1885 / 19 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 22 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

gefährliden Gegner Daun. „La toque bénite“ (der geweihte Hut) urd „der große Mars%all“ sind stehende Bezeichnungen des österreibishen Feldmarsœalls; damm ist er der „große Hut“, der „beilige Hut“ und gar nur „der Hut“; der „geweihte Mann“, er „Auserwöhlte des Papstes“, der „Herr der Herren“ (seigneur par exce!lence); der „gefeierte“ (célèbre) Marschall“, der „große Daun“, der „erlaubte (illustre) Daun“, der „große Fabius* und \{ließlich der „deutsde Fabius“. Nahm dieses Selbstgefühl dem Soldaten die Furht vor dem Feinde, so führte doþ auch die Gering- \cbäßung des Gegners, da sie bei dem Könige zur Gewohnheit geworden war (S. 167), zu einer durch Erfolge genökrten Ueber- \{äßung seiner Kräfte und einem Selbstvertrauen *), das nicht ohne Nükichläge blieb.

Nach der Gewäkßrschaft des Grafen Henckel erzählt Catt, daß, als Bülow, ein sehr tücbtiger Offizier, na Kunersdorf gekommen sei, um dem Könige den Sicg, welwhen der Prinz Ferdinand, dessen Adjutant er war, über die Franzosen am 1. August 1759 (bei Minden) erfohten hatte, anzukündigen, Se. Majestät ibn aufgefordert habe, der S{hlacht beizuwohnen, damit er fehe und seinem Prinzen darüber berihten könne, wie Sie die Ruffen geschlagen habe: der Adjutant sei verwundet worden und habe noch dazu den Verdruß gehabt, eine sehr s{lechte Neuigkeit zu bringen.“ Den leßten Umstand bestätigt der König später selbst: „Bülow, welher mir am Tage der Scblacht von Kunersdorf eine Nachribt vom Prinzen Ferdinand überbrate, wurde in derselben zu seinem Unglück verwundet“ (S. 287). Henkel urtheilt über diese S{laht: „Des Königs zu großes Selbstvertrauen und seine zu große Geringshäßung eines Feindes, welcher im Grunde durchaus nit zu verachten ift, haben die Schlacht bei Kunersdorf verloren* und ver König selbs kann nit umhin, na diesem Verluft einzugestehen, man dürfe jetzt keine Fehler mehr macben, denn „man habe mit Leuten zu thun, welche zu kamptren verstehen und gesceidt sind.“ Catt bemerkt in den „Tagebüchern“ (S. 409): „Der König war immer glücklich gegen geschickte Generale, und immer unglücklich gegen Daun. Man kann dafür einen ganz einfachen Grund anführen : gegen geschickte Generale trifft er seine Maßregeln, gegen den andern läßt er sich gehen, weil er ihn zu sehr verachtet.“ Und später deutet cr selbst dem König diese seine Ansicht an, indem er fagt, er glaube die Beobachtung gemaht zu haben, „daß gewöhnlich alles gut gegangen, wenn der König das Gegentheil befürchtet, daß aker der Erfolg nur selten seinen Erwartungen entsprochen habe, oder vielmehr seinen Hoffnuygen.“ Er fügt für den Leser hinzu: „ih wollte nicht sagen: seinem zu großen Vertrauen, welches ihn mit- unter verleitete, die Feinde geringscäßig zu behandeln“. Er führte dem König als Belege für den zweiten Theil sciner Beobachtung Olmüyt, Zorndorf, Hochkirh an.

Vereinzelt und ohne seine Begründung nachweisen zu können, finden wir noch den Grundsatz des Königs ausgesprocher, daß dec Krieg oft gewagte Coups nöthig mache, nur dürfe man dabei richt auf Shwacbheit und Kopflosigkeit des Feindes bauen. Eine andere wichtige Maxime des Köntgs war: seine Pläne vor der eigenen Armee sorgsam zu verheimlihen, um so der Kritik zu entgehen und für seine Befehle einen pünktlichen, durch Reflexionen nicht beein- trächtigten Gehorsam zu fixden.

Ucber das Verhältniß des Königs zu seinen Generalen ceben die « Memoiren“ manchen interessanten Aufschluß.

Sebler im Dienst konnte Friedrih niemals verzeihen: wer sie beging, büßte sie in der Regel mit dem Verlust der Königlichen Gnade. Gewisse Dinge waren nach des Königs Ansicht unter allen Umständen verschuldet, fo namentlich das Mißglücken von Operationen, welche er seibst seinen Generalen vorgezeichnet hatte: er {reibt seine eigenen Mißerfolge wiederholt dem Umstante zu, daß seine Befehle ntt ausgeführt werden.

Der General Wedell ftand in der Gurst des Königs so hoch, daß er

ihn täglich zur Tafel zog. Catt berichtet (Generalquartier Reich- henner8dorf, Mai 1759): „Das ift ein bedeutender Mensch“, sagte der König oft zu mir; „Sie werden sehen, was er in dieser Campagne leisten wird; ic werde ihn für die großen Unternehmungen ver- wenden.“ Niemals fah ich den König so viel Aufmerksamkeit nid Rücksihßten an Jemand vershwenden, als für diesen General. Es ging so weit, daß er auf ihn wartete, che er sich zur Tafel seßte: er opferte ihm also sein Vergnügen und die Pünktlichkeit, um 12 Uhr bei Tische zu sein. Wenn der General, welcher oft zu rekognosziren hatte, zu lange auf \sich warten ließ, muß‘e auf Befehl des Königs für ihn besonders servirt werden, und der König leistete ihm Gesellschaft. „Jh habe Sie (Catt) heute ctwas \pât rufen lassen, weil ih „meinen Wedell“ erwartete, der auf Rekognoszirung gewesen ist. Er ist wirklich cxemplaris, und ih versehe mich von ihm großer Dienste: immer L Moe L m le sn, was val An ings Juli 1759 nahm der König Dohna den Oberbefehl gegen die Nussen und ernannte Wedell an seiner Statt zum Oberst- Kommandirenden und Generalissimus: „Jh gebe das Kommando tneinem braven Wedell, welcber keine Dummheiten machen wird". Wenige Tage darauf erlitt Wedell durch Soltikow bei Kay eine Vitederlage, und diese Affaire kostete ihn die volle Gunst feines Königlichen Herrn: „Guter Gott! *, sagte der König zu dem Adjutanten Bonin, der den Rapport von der Schlacht abstattete, „welhen Unverstand berihten Sie mir da! Wie ift es nur möglich, sih so unerhört, so albern zu benchmen! Gehen Sie, sagen Sie „Herrn von Wedell“ (jeut war es nicht mehr „tein Freund Wedell“, schaltet Catt ein), daß ih glei zu ihm oe Ee. l

Der General Finck, vorher mit mancher wichtigen Unternehmung betraut, batte durch das Unglück von Maxen den Zorn des Königs in dem Maße auf sich geladen, daß sein Name fortan nur noch mit Ingrimm genannt wird: „le mardit Finck“, „l'animal“, „le viédase“ sind Bezeichnungen, welche genug besagen.

Bon den neun an diesem Unglückstage mit dem Corps gefangenen Generalen entging der einzige Wunsh der Verachtung des Königs: „Den lobe ih mir! er allein hat nicht den Kopf verloren: er wollte si mit feiner Kavallerte durhhauen aber diese Unwürdigen haben ihn an der Ausführung dieser Heldenthat gehindert !“

In der Nacht vom 14, zum 15. April 1758 ward Sc{weidnitz im Sturm von den Oesterreihern zurückerobert. Die Belagerungs- arbeiten batte der Ingenieur-Oberst Balbi geleitet, Der König bezeugte ihm die höcbste Genugthuung und richtete \fogar eine Gpistel an ihn, in welcher er ihn „mon cher Balbichon“ an- redete. Gleich darauf erhielt Balbi die Leitung der Belagerung von Olmüg, „der berühmte (‘ameux) Balbi, ein Meister im Angriff auf eine Stadt“. Die Belagerung mußte aufgehoben werden, und der König s{rieb das Scheitern der Operationen Balbi zu. Sein Zorn war groß (S. 119—122), und der einst \o Gefeierte wurde in Ungnaden entlassen und blieb vergessen. Kurz vor Balbi's Ende erinnerte aber der König sich seiner und wünschte ihn zu schen. Er fragte, ob der Kranke noch ausgehen könne, und als dies bejaht wurde, ließ er ihn rufen und sprach mit viel Güte zu ihm, gleich als wäre niemals etwas vorgefallen. Zu den Kernfiguren in der Armee des Königs gehörte der General- Lieutenant Prinz Moriß von Anhalt-Dessau, ein Sohn des alten Dessauer und dem Könige befreundet. Von ihm weiß Catt zu er- zühlen: „Der Prinz Moritz hatte mir [in Königgräß, 14. Juli 1758] das Jesuitenkloster als Quartier anweisen aen, S0 Vat Va dieses Klofker von Verwundeten und Epidemiekranken an- gefüllt war, den Prinzen durch seinen Adjutanten, den Obristen von Kleist, um ein anderes - Quartier. „Das geht nit !* sagte er; „man muß nit fo ängftli sein; ich logire selbst an ebensolchen Orten, wo es stinkt, wie Her Teufel! und bin damit zufrieden. Wer ist denn der Herr da?" „,„Ein Schweizer, Durch- laut, und kein gewöhrliher Mann: er is bei Sr. Majesiät und leistet Ihr Gesellschaft.“ „Von welcher Religion?®* ,,„Pro- tefstant, Durwlauct.“* „Protestant!“ und der Prinz, der hinter

9. Wie erinnern hier an sein stolzes Wort: „Jh mötte variren, fast immer eine Schlacht zu gewinnen, aber heutzutage tann man nichts gegen diese fur{tbare Artillerie ausrihten.

mir ist, kommt auf mich{ zu, umarmt mich und hält mich fest: „Gott sei gelobt, daß der König endlich einen honnetten Mann um si hat, und einen Protestanten! Vorwärts, Kleist! ein gutes Quartier ! das beste Quartier in der Stadt! Sie speisen bei mir zu Mittag !“ Der König lachte viel über diese Scene, und ih mußte sie ihm no einmal erzählen. „Er ist ein Sonderling, dieser gute Moriy ; aber er ift brav wie fein Degen; kein größeres Fest für ihn, als eine Schlacht! Er sieht immer alles rosenfarben. Was wäre er geworden, wenn seine Erziehung nit vernachlässigt worden wäre! Aber er ist so und bleibt so, wie ihn die Natur geschaffen hat.“

Von der Geiftesgegenwart des Prinzen giebt Cat eine Probe. In cinem kritishen Augenblick der S{laht bei Zorndorf die Bataillone des preußischen linken Flügels waren in Unordnung ge- rathen, und die Russen seßten sich in Marf{, um den Angriff ihres reten Flügels zu unterstützen —, in diesem kritischen Augenblicke iprengte der König mit verhöngtem Zügel auf den rechten Flügel, hielt vor dem Regiment des Prinzen von Preußen und sagte ganz laut: „Daß fid Gott im Himmel erbarme!“ Der Prinz Moritz, welcher die Gefahr ebenfalls erkannt hatte und die Uebereilung des Königs mißbilligen mochte, ergriff seinen Hut, warf ihn in die Luft und rief mit entschlossener Miene und seiner sehr klangvollen Stimme: „Es lebe der König! Die Sch{lacht ist gewonnen!“ Die ganze Linie rif: „Es lebe der König!“ und Se. Majestät sien etwas zu läheln. Der Prinz Moritz aber und der General BVülow fagten: „Kameraden, was Ihr da kommen seht, sind ge: fangene Rufsen, die man wegführt: vorwärts! es lebe der Könia! marsch!" Jeßt reitet der König im Trab an dem Regiment Prinz von Preußen vorbei und sagt: „Meine Freunde, vertheidigt Euch noch einen Augenblick, haltet Euch tapfer! und alles wird gut werden! Und alles marstirt; dieser Flügel that Wunder der Tapferkeit.

Als Feldherrn {ätte der König vor andern den Marschall Keith. „Der Marscall ift ein bewundernswürdiger Mann; er vereinigt in sich die Vortheile der Kaltblütigkeit, eines großen Genies und langjähriger Erfahrung, sein Muth is erprobt. Niemals unsicher,

niemals unentschlossen, hat er nur den einen Fehler, daß er unsere Sprache nicht versteht, und das bringt manchmal Unklarbeit in die Befehle, welche er ertheilt. Für den Krieg, die Politik und für die Wissenschaften is er geboren, und i kann mich seiner mit Vortheil in allen mögliden Fällen bedienen... . In der Unterhaltung ist der Marschall sehr wißzig und angenehm und übertrifft hierin bei weitem alle anderen : mit der ernstesten Miene von der Welt erzählt er die interessantesten Geschichten und hat eine \ch{neidige Scblag- fertigkeit. Eines Tages sagte man an meiner Tafel, daß das Pferd des Generals Apraxin in der Schlacht bei Jägerndorf verwundet worden sei. „Ja“, fiel der Marschall ein, „mit den Sporen !“ „Mein theurer Marschall Keith ist nicht mehr“, sagte der König nah der Schlacht von Hochkirb; „das ist ein schwecex Verlust für die Gesellschaft und für die Armee!“

(Scchbluß folgt )

Sitzung des Wissenshaftlihen Kunstvereins. In eingehendem Vortrage unter Vorlegung einer reiben Sammlung von Photographien unternahm der Hof-Kunsthäidler Eduard Quaas cine Parcallelisirung der Dresdener Galerie mit dem Gemäldé-Vor- rath unferes Berliner Museums, Es sei wünschenswerth, ich ins Gedächtniß zurückzurufen, worin die Vorzüge der erstern gegenüber der unserigen bestehzn, und diejenigen Schulen und Künstlernamen näher anzusehen, für welhe wieder Berlin andererseits eine Vollstän- digkeit erreicht habe, daß jeder Beflissene oder Kenner der Kunst- ges{wichte will er nit einzelne Künstler mit ihren vorzüglibsten Werken an ihrem Ursprurng8orte aufsuhen nur in Berlin cine fo durcbgebende Vertretung vorfindet. Es handelt sich hier zunächst um die Kunst Italiens. Die auffallend größte Bereicherung an Bilderschätzen, und zwar vorzugsweise der bolognesisben und ferraresishen Schule, erhielt Dreéden im Jahre 1746 dur den Ankauf von einhundert Bildern aus der Galerie des Herzogs von Modenaz der „Goldschmidt Morett“ und die „Madonna des Bürgermeisters“ von Holbein (?) wurden 1743 aus Venedig, die Rafael sche Madonna Sirtina im Jahre 1753 aus Piacenza, Bagnacavallo: „Madonna mit Heiligen“ 1700 G. Reni: Ninus u. Semiramis 1752 und circa 68 vorzügliche Bilder der italienisben und niederländishen Schulen in den Jahren 1723, 1743 und 1748 aus Prag erworben. Unter den 268 aus der Graf Wallensteinshen Sammlung in S{loß Dux 1741 erkauften Bildern soll weniger Wertbvolles gewesen sein.

Somit sind in den Zeiten des leihteren Erwerbes dur glük- lide Konjunkturen der Dresdener Galerie Kunstwerke zugefallen, welche in den Namen Dosso Dossi, Ercole Roberti (Grandi), Niccolo dell’Abbate, Correggio, Garofalo, Giorgione, Tizian, P. Veronese, Guercino, G. Reni, Albano, C. Dolce, Strozzi, A. Vaccaro, M. Stan- zioni, neuerdings P. Morando (Cavazzola) u. a. Dresden einen un- erreihbaren Vorzug vor allen deutschen Galezien sihern werden. Von großem Interesse sind die Forshungen Morelli's über die Echtheit einiger unter berühmtem Namen dem kunstliebenden Publikum lieb- gewordenen Bilder: die fein durchgeführte „Correggio's&e Maada- lena“ wird als ein Werk aiederländischer Arbeit, der „Arzt des Cor- reggio* als ein Schulbild, „Giorgione: Jacob und Rahel“ als ein Palma vecchio, „Tizian: liegende Venus“ als eine Kopie nab dem spanishen Originale dieses Meisters ; dessen „\{chlafende Venus“ aber mit vielem Scharfsinn als ein kunstgeschicht- li nacgewiesener, bisher vermißter Giorgione, die Übrigen Bilder dieses Namens als sehr zweifelhaft hingestellt. Eine als „Lionardo da Vinci“ neu erworbene „Heilige Familie“ wird dem Lorenzo di Credi zugewiesen, der in einer „Verkündigung“ des Pa- lastes Pitti ein perspektivisch ähnli fein durhgcführtes Jnterieur geliefert hat. Die unter „Luca Signorelli“ neu erworbene „Heilige Familie“ g?hôre dem Pier di Cosimo. Das reizende Bild «Madonna mit Kind“, dem Vincenzo di S. Gimignano (+ 1530) zugeschrieben, gebühre einem um 1681 verstorbenen Giacinto Gimignano. Von dem Schatze der neun Bilder von Dofso Dossi werden zwei dem Atelier des Künstlers oder dem G. M, Crespi zugewiesen, da- gegen werden ihm zwei andere wieder zugeführt, welche Penni und Parmeggianino benannt sind. Moretto's Madonna wird als eine trockene Kopie bezeichnet.

Gegenüber dem in hohem Grade anzuerkennenden Uebergewichte Dresdens in den obengenannten Meistern dcs Cinque- und Seicento tritt die große Bedeutung Berlins für die Quattrocentisten in die Schranken. Wir verdanken der Kunstrihtung unseres Hochseligen Königs Friedrih Wilhelms IV. einen Reichthum, der dur die Um- sicht der gegenwärtigen Dezernenten der Galerie und die ihnen zur Verfügung ftehenden Mittel auf eine Höhe gebraht worden i, um uns die Ursprungsorte einiger Meister in Italien felbst etwa ausgenommen in dieser Richtung vor den meisten Galerien Guropa’s die Priorität zu fichern, was man auch über die Minderwerthigkeit vereinzelter Stücke einwenden möchte. Wir haben vor Dresden die Bellini, Vivarini, Basaiti, Carpaccio, Gir. di S. Croce, R. Marconi, Pennaccbi in venetianiscer, die T. und A. Gaddi, Masaccio, Fiesole, L, Signorelli, F. Lippi, C. Roffelli, Pollajuolo, Verroccio, S. Botticelli, Ghirlandaj, Fra Bartolommeo, L. da Pistoja, Albertinelli in ‘flor entinischer; die Alunno, Giov. Santi, Pinturichio, Bertucci, Meloz;o da Wort, C, Palmezzano in umbriscber; die Cosimo Tura, D. Panetti, Mazzolino , Lor. Costa in ferraresischer Schule voraus, ferner den Alt-Bologneser Marco Zoppo (ein ähnli bedeutendes Bild dieses Meisters nur noch in Venedig), die Francia’s mit den Schülern Amico Aspertini und dem au in dieser Richtung arbeitenden Lor. Costa. Die mailändishe Schule, in Dreéden außer zwei bisher noch nit bestimmten Bildern: „Madonna mit Kind* und der präch- tigen Herodias“ gar nit vertreten, wird in Berlin durch Lio- nards da Vinci, Ambrogio Borgognone, M. d'Oggione, Boltraffio, &- Melzi, B. Luini, G. Ferrari, P. Fr. Sacchi, Pedrini repräsen- tirt; die lombardischen, zum Theil von Venedig, Verona und Padua, andererseits von Mailand ausgehenden Zweigbildungen durch

die Meister : Girol. dai Libri, Liberale da Verona, F. Morone, Ca- roto, B. Montagna, A Previtali, P. Farinato, Falconetti, endli durch die Breécianer: Moretto, Romanino und Savoldo Als Be- lege für die frübeste Entwickelung der Malerei in der Lombardei reihen sih die Meister : Vittore Pisano, Squarcione, A. Mantegna (leßterer mit 3 Bildern) an. Sehr bemerkenswerth ist die von leßterem Meister noch durch Dr. Gruver für Dresden erworbene heilige Familie; im Uebiigen ift, wie oben bemerkt, die vorklas\sische Richtung dort sehr gering vertreten. Wegen seiner Elite aus der flassisben und nacklassishen Zei!periode, sowie wegen seines Reich- thums an Perlen der niederländischen Kunst, besonders der Feinmaler, wird Dresden, namentlih für Kunstdilettanten, zunä wohl stets ein arôößeres Interesse behalten, als das mit vielen, für die Kunft- geschichte höchst wichtigen, an sih aber weniger hervortretenden Bildern aus8geftattete Berlin.

Ueber die spanische, französiste, niederländishe und deutsche Kunst zu berichten, behielt der Vortragende sich für eine spätere

ißung vor.

IT. Dr. Pauli if übrigens der Meinung daß niht allein infolge der Interesselosigkeit und Trôgheit der Kamerun nur wenige Frühte dem Boden abgerungen werden, sondern auch der Grund und Boden einerseits nit so ertragsfähig sei wie das Land eine Tagereise flußauf- wärts, wo er die herrlihsten Plantagen gesehen habe, anderec!eits aber vielleibt durh Raubbau auegezehrt worden sei. Jedoch des Defteren treffe man auch außerhalb der Kamerun-Ortschaften kultivirte Felder, bebaubt mit Maniok (Tatro;ha Manihot), Yams (Dioscorea), Grdnüfse (Arachis), sweet potatoes (süße RKar- toffeln), Bohnen, Erbsen und Coco (Caladium esculentum). Sceinbar wild stehen Tomaten (Lycopersicum), Kürbisse (Lage- naria), Melonenbâume (Caica Papaya), Guajaven-, Limonen-, Kakao- und (seltener) Apfelsinensträuber. In Gruppen ebensowohl wie vereinsamt zwishen Buscbholz geben die riesenhaften Baumwoll- bäume (Eriodendrum anfractuosum) der Landschaft ein charafteristi- {es Bild. Die Bezeichnung stammt von den Engländern, welce den Baum sil|kcottontree genannt haben, ohne daß jedo die fein glänzende Samenwolle, welde die Kerne der Fruchtkapseln einge* ettet enthält, im Handel Verwendung fände. Nicht fo häufig ist ein anderer hoher Baum, Nothholz (Baphia nitida), welher zur Anfertigung von Holztrommeln wegen feines harten Holzes ebenso geschätzt ist, wie das weicve Holz des Baunwoll- baums zu anderen Holz)chnißereien vielfa Verwendung findet In den Zweigen beider Bäume trifft man bunte Wildtauben, roth- ges{wänzte graue Papageien und verschiedene Musophagen. Mehr am Flußufer halten sich Nashorn- und Eisvögel auf, während die Webervögel, unbekümmert um das Treiben der Menschen, ihren Liebling8aufentbalt in den die Negerhütten umstehenden Palmen aufshlagen. Wem das Glück günstig ist, der siebt zuweilen wohl auch die den beiden Hauptkönigen King Bell und King Aqua zugehörigen Rinder frei in der Savanne umherlaufen. Der Sage na sollen die Kamerun oder Dualla von den Bewohnern am Lungasi vor etwa sieben Menschenaltern vertrieben worden sein und fic in ihren jeßigen Wohrsiten angcsiedelt haben, nacbdem sie die Bassa, welche bis dahin am Kamerun-Flusse ansässig waren, ver- trieben batten. Alle drei eben genannten Stämme dürften zu den Bantu-Völkern gehören, worauf auch ibre untereinander ähnelnden Dialekte hinweisen. Der bei Weitem größere Theil der männlichen Bevölkerung weiß englisch (pidgeon-english) zu sprechen; von dem weiblichen Geschlecht verstehen nur einzelne, in der Mission erzogene Negerinnen aus Kamerun die englishe Sprache. Die Einwohnerzahl des gesammten Kamerun - Stammes wird auf 20000 ges{chäßt, wovon die Hälfte in den oben erwähnten drei größeren Towns leben soll. Es folgen nun weitere interessante und eingehende Nachrichten über Sitten, Gebräuche und Kultur- zustände der Kamerun- Neger, welche wir hier übergehen, um no cintges über ihre Handelsbezichungen zu den Europäern mitzutheilen.

Kamerun.

Im Wissenschaftlihen Centralverein spricht über- morgen, Sonnabend, 8 Uhr Abends, im Saale Dorotheen ftraße 41, Direktor Dr. Schwalbe über „Die deutschen Ostseeküsten“. Abonne- ments- und Einzelkarten sind im Büreau, Centralbuchhandlung (im Centrathotel Lad. 14) zu haben.

„Das Nibelungen-Ringerl“, Soloscherz für Baryton (für Vereine und Privattheater), ist kürzlich, der Faschingszeit entsprechend, bei Gustav Lichtenberger in Leipzig in neuer, vergrößerter und ver- besserter Auflage erschienen. Das Textbuh, aus den Müncbener „liegenden Blättern“ ge\{öpft, ist in der Scparat- Ausgabe für 50 S, die Komposition des durch eine Sinfonie in E bekannten Herzoglich sächsishen Musikdirektors Oscar Möricke hierselbst für 3,90 6 allerorts zu beziehen.

Vambura, 21 Sanar Q T. B) i van großen Speicher von G. A. Großmann u. Co., am Älten Wandrahm, entstand vermuthlih durch Selbstentzündung von Baumwolle Nachts ein großes Feuer, welches noch fortbrennt; Gefahr für die Neben- speicher is niht vorhanden. Der Schaden der verbrannten Waaren und der Wasserschaden läßt sich nochþ nit genau übersehen, dürfte aber weit über cine Million betragen. Ein Feuerwehrmann ist durch den Sturz in das brennende Gebäude verunglückt, zwei leicht verletzt.

Rom, 21. Januar. (W. T. B.) Von mehreren Seiten gehen weitere Meldungen über Lawinenstürze und Schnee-Ver- \{üttungen ein, bei denen der Verlust von Menschenleben zu be- klagen ist, In der Gemeinde Frassinere bei Susa wurden 15 Häuser durch Schneeclawinen vershüttet und 11 Personen getödtet. Zwischen Majola (Provinz Cuneo) und Demonte wurden 3 Ar- beiter vershüttet. In Frassino (Provinz Cuneo) wurden 30 Leichen aus dem Schnee gezogen, während 10 verschüttete Personen gerettet wurden, gegen 40 aber noch verschüttet sind, zu deren Rettung wenig Hoffnung vorhanden ift.

22. Januar. (W. T. B.) Von weiteren, durch Lawinen verursachten Unglüccks8fällen wird gemeldet: Fn Gignod, einem Dorfe des Aosftathales, wurden 2 Personen dur eine Schneelawine vershüttet. Jn Frassino (Distcikt Saluzzo) sind 30 verschüttete Leichen durch Soldaten zu Tage gefördert worden.

Im Deutschen Theater wird am Sonntag Fr. Niemann außer der „Margarethe“ in den „Hagestolzen“ von Jffland vorher aub noc die „Marianne“ in Goetbe's „Geschwistern“ spielen. Den Schluß des Abends bildet das Lustspiel „Ein QUE.

Im Belle-Alliance-Theater findet am Sonnabend die 109. Aufführung des Schönthan'shen Schwanks „Der Raub der Sabinerinnen“ statt. Vom Wallner-Theater wirken Frl. Wenck, Roché und Löffler sowie die Hrrn. Guthery, Niedt und Goeschke, vom Belle-Alliance-Theater Frl. Fröhlih und die Hrrn. Dorn und Straßmann mit.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (einshließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

è D

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlih Preußischen Staats-Anzeiger.

Erste Beilage

Berlin, Donnerstag, den 22. Januar

1».

M 19.

Deutsches Neicck.

Nachweisung der in der Zeit vom 1. Januar bis 15. Januar 1885 inner- halb des deutshen Zollgebiets mit dem Anspruch auf Zoll- und Steuervergütung abgefertigten Zucckermengen *).

Menge des abgefertigten Zuckers.

Aller übrige harte Zuer, sowie alle Kandiszucker weißen trocke-| Rohzuer und Zucker in nen Zucker in|von mindestens weißen, vollen, Krystall-, Krü- 88 9/9 Polari- harten Broden mel- u. Mehl- sation (Nr. 697 des focm von min- (Nr. 699 des statistisben |destens 98 9/60 statistischen Waaren - Ver-| Polarisation Waaren - Ver- zeichnisses) (Nr. 698 des| zeichnisses) in der Zeit vom in der Zeit vom 1. bis 15, [Waaren - Ver-| 1. bis 15. JFanuar. zeichnisscs) VFanuar. in der Zeit vom 1, bis 15. Januar.

Staaten bezw. Berwoaltungs - Bezirke.

Preußen. Provinz Ostpreußen . Westpreußen Brandenburg _— Pommern 316 389 10 000 Da, Schlesien . . -— Sachsen, ein\ch{l. der Schwarzburgischen Unterherrschaften

Provinz Schleäwig-Hol- i S R s 330 421 1 535 410 18 145 124

Hannover. 502 625 942 8 668 707 Westfalen 4 739 - Hessen-Nassau ; A Rhetaprovinz (23 363 Sa. Preußen 2 382 500 2636 193 Bayern i 293 005 -— Ch E E Württemberg 9919 S D e e Ga Mee Thüringen einfch{l. der Großh. sächs. Aemter Allftedt u. Oldisleben Dea A S n e E 19 Braunschweig : Î C 422 104 Vfl 6 - 150 150 Elsaß-Lothringen . Luxemburg S Ueberhaupt im deutschen S In demselben Zeitraum des Vorjahres

4 617 321 2 966 582

o " -

1 007 036 464 841 3 446 212

569 735 38 413 681 120 498

3013 382! 2 809 566 39 106 433

2 063 914 1 266 682 21 300 042

*) Die Nachweisung bezieht sich auf diejenigen Zuckermengen, welche zum Export oder zu einer öffentlichen Niederlage abgefertigt und dadurch dem inländishen Markte entzogen worden sind, nicht also auf die wirklich zur Ausfuhr über die Zollgrenze gelangten Mengen. l

Berlin, den 21. Januar 1885. S

Kaiserliches Statistisches Amt.

Beer.

Nichtamtliches.

Preußen. Berlin, 22, Januar. 7zn der gestrigen (30.) Sizung des Reichstages begann das Haus die erste Berathung des Antrages des Abg. von Wedell-Malchow, be- treffend Abänderung des Geseßes wegen Erhebung der Reihs-Stempelabgabén, vom 1, Zuli 1881.

Der Entwurf bestimmt, daß Kauf, Rückauf-, Tausch, Lieferungs- oder sonstige Anschaffungsgeschäfte über im Aus- lande zahlbare Wechsel, ausländishe Banknoten oder Papier- geld, Werthpapiere oder Mengen von soichen Sachen oder Waaren jeder Art, die nah Gewicht, Maß oder Zahl gehan- delt zu werden pflegen, sofern diese Sachen zur Weiterver- äußerung bestimmt sind, mit einem prozentualen Steuersaßz von zwei Zehntel vom O vom Werth des Gegenstandes des Geschäfts belegt werden jollen. : E

Bottit von diesem Steuersaße „ollen sein bei Geld- geshäften Werthe unter 300 4, bei Waarengeschäften Werthe unter 10 000 4, ferner Comptant-Geschäfte, Geschäfte mit selbsterzeugten, oder handwerks- oder fabrikmäßig hergestellten Waaren und Geschäfte über solhe Waaren, welche zur Weiter- veräußerung nach vorgängiger handwerks- oder fabrikmäßiger Be- oder Verarbeitung durch einen der Kontrahenten be- stimmt sind.

Schließlih bestimmt der Entwurf noch:

„Für Geschäfte über solhe zur Weiterveräußerung bestimmte

inländische Sachen oder Waaren jeder Art, die nah Gewicht, Maß

oder Zahl gehandelt zu werden pflegen, erfolgt die Erstattung der entrichteten Abgabe, wenn der Nachweis geführt wird, daß dieselben unmittelbar unter den Kontrahenten durch wirkliche Auslieferung an den Erwerber erfüllt worden find.“

Die nationalliberale Partei hatte dagegen einen Entwurf eingebraht (Antrag Dr. Arnsperger und Genossen), wonach Schlußnoten über die vorher erwähnten Geschäfte bis zu einem Werthe von 1000 /6 mit dem Einheitssaß von 20 -„Z, bis zu 5000 M mit 40 3, bis zu 20000 / mit 60 S, bis 50 000 M mit einer Mark, bis zu 100 000 # mit 2 46 und für jede weiteren 100 000 F ebenfalls mit einem Steuersaß von 2 Á belegt werden sollen. Diese Steuersäße sollen bei Abschlüssen von Zeitgeschästen zum doppelten Betrage erhoben Werden.

Die Befreiung soll sich bei Geldgeschäften ebenfalls auf Beträge unter 300 #, bei Waarengeschäften dagegen auf Be-

| träge von unter 5000 6 erstrecken.

Die sonstigen Befreiungen sind gleih denen des von Wedell-Malchowschen Entwurfs proponirt, nur daß die Zusaß- bestimmung in Bezug auf die Geschäfte der Weiterveräußerung fortgelassen sind.

Nach diesem Entwurf foll der Werth des Gegenstandes nach dem vereinbarten Kauf- oder Lieferungspreis, fonst nach dem mittleren Börsenpreis des Abschlußtages bestimmt werden. Ein Zinézaufschlag für die zu den Werthpapieren gehörigen Coupons findet nicht statt. i

Beide Anträge wurden zu gleicher Zeit berathen.

Der Abg. von Wedell-Malchow befürwortete seinen An- trag. Er stehe heute nah seiner Auffassung in einer sehr viel günstigeren Position an dieser Stelle, als vor etwa zwei Jahren, wo er zum ersten Male einen Börsen- oder Geschäfts- {teuerantrag der Berathung des Hauses unterbreitet habe. Die vielfachen Angriffe, sogar persönliche, die er damals zu erleiden gehabt habe, hätten ihn niht weiter berührt, und er erscheine wieder auf dem Kampfplaß mit einem neuen Ent- wurf, mit demselben, den die Reichsregierung am 21. Funi v. J. eingebraht habe, der aber damals unerledigt geblieben sei. Er bekenne offen, daß er durch die Berathungen der Kommis- sion vor zwei Fahren seine Ansichten etwas geändert habe, und so bringe er denn den Entwurf der Regierung wieder ein, der alles berüdsihtige, was sich für seinen Standpunkt aus den Berathungen der vorjährigen Kommission ergeben habe. Sein Entwurf, wie er ihn jeßt nennen dürfe, weil derselbe unter seinem Namen eingebracht sei, verlasse das Prinzip der Tren- nung und Unterscheidung von Kassen- und Zeitgeschäfsten und halte im Großen und Ganzen die nothwendige Kontrole fest, ohne darum für ihn ein noli me tangere zu sein. Er habe nichts Besseres finden können als das, was er jeßt vorgelegt habe und wenn die Kommission etwas Besseres finden, und in einem gewissen prozentualen Verhältniß eine Steuer schaffen werde, welche deren Eingang sichere, so werde er au dafür fein. Auch seien seine damaligen Gegner aus ihrer Reserve herausgetreten und selbst zum Angriff übergegangen. Er habe dieselben ja hon früher gebeten, einmal Vorschläge zu machen. Auch die damals bekämpfte Schlußnote sei nun von liberaler Seite aufgenommen worden. Selbst aber auch diejenigen Abgeordneten, welhe weder auf ähnlihen Grundsägen ständen wie er, noch dem Dr. Arnspergerschen Entwurf jich zuneigten, würden doch darin mit ihm einverstanden sein, daß das jeßt hierüber beftehende Geseß finanziell und technisch si außerordentlih s{chlecht bewährt habe, und daß man {on deshalb darangehen müsse, ein Geseß, welches nur 2 300 000 6 einbringe, zu reformiren. Aufheben könne er es ja nit, allerdings wäre auh das s{chon eine Verbesserung. Das Berbesserungsbedürfniß werde auch das Haus anerkennen. Noch bitte er die Lage der Reichsregierung in Betracht zu ziehen. Die Thronrede habe es ja dem Reichstage hon ans Herz gelegt, auch seinerseits mit Vorschlägen zur Verbesserung der Finanzlage des Reiches zu kommen. Dies folle ein \{chwacher Versuch dazu sein. Ein großer Staat, wie es das Deutshe Reih geworden sei, verlange naturgemäß auh größere Ausgaben, und es würden an dasselbe ganz andere Anforderungen gestellt wie früher an die Einzelstaaten. Die jeßige Kolonialpolitik komme zu allererst dem Großhandel, dem Handel überhaupt zu Gute und da könne derselbe auch etwas mehr, wie bisher geschehen, zum Ganzen des Staates beitragen. Man werde natürlich außer dieser Reichs- stempelsteuer auch noch zu anderen Steuern kommen müssen. Er frage das Haus aber, wie könne man eine Konsumtionssteuer verlangen, die doch mehr oder weniger die armen Klassen treffen müsse? Wie könne man dieselbe aufnehmen wollen, wenn nicht diese ergiebige Steuerquelle vorher ausgenußt sei ? Und das sei seines Erachtens der Hauptgrund, weshalb der Reichstag die Verpflihtung habe, diese Angelegenheit in angemessener Weise aus der Welt zu bringen. Es sei eine vielfah versuchte aber selten geglückte \chwierige Aufgabe, das Kapital zur richtigen Steuerzahlung heranzuziehen. Jn Preußen denke man schon eine geraume Zeit daran und wenn es bisher nicht geglüdckt sei, so liege es daran, weil es zu schwer sei, das Kapital zu fassen; das könne man nur dann, wenn es in die Erscheinung trete. Wie s{hwer sei dem sich {nell vermehrenden Kapital gegenüber der Verdienst in der Landwirthschaft und Fndustrie! Mit dieser Umsaß- oder Ve-ckehrssteuer verlange jein Entwurf weiter nichts als ein Aequivalent für die Vortheile, die das Kapital im Staate ge- nießze. Eine prozentuale Besteuerung der großen Kapitalien sei eine Forderung der Gerechtigkeit. Es habe sich gezeigt, daß die interessirten Kreise, wenn man den Stempel, die Ab- gabe auf die Urkunde lege, immer in der Lage seien, gewisse Formen zu finden, durh welche sie der Aufstellung der Ur- kunde, des eigentli stempelpflichtigen Objekts entgangen seien. Wenn man den Grundsaß weiter verfolge, flomme man dahin, daß man allerdings nicht bei den eigentlichen Börsengeschäften stehen bleiben dürfe, weil außerhalb der Börse eine ganze Menge ähn- licher Geschäfte" gemacht würden, die sich die Differenz- und ähnlichen Geschäfte in ihrer äußeren Erscheinung als Kauf, Verkauf und Rückauf darstellten. Die Regierung habe sih auh schon oft dahin ausgesprochen, daß ein wirklicher juristischer Unterschied zwischen Kassen- und Zeitgeschäften nicht zu finden, sei. Auch der Begriff Börse sei - sehr schwer zu definiren, welche Frage das Haus auch schon bei der ersten Berathung des Entwurfes behandelt habe. Den Tarif halte er auch jeßt für wichtig, den Steuersaß betreffend habe er zwei Zehntel vom Tausend vorgeschlagen. Er wolle nicht absolut darauf bestehen; wenn iym nachgewiesen werde, daß derselbe zu hoch sei, werde er auch für einen niedrigeren sein, vorläufig glaube er, daß die meisten Geschäfte an der Börse diese geringe Steuer wohl aushalten würden. Die Sachen, betreffend Report und Deport könnten Hier in déx Generaldiskussion nicht zu einem endgültigen Ergebniß gebraht werden, da sie rechnungsmäßig zu belegen seien. Wenn gesagt werde, diese ganz einfahen Kauf- und Rücckkaufgeschäste, welhe nur in gewisse bekannte Formen ge- kleidet seien, könnten den Prozentsaß nicht ertragen, so beweise

das im günstigsten Falle weiter nihts, als daß sein Saß mik 2/10 pro Mille zu hoch sei. Er glaube, daß der Verdienst an der Arbitrage so groß sei, daß derselbe immer noch die von ihm vorgeschlagene Steuer vertragen könne. Einzelne Ge- schäfte, die dann nicht ganz den erhofften Nußen bringen würden, würden dann vielleiht gelassen werden; im Ganzen stelle sih die Frage nur als eine Spekulation auf die verschie- denen Course in den verschiedenen Hauptstädten Europas dar. Wenn man glaube, daß durh Vuoscxlegung einer solchen Steuer ein Weltplag, wie!z. B. Berlin, zur Bedeutung etwa von Riga oder Weimar, herabsinken würde, fo sei das niht denkbar. Er für seine Person halte eine große Zahl von Differenz- geshäften gar nicht einmal für nothwendig. Es sei ihm niht entgangen, daß die Strafen gerade nicht niedrig seien. Dieselben feien aus der Regierungsvorlage übernommen und da die Regierung sie vorgeshlagen habe, habe er keine Veranlafsung, davon etwas abzulassen. Persönlich wolle er aber gern erklären, daß er diesen Punkt für disputabel halte, was er auch im Namen seiner politishen Freunde glaube erklären zu können. Er hätte gern das Waarengeschäft ganz herausgelassen, aber {hon bei seinem früheren Entwurf sei ihm gesagt worden, daß dann die Spekulation vom Effektengeschäft in das Waaren- und Getreidegeschäft getrieben werden würde. Die Sache würde dann noch viel {limmer werden, weil eine wilde Spekulation in Getreide und Waga- ren viel gefährlicher sei als cine Spekulation in Effekten. Der Schwerpunkt der Berathung liege ja nicht hier im Hause. Zu einem gesunden Ziele werde man nur kom- men in einer Kommissionsberathung; er bitte deshalb hon jeßt, seinen Antrag und den des Abg. Dr. Arns- perger einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen. Der Abg. Arnsperger und seine Genossen hätten behauptet, daß sein (des Redners) Entwurf unklar sei. Er müsse dem Abg. Arnsperger diesen Vorfourf zurückgeben, Nr. 4 des Tarifs sei fo unklar, daß weder Börsenleute noch Juristen dieselbe hätten verstehen können. Er habe demselben rathlos gegenüber gestanden. Es könne ja sein, daß es bei ihm an einem Mangel an Verstand liege. Dem Werth des Entwurfs solle dadurh niht Eintrag gethan werden. Jm Jnteresse der Jnteressenten scheine ihm derselbe sehr fein ausgearbeitet zu sein. Daß der Antrag des Abg. Arnsperger den Schluß- notenzwang jeßt hineingebraht habe, freue ihn. Aber dieser Antrag habe jede Kontrolbestimmung weggelassen, was er für bedenklih halte. Allerdings kontrolire sich derselbe nach den all- gemeinen Bestimmungen des alten Stempelsteuergeseßes ; aber das sei niht ausreichend. Bei dem Antrag des Abg. Arnsperger würden tausend Geschäfte abgeschlossen werden können, ohne daß man das Geringste davon erfahre. Die Schlußnoten sollten statt 5 nur 3 Jahre aufbewahrt werden. Aber was nutze die Auf- bewahrung, wenn die Steuerbehörde nicht einmal eine Stich- probe in dieselbe machen könne? Nicht einmal dasjenige habe dieser Antrag hineingebraht, was von allen Vertretern des reinen S(hlußnotenzwanges gefordert werde, die Klaglosigkeit der Geschäfte, die ohne Shlußnoten abgeschlossen würden. So- dann hätten die Herren durch d ie 88. 24 und 28a an die Stelle des strafrechtlihen Fnstanzenzuges den civilrechtlichen gesezt und für alle diese Dinge in Wahrheit ein Ausnahme- verfahren vorgeschrieben. Aus dem§. 28a, Absaß 1, sehe man uit, wie die Sicherheit für den Eingang der Steuern geschafft werden solle, höchstens sehe man den guten Willen. Der zweite Absatz, worin der Antrag Sachverständige, etwa nah Art der Schöffengerichte, den Steuerbehörden beigeben wolle, sei ebenso unklar und zeige auch nicht, wie der Eingang der Steuern gesichert werden foüle. Seine Hauptbedenken gegen den Entwurf seien also, daß derselbe nicht prozentual sei und eine zu weite Skala hade und daß jede Kontrole fehle. Jn der Kommission werde man ja sehen, wie diesen Uebelständen abzuhelfen sei und auch der Entwurf des Abg. Dr. Arnsperger werde wohl verbessert werden können, fonst würde er sih niht für denselben entscheiden können. Er hoffe, daß bei einem Ent- gegenkommen von der Linken doch noch etwas Ersprießliches aus der Kommission hervorgehen werde.

Der Abg. Dr. Siemens erklärte, mit Rücksiht auf die Angriffe, die der Abg. Woermann neulich erfahren habe, kon- statire er zunächst, daß er an diesem Geseß insofern ein ge- wisses persönliches Jnteresse habe, als er Mitleiter eines der größten deutschen Fnstitute sei, das nächst der Reichsbank die größten Umsagziffern ausweije. Vielleicht sei sein Jnteresse nicht gerade ein fo direkltes wie das der Großgrundbesizer an den Getreidezöllen. Aber er halte es für richtig, das im Vor- aus flar zu stellen, damit das Haus erwägen möchte, welchen Werth es seinen Deduktionen beilegen wolle, Die Stellung der Deutschfreisinnigen sei wiederholt in der Richtung flargestelt, daß eine prinzipiele Opposition gegen nèuUe Steuern nch vorhanden 160, [ondern VaB seine Partei gegenüber einem Steuerprogramm, welches seinen Schwerpunkt in Schugzöllen für die Landwirthschaft, als Zucker- und Branntwein-Exportbonifikation, Getreidezöllen und in Vertheuerung der nothwendigen Lebensmittel suche, ein anderes Programm gegenüberstelle, welhes auf Reform der Zucker- und Branntweinsteuer hinziele. Und gerade über die vorliegende Frage hätten die Abgg. von Stauffenberg und Richter sih 1878 und 1881 geäußert, ersterer dahin, daß man eine generelle Regulirung der Stempelgeseße anfstreben müsse, leßterer, daß, wenn man eine solhe Steuer bewilligen könne, sie doch nur um den Preis einer Verminderung des Petroleum- zolles bewilligt werden dürfe. Jnsofern sei Einstimmigkeit mit dem Abg. von Wedell vorhanden, wenn derselbe erst nah Erschöpfung anderer Zollgebiete an das Gebiet der Konsum- tionssteuer gehen wolle. Nur möge derselbe bei der bevorstehen- den Getreidezollerhöhung die Konsequenzen ziehen. Die Einwen- dungen des Handelsstandes gegen das Geseh seien prinzipieller Natur. An sich beabsihtige derselbe nicht, sich einer noth- wendigen Besteuerung zu entziehen. Die vor 2 Jahren ein- gereihte Petition der Berliner Aeltesten und ämmtlicher großen Handelskammern spreche dies deutlih aus. Die Fach- presse wimmele von Steuervorshlägen: Quittungssteuer, Transmissionssteuer, Shlußnotenzwang u. dergl. Man erhebe sih nun gegen diese Grundsäße. Die Krankheit des Gesetzes von 1881 liege darin, daß dasselbe den eigentlihen Charakter