Mikrofilm 066-7985 Bild 5 scan diff

| h Dat: Ae nit T E N

mat R L E L A

rate S; ic in ties: i 4

“R E

Das „Journal de St. Pétersbourg“ spricht die Ueberzeugung aus, daß der Deutsche Reichstag zu der Ausdehnung des zwishen Preußen und Rußland abge- \chlossenen Vertrages auf ganz Deutschland seine Zu- stimmung geben werde. Die Verhältnisse seien derartig, daß es zu wünschen und zu hoffen sei, daß dieses Uebereinkommen niht vereinzelt bleiben werde. Vielmehr sei zu hoffen, daß es als Beispiel weiter werde befolgt werden im Jnteresse der Solidarität, die alle Monarchien verbinde und die \ih au der gesammten Gesellschast aufnöthige, welche sih gegen die Unternehmungen einer Verbrechergruppe zu \{chüßen wünsche, die sich keinen Zügel anlegt, wenn es sich darum handelt, ihre furchtbaren Leidenschaften zu befried*gèn.

Amcrika. Washington, 22. Januar. (W. T. B.) Der Senat berieth heute den mit Nicaragua abgeschlosse- nen Vertrag über den Kanal. Die Senatoren Morgan und Edmunds sprachen für die Genehmigung des Vertrages.

Das Comité der Repräsentantenkammer für die öffentlihen Ländereien hat der Kammer einen Bericht zugehen lassen, welher die Annahme eines Geseß- entwurfs befürwortet, der Ausländern oder anderen Personen, die niht amerikanishe Bürger sind, verbietet, in Amerika Gebiet zu erwerben.

Afrika. Egypten. (Allg. Corr.) Lord Wolseley telegraphirte an den Kriegs-Minister aus Kor ti, unter dem 20. Januar: Etwas Kavallerie und ein Kontingent des Kameel-Corps unternahmen von Handab aus eine Nekognoscirung elwa 35 Meilen auf der Straße nah Berber zu. Die Truppen begegneten nur wenigen Ein- geborenen, aber die Bevölkerung von Berber wird durch die Bewegung beunruhigt werden, da sie unseren Vormarsch quer dur die Wüste erwartet,

HZeitungsftimmen.

Dem Reichskanzler sind, wie die „Norddeutsche All- gemeine Zeitunç“ mittheilt, aus Anlaß der Neichstags- abstimmung vom 15. Dezember v. J. weitere Zustimmungen zugegangen :

aus dem Kreise Falkenberg O./S. cin Nawirag zu der {on er- wähnten Adresse mit zahlreichen Unterschriften,

aus Jantecken (Kr. Darkehmen) von Privatpersonen,

aus dem Kanton Neustadt a. H. von circa 100 Wählern des Neu- städtir Thales,

aus Bunziau mit 1972 Unterschriften,

aus Angermünde von 2924 Eingesessenen des Kreises,

aus Hameln im Anschluß an die bereits verzeihnete Adresse noch nachträglich von 557 Wählern,

aus Lindenfels im Odenwald mit zahlreichen Unterschriften,

aus Fürth i. D,, Fahrenbay, Lörzenbach, Ellenbah, Eulsbach und Schlierbah mit circa 150 Unterschriften,

aus Bamberg vcn Privatpersonen,

aus Beclin mit zahlreichen Unterschriften,

aus Müncheberg von den Mitgliedern des dortigen Militair-Unter- -

stützungsvereins,

aus Wriezen und Umgegend von 1135 Bürgern,

aus Potsdam von Privatpersonen,

aus Kehl mit 1918 Unterschriften aus Kehl und Umgegend,

aus Wernigerode mit 1687 Unterschriften aus der Stadt urd Um- gegend.

_— Der „Düsseldorfer Anzeiger“ stellt in einem Artikel „Wer hat Nußen von Getreidezölen“ folgende Be- trachtungen an :

Für Freisinnler und Freihändler, sowie für diejenigen Städter, welche noch für manchesterlihe Schlagworte empfänglih sind, ist es cine auêgemachte Sache, daß nur etwa 28 000 Großgrundbesitzer von der Erhöhung der Getreidezölle Vortheil haben würden und daß die sämmilihen übrigen Bewohner des Reichs diesen Vortheil ihnen aus threr eigenen Tasche bezahlen müssen. Wie völlig verkehrt und fal\ck diese Ansicht ist, mögen folgende Erwägungen zeigen.

Nab der im Novemberheft der Statistik des Reichs enthaltenen Srntestatisiik beträgt der Durchschnittsertrag für den Hektar bei Winterroggen bei 20 Ctr., bei Sommerroggen etwa 15 Ctr., bei Kar- toffeln 170 Ctr. Angenommen, daß der Besitzer eines Grundstücks von cinem Hektar, ein Drittel davon mit Winterroggen, cin Drittel mit Sommezkorn, das leßte Drittel wenigstens zum größern Theil mit

Kartoffeln bebaut, so erntet er 6F Ctr. Winterroggen, 5 Ctr. Sommers -

roggen und etwa 50 Ctr. Kartoffeln. Man fkann den Kartoffelver- brau für einen ftarken, an feinere Genüsse niht gewöhnten Magen auf den Kopf pro Tag auf zwei Pfund veranschlagen, das giebt sür das Jahr 730 Pfd., für eine Familie von 5 Köpfen 365 Ctr. Auf den Kopf rechnet man an Getreideverbrauch 33 tr. für das Jahr; doch ift es unter Vorausseßung starken Kartoffelverbraus, zumal wena noch Kohl, Hülsenfrüchte und Fleisch hinzukommen, kaum möglich, ein so großes Quantum zu verzehren, vielmehr wahrscheinli, daß eher der Kartoffelverbrauch gesteigert wird, um von den geernteten 115 Ctr, Geireide, welhes im Preise etwa dreimal so hoch steht als Kartoffeln, noch ein paar Centner verkaufen zu können. Dem- gemäß können Ackerwirthshasten von 1 ha {on zu den Kornverkaufenden gehören, haten mithin wescntlices Interesse an der Höhe dex Getreidepreise. Nun giebt es nach der landwirths{aftlihen Betriebsstatistikk Betriebe vnter 1 Hektar im Eanzen 2 302 652, über ein Hektar 2975 692, zue sammen 5 276 344. Was jene 2 302 652 unter ein Hektar umfassende Betriebe bedeuten, ergiebt ih {on daraus, daß die Zahl der jelbst- ständigen Landwirthe, wele niht nebenher Tagelöhnerci treiben und aus\cließlich dem Beruf zugehören, nah der Betrufsstatistik nur 2 252 531 beträgt.

Diese selbständigen Landwirthe werden also wobl aus\{ließlich den über 1 Hektar umfassenden Betrieben, deren Zabl 2 973 692 be- trägt, angehören, während die unter 1 Hektar umfassenden Betriebe zu cinem Theil mit von Tagelöhnern (die Zahl derartiger Landwirthe beträgt 866 493 nach der Berufsstatistik), zum anderen und zwar zum größeren Theil von industrieller Nebenarbeit leben, wie auch etwa noc 720000 Betriebe über 1 Hektar zu diesen leßteren Kategorien gehören dürften. Zugegeben, daß die unter 1 Hektar umfassen- den Béctriebde Korn zukaufen müssen, also keinen direkten Vortheil von Getreidezöllen haben, so fällt doch ins Gewicht, daß sie Nebendienste aus der Landwirthschaft (durch Tagelöhnerei) oder (und zum bei Weitem größeren Theile) aus irgend welchem anderen Ge- werbe haben. Man wird also jedenfalls die Bedürfnisse des eigentlich ute genden nd bauenden Standes nicht nah diesen in Neben-

erufen beschäftigten Betrieben bemessen können. Insofern die be- treffenden „Landwirthe“ auch ländwirthschastlihe Tagelöhner sind, richtet sich im Uebrigen ihr Jrteresse sehr wesentlich nach den Jn- teressen der arbeitgebenden Besißer der größeren Betriebe, von deren Prosperität die Höhe ihres Lohnes abhängt.

Fassen wir ins Auge, welche landwirthschaftlihe Fläche die einen und die anderen inne harten, fo ergiebt fic, daß die unter 1 ha um- fassenden Betriebe, deren Zahl 2 302 652 betrug, im Ganzen nur 771 455 ba Aer, Gartenland, Wiese, Weide, Obstgärten und Wein- berge innehaben, während die 2973 692 Betriebe, denen also aus den landwirthshaftliben Zöllen Nutzen entsteht, 831097517 ha sandwirthschastlich bebauter Flähe umfassen, von ciner landwirth- \chaftlich bebauten Gesämmifläde von 831868972 ha. Von dem Ertrage dieser hängt also nicht nur das Wobl und

Wehe der 2 252 531 selbständigen Landwirthe ab, sondern auch das-

-

jenige der zugleih in Tagelöhnerei beschäftigten 866 493 Landwirthe, ferner das der eigentliben, nichi gcundbesitenden 1 373 744 Tage- löbner, ferner das Scisal der 1 872 834 Knehte und Mägde, der 47 465 landwirth\s{chaftliwen Aufseher, sowie das der Dienstboten und Angehörigen, in Summa also das ganze aus\chließlid oder haupt- \ächlih in der Landwirthschaft thätige Personal von 18 704 038 Per- sonen, Demgegenüber kann die Zahl derjenigen, welche _Betriebe unter 1 ha haben und dabei in anderen Gewerben thätig sind, für die Beurtheilung der rein landwirthschaftlihen Bedürfnisse nit in Betracht kommen, weil sie eben ihre Subsistenzmittel nit allein dem landwirthschaftlihen Betriebe verdanken. Welchen Vortheil an- dere Erwerbszweige dur die Blüthe der Landwirthschaft haben, soll hier niht weiter ausgeführt werden. Worauf es uns ankam, war zu beweisen, wie läcberliÞch das Märben von den 28 900 Großgrund- besißern ist, die nach ,„freisinniger*“ Meinung allein von: Getreide- zôllen Nutzen haben sollen.

Die „Süddeutsche Presse“ berichtet :

Der \chwäbisbe Bauernverein hat gelegentlih seiner General- versammlung zu Mertingen Protest gegen das von einem Führer dieses Vereins gelegentlich der Reichstagswahl abgeschlossene Bündniß mit den Ultramontanen erlassen. Außerdem wurde Absendung einer Petition an den Reichstag behufs Herbeiführung erhöhter Getreide- zôlle bes{lofsen. Gutsbesißer Behrens von Burghof erklärte, daß es dem Landmanne nicht gleichgültig sein könne, von wem seine Interessen im Reichstage vertreten werdenz er glaube, daß der Bauernverein von Schwaben neu zu oroanisiren sei und sich auf eine nit ultramontane Unterlage und auf die Bismarscbe Reformpolitik stellen müsse. Die Autführungen fanden allgemeine Zuyfiimmung.

Statistische Nachrichten.

Nacch Mittheilung des Statistishen Amts der Stadt Berlin sind bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 11. Januar bis incl. 17. Januar d. I. zur Anmeldung gekommen : 126 Cheschließungen, 888 Lebendgeborene, 40 Todtgeborene und 577

Sterbefälle. Veterinärwesen.

In Bulgarien ist in der zweiten Hülste tes Monats No- vember v. J. die Rotkrankheit unter den Remontepferden aus- gebrochen. 38 Pferde, von denen 2 in Sofia und 36 inSchunla von der Krankheit befallen wurden, find ofort getödtet worden.

Gewerbe und Handel.

Das „Institut für kaufmännische Informationen und Inkasso * von W. Schimmelpfeng versendet soeben seinen Jahresbericht für 1884. 1

Die nâhste Börsenversammlung zu Essen findet am 26. Januar 1885 im Casino (bei C. Rothe) statt.

Die Direktion der Oldenburger Versicherungs- gesellschaft hat die Dividende für das Jahr 1884 auf 8 9% oder 24 M pro Aktie festgesetzt. |

Breslau, 23. Januar. (W. T. B.) Wie die „Schles. Ztg.“ berichtet, zeigte fih der Roheisenmarkt etwas fefter, nab- dem bekannt geworden war, taß die . Walzwerke auf 8 bis 12 Wochen mit Arbeit gut versorgt seien. Die Wodchen- produïtion betrug 8600 t. Der Preis für Puddel - Roheisen stellte fich auf 5,15 bis 520 Æ, für Gießerei - Roheisen auf 6 bis 6,50 A Die Walzeisenindusttie war etwas reger beschäf- ‘tigt, und în der zweiten Hälfte des Monats begann die Abarbeitung neuer Aufträge. Au die Grob- und Feineisenstrecken, sowie die Walzenstraßen für Spezialitäten waren im regen Betri-be, die Preise waren jedoch noch immer unverändert gcdrückt. Von Zink kamen in der letzten Zeit einige Posten von den Zinkweißfabriken 2c. zur Verladung. -

Bradford, 22, Januar. (W. T. B.) Wolle ges{chäftslos, Tendenz zu Gunsten der Käufer, wollene Garne ruhig, stetig, wollene Stoffe flauer. s 4

London, 22. Januar. (W. T. B.) Bei der gestrigen Wol[l- auktion waren Eröffnungépreise behauptet.

Buenos Ayres; 22. Januar. (W. T. B) Die argen- tinishe Regierung hat sür die Banknoten der Bank von Santa-Fé den Zwangscours angeordnet.

Verkehrs-Anstalten. Odessa, 22. Januar. (W. T. B.) Die Rhede ist mit u bedeckt, das Ein- und Auspassiren von Schiffen ift sehr er- wert. Sanitätswesen und NMALARZENSLSTA Türkei.

Durch Erlaß der Sanitätsverwaltung vom 10. Januar 1885 find die für die ottomanischen Häfen des Mittelländi)chen Meeres bestehenden Quarantänemaßregeln (,RN.-A.“ Nr. 7 vom 9, Januar 1885), wie folat, abgeändert worden:

1) Die Quarantäne für die Provenienzen aus Frankreich und Lee ist auf elne 24ftündige Beobactungéquarantäne herabgesetzt worden.

2) Für die Provenienzen aus Jtalien, Syanien und Algier be- steht fortan nur eine Quarantäne von 3 vollen Tagen, welche in jedem Hafen, in dem sih ein mit einem angestellten Arzte versehene Amtsstelle befindet (où existe un office pourvu de médecin sani- taire), abgehalten werden kann.

Dänemark.

Zufolge Bekanntmachung des Königlich dänischen Justiz-Ministe-

riums vom 14, Januar 1885 ift die für Schiffe aus den französischen

Mittelmeerhäfen und aus den zwischen der spanishen und belgischen j

Grenze belegenen französishen Häfen angeordnet gewesene Quarantäne (vergl. „R.-A.“ Nr. 158 und 271 vom 8. Juli und 17. November 1884} nunmehr aufgehoben. Dagegen werden die Bestimmungen des 2. Abschnittes T des Gesetzes vom 2. Juli 1880, betreffend die Maß- regeln gegen Einschleppung anfsteckender Krankheiten, bis auf Weiteres gegen folhe Schiffe zur Anwendung gebracht, welche von einem fran-

zösischen Hafen ankommen oder mit einem solchen in Verbindung ge-

standen oder Personen von einem derartigen Schiffe aufgenommen oder now an Bord haben. Griechenland.

Durch Erlaß der Königlih griehischen Regierung vom 24. Dezember 1884 L 4 Ses i 5. Sanuar 1885 ist die für Provenienzen aus Triest an Stelle der früher bestehenden 24 stündigen Beobachtungëquarantäne eingeführte einfahe ärztlihe Untersuchung. („N.-A.“ Nr. 11 vom 14, Januar 1885) auf die Proventenzen aus sämmtlichen österreichiswen Häfen ausgedehnt worden. j

Berlin, 23. Januax 1885.

Preußische Klassenlotterie. (Ohne Gewähr.)

Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 4. Klasse 171. Königlich preußischer Klassenlotterie fielen:

1 Bewinn von 120.000 6 auf Nr. 32 403.

1 Gewinn von 15 000 /( auf Nr. 18 625.

1 Gewinn von 6000 4 auf Nr. 48 008.

42 Gewinne von 3000 6 auf Nr. 69. 1468, 3316. 4041. 5507. 8192. 9829. 12037. 18407. 21038. 21 647. 31815. 38548. 40112. 42365. 50433. 50887. 51725. 55 265. 55 289. 56406. 57 767. 60584. 62445. 64118. 64 892, 65 684. 66 346. 66653. 67452. 67670. 72095. 72 900. 73 042. 73133. 81079, 86897. 88904. 90 208, 90 567, 91 667, 92 393.

53 Gewinne von 1500 #4 auf Nr. 632. 2276. 4429. D077. 0/06. (194. (021. 914 11793 136190 14227 14 306. 15 220. 20342. 23645. 24475. 24689. 26 163. 26 356. 26 799. 26912. 27 324, 29915. 35880. 36 197.

37 741. 38915. 41267. 42949. 44777. 46 746. 47 652, 48 031. 52095. 52314. 54579. 68 368. 61 780. 62 371, 69 990. 71712. 72260. 74919. 76924. 77 289. 84076. 86 497. 83 125. 90810. 90241. 90846. 91 244. 91 572.

69 Gewinne von 550 # auf Nr. 623. 1974. 3591. 5452, 5475. 5823. 6870. 7039. 7354. 7471. 8739. 8919,

9790. 10189. 11148. 13070. 13589 15378. 16080, 18 396. 18718. 19961. 20637. 20682. 21898. 22683, 24 811. 26 290. 26 894. 30096. 31517, 33520. 35482, 36 013. 36 494. 37781. 39671. 39862. 408321. 40372. 42 399. 46 090. 46108. 47659, 48382. 49864. 50409, 52 749. 54635. 58351. 58877. 59829. 69390. 69 554. 72195. 73137. 74552 76366. 78521. 82763. 84516. 84 684. 85814. 86 631. 87 503. 90485. 92039. 992 210. 92 311,

Kamerun. Ill. Son seit langer Zeit, schreibt Dr.

Pauli, werden durch Engländer und Deutshe vom Kamerun Palmöl, Palmkerne und Elfenbein auf den Weltmarkt ge- bracht, welche Produkte durch die Kamerunleute von den land- einwärts wohnenden Stämmen eingehandelt werden. Wie die Kamerun als Zwischenhändler bestrebt sind, von den benachbarten Stämmen durch den Tauschverkehr einen gehörigen Nutzen zu ziehen, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Handelseifer treibt sie dazu, daß sie oft wochenlang, begleitet von einer Anzahl ihrer Weiber, bei den Nacbbarn verbleiben, um viel Oel und Kerne auf einmal zu kaufen. Bislang wurde der Tausch- handel der Kamerun auf den thnen von den Weißen gegebenen Kredit betrieben, Der Europäer verleiht dem Scbwwarzen im guten Ver- trauen eine bestimmte Menge an Waaren (es ift dies das fo viel be- sprochene und geshmähte Trust-System, dessen allmählihe Abschaffung erst mit der Zeit zu erwarten steht). Für das vorgeschossene Darlehen bringen die Kamerun nun obige Produkte in mehr oder weniger großen Mengen zurück, welhe nach den von den Weißen innerhalb einer gewissen Grenze normirten Preisen, und gemäß dem ausgeliehenen Trust in Abrechnung gebra#t werden. Als Wertheinheit ist das Kru in Gebrau, welches den Negern als 1 £ angerechnet wird (den Namen Kru erklärt der Verfasser a!s noch aus der Zeit des Sklaven- handels herstammend. wo ein eingefangener Schwarzer vom Stamme der Kru-Neger den Werth von etwa 1 £ repräsentirte). Das Kru wird eingetheilt in 4 Kegg (Fässer) oder 8 Piggen (Eimer) oder 20 Barz; andererseits entsprewen dem Kru 10 Gallonen Palmsö]. Besonders interessant ist, nah Dr. Pauli, das Leben und Treiben und der Verkehr in den Faktoreien bezw. auf den Hulks, wenn bald na Sonnenaufgang (6 Uhr Morgens) die Neger mit Produkten in ihren Kanoes ankommen, um Waaren cinzutaushean. Mit großer Sclau- heit und listiger Verschlagenheit, viel bramarbasirender Beredsamkeit und zäher Autdauer suchen sie den Weißen zu übervortheilen. Daß Zeit Geld fei, ist ihnen unbekannt. Im Laufe der Jahre hat ih allmälich ergeben, daß für bestimmte Pcodukte aud gewisse Waaren vorwiegend zur Auszahlung kommen. Während von den vielen Tauschartikeln Zeuge, Gewehre, Pulver, Salz, Spirituosen, Taba, Cisentöpfe, Messingpfannen (Neptuns), Koffer, Beile, Perlen, Knöpfe, Nadeln, Klingeln, Kindertrompeten, Mundharmonikas, Glas- und Porzellanwaaren, Lampen und anderen Kleinigkeiten beim Cintaush für Palmkerre dem Schwarzen eine beliebige Auswahl zu- steht, muß er beim Verkauf cines Elfenbeinzahns cine gewisse Menge Salz und Taback als Bezahlung annehmen. Zur Zeit, als Dr. Pauli seinen Bericht verfaßte, im (Oktober vorigen Jahres) \tockte übrigens der Handel mit Elfenbein und wurde dieser Artikel von den Kamerun gar nicht mehr auf den Markt gebracht, weil die Weißen nit den von ihnen geforderten Preis zahlen wollten. Was die anderen Handeleartikel betrifft, so gebe man beispielsweise für den Werlh eines Kru (1 Pfd. Sterl.) den Eingeborenen an Waaren ab: 16 fathom (1 f. = 6 Fuß) common Prints, 12 fathom big Prints (geringere und bessere, bedruckte Baumwollzeuge voa 1 m Breite und 2 m Länge durchschnittlich), 60 head Tobacco (Bündel von je 7 bis 12 Tabadblättern). 1 Piggen werde glei 19 Strängen haselnußgroßer, bunter Perlen (der Strang zu 10 Stück) geschäßt; 1 Bar mache sich mit 10 thönernen Pfeifen bezahlt. Für 1 Ei zahle der Weiße eine Pfeife, für 3 Eier ein Bündel Tabak, für 1 Huhn Seife im Betrage von 1 Bar, für 1 Ente 2 Faden Zeug (also 1 Piggen), für eine mittlere Ziege 1 bis 2 Kru, vorwiegend in Salz. Zwei Tagereisen den Mungo- Fluß aufwärts erhalte man {on 2 Eier für 1 Pfeife: so wachse im Ver- hältniß der Werth der Waaren na dem Innern zu. Der Ver- kehr ift in Folge der Kreeks (kleinen Gewässer) lediglich auf das Wasser vermittelst der Kanoes angewiesea, welhe von den Kamerun äußerst ges{icki und {nell gelenkt werden. Die geringsten Kleinigkeiten, aber auch {were Sachen, wie Körbe mit eingeernteten Früchten, pflegen die Kamerunfrauen und Sklaven auf dem Kopf zu tragen, denn der seie Mann wird sich niemals mit einem {weren Gegenstande be- asten.

Die Große Allgemeine Gartenbau- Ausstellung, welche in den Tagen vom 5.—15. September d. F. in den Räumen der früheren Hygiene-Ausftellung stattfinden wird, ist bereits jeßt als gesichert zu betrahten. Dieselbe verspribt an Großartigkeit alle bisherigen gärtnerishen Schaustellungen zu übertreffen.

In ihrem zweiten Abonnements-Concert bradten vor- gestern Abend, im Saale der Sing-Akademie, die Herren Emile Sauret und Heinrich Grünfeld zunädst unter Mitwirkung der Herren Alfred Grünfeld (Pianist), T. Aulin und V. von Herzfeld ein Quintett in B-dur von G. Goldmark zum Vortrage. Gespielt wurde dieses lang andauernde, mit Überschwenglich süßen Melodien ausgestattete und durd Formlosigkeit und überraschende Wendungen den Zuhörer nur in Unruhe bringende Stück ganz vor- trefflich. Das Werk ist mehr ein Klavierstück, zu welbem die Stim- men der vier Saiten-Instrumente als Begleitung geseßt sind. Besonderen Reiz erhielt der Abend durÞ die Solovorträge des Hrn. Alfred Grünfeld, welcher si wieder als der mit eminenter Technik und \{öônem poesievollem Anscblage begabte Pianist erwies. MReicher Beifall folgte scinen Gaben. Hr. Sauret sptelte Ballade und Polonaise von Vieuxtemps mit dem ihm eigenen Feuer und vollendetr Technik. Ebenso bestätigte Hr. Heinriß Grünfeld von Neuem unsere Meinung, daß er seiner Begabung und Leistungs- fähigkeit nah als einer der ersten Cellospieler unserer Zeit anzusehen iff. Die Concertsängerin Fr. S{midt-Köhne füllte den vokalen Theil des Programms dur Liedervorträge aus. Die Sängerin besigt einen hellen hohen Sopran, bei welhem die Kopfstimme vor- nehmlich durch Fülle und Klang ausgezeichnet ist. Dazu kommt saubere Technik und gute Aussprache. Wir wünschten nur, daß zu diesen guten Eigenschaften der Ton mehr Wärme und mehr Beweglichkeit des Ausdrucks in der Klangfarbe gehabt hätte. Das Publikum zeihnete Frau Shmidt-Köhne durch reihen Beifall aus.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S cholz). Druck: W, Elsner.

Fünf Beilagen (eins{ließlih Börsen-Beilage).

Berlin:

[ 26

waltung ihrer

Erste Beilage

D E E R s E

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 20.

Berlin, Freitag, den 23. Januar

Nichtamfkliches.

Preußen. Berlin, 23 Januar. Cm weiteren Verlauf der gefirigen (31.) Sißung des Reichstages begann das Haus die erste Berathung des Entwurfs des Postspar- kassenge seßes.

Der Abg, Ackermann bemerkte, seine Fraktionsgenossen, namentlich seine sächsischen Landsleute in der ;xraktion, könnten der Vorlage nur sehr bedingt zustimmen. Er erinnere zu- nächst daran, daß man es hier mit einer Abänderung der Verfassung zu thun habe. Die Post sei nah der Verfassung zu einer einheitlich organisirten und verwalteten Verkehrs- anstalt bestimmt. Das Sammeln von Ersparnissen sei aber weder Gegenstand der Verkehrsanstalten, noch lasse es sih etwa unter das dem Reih ja ebenfalls -zu- gewiesene Bankreht unterbringen; denn die Sparkassen hätten keine Bankgeschäfte betrieben. Wenn nun frei- lih der Bundesrath die Verfassungsfrage nicht gestellt habe und die Mehrheit des Hauses die Vorlage annehme, dann sei ja eine Debatte über die hier vorhandene Abänderung der Verfassung überflüssig; immerhin ergebe sich aver, daß man es hier mit einer shwerwiegenden, die Kompetenzen des Reiches berührenden Frage zu thun habe, Die hohe Entwick-lung seines Sparkassenwesens verdanke Deutschland hauptsächlich den Gemeinden; diese hätten, ohne Unterstüßung vom Reich oder Staat zu verlangen, die Sparkassen gegründet und zur Blüthe gebracht lediglich zu humanen Zwecken und zu Nug und Frommen der Gesammtheit. Unter allen vor- handenen Sparkassen überwiegen denn auch die der Gemeinden bei Weitem; in Preußen gebe es neben .890 Gemeindespar- kassen nur 117 Vereins- und Privatsparkassen; in Bayern nur eine einzige Privatsparkasse neben 278 der Gemeinden; auch in Sachsen sei das System der Gemeindeverwaltung fast ausschließlich anerkannt, und in Baden gebe es 90 Sparkassen mit Gemeindebürgschaft und nur 18 ohne solche. Nun habe das System der Gemeindesparkassen sih bisher vorzüglich be- währt; die Beamten kämen dabei in nähere Beziehungen zu den Sparern. Die Organisation der Gemeindesparkassen passe si aLtenthalben den besonderen örtlihen Verhältnissen an, was bei den Postsparkassen niemals möglich sein werde. Der in den VMo- tiven der Vorlage den Gemeindekassen gemachte Vorwurf, die- selben dienten mehr dem Nutzen des Mittelstandes als dem der kleinen Leute, sei völlig unbegründet ; die Kassen dienten vielmehr den Fnteressen beider Kategorien gleihmäßig. Jn Preußen und Sachsen bestehe die Hälfte aller Sparer aus solchen, deren Guthaben die Summe von 150 # nicht über- steige. Auf die kleinenEinlagen unter 600 /4 kämen in Preußen und Sachsen 3,4 Millionen Einlegec ; auf die großen nur 0,9 Mil- lionen. Jm ganzen Reich gebe es etwa 6 Millionen Sparer; dabei kämen im Durchschnitt auf ein Sparkassenbuch 530 4 In Sachsen gehörten 26 Proz. der ganzen Bevölkerung zu den kleinen Einlegern, d. h. relativ 4 Mal so viel wie in England, dem Musterlande der Postsparkassen. Die Sparkasse in München habe 1882 26 Proz. ihrer Einlagen von Dienst- boten, 28 Proz. von Handwerkern und Arbeitern gehabt ; auf die einzelne Dienstboteneinlage seien im Durchschnitt 126 Á, auf die eines Arbeiters 127 F gekommen. Jn Württemberg seien 49 Proz. der Einlagen von Dienstboten mit je 54 6 gewesen; 38 Proz. von Arbeitern mit je 65 M im Durchschnitt. Jn Sachsen sei der Durchschnittsbetrag der Einlagen der kleinen Leute noch wesentlih geringer gewesen ; die größte Sparkasse dort, Dresden, nehme nur Ein- lagen bis zur Höhe von 600 4 an; der Durchshnittsbetrag des einzelnen Guthabens sei 182 /( Jn Leipzig, der zweit: größten Sparkasse, seien ?/ aller Einleger aus dem Dienst- boten- und Arbeiterstande. Der fernere Vorwurf der Motive gegen die Gemeinde-Sparkassen, daß sie wegen der wenigen Annahmestellen den ärmeren Klassen niht genug zugänglich seien, sei offenbar, seitdem das System der Sparmarken wehr und mehr Plaß greife, gänzlih gegenstandslos ; seitdem hätten denn auch die Einlagen der kleinen Leute noh mehr und mehr zugenommen. Jm Deutschen Reich seien 1881 Spar- marken zu 5 und 10 S bereits im Betrage von 1 300 000 verausgabt. Jn Sachsen werde in allen Werkstätten, Volks- s{ulen, Fabriken in dieser Weise gespart; jeder dritte Ein- wohner Sachsens sei jeßt Jnhaber eines Sparkassenbuchs. Die Motive bemängelten ferner bei den Gemeindesparkassen, daß die Uebertragbarkeit der Einlagen im Wege der Ver- einbarung niht zu erreichen sei. Auch dieser Vorwurf sei unbegründet ; in Rheinland, Westfalen, dem Königreih Sachsen, sei die Uebertragbarkeit bereits eingeführt; es werde davon aber ein außerordentlih geringer Gebrauch gemacht; in Sachsen hätten es nur 0,7 Proz. der Sparer gethan; in Berlin sollten seit Einführung der Uebertragbarkeit überhaupt nur 3 Fälle threr Anwendung vorgekommen sein. Es sei dann gesagt, daß die Gemeinden die Vermittelung der Post in Bezug auf die ihnen von diesen angebotene Verwaltung der Sparkassen niht angenommen hätten. Die Bedingungen der Post seien aber thatsählich unannehmbar. Wäh- rend gegenwärtig den sächsishen Gemeinden die Ver- Sparkassen nur 3,10 Millionen Mark koste, hätte die Post den Gemeinden für diese Ver- waltung 10,19 Millionen Mark abgenommen. Die Motive suchten die Befürchtung zu widerlegen, daß die Post: sparkassen die bestehenden Kommunalsparkassen schädigen würden. Leßteres würde allerdings der Fall sein, wenigstens, wenn die Postsparkassen mit den Privilegien der Vorlage ausgestattet würden, m Auslande habe man ähnliche Er- fahrungen gemaht. Vielleiht würden die großen Gemeinde- sparkassen dur die Konkurrenz der Postsparkassen unberührt bleiben. Gerade die mittleren und kleineren aber würden ganz ficher zu Grunde gehen, und gerade diese leßteren hätten in neuester Zeit um 30 Proz. zugenommen. Jn Sa@hsen seien ferner 284 Millionen Mark oder 70 Proz. des gesammten Spargut- habens Seitens der Sparkassen in Hypotheken angelegt. Wenn nun ein kleiner Gutsbesißer eine Hypothek gebrauhe, jo sei er zum Bürgermeister gegangen und sie sei ihm von diesem, welcher seine persönlihen Verhältnisse genau kenne, aus den kleinen Gemeindesparkassen gewährt worden. Auch in Preußen seien 73 Proz. der sämmtlihen Sparkassen

den lokalen Kreditbedürsnissen zugewandt. Das werde anders werden mit Einführung der Postsparkassen. Dann fließe das Gut- haben an die Staatskasse und der Hypothekenverkehr werde ganz empfindlih darunter leiden. So oft sei ferner geklagt wor- den über die gegenwärtige Ueberlastung der Gemeinden. Durch die Postsparkassen werde man den Gemeinden aber noch die Vortherle entziehèn, die sie bisher aus den Ueber- \{hüssen ihrer Sparkassen gehz2bt hätten. Das sei ein großer Schaden, der für die Gemeinden aus der Vorlage resulti- ren würde, Es gebe nun ja Gegaenen in Deutshland, wo das Sparkassenwesen noh wenig entwickelt sei, dort könnte ja die Post beauftragt werten, Sparei«lacen für Rehnung der einzelnen Gemeinden anzun:hmnen, um den Leuten das Sparena zu erleihtern, Wolle man die Postsparkassen überhaupt ein- f ihre, so werde im Geseß bestimmt werden müssen, daß erstens der Zinsfuß von 3 auf 21/, Proz herabgeseßt werde, daß zweitens die Maximaleinlagen nur höchstens 300 A statt 800 betragen dürften, und daß endlih auch sonst die Post- sparkassen in keiner Weise gegenüber den GBemeindesparkassen privilegirt seien. Eine Schädizung der Gemeindesparkassen wäre eine solche für das ganze Land.

Der Abg. Kall- erklörte, es seien vielerlei Bedenken, die gegen die Vorlage überhaupt vorgebraht würden. Jn Bezug auf das Bedenken, ob die Vorlage mit der Verfassung ver- einbar sei, genüge für ihn, daß sie von verschiedenen rechts- kundigen Männern im Bund: srath geprüft sei, und daß diese sih für dieselbe ausgesprohen hätten, Was das konstitutio- nelle Bedenken, die Furt vor allzugroßer Stärkung der Staats- gewalt dur die Postiparkassen betreffe, so weise er darauf hin, daß dieselven aus dem flassishen Lande des self governement gekommen seien ; er halte dieies Bedenken für nicht erheblih. Wiéh- tiger sei die Befürch'ung, daf; der Staat in Zeiten wirthschaftlicher oder politischer Krisen i: Verlegenheit gerathen könne. Die Erfahrungen, die in den Kriegsjahren 1866 und 1870/71 ge- macht worden seien, haben aber bewiesen, daß dieselbe nicht be- gründet sei. Fn Preußen hätten im Jahre 1866 bei den Sparkassen Rückzahlungen nur in unbedeutendem Umfange staitgefunden, nur die Einnahmen seien geringer gewesen ; und 1870 sei sogar das Guthaben z¿ewachsen, Jn Frankfurt a. M. seien 1866 nur 10 Proz mehr Rückzahlungen als Ein- zahlungen erfolgt. Jn Wien seien sogar 2 Millionen Gulden mehr eiv- als zurückgezahit. Jn ganz Frankreich sei 1870/1871 das Guthaven um 22 Proz, zurückgegangen, Diese Zahlen müßten sicher beruhigend wirken Gerade die kleineren Leute seien eben am wenigsten ängstlich und hätten am ehesten das Vertrauen bewahrt. Jedenfalls fei aber in dieser Hinsicht die größte Borsicht geboten. Man werde namentlih durh zweck- mäßige Anlage der Kapitalien und zweckmäßige Einrichtung der Kündigungsfristen dieser Gefahr vorbeugen müssen ; und nach dieser Richtung enthalte der dem Hause vorliegende Entwurf entschiedene Vorzüge gegenüber dem englischen und französischen Gese. Endlich werde eingewendet, daß die Postsparkassen die bestehenden Sparinstitute shädigen würden, Seine politischen Freunde und er erkennten das Verdienst der bestehenden Spar- kassen vol) und ganz an, insbesondere den hohen Werth, den sie gehabt hätten und noch hätten für die Befriedigung des lokalen Kredits. Er stimme vollständig dem Referenten auf dem Hannöverschen Sparkassentage bei, daß die Geschichte der Sparkassen ein Ehrenblatt in der Geschichte des deutschen Volkes sei. Er wolle deshalb alle Bedenken nach dieser Seite ernstlih prüfen, umsomehr, als manche seiner Freunde dieselben für so s{hwerwiegend erachtet hätten, daß sie die ganze Vorlage deshalb mit wenig günstigen Augen ansähen. Die bestehenden Sparkassen genügten dem Zwecke, den arbeitenden Klassen das Spa- ren zu ermöglichen, nit volikfommen. Es beständen freilich 3000 Sparkassen in ganz Deutschland, und die Einlagen in dieselben beliefen sih auf 3 Milliarden Mark. Aber es fehle ein gleich- mäßiges, großes Ney von Sparkassen; während das Spar- fafsenwesen in Sachsen, Hessen, Hannover, im Rheinland und Westfalen, in den Bezirken Oppeln und Liegniß reih aus- gebildet sei, komme im Osten nur auf 60 000 Einwohner eine Sparkasse. Und darunter gebe es Kassen, die nur ein- oder zweimal wöchentlih geöffnet seien, und die täglih zum großen Theil in den Mittagsstunden geschlossen seien. Auh die verschiedene Einrichtung der verschiedenen Kassen ershwere das Sparen. Diese Mängel seien übrigens nicht von der Regierung zuerst zur Sprache gebraht worden. Schon auf den deutschen Sparkassentagen seien sie wiederholt ausgesprochen und Abänderungen angeregt worden. Er freue sih, daß neuerdings auch vieles geschen sei, um Besserungen herbeizuführen; er denke namentlih an die Pfennigsparkassen. In seinem Wahlkreise allein seien 61“ Pfennigsparkassen ein- gerichtet worden. Den bestehenden Mißständen aber gründ- li Abhülfe zu schaffen, dazu seien nur die Post- sparkassen im Stande, namentlih auch in Hin- siht der Uebertragbarkeit der Einlagen. Daß die Post- sparkassen den Bedürfnissen gerade des kleinen Mannes ent- sprechen würden, bcweise der Umstand, daß im ersten Jahre des Bestehens derselben in Holland ein Drittel der Einlagen unter 1 Gulden und in Oesterreih 90 Proz. unter 5 Gulden betragen hätten. Der Rückgang der bestehenden Sparkassen nah Errichtung der Postsparkassen in England habe nur seinen Grund in der Verrottetheit der zur Zeit dort vorhandenen Privatsparkassen gehabt. Jn Frankrei sei eine solhe Schä- digung nicht eingetreten. Er wünsche aber eine Verbesserung der Vorlage im Sinne der an ihn herangetretenen Wünsche der Vertreter der bestehenden Sparkassen. Es möge in der Kommission namentlich die Frage des Zinsfußes, der Maximaleinlage, der Be- lehnung von Schuldverschreibungen erwogen werden. Es solle auch dafür Sorge getragen werden, daß niht mehr Geld als nothwendig nah der Centralstelle fließe; ein möglichst großer Vetrag solle den Sparkassen, die die nöthigen Garantieen bieten, verbleiben. Jn diesem Sinne bitte er, die Vorlage an eine Kommission zu verweisen und hoffe, daß das Deutsche Reich, das auf dem Gebiete des Arbeiter-Versiherungswe sens die Führung übernommen habe, nun auch auf dem Gebiete des Sparkassenwesens seine Pflicht erfüllen werde.

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Staatssekretär des Reihs:Postamts Dr. Stephan das Wort:

Meine Herren! J möchte glauben, es ist doch schr wesentlich,

1885.

daß die Diskussion über diesen äußerst wihtigen Plan nit zu fehr in den Flugsand technischer Details, die ja in der ausgiebigen Lite- ratur über diesen Gegenstand in der Tagesprefse, in den Verhand- lungen der verschiedenen Sparkafsentage aufgehäuft sind, sih verliere, und dadurcb die großen Gesichtspunkte, von denen die Bundesregierungen bei dieser Vorlage ausgehen, in den Hintergrund gedrängt werden. Die Vorlage ift lediglih ein Ausfluß des staatsmännischen Gedankens, welcher in der Allerhöhsten Botschaft vom 17. November 1881 niedergelegt ift, und alle Diejenigen, welche entschlossen sind, dem Banner dieser Kaiserlihen Sozialpolitik zu folgen, werden si, wie ih hoffe, auch mit dieser Vorlage befreunden. Die ver- bündeten Regierungen betrahten die Vorlage als ein wi- tiges Glied in der Reihe derjenigen Maßregeln, welche zur positiven Förderung des Volkswohles, namentlid des Wohles der unbemeittelten Klassen, der Arbeiter, der Landbevölkerung, kurz was man die breiten Schichten der Nation nennt, bestimmt sind.

Daß der Spartrieb ein wichtiger Faktor is zur Verbesserung und Hebung der wirthschaftlichen Verhältnisse, brauht ja hier vor dem hoben Haufe nit erwähnt zu werden. Ebensowenig braucht auf seinen Werth hingewiesen zu werden in moralisher Beziehung. Er ist aber auch gleichzeitig ein Element staatserhaltender Kraft, und es ift demnach gerade die Aufgabe einer weisen Politik den Spartrieb durch alle möglichen Mittel zu fördern. Nun soll zu diesem Zwecke der mächtige Organismus in Thätigkeit gesetzt werden, den das Reich in seiner großen Verkehrsanstalt besißt. Wir haben im Reiche gegenwärtig 14 Tausend und einige Postanstalten. Die Zahl der Posftsparkassen für das Gebiet, welches hier in Be- tracht kommt also aus\ch{ließlid Bayern beläuft sich gegenwärtig auf 3000, und es würde mit einem Shlage diese Summe um 12009 si erhöhen, wenn die Vorlage zur Annahme kommt. Es kommt jeßt eine Sparkasse auf je 13500 Einwohner und 155 gkm. Es würde nah dem Inslebentreten der neuen Organisation, wenn sie die Zustimmung der gesetzgebenden Faktoren erbält, künftig auf je 4500 Einwohner und je 49 gkm eine Sparkasse kommen. Das ift an sich {on ein ganz unermeßliher Erfolg.

Der geehrte Herr Vorredner hat Ihnen außerdem ein sehr leben- diges Bild davon entworfen, wie vershiedenartig die Sparkassen über die einzelnen Gaue Deutschlands vertheilt sind, wie viele Gegenden in diefer Beziehung noch der Aufhülfe bedürfen, wie die Einrichtungen gegenwärtig so beschaffen sind, daß sie für einen großen, vielleicht für den größten Theil der Landbevölkerung als absolut unbenuytbar sich erweisen, Dem gegenüber sind die Postanstalten jeden Tag zugänglich, zugänglich in der besten Tageszeit, sie find av8gerüftet mit den erforderlihen sachfkundigen Beamten, und wenn der Hr. Abg. Ackermann ib möwtte das hier gleih anknüpfen vorhin erwähnt bat, daß die Postbeamten den Sparern nicht so nahe treten wie die Gemeindebeamten, daß sie auch öfter wechseln, so möchte ih das gerade als einen Vorzug der neuen Einrichtung in Anspruch nehmen, indem die Beamten dann nicht so tief in die Verhältnisse hineinblicken, was den Sparern keines- wegs angenehm ift, eispielsweise vom Standpunkte der Veranlagung zur Steuer. Außer diem Personal besitzen die sämmtlichen Postanstalten die nöthigen Lokale, vie erforderlihen Kafsenbehälter und den noth- wendigen, durch das ganze Reich einheitlih ausgebildeten Kontrol- apparat, der ohne irgend welche Kosten zur Verfügung der großen Institution gestellt werden kann. Darüber hinaus gehi nun die ein- heitlihe Organisation ihrer Tausende sn Postanstalten, die durch das ganz Reich nah einer Norm entworfen sind. Diese einheitliche Organisation ermöglicht den ungeheuren Vortheil der ffreizügigkeit der Sparkassenbücher, was man gewöhnlich die Uebertragbarkeit be- nennt. Es ift auf diesen Punkt ein um so größerer Werth zu legen, als gerade die Arbeiterbevölkerung, für die diese Einrichtung besonders mitbestimmt ist, in der heutigen Zeit bei der ganzen Gestaltung unserer sozialen, unferer wirthshaftlihen und industriellen Verhält- nisse ja niht mehr seßhaft ift, sondern wesentli fluktuirend. selbst die Arbeiter auf dem Lande, wie Sie Alle wissen, in den Zeiten der Ecnte. Ih erinnere an die große Arbeiterbewegung während der Zuckerkampagne, wo die Arbeiter aus dem Westen, aus West- und Ostpreußen nad Sacfen gehen; ferner an die Arbeiter , die bei großen Tunnelbauten, Melîo- rationen, Kanalisationen, bei großen Eisenbahnbauten beschäftigt werden; an die Arbeiter, die während der Zeit der Ernte in andere Gegenden gehen, bei der Heuernte sowohl, wie bei der Körnerernte. Ferner, um ein Beispiel nochþ zu érwähnen, an die Ziegel- streicher aus Lippe-Detmold, welche aus ganz Deutshland in der Zeit, wo die Baubedürfnisse sih regeln, sich durch ganz Deutschland begeben. Bei denen ift es unbedingt nöthig, daß die leichte Ueber- tragbarkeit, die Freizügigkeit, wie man es nennt, der Sparkaffen durchgeführt wird, und sie kann in einer bequemen Weise nur durch- geführt werden dur die einheitlihe Institution der Postverwaltung. Daß diese Uebertragbarkeit in Sachsen bisher nur in geringem Maße in Anspruch genommen is, wie der geehrte Hr. Abg. Ackermann uns ausgeführt hat, das beweist niht, daß das Bedürfniß gering ift, sondern daß die Einrichtung nit genügt. Nach den Zahlen, die mir hier vorliegen, kamen in England auf die sogenannten cross entries im Jahre 1862, als die Postsparkassen begründet wurden, 4 °/o, im Jahre 1868 nach 6 Jahren waren diese Fälle shon auf 19 9%, also 1/5 der ganzen Sparkassenbücher, gestiegen. Sie sehen, von welher immensen Wichtigkeit gerade dieses Moment it, Sn Frankreih, wo die Sparkasse im Jahre 1881 eingerichtet ist, war im Jahre 1883 die Uebertragungszahl auf 5,98 0% gestiegen, und, was den Werth der Spareinlagen betrifft, jo betrug sie 8,44%/0. Es ift dies außerordentlih bedeutend. Die Postanstalten behandeln gegenwärtig \chon einen Geldverkehr von 16 000 Millionen Mark jährli, und darunter sind über 3000 Mil- lionen Mark, die in ganz einzelnen Beträgen durch die Hand der Postbeamten laufen, nämlich der sogenannte Bankverein der Post- anstalten, das ift also das Poftanweisungswesen, das Poftnachnahme- wesen der Wesel und sonstige Postbeträge. Sie sehen also, daß auch nach dieser Richtung hin die Postanstalt ficher ihren Zweck erreiben wird.

Neben diesen ftabilen Postanstalten besißen wir aber 20 000 mobile Postanstalten, das sind unsere Landbriesträger, die bis in den leßten Wohnort, bis in das äußerste leßte Wohnhaus tägli, und in sehr vielen Distrikten nach der eingreifenden neuen Organisation bereits zweimal täglich gehen. Da nun die Landbriefträger Postnach- nahimegelder annehmen, sogar die Zeitungsabonnementsgelder, die Postvorshüfse einziehen, so liegt nihts näher, als daß man die Frage in Erwägung zieht. daß sie die Postsparkassengelder direkt in Empfang nehmen, um dem Landmann, der nicht viel Zeit zu vergeuden hat, den Weg zur Postanstalt zu ersparen. :

In England ift von 1861—1882 die ungeheure Summe von 41 768 000 dur die Anstalten der Post niederg-:legt, in Italien von 1874 bis jeßt 174 Millionen Franks; in Frankreih von 1882, wo die Postsparkassen eingerihtet wurden, 105 Millionen Franks, in Oesterrei, wo die Einrihtung unlängst ins Leben getreten ist, 45 Millionen Gulden, in Belgien seit 1872, 52} Millionen ; in dem kleinen Lande, in Holland, wo sie eben erst ins Lebea getreten ist, 34 Millionen Gulden. Die Zahl in Indien, Kanada und Japan, wo ebenfalls Sparkassen der Post eingerichtet find, interessirt weiter nicht, ih habe sie au augenblicklich nicht vorliegen.

Diesen Erfolgen entspricht unsere Ueberzeugung, die ih naher noch näher motiviren werde, daß die Postsparkassen in keiner Weise gefährlihe Konkurrenten der Privat- und Gemeindesparkafsen ind,