1905 / 237 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Oct 1905 18:00:01 GMT) scan diff

8 36.

Entsteht bei Anlegung euer oder Verlegung bestehender Wege das Bedürfnis, Teiche, Lehm-, Sand- und andere Gruben mit Ein- [ungen zu versehen, so sind die Kosten der Einrichtung solcher

nlagen von dem Wegebaupflichtigen zu tragen, die Kosten der Unter- baltung aber nur so weit, als sie über den Umfang der bestehenden demselben Zwede

Verpflichtungen - zur Unterhaltung vorhandener, dienender Anlagen binausgehen.

Wenn die an einem Fahrwege belegenen Grundstücke mit Bäumen oder Hecken beseßt sind, müssen die überhängenden Aeste und Zweige, soweit nôtig, auf Verlangen der Wegepolizeibebörde von dem Eigen- tümer weggeshaft werden, ohne daß dadurch ein Anspruch auf Ent-

\{chädigung begründet wird.

o eine Straßen- und Baufluchtlinie auf Grund des Gesetzes, Veränderung von Straßen und Pläßen in Städten und ländlihen Ortschaften, vom 2. Juli 1875 (Geseß- famml. S. 561) nicht besteht, kann die Wegepolizeibehörde verlangen, daß baulide Anlagen aller Art, Einbegungen, Bäume und Sträucher,

betreffend die Anlegung und

welche in Zukunft auf solchen Grundstückden angebracht werden sollen in der zur Austrocknung des Weges erforderlihen Entfernung, jedo bödhstens bis zu drei Metern vom Rande des zurückbleiben.

erechnet.

fernung an Auf Bäume und Sträucher findet die Vorschrift des Absaßes 2 nur Anwendung, soweit das Grundftück seither niht bereits forstlih

genußt wurde.

8 38.

Handelt es sich um die durch Lohnarbeiter niht zu shaffende Beseitigung oder Verhütung zeitweiliger Unterbrehung des Verkehrs infolge voa Sthneefall, Schneewehen, Eisgang, Ueberschwemmung oder sonstigen Ereignifsen, so find die Einwohner der Gemeinden,

innerhalb deren Bezirk folhe Ereignisse E find, sowie der be- nahbarten Ortschaften zur Leistung von aturaldienst

Naturaldiensten finden die Bestimmungen des §

Anwendung. 5 __ Für die Leistung dieser Dienste hat der Wegebaupflichtige Ent- schädigung na ortsüblien Säßen zu gewähren.

i mehr als 10 000 Elawobkicen beteiligt is, vom Bezirkêauss{huß er.d- gültig festgestellt.

Vierter Titel.

Schluß- und Uebergangsbestimmungen.

§ 39.

_ Dieses Geseg tritt mit dem 1. Oktober 1905 in Kraft und von diesem Zeitpunkt ab an Stelle aller bisherigen allgemeinen und be- sonderen geseßliden Vorschriften, Ordnungen, Gewohnheitsrechte und Observanzen in Beziebung auf die Wezebaulast, soweit fie nicht aus- drüdcklih aufreht erhalten werden.

8 40.

_Das Eesetz, betreffend die Ausführung der §§ 5 und 6 des Geseßes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial- und Kreisverbände, vom 8. Juli 1875 (Geseßsamml. S. 497), das Gesetz, betreffend die Ueberweisung weiterer Dotationen an die Pros vinzialverbände, vom 2. Juni 1902 (Geseßsamml. .S. 167), die auf offentliche Wege bezüglihen Vorsriften des Gesezes über Klein- bahnen und Privatanschlußbahnen vom 28. Juli 1892 (Geseßsamml. S. 225) und das Gesetz, betreffend die Vorausleistungen zum Wege- bau, vom 18. August 1902 (Geseßsamml. S. 315) werden von den Bestimmungen dieses Gesetzes nihr berührt.

Hinsichtlich der Zuständigkeit der Behörden zur Wahrnehmung der in der Wegepolizei begründeten Befugnisse, des Verfahrens und der Rechtsmittel gegen die Anordnungen der Wegepolizeibehörden kommen die Bestimmungen der SS 55 bis 57 des Zulständigkeits- gesees vom 1. August 1883 (Geseßsamml. S. 237) zur Anwendung.

gen der Zuständigkeit und des Verfahrens der r A behörden in Wegebaufachen verbleibt es bei den geltenden geseßli Bestimmungen.

8 41. Die durch Gesez begründete Befugnis der Bebörden zur be- sonderen Regelung der Wegebaulaft wird dur ch die Vorschriften dieses Gesezes niht berührt. A

Diejenigen Nechte und Verbindlichkeiten in Beziehung auf den Wegebau, welcke vor dem Inkrafttreten dieses Gesezes dur be- sonderen Titel begründet find, werden infoweit aufgehoben, als in dem Teßteren die Wegebaulast bloß nah den bisherigen allgemeinen oder besonderen geseßlihen Vorschriften, Ordnungen, Gewohnheitsrehten und Observanzen anerkannt oder festgestellt ist.

Für Urbarien, gutsherrlich-bäuerlihe Negulierungs- und für Gemeinhbeitsteilungsrezefse gilt vorbehaltliß des Gegenbeweises die Vermutung, daß in ihnen die Nechte und Verbindli(keiten in Be- ziehung auf den Wegebau nach den bisherigen allgemeinen oder be- sonderen gesegliwen Vorschriften, Ordnungen, Gewohnheitsrechten und Observanzen anerkannt oder festgestellt seien. Diese Vermutung greift e M soweit in Urbarien oder Rezefsen für eine Gemeinde wege- baulite Rechte oder Verbindlichkeiten in bezug auf solhe Wege be- gründet sind, die außerhalb des © t belegen sind.

43.

Verbindlichkeiten des Staates in Beziichung auf den Wegebau, welche auf Observanzen oder besonderen Titeln beruben, die gemäß SS 39 und 42 Absay 1 aufgehoben werden, bleiben bestehen vorbehalt- lih ihrer Ablösbarkeit gemäß 8 25.

Soweit jedoch die Wegebaulast gemäß § 15 Absaß 2 seitens des Provinzial- oder Kreisverbandes oder gemäß § 17 Absaß 1 von einer Gemeinde übernommen ift, oder soweit fisfalishe Verpflichtungen zu einzelnen Wegebauleciftungen vertragsmäßig dem Provinzial- oder Kreis- verbande oder einer Gemeinde dauernd übertragen sind, liegt die Er- füllung nur diesen ob.

8 44. Die bisberigen Verpflihtungen des Reichs zur Unterhaltung von Wegen und ihren Zubebörungen werden durch die Bestimmungen dieses

Gesetzes nit berührt. 8 45.

Sofern es wegen örtlich vermishter Lage oder wegen Unsicherheit der Gemeintebezirkêgrenzen zur Uebernahme der durch Urbarien und gutsberrlih-bäuerlihe Reaulierungs- oder GemeinheitsteilungSrezefse geordneten Unterhaltungevfliht durch die Gemeinde einer Abgrenzung der Unterbalturg®last zwischen den Beteiligten bedarf, so beschließt der Kreiétausshuß oder, wenn eine Stadt beteiligt ist, der Bezirksauëschuß nach Anbörung der Beteiligten.

Bis zur anderweiten Abgrenzung der Unterhaltungslaft bleiben die Bestimmungen der Urbarien L V u in Kraft.

8 46.

Insoweit bezüglich vertragsmäßig vom Staat an Kommunal- verbände zur dauernden Unterhaltung übertragener Wege eine Ver- pflihtung der Gemeinden zur Leistung von Hand- und Spanndiensten sowie der Gigentümer angrenzender Grundstücke zur Unterhaltung der Seitengräben best:ht, wird daran dur dieses Geseß nichts geändert.

Die Verpflichtungen können durch Vereinbarung der Beteiligten unter Zustimmung der Wegepolizeibehörde auf den nah diesem Geseßze Verpflichteten übertragen R i

Das Eigentum des Staates. an Land- und Heerstraßen geht an diejenigen Kommunalverbärde über, welchzn nach den Vorschriften DIEE Beseyes die Wegebaupflicht binsihtl:ch des betreffenden Weges obliegt.

8 43. Die auf Gemeinden bezüglichen Bestimmungen dieses Gesetzes finden auf Gutsbezirke entsprehende Anwendung. Können Anordnungen der Wegepolizeibehörde über den Bau oder

Weges, vom Wege Ist ein Graben vorhanden, so wird er auf diese Ent-

ten verpflichtet.

_ Hinsichtlich der Ableistung der Dienste durch Stellvertreter, ihres Ersazes durch Leistung eines Geldbeitrages und der Befreiung von 68 des Kommunal-

abgabengeseßes vom 14. Juli 1893 (Geseßsamml. S. 152) entsprehend

7 Im Streitfalle wird die Entschädigung vom Kreisaus\{uß oder, wenn eine Stadt mit

die Unterhaltung von Wegen im Bereiche eines Gutsbezirks, der niht aus\chließlich im Eigentum des Gutsbesitzers steht, nidt wirksam er- lassen werden, weil der Gutsbesißzger zur Erfüllung der ihm obliegenden Wegebaupfliht allein niht imftande ift, fo kann der Kreisaus\chuß auf Antrag, wenn eine Vereinbarung unter den beteiligten Grun ü über die gemeinshaftlihe Aufbringung der Kosten nicht , anordnen, daß bis zur anderweitigen Regelung der kommunalen Verbältnifse des Gutsbezirks an der Aufs bringung dex Kosten der Wegebaulsast sämtlihe Grundeigentümer des Gutsbezirks nach dem Maßstabe der auf ihre Grundstücke veranlagten

Grundsteuer k - Der Beschluß des E es ist endgültig.

PrivatrechtliGe Verpflihtungen zur Unterhaltung von Wegen find ablösbar gemäß § 25 und werden im übrigen vorbehaltlih der Bestimmungen in §§ 15 Absaß 2, 17 Absaß 1 und 43 Absatz 2 von den Vorschriften dieses Gesetzes S berührt.

Auf nicht öôffentliche Wege, deren Benutzung einem bestimmten Personenkreise zusteht (Interessentenwege § 3), findet, wenn das Ge- meinshaftsverbhältnis nit durch ein Aus8seinanderseßungsverfahren

verfahren begründeten gemeinshaftlihen Angelegenheiten, vom 2. April 1887 (Geseßsamml. S. 105), mit der Maßgabe sinngemäß Anwendung, daß an Stelle der Auseinande:rsezungsbehörde der Kreisaus\chuß, in Städten mit mehr als 10000 Einwohnern der Bezirkëausshuß vor- behaltlih der Beshwerde nah § 121 des Gesetzes über die allgemeine Landesverwaltung vom 30. Juli 1883 (Geseßsamml. S.195) beschließt und, soweit erforderli, den Beitragsmaßstab feststellt. Hinsichtlih der Beteiligung und des Beitragsverhältnisses unter den Beteiligten selbft unterliegt die Dans der Anfehtung im Rehtswege binnen drei Monaten nach Zustellung des govgilligen Bescheides.

Der Minister der öffentlihen Arbeiten wird mit der Auéführung dieses Gesetzes beauftragt.

Urkundlih unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Gegeben FJagdhaus Rominten, den 27. September 1905.

(L. S.) Wilhelm R. Fürst von Bülow. Schönstedt. Graf von Posadowsky. von Ls Studt. Freiherr von Rheinbaben. L

von Podbiels von Budde. Freiherr von Richthofen. von Bethmann-Hollweg.

Deutscher Kolonialkougreß; 1905.

Als am 10. und 11. Oktober 1902 auf Anregung des Präsidenten der Deutschen Kolonialgesellshaft, Seiner Hoheit des Hzrzogs Johann Albrecht ¿zu Mecklenburg„ Vertreter von 70 Vereinen, Gesell- (Gafien und Instituten, die wifsenshaftlihe, fkulturele und wirt- \haftlihe Interessen über See verfolgen und Beziehungen nah dieser Richtung hin zu deutshen Kolonien und überseeishen Interefsenfphären pflegen, einen nationalen Kongreß abhielten, um die in Deutschland getrennt auftretenden folonialen und überseeischen Bestrebungen in einer gemeinsamen Tagung zu vereinigen und die Ergebnisse der wissenschaftlichen FoSäuingen für alle diese Bestrebungen nußbar zu machen, wurde einstimmig der Beschluß gefaßt, den deutschen Kolonialkongreß zu einer ständigen Einrichtung zu maßen Auf Grund dieses Beschlusses trat am Donnerstag hierselbst im großen Sitzungs- saal des Reichstags der zweite deutshe Kolonialkongreß zusammen. Gegen 9 Uhr Vormittags eröffnete der Präsident, der Herzog Johann Albrecht zu Mecklenburg, den Kongreß, an dem über 1800 Personen teilnehmen, mit einer Ansprache, die nach einem Bericht tes „W. T. B.* folgenden Wortlaut hatte:

„Zum zweiten Male habe ih heute die Ehre, von dieser Stelle aus einen deutschen Kolonialkongreß eröffnen und eine Versammlung, ncch zahlreiher und glänzender, als die im Jahre 1902 es war, be- grüßen zu dürfen. Freudigeren und zuversihtliheren Mutes geschieht es als damals. Denn heute: verfügen wir über die Erfahrung, daß wir auf dem einges{lagenen Wege unser Ziel, alle auf kolonialem

Gebiete neben und leider so oft gegeneinander gerichteten Be- strebungen in gemeinsamer Arbeit zu einigen und damit dem Wohle des Ganzen der folonialen Entwickiung und hierdurch unserm Vater- lande zu nüßen, erreih:n werden. Haben wir ja doch den Beweis, daß der 1902 betretene Weg der rihtige war, allein hon darin, daß sih diesmal eine erbheblihe Anzahl bedeutender Vereine, die damals zögernd abseits standen, unferer Veranstaltung anges{lof}zn baben, sodaß heute 86 Vereinigungen gegenüber den damaligen 70 ih ¿u gemeirsamem Wirken zusammengetan haben. ge- reiht mir deshalb zur ganz besonderen Freude, Seine Durh- laucht den Fürsten und Rheingrafen zu Salm-Horstmar als den Präsidenten einer der bedeutendsten unter ihnen bier neben mir im Präsidium begrüßen zu dürfen. Es ist mir ferner eine an- genehme Pflicht, die Vertreter aller der veranstaltenden Vereinigungen willfommen zu heißen und Ihnen für die hohe Auszeichnung zu danken, die Sie mir durch die Wahl zu Ihrem Präsidenten er- wiesen haben. Der Zeitpunkt des beutigen Kongrefses ift bestimmt worden durch den Beschluß des vorigen im Jahre 1902. Wir haben deshalb auc daran festgehalten, troß der Wirren und Nôte, von denen gerade jeßt drei unserer größten afrika- nischen Schugzgebiete betroffen find und durch die fo unsäglih viel Leid über zahlr-ihe Familien gebracht und so viel Gut und boffnungsvolle Arbeit vernihtet worden iit. Je ftürmischer unsere Gegner jeßt angesihts der {weren Opfer an Gut und Blut, die unser Volk bringen muß, ihre Stimmen erheben, daß der Besiß von Kolonien überflüssig oder gar {chädlich, daß der von Deutschland einges{lagene Weg ihrer As und Verwaltung ein ver- kehrter sei, desto ernster und gewissenhafter müssen gerade wir in solher Zeit die verschiedenen Ansichten unbefangen prüfen und die Wege suhen, um begangene Fehler zu befsern und gerechten Forderungen zum Siege zu verhelfen. Sie werden mir wobl alle zustimmen: nur durch mündlihen Austaush der Ansihhten ist ein \chneller Ueberblick über eine strittige Sache zu gewinnen, nur auf diese Weise können schnell die führenden Gesichtspunkte gewonnen, nur so die Grundzüge der weiteren eingehenden Untersuchungen fest- gestellt werden. Daß dies die allgemeine Auffassung aller folonial- denkenden Kreise ift, das beweist wohl der überrashend zahlreiche Besuch unserer jetzigen Tagunz. Nicht bloß aus Deutsch- land, nit bloß aus unseren Kolonien, nein überall hzr, wo deutsche Tatkraft und deutsher Geift waltet und tätig ist, sind die Teilnehmer unseres Kongresses Hre E Und fo ift es wohl berehtigt, wenn wir hoffen, auch diesmal unserm hoben Ziele nähzr zu kommen und in ernster, sahliher Beratung den Weg zu finden, der uns dazu führt, unsere Kolonien der Blüte entgegenzuführen und sie zu einem oen Juwel in der Kaiserlichen Krone Deutschlands werden zu asen.“

Nach dem Präsidenten des Kongresses nahm der Staatssekretär des Innern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky das Wort,

um folgendes auszuführen:

„Es ist ein wihtiger und ernster Zeitpunkt in der verbältnis- mäßig noch jungen Geshihte unserer Kolonien, in welchem Ihr Kongreß zusammengetreten iît. Jn jwei großen deutsch:n Kolonial- gebieten Afrikas hat \ich ein bewaffneter Aufstand gegen die deutsche Herrschaft erhoben; \{merz;liche Opfer an fkoftbarem deutschen Blute sind erfordert und viele hoffnungtvolle Stätten deutscher Kulturarbeit vernichtet. Schwere finanzielle Aufwendungen sind nôtig geworden. Wie es scheint, haben diese Ereignisse eine Nück- wirkung auf die foloniale Stimmung mancher Volkskreise geübt. Wir baben seit Gründung des Deutschen Reichs einen Kolonialbesig erworben von annähernd dem fünffahen Flächeninhalt des deutschen Mutterlandes. Wir hatten bis dahin weder koloniale Erfabrungen

noch einen Stab geschulter Kolonialbeamten,

begründet ist, das Gesetz, betreffend die durch ein Aus8einanderseßzungs-

noch eine mit den !

bewaffnete Macht. Wir alles zu schaffen

vertraute

tropischen , in denen noch

Verbältniffen haben Kolonien erworben war, was eine zivilifierte Verwaltung erfordert. Gegenüber diesen unsäglihen Schwierigkeiten hat man \ich offenbar in manchen kolonialfreundlichen Kreisen die zu bewältigende Aufgabe zu leiht gedaht und die Opfer unterschäßt, welche für die Beherrshung, Verwaltung und Erschließung eines solch gewaltigen, tropischen Kolonialgebiets zu- bringen find. Bei nüchterner Beurteilung der Verhältnisse und nach den Ecfahrungen anderer KolonialmäŸte fonnte \sich indes niemand darüber unklar sein, daß die Ver- folgung eines solhen Zieles mit herben Erfahrungen und vielfahen Rückschlägen verbunden sein mußte. Ein Volk aber, welches ih sein Ansehen im Rate der Völker erhalten will, muß es vor allem verstehen, auch in schweren Zeiten fill und zähe durchzuhalten. Dann erst, wenn wieder geordnete Ver- hältnisse bergestellt find, wird eine fihere Grundlage für ein gerehtes Urteil und für weitere Entschließungen betreffs der Verwaltung jener bedrohten Gebiete gegeben sein. Einen Lichtpunkt in diesen trüben Ereignissen bietet die Haltung unserer Truppen, die unter der Schwere tropifhen Klimas, in dem unabsebbaren, wegelosen Gelände mit be, wundernswerter Ausdauer ihre Pflicht bis zum Tode erfüllen und so den alten Rubm deutsher Saldatenehre von neuem bewahrt haben; sie haben sich fiher den Arspruch auf die Dankbarkeit des deutschen Volkes für diesen Dienst am Vaterlande ebenso erworben, als ob sie zur Verteidigung unserer beimishen Grenzen ausgezogen wären. Jn- dem ih die Ehre habe, die Versammlung namens des Reichskanzlers zu begrüßen, darf ich der zuversihtlihen Hoffnung Ausdruck geben, daß Ihre Beratungen eine wertvolle Grundlage für die Erwägungen und O eDingen der verbündeten Regierungen bilden werden.“

Im Namen des L Amts begrüßte dann noch der Direktor der Kolonialabteilung Dr. Stuebel den Kongreß, worauf in die nag Eten wurde.

Deren ersten Gegenstand bildete ein Vortrag des Wirklichen Legationsrats, Professors Dr. Helfferich (Berlin) über „die Be, deutung der Kolonien für unsere Volkswirtschaft“. Als Ausganespunkt für die Behandlung des Themas dienten dem Redner die Bedürfnisse der deutshen Volkswirtschaft, aus denen \sich die unbedingte Notwendigkeit einer zielbewußten Kolonialpolitik für Deutschland ergebe. Deutschland sei im Laufe der leßten Jahrzehnte, wie kaum ein anderes Land, in die Weltwirtshaft hineingewahsen. Nah dem Umfange seines aus- wärtigen ndels, der im Jahre 1904 \sich auf 11,6 Milliarden Mark beziffert babe, ftehe es nur hinter Großbritannien (mit 15,6 Milliarden Mark) zurück. In der Zunahme des Außenhandels während der leßten zwanzig Jahre habe Deutschland sogar die Ver- einigten Staaten von Amerika übertroffen. Von 1885 bis 1904 habe der Außenhandel Deutschlands um 100 %/, derjenige der Vereinigten Staaten um 80 9%/o, derjenige Englands um 50 9/6, derjenige Frankreis um 24%/ zuzenommen. Der Verkehr mit den fremden und namentlih dena überfeeishen Ländern liefere uns in der Hauptsahe Rohstoffe für industrielle Zwecke sowie Nahrungs- und Genußmittel, die zum Teil in unserem Klima und auf unserm Boden überhaupt niht vroduziert werden könnten, die aber die Grundlage wihtiger nationaler Industrien bildeten, wie z. B. die Baumwolle, und in dem Verbrauch auch der kleinsten Haushaltung unentbehrliß geworden seien, wie Kaffee, Ge- würze 2c. Die Nettoeinfubr von Nahrungs- und Genußmitteln habe im Jabre 1904 etwa 1430 Millionen Mark, die Nettoeinfuhr von Rohstoffen habe 1930 Millionen Mark betragen, während \ih bei den Fabrikaten ein Ausfuhrüberschuß von 2225 Millionen Mark ergeben babe. Unter den Einfuhrwaren nehme die Baumwolle, an der sih wie an einem SgHulbeispiel die Bedingtheit unseres heimischen Konsums und unserer industriellen Tätigkeit zeigen lasse, mit 471 Millionen Mark die erste Stelle ein. Es folgten in bunter Reibe Produkte der gemäßigten und der tropischen Zone: Schafwolle, Getreide, Kaffee, Baus und Nutzholz, Kautschuk und Guttaperha, Häute und Felle, Rohscide, Tabak, dazwischen Mineralien, wie Gold, Kupfer, Steinkohle, Chilesalpeter, Eisenerze. Die acht wichtigïten Einfuhrwaren, bei deren Beschaffung wir ganz oder wenigstens überwiegend auf den Bezug aus fremden Zonen an-

wiesen sind (Baumwolle, Kaffee, Kautshuk und Guttapercha, Tabak- lätter, Palmkerne und Kopra, Reis, Jute und Kakao), haben im Jahre 1904 einen Einfuhrwert von mehr als einer Milliarde Mark dargestellt; mit den weniger wichtigen Handel8artikeln äbnlicher Art stellt fi die jährlihe Einfuhr Deutschlands an folonialen Produkten auf 1100 bis 1200 Millionen Mark Alle diese Dinge würden uns heute infolge der tehnishen Verkehréerleihterungen und der gewaltigen Ausdehnung des Welthandels im Austausch gegen die Erzeugrisse unferer nationalen Arbeit ohne Schwierigkeiten zugeführt; fast könnte es scheinen, als babe die Entwicklung der Verkehrstehnik und des Außenhandels die elementaren Beziehungen zwishen Bevölkerung und Bedenflähhe völlig aufgehoben, den Bevölkerungsspielraum unserer Industrieländer ins Ungemessene erweitert und die Utkraft der Be- völferungszunahme in die rein kommerziellen Bahnen einer Ausdehnung der internationalen Handelébeziehungen gewiesen. Aber das Bild habe auch seine andere Seite. Die weltwirts{hazftlihen Beziehungen seien zu einem integrierenden Bestandteil der Grundlagen geworden, auf denen die ganze Struktur unserer einheimischen Volkswirtschaft und die Lebenshaltung unserer gesamten Bevölkerung beruhe. Die ausreihende Befriedigung der Lebensbedürfnifse unserer Bevölkerung,, die Versorgung unserer Jndustrien mit den nötigen Rohstoffen, die Beschäftigung der für den Export arbeitenden Kapi- talien und Arbeitékräfte sei bedingt durch die ungestörte Aufreht- erhaltung unserer auswärtigen Handelsbeziehungen Diese aber bänge niht nur von unserer eigenen wirtshaftliben Tüchtigkeit ab, sondern au in großem Umfange von der Entwicklung und den Maßnahmen fremder Staatswesen, über die wir keine Macht haben. Die Gefahren dieser Abhängigkeit seien allerdings von den Gegnern der industriestaatlihen Entwicklung stark - übertrieben worden ; aber wenn man es auch ablehne, daß wir uns aus Furt vor diesen Gefahren in unser besheidenes kontinentales Schneckenhaus einkapseln sollen, so dürfe man doch auch nicht in das entgegengeseßte Erxtrem fallen. Die Freihandelslehre der alten Schule sei geneigt, ¡sowohl die natürlihen Verschiedenheiten in der wirtschaftlichen Macht- stellung der auf dem Weltmarkte konkurrierenden Länder als auch den enormen Einfluß zu übersehen, den Territorialbefiß und politisde Machtmittel für die Gestaltung der weltwirtshaftlihen Verhältnife auch in den heutigen Zeiten und künftig vielleicht mehr denn je auszuüben vermögen. Wir lebten niht in einer Welt des freien, durch fstaatlide Maßnahmen unberührten Wettbewerbs zwischen den einzelnen Nationen; vielmehr suchten die einzelnen Staaten ihre Territorialhoheit über Mutterland und Kolonialbesiß auszunußen, um im Weg? der Gesetzgebung über Zölle, Schiffahrt und Handelsbetrieb die auswärtigen Wirtschaftsbeztehungen zu be- einflufsen. Unsere auswärtige Politik habe dabei die wichtige und sch{wierige Aufgabe, uns die Absazmärkte und Bezugsländer offen zu halten, deren wir heute ohne Krisen und Kataftrophen nicht mehr entraten fönnen. Wir hätten ein vitales Interesse daran, daß die heute der Staatsgewalt der mit uns fkonkurriezrenden Natione noŸ nicht unterworfenen Gebiete dem Handel aller Völker gleihmäßig offen gehalten werden, aber eine folhe im eminenteften Sinne freihändlerishe Politik .lafse ih _ohne den Hintergrund von Kanonen und Panzerschiffen nicht durchführen. Wir bâtten ferner ein vitales Interesse an einer unseren Bedürfnissen entsprehenden Regelung unserer Handelsbeziehungea zu Me Staaten im Wege von- Handelsverträgen; dabei sei ohne Frage d Position derjenigen Staaten am günstigsten, die in ihren Herrschaft gebieten die verschiedenartigsten Produktionsbedingungen : ref weitesten Absaßmärkte vereinigen. Darin liege die große Bien s eines leistungsfähigen Kolonialbesizes für die europäischen Volksw bes schaften, deren Produktionsmöglihkeiten dur das Klima shränkt und die durch ihre dihte Bevölkerung auf 2s Erport gewerbliher Erzeugnisse angewiesen seien. Weil Deuts im leßten halben Jahrhundert ohne eine ftarke Flotte und ohne e sei, entwickelten Kolonialbesiß wirtshaftlich vorwärts gekom if deswegen sei die Meinung weit verbreitet, daß au für alle Zu?!

die Entbehrlihkeit von Kolonien und Seegelturg für unsere wirt- \chaftlihze Weltstellung erwiesen sei. Ni-mals jedoch sei ein tôrihterer und gefährlicherer Gedanke ausgesprohen worden. Wir hâtten eine lange Periode hinter uns, in der die größte Kolonial- und Flottenmaht der Welt im Vollbewußtsein ihrer wirtschaftlichen Ueberlegenheit freiwillig darauf verzichtet habe, ibre territorialen und maritimen Machtmittel zur Stütze ihrer wirtshaftlihen Welt- ftellung zu mahen, in der weite Gebiet: dem deutshen Unter- nehmungsgeist noch ofen gestanden hätten, deren Zugänglithkeit für uns beute erschwert sei. Das Aufkommen eines unerwartet starken Wettbewerbs von anderen Staaten habe den britischen Imperialismus ausgelöôst, der darauf hinau8gehe, die territorialen und politishen Maht- mittel des britishen Reichs zu Gursten seiner bedrohten wirtshaftlihen Weltherrshaft in Bewegung zu seßen. Auch anderwärts seien ähn- lihe Tendenzen zu beobachten. Deutschland habe - angesihts dieser Entwicklung einen \{chweren . Stand; die koloniale und maritime Machtentfaltung sei bei uns weit hinter der Entwicklung unjerer weltwirtshaftlihen Interessen zurückgeblieben. An diesen ge- messen, sei Deutshland nah Großbritannien das kolonialbedürftigste Land auf der ganzen Erde. Es sei für DeutsGland eine Schifsals- frage, ob es ihm gelinge, das Versäumte rechtzeitig na&zubolen. Nur eine Flotte, die au einem überlegenen Gegner schwere Wunden zu {lägen vermag, könne uns die Sickerheit geben, daß unsere Kon- kurrenten der Versuckdung widerstehen werden, das Schwert in die Wagschale des wirtschafilithen Wettbewerbs zu werfen; nur eine Entwicklung unseres Kolonialbesizes werde es unferer Handelspolitif auf die Dauer ermöglihen, uns auch auf fremdem Boden erträgliße Bedingungen für einen friedlihen Wettbewerb zu sihern. Wir brauthten leistungsfähige Kolonien, niht etwa um uns auf fie zurückzuziehen und sie für andere Nationen abzusperren ; wir brauchten vielmehr leistungsfähige Kolonien als Rückhalt für unsere weltumspannenden Wirtschzftsintereffen, als Pfeiler für das größere Deutschland, das überall vorhanden ist, wo deutsher Unternehmungsgeist sich regt. Skeptiker und Pessimisten bestritten, daß unser Kolonialbesfiß eine brauchbare Grundlage für eine folche Entwidlung abgeben kann. Hätten sie recht, dann allerdings müsse Deutschland sih für die Zukunft mit der Rolle einer Kontinentalmacht und eines Staates zweiter Klasse begnügen. Aber die Skeptiker und E hâtten niht recht. Dur das Zugreifen in lezter Stunde ei es gelungen, für Deutslands koloniale Betätigung weite Gebiete zu sihern. Es fei ein staunenêwertes Zeichen staatsmännischer Intuition, daß Fürsi Bismarck, bei aller durch seine Natur und sein Lebenswerk bedingten Zurückhaltung gegenüber den Fragen der überseeishen Politik, im psychologishen Momente wie unter dem Einfluß einer höheren Macht durch die Besigergreifungen in Afrika und der Südsee dem künftigen, über seine Zeit hinauswachsenden Deutschland die Bahnen offen gehalten habe. Die uns zugefallenen kolonialen Territorien gehörten allerdings nit zu denjenigen, in welhen die Neichtümer auf der Oberfläche liegen. Aber wer nah den bisherigen Ergebnissen ihre Entwicklungsfähigkeit be- urteilen wollte, müsse die Kürze der für eine plarmäßige wirtschaft- lihe Arbeit biêher aufgewendete Zeit und die Geringfügigkeit der aufgewendeten Mittel im Verbältnis zu der Größe der zu er- \chließenden Territorien berücksihtigen. Mehr als bescheidene Proben der Cntwicklungsfähigkeit unserer Schußgebiete könne man unmöglih erwarten. Diese Proben jedoch zeigten, daß in ihrer eigentlichen Produktionsfähigkeit unsere Shußgebiete von der Natur durh- weg nicht schlechter bedaht seien als die benachbarten Kolonien fremder Staaten und daß sie ein weites Feld für diejenigen Kulturen böten, die wir zur Ergänzung der beschränkten natürlichen Produktionsfähigkeit des eigenen Vaterlandes brauchen. Dagegen seien unsere Schußgebiete gegenüber ihren Nabarkolonien fast durchweg im Natteil hinsihtlih der natürlihen Vorbedingungen für den Verkehr; denn wir als die zuleßt Erschienenen hätten die Orte eines leiten Zugangs und leihter Verbindungen mit dem Hinterlande bereits beseßt gefunden. Der Redner wies dies an jedem einzelnen unserer afrikanishen Schutzgebiete nach. Aber diese Un- gunst ter _natürliGen Verkehrsverhältnisse könne und müsse durch die Schaffung künstlicher Verkehréwege überwunden werden.

ier sei der Punkt, in dem vor allem die staatliche Jnitiative und

abhilfe einzusezen babe, sowobl um den Rahmwen für die erfolg- reihe Betätigung des privaten Unternehmungsgeistes zu hafen, als auch um die elementarften Garantien für die Aufrechterhaltung unserer Herrschaft und die Sicherheit vcn Person und Eigentum zu gewähr- leisten. Das Deutschland der Zukunft werde eine Kolonialmacht sein, ri es werde als wirtshaftlihe und politishe Weltmaht nicht eristieren.

Nach einer kurzen Diskussion, die sich an diesen Vortrag anschloß, sandte der Kongreß auf einstimmig angenommenen Vorschlag seines | lage des Herzogs Iohann Albrecht zu Mecklenburg, das olgende Huldigungstelegramm an Seine Majestät den Kaiser und König ab:

_eEurer Majestät, dem erlauchten und machtvollen Schußherrn der deutshzn Kolonien, sendet der heute eröffnete, von 87 gemeinnüßigen Vereinen und Instituten veranstaltete zweite deutshe Kolonialkongreß den Ausdruck ebrerbietiaster Huldigung und das Gelübde treuer Arbeit Ges Eurer Majestät Führung an dem Ausbau des größeren Deutsch- ands.

Alsdann spra Direktor D. C. Buchner (Berthelsdorf) über «die Mithilfe der Mission bei der Erziehung der Ein- geborenen zur Arbeit“: Das shwierigste Problem für alle Kolonien besißenden Völker ist das Problem der Erziehung der Eingeborenen zur Arbeit. Von ter ridtigen Lösung diefes Problems hängt Wert und Unwert der Kolonien ab. In dieser Auf- gabe begegnen fi ftaatlihe Kolonisation und kirchliche Mission, wenn auch über tie Methode der Erziehung mantherlei ver- schiedene Ansihten herrshen je nah dem Standpunkt, den man den Eingeborenen gegenüber einnimmt. Mantherlei Schwierig- keiten, in der Natur der Tropen und der Eingeborenen begründet, stellen sich der Lösung dieses Problems entgegen, fodaß es nur langsam und allmählich zu lôsen sein wird. Wenn nun die Mission dieses Ziel auch fest im Auge hat, so wird sie doh nur eine Hilfe dabei leisten können. Es ift ebenso unbillig seitens der Kolonialpolitiker, der Mission diese Aufgabe allein zuzuschieben, als es anmaßend wäre seitens der Mission, wollte sie den Ansvruh erbeben, daß sie allein dieses Proklem zu lösen imstande sei. Die vornehmste Aufgabe der Mission bleibt die religiöse. Indem nun die Mission, diese Aufgabe erfüllend, das Christentum verbreitet, arbeitet sie an der Lösung obigen Problems mit, denn das rechte Christentum ist in fih selbst ein Protest gegen Faulheit und Trägheit, und es liegt in seinem Wesen, überall den \ittlichen Wert der Arbeit zu betonen. Diese innerlige Wirkung wird durch die vielseitige Arbeit des Missionars bei Gründung und Erhaltung einer Station kräftig unter- \tüßt. Zu dieser Arbeit muß er die Eingeborenen und zwar meist in beträhtiiher Zahl heranziehen und leistet damit eine Fülle unterriht- liher und erziehliher Arbeit an den Eingeborenen. Freilich kann diefe Erziebung ohne einen gewissen Zwang nit stattfinden, und einen solden Zwang, der jedes brutalen Charakters entbehrt und_niht bezweckt, dié Eingeborenen in eine der Sklaverei ähnlibe Abhängigkeit zu stürzen, wird auch die Mission als notwendig anerkennen müfsen. Der Einfluß der Mission zeigt sih auch nach der Richtung hin, daß die Eingeborenen auf allen Leben8gebieten neue Bedürfnisse kennen letnen, die sie nur befriedigen können dur ver- mehrte Arbeit, und dadurch wird ihnen die ® otwendigkeit der Arbeit nahegelegt. So stellen die Missionsftationen Arbeits- ¿entren dar, deren Wirkungen unverkennbar find. Auch die in unseren Kolonien befindlihen 1083 Schulen der evangelischen Mission mit 43.390 Schülern fowie die 603 Schulen und Erziehungs- bâuser der katholischen Mission mit 26654 Schülern leisten dankenswerte Hilfe bei Erziehung der Eingeborenen zur Arbeit. Die Misfion läßt es sih aber au in direkter Weise angelegen sein, wie an vielen Bei- spielen nachweisbar ist, die Eingeborenen in den verschiedensten

»andwerken sowie für den Feld- und Plantagenbau auszu- ilden. Zahlreiche Handwerkersculen und Werkstätten sowie viele landwirtschaftlihe Betriebe der Mission arbeiten alle auf das Ziel zur Erziehung zur Arbeit hin. Bei alledem kann die Mission

mit ihren beshränkten Kräften und Mitteln nur innerhalb eines kleinen Kreises ihre Tätigkeit voll entfalten, {at aber damit die Vorbedingungen für die zielbewußte Arbeit der anderen koloni- satorishen Kräfte. Ein sprechender Beweis für die niht erfolglose Arbeit der Mission nah dieser Richtung hin ist das Volk der Hotten- tottenbastards in Südafrika. Einst [ura man diesem Volk all und jede Fähigkeit ab, für die Arbeit geschickt zu werden. Nah nahweislih 100 jähriger Erziehung auf den Reservaten erweisen die meisten der so Erzogenen sich aufallen Gebietenals ein geschicktes und überall anerkanntes, segensreihes Element für die Kapkolonie. Kann omit die Mission der Lösung des Problems auch nur eine Mitbilfe leisten, so ist diese doh siherlih wertvoll und beahtenswert. Möchten alle in unseren Kolonien tätigen Faktoren in gegenseitiger Anerkennung an der Lösung dieses Problems mitarbeiten zum Besten der Eingeborenen, zu unserem eigenen Nutzen und zum Segen für unser geliebtes deutshes Vater- and!

M. Sch{hanz (Chemnitz) erörterte „die Baumwollfrage in den deutschen Kolonien“: Die in den leßten Jahren einge- tretene „Baumwollnot* und die dadur erfolgte Bedrohung überaus wichtiger wirtschaftliher Interessen haben einem großen Teile der deutshen Industrie und des deutschen Handels in einem besonders wichtigen Einzelfall greifbar nahegelegt, von welcher großen Wichtig- keit es unter Umständen sein kann, auf die natürlihen Hilfsmittel unserer Kolonien zurückgreifen zu können. Rohbaumwolle steht dem Werte nah an erster Stelle unserer Einfuhr, Baumwoll- waren nehmen in unserer Ausfuhr immer den ersten oder zweiten Plaß ein, die Baumwollindustrie in Deutschland liefert jährlich einen Produktionswert von rund einer Milliarde Mark und beschäftigt in ihren Betrieben direkt und in- direkt etwa eine Million Arbeiter. Es is also von größter Wichtigkeit, Rohbbaumwolle jederzeit in genüger Menge und hinreichend billig beziehen zu fönnen. Für den Welthandel kommen als Bezugsländer besonders Nordamerika, Ostindien und Aegypten in Betraht, und zwar in erster Linie Nordamerika, das der europäischen Industrie allein 80% ibres Bedarfs liefert. Aber au diese Hauptproduktionsgebiete haben lezthin eine Stockung in ihrem Ertrag aufgewiesen, die in Europa um fo s{ärfer bemerkt wurde, als Amerika und Ostindien einen immer steigenden Anteil ihrer Baumwollernte im eigenen Lande vet- arbeiten. Erzeugten die knappen Baumwollernten einerseits und der lagerte Wollbedarf andererseits einen natürlihen Mangel an Rohmaterial und gaben somit ene zu einer natürlichen Preis- steigerung, so benußte eine \frupellose Spekulation in den Ver- einigten Staaten diese Verhältnisse, um die Preise des so wihtigen Robmaterials ins Ungemessene in die Höhe zu treiben, und diese Gesamtverhältnifse geben zu den ernstesten Bedenken für die Zukunft der Baumwollindustrie Veranlassung. Am ungünstigsten steht aber in dieser Beziehung- Deutschland da; unsere großen Konkurrenten Amerika und England haben ihre eigenen Baumwollkulturen, Nord - amerika im eigenen Lande, England in Ostindien und Aen; Rußland bezieht dank der seit 25 Jahren planmäßig betriebenen Förderung seitens der Regierung bereits ein Drittel seiner Baumwolle aus Zentralasien; nur Deutschlands Riefenbaumwollindustrie ift gänzlih auf fremde Rohbaumwolle angewiesen, und deshalb wurde das Thema einer größeren Sicherung der Baumwoll- zufuhr auch zuerst in Deutshland auf die Tagesordnung geseßt. Nachdem verschiedene Anläufe in unjeren Kolonien zu feinem Resultate geführt hatten, nabn!: das Kolonial- wirtshaftlihe Komitee Anfang 1900 das Problem des Baumwoll- anbaues in unseren überseeischen Befizurgen definitiv in seinen Arbeitsplan auf und hat seitdem zielbewußt und mit bewunderns- werter Methode an der praktishen Lösung der Aufgabe ge- arbeitet. Das Komitee begann seine Tätigkeit in Togo, wo die Einführurg der Baumwollkultur als Volkskultur heute als gesihert gelten kann, und zwar strebè man hier die Erzielung einer einhbeitlihen, hohwertigen Marke ameri kani- \chen Charakters an. Auch in Kamerun und Südwest- afrika find Baumwollanbauversuhe im Gange bezw. geplant, be- sonders gut scheinen aber die Aussichten in Ostafrika zu liegen, auf das die Baumwollunternehmungen des Komitees 1902 ausgedehnt wurden. Den abweichenden lokalen Verhältnissen entsprechend, hat man die. Organisation hier wesentlich anders als in Togo gestaltet, sucht bauptfählih die vlantagenmäßig betriebenen Kulturversuche der Regierungsstationen, Kommunen, Pflanzungsgesell schaften und Missionen lebensfähig zu machen, und zwar handelt es si hier um ein Produkt ägyptishen Charakters. Rechnet man die für Baumwoll- anbau geeigneten Flächen in Togo ungefähr den entsprehenden Aegyptens glei, fo stehen in Deutsch-Ostafrika dafür noch weit größere Gebiete zur Verfügung. Der Beschaffung billiger und [eistungsfähiger Transportmittel, einer unerläßlihen Vor- bedingung für die Rentabilität der Kultur, hat man in Togo wie in Ostafrika die nôtige Aufmerksamkeit zugewandt. Mit der fabrikatorishen Prüfung der deutshen Kolonialbaum- wolle befaßten sich in Deutshland 50 der bedeutendsten Baumwoll- spinnereien und Webereien, und alle Urteile stimmen darin überein, daß sich das Produkt von Lieferung zu Lieferung verbessert hat und eine für die deutsche Industrie durhaus markt- gängige Ware darstellt. Fraglos sind noch große Schwierigkeiten zu überwinden, ehe man auf nennenswerte Quantitäten Baumwolle aus unseren Kolonien rehnen kann, aber daß Afrika au außerhalb der Grenzen Aegyptens in etwa 10 Jahren unter den Baumwolle liefernden Ländern eine Rolle spielen wird, darf man wohl mit E Le annehmen. Sind, dem deutschen Beispiel folgend, doh sämtliche europäischen Kolonialmähte in den Baumwollkultur- kampf eingetreten und baben ihre darauf bezüglichen Bestrebungen in der Hauptsache gleihfalls auf Afrika konzentriert, das man geradezu als „Baumwolland der Zukunft“ hingestellt hat. Das deutsche Kolonial- wirtschaftliche Komitee steht mit den verschiedenen Shwestergesell haften, besonders der englisben und der französishen, in regelmäßigem freund- schaftli®den Austausch betreffs der erzielten Erfahrungen, und der vor kurzem abgebaltene internationale Baumwollkongreß hat an alle Kolonialmächte Europas das dringende Ersuchen gerichtet, das Aeußerste zur Förderung des Baumwollbaues in ihren kolonialen Be- sißungen zu tun.

Nach diesem Vortrag wurde die erste Vollversammlung ge- \chlofsen. Am Nachmittag fanden ebenso wie an dem des gestrigen, zweiten Verhandlungstages Sitzungen der sieben Sektionen ftatt, deren Erörterungen der Geogravhie, Ethnologie und Naturkunde der Kolonien und überseeishen Interessengebie!e, der Tropenmedizin und Tropenbygiene, den rechtlihen und politishen, den religiösen und kulturellen, den wirts{aftlihen Verbältnissen der Kolonien, der Uebersiedelung in deutshe Kolonien und der Auswanderung in fremde Länder sowie den weltwirtscaftlichen Beziehungen zwifhen Deutshkand und seinen Kolonien und überseeishen Interessengebieten gewidmet waren.

Gestern vormittag wurde die zweite Plenarversammlung ab- |

gev. Professor Dr. Rathgen (Heidelberg) sprach über „die us8wanderung als weltgeshichtliches Problem“: Von der in der lezten Zeit ungeheuer gewrachsenen europäishen Aus- wanderung bildet die deutsche nur noch einen kleinen Teil Auch sonst hat sih seit dem Beginn der neuen deutshen Kolonialbewegung viel geändert. Deutschland ift ein Einwanderungéland geworden, noch stärker als England, das sich bereits zur Abwehr rüstet. Die bis- herigen Einwanderungéländer fangen an, ih der Zuwanderung zu erwehren. Es ist deshalb notwendig, unsere berkömmlihen An- cchauungen zu revidieren und die deutshen Tatsahen in den allgemeinen Zusammenhang zu stellen. Die europäische Auswanderung kommt aus anderen Gebieten als früber. Ihr Schwerpunkt ist von Nordwest nach Südost gerückt. Sie hat auch ihren Charakter verändert. Früher waren die Auswanderer maßgebend, die eine neue, selbständige Stellung suhten. Heute besteht die Masse aus Lohnarbeitern, die unselbständig bleiben. Die heutige europäishe Auswanderung steht im engsten Zusammenhang mit der Arbeiterwanderung als solzer. Deutschland if daran interessiert als Zuwanderungs-, als Durhwanderungéland, als Tranêportunternehmer.

von Liebert (Berlin) volkswirtshaftlihe Bedeutung einer starken Seemacht“ a Professor Dr. Jannas\ch (Berlin) „Argentinien als Wirt- Generalleutnants z. D. von Liebert {loß \sich eine lebhafte Diskussion an, in der Kammerherr Grafvon Dürckheim (Hannover) beantragte, folgende Refolution zu fafsen: „Der Kongreß begrüßt mit freudiger Genugtuung die durch den Staatssekretär des Reichsmarineamts in der Sizung der Budgetkommission des Reichstages vom 15. Februar 1905 angekündigte Erweiterung des Flottengesezes. Der Kongreß erblickt in einer starken Flotte den größten Macbtfaktor zur Erhaltung des S und zur Sicherung und Erstarkung des Vaterlands und seiner

Dabei sind aber die treibenden Motive der Auswanderer im wesentlichen die gleichen geblieben: die rein wirtshaftlichen. überall die Agrarverfassung in ihren Extremen großen geshlofsenen Besites oder zersplitterten Zwergbetriebes. Daneben spielen natür- lihe Wanderlust, politise Unzufriedenheit, religiöse Bedrückung nur eine geringe rung Gegenstand großer fonzentrierter, fapitalistischer Unternehmungen geworden ist, die am Fortgang der Auswanderung interessiert sind. S ante er der Auswanderung, die E uswanderungeunternehmungen und die Verschiebung der sozialen Machtverhältnisse in den ris y ay Entstehen der [ändern. 5 nationalen Vereinbarung über die internationalen Wanderungen hervorgerufen. hundert begann. Je energischer diese durhgefüh undert begann. Je energischer diese durhgeführt ist, wie im deut Weslen, um fo früher hörte die Auswanderung als ti auf. Das ift auch für den deutshen Osten zu wünshen. Was aber niht aufhören wird und was für die deutshe wirtshaftlihe Ent- wicklung wünschenswert bleibt, ift, daß Deutsche ihre Unternehmungs- lust im Auslande betätigen zum Nutzen des Vaterlandes.

Entscheidend ist fast

Rolle. Wichtig aber ist, daß die Auswanderungsbeförde-

ristenz der großen

in Einwanderungsländern erklären das er feindlihen Stimmung in den Einwanderungs- Diese Entwicklung hat den Gedanken einer inter-

1 Die deutshe Auswanderung war ein Anpafsungs- bei der großen sfonomishen Umwälzung, die im 18. Zahr:

Mafssenerscheinung

In zwei weiteren Borträgen behandelte Generalleutnant z. D. „die politishe, militärishe und

afts- und Auswanderungsgebiet“. An den Vortrag des

olonien.* Dieser Antrag wurde einstimmig angenommen.

Alsdann hielt Professor Dr. Stoerk (Greifswald) einen Vors trag über „die völferrehtlihe Staatengesellshaft und das kfoloniale Problem“. Er ging in Ergänzung der bisherigen, wesent- [ih der wirtschaftlichen Seite der Frage gewidmeten Ausführungen auf das Verhältnis näher ein, das auf Grund der völkerrehtlichen Grund- [agen zwishen dem Syftem der Staatengesellshaft und dem folonialen Problem besteht. Tief- oder Hochstand des Staats oder der Staaten- aiRatt läßt ih immer auch im jeweiligen Stande der kolonialen

ntwicklung einer Zeit ablösen. Der Vortragende zeigte, wie auch der Kleinstaat zur Zeit der Antike und im Mittel- alter seine BEA ausweitet, sein stetiges Recht verbreitet, an junge Siedlungen überträgt und auch gleihes Recht in national gleih- geordneten Rechtsinstituten auf beiden Länderstrecken schaft. Der spâtere, râumlich ausgedehnte Staat konnte erst territorial umfang- reihere Kolonien begründen und lebensvoll erbalten. Der Redner berührte dann die große follektivistishe Unternehmung der Kreuzzüge, die nur durch den Zusammenschluß der europäishen Staaten unter der Herrschaft des Zweishwertersystems möglih gewesen. Als der Câsaropapi8mus unter sein altes Machtniv:au sank, mußte die Flagge des Abendlandes an der Küste Kleinasiens wieder eingezogen werden. Immerhin hat auch der 200 jährige Bestand enge Berührung zwischen Europa und dem Orient, fruhtbare Nahwirkungen im Rehts- uxd Wirtschaftsleben der europäishen Staatengesellschaft hinterlassen. Kolonisation ersheint der späteren Welt als Auf- \{ließung und Angliederung der urstaatlihen Welt, als wichtige ethishe Pflicht obne RücksiŸht auf den klinzenden Erfolg des Unter- nehmens. Der Kulturstaat weiß, daß auch er und seine Geschicke, sein Gedeihen und seine Zukunft an den Kulturstand der fremden Welt gebunden find. Der moderne Ausdruck „Interessensphäre“ gibt dem modernen Staat auch materielle Impulse für die wirtschaft- liche, bygienishe 2c. Hebung der zur Zeit noch ‘unstaatlihen Welt. No immer behberrs{t zu sehr die romanhafte Vorstellung vom Reichtum der fernen Länderstrecken das Denken über das koloniale Problem. Durch diesen JIrrglauben lassen sih die zablreihen Kämpfe und Streitigkeiten über das Kolonialokkupationsrecht erklären. Der Kulturstaat ist Pionier nicht nur für seine eigenen Intereffen, fondern zugleich für die ganze Staatengesellshaft, und die an kolonialen Problemen beteiligten Mächte können nur mit vereinten Kräften die s{chwächeren und die noch tief unter ihnen stehenden Völkerschaften in heiliger Mission aufwärts führen auf dem steilen Wege menschlihen Fortschritts. /

Mit diesem Vortrage {loß die zweite Plenarversammlung d23 Kongrefses.

Nr. 40 des „Zentralblatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichsamt des Innern, vom 29. September, hat folgenden Inhalt: 1) Konsulatwesen: Ernennung; Ermäthtigung zur Vornahme von Zivilstandsakten; Entlafsungen; Todesfall; Erxequaturerteilung; Einziehung eines Vizekonsulats. 2) Militär- wesen: Zweiter Nachtrag zu dem Gefamtverzeicbnis der den Militär- anwärtern in den Bundeéstaaten vorbehaltenen Stellen. 3) Justize wesen: Aenderung des Verzeichnisses derjenigen Behörden (Kassen), an welche Ersuchen um Einziehung von Gerichtskosten zu richten sind. 4) Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reich3gebiet.

Handel und Gewerbe.

(Aus den im Reichsamt des Innern zusammengestellten „Nachrichten für Handel und ad ustete s

Veraleichende Ueber siht der Shlachtungen von Rindvieh

im Staate RioGrande doSul und am La Plata während

der Shlahtperiode 1904/05 bis Ende Juli 1905 und in den entsprehenden Zeiträumen der Vorjahre.

1905 1904 1903 1902

E 8 000 180 600 1210000 { 669 300 671 700 702 300 516 200 305 000

396 300 385 400 412 000 360000 375 000 1515000 19597 500 1901

1436000 1643 300 1900 144 800

1899 1898 91 500 101 000 105 600 617 100 568 800 640 400 665 400 329700 416700 400600 242 000 210000 ___ 232000 4270000 340-000 1297 600 18309600 1897

1412000 1353 000 1896 246 400

1895 1894 209 500 329 400 352 000 654 200 699 900 945 200 863 800 300 000 300 000 400 000 400 000 Rio Grande . 320000 215 000 280 000 387 000 zusammen 1520500 1424400 1954600 2002800.

Nachdem die Shlachisaison im Monat Juli 1905 auch in den La Platastaaten ges{lofsen worden ift, hat die Gesamtsumme der in Rio Grande do Sul und am La Plata in der abgelaufenen Saisoa ges{hlahteten Tiere die Zahl von 1 515 000 Stü erreidt, wovon 305 000 auf den Staat Rio Grande do Sul entfallen. (Bericht des Kaiserlichen Konfulats in Rio Grande do Sul vom 19. Augusi d. I)

Buenos Aires La Plata . Montevideo Rio Grande .

zusammen

Buenos Aires La Plata . Montevideo Rio Grande .

zusaminen

Buenos Aires La Plata . Montevideo

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