1905 / 212 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 08 Sep 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Homburg v. d. Höhe, 8. September. Jhre Kaiser- lihen und Königlichen Majestäten statteten gestern nach- mittag in Begleitung des Kronprinzlichen Paares und anderer zur Zeit hier weilender Fürstlihkeiten der Saalburg einen längeren Besuch ab, woselbst Seiner Majestät dem Kaiser ver- schiedene Herren, die sich durch Stiftungen um den Ausbau der Burg verdient gemacht haben, vorgestellt wurden. Abends fand bei den Kaiserlihen Majestäten in Homburg eine Tafel statt, zu der die anwesenden Fürstlichkeiten, die Umgebungen und die Gefolge, der kommandierende General, General- leutnant von Eichhorn, der Oberpräsident von Windheim und der Earl of Lonsdale geladen waren. Heute früh begaben Sich Jhre Majestäten, sowie Jhre Kaiserlihen und Königlichen zoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin nach dem

aradefeld bei Nieder-Eschbach.

Deutsche Kolonien.

Nach amtlicher Meldung aus Deutsh-Südwestafrika haben die zum Angriff gegen S Witboi versammelten Truppen am 25. August den Vormarsch angetreten.

Die Abteilungen Estorff und Lengerke erreichten nah Säuberung des Nananib- und Hanam-Plateaus die Linie Kleinfontein—Chamis. Der Marsh über die mit Felsgeröll bedeckte, von tief eingeshnittenen Schluchten durhzogene Hochflähe war auyerordentlich schwierig. Die Truppen fanden tagelang kein Wasser. Sie mußten daher teilweise die Pferde zum Tränken nah dem Leberfluß zurücktreiben. Vor der Front wichen mehrere kleinere Hottentottenbanden nah Westen zurück. Eine stärkere, auf etwa 150 Reiter und 200 Fußgänger geshäßte Bande mit zahlreichem Vich überschritt die Linie Gor ab— Duwisib in nordwestliher Richtung und wandte si in Höhe von Nam nah Westen. Sie wird vom unteren Gorab aus durch die Abteilungen Maercker und Meister unter dem Befehl des Majors Meister verfolgt. j |

Die Abteilung Koppy, verstärkt durch die 7. Batterie der Abteilung Lengerke, marschiert von Numis über Namtob auf Sinclair-Mine zur Säuberung des Tiras- gebirges und der E -

Das Hauptquartier befindet sih unter Bedeckung der Kompagnie Ritter (2. Komp. Regts. 1) in Chamis.

Ein Telegramm aus Windhuk meldet: :

Am 3. September auf Patrouille bei Gurumanas ist ge- fallen: Sanitätssergeant Max Müller, geboren 12. 6. 80 zu Bräunsdorf, früher im Königlih sähsishen 6. Infanterieregiment Nr. 105, Brustshuß; verwundet wurde Reiter Friedrich Schäfer, eboren 30. 4. 80 zu Althof-Ragnit, früher im Feldartillerieregiment Nr. 37; \chwer, Schuß in das linke Knie.

Rußland.

Jn der Kathedrale des Großen Palais in Peterhof wurde, wie „W. T. B.“ mitteilt, gestern aus Anlaß des Friedens\chlusses ein feierliches Tedeum abgehalten, dem der Kaiser, die beiden Kaiserinnen, die Königin von Griechenland, die Großfürsten und die Großfürstinnen sowie die hohen Würdenträger beiwohnten.

Infolge des Dankgottesdienstes wurde die auf gestern an- gesette Sitzung der Sonderkonferenz unter dem Vorsißz

es Grafen Solßky auf heute verlegt.

Gestern fand in St. Petersburg unter dem Vorsiß des Ge- hilfen des Ministers des Innern Vatazzi die erste Sizung einer emishten Kommission für die Frage der Ausdehnung und ver Organi- sation der Unterstüßung mit Lebensmitteln der von Mißernte

etroffenen Provinzen ftatt. Auf Grund des ‘vorgelegten Berichts wurde festgestellt, daß unter dieser Not besonders die Pro- vinzen Saratow, Njäsan, Samara, Pensa, Tambow, Orel, Woronesch, Tula und Wiatka zu leiden hätten. Die Provinzen Witebsk und Kasan seien weniger davon betroffen. Die Provinz Pskow werde \ich vorausfichtli®% selbs erhalten können. Aus der Provinz Simbirsk lägen noch keine Nachrichten in dieser Hinsicht vor. Nach einer ans nähernden Schätzung werde man für die erstgenannten Provinzen etwa 365 Millionen Pud Getreide zu Nahrungs8zwecken und ungefähr 125 Millionen Pud Saatgetreide nötig haben, abgesehen von den in den städtishen Magazinen befindlihen Vorräten. Für die übrigen Provinzen werde man etwa 22 Millionen Pud zu Nabrung8zwecken und 37 Millionen Pud als Saatgetireide nötig haben. Zum Kauf dieses Getreides werde der Staatsshaß mehr als 3s Millionen Nubel anweisen müssen.

In der Nacht vom Dienstag zum Mittwoh gab es in

Baku verschiedentlih Straßenkämpfe. Am Mittwochvormittag fanden in der Stadt mehrere Brandstiftungen statt. Mangel an Lebensmitteln macht sih fühlbar. Jm Bohrgebiet dauern DiE Ande fol, Der Schaden t lehr groe, Die Gesamtlage is ernst. Jn der Stadt kam es zu keinem massenweisen Zusammenstoß; aber auf dem Grubenterrain in Balakany, wo eine beträchtlihe Streitkraft mit Artillerie zu- sammengezogen ist, um die verderblihe Bewegung niederzu- halten, entstand eine wahre Schlacht. Banden von Arbeitern, die in einem Hospital vershanzt waren, wurden mit Gewehr- feuer und Bajonett vertrieben; andere Banden griffen das Militärlager und das Vorratsdepot an, wurden aber durch Truppen zurückgetrieben, die mehr als tausend Personen N und verwundeten. Es herrscht Mangel an Lebens- mitteln. __ Die Stadt Tiflis ist von Flüchtlingen aus Baku, die ihr Hab und Gut im Stich gelassen haben, angefüllt. Heute sprachen bei den Behörden. Abgeordnete der großen Petroleum- raffinerien vor, die um Schuß für die großen Mengen brenn- wi in den Reservoiren zu Baku enthaltener Flüssigkeit nah uchten.

Sämtliche Branntweinbrennereien und Seiden- \spinnereien im Bezirke Shuscha wurden von Tataren in Brand gesteckt. Einem Teil der Arbeiter gelang es, in die Berge zu flüchten, ein anderer wurde niedergemegzelt.

Die Naphthagruben inBibi Eibat von Mantahow liegen in Asche; auh die Niederlagen der Kaspischen Gesellschaft sind in Brand gesteckt. Die christlihen Arbeiter sind von Tausenden von Tataren umzingelt.

Nach einer späteren Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ aus Baku ist Balachany vollständig ausgebrannt; die Tataren s{leppten alles, was nur den geringsten Wert hat, fort. Bibiz-Eibat brennt noch. Jn den Straßen Bakus fallen Nahts Schüsse. Die Börse und die Banken sind geschlossen. Die Verluste sind enorm.

Jtalien.

Bei der Eröffnung einer in Desio (Provinz Mailand) veranstalteten Ackerbauausstellung hielt der Minister des Aeußern Tittoni eine Rede, in der er, wie „W. T. B.“ meldet, darauf hinwies, wie notwendig es für die wirtshaftlihe Ent-

wicklung des Landes sei, den inneren wie den äußeren Frieden zu erhalten. Bezüglich der äußeren Politik sagte der Minister: „Mein ständiges Bestreben is es, den äußeren Frieden zu sichern und dabei nichts zu versäumen, um die a e dla Interessen des Landes zu wahren. Jch bin von der großen Verantwortlihkeit durchdrungen, die ih dem Lande gegen- über trage, und nehme die Verantwortung für meine Politik, die beständig, ruhig und durchaus friedlih ist, voll auf mich. Gerade im Bewußtsein meiner Pfliht und meiner Ver- antwortlichkeit finde ih Kraft und Energie, um denen zu wider- stehen, - die das Land in Abenteuer stürzen möhten und die dadurch, daß fte immer neue Fragen aufwerfen, nah und Fg mit allen Großmächten in Streit geraten und sich \chlicßli mit allen überwerfen würden. Einer solhen Politik der Abenteuer ohne jede praktishe Unterlage steht das Land ab- lehnend gegenüber.“ Am Schlusse seiner Rede betonte der Minister nochmals, daß seine Politik durchaus friedlih sei und den Wünschen aller derer entspreche, die eine Politik wahrer Reformen wollten. :

Der Kardinal Pierotti ist, dem „W. T. B.“ zufolge, in Nom gestorben.

Schweden und Norwegen.

Die Beratungen der in Karlstad zusammengetretenen shwedishen und norwegischen Delegierten über die Unions- auflöófung sind gestern bis zum 12. d. M. vertagt worden, um den Delegierten Gelegenheit zu Verhandlungen mit den Regierungen threr Länder zu geben.

ch r « Dänemark. : Der König hat, wie „W. T. B.“ erfährt, unter dem 5. September verfügt, daß der Kriegs- und Marineminister in Zukunft die Bezeichnung Verteidigungsminister zu führen habe. Das nate Kanalgeschwader 1st heute, Vormittags 10 Uhr, vor Kopenhagen eingetroffen und auf der Außen- reede vor Anker gegangen.

Afien.

Jn Tokio is es in den leßten Tagen zu ernsten Ruhe- störungen und Ausschreitungen gekommen, die auf die Unzufriedenheit eines Teils der Bevölkerung mit dem Ergebnis der Friedensverhandlungen zurückzuführen sein sollen.

Nach einer Meldung des „Daily Telegraph“ begannen die Unruhen de3wegen, weil fünf „Führer der offentlichen Meinung verhaftet wurden. Am Montagabend fand eine Protestversammlung statt. Am Dienstag sammelte si eine gewaltige Volksmenge, die die, Nationalflagge mit s{chwarzen Bändern verhüllt trug, außerhalb des Hibiyaparks an. Von Parlamentsmitgliedern wurden Reden gehalten mit der Forde- runa, daß an Marschall ODyama telegraphiert werden sollte, er möge den Kampf fortseßen und niht den Frieden, der eine Schande für die Nation sei, annehmen. Ebenso wurde beschlossen, den Geheimen Rat mit einer Petition an den Kaiser anzugehen, daß er den Frieden nit ratifi- zieren möge. Als die Leute den Park verließen, hörten sie, daß Graf Katsura und der E N sich im Hause des Ministers des Jnnern befänden; sie griffen darauf das Haus an und beschossen es. Die aufrührerishe Menge, die hauptsählich aus Sojshifanatikern, die von Agitatoren aufgeheßt waren, bestand, gebrauchte gegen die Polizei Messer und Stöcke; Tausende von Studenten hatten st\ch den Auf- ständischen angeschlossen. Der Mittwoch verlief außergewöhnlich ruhig. Jn der Naht zum Mittwoch hatte eine Versammlung von Vertretern aus gsllen Teilen Japans stattgefunden; es wurde beschlossen, Bittschriften an den Thron, den Geheimen Rat und das Parlament zu rihten mit dem Ansuchen, den Friedensvertrag nicht zu ratifizieren. Wüste Szenen spielten sich am Mittwochabend ab; auf die Gebäude an der Straßen- bahn entlang und auf die Polizeistationen wurde geschossen, die Wagen wurden in Brand gesteckt. Berittene Truppen griffen die Menge an.

Am Mittwoh fand im Palast eine Konferenz statt, zu di die Minister unter dem Schuß von Kavallerie geleitet wurden.

Nach Meldungen des „W. T. B.“ aus Tokio ist das Dienstgebäude des Ministers des Jnnern niedergebrannt, ebenso 10 chrisilihe Kirhen und eine einer Missions- gesellshaft gehörige Schule. Dec Pöbel stürmte ferner elf abgesondert liegende Polizeistationen und zerstörte sie. Die Polizei trieb die Menge wiederholt auseinander. Während der Nacht werden Abteilungen der National- armee einberufen. Der Straßenbahnverkehr ift eingestellt. Am Mittwochabend wurde durch Kaiserlihe Verordnung der Belagerungszustand über die Stadt verhängt. Der Stadtkommandant, General Sakuma hat eine Be: kanntmachung erlassen, worin er das Volk auffordert, sich von den Aufrührern fern zu halten. Jn Tokio ist der gestrige Tag ruhig verlaufen, aber aus Chiba wird gemeldet, daß die Präfektur und das Gerichtsgebäude nieder- gebrannt sein sollen; die Zeitung „Niroku“ ist suspendiert worden.

Afrika.

Im Anschluß an ihre gestrige, von uns bereits veröffent- lihte Meldung über die Angelegenheit des Algeriers Bu Mzian berichtet die „Agence Havas“ weiter: Ein gestern vormittag im Ministerium des Auswärtigen einge- troffenes Telegramm des Grafen Taillandier teile mit, daß die marokkani}che Regierung soeben die französischen Forde- rungen in der Angelegenheit des Algeriers Bu Mzian voll- ]ständig befriedigt habe. Auf Befehl des Sultans habe sich der Großvezier Si Feddul Garnit selbst nach der französischen Gesandtschaft begeben, wo er in Gegenwart des Gesandtschafts- perfonals, des Bu Mzian und ciner Anzahl Mitglieder der europäischen Kolonie dem französishen Gesandten die Ent- shuldigung der marokkanishen Regierung in folgenden Worten zum Ausdruck gebracht habe: „Die scherifishe Regierung hat mich beauftragt, Jhnen ihre Entschuldigungen wegen der Festnahme und Einkerkerung des Algeriers Si Bu Mzian el Miliani, eines französischen Untertanen, zu überbringen. Der Maghzen hat den s{huldigen Kaid T und 1ich über-

eshädigten. Die s\cherifishe Regierung wird es sich zur fliht machen, darüber zu wachen, daß ähnliche Adittar-

gee ihnen die vereinbarte Entschädigungszahlung für den P niche handlungen gegen Verträge und Gewohnheiten sich in Zu-

kunft niht wiederholen.“ Der Großvezier habe außerdem dem Gesandten Taillandier ein Schreiben des scherifischen Ministers des Aeußern übergeben, in dem die Entshuldigungen der Regierung scriftlich wiederholt und die Abseßung des huldigen Kaids bestätigt werde. Die für Bu Mzian ver- langteEntschädigungs\summe sei sofort gezahlt worden. Taillandier

7 räumen kleine Löcher von etwa 2 cm Durchmefsser.

habe dem Großvezier geantwortet, daß er im Namen dy Französischen Republik die Entshuldigungen des Maghzez und die Maßnahmen zur Genugtuung annehme. Er nehm ferner die von der scherifishen Regierung für die Zukunj) gegebenen Zusicherungen zur Kenntnis. Wie die „Agence Havas“ weiter meldet, hat die französishe Regierung soglei die Vorbereitungen qur Abfahrt der Schiffe eingestellt. Fran reich erhält auf diese Weise Genugtuung bezüglich sämtliche Punkte und ohne jeden Vorbehalt.

Parlamentarische Nachrichten.

Wilhelm Geyr, Mitglied des Hauses der Akgeordd: neten für den 4. Cölner Wahlbezirk (Si M, Mülheim Wipperfürth), (Zentrum) ist, dem „W. T. B.“ zufolge, heut früh auf dem Gute Kambergerhof bei Neuß gestorben.

m Ï

Nr. 72 des „Zentralblatts der Bauverwaltung! herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, vom 6. Sep. tember, hat folgenden Inhalt: Um- und Erweiterungsbau des König, lihen Gymnafiums in Altona. Querschnittsbestimmung auf Drut beanspruchter Stäbe. Vermischtes: Geplante Einführung der elek trishen Zuzkraft auf den Ladogakanälen. ODoppelshwellen. Hängeeisen für Rohrschwellen.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Zur Arbeiterbewegung.

__ Die Berliner Posamentenarbeiter im Möbelfache

hielten, der „Vofs. Ztg.“ zufolge, am Mittwoch eine Versammlung ab, um zu dem von der Innung eingegangenen Bescheide auf ihre Forderungen Stellung zu nehmen. Mit der von der Innung be- willigten Lohnerhöhung auf 55 4 Mindestlohn die Stunde, Ein- führung einer 53stündigen wöthentlihen Arbeitszeit, Abschaffung der Akkordarbeit und einen Zuschlag auf Ueberstunden, Nacht- und Sonn- tagsarbeit erklärten sih die Versammelten einverstanden. Die von der Innung verlangte vierjährige Festlegung des Tarifvertrags wurde \chließlich in geheimer Abstimmung mit 85 gegen 55 Stimmen an genommen. '

Die Textilarbeiter von Aachen, Düren und Umgegend find, wie die „Köln. Ztg.“ mitteilt, in eine Bewegung zur Erringung eines allgemeinen Lohntarifs eingetreten. In einer Vorgeletn ab- r von 2000 Webern, Färbern und Appreturarbeitern be- uhten Versammlung wurde der von einer Kommission des christlich-sozialen Textilarbeiterverbandes ausgearbeitete Entwurf ein stimmig gutgeheißen. Die Antwort der Fabrikanten soll bis zum 1. November erbeten werden.

In der Segeltuchweberei von Fröblih u. Wolff in Caffel sind, nach der „Rh.-Westf. Ztg.*, 150 Weber wegen Ent- lassung eines Arbeiters aus\tändig.

Zur Lobnbewegung der Glaser in Hamburg (vgl. Nr. 208 d. Bl.) wird der „Voss. Ztg.“ von dort telegraphiert, daß, nahdem die Einigungsverhandlungen in dem seit aht Tagen bestehenden teil- weisen Ausstand im Glasergewerbe ohne Erfolg geblieben find, in öffentliher Versammlung der Glasergesellen der Generalausstand bes {lossen worden sei. Gestern sei die Arbeit auch in den Betrieben niedergelegt worden, die die Forderungen bewilligt hätten.

Kunft und Wissenschaft.

Bei den Ausgrabungen der alten sumerishen oder präbabylonischen Stadt Bismya, die vor 4500 Jahren den Höhe- punkt ihrer Entwicklung erreihte, hat man ein beahtenewertes Entwässerungssy stem, das der Alluvialebene der mesepotamischen Wüste auszezeihnet angepaßt ist, entdeckt, über das E. J. Banks im nScientific American“ einen interessanten Aufsay veröffentlicht. Babylonien if ganz eben, von Bagdad bis zum Persischen Golf sieht man nicht die kleinste Erhebung, abgesehen von fünsftilihen Erdwällen oder einer vereinzelten veränderlichen Sand- wehe. Meistens liegt eine Rinde Lehm auf der Oberfläche, die von der beißen Sommersonne gedörrt und so hart ist, daß fie wie Stein aussieht. Teile der Wüste glcihen so einer vollkommenen Radfahrbahn. Unter der Kruste, die in Biêmya selten dicker als 4 Fuß ist und an einigen Stellen gänzli fehlt, liegt loser, nad- gebender Sand, der bis zu einer unbekannten Tiese reiht. Die Entwässerung in dem Lande ohne Hügelabhänge oder Ströme fließenden Wassers könnte aud den Scharfsinn eines modernen Ingenieurs wohl auf die Probe stellen. Bei einem Hausbau ruben nun die alten Sumerer vor mehr als 6000 Jahren zuerst is zu einer beträhtlihen Tiefe ein Loh in den Sand; in Bismya hat man mehrere Beispiele gefunden, wo die Grube über 14 m tief unter dem Fundament des Hauses liegt. Vom Grunde aus baute dann der alte Baumeister ein senkrechtes Abzugsrohr aus großen zylindrishen Terrakottateilen, von denen jedes mit gefurhten Rändern versehen ist, in die das nächste obere Stück eingepaßt wurde. Diese Abteilungen eines Abzugsrohres hatten einen Durchmesser von 48 cm und eine Höhe von 60 cm; andere waren weiter und viel kürzer, die Didcke des Mantels betrug 2,7 ecm. Die Röhren zeigten m wilde”

e oberste Abteilung des Abzug8rohres war halbkugelförmig, paßte wie eine Kappe auf die untere und hatte eine Oeffnung zur Aufnahme des Wassers von oben. Sand und Scherben wurden dann um das Abzugêrohr aufgefüllt, und es war gebrauchsfertig. Das herein- strômende Waffer wurde {nell von dem Sande auf dem Grunde aufgesaugt und wenn es dort an raschem Abfluß verhindert war, entwih es dur die Löcher in den Seiten der Ziegel. Die Tempel in Bismya waren mit mehreren solhen Abzugsrohren - versehen. Bei einem Palast entdeckte man vier; auch ein großes Bad, das einem modernen türkisWen Bade ähnlih ist und einen nach einer Gde abfallenden Asphaltfußboden hat, ergoß sein Wasser in ein folhes. Beim Ausräumen der Abzugsröhren waren einige, deren Oeffnungen ungeschüßt gewesen waren, mit Treibsand angefüllt; andere waren halb voll von dem Unrat lange vergangener Zeiten. „In einem ter Tempel“ erzählt Banks, wie wir einem in der „Voss. Ztg.“ veröffentlihten Auszug aus seinem Aufsaß entnehmen, „ent- fernten wir ußende flacher Trinkshalen aus Terrakotta, die in Form und Größe einer e ähnelten. Augen- scheinlih hatte der Graben das verbrauhte Wasser eines Trinkbrunnens aufgenommen, und die Schalen waren zufällig hereingefallen. In der etwa 2750 v. Chr. gebauten Tempel- plattform von Bismya legten wir einen wagerechten Abzugskanal aus Röhren bloß, von denen jede etwa einen Meter lang war und einen Durchmesser von 15 cm hatte; sie waren den jetzt ge- brauhten in der Form niht unähnlich. Der Kanal leitete das Wasser von der Plattform zu einem der f\enkrechten Abzugsrohre. Eine Röhre war so gut konstruiert, daß sie uns lange Zeit als Kamin für unser Haus diente, bis mein türkisher Aufseher anregte, daß ihr dunkles rauhiges Ende aus den Schießscharten des Hauses hervorragen follte, um die Araber zu überzeugen, daß wir gut ge wappnet seien; sie diente uns also bis zum Schluß der Ausgrabungen als „Kanone“. Jn anderen Teilen des Tempels waren einfachert Abzugsröhren verwendet, die das Oberflächhenwasser von der leicht geneigten Far fortführten. Sie bestanden einfah aus einer aus Ziegeln gebauten Rinne oder waren durch Auslafsen von Ziegeln in dem Fußboden angelegt; häufig über den senkrechten Rand der Plattform fortgeführt.

war die Rinne Die

Babylonier der späteren Zeit, die ihre Toten nicht einäscerten, sondern begruben, versahen auch ihre Friedhöfe mit Abzugs- gräben. Die Gräben waren kleine hausförmige Bauten, die ganz oder teilweise über dem Boden standen; wenn sie auf dem Abhange eines Erdwalles ta nden, wurden fie oben durch eine Art Wellenbrecher ge- {üßt, während sich an den Seiten entlang viereckige ofene Ziegel- abzugsröhren befanden. Der Erfolg is der, daß einige Gräber, ob- gleich fie Jahrtausende alt und aus ungebranntem Lehm sind, noch vollkommen erhalten sind. Obgleich man bis vor kurzem noch annahm, daß der Bogen den Alten unbekannt war, verwandten ihn die Präbabylonier vor mehr als 6000 Jahren doch \chon recht häufig. So wurde vor wenigen Jahren ein nur \{chlecht erhaltenes Gewölbe in der untersten Schicht unter der babylonishen Stadt Nippur ent- deckt. Später wurde ein gewölbter Abzug8graben unter der alten Stadt Fara gefunden, die von deutshen Forshern im mittleren Babylonien ausgegraben wurde. Obgleich die Stadt eine der ältesten bekannten ift, wurde doch auch sie hon auf den Trümmern einer noch früheren erbaut und mit einem gewölbten, einen Meter hohen Abzugs- graben aus kleinen ylank onvexen Ziegeln versehen.

Gesundheitswesen, Tierkraukheiten und Absperrungs8- maßregeln.

Gesundheitsstand und Gang der Volkskrankbetten.

(Aus den „Veröff entlichungen des Kaiserlichen Gesundheitsamts*, Nr. 36 vom 6. September 1905.)

Pest.

Aegypten. Vom 19. bis 26. August sind 5 neue Erkrankungen (und 4 Todesfälle) an der Pest zur Siege gelangt, davon 4 (3) in Alexandrien und 1 (1) in Port Said.

British-Ostindien. Während der am 12. August ab- gelaufenen Woche sind in der Präsidentschaft Bombay 1541 Erkrankungen (und 995 Se, an der Pest zur Anzeige gelangt, davon 73 (60) in der Stadt Bombay, 16 (8) im Stadt- und Hafengebiet von Karachi, 8 (8) in demjenigen von Jamnagar, 7 a im Hafen von Porban dar und 2 (2) in dem von eas,

n Moulmein sind Ende Juli 2 weitere Pesttodesfälle fes

gestellt worden. | i : Queensland. Vom 15. bis 22. Juli find in Queensland

keine neuen Pestfälle gemeldet worden. Pest und Cholera.

British-Ostindien. In Kalkutta starben in der Woche vom 23. bis 29. Juli 8 Personen an der Pest und 26 an der

Cholera. Cholera.

Deutsches Reich. Bis zum 4. September Mittags wurden dem Kaiserlihen Gesundheitsamte folgende festgestellten Erkrankungen (und Todesfälle) angezeigt

n

Ostpreußen: in aaris (Kreis Rastenburg) 1 (1).

Weichsel gebiet: in Neufahrwafser 1 (—), Einlage (Kr. Danziger E (1), Graudenz 2 (—), Kulm 2 (1), Fordon 3 (2), orn y

Neze-Warthegebiet: in Nakel 5 (2), Usch (Kreis Kolmar L D) Czarnikau 1 (—), Filehne 1 (1), Zantoch (Kr. Lands- rg) ' Hamburg: 2 (1). s Außerdem kam noch eine Anzahl verdächtiger Erkrankungen und Todesfälle zur Anzeige. Gelbfieber.

Es gelangten" zur Anzeige in den Vereinigten Staaten von Amerika: in New Orleans vom 4. bis 11. August 412 Er- krankungen (und 59 _ Todesfälle), in Sellers (Louisiana) am 7. August 4 (0), in Shreveport vom 2. bis 9. August 1 (0), in Montgomery (Alabama) am 28. Juli 1 (0), in der Golf- Quarantänestation am Misfissippi bis 3. August weitere 4 (0) auf Schiffen. Ferner wurden gemeldet in C holo ma (Honduras) bi 26. Juli 10 (4), in Puerto Cortez vom 22. bis 27. Juli 7 (1), în Colon vom 9. bis 25. Juli 6 (2), in Panama vom 216, bis 25. Juli 8 (2), in Livingston am 21. und 22. Juli 0 (2); endlich in Zacapa (Guatemala) am 3. August 9 Todesfälle. Unter den aus Colon gemeldeten 6 (2) Fällen befinden sih 3 Gelbfieberkcanke, welche von dem Dampfer Seguranca dort gelandet waren; einer der Kranken starb am 24. Juli. l i

In New Orleans hat das Gelbfieber während der beiden Wogen vom 26. Juli bis 10. U erbeblich an Umfang zuge- genommen. Vom, 26. Juli bis 3, August sind dort 252 ersonen erkrankt und 42 der Seuche erlegen, vom 3. bis 10. August jind 325 erkrankt und 45 an Gelbfieber gestorben. Während anfangs über- wiegend Angehörige der italieni sen Bevölkerung erkrankt und aus-

Î chließlih Personen mit italienischen Namen gestorben waren, hat \sich

spâter die Seuche weiter ausgebreitet, u. a. ist der katholishe Erz- bischof ihr am 9. August erlegen. E

Die Anordnung und Leitung der Maßregeln zur Bekämpfung der Seuthe hatte, zufolge einer Mitteilung vom 11. August, die Bundes- regierung übernommen, und damit insbesondere das Sanitätspersonal des Marineamts beauftragt. Die Einschleppung des Gelbfiebers wird allgemein auf den Handel mit Südfcüchten zurückgeführt, der von den Häfen Zentralamerikas aus nah dem Hafen von New Orleans etrieben wird. An dem Kleinvertrieb dieser Dbsteinfuhr sind haupt- siblié Italiener beteiligt, und die sanitären Verhältnisse in dem von hnen bewohnten Stadtteile, der den ursprünglihen Ansteckungsbezirk bildet, sollen viel zu wünschen übrig laffen.

Genidckstarre.

Rußland. Zufolge einer amtlihen Veröffentlihung sind im Juli 14 Fälle von epidemisher Genickstarre festgestellt, und zwar 4 im Gouv. Uleaborg, 3 im Gouv. Helsingfors, 2 im Gouv. Abo-Björneborg und ie 1 in den Gouv. Wasa, Kuopio, Simbirsk, Kasan, Odessa.

Milzbrand.

Rußland. Im Gouv. Wijatka find vom 20. Juli bis 9. August noch 23 Fälle von Milzbrand festgestellt worden, davon 15 im Kreis Wiatka und §8 im Kreis Slobodskoi.

Verschiedene Krankheiten.

Pocken: Moskau, Warschau je 2 Todesfälle; St. Petersburg 4, Warschau (Krankenhäuser) 3 Erkrankungen; Fle ckfieber: St. Peters- burg 4, Warschau (Krankenhäuser) 21 Erkrankungen; Rückfallfiebe r: St. Petersburg 2 Todesfälle, 16 Erkrankungen; Genickstarre: New York 19 Todesfälle; MNeg.-Bez. M 2, New York 26, Wien 5 Erkrankungen; Ruhr: Reg.-Bezirke Arnsberg 833,

arienwerder 100 Erkrankungen; Brechdurhchfall: Nürnberg Erkrankungen; Influenza: London, St. Petersburg je 3 Todesfälle; kontagiöse Augenentzündung: Reg.-Bez. Arns- berg 21 Erkrankungen; Krebs: Altona 3, Berlin 38 Todesfälle; Ankylostomiasis: Re „Bez. Arnsberg 19 Ertra untens Aussaßz (Lepra): Hamburg 3 Erkrankungen, betr. aus Lissabon zugereiste, früher in Brasilien ansäfsige Fltarier. Ferner wurden Erkrankungen angezeigt an Scharlach in Berlin, Hamburg je 20, Budapest 26, London (Krankenhäuser) 343, New York 37, St. Petersburg 22, Wien 41; desgl. an Masern und Nöteln in den S osen 121, Stettin 122, in Budapest 47, New York 178, St. Peters- urg 35, Wien 41; desgl. an Diphtherie und Krupp in Berlin 37, Breslau 25, Hamburg 26, Christiania 37, London (Krankenhäuser) 71, New York 177, St. Petersburg 42, Wien 60; desgl. an Keuch- husten im Reg.-Bez. Schleswig 90, in Nürnberg 37, Ham- burg 50, Kopenhagen 283, ew Vork 46, Wien 114; desgl. an Typhus in Berlin 53, in den Reg.-Bezirken Arnsberg 28, Düsseldorf 36, Marienwerder 28, Posen 45, Stettin 28, n Budapest 33, London (Krankenhäuser) 24, New York 254, St. Petersburg 96,

Im Monat Juli 1905 stehende Todesfälle außer den Seinigen Fentineten alen eder gemeldet worden: Poden : ) ; Malaga 2) 21, Buenos N 53, Kairo 7, Rio de Janeiro 1A; St. Louis 3) 4; Fleckfeber: Kairo 42; Rülfallfieber: Kairo 2; Genickstarre: Beuthen 5, Lipine 1, Oppeln 2, Zabrie 6, Buffalo?) 13, Indianapolis ‘), Manila je 3; Influenza: Berlin 8, Barcelona ?) 17, Genua !) 8, Madrid?) 32, Malaga?) 11, Murcia?) 10, Rotterdam 2, Buenos Aires 7, Manila 3, Rio de Ianeiro 69; Lepra: Manila 3; Se, Manila 15, Rio de Janeiro 11; Ankylostomiasis: Rio de

aneiro 2.

Im übrigen war in nachstehenden Orten die Sterblih- keit an einzelnen Krankheiten im Vergleih mit der Gesamtsterblihkeit eine besonders große, nämlich höher als ein Zehntel: an Diphtherie und Krupp (1886/95 erlagen diesen 4,27 von je 100 in sämtlichen deutshen Berichtsorten Ge- storbenen): in Naumburg; an Keuchhusten: in Aachen, Wermels- kirhen, Nosenheim. Mebr als ein Fünftel aller Gestorbenen ist ferner nachstehenden Krankheiten erlegen: der Tuberkulose 1886/95 starben an Lungens{windsucht 12,38 % in allen deutschen

rten) : in Forst, Minden, Ohligs, Saarbrüden, Siegburg, Solingen, Velbert, Wilhelmshaven, Wittenberg. Bamberg, Erlangen, Rofen- heim, Schweinfurt, Shönefeld, Bremerhaven, Aussig, Basel, Genf, Graß. Rio de Janeiro; den Krankheiten der Atmungsorgane (1886/95 s\tarben an akuten Erkrankungen der Atmungsorgane 11,98% in allen deutshen Orten): in Höhscheid, Luckenwalde, Schönebeck a. Elbe, Siegen, Velbert, Waldenburg i. Schl., Güstrow, Wismar, Barcelona?), Genua?), Madrid?), Murcia?) ; dem Magen- und Darmkatarrßh, Brechdurchfall (1886/95 ftarben an akuten Darmkrankheiten 11,72%, in allen deutshen Orten): in 166 deutshen Orten, darunter sogar mehr als die Hälfte in Biebrih, Burg, Caternberg, Köpenick, Duisburg, Graudenz, Hamborn, Rotthausen, Tilsit, Wilhelmsburg, Fürth, Lech- hausen, Neustadt a. Haardt, Annaberg, Delsniß, Radeberg, Ludwigs- burg, Reutlingen, Mannheim, Meß. :

Von den 325 deutschen Orten mit 15000 und mehr Ein- wohnern hatten 20 im Berichtsmonat eine verhältnismäßig hohe Sterblichkeit (über 35,0 auf je 1000 Einwohner und aufs Jahr berechnet): Lechhavsen 35,3, Memel 35,9 (1886/95: 27,5), Franken- thal 37,0 (1898/1902: 23,3), Reichenbah i. Schl. 37,6, Weißensee 38,1 (1887/96: 30,5), Straubing 38,8 (1897/1901: 29,9), Reutlingen 39,1 (1886/95: 22,8), Neuruppin 39,9 (1896/1900: 25,3), Greifs- wald 40,0 (1886/95: 30,2), Anklam 41,6, Kalk 41H (1895/99: 25,8), Tübingen 44,9, Posen 45,1 (1886/95: 26,2, Lipine 48,7 (1897/1901: 31,7), Bogutshüß 50,0, Köpenick 52,7 (1892/1901: 25,9), Zabre 55,4, Sckchwientohlowiß 55,8, EGbers- walde 59,2 (1891/1900: 26,2), Borxhagen - Rummelsburg 62,4 (1891/1900: 27,3). Im Vormonat betrug das Sterblichkeitsmarimum 44,4 9/00. Die Säuglingssterblihkeit war in 123 Orten eine beträchtliche, d. h. höher als ein Drittel aller Lebend- geborenen; sie betrug in 16 Orten sogar mehr als ¡wei Drittel, und zwar in: Langenbielau 673 °/4 (Gesamtsterblihkeit 33,4), Anklam 676 (41,6), Küstrin 686 (28,0), Posen 702 (45,1), Reichenbach i. Schl. 711 (37,6), Meß 717 (32,7), Annaberg 724 (24,3), Schweidnitz 733 32,2), Kalk 753 (41,9), Reutlingen 776 (39,1), Lipine 782 (48,7),

emel 791 (35,9), Tilfit 888 (31,8), Weißensee 953 (38,1), Köpenick 1013 (52,7), Eberswalde 2206 (59,2). :

Die Gesamtsterblihkeit war während des Berichtsmonats geringer als 15,0 (auf je 1000 Einwohyer und aufs Jahr be- rechnet) in 50 Orten. Unter 10,0°%/50 betrug fie in: Dtsch.-Wilmers- dorf 9,6 (1898/1992: 11,7), Bielefeld 9,6 (1886/95: 18,0), Sieg- burg 9,6, Schwelm 9,5 (1898/1902: 18,4), Wald 9,3 (1896/1900: 15,2), Lüdenscheid 8,6 (1886/95: 21,9). Die Säuglings8- sterblihkeit betrug in 14 Orten weniger als ein Zehntel der Lebendgeborenen. Unter einem Siebentel derselben blieb fie außerdem in 19, unter einem Fünftel in 45 Orten. :

Im ganzen {eint sich der Gesundheitszustand gegenüber dem Vormonat, und zwar besonders unter den Säuglingen, bedeutend vetshlechtert zu haben. Eine höhere Sterblichkeit als 35,0 °?/95 hatten 20 Ortschaften gegen 4 im Juni, eine geringere als 15,0 %5s hatten 50 gegen 79. Mehr Säuglinge als 333,3 auf je 1000 Lebendgeborene starben in 123 Orten gegen 22, weniger als 200,0 in 78 gegen 197 im Vormonat.

Belgien.

Dureh eine im „Moniteur Belge“ vom 1. d. M. veröffentlichte Verfügung des belgischen Landwirtshafisminifters vom 31. v. M. find zur Menbütun der Einshleppung der Beulenpest in Belgien die Bestimmungen der Artikel 1 bis 4 der Königlichen Verordnung vom 5. April 1897 für Herkünfte aus Callao, Lima und Paita vom 2. d. M. ab in Kraft geseßt worden.

Solche Herkünfte von See follen an den Quarantänestationen in der Schelde, in den Häfen von Ostende in Nteuport sowie in Selzaete nach den Vorschriften der Kapitel TT, IIT und IV des der Venediger internationalen Sanitätskonvention vom 19. März 1897 beigefügten Sanitätsreglements behandelt werden. (Vergl. „R.-Anz.*“ vom 27. April 1897, Nr. 98.) E

ürke i.

Der internationale Gesundheitsrat in Konstantinopel hat für Herkünfte von Damiette eine ärztlihe Besichtigung an- eordnet, die im ersten türkishen Hafen, in dem sih ein Sanitätsarzt

efindet, zu erfolgen hat. Schweden.

Nach einer Bekanntmahung des Königlih s{chwedisckea Kommerz- follegiums vom 2. d. M. ist Galizien für choleraverseucht er-

klärt worden. ; Niederl ändisch-Indien.

Nach drei im „Javaschen Courant“ vom 8. August d. J. ver- öffentlihten Verordnungen des Generalgouverneurs von Nieder- ländish- Indien ist gegen Bangkok weges Ausbruchs der Pest Quarantäne verhängt und die gegen Broach (British-Indien) und Port Said verfügte Quarantäne wieder aufgehoben worden. (Vergl. „N.-Anz.“ vom 10, März und vom 17. Junt d. I, Nr. 60 und 141.)

Berlin, 8. September. (W. T. B.) Wie wir zuverlässig erfa hren, ist bei dem dieser Tage in der Friedenstraße in Berlin ver- storbenen Holzshneidereibesitzer Zyrus nah dem Obduktionsbefunde und der bakteriologishen Untersuhung Choleraverdacht aus-

geschlosfen. W. T. B.) Seitens der Stadt-

7. September. , ; verwaltung wird bekannt gemaht, daß îm ganzen Gebiete von

Stettin, oderabwärts und -aufwärts, irgend ein Fall von Cholera- erkrankung niht vorgekommen sei. Aus der Meldung, daß eine aus Stettin gekommene Schiffersfrau in Posen an Cholera erkrankt sei, könnte geshlossen werden, daß die Frau in Stettin infiziertt worden sei. Dieser S lus sei durchaus unrichtig, da die Wasserfahrt von Stettin na osen mindestens 10 Tage in Anspruch nehme, die Inkubationsdauer bei asiatisher Cholera aber längstens 5 Tage währt. Die Stadtverwaltung habe im Einverständnis mit der Regierung alle Vorsihtsmaßregeln getroffen, um etwa eingeshleppte Fälle von Cholera sofort zu isolieren.

Lübeck, 8. September. (D. T. B.) Der Senat unter- sagte den Verkehr russisher Auswanderer über Lübeck und machte die interessierten Reedereien mit dieser Maßnahme be- kannt. Die Besapungen von Schiffen, die aus choleraverdächtigen Gegenden kommen, sollen ärztlich untersucht, und gedruckte Merkblätter über Verhaltungsmaßregeln wegen des Schußes gegen die Cholera- gefahr sollen an die Schiffer verteilt werden.

1) März. ?) April. ?) Mai, ‘) Juni.

(für die deutschen Orte) sind nah- | in den fortlaufenden wöchentlichen | von Cholera, Pest und Gelb- | Barcelona ?) 23, Madrid ?) 2, !

Hamburg, 7. September. (W. T. B.) Zur Abwehr der Choleracinschleppung wurde heute eine Kontrollstation für Ober- länder Schiffer bei Entenwärder eröffnet. Die Station, die Tag und Nacht geöffnet ift, ist mit 12 Beamten beseßt.

Antwerpen, 8. September. (W. T. B.) „Métropole“ meldet, daß die Gesundheitskommission der Schelde wegen der Cholera in Deutshland die Verfügung erlassen hat, daß Schiffe aus Königsberg und von der Weichsel unter Quarantäne gelegt werden sollen.

Verkehrsanftalten. In Banjo (Kamerun) ist eine Pofstagentur eingerihtet worden,

deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Ausgabe von gewöhnlichen

und eingeschriebenen Briefsendungen sowte auf die Ausgabe von ge- wöhnlichen Paketen ercstreckt.

In O wik okorero (Deutsh-Südwestafrika) ift eine Postanstalt eingerihtet worden, deren Tätigkeit fih auf die Annahme und Aus- gabe von gewöhnlihen und eingeschriebenen Briefen ecrstreckt.

In Kub (Deutsh-Südwestafrika) ist eine Postanstalt eingerichtet worden, deren Tätigkeit sich auf die Annahme und Ausgade von gewöhnlihen und eingeschriebenen Briefen erstreckt. Die Postanstalt in Kuis (Deutsh-Südwestafrika) ist aufgehoben.

Theater und Musik.

Shillertheater O. (Wallnertheater).

Anzengrubers Bauernkomödie „Der G’*wissenswurm “,

die in leter Zeit häufiger im Spielplan hiesiger Bühnen erschienen ist, erinnert sei an das Kainz-Gastspiel und die Darstellungen Anzengruberscher Stücke im Deutschen Theater vom Frühjahr d. J. ing gestern, neu einstudiert, im Schillertheater in Szene. Die köst- ihe Geschichte von dem bäuerlihen Tartüff, der die Gewifsenspein seines frommen Schwagers ausnußzen möchte, um in Besiß seines poles zu gelangen, beizeiten aber mit seiner Heuchelei Schiff- ruch leidet, ift bei einer einigermaßen guten Aufführung der Komödie ihrer Wirkung auf das Publikum stets gewiß. Der estrigen Darstellung darf man aber noch mehr nahrühmen: ie stand hinter den besten, die man hier gesehen hat, nur um ein S zurück. Herrn Pateggs naturwahrer Grillhofer ift {on von rüher her bekannt ; ihm ebenbürtig war der Dusterer des Herrn Thurner, der dessen gleißnerisches Wesen, ohne in die Uebertreibungen zu geraten, zu denen die Nolle leiht verleitet, zur Anschauung brahte. Eine herzige Horlaherlies war Fräulein Blaha und ein urwühsiger Wastl Herr Herrmann. In den anderen Rollen ver- vollständigten Fräulein Wolff, die Herren Rolan, Dapper u. a. das treffliche A, Ein besonderes Lob verdient noch Herrn Paleggs egie, die den Stimmungen der Dichtung durchweg gerecht wurde.

Im Königlihen Opernhause wird morgen, Sonnabend E. Humperdincks komishe Oper „Die Heirat wider Willen* zum ersten Male in dieser Spielzeit wiederholt. Herr7von Strauß hat die musikalische Leitung des Werks übernommen. In den Haupt- rollen sind, wie in voriger Spielzeit, die Damen Destinn, Herzog, die Herren Berger, Hoffmann, Knüpfer und Philipp beschäftigt.

Im Königlichen Schauspielhause werden morgen die beiden Lustspiele „Wann wir altern“ und „Die Romantischen“ auf- geführt. In leßterem Stück tritt Herr Albert Heine als Straforel fein Engagement am Königlichen Schauspielhause wieder an.

In der im Residenztheater am Dienstag, den 12. September, stattfindenden Erstaufführung des Schwankes „Die Höhle des Löwen“, in der Richard Alexander als Chalindrey zum ersten Male in dieser Spielzeit wieder auftritt und Helene Mas die Antoinette spielt, sind die übrigen Hauptrollen mit den Damen Clemens und Lentz und den Herren Georg, John und Sikha beseßt.

In der am kommenden Mittwoch im Lustsvielhause ftatt- findenden Erstaufführung des dreiaktigen Lustspiels „Jungfer Ambrosia“ von Franz Servaes wird die Titelrolle von Frau Maria Mallinger dargestellt; ferner sind in den weiblihen Hauptrollen die Damen Hiller, Kuhn, Marba und Wilhelmy, in den männlichen die Herren Bach, Beckmann, Lettinger, Paulmüller und Walter beschäftigt. Die Negie des Stücks führt Dr. Martin Ziel.

Für die am 15. September stattfindende Eröffnun gs8- vorstellung des Kleinen Theaters unter der Direktion Viktor Barnowskys („Die Laune des Verliebten®“ von Goethe und „Der zerbrohene Krug“ von Kleist) beginnt der Vorverkauf an der Theaterkafse und an den bekannten Billettverkaufêstellen am Sonntag, den 10. d. M. Vorausbestellte Billette können nur bis Donnerstag, Ms September, 11 Uhr Vormittags, an der Kasse aufgehoben werden.

Das „Militär-Wochenblatt“ enthält in einer seiner leßten Nummern folgende beahtens8werte Anregung zur Begründung eines Deutschen Garnisontheaters: 5

Unter den zahlreihen Garnisonen in Deutschland schreibt das „Militär-Wochenblatt“ sind nur etwa aht oder zehn folche, in denen sich Hoftheater befinden, die den Offizierkorps Gelegen- heit bieten, ohne wesentlihe Opfer regelmäßig gute Theater- vorstellungen besuhen zu können; an weiteren 150 Garnisonen dürften sh ständige Bühnen befinden, mindestens die Hälfte aller deutschen Standorte aber find, was den Theaterbefuch anlangt, auf die wenigen Abende angewiesen, an denen fie gelegentlich von einer „gastierenden®“ Gesellschaft aufgesucht werden. Recht oft find das Theaterunternehmungen, für die man den bezeihnenden Ausdruck „Schmieren“ geprägt hat. / e

Nehmen wir aber auch an, daß im allgemeinen in jenen theater- losen Garnisonen doch erträglich gute Ensembles gelegentlich eine kurze Reihe von Vorstellungen geben, so ist damit immerhin an- gesihts der keine9wegs niedrigen Eintrittspreise den Unteroffizieren und Mannschaften die Gelegenheit, einigen Theaterabenden bei- zuwohnen, noch niht geboten, und wenn ja einmal nur für Angehörige der Garnisoa gespielt wird, so stellen ih solche Vor- stellungen in der Regel als äußerst minderwertig heraus. Die darstellenden Mitglieder des Ensembles haben die Empfindung, daß es sih hier um eine Art Massenbesuh handelt, bei dem jedes Spiel gut genug sei. So wurde beispielsweise in einer rheinishen Garnison unlängst an einem Sonntage dreimal hintereinander dasselbe Stü in dieser Weise „verzapft“. Wie dabei die Vorstellungen ausgefallen sein mögen, läßt sich unshwer ermessen. Endlich kommt es aber dohch wobl niht nur darauf an, daß und wie Theater gespielt wird, sondern vor allem au, was gespielt wird.

Selbstverständlich können jene wandernden und gastierenden Ensembles ihr Repertoire für folche selten auf dem Spielplan stehenden Militärvorstellungen nicht eigens zushneiden, Stücke wie „Der wilde Reutlingen“ oder wenn man einmal klassisch kommen will Lessings „Minna von Barnhelm“ erfordern Kostüme und Vorberei- tungen, die angesihts solher Gelegenhbeit8svorstellungen wirklich auch bei bestem Willen niht verlangt werden können.

Da ist denn der Gedanke, ein „Deutshes Garnisontheater“ ins Leben zu rufen, NOOR naheliegend. Wir geben gern den nach- stehenden Bemerkungen Raum, welhe uns in Form eines Rund- \chreibens durch den Leiter der deutschen Gafstspiele in den Donau- ländern, Wolf von Mebsh-Schilbach, zugestellt wurden. Die Vor- arbeiten zur Ausführung dieses Plans werden von ihm geleitet, und

gelegentlih an unsere Redaktion gelangende Zuschriften sind wir gern Vereit, an seine Adresse weiter zu befördern. s N y