1928 / 37 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 13 Feb 1928 18:00:01 GMT) scan diff

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Reichs- und Staatsauzeiger Nr. 37 vom 13. Februar ; aar Ea

lauf von zehn Jahren der Verwaltungsrat des Jnternationalen Arbeitsamts über die Durhführung der betreffenden ratifizierten

Uebereinkommen zu berichten hat. Jm Zusammenhang damit kann dann auch die Frage einer Revision irgendeines Abkommens aufgeworfen werden. Für einige internationale Abkommen ist diese Frist bald abgelaufen. Jufolgedessen prüfi das JFnter- nationale Arbeitsamt zurzeit grundsäßlih ohne Anwendung auf irgendein bestimmtes Uebereinkommen die Möglichkeiten, Voraus- sezungen und Formen derartiger Revisionen.

Zu den Abkommen, für welche diese Frage zurzeit praktisch werden kann, gehört auch das Washingtoner Abkommen über den Achtstundentag. Die englische Regierung hat nun bekanntlich auf der leyten Tagung des Verwaltungsrats des Jnternationalen Arbeitsamts den Antrag gestellt, die Revifion diefes Ueberein- kommens auf die Tagesordnung der nächstjährigen Arbeitskonferenz zu seyen. Daraus ergibt sich, daß die englische Regierung sih ent- {lossen hat, das Abkommen, in seiner jeßigen Gestalt wenigstens, nit zu ratifizieren.

Meine Damen und Herren, da die Ratifizierung durh Deutschland nah wiederholten Erklärungen derx leßten Reichs- regierungen nur gemeinsam mit der Ratifizierung durch Frank- reich, Belgien und England in Kraft treten soll, kann dieser eng- lische Schritt auch für uns von Bedeutung sein. Zurzeit läßt sich noch nicht übersehen, welche Ziele die englishe Regiexung mit ciner möglichen Revision des Washingtonex Abkommens über den Achtstundentag verfolgt, ob sih ihre Pläne etwa in dexr Richtung dex Londoner Verhandlungen von 1926 bewegen, oder ob sie darüber hinausgehen. Keinesfalls darf uns das englische Vor- gehen hindern, das auf der Grundlage des Achtstundentages auf-

bauende deutsche Arbeitsshubgeseß, dessen Beratung im Reichsrak ihrem Ende entgegengeht, weiter zu verfolgen. (Sehr richtig! bei den Deutschen Demokraten.)

Die bisherige deutshe Geseügebung über die Arbeitszeit trägt vorläufigen Charakter und befriedigt weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer. Schon aus diesem Grunde ist das neue Arbeits- shubgeseß ein unbedingtes Erfordernis.

Darüber hinaus sind wix von dem Wert und der Notwendig- Teit einer internationalen Vereinbaxung über die Arbeitszeit nah wie vor überzeugt. Wix glauben auch, daß die Entwicklung mit Sicherheit zu einem solchen Ergebnis führt, und werden das Unsrige dazu tun.

Damit komme ich zurück auf die tatsählihe Entwicklung von Arbeitszeit und Arbeitslohn in Deutshland. Daß dabei das Archbeitsministerium niht etwa nur passiv, sondern höchst aktiv beteiligt gewesen ist, mag Fhnen untex anderem die Fnanspruh- nahme des Schlihtungs8wesens im abgelaufenen Fahre beweisen. Allein die Anträge auf Verbindlichkeitserklärung sind gegenüher 41926 von 1000 auf 1700, also um rund 75 Prozent gestiegen. Diese Aktivität des Arbeitsministeriums ist ja niht gerade immer und nicht gerade von allen Seiten mit besonderer Freude begrüßt worden. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten.)

Einzelne Fälle unserer Schlichtertätigkeit waren auch mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden. Fch erinnere nux ait den Konflikt in dex Großeisenindustrie. Es exschien mix richtig, durch gewisse Ausnahmemöglichkeiten den Werken die Umstellung în etwa zu erleichtern. Gleichzeitig aber habe ih nicht den ge- ringsten Zweifel darüber gelassen, daß an dex Verordnung vom Zuli 1927 nicht zu rütteln ist. Die Großeisenindustrie hat meine Entscheidung und den Spruch des Schlichters mit einer Preis- erhöhung beantwortet. Angesichts dieser Tatsache und ihrer Be gründung muß ih Wert darauf legen, festzustellen, daß bei den Verhandlungen im Dezember allerseits davon ausgegangen wurde, daß nennenswerte Preissteigerungen vermieden werden müßten. (Hört, hört! bei den Sozialdemokraten.) Nicht zum wenigsten dieser Gesichtspunkt hat mich mit bestimmt, den Werken unter gewissen Vorausseßungen einen teilweisen Aufshub in dex Einführung des Dreischichtensystems und Erleihterungen gzu- zugestehen. (Hört, Hört! bei den Sozialdemokraten und den Deutschen Demokraten.) Fh bin überzeugt, daß au der Schlichter von der gleichen Vorausseßung ausgegangen ist. Es wäre meines Erachtens angebracht gewesen, wenn die Eisenindustrie erst einmal die Wirkungen dex Neuregelung abgewartet hätte (lebhafte Zu- stimmung bei den Sozialdemokraten und den Deutschen Demo- kraten), statt nah einer Erfahrung von noch nicht zwei Wochen, die überhaupt keine Erfahrung sein kann, untex Bezugnahme auf eine längst vorausgesehene Umstellung Maßnahmen zu treffen,

die die gesamte weiterverarbeitende Fundustrie schwerx belasten und unsere Ausfuhr aufs neue ershweren können. (Sehr wahr! bei den Sozialdemokraten und den Deutschen Demokraten.) Die ver- arbeitende Jndustrie hat ja ihrerseits neuerdings mit einigem Erfolg gegen die Preiserhöhungen Stellung genommen. Leider hat sie zunächst in einem einseitigen Urteil über die Gründe ent- schuldigend hinzugefügt, daß: die Preiserhöhungen „unter dem __Druck der Politik des Reichsavrbeitsministeriums“ erfolgt seien.

Meine Damen und Herren, es ist in Arbeitgeberkreisen populär geworden, das Reichsarbeitsministerium zum Prügelknaben auch in solchen Auseinanderseßungen zu machen, die verschizdene Zweige dex Wirtschaft untereinander oder gegenüber ihren Konsumenten auszufehten haben. (Sehr gut! bei den Sozialdemokrateu und den Deutschen Demokraten.) Man geht da halt den „Weg des geringsten Widerstandes“. (Heiterkeit.) Es ist eben leihtex und weniger gefährlih, die Politik eines Reichsministeriums anzu- greifen, als sich klar und deutlich etwa gegen übertriebene Monopoltendenzen anderer Wirtschaftsgruppen oder auch gegen Mißstände im eigenen Lager zu wenden. (Sehr gut! bei den Soziäldemokraten und den Deutschen Demokraten.)

Ih betonte bereits, meine Damen und Herren, daß die Fort- schritte auf dem Gebiete des Arbeitslohns und der Arbeitszeit gweifellos in engem Zusammenhang mit der Konjunktur des ahb- gelaufenen Jahres gestanden haben. Das soll nun aber nit etwa heißen, daß auf diesen Gebieten Konjunkturshwankungen allein entscheidend seien, und daß sie etwa die Richtung ‘der Sogial- politik als solcher beeinflussen können. Diese Richtung liegt ein- deutig fest: im Rahmen des wirtschaftliÞh Möglichen den Anteil der Arbeitnehmerschaft am Sozialprodukt zu steigern. Fnnerhalb dieser Zielseßung freilih halte ih es für notwendig, den Wirtschaftsver- hältnissen durch eine gewisse Elastizität Rehnung zu tragen. Die

wenigsten läßt sich bisher übersehen, inwieweit gewisse Ab-

find ganz offensichtlih die Saisoneinflüsse bei weitem stärker als

fuchenden Saisonberufen angehörten, waren es 1927 über 63 vH. Allein die Zahl der arbeitsuchenden Facharbeiter im Baugewerbe belief sich Ende 1927 auf 317 000 gegen 218 000 im Jahre 1926. Jm übrigen is bei dieser gangen Bewegung zu bedenken, daß in Zeiten guter Konjunktur die saisonmäßigen Rückschläge natürlich stärker zu sein pflegen als in Zeiten schlechter. Beschäftigung. Denn wenn zunächst eine größere Anzahl Arbeiter eingestellt werden konnten, müssen natürlich am Ende der Saison auch mehr entlassen werden.

des Arbeitsmarkts wohl auch gewisse Reibungserscheinungen bei

bloß das Recht, sondern auch die Pflicht, sih in gewissen Grenzen dex jeweiligen Konjunkturlage anzupassen. Dieser Grundsay gilt au für ein weiteres viel umstrittenes Arbeitsgebiet meines Ministeriums, die Wohnungspolitik Man verlangt von mix ein festes Bauprogramm auf viele Fahre im voraus —, im Ausshuß wurden zehn Fahre im voraus verlangt und bedenkt dabei niht genügend, wie stark die Baumöglichkeiten von der jeweiligen Lage auf dem Geld- und Kapitalmarki ab- hängen. Wir haben noch in jedem Jahre die ausführlihsten und kompliziertesten Berehnungen aufgestellt und die hönsten Pro- gramme gemacht, und nach wenigen Wochen war dur unerwar- tete Entwicklungen auf dem Kapitalmarkt das meiste wieder um- geworfen. -(Zuruf von den Sozialdemokraten: Durch Herrn SchachŸht!) Nicht bloß durch Herrn Schacht. (Zuruf von den So- zialdemokraten: Aber au!) Darauf komme ih noch. Diese Entwicklungen haben wir nun - einmal nicht inder Hand, au Herr Schacht nicht ganz. Daß ih im übrigen in der begrenzten in- ländishen Kapitaldecke keine absolute Grenze dex Baumöglichkeit erblide, habe ih wiederholt offen ausgesprochen. Auch an dieser Stelle möchte ih nochmals betonen: Jch halte eine Heranziehung des ausländischen Kapitals zum Wohnungsbau auch dann ja viel- leiht gerade dann für gerechtfertigt, wenn man von dem be- kannten Grundsay der „produktiven Verwendung“ ausgeht. (Sehr rihtig! im Zentrum und links.) Eine Wohnungsnot, wie wir sie haben, beeinträhtigt notwendig die Arbeitskraft unseres Volkes und damit den wichtigsten Faktor der Produktion überhaupt. Fh kann nux mein lebhaftes Bedauern über die Hemmungen aus- sprechen, welche der notwendige Wohnungsbau dur die Erschive- rungen ausländischer Anleihen bisher erfahren hat. (Sehr gut! bei den Deutshen Demokraten und Sozialdemokraten) und der A Ausdruck geben, daß es in dieser Richtung bald anders ird. Wenn man vom Reichsavbeitsministerium die Aufstellung eines genau umgrenzten Bauprogramms erwartet, so vergißt man dabei weiterhin, daß unter den gegenwärtigen Verhältnissen das Reich weder staats- noch verwaltungsrehtlich noch finanziell die Möglichkeit einer entscheidenden Einflußnahme auf die Bautätigkeit hat. Die Hauszins\teuer wird bekanntlich von den Ländern und nicht vom Reich erhoben und vergeben. Jch glaube, man sollte unter diesen Umständen doch wohl anerkeunen, daß es gelungen ist, die Zahl der Neubauten in den abgelaufenen Fahren ständig zu steigern, ganz besondexs im leßtverflossenen Fahre. Für das kom- mende Fahr gehen meine Bemühungen in der gleichen Richtung. Jh möchte die irgendwie erreihbaren Kapitalien durch bestimmte Maßnahmen, über die im Wohnungsausshuß ausführliher ver- handelt wird, dem Wohnungsbau zugute kommen lassen. Dabei habe ih im Auge den Erlaß der Kapitalertragsteuer für Pfand- briefe und Kommunalobligätionen, sofern sich die Bankinstitute verpflichten, hinreichende Mittel für den Kleinwohnungsbau zur Verfügung zu stellen. Ferner denke- ih an eine Kapitalerhöhung der Bau- und Bodenbank, die uns die Beschaffung weiteren Kapi- tals ermöglichen soll. Außerdem is eine Reichsbürgschaft für Zwischenkredite in Aussiht genommen. (Abgeordneter Schneider [Berlin]: Jn welhex Höhe?) 200 Millionen, Herx Kollege. Endlich bin ih bestrebt, das Mißverhältnis, das noch immer gwischen den Kosten des Neubaus auf der einen Seite und den er- gielbaren Mieten auf der anderen Seite besteht, durch verbilligtes Bauen zu vermindern. Dem Mißverhältnis zwishen Baukosten und Mietshöhe au. von der anderen Seite her, das heißt durch Mietssteigerungen beizukommen, halte ih aber in absehbarer Zeit nicht für möglih. Fch habe das schon wiederholt erklärt auch hier im Reichstag, wenigstens in den Ausshußsizungen -— und bedauere, daß immer und immer wieder eine Erhöhung der Mieten an die Wand gemalt wird, obschon sie in absehbarer Zeit niht zu erwarten ist. Die möglichste Belebung des Baumarkts, meine Damen und Herren, ist natürlich auch von größtem Belang für den Arbeits- markt, dex bekanntlich in den Wintermonaten eine erhebliche Ver=- \{chlechtierung erfahren hat, eine Entwicklung, die sih nah den neuesten Ermittlungen allerdings wieder zum Besseren zu wenden scheint. Die neuesten Ziffern, die ih bei dieser Gelegenheit bekanntgeben darf, lauten dahin, daß die Zahl der Hauptunter- stüßungs8empfänger in der Arbeitslosenversiherung vom 15, bis zum 31. Januar gesunken is von 1371 000 auf 1338 000, Hier haben wir also einen Rückgang von rund 3 vH zu verzeichnen. Vei der Krisenunterstüßung lauten die entsprehenden Zahlen folgendermaßen. Bei der Krisenunterstüßung zählten die Haupts- unterstüßung8empfänger insgesamt am 15. Januar 228 000 und am 31. Januar 214 000. Hier handelt es sich also um einen Rük- gang von rund 6 vH. (Abgeordneter Rädel: Wieviel haben Sie aus der Krisenfürsorge herausgeworfen, Herr Arbeitsminister ?) Sicherlich nicht so viel, daß diese Entwicklung dadurch wesents- lih beeinträchtigt wäre. : Die Gründe, die das schnelle Anwachsen der Hauptunter- stüßungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung auf rund 1,4 Millionen herbeigeführt haben, sind verschiedener Natur. Am

shwächungen der Konjunktur hierbei eine Rolle spielen. Hingegen

in den meisten anderen Jahren gewesen. Ein ungewöhnlich früher und geitweise harter Winter mit einem ständigen Wechsel von Frost und Nässe hat es bewirkt, daß der Umschwung in der Be- schäftigung der Saisonarbeiter sehr {nell und sehr scharf war. Während z. B. Ende Dezember 1926 nur etwa 50 vH der Arbeit-

Schließlich aber geigen sich in der diesjährigen Entwicklung

Sozialpolitik hat gewiß ihre eigenen Geseye, Troydem hat sie nicht

der Durchführung des neuen. Arbeitslosenversicherungsgeseßes. Besonders aus ländlichen Bezirken dringen mancherlei Klagen zu

uns, die eine ernste Prüfung erheischen. Es ist richti gegenüber dem Vorjahr an einigen Stellen wt Zunahme der Unterstüßten eingetreten ist. Sie fällt zwar

Ermittlungen, die von der Reichsanstalt für Arbeitsvermit und Arbeitslosenversicherung noch fortgeseßt werden, habe i c

lihes Problem. Aber die Schwierigkeiten sind gerade auf arbeiter aus den JIndustriebezirken im Winter in die ländl; Heimat zurüdzukehren pflegt. Y

berufsüblihen im Unterschied von der Konjunkturarbeitslosigh

Wichtig is ferner die Frage der Pflicht zur Annahme y

den Berichten ebenfalls fraglih. (Sehr richtig! im Zentrun Derartige offene Fragen gibt es in der Arbeitslosenversicer j

dex Vervollkommnung der Organisation her, wie weit wir sie vi

kann erst dié nächste Entwicklung, die Erfahrung geigen. Uni

auf anderem Wege.

Die Organisation, die uns das neue Arbeitslosenversiherung ; geseß gebracht hat, ist {hon vor ihrer Vollendung manchen griffen ausgeseßt gewesen. Man hat von dem Aufgichen eind großen neuen Verwaltungsapparats und von Aufblähung t Behörden u. dgl. gesprochen, Diese Auffassung ist nicht gere fertigt; ih habe sie im Ausschuß ausdrüdcklich widerlegt uh darauf hingewiesen, daß die Zahl der Landesarbeitsämter von! auf 18 reduziert wurde und die ungefähr 900 Arbeitsämter wi rund 600 zurückgeführt werden sollen. Jh weise ferner erna darauf hin, daß die in der Zahl verringerten Aemter mögliäß wenig Beamtenstellen schaffen, sondern sich mit Angestellten it freien Vertragsverhältnissen begnügen wollen, um je na d Erfordernissen des Arbeitsmarkts die Verwaltung gestalten j fönnen. Allerdings hat der Reichstag seinerzeit durch die V

geschränkt.

keiten zu überwinden. Aber sie sollten uns doch nicht vergesst

Jahr zu leisten hatte. Daß diese Arbeit noch nit abge sch!osset Eingzelerscheinungen auf diesem Gebiet noch vor uns liegt, d

Auch auf den übrigen Gebieten der Sogialversicherung schl die Entwicklung nit il. Neben einer Reihe von Einz aufgaben, wie Ausbau der Unfallversiherung und Lösuh strittiger Fragen der Knappschaftsversicherung, ist hier vor allt ein großes Werk noch zu tun: die Vereinfachung der Organisatid Beseitigung der auch hier herrschenden Zersplitterung; kurz dah was ich im Ausschuß {on als Verwaltungsreform der Sogith versiherung bezeichnet habe. Jch bin "meinerseits fest enta schlossen, dieses Problem mit aller Gründlichkeit, aber au mi allem Nachdruck anzugreifen.

_ Die Sogzialbeiträge, die wir von Avbeitgeber- und Arbeili nehmerschaft verlangen, sind unleugbar hoh, wenn sie auch nh so berechtigt sind. (Sehr rihtig! bei den Deutschen Demokratet) Wenn sie auch die phantastischen Zahlen, die vielfa in d Oeffentlichkeit umhershwirren, nicht erreichen, so ist doch Sozialetat, wie der Herx Berichterstatter shon gesagt hat, 1 rund 314 Milliarden (ohne Arbeitslosenversicherung) ein Fal der siherbih recht ins Gewicht fällt. (Sehr richtig! vechts.) Nj] ih diese Ausgabe nah ihrer sachlihen Seite für unerläßlich hall habe in an diesex Stelle immer wiederholt betont und kann dos auch heute wiederholen. Um so mehr aber fühle ih die f antwortung, aus diesen Beträgen das Höchstmaß an Leistung ft diejenigen herauszuholen, für die sie bestimmt sind. Um so mi müssen es alle Beteiligten als ihre Pflicht ansehen, die Ver waltungsfosten auf ein Mindestmaß herabzushrauben. Aut dem müssen Unausgeglichenheiten beseitigt werden, die si in erster Linie aus der geschichtlihen Entwicklung der deutsche Sogzialversihherung ergeben. i Auf allen Gebieten, meine Damen und Herren, besteht füt uns die Notwendigkeit, mit den verfügbaren Mitteln auf de Vorsichtigste hauszuhalten und über etwaige neue Ausgaben nuf zu entscheiden, wenn wix uns auch über die Einnahmeverhältnist! flar sind. (Sehr richtig! bei der Wirtschaftlihen Vereinigung) Daher war es auch der Reichsregierung unmöglich, die Fragt det Hilfe für die Klein- und Sozialrentner schon früher endgültig lösen. Die Reichsregierung in ihrer Gesamtheit ist der Wh fassung, daß die Entscheidung hierüber nur im Zusammenhang der Verabschiedung des Gesamthaushalts getroffen werden fan

handlungen evgeben sollten, daß eine allgemeine Rentenvtl sorgung durch das Reich praktisch undurchführbar wäre, müßt unter allen Umständen sichergéstellt werden, daß künftighin My Kleinrentnerfürsorge au“ wirklih so durhgeführt wird, wie den Reichsgrundsäßen“ entspricht.

Meine Damëén und Herren, ih habe heute wiederholt ai! die verschiedenen Zusammenhänge zwischen den sozialen blemen und der Konjunkturentwicklung hingewiesen. Jh habt

bleme als auch ihrer Entstehung vielfa von den Konjuull®

auf dem Lande ,

mäßig nicht so wesentlich ins Gewicht, hat mich aber G: J

anlaßt, den Gründen nachzugehen. Schon nach den vis 106

Eindruck gewonnen, daß 3. B. die Frage der Wartezeit füy Saisonarbeiter noch nit als endgültig gelöst betrachtet i: j fann. Es handelt sih hierbei freilih nicht um ein spezien p

Lande besonders fühlbar geworden, weil ein Teil der Saisosl

Die Möglichkeiten, die das Geseß in der Behandlung yy

bietet, sind wohl noch nit in vollem Au2maße aus8genußt wor,

Arbeit. Ob da die dem Geseh zugrunde liegenden Ideen qu immer richtig verstanden und durchgeführt werden, erscheint m

naturgemäß noch mehr. Wir haben ein sehr mildes Geseh, yi haben aber noch nicht, wenigstens jeßt noch nit, die dazugehöriz straffe Organisation, sondern wir stehen noch mitten in ihren! Aufbau. Wie weit wir die auftauhenden Fragen von der Eci leiht auch von seiten des Gesetzes beseitigen können und müssen, u

Vervollkommnung der Organisation verstehe ih dabei sel verständlih niht eine Vergrößerung, sondern nur Verbesserm

\härfung des § 225 die Vewegungsfreiheit der Anstalt gegenüht den bisherigen Arbeitsnahweis8ämtern nicht unwesentlih tin

Selbstverständlich: sind auch noch andere Uebergangss{wierit lassen, was die Einführung der Arbeitslosenversicherung für dit deutsche Sozialpolitik bedeutet. Zusammen mit der Einrichtun der Arbeitsgerichte sehe ich in ihr wohl die grundlegende uni weittragendste Arbeit, die das Neichsarbeitsministerium im lehll ist, daß die Aufgabe einer Anpassung an die vielen konf

habe ih nie geleugnet; das ist auch gar nit anders denkbar. *

Wenn die zurzeit im Sogialpolitischen Ausshuß schwebenden Vev]

dargelegt, wie sowohl die Fortschritte in der Lösung dieser P19

Reichs- und Staatsanzeiger Nr. 37 vom 13. Februar 1928. S, 3.

„nissen abhängen. Hinsichtlich ihrer Entstehung ist natürlich perhd ammenhang auf dem Gebiete der Arbeitslosigkeit besonders ee De rilió glauben manche an eine gewisse Dauerersheinung e rbeitslosigkeit und sehen deren Ursache besonders auch in F ständigen Abwanderung der ländlichen Bevölkerung in die p ¿ Es wäre gewiß falsch, dieses Abwanderungsprobkem allein dem Gesichtspunkte des städtischen Arhbeitsmarktes aus be- Ebenso wesentli vielleiht noch wesent-

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raten zu wollen. : is es, das Problem in Verbindung mit dem Bestand und

(M estungsfähigkeit unserer Landwirtschast zu betrachten. (Sehr ht! im Zentrum.) Sie wissen, daß nah den Ergebnissen der gerufszählung die Zahl der landwirtschaftlichen Arbeiter um etwa 19 Prozent abgenommen hat. (Hört, hört! bei den Deutsch- nationalen.) Diese „Landflucht“ erstreckt si nit allein auf die Arbeiterschaft des Landes, sie reiht bis tief in die bäuerlichen Freise hinein. (Sehr richtig! im Zentrum.) Eines der wih- figsten Mittel, ihr zu steuern, sehe ih nach wie vor in einer tat- träftigen Förderung des Siedlungswesens. Hier - ist zwar mancherlei geschehen, aber noch lange nicht genug und vielleicht uh nicht überall in der rihtigen Weise. (Lebhafte Zustimmung.) Die Fragen der Rentabilität, der Verwendungsmöglichkeit, der. Umwandlung von _Zwischenkrediten in Dauerkredite sheinen mir noh nicht befriedigend gelöst zu sein. (Sehr richtig! bei den Quutschen Demokraten.) Die beteiligten Herren des Reichstags ja Gelegenheit gehabt, selbst an Ort und Stelle zu sehen,

hie stark die Unterschiede im System und in den Erfolgen der Siedlung in den verschiedenen Bezirken Deutschlands sind. Zun teil mögen sie auf Verschiedenheiten dex natürlichen wirtschast- lihen Verhältnisse beruhen. Soweit aber die Gründe sachlicher atur sind und in der Art der Anlage und Durchführung der Fiedlung liegen, bedürfen sie einer sorgfältigen Prüfung, die im Kerein von Reich und Ländern zu vollziehen ist. Man hat auch son die Frage aufgeworfen, ob es angesichts der Notlage der deutshen Landwirtschaft überhaupt richtig sei, so viele Opfer für die Siedlung zu bringen. Jch vertrete demgegenüber den Stand- unkt, wir müssen unter allen Umständen siedeln (sehx rihtig! in

F der Mitte), wir müssen nochch mehx siedeln als bisherp freilih gleith-

zitig au alles tun, um die Landwirtschaft rentabel zu gestalten. (Lebhafte Zustimmung in der Mitte und rets.) Sonst hat das iedeln keinen Zweck. (Evnoute lebhafte Zustrmmung in der Mitte und rets.) ;

Jch habe mich auf diese _gvundlegenden und besonders um- strittenen Fragen meines Arbeitsgebiets beshränkt. Manche nicht weniger wichtige sind unerwähnt geblieben. Jh möchte bitten, daß Sie daraus nitht den Schluß giehen, daß sie übersehen würden. 9h begnüge mi damit, nochmals auf den schriftlichen Bericht hinzuweisen.

Die ersten Ansäye einex staatlichen Sozialpolitik in Deutsch- sand liegen auch dexr Bevichterstatter hat davauf hingewiesen cinige Menschenalter hinter uns, Seither haben die Motive in Kampf um den sogialen Fortschritt mannigfach gewechselt. Leither ist auch das Ausmaß dev Sozialpolitik _nach der Seite des Zuviel wie nah der Seite des Zuwenig immer wieder fritisiert worden. An der Notwendigkeit der Sozialpolitik als solhe hat indessen niemand gu aweifeln gewagt. (Widerspxuh bei den Sozialdemokraten.) Krisen und Rückschläge sind ihr nicht exspart geblieben, werden ihr auch in Zukunft \chwerlih erspart bleiben. Die Wirtschaftskonjunkturen haben ihre sozialen Rück- wirkungen positiver und negativer Art und werden sie auch in Zukunft haben. Aber dur alle diese zeitweiligen Schwankungen hindur geht do die Gesamtlinie der Entwicklung aufwärts. Wenn ih das wiederholt feststelle, so geschieht es deshalb, weil die Vünsche, au die durchaus berechtigten, stets erheblich der Ver- wirklichung vorauseilten. Dieses Faktum spüre ih niht weniger \hmerzlih als Sie alle, und dennoch bekenne ih offen; wer sich einmal ganz bühl und. nüchtern überlegt, wo wir heute stehen ind wo wir noch vor vier bis fünf Jahren gestanden haben, der darf wohl au ein bißchen Freude über das empfinden, was er- rit worden ist (sehr wahr! in der Mitte), nicht die gesättigte Freude dessen, dex beim Erreichten stehen bleïben will und alle Aufgaben als gelöst betrachtet, sondern die Freude, die den Mut ind den Ansporn gibt, auf dem betretenen Wege mit hbesonnener Uikraft weiter voranguschreiten. (Lebhafter Beifall.)

379. Sigung vom 11. Februar 1928, 12 Uhr. (Vericht des Nachrichtenbüros des Vereins deutscher Zeitungsverleger.)

Prâsidént L b b e eröffnet die Sizung um 12 Uhr. Vor Eintritt in die Tagesordnung legt Abg. Mumu

d. Nat.) einen Antrag seiner Fraktion vorx, der durch den

ranß-Prozeß veranlaßt worden is. Der Redner erklärt:

Ein Prozeß, der gegenwärtig stattfindet, hat dur die Art siner Berichberstattung bei uns die lebhafteste Sorge um die Ge- fährdung der Jugend hervorgerufen. Fh bitte deshalb einen An- trag meiner Fraktion auf die Tagesordnung zu seven, damit er in den Recht8aus\huß verwiesen werden kann. Es handelt si um eine Novelle zum Reihspressegeseß, um die Einfügung eines nuen & 17 a, wonach Prozeßberichte, die geeignet sind, das Ge- seedtgoefühl dex Jugend zu überreizen oder irvezuleiten, ver-

en sind.

Auf Vorschlag des Präsidenten wird die Erledigung des Antrags bis zum Schluß der Sihung zurückgestellt, damit die

Parteien dazu Stellung nehmen können.

Die zweite Lesung des Reichs aushaltsplans wird darauf jortgesetzt beim Haushalt des Reichsarbeits- ninisteriums.

Abg. Haedenkamp (D. Nat.) hält die programmatische Erklärung des Arbeitsministers, daß dié deutsche Sozialpolitik nach ltgeltung strebe, für bedenklih. Wenn man eine allgemeine nerkennung als Weltgeltung bezeihnen wolle, so sei fie beretts borhanden, wie die leßten Verhandlungen in Gonf bewiesen hätten. Im übrigen müsse aber, wie jede Politik, auch die So jalpolitik sh auf das Bediirfnis und die Möglichkeiten der nationalen Wirt- aft einstellen. Der Redner verwies auf England, das aus not- wendigen Gründen eine Aenderung des Washingtoner Abkommens verlange. Ex warnte vor voreiligen Schritten. Die deutsche Sprache müsse beim FJnternationalen Arbeitsamt endgültige verücksichtigung finden. Die Einführung der Altersrente für- die itwen in der Jnvalidenversicherung sei zu begrüßen, ebenso die

affung weiterer freiwilliger Beitragskassen in der Angestellten-

Mild

versiherung. n der Knappschastsversiherung hätten sich die seinerzeit von dem deutshnationalen Reichstags8abgeordneten Leopold errehneten Beträge je Kopf der Versicherten als richtig erwiesen. Für das Jahr 1927 würden einshließlich Arbeitslosen- versicherung und Unfallversicherung weit mehr als 600 Mark je Mitglied aufgebraht. Der Redner bringt für einzelne Arbeiter- gruppen besondere Zahlen, aus denen si die Ueberspannung der Sozialversiherung auf diesem Gebiete ergibt. Bezüglich der Krankenversicherung fordert ex weiteren Ausbau der beruflichen Ersaßkrankenkassen, der Betriebs- und Jnnunaskrankenkassen. Die Aufblähung der Leitung großer Ortskrankenkassen könne keine Ber- billigung der Verwaltung bringen. sondern die Afsösnna der Krankenversicherung nach berufsständischen Gesichtspunkten. Berufsständische Krankenkassen wären auch vom sozial“ygienischen Standpunkt aus für vorbeugende Behandlung dex Berufskvrank- heiten zu bevorzugen. Jn diesem Sinne müßten die Landkranken- kassen, die Seekrankenkassen ausgebaut und einer allgemeinen Orts- krankenkassenversiherung vorangestellt werden. Die Anariffe auf die Ortskrankenkassen seien in erheblichem Umfange berechtigt, besonders. was die eigenen Betriebe anbelange, die nicht wie Abg. Jmbusch gemeint habe zur Verbilligung der Heilmittel beitrügen, sondern große Mittel der Krankenkassen unwirtschaftlich verbrauhten. Die Beziehungen zwishen Aerzten und Kranken- kassen müßten dur eine Aexrzteordnung endlich gereoelt werden. Ein unerträgliher Zustand sei es, daß 3000 junge Aerzte keine Beschäftigungsmöglichkeit fänden. Die Einfübrung der freien Aerztewahll auf allen Gebieten des Versicherungswesens sei zur Hebung- der Arbeitsfreudiakeit der Aerzteschaft zu verwirklichen. Nachdem durch Vereinheitlichuna der Wahlzeiten für die Sozial- versicherung eine vernünftige Regelung getroffen sei, müsse der Anirag Lambach über die Vereinheitlihung dexr Wahlen überhaupt, dec in Arbeitgeber- und Arbeitnehmerkreisen starken Beifall ge- funden hätte, gesebgeberishen Ausdruck erhalten. Das gegenwärtige einseitige Vorshlagsrecht dexr wirtschaftlichen Vereinigungen der Arbeitnehmer, das weder in Arbeitnehmerkreisen befriediae noch auf die Entwicklunasmöglichkeiten in Arbeitnehmerkreisen Rücksicht genoinmen habe, würde so wiedex abgebaut und ein gesunder Rülck- arif auf alle gleick@berechtigten Urwählexr vorgenommen.

Aba. Thiel (D. Vp.): Freudig wird begrüßt, daß der Etat des Reichsarbeitsministers um 400 Millionen Mark weniger Be- darf vorsieht als 1927. Troÿhdem ist kein Rückschritt auf sozialem Gebiete zu verzeihnen. Unter den 20 Geseßen des Vorjahres ragen als bedeutsam hervor das Gesey über Arbeitsvermittlumg und Arbeitslosewversicherung, das Arbeit2gerichiLgejes und das Reichs- versorgungsgesep, welch' leßteres den Krieasbeschädigten und Kriegerhinterbliebenen übec 200 Millionen Mark dringend be- dürfbiger Mehrleistungen brahte. Das erstgenannte Gesel, das uns in der Avrbeit8vermittlung aus der Kirhturmspolitik heraus- gebracht habe und in der Arbeitslosenversicherung statt der shema- tischen die der Beitragsletistung angepaßten Versicherungsleistungen bescherte, s{eine in der Praxis bereits den Nachweis dafür zu führen, daß es rihtiger gewesen wäve, die Saisonbetriebe, ims- besondere die Landwirtschaft, einer besonderen Behandlung zu unterziehen und wegen der berufsständischen Bedürfnisse dexr An- gestellten für diese Ersapkassen zuzulassen. Jn die Selbstverwaltung der Reichsanstalt soll die Regierung nit zu stark eingreifen, um flare Verantwortlichkeit zu bekommen. Die Presse und die Oeffent- lichkeit sollen sich nicht mit allen Beschwerden an den Gesebßgeber wenden, vielmehr für sinngemäße Durhführung der Selbstverwal- tung si einseßben. Das halbjährige Bestehen dex Arbeitsgerichte lasse bereits exkennen, daß das Mißtrauen der Sozialdemokraten und Kommunisten gegen den ordentlichen Richter an diesen Arbeitsaerihten abwegig gewesen sei. Die Richtex gäben sich größte Mühe, ihrer neuen Aufgabe im sozialen Geiste gerecht zu werden. Kritik übte dec Redner an vielen Maßnahmen der Kommunal- und Landesbehörden bezüglich der Durchführung des Arbeit3gericht8geseßes, Fnsbesondere habe man bei der Errichtung von Angestellten- und Kaufmannskammern den in sie geseßten Erwartungen nicht entsprohen, Hinsichtlich des trostlosen Schick- fals der älteren Angestellten dürften die Betroffenen nit länger mit Worten abgespeist werden. Ein gesebgeberishes Eingreifen sei eine Notwendigkeit, nahdem die Selbsthilfe der Wirtschaft auf diesem Gebiete unfruhtbar geblieben sei, Die Finanzierung der &nvalidenversicherung geschehe jeßt bereits um ein Drittel aus Reichsmitteln. Trovdem könnten für die künftige Sicherstellung der heutigen Beitragszahler nennenswerte Geldmittel nit zurüd- gestellt werden. Die gewaltigen Jnflationsverluste der Jnvaliden- versicherung und der Angestelltenversiherung seien noch entfernt niht überwunden und könnten aus eigener Kraft der Versicherungs- träger überhaupt nicht überwunden werden. Es wäve ein großer Fehler des Dawes-Gutachtens, daß die Milliardenverpflichtungen der Gegenwart an die zukünftigen Leistungspflichten der Jnvaliden- und Age eee eng überhaupt nit beachtet worden seien. Aufgabe des Reichsarbeitsministers sei es, dafür zu sorgen, daß diese Fehler ausgemerzt würden bei einex erneuten Prüfung der Leistungsfähigkeit Deutschlands für Repavationslasten. Höchst bemerkenswert waren die Betrachtungen des Redners über die Frage der Finanzierung des Wohnungsbaues. Zum Schluß kam der Redner auf den ershreckenden Rückgang der Geburten zurü und {loß mit einem warmen Appell an die Oeffentlihkeit und die Geseßgebung, alles daran zu seven, daß durch entsprechende Förderung des Familiensinnes und wirtschaftliche Hilfe für kinder- reiche Familien die Gefahr eines Absterbens des deutschen Volks- tums. abgewendet werde. i ,

Abg. Schneider (Dem.): Nicht so sehr die materiallen Folgen der Sozialpolitik veranlassen die unleugbare soziale Span- nung, sondern die Tatsaché, daß Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich geistig immer mehr auseinander gelebt haben. Es ist bedauerlich, daß auch innerhalb der Arbeitnehmer die Gegensäße tmmer größer werden. Abg. Jmbusch hat mit Recht vorx einer Untershäßung der körperlichen Arbeit gewarnt, bedauerlich ist aber die Gering- shäbung, mit der er von der acistigen Arbeit der Angestellten und Beamten gesprochen hat. Das bedentsamste soziale Geseß, das Arbeitsgeriht8geseß, ist nur durch die Mitarbeit der Oppositions- parteien zustandegekommen, Große Teile der Volkspartei und der Deutschnationalen Volkspartei haben dagegen gestimmt. Es wäre abgelehnt worden, hätte nicht die Opposition dafür gestimmt. Die Denkschrift über die Notlage der. älteren Angestellten zeigt keine Zielklärheit. Die Behörden müssen bei der Einstellung von älteren Angestellten vorbildlich sein. Sie {reiben aber au eine Alters8- qrenze vor, die wertvolle Arbeitskräfte von der Einstellung aus- schließt. Das Sclichtunaswesen muß ausgebaut werden, da der Staat sih das Recht vorbehalten muß, mit seinen Machtmitteln aroße Arbeitskämpfe zu v-rhindern, wenn er es für notwendig hält. Die Zahl dex deutschen Beamten im Jnternationalen Arbeit8amt in Genf ist nach dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund aestiegen. Sie entspricht aber noch immer nicht dex Bedeutung des Deutschen Reiches. Den \{chon im Vorjahre ausgesprochenen Wunsch nah einem stellvertretenden deutschen Direktor wiederholen wix. Erfreulich ist, daß das Fnternationale Arbeitsamt sih nun- mehr auch mit Angestelltenfragen beschäftigt. Damit ist endli ein von uns seit Fahren au?gesprochener Wunsch erfüllt worden. Die Bedeutung der Angestellten in Wirtschaft und Weltwirtschaft rechtfertigt auch die Errichtung einer selbständigen Abteilung für Angestelltenfragen beim &nternationalen Arbeitsamt. Fch ‘bitte das Reichsarbeitsministerium, diese Forderung 1m Verwaltungsrat mit allem Nachdruck zu unterstüßen. Der äußere Rahmen der Sozialversicherung hat mit der Schaffung der Arbeitslosenversiche- rung einen Abs{chluß gefunden. Nun gilt es, innerhalb des Rahmens kräftig um- und auszubauen, Nicht alle Versicherung8- träger entsprechen in ihrem Aufbau den Anfordérungen moderner

rationeler Verwaltung. Die & nvalidenversiheruna zum Beispiel

Reichsbahn und der Seekasse) find ein Luxus, den wir uns bet den gestiegenen sozialen Ausgaben einfa nit leisten können. Schaffung leistungsfähiger Bezirke, die den Lastenausgleich in sich selbst tragen können, Abbau, wie bei den Landesarbeit3- nachweisen, dann haben wix eine Verwaltungsreform, die die Un- kosten mindert und die Leistungen steigert. Schaffung aber auch einer zentralen Spiße, die den Gesamtumfang der Aufgaben übersieht, In der Krankenversicherung ließen sich durch Zusammenlegung von Zwergkrankenkassen wesentliche Ersparnisse erzielen. Das Wichtigste und Bedeutsamste aber ist, daß end ih mit der Selbst» verwaliung in der Sozialversiherung ernst gemaht wird. Eine echte Selbstverwaltung gibt es in der deutshen Sogialversicherung überhaupt nicht. Selbst in der Krankenversicherung, deren Selbst- verwaltung relativ am freiesten ist, wird hre Bewegungsfreiheit dur staatliche Aufsicht übermäßig gehemmt. Jn der Jnvaliden-, Angestellten- und Arbeitslosenversicherun sind zwischen Ver=- sicherten und ihren Arbeitgebern „neutrale“ Beamte geschoben; es besteht also eine „hinkende“ Selbstverwaltung. Jn ver Unfalls versicherung sind die Versicherten von der Selbstverwaltung aus- geschlossen, Lediglich bei der Festsebung von Entschädigungen und bei der Unfallverhütung wirken die Versicherten mit, Diese Verschiedenartigkeit ist durchaus unbefriedigend. Es muß endlich der Schritt zu echter Selbstverwaltung in der Sogialversicherung getan werden, Die Parität der Beteiligten in der Selbsts verwaltung hat fih nicht bewährt. Deshalb ist man auf den Notbehelf verfallen, den „neutralen“ Beamten dazwischen zw e gien Es läßt sich nicht leugnen, daß dadurch eine Vers esserung eintrat, aber es fehlte die Befriedigung der Beteiligten, Selbst “der Syndikus der Vereinigung Deutscher Arbeitgebers verbände, Dr. Erdmann, kommt in einem Artikel in der Zeits chrift „Der Arbeitgeber“ zu dem Schluß, die Arbeitslosen- versicherung „aus den die Selbstverantwortung der Beteiligten allmählich immer mehx vernihtenden Zwangseinflüssen des Staates herauszulösen, um sie in die Hände der unter wirkli verantwortlicher Mitarbeit stehenden unmittelbar Beteiligten zu legen.“ Wenn au von dieser Seite das „Gängeln“ dur den Staat als verantwortung8vernichtend empfunden wird, dann ist die Bahn frei für die Selbstverwaltung. Diese \chließt aber die Wahl der Leiter und aller Beamten in sich. Alle noch so dringend geltend gemachten „ernsten Bedenken“ ändern nichts an der Tats Jae daß Wahl und Einstellung der Beamten das Fundament der Selbstverwaltung sind. Die Steinsche Städteverordnung ist auf diesem Fundament aufgebaut. Der _Wahlkörper für die Selbstverwaltung muß natürlich alle Beteiligten»erfassen. Rednex geht auf den von den Demokraten eingebrachten Antrag ein, worin die Reichsregierung ersucht wird, eine Reform der sozialen Versicherung in der Richtung vorzubereiten, daß sie in weits gehendstem Umfange von staatlichen Eingriffen und bürokratischen Vorherrshaft befreit und der vollen Selbstverwaltung dev beteiligten Arbeitnehmer und Unternehmer gu unterstellen ist, Der Staat soll sich nur ein loses Recht der Oberaufsicht vors behalten. Der Antrag gibt bestiminte Richtlinien für die einzelnen Zweige der Versicherung. i i H ; Abg. Rädel (Komm.) bezeichnet die Kritik am Reich3s arbeitsministerium und der Bürgerblockregierung als berechtigt, ls sei abex noh zu zahm gewesen. Auch die „loyale Opposition“ er Sozialdemokratie beretige nicht zu allzu großen Hoffnungen, Was hätten die vorangegangenen Regierungen, was habe det Finanzminister Dr. Reinhold für den Wohnungsbau für Mittek bereitgestellt? Man müsse \ich wundern, woher der Avbeits« minister den Mut hernehme gu der Erklärung: die soziale Lags hat sih gebessert. Dabei sehe man jeßt allenthalben Arbeitss fämpfe über Arbeitskämpfe. Man brauhe nur amtliches Material zu benußen, um das herrschende Elend zu beweisen, Der Rednér gitiert u. a. eine amtliche Statistik über die Lage det \chlesishen Textilindustrie, die besonders das Elend der Schuls finder zeigt. Es gehöre eine eiserne Stirn dazu, hier im Reich93s tag eine Besserung der Lebensverhältnisse der Arbeiter zu behaupten. Ueber den Hausstreit zwischen dem Zentrum8s abgeordneten Jmbusch und dem Zentrumsminister Brauns könne man die Ueberschrift seßen: Brauns, der verhinderte Wohltäter, und Imbusch, der Streitbare. (Heiterkeit.) Man sei jeßt vor den Wahlen wieder auf dem Dummenfang. Jm Arbeits ministerium treibe man nux eine überspißte Organisation3s tätigkeit und reaktionäre Politik. Wenn man behauptet habe, nug die Kommunisten seien gegen eine Besserung der Bezüge der Kleinrentner, so könnten das nur politishe Schweinigel tun (Präsident Esser ruft den Redner zur Ordnung.) 4 x Abg. Bei e x - Dresden (Wirtschaftl. Vereinig.) bemängelt die nas Gesebgebung, die GAYGR tugunten er Arbeitnehmer iene, und verlangt eine Ver indung des Ret 8arbeitsministeriu: mit dem Reichswirtschaftsministerium. Die erivaltungsausgaben des Ministeriums seien nicht gelürzt, troß Herausnahme dex Arbeitslosenversicherung, sondern sogar noch um 870 000 Reichs mark gestiegen. Die Arbeitsgeitverordnung wirke für Handel, andwerk und Gewerbe gevadezu vernichtend. Der Achtstundent abe nicht die bessere Arbeitskonjunktux gebraht, Da das Aus» and bei geringerer Steuerbelastung noh 10 bis 12 Stunden arbeite, könne dieser Wettbewerb uns zum Verhängnis werden und Millionen von Arbeitern brotlos mahen. Aber Bestimmungen über die Arbeitszeit würden rüdsihtslos durchgeführt. Das Arbeitsgerichtsgeseß erfülle nit die ünsche der werker, da die Beisiher zu den Handwerkskammern na Nummern zugezogen werden, so daß ganz ven ee Berufe gegen einander Urteile prehen müssen. Zur (rbeitSlosenversiherung verlangt dex edner vor allen Dingen eine Aus i l otstock angefüllt sei und wann somi i absezung der Beiträge erfolgen könne. Die Arbeitsnachweise machten dur eine übers triebene Reklame ungeheure Kosten. Der Wohnungsbau sei unter allen Umständen zu fördern; es müsse aber A geahtet werden, daß wieder Läden und Werkstätten in die Siedlungen eingebaus werden, damit der Mittelstand Aubdeynungouts ichkeiten bes komme. Die von der An stelltenversiherung und der Knapps schaftskasse in Höhe von 12 Millionen Reichsmark an Beamten- und Beamtenkonsumverä&ne gegebenen Darlehen finden niht den Beifall des Redners. Zu dem Kleinrentnerversorgungsge\eß ste seine Partei bejahend, jedoch dürften die Unkosten nit einseitig auf den Mittelstand gewälzt werden; dieses Gese müsse vielmehx als Aufwertungsgeseß betrachtet und als solches durchgefÜü rt werden. Ganz besonders wolle die I E die Föorde= rung dexr Jnnungs- und Betriebskrankenkassen, da dieselben viel billiger und ventabler wirts aften. Diese Kassen erhöben meistens nux drei A vom Er E während die Ortskrankenkassen 8 bis sieben Prozent erhoben. ; / I Abg. Schwarze rx (Bayr. Vp.): Diese Debatte zeigt: Was dem einen seine Nachtigall ist, ist dem anderen sin Uhl. Jm Vergleich mit andeven Ländern kann sich die deutsche Sozial olitik sehen lassen, zumal erst in den leßten vier Gren ein Wiederaufbau der Sozialgesehgebung möglich war. Die elastung mit den Sozialausgaben drückt allerdings auf die Wirtschaft, aber auch auf die Avbeitnehmer. Wir haben nie Forderungen gestellt, die die Wirtschaft inrgugns machen. i wenn eine Links regierung kommt, kann sie eine andere So alpolitik treiben, als sie bisher getrieben ist. opa ist niemals ohne Geld zu machen. Alle Parteien haben erständnis für die Sozialpolitik und die Bedürfnisse der Arbeiterklasse, und alle sozialpolitischen eiene sind mit großen Mehrheiten angenommen worden, wodurch ih die Na e vor der früheren Heit auszeihnet. iderstände liegen bei den Organisationen draußen im, Lande und werden mit dex Belastung begründet. Hätten wir keine Sozial» pte so wären die Gemeinden mit der Fürsorge überlastet. Bei ex Arbeitslosenversicherung ist man auf Erleichterungen für die Landwirtshaft bedacht gewesen. Wenn die Landwirtschaft für ihre Produkte bessere Preise fordert, #o liegt das niht nur im nter» esse der Bauern, sondern au der Landarbeiter. Die Landwirt»

*) Mit Ausnahine der .durch Sperrdruck hervorgehobenen Reden der Herren Minister, die im Wortlaute wiedergegeben sind.

i 2 überorganisiert. Dreißig Lande8versicherung8ämter 2 Sees allein aht in Bayern (außer den zehn bis awölf bei dex

haft leidet tatsählih Not, abex man nügt ihr niht dur

E E E I A E Ei s E: IRIFARRI S E du ck E

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