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vielmehr friedliche Mitarbeiter zu demselben Zweck. Diesen Auf- fafsungen haben au die Beschlüsse der Postspar afsentage entsprochen. Sämmtliche Postsparkassentage, mit Ausnahme derjenigen von Sachfen, haben si für die Einrichtung der Postsparkafsen aus8gesprocben. _

Was Sachsen betrifft, so hat der Hr. Abg. Ackermarn ja nähere Ausführungen darüber gegeben. Er hat wiederholt betont: er von seinem sächsishea Standpunkte aus u. |. w. Ich bege zu der großen Auffassung des Hrn. Abg. Ackermann das Vertrauen, daß er si in dem Falle, wo es \sih um eine Reichseinrichtung handelt, als Ab- geordneter der deutschen Ration hier fühlen wird, und daß der sädsisde Standpunkt vielleicht do dagegen zurücktreten möchte, ins- besondere, wenn ich mir erlauben werde, ihm einige Zahlen anzu- geben, die geeignet sein dürften, eîwas Licht auf die von ibm angegebenen Thatsacben zu werfen. Es befinden fich in Sacbsen jeßt 178 Sparkassen, das is richtig, und das ist viel. Es werden sich nach Einricbtung der Rei&s-Posispar- fassen dort 5—600 Sparkassen befinden. Das ist entschieden dreimal mehr. Es fallen auf die Sparkassenbücher über 600 M Einzahlungen 185 000, im Ganzen 226 800000 M oder 6509/6 der gesammten Spareinlagen, im Durchschnitt auf das Buch 1226 4 Die durb- \chnittlihe Einzahlung des Einzelner betrug im Jahre 1881 104,2 M, die große Zahl der Bücher dort rührt also wohl zum Theil daher, daß wohlhabende Leute in Sachsen mehrere Bücher besißen, we8halb auch das Exempel der Rechnung pro Kopf nicht stimmt. :

Der Hr. Abg. Ackermann - hat erwähnt, daß wenn dik Posts iparkassen eingerichtet werden sollten, wenigstens gleiches Wasser und gleiber Wind für alle Sparkassen gemaht werden müßte. Er hat angeführt, daß tie Privilegien, wie er es nannte, die în dem Gesetze vorgesehen sind, die Portofreiheit unter Anderm, auch den anderen Kassen dann zu Theil werden müssen. Ja, meine Herren, wenn man das Gesetz do recht ansieht, so stellt fich eigentlich die Sache o dar, daß die Privilegien hier auf Seite der Gemeindes, Kreis- und Privat- sparkafsen sind gegenüber den Postsparkafsen, denn wer {reibt denn den Privatsparkassen ein so geringes Maximum vor, wie es hier vor- gesehen is ? Niemand. Wir haben Sparkassen, wo die Einlagen bis zu 40- und 50 000 M bereits gestiegen sind; ih könnte sie Ihnen nam- haft machen. Wer schreibt denn ferner den Privatsparkafsen den Zinéfuß vor, den sie geben dürfen? Ste dürfen einen höheren Zinsfuß als 30/0 geben, um si größere Kundschaft zu erwerben, und in Wirk- lihkeit thun sie das ja, denn der dur@snittlihe Zinsfuß in Deutsch- land ift beinahe 4 %/o. : i

Wenn dann der Hr. Abg. Ackermann die Angaben über England bier berichtigen zu sollen geglaubt hat, so ist zwar das den Ver- hältnissen entsprechend, was er angeführt hat, daß in England eine Reibe von Privatsparkassen eingegaugen find, nachdem die Post- sparkassen begründet sind. Es hat das aber seinen Grund in ganz speziellen Verhältnissen, die lediglih in England zutreffen, nämlich die U-fache des Rückgangs der Zahl der trastee-banks, wie man diese Ver- trauens\parkassen nannte, fehlte ihnen völlig: die Anlehnung an kom- munale Verbände fehlte, also eine große Stärke für unsere Gemeinde- {parkafsen. Es wurde ferner den trustees dîe Anschließung ihrer saving-banks und die Uebertragung der Einlagen an Post-saving- banks besonders erleitert, weil sie eben dem Bedürfniß nicht genügten. Es wurde ihnen au die Gewährung eines höheren Zinssaßes als bei den Postsparkafsen in England aufs äußerste erschwert. Also gerade das Ümgekehrte, als was Sie hier schen Es sind also besondere Um- stände, die die abweichenden Verhältnisse in England motiviren, fol- gern kann man daraus gar nichts.

Dann hat der geehrte Hr. Abg. Ackermann noch von den Zu- fällen gesprocen, die im Fall politisher Verwickelungen, im Falle eines Krieges, Aufruhrs u. f. wo. eintreten könnten. Ja, meine Herren, diese Frage istja natürlich sehr sorgfältig ventilirt worden. Man hat früher immer behauptet, England könne wohl Postsparkassen einrihten wegen seiner insularen Lage. Es hat das aber noch keinen kontinentalen Staat abgehalten, mit dieser höchst woblthätigen Einrichtung innerhalb seiner Grenzen vorzugehen, und der Grund davon ist einfa der, daß es eine Reihe von Vorkehrungen giebt, wel{e gegen einen solchen Zufall und die daraus im Augenblick entstehende Verwirrung des Geldmarktes {hüten können. Eine Reihe solcher Maßregeln is ja in diesem

Gese Ihnen vorgeschlagen ; es gehört dahin namentlich die Bildung

großer Reservefonds, dann die Anlegung der Werthe nicht aus\chließ- lid in Hypotheken oder in Staatépapieren u. dergl, sondern die Anlegung eines Theiles derselben in leiht flüssig zu macen- den Wewseln und anderen {nell verwerthbaren Papieren, ein Hauptvorzug der Postsparkafsen, den sie von Privat- und Gemeindekassen haben, die geneigt sind, die Fonds fester anzulegen, um höhere Zinsen zu haben. Ferner kann man auch daran denken, falls Nothfälle eintreten, daß Schayanwei]ungen ausgegeben werden können. Endlih beweisen die Erfahrungen, die vor- liezen, daß & mit fsolhen Zufällen durwaus nicht so ängstlid is. Es sind das die Erfahrungen aus dem französishen Kriege von 1870 und die Erfahrungen aus dem österreichischen Kriege von 1866, wo der Zudrang zu den Sparkassen keineswegs bedenkliche Dimensionen annahm, und wo die Sparkassen auch in der ersten Zeit gezahlt haben. Obgleich ja beide Nationen sehr erregt waren, beruhigte man sich doch bald, und in den ruhigen Gang der Sparkassen wurde nicht weiter eingegriffen. Es hat der Hr. Abg. Ackermann, wenn ich au s{ließlid das anführen darf, feine Ausführungen geschlossen mit einem Citate aus einem Werke des verewigten Präsidenten Lette, der gesagt haben soll, die Centralisation in einer einzigen Hand wäre unglücklich. Ja, meine Herren, wer will denn das? Das ist gar nicht unsre Absicht, diese Gelder zu centralisiren. Für fie bildet die Reichsverwaltung ja nur den Durchgangspunkt, sie sollen ja, wie §. 31 das vorsicht, auf die Landesregierungen auf deren Forderung abgegeben werden, damit dieselben diese Gelder auf Hypotheken legen können zur Förderung des Real- fFcedits, des Grundkredits; sie sollen ferner an die kommunalen Verbände, an Kreise und Bezirke abgegeben werden zum Zweck der Melioration des Landes, zu Kulturzwecken und dergl.; endlih sogar an Spar- kassen, die unter staatlicher Regelung und Aufsicht stehen. Es wird ih das im Großen und Ganzen so gestalten, wie der Hr. Abg. Acker- mann erwähnt hat, nämlich, daß die Post gewissermaßen einen Re- zeptor für die Sparkassen bilden soll. Die Post wird die Gelder mit ihren weitverzweigten Saugwarzen an sich ziehen und in großen Be- trägen an die Landesregierungen, an die betreffenden Kommunalverbände abgeben. Ic sehe in diesem Verfahren keine Schwierigkeiten. Der Landrath weiß im Kreise ebenso genau Bescheid wie die Stadt- verwaltung; sie haben ihre Bedürfnisse anzumelden und werden gewiß befriedigt werden. Alles, was ih bisher ausgeführt habe, dürfte ziemlich unwider- Ieglih sein; es sind das Thatsachen, deren Wahrheit über jeden Streit hinwegragt. _ Nun kommen Bedenken. Man sagt von sehr beachtenswerther Seite: die Postsparkassen werden den Kreis- und Gemeindesparkassen eine bedrohliche, cine gefährlihe Konkurrenz machen. Nun, meine Herren, wir werden die Chre haben, Ihnen in der Kommission, der ja doch der Gesegentwurf jedenfalls überwiesen werden wird, nähere Nachweise dafür beizubringen. Jh habe die Zahlen zwar auch alle hier, es würde aber zu weitläufig sein, das in der heutigen Generaldisfussion vorzulegen. Wir werden da nah- weisen, daß das Nebeneinanderbestehen der Privatsparkassen mit den Postsparkassen sich sehr wohl verträgt, daß kein Schade für die Krets- und Kommunalsparkafsen daraus entsteht; im Gegentheil, wir find aus den Gründen, die ich Ihnen angeführt habe, der Ansicht, daß die Kreissparkassen darin nur eine Stärkung ihrer Mittel sehen dürfen. Will man das nicht annehmen, so, glaube i, rennt man logisch in eine Sackgasse hinein; denn wenn Sie bei der Behauptung stehen bleiben, die Postsparkassen werden den Kreissyarkassen eine sehr gefährlihe Konkurrenz machen, so muß man weiter fragen: wenn das der Fall ist, so müssen doch die Postspar- fassen dem Publikum sehr angenehm, bei der PEUnpung fehr beliebt cin; q e aber dem Publikum fehr angenehm und beliebt, dann ist auch gar kein Grund vorhanden, warum das Reih nicht diese Einrichtung treffen soll.

Einrictung, die so zum Wohl der arbeitenden Klassen und der nie- deren Volks\cihten beiträgt, so s{leunig als möglich herbeizuführen. Meine Herren! Es liegen dietem G. seßentwurf 7 Jahre \{chwerer Arbeit und sebr ernster genauer Studien auf allen Gebieten des Spar- fassenwesens in allen europäischen Ländern, wo es eingeführt ist, zu Srunde. Wir sind aus diefen Studien und Arbeiten und Erfabrungen zu der vollen Ueberzeugung gelangt, daß die Postsvarkassen nicht die befürbtete nachtheilige Wirkung auf die Kreisspa:kassen und Gem. inde- \sparkassen haben werden, und er ift, nachdem wir zu dieser vollen Vebenzengung gelangt waren, sind wir mit cinem Vorschlage hervor- getreten, 1

Nun kommt now hinzu, daß ja in dem Geseß ganz besondere Schutmaßregeln füc die Privatiparkassen vorgesehen sind, wie ih dies {on vorhin bei der Widerlegung der Anführungen des Hrn. Abg. Ackermann erwähnte, nämlich daß das Maximum auf einen sehr geringen Bctrag beshränkt ift, und daß die Zinsen auch sehr viel niedriger sind, als bei dea Kreis- und Kommunal- \parkassen. Ich sehe auch nit ein, warum Jemand in einer Stadt, wo er die G-meindesparkasse ebenso nabe hat wie die Posft- sparkafsen. nit zu den Kommunalsparkassen gehen soll, wo er doch mebr Zinsen bekommt, und welche dow auch fiber sind. Ich glaube, er wird sich sogar die Kommunalsparkasse heraussuhen, weil er da für sein Geld mehr Zinsen bekommt. i : Wir haben au die Genugthuung, daß die Kreis- und Gemeinde- \sparkassen gleich bei der erften Ankündigung dieses Geseßes im vorigen Sahre, als die erste Nachricht in das Publikum drang, ihre Statuten mit der äußersten Gewissenhaftigkeit v.rbessert haben; gewiß cin Zeichen, daß sie bisher nit allen Anforderungen genügt haben, wie vorhin behauptet ist Jch lese au gerade bier in den Verhand- lungen des Sparkassentages in Wrimar von einem Landsmann des Herrn Abg. Ackermann: Herr Regierungs-Rath Dr, Roscher in Dresden vertrat auf diesem Sparkassentage Folgendes:

Sind nun unsere Sparkassen wirkli, was sie sein sollten, sind fie Ansammlungs-, Bewahrungs- und Vermehrungs8orte für Ersparnisse und kleine Vermögensbestände Minderbemittelter ? Von Vielen wird diese Frage wohl bejaht werden Denn noch in den letzten Jahren betrachteten die meisten öffentlichen Stimmen cin Steigen oder Sinken des Einlegerguthabens der Sparkassen als ein Symptom besserer oder s{le{terer Erwerbsverhältnisse des Arbeiterstandes. .

Nun führt er cinige Zahlen an und fährt dann fort:

Diese Zahlen bedeuten in anderer Fassung: von den 1701 Miliionen Mark, welche in den preußishen Sparkassen nieder- gelegt sind, gehören etwa F, oder 1300 Millionen bemititelten Leuten, wele im Durcschnitt einen Betrag von 1900 # in der Sparkasse haben, dagegen nur 64 Millionen Mark, oder 1/20, E Leuten, welche ein Guthaben von nicht mehr als 150 46

esiben.

V ähnlich spricht fich hier eine andere Stimme aus:

Niemand kann die Bedeutung verkennen, welche den befstehen- den Sparkassen für die wirthschaftlihen Verhältniss e ihrer Bezirke beiwohnt. Als wir unlängst in diesen Spalten die Ergebnisse der preußischen Sparkassenstatistik für das Jahr 1882 mittheilten, wiesen wir darauf hin, daß mehr als eine Milliarde der Sparkafsen- gelder durch Anlegung in Hypotheken dem lokalen Grundkredit nußbar gemacht ist. Etwa 200 Millionen sind gegen Schuldscbein, Wechsel und Faustpfand ausgeliehen und kommen zum großen Theil dem kleineren Gewerbebetrieb zu Gute. Ihre Bedeutung für die Gemeindefinanzen erhellt aus der Thatsache, daß im Jahre 1882 aus den Ucberschüssen der Sparer 6 Millionen von den Gemein- den 2c. zu gemeinnüßzigen Zwecken verwendet worden sind.

Gerade dieser leßte Umstand müßte aber Bedenken erwecken, wenn es si bei den den Kommunalspa:kassen zugeflossenen Sum- men wirkli im Wesentlichen um die Sparpfennige des kleinen Mannes handelte. Denn es würde der Gerechtigkeit widersprechen, wenn Ueberschüsse, welhe aus der Verwaltung der Erspar- nisse der ärmeren Klassen herrühren, dazu verwendet würden, um Ge- meindeausgaben zu deen, deren Bestreitung naturgemäß den Bemit- telteren obliegt. j

Unsere Sparkassen sind Depöositenbanken der mittleren Kapita- listen geworden.

Das ist vielleicht etwas übertrieben, aber im Großen und Ganzen, glaube i, ift es wahr, denn nah den Uebersichten, die wir von einigen Sparkassen erlangt haben, sind sie in der That da zur An- legung von Kapitalien und niht zur Sammlung der Ersparnisse kleiner Leute; die Summe der Einlagen ist seit 1873 bis 1882 um 364%, die Zahl der Bücher aber nur ‘um 241%. ge- stiegen, also dur&schnittlib das auf ein Buch fallende Guthaben von 356 4 auf 544 4. Es beweist das in der That, daß die Spar- fassen den Zwcck, welchem sie eigentlich dienen sollen, nit erfüllen. Es ift auch nicht nöthig, daß sie ihn erfüllen, weil die Postsparkassen für die Masse der kleinen Leute, der Arbeiter und der Landbevöl- terung eintreten sollen. Es sind das diejenigen tiefliegenden Schichten, in welche die Sparkassen mit ihren Einrichtungen nicht hineindrin- gen, welche aber unbedingt durch die Organe der Postverwaltung nuß- bar gemaht werden, die sih wie tausende von abyssinishen Brunnen in jene tieferen Schichten hineinsenken und das besruhtende Clement emyorfördern werden.

* Was dann die Verwaltung betrifft, so ist keineswegs die Ab- sit, sie den Postkassen zu übertragen, welche threr ganzen bureau- kfratishen Organisation nach dafür nicht geeignet sein würden, son- dern es ist die Absicht, dafür ein Centralorgan zu {afen ‘und zwar dergestalt, daß die Verwaltung einstweilen der Verwaltung des Reichs- JInvalidenfonds Übertragen wird. Diese Verwaltung ist durch Geseß begründet, sie giebt alle konstitutionellen Garantien für cine geseßliche Geschäftsführung und Verwaltung, für die Ueber- wachung der Verwendung der Gelder, es hat si ein ganz bestimmter Geschäftsgang schon herausgestellt zwishen Bundesrath und Reichstag und dieser Verwaltung des Reichs-Invalidenfonds, die Formen sind gefunden, die Erfahrungen sind gemacht und ich glaube, daß diese Verwaltung nah den Resultaten ihrer bisherigen Geschäftsführung in der An auch befähigt ist, die Verwaltung der Sparkafsengelder zu über- nehmen. Hierauf, meine Herren, möchte ich mich gegenwärtig vorläufig beschränken, indem ih mir vorbehalten muß, auf Einzelheiten, so weit sie hier vorgebracht werden sollten, jeder Zät näher einzugehen und auch in der Kommission, sei es persönlich, sei es durh meine Herren Kommissarien alle Aufklärungen zu geben, die ih für nöthig halte.

Ih sprach von ‘dem Hauptcharakter der Vorlage und ich möchte es \{ließlich nochmals betonen: es ist dies ja keine Vorlage, die irgendwie die politishen Parteiinteressen zum Kampfe ‘in die Schranken ruft ; es ist dies auch keine Vorlage, die das empfindliche Gebiet der Finanzen irgendwie berührt, denn das Reih will keine UVebershüsse aus der Sache ziehen, die Uebershüsse sollen den Sparern, abweichend von den Privatsparkassen, zu Gute kommen, nachdem die Ausgaben des Reihs aus den Zinsen gedeckt worden sind. Es kommt also hier eine Finanzfrage gar nicht in Betracht. Auch die aufregenden Fragen der Zoll- und Steuerpolitik haben hiermit nichts zu thun, sondern die Vorlage will in vollster Neutralität und Objek- tivität. weiter nichts, als das Wohl des Volkes und namentlich der breiten unteren Schichten fördern. Erweckten Sie diese Einrichtung durch Jhre Genehmigung zum Leben und seien Sie sicher, daß si fegensreihe Folgen für das Vaterland daran knüpfen werden.

Der Abg. Schenck führte aus, der Sparsinn werde ja am besten dur Vermehrung der Spargelegenheit gefördert. So- weit die Vorlage hierauf abziele, stehe er durhaus auf dem Boden derselben. Wenn aber den Postanstalten noch. weitere Funktionen gegeben werden sollten, wenn sie die Gelder ver- walten und anlegen sollten, so sei das doch sehr bedenklich. Seine Partei stehe hier noch auf demselben Standpunkte, den der General:-Postmeister Stephan im Jahre 1878 eingenommen

wesen in Deutschland habe sich allgemein bedeutend ge- hoben ; es hätten sich Sparkassenverbände, darunter zum Bei- spiel ein „Deutsch. r Sparkassenverband“, gebildet; Pfennig- sparkassen scien eingerichtet worden. Diese Sparkassen jeßt durch eine Konkurrenz zu schädigen, sei bedenklih. Wenn vielleicht auch einige wenige der vorhandenen Gemeindespar- fassen ihre cigentlihe Aufgaben vergessen hätten und mehr auf die Ansammlung großer Kapitalien bedaht seien, als auf Spareinlagen des kleinen Mannes, so vershwänden diese Fälle doch gegenüber der ganzen großartigen Entwickelung des deutschen Sparkassenwesens vollständig. Die Post sollte, statt die Gelder zu verwalten, vielmehr dieselben nur annehmen dürfen und sie dann den bestehenden kommunalen Spar- fassen übermitteln. Es sei ferner“ nicht acceptabel für ihn, daß, wie es die Vorlage wolle, die Postsparkassen- einlagen an einer Stelle centralisirt werden sollten. Die Centralstelle könne über die Verwendung der Gelder im Interesse der einzelnen Landestheile niht richtig entscheiden. Es solle zwar ein Theil an die Landesregierungen überwiesen werden, aber das werde wohl nur in seltenen Fällen ge- schehen. Es sei sehr fraglih, ob die Anlage der Gelder wirklich im Interesse der kleineren Leute erfolgen könne. Eine solhe Centrolbehörde werde sich niht gern mit vielen kleineren Ge‘chästen abgeben, sondern lieber größere zu machen suchen. Das sei sein shwerwiegendstes Bedenken. Bei irgend welchen Krisen, {l chten Konjunkturen U. 1: W. würden die Kündigungen der Gelder so zahlreich sein, daß das Reich vielleicht niht allen Ansprüchen zugleih werde genügen können. Wenn dann das Reich von dem ihm nach dem Gesetz zustehenden Recht der Verlängerung der Kündigungsfrist Ge- ¿rauh made, so werde wieder der Sparer gescchädig! werden. Mit einer kommissarischen Berathung der Vorlage sei er ein- veistanden. Der Abg. Günther (Sachsen) bemerkte, (auf der Four-

nalistentribüne {chwer verständlich), es handele sich hier nicht

um speziell sächsische, sondern um allgemein deutshe Jutereßsen ;

aber auch von diesem Standpunkt würden die Vortheile, die

die Vorlage gewähren könne, durh die Nachtheile derselben

überwogen werden. Er sei durchaus kein Gegner der Aus-

dehnung des staatlichen Einflusses im wirthschaftlihen Leben ;

er stehe völlig auf dem Boden der Kaiserlihen Botschaft

vom 17. Nooember 1881; gleihwohl aber müsse er sagen,

die staatliche Konkurrenz gegenüber den blühenden Gemeinde-

spartassen sci vom Uebel. Hier wolle man ein großes Staats-

fapital gründen und damit den kleineren Sparkassenkapitalien

Konkurrenz machen, während man sonst immer die Aufzehrung

und Vernichtung des kleinen Kapitals durch das Großkapital

beklage. Während jeßt die Sparkasseneinlagen für Gemeinden

und fleine Leute nußbar gemacht seien, werde die Post mit

ihren Einlagen größere Finanzoperationen vornehmen müssen ;

sie würde das Geld in Papieren anlegen müssen, und dadur

von der Börse abhängig werden, während die kleinen Kapitalien

dem ländlichen Kredit, dem sie vorzugsweise bisher gedient

hätten, verloren gehen würden. Die kleinen Bauern würden

dem Wudterer in die Arme getrieben werden. Er bitte, die

Vorlage einer Kommission zu überweisen, welche hauptsächlich

darauf ihr Augenmerk zu rihten haben werde, daß es zu

mas Verständigung mit der Post und den Privatsparkassen

omine.

Der Abg. von Helldorf} erklärte, seine Partei verkenne

niht den großen sozialen Werth der Postsparkassen ; sie er-

kenne denselben einen großen Fortschritt im nteresse der

Bevölkerung. Jndessen müsse das Gese noch mehrfach ab-

geändert werden, namentlih in dem Sinne, daß der kleine Kredit sür den Landmann nicht erschüttert werde. Auch in

Bezug auf die Höhe der Einlagen treffe die Vorlage wohl

niht das Richtige; er hoffe, die Kommissionsberathungen würden dahin führen, daß man sich über eine brauchbare Fassung der Vorlage verständigen werde.

Der Abg. Dr. Windthorst bemerkte, au bei seinen Freun- den seien lebhafte Bedenken gegen die Vorlage geäußert wor- den; es scheine sogar , daß die Bedenken überwiegen würdeu. Vor allen Dingen biete die Vorlage verfassungsrehtlihe Schwierig- keiten ; sie erweitere die Kompetenz des Reichs, und jeder einzelne Staat werde berechtigt sein, ein solhes Gefeß, als der Verfassung widersprechend, bei fih niht zur Ausführung zu bringen. Zwar gehöre das Postwesen zur Kompetenz des Reiches, hier handele es sich aber niht um eine Posteinrihtung, fondern um Verstaatlichung des ganzen Sparwesens. Es lägen ferner s{hwere soziale Bedenken vor; es handele sih um Kon- zentration der Ersparnisse der ganzen Nation; die kleineren Spar- fassen würden allmählich aufhören und alle Einlagen in bie große Centralstelle Berlin fließen. Man solle niht alle einzelnen Adern in einem Körper blutleer machen und das Blut in einem einzigen Gefäß des Körpers sammeln. Ganz unzweifel- haft würde der gesammte Kreditverkehr durch die Vorlage be- einflußt werden. Mit vollem Reht wünschten die Herren aus Sachsen nicht, daß das sächsishe Kapital nah Berlin fließe. Konzentration des Kapitals in einer Hand, Direktion dessel- ben in Berlin, alle Gefahren, die das habe, zusammengerehnet, würden wohl die Vortheile der Vorlage aufwiegen. Es werde ein Hebel für die Unifikation des Reichs, für die Beseitigung der Einzelstaaten geschaffen; das sei ein wichtiges politisches Bedenken. Bezüglich der Vorlage im Einzelnen behalte er sih vorläufig natürli die Hand frei und sei für kommissa- rishe Bexathung.

Der Staatssekretär des Reichs-Postamts, Dr, Stephan entgegnete, bei dem Vorredner werde man niemals klar; bei demselben gerathe man stets ins Ungewisse, derselbe sei der Vater aller Hindernisse, Auf deyen Verfassungsbedenken er- widere er, daß der Entwurf im Bundesrath die Zustimmung der verbündeten Regierungen erhalten habe. Wenn der Abg. Windthorst von einer beabsichtigten Verstaatlihung des ganzen Sparkassenwesens sprehe, so wisse er niht, welches die Quelle für dessen Behauptung sei. An keinem Punkte der Vorlage oder der Motive sei davon die Rede. Ein solhes Vorgehen würde auch im Bundesrath auf den entschiedensten Widerspruch stoßen, und nicht zum wenigsten von Seiten Preußens. Daß die jet bestehenden Sparkassen niht aufhören würden, sei schon von anderen Rednern und ihm felbst nachgewiesen. Von der Absicht der Unifikation und Uebersührung des ge- sammten kleinen Kapitals nah Berlin stehe auch nirgends in der Vorlage etwas. Ein solches Bestreben würde auch für die Gesundheit des Reiches und der Staaten sehr nachtheilig werden, und die Regierung würde deshalb einer solhen Maß- regel nie ihre Zustimmung geben. Das Geseh verfolge keine andere Tendenz, als die, das Wohl der arbeitenden Klassen zu fördern.

Der Abg. Stolle erklärte, seine Partei halte es niht für

habe, wo derselbe ebenfalls folche erweiterten Aufgaben der Post

Im Gegentheil, das Reich ist dann erst ret verpflichiet, cine

nicht für zuträglich gehalten : habe. Das Sparkassen-

nüßlih, das Sparen künstlih zu erzeugen, wie es die Vor-

lage wolle. Bis jeßt scì noch nit das geringste Ltichhaltige Argument gegen die Genteindefvärkäsen. LUOEe E Made Auch habe diese Vorlage außer der wirthschaftlicen noch eine politische Seite, die eben der Abg. Windthorst schon hervor- gehoben habe. Man solle lieber für bessere Arbeitslöhne sorgen, statt diese Postsparkassen zu gründen; man solle lieber den überlasteten Gemeinden helfen, wie man es auch bei Einfüh- rung des Zolltarifs verheißen habe, man solle aber nit die Gemeinden noch weiter s{ädigen, indem man ihnen die Sparkassenüberschüsse nehme. Ein -Hauptvortheil der bis- herigen Sparkassen sei, daß sie den kleinen Leuten Kredit a egeben hätten. Was werde aber mit dem großen Central- fonds geschehen, in welchen die Postspareinlagen zusammen- fließen werden? Die Ansammlung fo gewaltiger Kapitalien in einer Hand sei ferner cin höchst gefährlihes Machtmittel für die Regierenden, das er den Leßteren niht gewähren e a e O U E für eine Kommissions- g, londern bitte die Vorlage einfa ) ; Bann E as L Con sei. s ) 9 OReE er Abg. Dr. Windthorst erwiderte, er begreife nit, wie der Staatssekretär sih mit solcher Seiten Et gegen ihn habe erklären können, und er wisse niht, ob überhaupt ein Vertreter der verbündeten Regierungen berechtigt sei, sich so gegen ein Mitglied des Hauses zu äußern. És scheine, als ob der Vorgang in gewissen der Regierung nahe stehen- den Vlättern ihn (den Redner) ohne Maß anzugreifen, an- steckde. Er werde angegriffen, obwohl er nur gesagt habe, was die Redner vor ihm doch gleihfalls ausgesprochen hätten. Hätten die Abgg. Ackermann und Günther nicht die- selben Hindernisse bereitet? Und sei man nicht hier, um die Bedenken gegen eine Sache nah allen Rich- tungen hervorzukehren? Derartige Angriffe würden ihn nicht abhalten, Vorlagen der Negierung zu fkritisiren. Hindernisse beseitige man übrigens in solWher,Weise nit. Der Reichstag dürfe sih nicht beruhigen, weil eine Vorlage der verbündeten Regierungen vorliege. Solle man, wenn im Bundesrath verfassungsmäßige Rechte der Einzelstaaten auf- gegeben würden, hier dazu stillshweigen? Solle das Haus nicht seine Stimme erheben, wenn von der Post oder der Eisenbahn darüber hinweggefahren werde? Der Effekt der Borlage werde die Konzentration der Ersparnisse sein, auch wenn dieselbe nicht beabsiht werde, und was für Folgen diese Konzentration würde haben können, werde man ja schen. Daß ein solhes Kapital unifizirend wirken müsse, wisse Jeder, der die Entwickelung der Staaten vcrfolge und die Bedeutung des Kapitals kenne.

Der Staatssekretär des Reichspostamts Dr, Stephan erklärte, er sei viel zu lange im Parlament, um unangenehm berührt zu werden, wenn gegen eine von ihm eingebrachte Vorlage Bedenken geäußert würden, und ebenfo wenig könne es ihn irritiren, wenn eine Arbeit, die ihm sauer geworden sei, den Beifall einiger Redner nicht finde. Ob dieselbe auch den des Hauses nicht finden werde, das werde sih später zeigen. Wenn ihn etwas unangenehm berühren könne, fo wäre es nur, wenn die Wohlthat, die durch diese Vor- lage dem Lande erwiesen werden solle, aus den Ein- wänden, die man eben gehört habe, dem Lande sollte vor- enthalten bleiben. Persönlih bemerke er, es sei ein alter Sah im parlamentarischen Leben, daß man dem Gegner keine anderen Motive unterschieben solle, als die derselbe selbst aus- gesprochen habe. Der Abg. Windthorst habe aber ausdrüdlih den Regierungen die Absicht der Verstaatlihung des Sparkassen- wesens untergeshoben; und dann die Absicht, alle Kapitalien aus diesem Unternehmen in Berlin zu nereinigen. Daß ex sich dagegen Namens der Regierungen zur Wehre seßen müsse, werde man gewiß begreiflih finden.

_ Die Vorlage wurde einer Kommission von 21 Mitgliedern Pte a ;

ierauf vertagle sich das Haus um 5 Freitag 12 Uhr. ai 9 E

In der gestrigen (6.) Sizung des Hauses der Abgeordneten erklärte bei der ersten Be Aba des Geseßentwurfs, _ betreffend di2 Zusammenlegung der Grundstückle im Geltungsgebiete des Rheinischen Recht s, der Abg. Dr. Reichensperger (Olpe): Das vorliegende Geseß, das der Rheinprovinz aufgezwungen werden solle, stelle sich in shreienden Gegensaß zu der den Rheinländern eigenen Begriffsauffassung von der Unantastbarkeit und Unverleßlich- keit des Eigenthums. Beneficia non obtruduntur; der {rofe Zwang der Zusammenlegung, wie er hier beabsichtigt sei, enthalte eine folhe Verurtheilung der bisherigen freien Agrarverfassung der Rheinlande, daß man billig fragen müsse, ob denn die dur diese Verfassung herbeigeführten Mißstände wirkli eine so radikale Veränderung rechtfertigten ; das Vorhandensein solcher Mißstände könne er nit bezeugen. Prinzipiell widersprehe die rheinishe Provinzialverfassung direkt der Zulässigkeit des ganzes Geseßes. Nach einer sehr ausführlihen Kritik der Einzelbestimmungen des Entwurfs erklärte Redner nohmals, daß er die Verfassungsmäßigkeit der Einbringung des Geseßentwurfs auf das Entschiedenste bezweifle; ein Bedürfniß dazu habe si auf dem linken Rhein- ufer nirgends herausgestellt. Die Arrondirung des Grund- besizes ließe sich auch auf andere Weise, z. B. durch eine ver- „besserte Wegegeseßgebung, erreihen. Der Zwang der Vorlage führe in seiner Konsequenz geradewegs zum Verbot auch des Wiederverkaufs und der Parzellirung.

Hierauf ergriff der Minister für Landwirthschaft, Domä und Forsten, Dr. Lucius, das Wort: hschaf änen

Meine Herren! Wenn es irgend eine geseßlihe Vorlage giebt, die sine ira et studio vom Regierungstishe aus behandelt werden kann, so ist es die vorliegende. Die Regierung ütt sich bet der Einbringung auf Erfahrungen von 60 Jahren , sie sttüßt fich auf die Erfahrungen, die gemacht worden sind mit derselben agrarischen Geseßgebung in den weitaus größten Theilen der alten Monarcie nicht nur, fondern „mit beftem, sichtlihem Erfolge auch auf die neu erworbenen Landestheile Übertragen worden sind. Ich glaube, der Hr. Abg. Reichensperger, dem ic in meinen Ausführungen zu folgen versuchen werde, leidet an einer Ueberschäßung der Eigenthümlichkeiten der linksrheinishen Verhältnisse. Ich kann durchaus nicht zugeben, daß die Eigenthumsbegriffe des fächfisen Stammes weniger ausgeprägt, weniger energisb, weniger zäh seien, wie die des fränkisden Stammes. Außerdem wohnt der fränkische Stamm nicht blos am linken Rheinufer, sondern ein recht großer Theil davon wohnt am rechten Rheinufer; ‘der \sränkische Stamm erstreckt \ich bis nach Thüringen, und wenn ih meine eigenen persönlichen Erfahrungen anführen darf, so würde ih sagen : die Verhältnisse in Thüringen in dem alten kurmainzischen Furftenthum Erfurt sind nit um ein Haar ‘verschieden von den tgrarverhältnissen des linken Rheinufers. Dieselben Parzellirungen, dieselben Zerftückelungen finden \sich dort auch hier. Zu den Volks- anschauungen, in der Volkssitte in Bezug auf das Grundeigenthum

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glaube ih nidt, daß ein Sasse oder cia Thüringer sich w von cinem Franken unterscheidet. e endem ane

Der Herr Abgeordnete hat nun weiter den Saß ausgeführt: beneficia non obtruduntur. Der Sag if in seiner Allgemeinheit gewiß richtig, es fommt aber doch immer auf die spezielle Anwendung an. Wenn nit in sehr vielen Fällen im öffentlichen Interesse Zwang geübt würde, so glaube i, würden in unseren gesammten wirthscbaftlichen Zu1tänden noch äußerst primitive Verhältnisse obwalten. Der Herr Ab- geordnete hat ausgeführt, es läge in dieser Gesezgebung ein System von Vevormundung. Das kann man nur in dem Sinne zugeben, daß es zur Geltendbringung der Ueberlegenheit der Intelligenz führen wird. Wenn man Maßregeln derart, irgend welwer gemeinnützigen Art ih nenne nur Wegebau, Eisenbahnbau, abhängig machen wollte von Majoritätégutachten der besißlosen oder annähernd besißlosen Klassen, meine Herren, ich bin überzeugt, wir hätten wahrscheinlich noch keinen Cifenbahnhau in der preußischen Monarchie.

Dann kat der Hecr Abgeordnete weiter bemängelt die Ausfüß-

rungen in den Motiven, daß si in den Anschauungen der rheinischen Bevölkerung eine Umwandlung vollzogen habe. Jch bin allerdings der Meinung, daß diese Bemerkung vollständig gerechtfertigt ist und daß sie begründet ist durch das Votum und Verhalten des rheinischen Provinzial-Landtages. __ Die Zusammenseßung des rheinishen Provinzial-Landtages ift bekannt; er hat in Bezug auf das Prinzip des Geseßes über die Zweckmäßigkeit und Nüzlichkeit der Ucber- tragung der preußischen Agrargeseßgegebung in diese Provinz einstimmig die Frage bejaht niht eine Stimme hat si gegen die Zweckmäßigkeit der Uebertragung erhoben. Dic Majoritäts- abstimmung, von der der Herr Abgeordnete gesprochen hat, bezicht sich auf die Abstimmung über den §. 1, in welcher festgeseßt wird, also das Majoritätsverhältniß, welches entscheidend sein soll für die Bewerkftelligung der ganzen Maßregel. Bei der Abstimmung hicrüber sind allerdings die Meinungen getheilt gewesen, troßdem aber hat sih noch die Majorität von 40 gegen 31 für diesen Modus entschieden. Dies Geseß ist im Ganzen mit 43 : 24 Stimmen angenommen worden. Diese Majorität ist gebilèeï worden in folgender Weise:

__ Es haben von den Vertretern der Landgemeinden mit „Ja“ ge- stimmt, also für den §8. 1 13 mit „Ja“, 9 mit „Nein“. Das ift fehr bezeihnend. Von den Vertretern der Städte haben 19 mit, Ja“, 4 mit „Nein“ gestimmt. Der Abg. Reichensperger scheint anzunehmen, daß diese Vertreter der Städte durhaus blos Vertreter von großen Städten seien, die den landwirthschaftlihen Verhältnissen vollständig fern stehen, Ich glaube, das ist keineswegs der Fall. Unter diesen städti- \chen Bürgermeistern sind ficher eine große Anzahl von solchen, die die ländlichen Verhältnisse sehr genau kennen, die auch wahrscheinli kleine Grundbesißer sind. Es ist am Rhein nit anders wie im o Li A ges P Aae ecigentlih in der Majorität find, und daß dort vielfach ebenso viel Verständniß i ländliche Mis e Tat alicia, it fe ris

, Von der Ritterschaft hat allerdings die Majorität, 18 mit „Nein“ gestimmt; 5 mit „Ja“; von der FürstenLtnk stimmten die 3 Anwesenden mit „Ja*. Jch glaube also, daß eine Bemängelung der Majorität in keiner Weise begründet ist durch den wirklichen Hergang der Sache.

Dann hat der Herr Abgeordnete zu meinem größten Erstaunen die Verfassungsmäßigkeit der Einbringung dieses Gesetzes bezweifelt. Ic muß gestehen, daß dieser Zweifel keinem Mitgliede des Königlichen Staaté-Ministeriums U ist, insbesondere auch nicht dem neben mir sißenden Herrn Julstiz-Minister, und daß, wenn dieser Zweifel D a D C C ae es in der That wun- derbar wäre, wenn die Staatsregierung si zu einer solchen überhaupt hätte entschließen können. E E Os

_ Der Art. 9 der Verfassung das bedarf keiner juristischen Aus- Mrung nebenbei nimmt autdrücklich in seinem 2. Absaß darauf ezug,

daß nur aus Gründen des öffentliden Wohles gegen vorgängige,

in dringenden Fällen wenigstens vorläufig festzuftellende Ent ch ä -

digung nach Maßgabe des Gesetzes entzogen oder beschränkt

werden kann. j j Hier handelt es sich aber durchaus: niht um eine Entziehung des Eigenthums, sondern durchaus überall nur um eine Beschränkung bei einer vollen Entschädigung. Dieser Gesichtspunkt erscheint mir auch in rheinischen Juristenkreisen vielfah mißverständlih aufgefaßt zu werden, als ob überhaupt bei dem ganzen Auseinanderseßungsver- fahren eine Art von Vacuum eintritt, und als ob die Möglichkeit vorläge, daß der Landbesißer nicht au in einem Aequivalent von Land entfchâädigt würde. Das ist aber do ter Fall; es findet unter allen Umständen die Ausgleichung in Land ftatt, was nach der Bonität verschieden sein kann in der Fläcbe, in dec Größe, aber durchaus nit im Werthe, Es tritt also überhaupt in dem ganzen Verfahren ein Moment nicht ein, wo das Eigenthumsrecht gewissermaßen einer Null gegenüberftände, sondern es findet nur bei der {ließliden Ab- rechnung nöthigenfalls eine kleine Ausgleihung im Geldwerth statt, die sich bezicht nicht sowohl auf die Bonität des Bodens, auf das Fläenareal, als „auf bestimmie Zustände, Düngungézustände, gde Anlagen, die vielleiht mit übernommen werden können oder

Es findet also eine Beschränkung, eine Verkürzung an Grund-

cigenthum in dem ganzen Verfahren absolut nicht statt, also ist auc von einer Enteignung durchaus in diesem Sinne niht die Rede. Daß dieses ganze Verfahren ein tief eingreifendes, wenn man will, radikales ist, das gebe ich vollkommen zu. Wäre es das nicht, wären überhaupt auf anderem Wege dieselben nothwendigen Erfolge erreichbar, fo wütde man sich gewiß nicht zu dieser Geseßgehung verstanden haben und man würde die Durchführung derselben richt ertragen haben. __ Der Eingriff in die Privatrechte ist ein so tiefer, so empfind- licher, daß er troß der langjährigen Gewöhnung doch bei der Ein- lcitung einer jeden neuen Separation wieder hervortritt. Sie können versichert sein, daß gerade wir in der Centralinstanz die in Bezug darauf hervortretenden Meinungen und Klagen, die Gefühle der Be- völkerung fortwährend lebhaft empfinden und damit in täglichem Konlakt bleiben. Wenn wir troßdem zur Durchführung dieses Systems ge- ritten sind, fo tönnen Sie versichert sein, daß dabei lediglich die Rücksicht maßgebend gewesen ist, daß wir glauben, damit dem linken Rhein- ufer die größte wirthschaftlihe Wohlthat zu erweisen, die wir ihm überhaupt erweisen können.

Der Herr Abgeordnete hat dann hingewiesen auf die Verein- fahung der Katasternummern, auf eine Arrondirung, die dadur be- günstigt werden möchte, daß Stempelfreiheit für dieses Geschäft gewährt würde. Jh würde in meiner Eigenschaft als landwirth- \chaftliher Minister durhaus nichts dagegen zu erinnern haben, wenn der Immobilienstempel niht blos bei Gelegenheit dieser Auseinanderseßungen, sondern überhaupt erheblih reduzirt wer- den könnte, wenn nicht ganz beseitigt. Allein ich weiß nit, ob andere Ressorts dieselbe Stellung zu dieser Frage einnehmen können. Daß ein praktischer Erfolg davon zu erwarten wäre, daß sich eine Arrondirung in größerem Maße vollziehen würde dur die Gewäh- rung der gänzlichen oder theilweisen Stempelfreiheit, das is ficher nicht S E H

erner hat der Herr Abgeordnete darauf hingewiesen, daß ja einzelne Vortheile, die dieses Geseß bringen könnte, sich auch 8 le andere Weise erreichen ließen, also z. B. die Wegeneßlegung dur ein Wegegeseß. Meine Herren! Ein Wegegeseß wird ganz genau den- selben Schwierigkeiten begegnen wie dieses Geseß auch. Die zwed- mäßigste Wegenebßlegung wird hier nebensächlich mit bewerkstelligt, andernfalls würde der Eingriff, der gemacht würde, blos zu dem Zweck einer Wegenetßlegung, der Eingriff in die Eigenthumsrechte genau so gros sein wie hier zu einem größeren Zweck. J kann also den Hinweis gar nit für zutreffend halten und meine, daß sich Ne auch eigentlich im Gegensaß bewegt zu der im Eingang der Ausführungen ausgesprochenen Anschauung, daß die Heiligkeit des Grundetgenthums jeden Eingriff verbiete, Es liegt hier ebenso ein öffentlihes Wohlfahrt:sinteresse vor, wie überhaupt bei dem ganzen

'Verfahren.

Dann hat der Hr. Abg. Reichensperger besonders den Punkt der

Majoritätsbildung bemängelt, nämlih, daß entsprehend dem alt-

reußischen Verfahren die Majorität: für die Herbeiführung eines

useinanderseßungsverfahrers gebildet wird nicht nad Kopfzahl, son- dern nach Mehrheit der Flächen und des Grundsteuerreinertrages,

Meine Herren, dieser Punkt ift auêsgiebig in dem rheinischen Be vinzial-Landtage erörtert worden, und wie gesagt hat fich die Ma- jorität, und eine erheblibe, für das Prinzip entschieden. Und auch mit vollem Recht. Ein anderes Pcinzip is überhaupt nicht durh- führbar; ohne dieses Prinzip bleibt das ganze Gese cin todter Buch- stabe, und ih würde für meine Person ohne Weiteres auf die ganze Vorlage verzihten, wenn in diesem Punkt die- selbe geändert werden sollte, Meine Herren, wir spre{hen in diesem Punkte nicht blos theoretis&e Ueberzeugungen aus, sondern wir konftatiren damit die Erfahrungen niht blos Preu- ßens, sondern aub der außerpreußis&en Staaten. In Bayera de- steht eine solhe Bestimmung, dort ist eine Majorität erforderli,

ih glaube jogar von ‘/5 der Köpfe; dies Gesetz ist bis zur Stunde noh nit ein einziges Mal angewandt, so lange es existirt. Das

ift also der Beweis dafür, daß man Majoritätsbildungen nach Kopfzahl für Einrichtungen, zu deren Beurtheilung eine höhere Intelligenz gehört, in soliden wirthscaft- lichen Dingen mit Erfolg zu etabliren vermag. Und wenn es erlaubt ist, gerade zu exemplifiziren auf die preußisben und baye- rischen Zustände, so möchte ih doch an die früheren Verhandlungen erinnern, die wir bier bei Gelegenheit es rwoar vor 1 oder 2 Jahren

der Wobhlftandsberichte, die von den landwirths{aftlichen Vereinen ausgearbeitet waren, gepflogen haben. Damals wurde konstatirt, daß die Grundzersplitterung in Bayern einen Grad erreicht hätte, wie er selbft am Rhein nicht bekannt ift, daß dort Subhaftationen vorkom- men, wo Grundsiücke zum Werth von 6 Kreuzern subhostirt sind. Wenn auf der einen Seite fich diese Zustände entwickelt baben unter dem Mangel eines folden Zusammenlegungsgeseßes, und wenn wir da- gegen die altpreußischen, tie rechtsrheinishen Zustände als gesund be- zeichnen können, im Gegensaß dazu als relativ gesund, so ist es gewiß nicht eine Fiktion, wenn wir annehmen, daß gerade dieser Theil der Agrargeseßgebung im Zusammenlegungsverfahren wesentlich mit von der größten Bedeutung gewesen sind, um unsere Agrar- zustär de relativ gesufd zu erhalten.

Dasselbe ist in Hannover der Fall gewesen. Außh dort hat das frühere Geseß cine Majorität verlangt na Kopfzahl; diese Bestim- mung. ist {hon zu der vorpreußishen Zeit aufgehoben worden, hat fich e u Ls A v als unzweckmäßig erwiesen.

n Vtahau hat dieselbe Bestimmung bestanden, dort ift sie

nach 1866 aufgehoben worden. N 0A A RO E

Dann hat der Herc Abgeordnete die in den Motiven angeführten Zahlen über die bereits stattgefundenen Auseinanderseßungen in den Kreisen Neuwied, Altenkirhen und Weßlar bemängelt und ungenügend befunden. Ich glaube, daß das gerade Gegentheil au hier richtig ist, Diese Geseßgebung ift erft seit 1875 in jenen Lan- destheilen in Wirksamkeit getreten, nah Einführung des Kostengesetzes vom 24. Juni 1875, also noy_ nit 10 Jahre, und wenn in 10 Jah- ren es gelungen ist, {on 20 Sachen zu Ende zu führen, so ist das elne ganz gute Leistung. Jch bia _niht in der Lage, zahlen- mäßig leßt anführen zu fkönnen, wie viel Sachen neu anhängig sind, Es ist aber eine erhcblide Anzahl. In diesen Jahre kommen, wie mir die betreffenden Herren Kommissarien mittheilen, allein in den Kreisen Neuwied und Alten- kirben wiederum vier Sachen zum Abschluß. Das ift durchaus ein gutes Resultat und es erklärt fic diese neuerlihe Zunahme der Aus- einanderseßungen durch die Einführung des Kostengeseßes von 1875, wodur die Kosten in Pauschsäßen reduzirt worden sind, so daß die Hauptkosten gewisse Sätze, die si um 3 bis 27 1, im Durchschnitt um 12 #6. pro Hektar bewegen, 27 H nicht übersteigen können.

Ich gebe bereitwillig zu, daß gerade in dem Punkte der Kosten- vertheilung und der Kostenaufbringung die Hauptschwierigkeit bei der Durchführung dieses Gesetzes liegt und der Natur der Sache nah liegen muß. Wir haben aber dur das Kostengesey einen sehr wesentliwen Fortschritt bereits gemacht. Ih darf bei dieser Gelegenheit anführen, daß der diesjährige landwirthschaftliche Etat zum ersten Male au einen Betrag enthält, der dazu bestimmt ist, die Folgeeinrichtungskoften zu vermindern und zu erleichtern. Ich bin dem Herrn Finanz-Minisier sehr dankbar für die Bewilligung dieses Postens, und ih gestehe, id habe gerade mit Rücksiht auf die Erfahrungen in Hessen und Rheinland diesen Posten zu gewinnen versucht.

Die Folgeeinrihtungskosten sind bei dem jetzigen Verfahren meist erbeblih größer wie die eigentlihen Kegulirungskoften, und dies ist auch sehr natürlih und begreiflih. Denn wenn man dieses ganze Zusammenlegungsverfahren in erster Linie auffaßt als ein Verfahren, weles dieMelioration einer Flur ermöglicht also eine landwirthschaftliche Melioration im besten Sinne anstrebt, Es ist unbedingt zweckmäßig, diese Gelegenheit zu benußen, um alle diejenigen Anlagen in Betreff der Wege, der Be- und Entwässerung vorzubereiten, die überhaupt dort angebrat werden können. Auf diese Weise wird ein unwiderbring- licher Moment benußt, um die Verhältnisse der Landwirthschaft so auszugé stalten, wie es überhaupt zweckmäßig und möglich ist. Nach der Richtung der Mteliorationsthätigkeit ift damit ein weiteresFeld eröffnet, und i glaube, man wird auch sagen dürfen, nach dem, was ih auch selbst wahrgenommen habe, daß die in der neueren Zeit ausgeführten Sepa- rationen dem Meliorationswesen mehr gerecht geworden n wie früher. Das erklärt fih auch ganz naturgemäß dadur, daß erft in den leßten Jahren das Kulturingenieurwesen zu einer besonderen Branche ge- mat worden ist, daß es eine Spezialität ist, die sich in der neueren Zeit in erfreuli her Weise entwickelt. Das Meliorationswesen hat ja; Wie „dem hohen Hause bekannt is, ein besonderes Feld der Thätigkeit gefunden in Oberschlesien, der Eifel- gegend und anderen Notbstands8gebieten, .und wenn wir dort auch noch unsere Erfahrungen gewiß zu bezahlen haben, fo darf i doc konstatiren, daß sowohl in Oberschlesien wie in der Eifel sih diese Bestrebungen bereits praktisch fühlbar machen und nüßlih erweisen, daß die Vcvölkerung anfängt, die wohlwollen- den und zweckmäßigen Absichten der Regierung und der Provinzial- vertretung, die dabei sehr wirksam eingetreten ist, was ih gern an- erkenne, zu verstehen, und daß ih dieses Gefühl in immer ausgedehn- terem Maße geltend macht. Einen weiteren Boden hierfür werden wir mit diesem Geseße gewinnen, und werden in der Lage sein, gerade in den rheinischen Nothstandsgebieten mit ‘cinem möglichst geringen Aufwand von Kosten Seitens der Interessenten selbst gerin A Biele dafür herzustellen, was überhaupt auf diesem Gebiete zu leisten ist.

_ Wer überhaupt landwirtbhschaftlihe Verhältnisse kennt und ihnen näher steht, der wird wissen, daß theoretischen Belehrungen die länd- lihe Bevölkerung nur in geringem Grade zugänglich ist. Das Ueber- zeugende bei der ländlihen Bevölkerung ist der Erfolg. Wenn der Nacbbar eixe Wiesenanlage, irgend eine landwirthschaftliche Melioration gemacht hat, die fih rentirt hat, nicht zu theuer ist, die zweckmäßig war, so folgen die anderen nah. Das gehört mit zu den aktiven und wirksamen Maßregeln, die wir anwenden müssen, um die landwirth- \chaftliden Woblstandsverhältnifse zu heben und zu befsern.

Der Herr Abgeordnete hat dann noch bemängelt oder hat gewissc:- maßen geglaubt, das Prinzip der Vorlage ad absurdum führen zu können, wenn er auéführte, wenn man überhaupt sich zu dem gewaltsamen Prinzip dieses Eingriffes in das Eigenthumsrecht verstehen könne, dann müsse man die weitere Konsequenz ziehen und müßte den Wiederverkauf und die Fa RT auch verbieten. Das c man gerade nit, hier ift gerade die Grenze für die Eingriffe in das CGigenthum und es hat sch durchaus erwicsen in den Landestheilen, wo diese Agrargeseßgebung seit Menscbenaltern Gebrauch ist, daß die dauernden Vortheile der Separation eben bleiben, sie be- steben nit nur in Wegelagen, Grabennetzen, sondern sie bestehen auch in der moralishen Einwirkung, daß die Steigung der Grundstücke zu verbessern, zu arrondiren, zusammen- zuhalten, fi wesentlich bei den Besitzern steigert. Ih würde wirklich denjenigen Herren, die sich für diese Frage speziell interessiren, rathen, gelegentlih eine Reise na Kurhessen zu machen, dort wird überein-

stimmend, obglei auch viele Klagen über die Länge des Verfahrens,