn ih dem Lande Kosten mache, die ih bedaure, Hülfe dazu heranziehen, oder die Geschäfte gehen fo \{lecht und so langsam, daß ic die Verant- wortung überhaupt niht dafür tragen kann: 56009 Nummern im Jahre Tann ein einziger Beamter nit bewältigen.

Der Herr Abgeordnete hat in Aussicht gestellt, daß wir irgend eine Garnison in Afrika haben müßten und hat fich darauf berufen, daß ih früher gesagt habe oder wenigstens darauf angespielt —, daß eine solche nit erforderlich scin würde. Ja, meine Herren, dabei bleibe ih aub noch. Haben denn die anderen Nationen dort Gar- nisonen? Sie schen, daß die Mannschaft, die die Engländer, die Franzosen dort auf ihren einzelnen Kolonialpunkten haben, Leute, die viel strengere Begriffe von dem Kolonialregiment haben, wie wir qus einem Konsul und ein paar Leuten von der Kategorie besteht, rie man im Oriente Kawassen nennt, und die dort anders heißen : trooneger oder Haussa odex Zanzibarsoldaten, die sie um sch haben. Sie sehen, daß einzelre Engländer unter Umständen gefangen genommen, in Verlegenheit gerathen, und daß keine englishe Streitmacht sofort zur Hand ist, um dem abzuhelfen. An vielen Stationen wenn Sie die Blaubuchmittheilungen aufmerksam gelesen haben, fo werden Sie das darin gefunden baben haben unsere Bevollmächtigten beispielsweise einen französischen Zollfoldaten gefunden oder Douanter unter der Rubrik ift er be- zeibnet —, er ist natürlich respettirt worden, er ist eine Autorität, das heißt, er ist nicht etwa ein Franzose und ein Mann von höherer Bildung, sondern ein Neger mit einem gewissen Anzuge und einem gewissen Gürtel, der eine französische Legitimation hat, und der steht an Stelle der französischen Flagge da und wird respektirt. Und des- halb zeugt dieser Gedanke, den der Herr Vorredner in Ihnen anzu- regen suchte, als wenn wir dort große Garnisonen anlegen müßten, davon, wie wenig die Herren die Verhältnisse dort kennen; Sie können "Sie auch nit kennen; aber wenn ih die Verhältnisse nit kÉennte, dann würde ih in solchen Dingen, wie Guinea und die afri- kanische Küste, doch immer noch eher geneigt sein, Hrn. Woermann zu folgen als Hrn. Windthorst.

Ich glaube, daß Hr. B5oermann die Sachen genauer kennt als Hr. Windthorst, während Hr. Windthorst gewiß sonst uns Allen an mannihfachen Kenntnissen überlegen ist, aber in Bezug auf Afrika habe ih keinen Glauben an ihn. Die Regierung hat Autoritäten wie denen der Herren Woermann, von Jantzen und Thormählen dieser Hamburger Firmen, dieser angesehenen fürstlichen Kaufhäuser, die mit ihren eigenen Interessen, mit ihrem ganzen Vermögen für den Erfolg der Unternehmungen engagirt sind, denen hat sie volles Vertrauen geschenkt, fie ift denen in fidem nachgegangen, sie kann ja darin irren, aber es ist nicht wahrscheinlich. Wenn die kauf- inännische Aristokratie eines großen Handelsemporiums, des ersten in Deutschland, des ersten auf dem Kontinent, diese Wege aus freier Wahl eingeschlagen hat, nicht etwa genöthigt durch irgend eine Re- gierungsinitiative, und sie sleht nachher dafür ein, seßt ihr Vermögen dazu cin: hat denn Deutschland zu dem kaufmännischen Geschick seiner ersten Handelsstadt nicht so viel Zutrauen, daß es thr da mit 50 000 A oder einer Baarkasfse zu folgen im Stande ist? Sind die Hamburger so einfältig, daß fie niht wissen, was ihnen frommt? Haben wir gegen Hamburg, den eigentlichen Führer unseres deutschen Exportes nah Üüberseeishen Ländern, ein solbes Mißtrauen, daß wir glauben, die Leute werden die deutschen Interessen entweder kaufmännish nit verstehen oder aus egoistis&en Interessen fals behandeln? Ja, meine Herren, dann verzihten wir auf die Aktion, dann kriehen wir auf unsere thüringer Berge zusammen und sehen 209 Meer mit dem Rücken an. Das ist das Beste, was wir thun

nnen. Meine Herren, ih habe für meine Kräfte beute genug geredet, obwohl mein Herz von dieser Sache voll genug ist: aber ich fürchte, ih möchte s{ltießlich in Unmuth übergehen, nachdem ih auch heute den- selben Kommissionsturm wieder wie gestern gehört hobe.

Also ih kann Ihnen nur empfehlen, nehmen Sie diese Vorlage an und entscheiden Sie sich damit für Beibehaltung und Befclgung der Kolonitalpolitik in dem Sinne, wie sie von den hanseatischen Pionieren unseres Handels begonnen und von der Regierung unter ihren Schuß genommen ist! Wenn Sie die heutige kleine Position ablehnen, so nehme ich an, Sie haben „nein* gesagt, und dann fallen die Folgen auf Jhre Verantwortung, aber nicht auf meine.

(Schluß in der Zweiten Beilage )

(S@&luß aus der Ersten Beilage.)

Der Abg. Richter (Hagen) betonte, daß die Aeußerung der Heiterkeit, welche der Reichskanzler auf seiner, des Redners Seite so mißfällig bemerkt habe, sich niht auf eine Ausfüh- rung von ihm, sondern auf die Beifalls\salven, mit welchen die Rechte seine an sih minder wichtige Erklärung begleitet habe, bezogen habe, daß der Kanzler niht in die Kommission gehen würde. Uebrigens könne er dem Reichskanzler versichern, daß seine Partei des Kanzlers Erklärungen über das friedlihe Ver- hältniß mit den Nachbarstaaten mit großer Freude entgegen- genommen habe und auch nit zweifle, daß sie im Lande die- selbe Aufnahme finden würden. Nun seien der ersten heutigen Rede des Reichskanzlers nur zwei Reden von des Redners Partei vorausgegangen ; wer aber die erste Rede lese, könnte glauben, es seten das zwei durhaus polemische Reden ge- wesen. Jn Wahrheit aber habe der Abg. von Bunsen für seine Person an die Entwickelungsfähigkeit Afrikas so hohe Hoffnungen geknüpft, wie fie vielleiht \{chwerlich von allen Seiten getheilt würden; und die im Namen der Partei abgegebene Erklärung des Abg. von Stauffenberg be- shränke sih darauf, daß dieselbe auf dem Standpunkt des Reichskanzlers vom 26. Juni v. J. stehen geblieben sei, daß sie also die Kolonialpolitik in der damaligen engen und knappen Begrenzung im Gegensaß zu dem sogen. französischen Kolonialsystem im Allgemeinen zu unterstüßen wohl im Stande sei, und daß sie ihre damals markirten Bedenken ge- gen eine weitergehende Kolonialpolitik ebenso auch heute fest- halte. Jn leßterer Beziehung stimmten viele Ausführungen des Abg. Windthorst mit den Anschauungen feiner Parlei überein, und die seitherigen Erscheinungen seien sogar ge- eignet, diese Bedenken zu verstärken. Jndeß habe der Reichs- kanzler jüngst mit Necht darauf hingewiesen, wie man in der Politik lernen müsse, und so müßten denn auch auf diesem ganz neuen Gebiete erst Erfahrungen gemacht werden in dem Maße, wie die praktische Bedeutung der Frage zunehme, werde das Urtheil des Hauses immer fester und sicherer begründet werden. Er sei der Meinung, daß das Haus heute nicht über ein Kolonialsystem und über irgend eine in ihren Grenzen nicht erkennbare Kolonialpolitik entscheiden könne, au nit über die Entwickelung der Marine; diese Fragen würden vielleict bei späteren Gelegenheiten an das Haus herantreten. Vor- läufig halte er sih an das, was der Reichskanzler am 26. Zuni über den leßteren Punkt gesagt habe, daß nämlich das fran- zösishe System die dertshe Marine zu sehr in Anspruch neh- men würde. Es sei ja möglih, daß eine Kolonialpolitik \ich vollziehe, die über den vom Kanzler damals gezogenen Rah- men hinausgehe; fo weit man aber übersehen könne, scheine die Bewilligung dieses Schiffes sür eine solche weitergehende Politik nicht zu engagiren. Nun habe der Reichskanzler heute hervorgehoben, daß er demnächst mit der Forderung eines Gouverneurs für Kamerun kommen würde sowie mit dem Verlangen eines gewissen Personals zu dessen Unterstützung. Nach dieser Nichtung werde nunallerdings ein gewissesEngagement eingegangen, denn was solle die Barkasse ohne den Gouverneur 2 Aber für die rechtliche Stellung dieses Gouverneurs übernehme das Haus damit kein Engagement. Jn den dem Reichstag vorgelegte: Blaubüchern heiße es, ein Gouverneur sei dort nöthig, weil die Eingeborenen nux unter diesem Titel ein gewisses Ver- ständniß für eine amtlihe Stellung hätten. Nach diesen Er- läuterungen gehe für uns auch die Anstellung des Gouver- neurs, die Beschaffung des Schiffes, selbst die seines Hauses und der für ihn zur Verfügung zu stellenden Mannschaft über jenen knappen Rahmen nicht hinaus. Die vom Reichs- lanzler angezogene Analogie mit den Konsuln sei ganz richtig ; es jei in der That dasselbe, als wenn man einen Konsul in ein Land schicke, das noch keine geordneten Rechtsverhältnisse besiße, und ihn deshalb mit einer gewissen Gerichtsbarkeit aus- ltalte, Seine Partei habe den Beschluß, diesen Gouverneur zu bewilligen er erwähne das, weil auch der Reichskanzler Wieder auf den Neichstagsbeshluß vom 15. Dezember gekom- men sei am 14. Dezember in derselben Fraktionssißung gefaßt, wo dieselbe sich für die Ablehnung der zweiten WMrektorstelle im Auswärtigen Amte schlüssig gemacht habe. Damit entfalle der Mythus, als ob es sich bei seiner (des Redners) Partei um eine systematische persönliche, unsahlihe Opposition ge- handelt habe, sie sei ebenso einstimmig zur Bewilligung der ersteren, wie zur Ablehnung der leßtecen Position gekommen. No M, L q 4 o Ç 4 :

Ver Reichskanzler habe übrigens Recht, wenn er hervorgehoben habe, daß der zweite Direktor mit dem Kolonialsystem nichts zu thun habe; aber derselbe dürfe es nicht übel nebmen, wenn im Lande vielfach diese Meinung verbreitet sei. Habe doch ein Aufruf für eine Ehrengabe an den Reichskanzler zu tolonial- politishen Zwecken, unterzeihnet von den Herren Marquard- sen, Buhl und anderen pfälzishen Abgeordneten des Reichs- lages diese Aufforderung geradezu damit motivirt, daß der Reichstag dem Kanzler die Mittel zur wirksamen Führung der Geschäfte des Reichs, namentlich für seine kolonialpolitischen Jwede vorenthalte. So werde von nationalliberalen Abgeord- neten, die doch aus dem stenographishen Bericht wissen müß- ten, daß der Unter-Staatssekretär Dr. Bush hier das Gegentheil gesagt habe, ein solcher cFrrthum im Lande verdreitet, und dann dürfe man sih nmicht wundern, wenn auch hier im Hause diese falsche Vorstellung zuweilen auf- iaudhe, und er sei dem Reichskanzler besonders dankbar dafür, daß derselbe diesen Jrrthum seinerseits zerstört habe. Der Abg. Woermann habe ihn gewissermaßen darüber beruhigt, daß weitere Belastungen sür das Kamerungebiet, soweit er das Übersehe, nicht stattfinden würden, und er stelle auch in Aussicht, daß die Interessenten dort jeßt oder später die Kosten Ur den Gouverneur und wohl au für die Schiffsbesaßzung Übernehmen würden. Diese wichtige Geldfrage dränge ih ihm nämlich sofort auf: Was zahlen diejenigen Herren, die den nächsten, den größten Vortheil von der Sache haben ? iese Frage werde sehr bald praktisch werden, und umsomehr beruhige ihn die amtlihe Erklärung des Reichskanzlers in den Aktenstücken, daß außer dem Kriegs- und Zustizdeparte- ment alle sonstizen Ausgaben dieser Gebiete als Angelegen- heiten der Jntercssenten der Kaufleute, der Faktoreien betrachtet verden würden, und mit Genugthuung sehe er die Herren zur

ZHDweite Beilage

¿E Deulschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Berlin, Montag, den 12. Januar

1885.

Deckung dieser Ausgaben sich auf eine eigene Steuer, die Erhebung eines eigenen Ausfuhrzolls in diesen Gebieten ge- faßt machen. Nach den Jnformationen aus den Blaubüchern halte also der Reichskanzler auch Kamerun gegenüber an der ursprünglichen, am 26. Juni dargelegten Politik fest. Fm Uebrigen nehme er die Aeußerungen des Abg. Woermann mit der Reserve auf, wie man die Aeußerungen des Nächst- interessirten aufnehmen müsse. An seine Bemerkungen krititsche Erwägungen zu knüpfen, scheine ihm, im gegen- wärtigen Augenbli und nach den Mittheilungen, die er heute über Vorfälle in diesen Gebieten erhalten habe, niht angemessen. Denn es bleibe bestehen: wenn irgendwo die deutshe Flagge engagirt sei, müßten alle, Parlament und Parteien, für diese Flagge und für die eçolgen mit einstehen, und dazu rechne er auch die größere Reserve, die das Haus sih heute auferlegen sollte. Eine Kom- missionsberathung habe seine, des Redners Partei, am 14. De- zember nicht für nöthig gehalten, weil es sich um eine relativ vereinzelte Frage handele, und sie die Tragweite, daß hier die ganze Kolonialpolitik in unfaßbarer, vershwommener Gestalt engagirt werde, nicht erkennen könne. Seitdem seien mehrere Wochen verflossen ; die Frage liege außerdem ganz anders wie gesiern. Die Gelder sür die Afrikanishe Gesellschast würden ja ersi zum 1. April und danach verlangt, die gestrige Kom- mi}sionsüberweisung habe für die Erforschung Afrikas keine Verzögerung zur Folge. Heute liege dem Hause ein Nachtrag zum laufenden Etat vor, damit das Schiff bis zum Sommer gebaut werden könne, um noch in der guten Jahreszeit nah Kamerun befördert zu werden. Die Vorlage sei am 20. No- vember an das Haus gelangt, auch nicht durch ein Verschulden verzögert worden, sondern durch die in der Thronrede erfolgte Ankündigung jener diplomatischen Aktenstücke deren Publika- tion inzwischen erfolgt sei. Solle aber die Forderung den ge- wollten Zweck erfüllen, so könne man selbst bei sachlichen Be- denken einer beshleunigten Berathung zustimmen. Und da seine Partei bereits vor Wochen beshlossen habe, wenn es die parlamentarischen Verhältnisse mit sih brähten, auc sofort in zweiter Lesung für den Posten zu stimmen, so sei dieselbe dem entsprehend auch heute bereit, für die Bewilligung ein- zutreten.

Darauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:

Es ist mir nicht erinnerlich, in meiner ersten Aeußerung heute etwas gesagt zu haben, was so ausgelegt werden könnte oder von mir so gemeint worden wäre, als hätte ih auf pvolemishe Vorreden aus der Fraktion des Hrn. Abg. Richter antworten wollen. Es hat das nicht in meiner Absicht gelegen; ih habe nur den Schluß der Rede des Frhrn. von Stauffenberg gehört, ohne über die Tragweite der ganzen Rede ein Urtheil zu gewinnen, und habe die ganze Rede des Hrn. von Bunsen gehört, die mich in ihrer Gesammtrichtung nur sympathisch angesprochen hat. Wenn ih irgend etwas richtig gestellt habe von dem, was mir über den Inhalt früherer Aeußerungen zu- gekommen ist, so hat kein polemishes, sondern nur ein sahliches Bedürfniß mich dazu veranlaßt, wie id das ¿. B. auch gegenüber der Aeußerung des Hrn. Abg. Richter in An- spruch nehme, welcher sagte, ih wäre zurückgekommen auf die Ab- stimmung vom 15. Dezember. Ich würde das nit gethan haben, wenn nicht der Hr. Abg. Windthorst darauf zurückgegriffen hätte, indem er sagte, die damalige Forderung sei dur die Kolonialbedürf- nisse motivirt die nämlich einer dritten Abtheilung im Auëwärti- gen Amt. Es war für mich nothwendig, das zu berichtigen; ih würde sonst nah Lage der ganzen Dinge meinerseits der Abstimmung vom 15, Dezember nicht erwähnt haben.

Im Uebrigen kann ih mi nur freuen, daß ich ausnahmsweise einmal das Vergnügen habe, mih mit dem Hrn. Abg. Richter in Uebereinstimmung zu bewegen.

Der Abg. Frhr. von Hammerstein bemerkte, es habe sich heute im Vergleich zu der Debatte über die Dampfersubvention ein sehr erfreuliher Umschwung vollzogen. Er hätte nur ge- wünscht, daß auch die damaligen Redner, namentlich der Abg. Bamberger, gesagt hätten, ob sie noch dieselben Gegner des Kolonialsystems seien. Sie hätten vom Lande einen sehr deutlihen Ton gehört. Das Land habe die kleinliche, \pieß- bürgerliche Auffassung des Abg. Bamberger verurtheilt, Es stehe in nationaler Begeisterung hinter seinem Reichskanzler. Jeßt handele es sich um eine prompte Antwort, nachdem die bedauerlichen Ereignisse in Kawerun stattgefunden hätten. Das Haus habe nicht nur die Pflicht, Deutschlands braver Marine seine volle öffentliche Anerkennung auszusprechen, jon- dern auch keinen Zweifel aufkommen zu lassen, daß es den Boden, den Deutschland mit dem Blut seiner Landsleute er- worben habe, niht wieder aufgeben wolle, darum wolle seine Partei diese Frage so rasch wie möglih ohne Kommissions- berathung erledigen. Es sei nit eine finanzielle, sondern eine hochpolitishe Frage, über die sih jeder hier im Hause Tlar sein müsse.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, troßdem er ruhig und fachlih diskutirt habe, habe der Reichskanzler es für noth- wendig gefunden, seine Erwiderung persönlih zuzuspizen. Daß der Kanzler diese Dinge sehr genau kenne, sei ihm nicht zweifelhaft. Darum habe er aber niht das Reeht, so zu thun, als ob alle anderen Menschen gar nihts von der Sache wüßten, und als ob es vermessen sei, daß Andere si über- haupt darin mischten. Ein einfacher Abgeordneter habe nit die Mittel, welhe dem Reichskanzler zur Seite gestanden hätten, auch könne er auf dem Gebiete auswärtiger Po- litik niht handeln wie der Reichskanzler, der 2 Mil- lionen Soldaten hinter sich Habe. Auswärtige Politik auf diesem Boden zu treiben, sei kein übermäßi- ges Kunstistück. (Widerspruh und Lachen rechts.) Daß man (rechts) diese Behauptung sonderbar finden werde, sei ihm klar gewesen; aber er habe dieselbe absichtlich gethan. Wenn er Unrecht hätte, so wäre es bedauerlih; denn man würde alsdann nah dem Fürsten Bismarck in {were Be- drängniß kommen. Er glaube aber, daß sih auch da noch Männer zur Führung der auswärtigen Politik finden würden. Wenn der Reichskanzler zu persönlichen Angriffen geschritten sei, so sei das wohl geschehen, weil es an materiellen Gründen gebrochen habe. Der Kanzler habe ihm vorgeworfen, er habe gesagt, daß Deutschland sei ringsum von Feinden umgeben. Er habe sih auf eine Autorität bezogen, die hoffentlih hier niht des- avouirk werden würde, den Grafen Moltke, dessen Wort sei

nicht widerlegt worden (Rufe: auch nit bestritten), au nicht bestritten, nur heute dur den Reichskanzler, der erklärt habe, Deutschland hätte ringsum nur Freunde. Das Haus wecde, denke er Veranlassung nehmen, einige Armee: Corps zu streichen. Dies sei die nothwendige Konsequenz, Uebrigens glaube er, daß Deutsch- land ohne seine feste Rüstung die Freunde nicht hätte. Dann habe es der Reichskanzler für nothwendig besunden, auf den Beschluß vom 15. Dezember mit allerlei Seitenbemerkungen ein- zugehen. Er (Redner) folge ihm auf dieses Gebiet heute nit, zu einer anderen Zeit werde er ihm gründlih darauf antworten. Jm weiteren Fortgange der deutschen Kolonialpolitik würde sih eine Verstärkung unserer Marine unabweislih herausstellen. Er werde den Marine-Minister bitten, ih demnächst hierüber zu äußern. Sehe man doch auf England! Was in Bezug auf Samoa mitgetheilt worden, beweise, daß die Erregung keine kleine sei, und er mcine aller- dings, daß es Fälle geben könne, wo Deutschland si au England gegenüber in Waffen zeigen müsse. Es könne ja sein, daß er sih irre, wenn Deutschland einmal auf diesem Gebiete anfange, so sei kein Ende abzusehen. Der Abg. Woer- mann sei allerdings au für ihn eine große Autorität. Die großen aristokratishen Kaufleute seien aber nur deswegen so vertraut damit, weil sie ihr Jnteresse sehr genau kennten. Daraus mache er ihnen keinen Vorwurf. Der Abg. Woer- mann habe auch gewiß nichts gethan, um sein persönliches «znteresse zu befördern, aber wenn man fich einmal in der Atmosphäre dieses Jnteresses befände, so fönne man si nicht ganz davon losmachen. Es sei nun wunderbar, daß mit einem Mal alle diese großen „Könige“ in Ham- burg aus der Erde hervorzuwachsen schienen. Er sei nicht dagegen, daß man diese Herren in ihren Jnteressen mög- lichst unterstübe; denn diese «nteressen seien zugleich die der Nation. _Er habe den Eindruck, daß die Erregung, welche si jeßt der Nation bemächtige, dazu benußt werde, uw das Haus zu einem shnellen Votum zu veranlassen. Er wolle auf der Kommisionsberathung nit bestehen, erkläre aber, daß er bei seinem Votum für die Position sich für die Kolonialpolitik des Reichskanzlers niht engagire. Es werde vielleicht einst der Tag kommen, wo man sagen werde, er, der Redner, habe ruhig warten wollen, ehe er das Land in eine Verwickelung hinein- geführt habe.

Demnächst nahm der Reichskanzler Fürst von Bismarck das Wort:

So ungern ich die Debatte verlängere, die ja nutlos scheint, # bin ih doch durch die Bedeutsamkeit des Herrn Vorredners und durch die Stellung, die er als Redner in unseren parlamentarischen Kreisen fh erworben hat, geaöthigt, auf das, was er in feiner jüngsten Aeußerung Neues gesagt hat, mit einigen Worten zu antworten, \{chon im Interesse meiner persönlichen NReputation als friedfertiger und verträglicher Mensch; denn der Herr Vorredner hat damit be- gonnen, daß er sein Bedauern darüber aussprach, daß die ruhiaste und sacblihste Diskussion gar nicht stattfinden könnte, ohne daß von meiner Seite Persönlichkeiten hineingebraht würden. Nun rufe ih die ganze Versammlung zum Richter an, ob das heute von meiner Seite der Fall gewesen ist. Jch glaube ruhig und sahlich ge- sprocchen zu haben, und am allerwenigsten bin i geneigt, dem Herrn Vorredner gegenüber Persönlichkeiten einzuflebten, mit dem ih auf keinem ganz gleihen Standpunkte stehe. Ih kann von mir sagen: von Zeit zu Zeit höre ih ihn gern und hüte mib, mit ihm zu brechen, aber ih finde da durchaus keine Gegenseitigkeit, er [hont mi durchaus gar nit, er ist ja gewiß in seinen hoben Jahren, bei seiner Stellung wahrheitsliebend mit der größten Genauigkeit, aber ich finde, daß er mir gegenüber cinen kleinen Hang zur Ueber- treibung hat, Jäger ist er nicht, aber der Hang zur Uebertreibung ist da. Er sagte im Beginn seiner Rede und er hört so fein, wie wir Alle wissen, daß er mich kaum mißhört haben kann —, daß ih behauptet hâtte, alle anderen Menschen wüßten gar nichts außer mir. Das hat mir doch sehr fern gelegen; ich habe blos behauptet, daß Hr. Woermann und Genossen in dieser Sache mehr wüßten, als Hr. Windthorst und ih zusammen. Das behaupte ih aub noch. Das ist doch aber durchaus verschieden von der Art von UVeberhebung, die der Herr Vorredner mir Schuld giebt i habe unter Umständen viel Selbstgefühl, aber ih halte mib im Ganzen für einen bescheidenen Menschen und möchte mi gegen dieses falsche Licht, das in der öffentlihen Meinung dur{ch ein fo ange- sehenes Urtheil auf mich fällt, einigermaßen salviren. Und das kann ih nur wiederholen, daß ich wirklich ein gewisses Vertrauen auf die hanseatishe Kaufmannschaft habe, und wenn der Herr Vorrdner sagt, diese id weiß nicht, ih verstand so, daß er sie Handelskönige oder etwas ähnlihes nannte, ih bin des Ausdrucks nicht ganz sicher, aber ein „König“ war dabei, seien plötlich aufgetaucht, wir hätten sie früher nit gekannt und ohne sie sehr glückli gelebt, Ia, das war in der Zeit, wie Deutschland überhaupt fo zerrissen war, daß das Königreich Hannover, in dem der Herr Vorredner Minister war, von den Handelsinteressen Hamburgs, seines Nachbarstaates, sehr wenig oder gar nichts wußte, sonst würde der damalige hannoveris{e Minister oh auch diese Handelskönige, wie er sie, glaube ih, nannte, son einigermaßen wahrgenommen haben. Daß die in Folge der Konsolidation des deutschen Volkes, in Folge der Errichtung des Deutschen Reichs größer geworden sind, daß sie anges{hwollen im besten und wünscbenswerthesten Sinne seitdem sind, das glaube ih gern; aber eine Ahnung sollte der frühere hannöversche Minister von dieser Zukunft Hamburgs doch immer damals {son gehabt haben. Ich kann das nit als eine ganz ephemere und unerwartete Erscei- nung betraten, daß Hamburgs Handel seine Fühlfäden nach übers secishen Ländern unter dem Schutze des deutschen Reichsadlers auss streckt da, wo er früher mit dem Hute in der Hand bei Fremden bettelnd sih durhzuschlagen suchte, oder, wie Hr. Woermann die Sache aus seinen und seines Herrn Vaters Erfahrungen kennt, den Schuß fremder Mächte anrufen mußte, und daß jeßt der deutsche Schuß dafür eintritt. Natürlich, das hat Hamburg ein gewisses Selbstgefühl gegeben, aber das gönne ih ihm. S

Der Herr Vorredner ift ferner in einen eigenthümlichen Wider- spruch mit seiner ersten Rede gerathen. Zuerst sprach er von „Feinden ringsum“ ; wir waren kleine, ängstlihe, unvermögende Leute, die {ih zur See und zu Lande nicht in dem Maße wie Portugal wehren könnten und die jedem Ehrgeiz über See entsagen müßten, weil sie nicht stark genug wären, si auf beiden Elementen zuglei{ zu ver- theidigen ; jeßt sagt er in seiner Rede: es ift gar keine Kunft, an der Spitze von zwei Millionen Soldaten europäische Politik mit Erfolg zu treiben. Nun, zwei Millionen ih hoffe für die Zukunft, daß darin eine Vorbedeutung liegt für die Bewilligung von Seiten der Centrumspartei so weit gehen unsere Prätentionen noch nit, aber andere haben eben auch Millionen von Soldaten. Ich bin ja weit davon entfernt, das Verdienst der auswärtigen Politik Sr. Majestät des Kaisers in Vergleiß mit dem viel größeren der militärischen Leistung in der preußish-deutschen Politik irgendwie zu überschäßen.

Ich habe mich meiner Leistung nie gerühmt, und ih bin überzeugt,

sind, zu unterstüßen, und irgend ein do ut des herzustellen, aber ih glaube, daß wir auch mit der englischen Regierung in Beziehungen leben und leben werden, die den Saß des Herrn Vorredners, den er

ih nit weiß, ob ih sie alle beantwortet habe. Eine fällt mir noch ein. Er stellte am Eingang seiner Rede die Meinung auf, als hätten