1885 / 16 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 19 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

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E E n R RREE

welhem Umsatz mir distens glei große Zufuhren gegenüber ftehen. Heute zeigt sich wieder regere Frage und beträgt der Umfay bis Mit- tag 300 Ballen. Der Preisftand weist keinerlei Veränderung auf. Gesucht sind feine Hzllertauer zu 90—95 A4 urd gute grüne Mittel- hallertauer und Württemberger zu 83—88 Æ. Außerdem werden au farbige Mittel-Elsässer zu 66—68 Æ gekauft. Für Erport sind leichte grüne Hopfen, die e über 60 M kosten dürfen, mäßig ge- ragt. Die Stimmung ist ruhig. y otha, E Sannat. (W. T. B.) Der Aufsichtsrath der Deutschen Grundkreditbank hat beschlossen, die Frift für die Annahme von Konversions-Anmeldungen bis zum Ende diefes Monats zu verlängern und der Staatsregierung den Antrag wegen Erlasses des zur endgültigen Durchführung der Konvertirung nöthigen Gesetzes zu unterbreiten. : Giasgow, 17. Januar. (W. T. B.) Die Vorräthe von Roheisen in den Stores belaufen fi auf 579 600 Tons, gegen 587 500 Tons im vorigen Jahre. Zahl der im Betrieb befindlichen Howöfen 93, gegen 101 im vorigen Jahre. : New- York, 18. Januar. (W. T. B.) Der Werth der MWaareneinfuhr in der leßten Woche betrug 6250 009 Dollars, davon entfallen 2250 000 Dollars auf Manufakturwaaren. Die Reserve der biesigen Clearingbouse-Banken beträgt gegen- wärtig 51 Millionen, es ift dies mehr, als das Gesetz erfordert, und überhaupt die größte Reserve, die die Banken jemals besessen haben. Von cinem Mitgliede der falliten Firma Oliver Brothers & Phillips wird angegeben, daß thre Passiva 23 Millionen uit überstiegen; die Oliver'shen Wechsel im Betrage von 250 000 Doll. befänden sih in den Händen Londoner Häuser, doch soll dic Firma noch anderweitige große Verbindlichkeiten im Auslande haben, Buenos-Ayres, 17, Januar. (W. T. B) Infolge aber- mazigen Fallens des Wechselcourses auf Europa ist die Goldprämie auf 209/69 gestiegen.

Verkehrs-Anstalten.

In Desterreih-Ungarn werden fortan die den Postauf- trägen aus Deutschland beigeschlo}senen stempelpflihtigen We chf el, Quittungen u. \. w., auf welchen die öfsterreichish-ungarisben Stempel vit bereits verrechnet sind, durch Vermittelung der Postanstalten versteuert werden. Dies wird in der Weise geschehen, daß die Postanstalten den Betrag der St:mpelgebühren von dem auf Grund des Postauftrags eingezogenen Betrag cinbehalten und nur den ge- kürzten Betrag mittelst Postanweisung an ten Auftraggeber cinfenden.

OAUMPUra, 18. Saquuar. V, L. B,) Dex Postdampfer „Westphalia" der Hamburg-AmerikanishenPalketfahrt- Aktiengesellschaft hat, von NeweJork kommend, beute Morgen 4 Uhr Lizard passirt.

= 19. Januar (W. T. B) Dex Postdampfer Al- binata der QHamburg-Amertkanischen Pacletfahrt- Aktiengesellschaft hat, von Westindien kommend, gestern Lizard passirt.

Sanitäts8wesen und Quarantänewesen. Portugal.

Durch Erlaß des Königlich portugiesishen Ministeriums des JInvyern, vom 9. Januar 1885, sind die Häfen Englands, Hollands, Deutschlands und Belgiens als von der Cholera frei (limpos) erklärt worden, In Folge dessen ist die gegen die Provenienzen aus diesen Ländern seiner Zeit eingeführte dreitägige Observations8quaran- täne aufgehoben.

Schiffe, von Alicante kommend, welche bisher nicht zugelassen wurden, sollen in Zukunft na Abhaltung strenger Quarantäne wieder Cinçcang in die portugiesshen Häfen finden, (Vergl. „Neichë- Anzeiger“ Nr. 13 vom 16. Januar 1885.)

Berlin, 19. Januar 1885.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 4, Klasse 171, Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Gewinn von 30 000 M4 auf Nr. 88 056.

4 Gewinne von 6000 /6 auf Nr. 56 464. 68 181. 76 534. 91 631.

39 Gewinne von 3000 #4 auf Nr. 3112, 3538. 5179. Go La 1887/0 2140/, 222289 239181 25 106, ZOU4S 29064. 81/2, 89383993. 40990. 420381, 42 068. A010) 4/9398 01649 O24, 32834 58141. 55 628. D O, Co 222, C6186 6659/0, 66890, 67196. 69475 O0 (0421. (009/.. 70186, 4/9266. 79714. 80 677 86 617.

ol Gewinne von 1500 4 auf Nv. 117. 976, 1984. 2503. 2734. 2893, 5169. 8541. 9138. 9268. 13 649, 15 418. Idos 19828 21640 23596. 23920, 24126, 24907. ¿O4 2802. 28324. 2807/9. 894933, 35303, 35690. 36482, 83/295. 40534. 43047, 44592, 45682. 47098, 49 875. 54371. 54454. 55306. 56 271. 57992. 62 064. VOO/6, CoDOS, 0/226. C401. 72 334, 7307/8. 78590. (79080, S1 028, 88176. 94 002.

74 Gewinne von 550 (6 auf Nr. 398. 607. 1194. 2025. 2277. 2038. 2878. 6135.- 9175. 16 433. 16 872. 17 214. 23 441. 28 502. 29 290. 29 294. 30 371. 30 931. 34 208. 39 415, 094 39843 404/72 40600, 41067. 44628. 45 798, 46 0568. 46792. 47344. 47551. 49855. 50058. 50 140. 02 459, 53630. 54022. 55 571. 56003. 56606. B57 524. D 90/, DOOU3/. 6003/0, 634/7. 64143. 66322, 67 359, O (OOOS ¡1/00 73006 5 O1. 76067. 76 129 76 819. 7756568. 79082. 79633. 79944. 82046. 82178. 84 049, 85444. 87496. 88403. 90953. 91 707. 93 134, 93 202. 93091, 93764, 93766. 94401.

Unter den neueren Erwerbungen der Berliner Gemälde- Galerie hat neben dem Dürerschen Porträt des Hieronymus Holz- shuher und dem „Jüngsten Gericht“ des Fiesole ein bei seinem be- icheidenen Umfange minder hervorragendes, dabei aber meisterli vollendetes Bildchen, das in dem kleinen Kabinet an der Nordseite des östlichen Flügels aufgestellt ift, bisher kaum die verdiente Beach- tung gefunden. Aus dem Besitz des kürzlih verstorbenen Kunst- forshers Thausing stammend, bereichert es die Sammlung um eine der aus8gezeinetsten Arbeiten des 1578 in Frankfurt a. M. geborenen, 1620 in Rom gestorbenen Adam Elsheimer, des weitaus eigen- artigsten und tüchtigsten deutshen Meisters des 17. Jahrhunderts, defjen bedeutsamer Ginfluß auf die Entwickelung der idealen Land- saft, wie fie in Claude Lorrain zur Blüthe gelangt, fh auch hier unverkennbar ausspricht. Das Bild zeigt eine till ab- gesciedene, von warmem Sonnenschein ersüllte, idyllis% anmuthende Waldlandschaft, die von einem ruhigen Wasser quer dur{zogen wird, Als Staffage derselben dient das Figürcen des vorn zur Linken im rothen, um die Hüften gesh!lagenen Mantel auf einem Stein da- sitzenden Johannes des Täufers mit dem neben ihm auf den Wiesfen- grund gelagerten Lamm. Die Bäume und blühenden Sträucber, die im Rücken dieser Gruppe aufragen, das dichte Grün der Bäume auf dem jenseitigen Ufer des Wassers und das hellere Buschwerk der dahinter ansteigenden Höhen sind mit der größten Feinheit forglich durhgeführt, die Details aber wieder der ein- fahen Harmonie der Linien und Tonmassen völlig unter- geordnet. Bei tiefem und klarem Schmelz der Farbe und bei meisterliber Gescblossenheit der Stimmung erzielt das Bild eine {{Glichte Größe der Wirkung, die bei dem kleinen Format der fast

mit der Hand zu bedeckenden Tafel doppelt bewundernêwerth ist. Wie die Landschaft Elsheimers die deutswe, so hat ein weibliches Brustbild des Palma Vecchio die italicnische Abtheilung der Galerie um ein für den Meister charalteristis@es Werk bereichert. Es zeigt eine ruhig dasißende blondhaarige jugendlice Frauengestalt von jener vornebmen Ucppigkeit der Erscheinung, in der si das venetianishe Schönheitsideal der Renaissance verkörpert. Den Kopf leiht nah der rechten Schulter gewandt und nach linkshin aus dem Bilde heraus\ck&auend, hâlt die Dargestellte, der das faltige weiße Hemd von der Sgwulter herabgeglitten ist, mit beiden Händen das über den Schooß gebreitete, leubtend rothe, mit {chwarzer Seide gefütterte Gewand gefaßt, das die erhobene Recte zur Brust empor- zieht. Bet breiter und weicher Modellirung in voll auffallendem, die Schatten klar dur(leubtendem Licht wird die Wirkung des goldig warmen Tons noch durch den dunkleren Fond erhöht, von dem die Figur fih abhebt. Seiner Entstehungszeit na dürfte das Bild zwischen dem einer früheren Periode angehörigen männlichen Portrait und dem weibliben Brustbilde verwandter Art, welche das Museum von der Hand Palma's bereits von früher her besitzt, in der Mitte stehen.

Am Mittwoch, den 14. d. M, feierte in Schwerin der General der Infanterie, Ober-Kammerherr und Ober-Hofmeister Adolph Freiherr von Sell, Excellenz, das seltene Fest des 70jährigen Dienstjubiläums. Im 88. Lebensjahre stehend, hat der am 15. August 1797 in Ludwigslust als Sohn des weil. Obersten Baron von Sell geborene Jubilar vier mecklenburgischen Großherzogen mit Aus- zeichnung gedient. Er begann seine Militärkarriere am 14. Januar 1815, an wel&em Tage er als Voloatär beim Kaiser Franz Garde-Grenadier- Regiment Nr. 2 in Berlin eintrat. Zum Offizier befördert, machte der junge Lieutenant den Feldzug des Jahres 1815 mit und wohnte dem Cinzuge in Paris bei. 15 Jahre später schied er aus dem Königlich preußischen Dienste in Folge seiner Ernennung zum Gou- verneur des damaligen Erbgroßhberzogs Friedrih Franz von Meklen- burg-Schwerin aus. Von 1830—1842 leitete der, mit dem Hochseligen Grofherzog Paul Friedri, dem Gemahl der Prinzessin Alecxandrine von Preußen, erzogene Baron Sell die Erziehung und Studien des Erbgrof herzogs. Nach dessen Negierungs- Antritt (7. März 1842) begleitete der inzwishen zum Major und Kammerherrn avancirte Jubilar den Großherzog als Reisemarschall auf größeren Reifen. Er durchlief auch die höheren Militärchargen {nell (Oberft 1844, General-Major 1850) und fungirte 13 Jahre als Ober- Hofmeister bei der am 3. März 1862 verstorbenen Frau Großherzogin Auguste. Nach deren Tode ging er unter Ernennung zum General- Lieutenant als außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Mi- nister der beiden Großherzoglich mecklenburgischen Höfe nach Berlin, wo cr am 14. Januar 18685 sein 50jähriges Jubiläum feierte, zu welchem der König von Preußen, unseres jeßigen Kaisers Majestät, ihm den Rothen Adler-Orden erster Klasse verlieh. Nach seiner Kückehr aus Berlin ward Excellenz von Sell Ober-Hofmcifter der Frau Groß- herzogin Marie und als folcher im Jahre 1874 vom Großherzog Friedrich Franz 11. zum General der Infanterie ernannt. Vor zwet Jahren erhielt er an Stelle des verstorbenen Grafen von Bülow auf Kühren die Würde eines Ober-Kammerherrn. Seit 1868 ift Freiherr von Sell auß Commendator des Johanniter-Ordens. An seinem Ehrentage (14. Januar) wurden dem greisen General mannig- fache Auszeihnungen zu Theil. Die Großherzoglichen Herrschaften gratu- lirten dur eia Telegramm aus Cannes, und der Großherzog ließ Sr. Excellenz durch den General-Adjutanten, General-Lieutenant Freiherrn von Brandenstein, das Miniaturporträt des hoch- seligen Großkberzogs zu dem Großkrcuz des Großherzoglichen Haus-Ordens der Wendischen Krone überreihen. Die Frau Groß- herzogin-Muiter und die Frau Großherzogin Marie geruhten, in Peron dem Wweuen DVDiener thres QHauses- Glück- wünshe aus8zusprewen, und der Herzog Johann Albrewt, sowie die Großherzoglihen Herrshaften von WMecklenburg- Streliß gratulirten telegraphisch. Außerdem erschienen eine Reihe von Deputationen von der Schweriner Generalität und den mecklen- burgischen Truppentheilen. Auch kam aus Berlin eine Deputation des Kaiser Franz Garde-Grenadier-Regiments Nr. 2, bestehend aus dem Sohne des Jubilars, welcher bei diesem Regiment als Major steht, dem Major von Gaudy, dem Hauptmann von Rosenberg und dem Premier-Lieutenant von Quast. Nachmittags concertirten während des Familiendiners die Schweriner Musikcorps vor der Wohnung des Generals, der sich geistig und körperlih noch großer Nüstigkeit und Frische erfreut.

Der Jerusalemsverein, welcher schon seit Jahren unter dem hohen Protektorat Jhrer Majestät der Kaiserin und Königin steht, feierte gestern Abend im überfüllten Dom sein 43. JIahresfest. Dem vom Hofprediger D. Strauß erstatteten Bericht zufolge konnte ein allgemeines Wachsthum der Arbeit konstatirt werden. In Jerusalem selbst wirken die Diakonifsenanstalt mit dem Krankenhause und der Erziehungsarnstalt Talita Kumi, das JIohanniterhospital, das Schnellershe Knaben-Waisenhaus, mit dem jetzt die erste Blindenanstalt im Heiligen Lande verbunden ist, das Aussäßigenhaus, das Marienstift für kranke Kinder und die deutsche Schule mit steigendem Erfolg. An die letztere ist, aus Mitteln des Collek- tenfonds des Jerusalemsstifts, Dr. Lepsius, ein Sohn des bekannten Cgyptologen, als Erster Lehrer und zugleich als Hülfêprediger der dortigen Gemeinde berufen worden. In Bethlehem, wo die Schule um eine Klasse vermehrt werken konnte, ist an Stelle des Missionars Müller Pfarrer Schneller getreten. In Hebron, der Patriarcben- stadt, ist eine neue Station mit Klinik und Schule errichtet. Ju Betschhaba wird in Betsagl und Schule günstig gewirkt, in Beirut entfalten Johanniterbospital und Diakonissenanstalten, in Alexandria das Diakonissenhaus cine ersprießlide Thätigkeit. Ina Kairo hat si tre der Schwierigkeiten die trefflihe Schule er- balten, und hat das neue Diakonissenhospital eröffnet werden können. Was die allgemeine Lage im Heiligen Lande anlangt, so konnte \o- wohl Hofpredizer D. Strauß wie auch Lie. Dr. Reinecke-Wittenberg, der 8 Jahre in Jerusalem gewirkt hat, konstatiren, daß die evan- gelishe Kirhe im Heiligen Lande entschieden im Wachsen be- arissen l, Die Zahl dexr Juden hal \ch namentli dur Einwanderung deutscher Juden vermehrt; in FJerusalem leben jeßt 18 000, also mehr als die Hälfte sämmtlicher Einwohner. Ihrer Einwanderung ist es zuzuschreiben, daß die deutsche Sprache immer mehr die italienishe und französishe als Um- gangêésprade verdrängt. Die Kassenverhältnisse des Vereins sind leider nit so günstige gewesen; es mußten zur Bestreitung der Aus- gaben 5000 4 aus dem Bestande entnommen werden. Neu in den Vorstand find Hofprediger Bayer, Geheimer Regierungs8-Nath Tavypen, Major Freiherr Senfft von Pilsach und Regierungs- und Schulrath Trinius eingetreten. Der Leßztgenannte hielt alsdann noch in An- {luß an Jes. 40, 11 eine Ansprache an die Festgemeinde. Ein Scblußwort des Ober-Hofpredigers D, Kögel beendete die Feier.

Vor uns liegt das erste Heft des neunten Jahrganges 1885 von „Hirths Formenschatz“ (G. Hirths Verlag in München und Leipzig), das uns willkommencn Anlaß bietet, Künstler und Kunst- bhandwerker auf dicses gediegene, klassishe Borlagenwerk aufmerksam zu machen. Hirths „Formenschaß“ ist eine Quelle der Belehrung und künstleriswer Anregung für alle Freunde stilgerehter Schönheit und bringt mustergültige Vorbilder aus den Werken der hervor- ragendsten Meister aller Zeiten und Völker. Das erste Heft für 1885 enthält auf 16 Tafeln (h. 49) eine Fülle der s{chönften und in- ftruktivsien Blätter für Kunst und Kunsthandweck; Martin Zafinger, Peter Flötner, Antoine Watteau, J. A. Meissonnier und andere Meister der Renaissance und des Nococo sind vertreten. Jeder Jahrgang des „Formenschaß“ umfaßt 12 Hefte mit etwa 180 Tafeln hoc 49; der Preis des Hefts ist nur 1,25 46 Durch die umsichtige Auswahl, die treffliche Ausstattung und den mäßigen Preis verdient Hirths „Formenschag“ allgemeine Werbreitung. Jeder Zweig der reichen Tunftgewerblihen Thätigkeit ist durch mustergültige Vor- lagen bedacht; neben Prachtstücken finden wir eine Menge der \{önften

d zierlihsten kleineren Gegen stände, in denen überall die kunstvolle Draa si auf die einfachste und natürlihste Weise mit dem

praktishen Zweck verbindet.

Die beiden Novitäten, welche das Königlihe Scbauspiel- haus am Sonnabend zur ersten Aufführumg brachte, fanden bei dem zahlreich versammelten Publikum eine ungleice Aufnahme. Den Anfang machte Otto Franz Gensicbens „Lydia“, cine anmuthige Plauderei in 1 Akt, welche allseitig die herzlibsten Sympathien er- weckte. Der Verfasser hat den Stoff zu derselben ciner Ode des Horaz entnowmen und hat daraus eine unterhaltende dramatisce Kleinigkeit geformt, welche in zierlidben Versen eine Cifersuhts- und Liebesszene zwischen dem klassischen römischen Dichter und seiner in seinen Liedera verherrlihten Lydia behandelt. Das reizvolle kleine Werk zeigt wieder die Vorzüge des Verfassers in glänzenden Farben. Der Wohllaut der Sprache, vie Glätte ker Verse, der geistreihe Dialog, das anmuthig dargestellte Wecselspiel der Gefühle erhalten die Zuschauer dauernd in angenehmer Erregung und unter dem Banne ciner wohl- thuenden Harmonie, welche die kleine Plauderei durfluthet. Daß das Hauptgewicht auf den feinsinnigen Dialog und weniger auf eine hervortretende Handlung gelegt ist, gereicht der Dichtung nicht sehr zum Swaden. Die Darstellung war, dem Werke entsprechend, auf das Beste durchgeführt. Frl. Meyer (Lydia) bewegte fich in dem klassishen Kostüm mit vollendeter Grazie und brachte die aufbrausfende Leidenschaft, die schalkhafte Schelmerei treffend zum Auêdruck. Die Rolle des „Horaz“ fand in Hrn. Ludwig einen gewandten Vertreter, fowobl im Spiel wie dur den Vollklang der Sprache. Weniger wollte Hrn. Franz die Verkörperung des einfachen, harmlosen „Calais“ glüden; er vergriff sich manckchmal in dem erregten Tone des entflammten Jünglings und konnte die Rede nicht immer mit dem inneren Empfinden in Einklang bringen. Die glücklich entworfene episodische Figur des „Sklaven“ wurde dur Hrn. Krause musterhaft wiedergegeben. MReicher Beifall folgte am St{luß der abgerundeten und gefälligen Darstellung. Weniger günstig verlief die erste Aufführung der „Vier Temperamente*, Cel i 3 Alten von Lothar Clement Bas SUC ist bereits im Druck bei Breitkopf und Härtel in Leipzig erschienen und weist dort 5 Afîte auf. Die Kürzung hat dem We:ke keinen Eintrag gethan, denn man vermißt nihts Bedeutendes bei der Auf- führung; nur der Eindruck ist cin ganz verschiedener beim Lesen und beim Sehen und Hören. Bei dem Leser war die Wirkung cine ungleich günstigere und gleiwmäßigere. Das vorgestrige Theater- Publikum brachte dem ersten und auch noch theilweise dem zweiten Akte Anerkennung und Sympathien entgegen. Im dritten Akte jedoeh, welchder die Wandlungen der Seelen und Herzen in die Cribetnung Treten lassen ol, witd es Uar. wie oberflächlich die Fabel des Stüdkes gerade nach der psycholo- gishen Seite hin erdaht und erfaßt ist, wie unvermittrelt und unmotivirt sih jene Wandlungen vollziehen. Der Absicht des Ver- fassers entgegen, welcher es auf eine ernste Auffassung absicht, wirken diese Szenen eher komish; und an dieser urfreiwilligen Komik scheiterte der Erfolg mehr noch{ als an dem fühlbaren Mangel an Handlung. Uebrigens zeigt das Stü einen ges{chickt geführten, zu- weilen geistreiwen Dialog, der manche witzige Bemerkungen enthält. Die Darstellung auch dieses Lustspiels war eine vorzüglihe im Ganzen und im Einzelnen. An erster Stelle machte sich Frl. Bar- kTany (Ditilie) durch ibr frisches, lebendiges - Spiel bemerkbar; sie traf den Ton des Uebermuths und lebhaften Scherzes mit großer Geschicklichkeit und verhalf dadurch der Rolle zu hervorragender Be- deutung. Die phlegmatis{e „Bertha“ wurde von Frl. Abich einfach und natürlich dargestellt; ihre in trockenem Tone in die Gespräche Anderer eingesprengten Bemerkungen erregten häufig laute Heiter- Leit, Der MolerilsWe Lieutenant Leo! des Hun, Müller würde noch kräftiger gewirkt haben, wenn unter dem hastigen, über- stürzenden Sprechen nit manchmal die Deutlichkeit der Aussprache gelitten hätte. Hr. Oberländer charafkterisirte den lustigen lebens- ugen Onkel „Holleben“ mit großer Gewandtheit. Die anderen Mit- wirkenden (Hr. Nesper, Hellmuth-Bräm und Frau Frieb-Blumauer) fanden in ihren kleinen Rollen wentg Gelegenheit zur Bethätigung ihres Könnens, Die Darsteller wurden zum Scluß jeden Aktes ge- rufen.

Victoria- Theater. Das phantastishe Ausstattungsftück „Sulfurina“ kam gestern bei vollem Hause bereits zum 25. Male zur Aufführung und erfreut sih noch allabendlich des regsten Besuches und Beifalls. Frl. Meyerhoff, die graziöóse Darstellerin der Titel- rolle, tritt jedo nur noch in dieser Woche auf, da anderweitig ein- gegangene Verpflichtungen die Künstlerin von bier abrufen.

Im Residenz-Theater kamen gestern Abend zwei Novitäten mit gutem Erfolge zur Aufführung. Das die Vorstellung eröffnende einaktige Lustspiel „Die Schulreiterin“ von Emil Pohl belustigte durch die Komik der Situationen, den flotten Gang der Handlung und dur einen witigen, ‘durchs{chnittlich in vornehmem Stil gchal- tenen Dialog. Der Stoff, welcher der kleinen dramatischen Arbeit zu Grunde liegt, ift außerdem glücklich erfunden. «Die Darstellung fand lebhafte Ancrkennung. Frl. Wismar führte ihre Rolle sehr ge- \cchickt durch und stellte besonders den Uebergang von wohlberehtigtem Aerger zu heiterem Frohsinn vortrefflich dar. Jn Hrn. Worlitsch fand sie einen angemessenen Mitwirkenden, welcher natürlich und ein- fach die Rolle des etwas derben aer herzensguten Krautjunkers spielte. Stürmischer, anhaltender Beifall folgte der Vorstellung dieses anregeaden leinen Lustspiels. Nicht ganz so glücklich gestaltete si die Aufnahme der zweiten Novität „Die Chestandsinvaliden“, Schwank in 3 Akten von Domino und Lafargue. Die Fabel des Stückes ist in kurzen Worten folgende: Hr. Baginet verheirathet sich na zwanzig in tollem Saus und Braus verlebten Fahren endlich, um sich in der Che auszuruhen, mit cinem jungen Mädchen aus der Provinz, deren Mutter, welche in ihrer Ehe au wenig vom Leben genossen hat, mit ihrer Tochter erst das Leben kennen lernen möchte. So wartet ftatt der Ruhe stete Unruhe und Aufregung des Che- mannes, bis derselbe durch einen lustigen Streich in Paris seine Be- quemlichkeit, das Endziel seiner Wünsche, erkämpft hat. Die komische Sigur dieses Chemannes wird nvoch kräftiger hervorgehoben durch mehrere andere Gatten desselben Sclages, welche in ihrer Gesammt- heit Veranlassung zu vielen überaus komisb wirkenden Szenen geben. Der Schwank baut sih auf der lustigen Grundidee sehr ge- s{ickt auf und bietet viele erheiternde Situationen und wißige treffende Bemerkungen, fo daß die Theilnahme des Publikums nie ganz ermatten konnte. Doch nahmen manchmal die Gespräche einen zu großen Raum in Anspruch und wirkten dann hemmend auf die Handlung und drückten auf die Stimmung der Zuschauer, Gün- süiger würde sich der Eindruck des amüsanten Stückes gestalten, wenn die Längen des Dialogs zu Gunsten der Aktion etwas beschnitten würden. Unter den Darstellern zeichnete sich vor Allem Hr. von Hoxar (Baginet) durch die hübsche Charafkterisirung des hervorragendsten Ehestands- invaliden aus. Hr. Wallner (Bougerolles) spielte das Gegenstück zu dem erstgenannten, einen jungen, das Leben in vollen Zügen ge- nießenden Ehemann, mit vieler Bonhomie und Laune. Die Schwiegermutter fand in Fr. Wank eine trefflihe, zungengewandte Vertreterin. In kleineren- Rollen thaten fich Frl. Hagen (Amalie) und Frl. Jolanda (Irma) und die Herren Reicher (Pomard), Mügge (Courtin), Bornemann (Montandin) und Valéro (Francastel) durch E Spiel hervor. Die Darsteller wurden nach jedem Akt gerufen.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S cholz). Druck: W, Elsner. Fünf Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage). (835)

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

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Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 19, Januar. Cm weiteren Ver lauf der vorgestrigen (27.) Sißung des Reichstages wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, be- treffend die Feststelung des Reichshaushalts-Etats das Etatsjahr 1885/86 (Verwaltung des Reichsheeres), auf Grund mündoölihen Berichts der Budgetkommission fort geseßt.

Zur Debatte standen einmalige Ausgaben Titel 7 für ein neues Magazin-Etablissement in AUersiein als erste Rott 220000 M

Der Abg. Freiherr von Huene bat, diese Forderung zu streichen.

Der Abg. Dr. Möller erklärte, das Städtchen Allenstein sei in einem sehr erheblihen Aufschwung begriffen. Es den dort Eisenbahnen, Chausseen, Kasernen auf einunal ge- baut und gegenwärtig errihte man dort eine große Provinzial! Jrrenanstalt, Die Ziegeleien der Umgegend seien schon jtt dem Bedarf an Baumaterial niht gewachsen. Das Letzter müsse von weit her per Bahn herangeholt werden und sei in Folge dessen erheblih theuerer als zu anderen Zeiten. Er meine daher, baß die Militärverwaltung mit ihrer Magazinen reht wohl noch einige Jahre warten ktö.:ne, bis die Materialien preise in Allenstein wieder eine mittlere Höhe errciht haben würden. Der Bau würde dann weit billiger werden als gegenwärtig. Er bitte, den Antrag von Huene anzunehmen

Der Bundeskommissar, Wirkl. Geheime Kriegéerath Gadow erwiderte, das Magazin solle gerade im fiskali’ch.n Juteresse gebaut werden. Es würden durch dasselbe nah ciner ange stellten Bereinung der Militärverwaltung in jedem Jahre mindesiers 45 000 s erspart werden, und außerdem würde man zahlreihe Nachtheile, die aus unpünktlicher Lieferung der Naturalien u. \. w. für die Verpflegung der Trupp:n entstehen könnten, vermeiden können. Der Bau sei lediglich eine Konsequenz der Truppendislokation im Oñter, derselbe sei kein Luxusbau, sondern ein dringendes Bedü:faiß.

Der Abg. von Wedell:Malchow bemerkte, er werde nach diesen Erklärungen für die Position stimmen.

Der Abg. Dr. Möller erklärte, die Truppendisloktatione:1 seien noch gar niht ganz durhgeführt, Allenstein habe noch

nicht feine volle Garnison, Um so eher könne si das Militär:

daselbst noch einige Jahre auh ohne ein Magazin bequem mit Brot versehen.

Der Staatsminister Bronsart von Schellendorff entgegnete, die Militärverwaltung habe bisher den entgegengeseßten Grund- saß befolgt. Dieselbe pflege zuerst die Garnisoneinrihtungen zu {afen und dann die Garnison hirzubringen. Nach dem Prinzip des Abg, Möller würden weder jemals die Garnison: einrihtungen fertig werden, noch Garnisonen hinkommen können.

Nach cinigen weiteren Erörterungen wurde die Vosition in einer Auszählung mit 129 gegen 103 Stimmen abgelch:t.

Ebenso wurde auf Antrag des Abg. Frhrn. von Huene Tit. 8 abgelehnt, in welhem für ein Magazin in Riesenburg als erste Rate 163 000 A gefordert wurden, nachdem der Abg. Dirichlet betont hatte, daß für Ablehnung dieses Titels diejelben Gründe in erhöhtem Maße sprähzn, welche zur Ab- lehnung des vorigen gejührt hätten.

Der Abg. Frhr. von Huene empfahl hierauf die Annahme folgender Resolution :

„den Bundesrath zu ersuchen, eine Revision der in den Motiven zum Kasernirungéplan angeführten Kostenüberschläge auf Grunt der notorisch billiger gewordenen Preise vornehmen zu lassen und das Resultat der Ermittelungen dem Reichstage bis zur rätsten Session vorzulegen.

Der Antragsteller führte aus, die Resolution solle haupt- sächlih eine Handhabe bieten, dem Luxus, der nit den Kasernenbauten vielfah getrieben worden sei, zu steuern. Er erinnere sich selbst, eine Kaserne gesehen zu haben, die mit dem theuersten Sandstein ornamentirt gewesen ci, Später habe man diesen Sandstein dann roth üb rstrichen ; und er (Redner) würde diese Röthe für Schamröthe gehalten haben, wenn man sich damals des Luxus der Kasernénbauten überhaupt {hon geshämt hätte.

Der Abg. von Wedell-Malchow erklärte sich mit der Re- solution einverstanden.

Der Staats-Minister Bronsart von Scellendorfff er- widerte, es sei möglich, daß sih früher zu Zeiten die Militär- bauverwaltung von der vollsten Sparsamkeit niht ganz frei- gehalten habe. Aber schon seit mehreren Jahren haben Bestimmungen bestanden, welche die äußerste Sparsamkeit zur Pflicht gemacht hätten; und er sei Willens, diesen Jn- tentionen seines Vorgängers in vollstem Maße zu folgen.

Der Abg. von Schalsia erklärte, obwohl die App:oxima- tivsäßge, welche 1874 für Militärbauten festgeseßt worden seien, bereits außerordentlih hoh gewesen seien, seien dieselben doch nur in den seltensten Ausnahmen innegehalten und meist er- heblich überschritten worden. Dabei habe der Fiskus nicht nur theuer, sondern theuer und {lecht gebaut. Einem neu- gebauten Kavalleriestall habe {hon nach einigen Jahren der Einsturz gedroht ; die Pferde hätten nur mit Mühe bei Nacht gerettet werden können. Bei einer neuen Kavalleriekaserne hätten nah kurzer Zeit alle Thürfutter so eingeschossen, daß man bequem zwischen der Wand und den Thüren mit der Hand habe hindurchgreifen können. Bei einem Kasernen- bau in Neisse seien allein für eine ganz unnüge

„Sandsteinornamentirung 67 000 verausgabt worden. Eine

hiesige Garde-Fnfanterie-Kaserne im Südosten der Stadt sei mit wahrhaft unnatürlihem Luxus ausgestattet; €s befinde si auf derselben z. B. eine enorme Masse von Sandstein- adlern, obwohl doch bekanntlih der Adler die Geselligkeit nicht liebe und jährlich nur ein Junges ausbrüte. Obwohl seit 1874 die Kosten an Material und Arbeitslohn sich vielfach um 50 Proz. verringert hätten, seien dennoch keine Ersparnisse bei den Bauten vorgekommen. Er bitte die Militärverwaltung dringend, mehr als bisher dem intensiven Drängen der Archi- tekten zu widerstehen, welhe überall ganz unangebrachter Weise Monumentalbauten aufführen wollten.

Berlin, Montag, den 19 Ianuar

Hierauf ergriff der Staats-Minister Bronsart von liendorfi das Wort:

Derr Lbacordnete, der sozten gesprochen, hat der Militär- iehr vers&iedenartige Vorwürfe gemacht.

r im Allgemeinen die Bauten a!s mangelhaft bezeicnet ub an Beispielen na&weiser wolien, daß es auch thatsäclih so Lie einzelnen Föôlle sind mir nicht bekannt; aber selbst wenn aus dig maren, Jo würde iw immer meinen, man fênnte en einzelne: Fällen bei einer so umfangreiden Verwaltung, Mititärverwaltung ift, do nicht den Sc{bluß ziehen, daß

virthdb im qcr;ez in diefer Beziehung \{lecht wäre.

Uifo der Fall pamertliÞ von dem Pferdestall, dem gewisser- der Umsturz n7droht hat, und aus dem man über Nacht die Pferde rauS;teren mäfen, ift mir effektiv nit bekannt; aber wenn h vorgefomn wäre: gewobßnheitsmäßig ift derartiges Lei Irn Tur”) jedev falls nicht,

un den Lurie! Jch habe ja schon erklärt, daß ib dem Lurxus treten will, Aber 1 mödbte do auch hier die Frage er- ob eé. denn angemc}}en ist, bei derarticen großen, ins Auge

\clienden Gebäuden jede NRücisicht auf cinen gewissen, wie ich gerne i ne, d nur zecingen Scbmuck ganz außer Act sez'n zu 1 (0 glaube, daß das nit erwünsct ist; und wenn das mit m ganz geri 1 Mehraufwand von Koften geschieht, so meine i,

l c wodi gestattet e:scheint. Wenn natürlid große Ausgaben für ftemacater cemadt worden find, so billige ih das absolut nit.

__ Der Herr Abgcordnete ist dann hier au auf ven Fall, betreffend 1c Kaserne des 3. Garde-Regiments, geo. men, wo Adler auf den abern argebracbi sind, Er hat dann namentli diese Frage unter dém Gesichfepw:kte der geselligen Eigensczaften diess Vogels betrach- tet, Fur uns tommt, wenn wir Kasernen mit dem Adlec {müdcken, eln anderer Gesichtepinkt in Frage: das ift die Bedeutung des preußen Wlers. In dieser Beziehung, glaube ich, können wir ai bischen » gerade naturgeshichtlich ales richtig gegriffen ift E ie allgemeinen Mängel in der Bauverwaltung, die der Herr Abgeordnete aub gestreift kat! Er hat da nicht bloß die Meittärverwaltng speziell genannt. Da möchte i doch sagen, meine H : wir wii1hschbaffen mit Baumeistern, die aus den allgemeinen Bi/dtngsansta!'er de? Laodes für Baumeitter hervorgegang:n sind, und wir nud gar ntt in der Lage, di:se Herren so absolut auf andere Wege zu len als auf dicjenigen, dée fie in den Unterrichtsanftalten des Lands, auf vie he angewt-fen sind, beschritten haben. Den Luxus will i j@ acwiß vollftärdig beschrärken, aber, im Ganzen genommen, wird »xe M'litärve-waltung in Bezug auf Zweckmäßigkeit. Zuverlässigkeit, Solidr!ât tetractct werden müsscn unter den Gesichtspunkten der allzem-tien Bauverwaltung, weil wir keine Institute haben, auf deren vir besondere Militär-Baumeister avysbilden könnten

Wir habn fcüher theilweise die Garnisonbauten in die Hände des Ixgznieurco:ps gelegt; wir sind aber davon ¿urückgekormmen, weil diése Bauten keine Aufgabe des Ingenieurcorps fein können.

Wenn hier wirklich Mängel bestehen, die mir in dem Maße, wi? fie hier vorgetragen sind, Übrigens nit bekannt geworden sind, lo glaube i, wüû.de es darauf arfommen, unsercn Unterrichtsäinititu- ten bei Ausbildung von Architekten eine andere Richtung zu geben. Das liegt acer nicht auf dem Gebiete der Militärverwaltung.

Der Aba. Richter (Hagen) erklärte, der Minister habe heute selbst an-rkannt, daß mehrfach theurer gebaut worden iel, als es gerechtfertigt gewesen sei. Er seinerseits sei von vornherein bemüht gewesen, als die ersten Forderungen an bas Haus ¡ekommen seien, auf sparsameres Vauen und Reduktion der Anichläae hinzuwirken. Damals sei man aber leider etwas von der Detailberathung militärischer Vorlagen entwöhnt gewesen. Erst allmählih sei es namentlich seinen BenÜhungen gelungen, das nolhwendige Jnteresse für solche Kritifen wieder zu erweden. Wenn jeßt bei den bedeutend heruntergegangenen Löhnen und Matecrialienpreisen eine Nevision des Baucnschlagewesens vorgenommen werde, so wirde es vielleiht gut sein, au sonst nachÿ mancher Richtung hin die Normativbv: stinmmungen sür Kasernenbauten zu ändern und statt des Luxus bei Offizierkasinos 2c. lieder im FJnteresse der Gesundheit der Soldaten für bessere Wasserversorgung und Ventilalion in den Kasernen zu sorgen. Er wisse nit, ob sih die Militärverwaltung die neuesten erortschritte der Technik auf diesem Gebiet zu eigen gemacht habe. Man könne übrigens jede abstoßende Uniformität bei den Bouten recht wohl vermeiden, ohne doch Luxus treiben zu wollen,

Der Bundeskommissar, Oberst-Lieutenant Schulz erwiderte, daß in neuerer Zeit weit mehr als früher auf gute sanitäre Einrichtung der Kascrnen gehalten werde. Während früher jede Kaserne nur einige wenige Badewannen besessen habe, werde gegenwärtig keine mehr ohne ausreihende Douchebade- anstalt errichtet, in der ein ganzes Bataillon in kürzester Beit abgevadet werden könne. Auch für gutes Trinkwasser, Kana- lisation, Ventilation werde stets bestens gesorgt. Die daraus erwachsenen Mehrkosten würden durch den besseren Gesundheits- zustand der Truppen reihlih aufgewogen, der bereits eine erhedlihe Verminderung der Ausgaben beim Lazarethwesen bewirkt habe.

Der Abg. von Helldorff bemerkte, die hohen Kosten der modernen Bauten erklärten sich zum großen Theil daraus, daß die modernen Techniker es rerlernt hätten, den Gebäuden in den Baulinien selbst einen gewissen Shmuck zu verleihen, Die Leßteren suchten denselben in Aeußerlichkeiten und dergleichen anzubringen. Wie weit man in dieser Bezie- hung hinter der Baukunst felbst des vorigen Jahchunderts zurüstehe, davon könne sih jeder leiht überzeugen, der geneigt sei, derartigen Dingen seine Aufmerksamkeit zu \{henken. Er glaube übrigens, daß es vergeblich sein werde, auf dem Wege des Budgetrechts Ersparnisse in dieser Richtung zu machen. Man werde dann erst wieder anfangen, billiger zu bauen, wenn die Verwaltungsbeamten sorgsamer vorgebildet würden und davon abgelassen hätten, ihr Urtheil über Bau- ausführungen ohne weiteres von denen der Techniker ab- hängig zu machen.

Der Abg. von Schalscha entgegnete, es sei rihtig, daß die Verwaltungsbeamten froh seien, wenn dieselben durch die Techniker der Verantwortlichkeit über ein Bauprojekt enthoben würden. Von dem Kriegs-Minister habe er erwartet, daß derselbe dem Hause erklären würde, Fälle, wie er sie vortrage, mißbilligen zu wollen, wenn dieselben sih bewahrheitet hätten. Er könne übrigens in dieser Beziehung versichern, daß er seine Angaben nur auf Grund ganz zuverlässiger Thatsachen, die ihm zur Verfügung gestellt seien, gemacht habe.

Der Staats - Minister Bronsart von Schellendorff erwiderte, der Vorredner habe ihn aufgefordert, daß er seine

G, 18ck.

Mißbilligung aussprehen solle über Fälle, welche der Vor- redner vorgetragen habe. Das sei ganz selbstverständlich.

Der Abg. Kayser bemerkte, man rede hier so viel über den Luxus und den Shmuck, der an öffentlihen Gebäuden angebracht werde. Er glaube, man solle sich nit so prin- zipiell gegen die \{öne Gestaltung öffentlicher Bauten erklären. Es sei ja nicht nothwendig, daß die Bankiers allein in Prachtbauten wohnten. Uebrigens folle, wenn das Reich baue, darauf gesehen werder, daß den Arbeitern ihr Recht werde, 1n diefer Beziehung werde viel gesündigt. Zwar sei ja die Kegel, daß das Reich seine Bauten an Unternehmer über- trage, während es nach seinem Standpunkte am besten wäre, wenn das Reih selbst baue. Aber darauf könne auch jezt hon gesehen werden, daß nicht, wie cs bei Militärbauten öfter der Fall sei, von den Unternehmern die Löhne dadurh gedrückt würden, daß ausländishe Arbeiter vor einheimishen bevorzugt würden. Gerade sei das in der leßten Zeit wiederholt eingetreten. Er fordere, daß bei staatlihen Bauten zunächst die beshäftigungslosen Arbeiter herangezogen würden, denn sie hätten ein Recht darauf, weil sie Steuern zahlen und die schwere Last des Militärdienstes ertragen müßten.

Die Diskussion wurde hierauf ges{losen. Ueber den Antrag von Huene wird erst in èritter Lesung abgestimmt werden. ;

Tit. 12 enthält die Forderung von 300 000 M für den Neubau eines Kasfernements nebst Zubehör für die zweite Ab- theilung des 2. Garde-Feld-Artillerie-Negiments in Berlin.

_ Der Staats-Minister Bronsart von Schellendorff bat, die Pofition, welhe die Kommission abzulehnen vorgeschlagen habe, mit Rücksicht auf die Vortheile hin zu genehmigen, welche die Vereinigung der gesammten Garde-Feld-Artillerie- brigade biete.

Die Position wurde abgelehnt.

«In Tit. 27 werden als erste Rate für den Neubau und die Auéëstattung einer evangelischen Garnisonkirche in Spandau 10 000 M verlangt.

Die Kommission beantraate dic Streihung der Forderung.

Der Bundeskommissar, Oberst-Lieutenant Schulz wies auf die Ausführungen hin, mit denen {hon im Vorjahr der Neu=- bau begründet worden sei. Der bauliche Zustand der alten Kirche sei inzwishen noch s{lechter geworden. Für gewisse kirhlihe Handlungen sei nicht einmal der erforderlihe Raum vorhanden.

Der Abg. Hermes erklärte, gegen diese Position wie gegen eine andere ähnlicher Art stimmen zu wollen, und zwar nicht nur aus finanziellen Gründen, sondern au deshalb, weil man den Soldaten freilassen solle, die Civilkirhen zu be- suchen.

Tit. 27 wurde gestrichen.

Titel 31 enthält die Forderung von 60000 M als zweite Rate für den Neubau und Ausstattung einer evangelishen Garnisonkirhe zu Neisse.

Die Kommission beantragte, die Forderung zu bewilligen.

Der Abg. Horn fkonsftatirte, daß die Verhältnisse in Neisse so lägen, daß der Bau einer Garnisonkirche erforderlich sei. Auch er könne deshalb die Bewilligung der geforderten Summe nur empfeyÿlen.

Der Abg. Hermes erklärte, seine Partei werde auch diese Forderung ablehnen. Ein Bedürfniß für dieselbe sei nur vorhanden, weil die Soldaten zum Göitesdienst kommandirt würden. Gestatte man denselben, die Civilkirhen zu besuchen, so werde eine Veranlassung zu einem Neubau nicht vorliegen.

Der Abg. Horn entgegnete, die militärishe Behörde habe die Pflicht, die Soldaten zum Kirchenbesuch anzuhalten. Das sei alte militärische Sitte, und er ersuche den Kriegs-Minister, hierin keine Aenderung eintreten zu laffen.

Der Siaats-Minister Bronsart von Schellendorff bemerkte, die mililitärishen Behörden hätten es stets für ihre Pflicht erachtet, den Soldaten auch in religiöser Hinsicht zu erziehen. Daran werde auch weiter festgehalten werden.

Der Abg. Richter (Hagen) erklärte: Auch seine Partei wünsche, daß den Soldaten Gelegenheit gegeben werde, den Gottesdienft zu besuchen, aber niht in besonderen Garnisonkirhen. Die Sonderung nach Berufsklassen solle niht über das unmittelbar Militärische hinausgehen. Der Soldat habe denselben Gott wie der Civilist. Darum trete er prinzipiell jeder Forderung dieser Art entgegen. Dies sei die erste GarnisonÜrche, für welche Gelder vom Reichstag erbeten würden. Er besireite, daß es eine Pflicht der Militärbehörden sei, die Soldaten zum Gottesdienst anzuhalten; man müsse doch unterscheiden zwischen mündigen und unmündigen Personen. Die Militär- behörde habe kein Recht, in Bezug auf den Kultus den Sol: daten Befehle zu ertheilen ; das widerspreche der sonst in kir- lihen Dingen herrschenden Freiheit. Gerade das Centrum möchte sih hüten, solche Positionen gut zu heißen ; er erinnere nur an den Fall, wo katholische Soldaten gezwungen worden seien, dem Gottesdienst eines altkatholishen Geistlichen beizuwohnen.

Demnächst nahm der Staats - Minister Bronsart von Schellendorff das Wort:

Der Herr Abgeordnete hat zunächst bemängelt, daß ein getrenntrer Gottesdien|t zwishen Soldaten und der Bürgerschaft eintrete. Meine Hecren, wir können niht überall einseitigen Militärgottesdienft ein- führen, sonst würden wir es thun weil wir nit überall Militärgeistliche kaben; wir halten es aber entschieden für einen Vorzug, wenn der Militärgottesdienst ganz bestimmt auch darauf berechnet ist, dem Soldaten aub seine militärishen Pflichten, die er übernommen hat, einzus(ärfen gelegentlich des Gottesdienstes. Mecine Herren, wir vereidigen keinen Soldaten, ohne daß er von dem Geistlichen seiner Religion auf die Bedeutung dieses Eides hinge- wiesen wird, und ebenso findet sib fehr häufig cine Veranlassung für den Militärgeistlichen, in Ausübung seines Amtes als Geistlicher E dem Soldaten die Erfüllung feiner militärischen Pflichten nabe u legen.

G Wenn nun der Herr Abgeordnete weiter gesagt bat wenn ich richtig verstanden habe —: wir haben keine Veranlassung, oder, wir wollen der Militärverwaltung das Recht nicht gewähren, die Mann- jcaften zum Gottebdienft zu kommandiren, so, meine Herren, han- delt es fich hier garnicht um die Gewährung cines neuen Rechtes. Dieses Recht besitzen wir bereits ; wir besitzen dieses Recht auf Grand der Stellung, welche Se. Maj#stät der König der Armee gegenüber cinnimmt und auf diesem Geblête, soweit evangelishe Soldaten in Frage kommen,