1928 / 36 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 11 Feb 1928 18:00:01 GMT) scan diff

Reichs: und Staatsanzeiger Nr. 36 vom 11. Februar 1928. S. 2.

Schuy dex älteren Angestellten und Arbeiter einzuführen. Die älteren werden rüdcksihtslos entlassen und sind zum größten Teil unter den Erwerbslosen. Die Kritik an den Krankenkassen zeugt von bösem Willen; die Angriffe auf die Ortskrankenkasjen gehen von Aerzten und Apothekern aus. Dieser Kampf der i nur ein Teil des Kate egen die Sozialpolitik. Man wi die Arbeiter auf die Selbsthilfe Dermeten, ex Staat ist ver-

lichtet, bet Alter und Arbeit8unfähigkeit füx seine Bürger gu-

sorgen: Er {hüt das Eigentum; mit demselben Recht muß er as Eigentum der Arbeitskraft shügen. Die Liebe der Unter- nehmer zur Selbsthilfe fol nux thnen selbst dienen; das eigt auch ihre Zollpolitik. ie Selbstihlfe muß eine organisierte Selbsthilfe sein; das ist die Aufgabe für das Thema: Arbeiter und Staat. (Beifall bei den Sozialdemokraten.) .

Aba. Jmbusch (Zentr.) weist den Versu zurück, seine œb- weichende Meinung dahin auszunußen, ihn gegen den Reichs- arbeitsminister auszuspielen. Er habe aber den uns, daß alle usammengehen, die für den soziabpolitischen Fortschritt sind. Rechts iße durchaus nicht nur eine reakltionûre Ma fe, sondern o A e sozial fortschrittlih Gesinnter, während links mancher iße, den er für sozial reaktionär halte. ie Hauptsache sei: Schaffung von Arbeit und Brot füx alle. Arbeitsverdienst sei Eee als Unterstüßungen. Jnfolge der in pg Pete Beamten- bejoldung sei die Arbeitsmöglichkeit für viele verringert worden. Denn dadur fehlten die Mittel für Aufträge seitens des Reichs und der Länder. Die Förderung des dringend nötigen Wohnungs- baues werde vielen Arbeitsgelegenheit geben. Hoffentlih werde die Negering in dieser Richtung noch weitere Möglichkeiten finden. Für die notleidende Bevölkerung des Saargebiets sollte die Regierung noh mehr tun, Besondere Not litten au die pro- duzierenden Kräfte im Bergbau. Dabei dächten viele auf beiden Seiten noch an eine Verschärfung des Kampfes. Der östliche Berg- bau dürfe duxch den Handelsvertrag mit Polen niht zugrunde gee werden. Auch in den übrigen Jndustriezweigen seien die

erhältnisse noch nicht befriedigend. ‘Der landwirtshäftlichen Be- völkerung gehe es bei ihrer e Arbeit sehr shkecht, das müsse auch die Jndustriearbeiterschast anerkennen. Die Miitreus zwischen Exzeugerpreis und Verkaufspreis sei zu groß. rade für die produktiv tätige Bevölkerung seien bessere Löhne erforderli. Das könne hauptsählih erreiht werden dur Beseitigung von Drohnen. Die Ueberorganisation müsse beseitigt werden. Die wirklichen deutschen Unternehmex würden sich einen Verdienst evwerben, wenn sie die Leute, die für sie noch arat ey tätig seien, be- seitigten. Diese schrieben Las nur Heyartikel. Auch beim Be- 2pm müßten noch Ersparnisse erzielt werden. Die Ver- icherten dex Krankenkassen C nicht nux dazu da, anderen zu nüßen. Auf gs ai Gebiet jei noch mancher Unfug zu beseitigen. Die produktive Kraft werde zu gering bewertet. R der ganzen sozialen Avbeit E i ein großzügiger Aufbau nicht zu verkennen. Die soziale Fürsorge sei heute auch notwendiger als früher. Die Arbeitnehmer trügen einen großen Teil dex Ausgaben, die eigent- lich von der Allgemeinheit getragen werden müsse. Das Notwendige müsse aber geshehen. Die Anforderungen an die jeßige Gene- ration, die Opfer an Gut und Blut gebracht, seien zu groß. Die materiellen Lasten müßten auf mehrere Generationen verteilt werden. Eigenbetriebe der Krankenka I könnten zur Abwehr von Auswüchsen unbedingt nötig sein. x Redner fordert gleich- berechtigte Mitverwaltung dex Versicherten, auch in der Unfall- versicherung. Fnternational sollte man da niht bloß schöne Reden halten, sondern auch Taten ¿eet Das Schlichtungs- verfahren müsse mehr zugunsten der Arbeitnehmer angewendet werden. Unsere Wirtschaft sei an den A cühen nit augrunde gegangen, sie fühle sih heute wohler als je. (Oho! rets.) Man sollte auf dieser Seite mehr für Selbsiverantwort- lichkeit und freie Vereinbarungen eintreten. Der heutige Zustand müsse doh als unerträglich angesehen werden, daß die Schwerst- arbeiter so shlechte Lde ae Man Ee sich auch darüber klar sein, daß die breite Masse auf die Dauer niht von jedem Eigentum ausgeschaltet bleibe. (Sehx wahr!)

Die Bexatung wird nunmehr abgebrochen.

Das Haus vertagt sich auf Sonnabend 12 Uhr: Fort- sebung dex Beratung.

Schluß 19 Uhr,

Preußischer Landtag. 338, Sißzung vom 9. Februar 1928.

V Nachtrag.

"Die Rede, die der Minister für Volkswohlfahrt Fe: Hictsiefex zum Etat seines Ministeriums im Unschluß an den vom Abgeordneten Stemmler (Zentrum) aurting Ausschußbericht gehalten hat, lautet nah dem vor- legenden Stenogramm wie folgt:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Fch möchte mit der Beantwortung der großen Anfrage der Abg. Flögel und Ge- nossen über die Typhusepidemie in Duingen beginnen, Die Typhusepidemie in Duingen hat nah den angestellten Er- mittlungen ihren Ursprung von einem Brunnen genommen, der infolge des starken im Dezember herrschenden Frostes und einer dadur bedingten Aufstauung von schmuyigen Abwässern aus den benachbarten Häusern verunreinigt worden ist. Offenbar sind hierbei Typhusbazillen in den Brunnen geraten, über deren Ur- sprung die angeordneten bakteriologishen Untersuchungen, die sih auf alle Bewohner der betroffenen Häusex und ihrex Nachbarschaft erstrecken sollen, noch Aufklärung bringen dürften. Die Epidemie umfaßt bis jeßt 22 Erkrankungen, Einer der Erkrankten ist ge- storben. Der verdächtige Brunnen ‘ist sofort geschlossen worden. Die Kranken sind bis auf einen an Herzshwäche leidenden Knaben in das Krankenhaus in. Gronau überführt worden. Die not- wendigen Desinfektionen sind überall durchgeführt. Fh habe meinen Fachreferenten, den Herrn Geheimen Obermedizinalrat Prof. Dr. Leny sofort nah dem Bekanntwerden dex gehäuft auf- tretenden Erkrankungen an Ort und Stelle entsandt, der auf Grund seinec Ermittlungen die Annahme einex Brunneninfektion durchaus bestätigen konnte. Er hat selbst noch vier verdächtige Erkrankte bei diesex Gelegenheit herausgefunden, die wie die anderen Kranken sofort ins Krankenhaus in Gronau überführt wurden. : :

Da die Wasserversorgung von Duingen zu wünschen übrig läßt und au die Kanalisationsverhältnisse einer Usberprüfung be- dürfen, habe ih weiterhin den Präsidenten der Landesanstalt für Wasser-, Boden- und Lufthygiene angewiesen, durch Mitglieder seiner Anstalt die Möglichkeit einer einwandfreien Wasser- versorgung und Abwöässerbeseitigung von Duingen prüfen zu lassen.

Auf jeden Fall haben die angestellten Ecmittlungen ?ergeben, daß die dortigen Typhuserkrankungen mit den früheren Typhus- erkrankungen im Leinetal nihts zu tun haben, zumal Duingen jenseits eines das Leinetal westlih begrenzenden Höhenrüdens auf s Westabhang dieser Höhen etwa 150 Meter über dem Leine- tal liegt.

Sas V ei d P T

Ueber das Kindbettfieber is nur soviel zu sagen, S Zahl der tödlih verlaufenden Fieberfälle, die im Ansgly unerlaubte Eingriffe zur Abtreibung der Leibesfrucht ents nah Ansicht aller Sachverständigen in den leßten Jahren Y erheblich zugenommen hat. :

Die epidemische Kinderlähmung, die ja im leßten namentlich infolge der Häufung dieser Erkrankung in g, und in anderen Orten des Freistaates Sachsen die Oeffent keit zeitweise stark beunruhigt hat, ist {hon im Jahre 192g auch im lebten Jahre erxheblich gehäuft in Preußen aufgetra Während wir im Jahre 1925 eine Zahl von nur 208 Erkranky, an epidemischer Kinderlähmung in Preußen mit 51 Todeziz aufzuweisen hatten, betrug die Zahl der Erkrankungen 5,

Todesfälle im Jahre 1926 1165 bzw. 164, dagegen wurden d Jahre 1927 bereits 1493 Erkrankungen und 171 Todezz Janmerhin kann von irgend bedrohlihen Ausbreitung dieser Erkrankung 1n Preußen y noch nicht gesprochen werden. Auch darf nit vergessen wex daß wir infolge des neuen Gesetzes erst seit dem Sommer eine amtlihe Meldepflicht für epidemishe Kinderlähmung hay so daß immerhin anzunehmen ist, daß sich auch hieraus die q fallende Zunahme der Erkrankungsfälle mit erklären dürfte, übrigen sind alle notwendigen Maßnahmen gegen die wei Ausbreitung der Erkrankung getroffen, so daß ein Grund Beunruhigung nicht gegeben ift.

Auch die Verbreitung von Scharlach hat in den Jahren \ und 1927 wieder zugenommen, und zwar wurden im Jahre 14 37 858 und im Jahre 1927 sogar 63 772 Erkrankungen an Eig lach gemeldet. Doch zeigt der Scharlach nach allen vorliege Berichten einen im allgemeinen durchaus gutartigen YPe

Sterblichkeit an Scharlach is gurüdckgegangen, y - durch bewiesen wird, daß troß der beträchtlihen .” Scharlachs im Jahre 1927 die Zahl der Todesfälle

Jahren 1926 und 1927 mit 714 bzw, 715 nahezu glä geblieben ist. j

Ueber dix sonstigen übertragbaren akuten Krankheiten ith sonderes nicht zu berichten, erwähnt sei aber noch, daß ih Dezember 1927 im Einvernehmen mit dem Herrn Kultusmini eine neue und verbesserte Anweisung gur Verhütu der Verbreitung übertragbarer Krankheit durch die Schulen erlassen habe. : j

Zum Stand der Tuberkulose- Ausbreitung ist folge zu sagen: Die Befürhtung, die Tuberkulosesterblichkeit we wieder steigen, hat sih erfreuliherweise bisher niht bewahrhä Sowohl die Zahl der Erkrankungen wie die der Todesfälle Tuberkulose ist weiterhin gesunken. An übertragbarer Lun und Kehlkopftuberkulose starben im Jahre 1926 nach den Grund des Geseßes vom 4. 8. 1923 erstatteten sanitätspol} lihen Meldungen in Preußen 26339, d. h. 6,8 auf 10 000 f wohner (nah den standesamtlihen Meldungen waren es b} =— 8,57 auf 10000 Lebende), im Fahre 1927 dagegen l 6,5 auf 10000 Einwohner nah den sánitätspolizeilii Meldungen. Die standesamtlichen Meldungen stehen noH ü Exkrankt waren an übertragbarer Lungen- und -Kehlkopftl kulose im Jahre 1925. 56 696. Personen = 1,49 auf 108 Lebende, im Jahre 1926 55186 = 1,44 und im Jahre 1 50 000 = 1,29. Sie sehen au hier einen erfreulichen Rühl der Erkrankungen. |

Die vom Landtag angeregten Arbeitsgemeinshafl zur Bekämpfung der Tuberkulose bestehen jeßt bereits in n Provinzen. Sie fehlen noch in den Provinzen Sachsen, S) wig-Holstein und Grenzmark. in der Vorbereitung begriffen.

Die Zahl der Tuberkulosefürsorgestellen hat vermehrt. Der Betrieb und die Ausstattung derselben ist eine Besichtigungskommission in drei Provinzen nagel

Diese Besichtigungen sollen weiter fortgeseßt wal

Die hon im Haushaltsausshuß erwähnte Tatsache, daj! Summe von 800000 X im Haushalt der Medizginalabteill

zur Bekämpfung der Tuberkulose als viel zu ge | ist, kann an sich gewiß nit bestritten werden. Leider fon aber infolge der shwierigen Finanzlage des Staates w Mittel nicht bereitgestellt werden.

Ueber die Verbreitung der Geshlechtskrankheil kann nux wenig gesagt werden. Das Geseß zur Bekämps der Geshlehtskrankheiten ist erst vor vier Monaten in M Seine Auswirkungen sowie namentlih die M wirkung der für Preußen erlassenen Ausführungsbestimml! müssen zunächst abgewartet werden.. Ob, wie von mancher behauptet wird, eine Zunahme von Geschlehtskrankheiten f wie eine größere Anzahl von Berichten glaubt feststellen zu S eine Abnahme dieser Erkrankung in den leyten Jahren F gefunden hat, ist mangels jeder brauchbaren Statistik zuf nicht zu entscheiden; dagegen ist die Aufnahme einer {0M Statistik im Einvernehmen bgw. auf Anregung des M gesundheitsamts bereits eingeleitet. An dieser Statistik 2 alle in Frage kommenden Aerzte mitarbeiten, und das in der Form, daß alle Aerzte über die Zah Behandlung befindlihen Geschlehtskranken se ohne Namensnennung Auskunft erteilen.

Von ernster Bedeutung ist eine Frage, mit der wir 14 etwa 14 Jahren zu befafsen haben, nämli die niht 17 lihe Zunahme des. Kro pfes unter den jugendlichen Pe Seit einigen Jahren haben wir die überrashende daß auh in Preußen unter den Schulkindern el Zunahme des Kropfes festzustellen ist. „Während bisher d Häufung von Kropferkrankungen eigentlih nur birgsländern, wie Schweiz, Tirol, Bayern, in Erscheinung trat, wird z. B. nah ‘den vorliege im Taunusgebiet, im Regierungsbezirk Kassel, im Gebiet bzw. im Riesengebirge, „im Glayer Gebirge Gebieten Preußeus in einer größeren Anzahl von Zunahme des Kropfes bis zu 50, 70, ja in einigen bis zu 80 vH der Schulkinder beobachtet. des Problems ist dadurh gegeben, daß, wie Jhnen dürfte, in einer beshränkten Zahl von Fällen m stehung und Zunahme des

kfümmerung, Abnahme der FJntelligenz, in vere!

Meine Damen und Herren, ih möchte mich sodann heute dar- auf beschränken, einige Ausführungen zu dem Kapitel Gesund- heitswesen zu machen, gewissermaßen einen Bericht über den Ge- sundheitszustand unserer Bevölkerung im abge- laufenen Jahre zu geben und über sonstige Vorkommnisse auf dem Gebiete des Gesundheitswesens zu berihten. {Fm allgemeinen zeigt der Gesundheitszustand gegenüber früheren Fahren eine übertragbaren Krankheiten war im Jahre 1927 im großen und ganzen günstiger als der im Jahre 1926. Gemeingefährliche Krankheiten sind nux in ganz vershwindender Zahl beobahtet worden, und waren sämtlich von auswärts aus dem Osten eingeshleppt. (Lachen bei den Kommunisten. Hört, hört! bei der Deutschvölkischen Freiheitspartei.) Lediglih neun Fleckfieberfälle mit einem Todes- fall wurden beobachtet und ein einziger Pockenfall, der in Heilung ausgegangen ist. Das ist ein bisher für Preußen noch nicht fest- gestellter Tiefstand der Pockenerkrankungen, den wir offenbar der ausgezeihneten Wirkung des Reichsimpfgeseyes von 1874 zu ver- danken haben. Der Typhus hat nur an zwei Stellen größere Epidemien veruxrsaht, nämlih in Glogau im Frühjahr und im Kreis Münsterberg im Sommer. infizierten Käse zurückzuführen war (Zuruf bei den Kom- munisten) so etwas gibt es, Herr Abgeordneter, wenn Sie das noch nit wissen sollten —, umfaßte 16 Erkrankungen und zwölf Todesfälle. Die letztere, die sich durch Kontaktübertragung von Mensch zu Mensch, hauptsächlih unter polnischen Schnittern über 17 Ortschaften ausbreitete, hatte 155 Erkrankungen mit 14 Todes- fällen im Gefolge. An dem großen Umfang dieser Kontaktepidemie war in erster Linie schuld, daß die ersten Erkrankungen an Typhus in eine Zeit fielen, in der infolge von Ueberschwemmungen das an sih harmlose Schlammfieber in jener Gegend herrschte und so die ersten Erkrankungen leider niht als Typhus erkannt wurden. Fm ganzen ist die Zahl der Typhuserkrankungen in Preußen von 10440 im Fahre 1926 auf 5919 im Jahre 1927 zurückgegangen, also nicht unerheblich, die der Todesfälle von 942 auf 546, also au) hier eine wesentlihe Besserung.

Auch die Zahl der Paratyphuserkrankungen ist von 3605 im Jahre 1926 auf 2729 im Fahre 1927 zurückgegangen, die Zahl der Todesfälle ist dagegen ein wenig angestiegen, von 87 auf 9%.

Dagegen ist die Zahl der Fleishvergiftungen niht unwesentlih gestiegen, von 1571 auf 3395 Erkrankungen. Zahl der Todesfälle ist dagegen von 57 auf 31 gefallen. Schuld an der Häufung dex Fleishvergiftungen sind zwei Momente, einmal der immer mehr zunehmende Genuß von rohem Fleisch, sodann aber das Jnverkehrbringen minderwertigen Fleishes von not- (Sehr richtig! bei der Sogzialdemokratischen Partei.) Juwieweit auch die immer mehr zunehmende Aus8- bakterienhaltigen gungs8mitteln an der Verbreitung infektiöser Erkrankungen des Schlahtviehs und damit an der Entstehung von Fleish- vergiftungen s{chuld ist, ist noch nit einwandfrei festgestellt. Bei einer jüngst in Os8nabrück beobachteten Fleishvergiftungsepidemte mit etwa 180 Erkrankungen konnte ein solcher Zusammenhang mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die in den lezten Jahren in den Zeitungen wiederholt ershienenen Mit- teilungen über die Verbreitung êtiterischer Erkrankungen sowie über den seuhenhaften Abort bei unseren. Schlahttieren, die viel- fah durch Bakterien hervorgerufen werden, die mit den Ratten- shädlingen bzw. Fleishvergiftungen artgleih sind, scheinen die obige Vermutung zu bestätigen, daß zwischen dem vermehrten Ver- brauch bakterieller Rattenvertilgungsmittel und der Vermehrung von Fleishvergiftungen ein ursähliher Zusammenhang besteht.

Die Ruhr, die im Krieg stark gehäuft auftrat, is in den lezten Jahren im ständigen Rückgang begriffen. es zu einer kleinen Häufung von Ruhrerkrankungen gekommen, wie g. B. in der Städtischen Jrrenanstalt in Buch bei Berlin. Derartige Ausbrüche in Anstalten kommen dadurch zustande, daß Ruhrkeimträger unerkannt Aufnahme finden und dann gelegent= lih gur Jufektion ihrer Mitkranken Anlaß geben können. Gesamtzahl der Ruhrerkrankungen ist von 3280 Erkrankungen im Jahre 1926 auf 2193 Erkrankungen im Jahre 1927, die der Todes- fälle von 158 auf 121 gefallen.

Auch die Erkrankungen an Gelbsucht seien kurg erwähnt, die im Herbst vorigen Jahres in einer Schule in Pankow - beob- achtet wurden und als angebli rätselhafte Krankheit die Oeffent- lihkeit grundlos beunruhigten. haben ergeben, daß sich von Anfang September bis Ende No- vember im ganzen 17 Erkrankungen an katarrhalischer Ge[bsucht ereignet hatten, zu denen im Dezember noch nachträglich eine Es ist dies eine geringfügige Häufung dieser bekannten und gemeinhin harmlosen Krankheit, die ge- legentlich au früher, besonders infolge der shlechten Ernährung während der Jnflationszeit beobachtet wurde. Bedeutung ist ihr indessen wohl kaum beizumessen.

Hinsichtlich der Jahre 1927 die Erkrankungen an dieser namentlich das Kindes- alter bedrohenden Seuche. zugenommen haben. nämlich 1926 nur 20 306 Erkrankungen an Diphtherie hatten, be- trug die Krankheitsziffer im Jahre 1927 insgesamt 24 114 Fälle. Erfreulicherweise war aber die Zahl der Sterbefälle an Diphterie mit nur 1312 im Jahre 1927 gegenüber 1548 im Jahre 1926 er- Nach den eingeholten Berichten sämtlicher Regierungspräsidenten sind die in Berlin gemachten Beob- achtungen über einen besonders {weren Verlauf der Diphterie- erkrankungen in anderen Bezirken nur in vereingelten Fällen Von Juteresse dürfte sein, daß der Preußische Landesgesundheitsrat sich auf mein Ersuchen kürzlich mit der Frage der gzu ergreifenden weiteren Maßnahmen zur Bekämpfung der Diphterie befaßt hat und hierbei einstimmig gzu der Auffassung gekommen ist, daß die prophylaktishe Jmpfung mit Toxin-Anti- toxingemishen und mit Formoltoxmen diphterieempfänglichen Kindern in der Regel einen für längere Zeit wirksamen Schuß gegen Diphterie verleiht, und daß deshalb die weitgehende An- wendung dieser Schußimpfung besonders in Kindergärten, Für- sorgeanstalten, Waisenhäufern usw. auch ‘vom Ministerium aus zu empfehlen wäre. Jch habe deshalb angeordnet, daß die An- gelegenheit im Sinne dieser Vorschläge weiter verfolgt wird.

erte Y D

gewisse Besserung. Verlauf der

sanität8polizeilich gemeldet.

Die erstere Epidemie, die auf

geshlachteten Tieren.

Rattenvertil-

Sie sind aber auch hier bet

Vereingelt ist

Die angestellten Ermittlungen

Erkrankung hinzutrat.

Eine ernsthafte Diphtherie hervorzuheben,

Während wir

heblich geringer.

gemacht worden. rttemberg *

Die ernste Bed)

Kropfes eine gewisse ge

Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 36 vom 11. Februar 1928. &, 8. E

ausgejprochener Kretinismus verbunden ist. Es bedarf

E ar feines Hinweises darauf, welhe Gefahr für unsere Zukunsk_ einen größeren

unse breitung Sachverständige des Kropfes au s H bzw. auf eine mangelnde Jodzufuhr in den Körper zurlückzu-

f darin liegen würde, wenn etwa der Kropf sich über Teil Preußens oder über das ganze Land unter rer Jugend verbreiten sollte. Was die Ursache der Ver- ung des Kropfes anlangt, so besteht bei der Mehrzahl der n seit Jahren die Auffassung, daß die Entstehung f einen Mangel an Jod im menschlichen Körper

ren ist. Darüber aber, was als Ursache eines solhen Jod-

Ee anzusehen ist, gehen die Meinungen .noch sehr stark auseinander. Zur Klärung der ganzen Frage hat der Landes- gesundheitsrat bereits im Juni 1926 eine Reihe besonderer Sah- verständiger ¿u einex Beratung zusammengerufen. Dabei wurde nun von verschiedenen Sachverständigen auf die Tatsache hin- gewiesen, daß der deutsche Boden etwa seit dem Fahre 1914 bzw. 1915, d. h. seit Beginn des Krieges und der damals über uns verhängten Absperrung, den stark jodhaltigen Chilisalpeter zur Düngung des Bodens niht mehr erhalte, mit dem wir vorher etwa 80 bis 90 Jahre hindurch unsere Böden in gu- nehmendem Maße gedüngt hätten, und daß seit jener Zeit dem deutschen Boden und damit auch unseren Bodenerzeugnissen bezw. Nahrungsmitteln keinerlei Jod mehr zugeführt würde. Diese Godzufuhr habe auch nah dem Kriege niht mehr stattgefunden, weil wir ja inzwischen die Fabrikation des künstlihen Stistoffs, wie sie namentlich in den Leunawerken stattfindet, erfunden und eingeführt hätten und nunmehr unseren deutshen Boden wohl nux noch ausshließlih mit künstlihem Stickstoff, dex keine Spur von Fod enthält, düngten. Dabei wurde darauf hin- gewiesen, daß vor dem Kriege dem deutshen Boden mit dem Chilisalpeter jährli die außerordentlich große Menge von rund 64 Tonnen reinen Jods zugeführt worden sei, die dem deutschen Boden und den aus ihm gewonnenen Nahrung8mitteln nun- mehr fehlte. Verschiedene Sachverständige sprahen deshalb die Vermutung aus, daß der jeßt nah dem Kriege als Ursache der Kropfzunahme bestehende Jodmangel auf das Fehlen jod- haltiger Düngemittel zurückzuführen sei. Füx denjenigen, der diese Ausführungen zum ersten Male hört, hat dieser Gedanke naturgemäß etwas außerordentlich Bestehendes. Wir haben deshalb die eingehende Prüfung dieser Frage sofort in die Wege geleitet. Selbstverständlih kann und muß die Frage nur gelöst werden im Wege einer eingehenden Begutachtung durch alle in Betracht kommenden Stellen, also insbesondere des Landwirt- shaftsministeriums und seiner Sachverständigen, hervorragender Pflanzenphysiologen usw. Die von uns bereits eingeleitete der- artige Begutachtung is noch niht abgeschlossen. Jmmerhin möhte ih aber heute {hon sagen, daß es nah den bisher vor- liegenden Aeußerungen hervorragender Wissenschaftler do sehr zweifelhaft geworden is}, ob ein solher Zusammenhang zwischen der Düngung des Bodens mit jodhaltigem Chilisalpeter oder mit niht jodhaltigem künstlihen Stickstoff tatsählih irgendeine entscheidende Bedeutung hat. Es§ liegen uns nämlih zurzeit bereits einige bedeutsame Gutachten vor, aus denen zu ersehen ist, daß neuerlihe Versuche der Züchtung verschiedener Pflanzen auf jodarmen Böden bzw. auf Vöden, die vorher besonder3 | dur Zufuhr von Jod angereihert waren, für den späteren

Yodgehalt diesex Pflanzen keinerlei Bedeutung zeigten, daß viel- mehr die auf verschiedenen Böden gegüchteten Pflanzen einen ganz gleihen FJodgehalt aufwiesen. Selbstverständlih muß und wird diese Frage von uns auf das ernsteste weiter geprüft

werden. Jh darf noch hinzufügen, daß der Ministerialdirektor

Dr. Krohne in meinem Austrage im August 1927 gemeinschaftlich

mit dem Fachreferenten der Medizinalabteilung, Oberregierungs- rat Dr. Marmann, an der Jnternationalen Kropfkonferenz in Vern (Schweiz) teilgenommen hat. Die Verhandlungen dieser Konferenz, die von etwa hundert hervorragenden Sathverständigen aus den meisten Kultuxrländern besuht war, waren äußerst inter- essant und lehrreich und haben auch mir eine Reihe wichtiger Fingerzeige für die weitere Behandlung des Kropfproblems ge- geben. Jnsbesondere hat sih dabei die Notwendigkeit ergeben, zunähst einmal eine brauhbare Statistik über die Ver- breitung des Kropfes unter den Shulkindern in ganz Deutschland zu gewinnen. Entsprechende Maßnahmen zur Aufs stellung einer solchen Statistik haben wir gemeinschaftlih mit dem Reihsgesundheitsamt bereits in die Wege geleitet. Schließlich will ih noch erwähnen, daß wir auch der sogenannten Jodsalz- Prophylaxe zur Bekämpfung der Kropfzunahme bereits näher getreten sind. Diese Jodsalz-Prophylaxe besteht darin, daß man Shulkindern, und zwar nah den ‘bereits seit vielen Jahren în der Shweiz und neuerdings auch in Bayern gemahten guten Erfahrungen, in gewissen Zeitabständen, etwa wöchentlih einmal, eine geringe Menge Jodsalz enthaltende Tabletten darreiht. Mit diesem Verfahren hat man in Tausenden von Fällen s{hon einen Rüdgang des Kropfes erreiht. Jch habe deshalb shon vor mehreren Monaten dur einen Erláß an alle Regierungspräsi- denten im Einvernehmen mit dem Herrn Kultusminister eine borsihtige Einführung dieser Jodsalzdarreihung unter den Shul- kindern empfohlen. Wir werden diese Maßnahme in ihrer

praktischen Auswirkung weiter verfolgen.

Veber die Shulgesundheitspflege möhte ih nux kurz berichten, daß die seit vielen Jahren von der Medizina!= bteilung angeregte Einführung einer schulärgt lihen Ueberwachung aller Shulkinder auh in den ver- angenen Jahren weiter gut vorangeschritten ist, daß jeßt etwa 9 Millionen Einwohner Preußens bzw. die auf diese Bevölkerung entfallende Zahl von Sculkindern s{hulärztli versorgt sind, und daß nur no etwa für eine Bevölkerungsziffer von 7 bis 8 Mil-

lionen ein shulärztlicher Dienst nicht eingerichtet ist.

Die hygieuishe Volksbelehrung hat durh den veneinsamen Erlaß meines Ministeriums und des Ministeriums L Vissenshaft, Kunst und Volksbildung vom 10. Januar 1926 glttn eine nit unwesentlihe Förderung erfahren, als auf dbees dieses Erlasses in zahlreihen Städten und Landkreisen Lnge über gesundheitliche Fragen für Lehrpersonen abgehalten

rden, die si eines guten Besuches zu erfreuen hatten. Der

Erf

Me wäre wahrscheinlich noch größer gewesen, wenn unseren. en Ministerien größere Geldmittel zur Gewährung von Reise-

Lehrgänge für gesundheitlihe Aus- und Fort- bildung der Lehrpersonen einzuführen, kann als durch- aus gelungen bezeihnet werden. Daher besteht die Absicht, diese Lehrgänge fortzusegen. Es wird voraussichtlich auch möglich sein, sie im kommenden Jahre ausgiebiger als bisher zu finanzieren. Das Hebammenwesen hat sich im allgemeinen weiter gut entwidckelt. Die kürzlih durch die Medizinalabteilung erfolgte Herausgabe eines ganz neuen und vollkommen modern gestalteten Hebammenlehrbuches wird zweifellos dazu beitragen, die Aus- bildung unserer Hebammen weiterhin zu verbessern. Die Lüden, welche die bekannte Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts bezüglih der Niederlassungsgenehmigung und der damit zu- sammenhängenden Bestimmungen für das preußishe Hebammen- geseß gebracht hatte, konnten leider auch im vergangenen Jahre niht ausgefüllt werden. Der von der Reichsregierung dem Reichstage vorgelegte Entwurf einer Abänderung des § 30 der Gewerbeordnung ist nah einmaliger Lesung vom Reichstage dem Bevölkerungspolitishen Ausshuß des Reichstages zur Weiterberatung überwiesen worden. Dort ruht er seit dem Herbst 1926, ohne bisher behandelt worden zu sein. (Hört, hört!) Die Unvollkommenheit des Geseyes führt dauernd zu Unzuträg- lihkeiten niht allein für die Regierung, sondern auch für die Hebammen, da die geseßlihen Unterlagen für die mit der Nieder- lassungs8genehmigung verbundenen finanziellen Vorteile, nämli die Zuschüsse zum Mindesteinkommen der Hebammen, fehlen. Eine Aenderung der Lage und eine Weiterarbeit an dem. preußischen Hebammengesey wird erst dann möglih sein, wenn die erstrebte Abänderung des §& 30 der Gewerbeordnung zustande gekommen sein wird.

Auch die Säuglingsfürsorge, insbesondere die Bekämpfung der Säuglings- und Kleinkindersterblichkeit hat im Jahre 1927 weitere erfreuliche Fortschritte gemacht. Die Ziffer der Säuglingssterblichkeit, die im Jahre 1926 10,1 vH betrug, ist, soweit sie für das erste Halbjahr 1927 schon bekannt ist, etwa auf dem gleichen Stande geblieben. Jn zahlreihen Fällen sind von mir wieder Säuglingsheime, Säuglingsfürsorgestellen und ähnliche Einrichtungen mit staatlichen Beihilfen. gefördert worden. Leider hat si aber im vergangenen Jahre wieder der Mißstand gezeigt, daß die uns zur Verfügung stehenden Mittel für diesen Zweck troß der im vorigen Jahre auf Antrag des Landtags erfolgten Steige- rung dieses Fonds von 400 000 auf 600 000 Mark bei weitem nicht ausreichen, den meist sehr dringenden Anforderungen zur Förde- rung der Säuglingsfürsorge mit staatlihen Mitteln in dem Um- fange zu entsprechen, wie es wünschenswert wäre.

Die Verhältnisse auf dem Gebiet der Wasserver sorgung und Abwässerbeseitigung haben sich im laufenden Rechnungsjahr gegenüber meinen Ausführungen an dieser Stelle im vergangenen Jahr leider nicht wesentlih geändert. Jnfolge der dur die zehnjährige Kriegs- und Jnflationszeit bedingten Schwierigkeiten ist auf. dem genannten Gebiet vieles unerledigt ge- blieben, was im Jnteresse der öffentlichen Gesundheitspflege un- bedingt hätte durchgeführt werden müssen. (Hört, Hört!) Die Kommunalverwaltungen sehen immex mehr ein, daß den Fragen der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung eine besondere Be- deutung zukommt, der auch in wixtschaftlih ungünstigen Zeiten Rechnung getragen werden muß. (Sehr richtig!) dieser. Auf- fassung sind sie besonders dur die großen Typhusepidemien der lezten Jahre bestärkt worden, die meist mit der Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung in unmittelbarem Zusammenhange standen. Jh erinnere in dieser Beziehung nur an die Typhus- epidemien in Hannover, Duderstadt und Alfeld (Zuruf), jeßt wieder in Hagen, ganz richtig. Die Aufsichtsbehörden drängen die Stadtverwaltungen, wo es notweudig ersheint, zur Verbesserung der Verhältnisse. Der gute Wille der Gemeinden muß unbedingt anerkannt werden. Er führt aber meistenteils nit zur Tat, weil die wirtschaftlichen Kräfte der Gemeinden das nicht zulassen. (Sehr rihtig!) Aus diesem Grunde rufen die Gemeinden nah Staats- hilfe. Seit etwa Mitte 1925 bis zum heutigen Tage sind gegen 400 Anträge von Gemeinden auf Hergabe von staatlichen Beihilfen odex niedrig verzinslichen langfristigen Darlehen zum Vau von Wasserleitungen und Kanalisatioasanlagen bei mir gestellt worden. Außer den 30 000 Mark bei dem allgemeinen medizinalpolizeilihen Fonds stehen mir aber weiter keine Mittel für diesen Zweck gur Verfügung. (Hört, Hört!) Wenn es auch grundsäglih richtig ist, daß Wasserversorgung und Abwässerbeseitigung eine reine Kommunalangelegenheit sind, so ist es do ebenso richtig, daß dieser Grundsay, der in wirtschaftlich normalen Zeiten aufgestellt ist, au nur für solche Zeiten Geltung haben kann. (Sehr richtig!) Zurzeit ist es den Gemeinden meist unmöglich, überhaupt lang- fristige Darlehen zu erhalten. Wo es jedo möglich wäre, scheitert die Aufnahme solcher Darlehen zumeist daran, daß die Gemeinden die hohen Zinsen nicht tragen können bzw. die zur Verzinsung und Tilgung des Darlehens sowie zum laufenden Betrieb der Anlagen erforderlihen Mittel einen Wasserzins oder Kanalisationsbeiträge notwendig machen, die von den Bürgern einfach nicht getragen werden können. (Sehr richtig!) Aus diesem Grunde geht mein Streben dahin, zu erreichen, daß mir entweder Staatsmittel zur Hergabe von Beihilfen an leistungsshwache Gemeinden zur Ver- fügung gestellt werden oder, falls dies zweckmäßiger erscheinen sollte, mir wie im Jahre 1925 die Möglichkeit gegeben wird, bei der Preußischen Staatsbank billig verzinsliche Kredite den Gemeinden zu vermitteln. Mit Rücksicht auf die schwierige Finanz- lage des Staates hat sich dieses Bestreben bisher leider nicht ver-

irkflichen lassen.

G eh tén des Apothekenwesens, das auf zum Teil sehr alten Geseyen und Bestimmungen beruht, beschäftigt hon seit langen Jahren die zuständigen Ministerien Preußens und des Reiches. Nach der Jnflationszeit haben eingehende Ver- handlungen zwischen Reich und Preußen, das in erster Linie an der Angelegenheit interessiert ist, stattgefunden. Darauf ist von den Sachbearbeitecn des Reichsministeriums des Jnnern und denen des Wohlfahrtsministeciums ein Geseyentwurf ausgearbeitet worden. Troy ständigen Drängens Preußens hat jedo das Reih den Entwurf den Landesregierungen zwecks Stellungnahme bisher noch nicht übermittelt. S

Wenn das Reih nicht imstande ist, die Angelegenheit uun- mehr bald zu fördern, muß Preußen unbedingt selbständig vor-

und Aufenthaltsbeihilfen' zur Verfügung ständen. Der Versuch,

gehen, jo unerwünscht dies in einer so bedeutungsvollen wirts{hast-

lihen und volkshygienishen Frage an sich ist. Jedenfalls be- absihtigen wir schon jeßt, mit der Regelung einzelner auf dem Gebiete der Arzneiversorgung liegender dringliher Fragen nicht mehr länger zu warten.

Eine nicht geringe Sorge bereitet uns die recht ungünstige Lage mancher kleinen Landapotheken. Der Landtag hat bereits mehrfach mit Recht darauf hingewiesen, daß die Erhaltung der Landapotheken im gesundheitlihen Fnteresse der Landbevölkerung unbedingt erforderlich ist. Eine Hauptursache für die Notlage der Landapotheken ist neben der Ausbreitung des verbotenen Hausier- handels mit Arzneimitteln die Ausdehnung, die der Verkauf von Tierarzneien dur die Tierärzte in neuerer Zeit genommen hat. Jch habe die Apothekerkammern aufgefordert, Vorschläge zw machen, wie den Landapothekern in wirksamer Weise zu helfen ist. Diese Hilfe wird aber nicht etwa darin bestehen können, daß man einfah die Arzneitaxe für die Landapotheken besonders erhöht, denn dadurch würde man vornehmlich die Landkrankenkassen treffen, die gar. niht in der Lage sind, eine derartige Auflage zu tragen.

Zunehmende Bedeutung hat leider der Mißbrauch von Morphium, Kokain und anderen Betäubungs§8§«- mitteln in der Bevölkerung gewonnen. Bei der Erörterung der damit zusammenhängenden Fragen in der Oeffentlichkeit sollte man etwas zurüchaltender sein, um Personen, die nah ihrer Ver- anlagung eine Neigung zur Rauschgiftsuht haben, nicht etwa noch besonders auf den Mißbrauch aufmerksam zu machen. Jh habe die nachgeordneten Behörden auf die Mißstände erneut hin- gewiesen und sie aufgefordert, mir Vorschläge zur Abhilfe zu machen. Jm übrigen wird das ReihSs8opiumgeseß, das den Verkehr mit Betäubungsmitteln regeln soll, demnächst nohch verschärft werden, um den Mißständen wirksamer begegnen zu können.

Ein anderer arger Mißstand hat sich daraus entwidckelt, daß Heilmittel, sogenannte Vorbeugungsmittel, Aufbau- salze, Verjüngungsmittel, Shlankheitsbäder in einer geradezu schwindelhaften Weise angepriesen werden (sehr rihtig!) und leider auch bei der Bevölkerung nur zu guten Absaÿ finden. Der geldlihe und Wirkungswert der Mittel steht meist in keinem Verhältnis zu ihrem Preis. Geholfen wird nux dem Verkäufer, geshadet dagegen mitunter niht nux dem Geldbeutel, sondern au der Gesundheit des Käufers. (Sehr richtig!) Ein kürzlih untersuhtes „Schlankheitsbad“ bestand lediglih aus eineut

wertlosen Gemenge von Stärke und etwas Natron.

(Hört, hört!) Ein Mittel, das aus indishen Früchten bestehen soll, auf deren Genuß angeblih das hohe Lebensalter der Ele- fanten zurückzuführen ist, enthielt nah den in der Staatlichen Nahrungsmitteluntersuhungs8anstalt ausgeführten Untersuchungen höhstens geringe Mengen solcher Früchte, deren Wirkung noch dazu wenig glaubhaft ist, und war im wesentlihen aus Obstmus3 und dergleihen zusammengeseßt. Leider ist es mit den jetzigen geselichen Mitteln nux in unzureihendem Maße möglich, gegen diesen Unfug wirksam einzuschreiten, und auch dann, wenn dies geschieht, haben die Hexsteller in der Regel längst ihx Schäschen ‘ins Trockene gebraht. Jch werde aber Veranlassung nehmen, die Bevölkerung auch hierüber nah Möglichkeit aufzuklären. (Bravo!)

An dieser Stelle noch einige Worte über die Bekämpfung

der Kurpfuscherei. Wir beobachten seit ‘Fahren eine bedenkliche Zunahme der Kurpfuscherei, die sich allmählich zu einer außerordentlihen Gefahr für die Volksgesundheit auszuwachsen droht. (Sehr richtig!) Jch habe es deshalb für nötig gehalten, den Landesgesundheitsrat über diese Fragen zu hören, der im März 1927 in einem größeren Kreise von Sachverständigen untex ihnen auch eine Anzahl von Mitgliedern dieses hohen Hauses in einer zweitägigen Verhandlung die ganze Frage der Bekämpfung der Kurpfuscherei eingehend beraten hat. Dabei bestand bei der Mehrzahl der Teilnehmer dieser Versammlung Uebereinstimmung darüber, daß die Kurpfuscherei in er- shreckendem Maße zugenommen habe, daß sie allmählich eine öffentliche Gefahr geworden, und daß es dringend geboten sei, mit geselihen Maßnahmen diesem Unwesen entgegenzutreten. (Sehr rihtig!) Selbstverständlih forderte die Mehrzahl der gehörten Sachverständigen ein Kurpfuschereiverbot, wobei namentli darauf hingewiesen wurde, daß Deutschland nur eines der wenigen Kulturländer sei, in denen ein solhes Verbot niht bzw. nit mehr besteht. Es wird Sie interessieren, daß selbst in Oesterrei ‘die Kurierfreiheit gänzlih verboten ist. Selbstverständlih sind wir uns darüber klar, daß es sehr fraglih ist, ob zurzeit von unseren geseßgebenden Faktoren ein Kurpfuschereiverbot zu erreihen sein wird. Doch haben wir es für unsere Pflicht gehalten, das ganze Material der Reichsregierung vorzulegen und Verhandlungen über die weiter zu ergreifenden Maßnahmen an-

gen. Ein neues am 5. Juli 1927 exrlassenes Lebensmittels

gese ist, wie Jhnen bekannt sein dürfte, am 1. Oktober 1927 in Kraft getreten. An dem Zustandekommen dieses Geseyes ist das Ministerium, insbesondere mein Referent hierfür, Präsident" Dr. Jutckenack, wesentlich beteiligt gewesen. Die Bearbeitung der auf Grund dieses Geseßes über den Verkehr mit den einzelnen Arten von Lebensmitteln zu erlassenden Verordnungen ist bereits in Angriff genommen, und es ist zu erwarten, daß s{hon in nächster Zeit in erheblihem Umfange eine entsprechende Verkehr8- regelung erfolgt. Auch am Zustandekommen dieser Verordnungen ist mein Ressort erheblich interessiert, da den Ländern die Exekutive auf diesem Gebiet zusteht. Weiter wird augenblicklih auch noch geprüft, inwieweit zur einheitlichen Durhführung des Lebens- mittelgèseyes preußischerseits Verwaltungsmaßnahmen wünschens- wert oder exrfolgreih erscheinen.

Auch auf dem Gebiete der Gewerbehygiene wurde mit

Erfolg versucht, troy mancher Hemmungen weitere Fortschritte zu erzielen. Eine Vermehrung der Stellen der Gewerbemedizinal»- räte und die Bereitstellung von Hilfskräften, um den Nachwuchs an Gewevbemedizinalräten sicherzustellen, erscheint nah wie vor unabweislih. Die fünf jeßt zur Verfügung stehenden Gewerbe- medizinalräte müssen täglich fast 100 Betriebe mit mehr als fünf Arbeitern besichtigen, was doh naturgemäß praktisch unausführ- bar ist, wenn sie auch nur einigermaßen ihrer Aufgabe gerecht werden sollten. Sie find heute schon nicht mehv in der Lage,

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