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vorhanden sind so Ut]

da s durhaus zu Gunften der

Über die Kosten tod das überwiegende Urtbeil Sade, und es mir besonders aufgefallen bei einer Reise, die ih im vergangenen Jahre vorgenommen habe, daß einstimmig hervorgehoben wurde, der Eifer, mit, denen die ‘Finzelnen die ibnen zugewiesenen neuen Grundßfiücke, die zum X heil auch Unlaxd enthalten, alte Raine u. dgl., daß die Thätigkeit, diese zu beseitigen und nußbar zu maden, eine solce energische ift, daß in olge dessen die Landwirthschaft in diesen Ortschaften eine ganz ver- änderte Nbysiognomie gewonnen hat. - ‘Also gerade der Eigenthums» firn wird gestärkt dur die MöglicbLeit, das Eigenthum zu verbessern und zu arrondiren. Also auch na dieser moralis{en Seite hin ist diese Gesetzgebung im ribtigen Sinne wirksam. Æ Meine Herren! Die refilihen Schwierigkeiten, die ja der Ge- Fegesvorlage entgegenstehen, werden von keiner Seite verkannt und gewiß am wenigsten von den juriftiswen Mitglicdecrn dieses Hauses und von den Justizbehörden, die darüber gehört worden sind. Die orlage macht auch aus dieseu Schwierigkeiten vurhaus fein Hehl. Sn den Motiven selbst # auf Seite 12 ausdrücklich an- efübrt, daß das rheinishe Ober-Landesgericht fh gegen diese ganze orlage erflärt hat, daß in der dortigen Auffassung die Sébäßung “Der Schwierigkeiten weit die Ansichten über die Zweckmäßigkeit über- —wogen bat. Ih bin aber der Meinung, daß gerade die Juristen Durchaus nicht die einzig Kernpetenten find, die über dergleichen wirth- {chastlice Fragen zu entsckcheiden baben, im Eegentkheil, ih glaube, es Yegt in der Art der juristisen Thätigkeit die Neigung für Dinge Lediglih formal, abstrakft zu behandeln, und sich den praktiscben Ver- Hältnifsen mehr zu entfremden ; das liegt in der Thätigkeit, besonders --Án der rihterlien Thätigkeit, und ih würde es für durchaus wirth- {aftli unrichtig hakten, wenn die Königliche Staatsregierung bei ‘derartigen Wohkfahrtsvorlagen die juristischen Bedenken, die nebenbei durchaus nicht unmüberwindlih sind, wollte prävaliren lasen und Aich ihnen fügen. Ich anerkenne besonders dankbar, daß der Herr Justiz-Minister bereitwillig den Schwierigkeiten, die von juristischer Seite gemacht worden sind o0ptima fide natürli, das erkenne ih voll?ommen an daß er doc dieser keine so große Bedeutung bei- gelegt hat, um si ver ganzen geseßlichen Vorlage gegenüber ableh- nend zu verhalten. L Meine Herren! Ich glaube, die meisten Einwürfe des Herrn Vorredners widerlegt zu haben, und ih kann mil den Worten schließen, mit denen ih begonnen habe: daß ih die Vorlage Ihrer unbefangenen freien Prüfung empfehle. Es handelt sich um eine DBorlage, die ein reines Wohlfahrtsinteresse für die landwirthschaft- lie Bevölkerung hat ift die Majorität des Hohen Hauses anderer Meinung, dann lehnen Sie die Vorlage ab; kommen Sie zu der Ueberzeugung, daß die Gesichtépunkte, die hier mündlich erörtert find und bie in den Motiven ausführlich dargestellt sind, kommen Sie zu der entgegengeseten Ansicht, und das boffe ih, so bin ich überzeugt, daß Sie der landwirthschaftlichen Bevölkerung ter Rheinprovinz einen großen nüßlihen Dienst erweisen. i S Der Abg. Knebel dankte der Staatsregierung sür die Ein- bringung der Vorlage, welche wesentlich in Folge des Ein- Ausses des Abg. Reichensperger den Rheinlanden so lange vorenthalten geblieben sei. Der Umschwung in den An- schauungen der interessirten Bevölkerungskreije bezüglih der Ziele des Entwurfs könne am \sc{lagendsten bei dem landwirth- Îchaftlihen Verein für Rheinpreußen beobachtet werden, welcher Än den fünfziger Jahren noch fast ganz gegen die Zusammen- legung, im lehten Jahre aber einstimmig für dieselbe einge- treten sei. Wer es mit den rheinishen Bauern gut meine, müsse dahia mitwirken, daß der Entwurf baldigst und in mög- lichst weitem Umfange Geseß werde; der rapide Fortschritt der -Parzellirung beshwöre eine täglih wa{hsende Gefahr über die rationelle Bewirthschastung des Bodens herauf. Der Abg. Bachem meinte, das Eintreten des Vorredners Für das Geseß könne Niemand Wunder nehmen, denn es liege ‘Hier ein Verhältniß vor, wie des Vaters zum Kinde; Hr. Knebel habe Jahre lang für das Zustandekommen der Vor- lage gewirkt. Er beantrage, die Vorlage einer besonderen Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen und empfehle derselben die möz-lihste Vorsicht und Zurück- baltung bei der Verathung. Fn der landwirth- \chaftlichen Bevölkerung der Rheinprovinz bestehe keine Sehn- sucht nach dem Geseß, auf dem Provinzial-Landtag seien es die Vertreter der Städte gewesen, welche dem Entwurf zur Annahme verholfen hätten. Auffällig sei es ihm gewesen, daß die „Kölnische Zeitung“ in einem Artikel das Geseh befür- -- wortet hätte, der zum Theil wörtlih mit den Motiven der Vorlage übereingestimmt habe; es sollte also von Berlin aus -Für den Entwurf Stimmung gemacht werden. Der rheinische Bauernverein habe sich mit seinen 16 000 Mitgliedern ebenfo wie das Ober-Landesgericht anan die Vorlage ausgesprochen, - und die Zustimmung zu derselben im Provinzial: Landtag habe Fch eben nur auf die Tendenz der Konsolidation beschränkt. Aus der Geschichte der Konsolidationsbestrebungen im Rheinlande gehe hervor, daß die Meiftinteressirten nicht die kleinen Land- =wirthe, sondern die Mitglieder der haute finance seien; der Theinishe Bauer befiße aa genug, um gegebenenfalls Zu «erkennen, ob eine Zusammenlegung vortheilhaft für ihn - Fei oder nicht. Unter allen Umständen müsse aber bei den Zusammenlegungen den Gemeinden ein gewichtiges Wort mit- zusprechen eingeräumt werden. Der Abg. von ‘Eynern erklärte, nicht verstehen zu können, “daß zwei Juristen der Rheinprovinz das Bedürfniß für die —Vorlage leugneten, während die Zersplitterung des Bodens --in wahrhaft beängstigendem Maße fortschreite, und die s{lechte —rheinishe Hypothetenordnung das Uebel noch vermehre. Es stehe den beiden Herren s{lecht an, die Qualität der Majorität -im Provinzial-Landiag zu bemängeln, freilih hätten sie an der Bevölkerung au keinen Rückhalt. Der vom Abg. Bachem -mit Emphase angeführte Vauernverein habe den bekannten Freiherrn Felix von Loë zum Präsidenten, einen Herrn, der -für die Rheinläánder alles andere, uur keinen Bauern dar- stelle, Mit der Kommässionsberathung sei er einverstanden. Hierauf aahm der Justiz-Minister Dr. Friedberg das ort :

Auf die von dem Abgeordneten an mich gerihtete Frage, be-

- treffend die Einbringung einer Novelle zur rheinishen Hypotheken- gesetzgebung kann ich Folgendes erwibern. Bald nachdem hier der

- Beschluß gefaßt worden war, daß wir an einer vorläufigen Reform der rheinisben Hypothekengeseßgebuug gehen möchten, war ich bemüht, einen solden Gesehentwurf aufstellen

zu lassen und derselbe ist, wie bekannt, bereits in dem rheinischen Provinzial-Landtag berathen worden. Erst vorgestern

find mir die Beschlüsse des Provinzial-Landtages amtlich zugestellt

worden, und das hatte seinen Grund darin, daß der rheinische Land-

tag erft vor Kurzem ges{lossen worden is, und ich somit eine

amtlihe Nachriht über - seine Beshlüfse auch nicht früher er-

warten konnte. Da ich aber durch den Kommissar des

* Fustiz - Minifteriums authenutisch erfahren hatte, welche Be- {chlüse in dem Landtage gefaßt waren, so war ih auch in der Lage,

die vorbereitenden Schritte zur Weiterführung des Gesehentwurfs in

der Zwischenzeit zu machen und ber Geseßentwurf ift dann auch der-

art vorbereitet worden, daß i, wenn die Allerhöchste Genehmigung, die i erbitten werde, mir zu Theil wird, in der allerkürzesten Frist

hoffen darf, jenen Gese A dem hohen Hause vorlegen zu können.

Dabei darf ich aber wohl noch auf eine Bcmerkung des Hrn.

Abg. Bachem erwidern, daß von Hause aus wir keineswegs diesen

uns jeßt vorliegenden Geseßeniwurf mit jer.er Hypotkekennovelle als derart organish verbunden erachtet haben, ‘daß der eine abhängig ge- mat werden möchte von dem andern, sor.dern wir werden den Hypo- thekengesez-Entwurf als einen selbständig en verfolzen, wenngleich die Justizverwaltung hofft, daß auch der Ko! solidations-Gesetzentwurf zur Annahme kommen werde. Dann darf ich aub wobl noch auf* eine zweite Bemerkung eine Antwort hinz'4fügen: Es ist allerdings vom Justiz-Ministcrium ein Kommissar zu. den Verhandlungen am Rhein aeschickt worden; es ist dies aber geschehen auf den ausdrülichen Wunsch des Herrn Landeëdirektors, ‘and i habe geglaubt, damit einen Wuns der Provinz erfüllen zu müssen, bin aber weit entfernt ge- wesen, zu glauben, daß damit eiu unberectigter Druck auf die Ver- handlungen des Landtages nur ausgeübt werden könnte,

Der Abg. Biesenbaß {loß {{ch den Ausführungen des Abg. Reichensperger durchaus an und erklärte auch die Kom- petenz des Bauernvereins für zweifellos; der Freih-rr von Loë sei mehr oder doch gewiß eben folcher Bauer wie der Herr von Gynern. *“ :

Der Abg. Schreiber (Marburg) erklärte Namens der kon- servativen Partei die Zustimmung zu dem Entwurf und zu dessen Prüfung in einer Kommission. “Mit dem Zustande- fommen des Gesetzes sci es aber niht gethan, es müsse auch bei der Ausführung den Bauern der Rheinprovinz ein gutes Beispiel gegeben werden. Schritten die Arbeiten der Ver- fopp:lung gut voran, dann werde die Bevölkerung den Vor- theilen des Gesezes sih nit verschließen; im entgegengeseßten Falle entstehe in den betheiligten Kreisen ein Mißtrauen, gegen das gar nicht aufzukommen fei.

Nachdem noch die Abgg. Noeren und Claessen (Centrum) ih wesentlih im Sinne der Ausführungen des Abg. Neichen- sperger geäußert, wurde die Vorlage an eine besondere Kom- mission von 21 Mitgliedern verwiesen. :

Jn der ersten Lesung des Gesegentwurfs, betr. die Kon- solidation, die Ablösung der Servituten und die Theilung der Gemeinheiten für die Hohenzollernschen Lande, erhob der Abg. Schmid (Hohenzollern) ebenfalls Einspruh gegen den vorge- \{lagenen Modus der Majoritätsbildung, der demjenigen in dem rheinishen Entwurf entspreche, und erklärte es für viel natürliher, wenn man der fleinen Exklave Hohenzollern die Konsolidationsgeseßgebung der Nach- barstaaten Württemberg und Baden gäbe, wo der An- trag von der Hälfte der Besiger, welche zuglei die Hälfte des Besißes repräsentirten, gestellt werden müßte. Die Separation in Preußen hätte zum Verschwinden des Mittel - standes, zur s{hroffen Gegenüberstellung von Aristokraten und Proletariat, von großem Reichthum und größter Armuth geführt. Für solhe Zustände bedanke sich Hohenzollern, das si noch eines kräftigen, gesunden Mittelstandes rühme. Ein Wegeregulirungsgesch würde dieselben Vortheile gewähren rie diese Vorlage ohne die Nachtheile derselben. Fedenfalls gönne er dem Entwurf eher in der Kommission die ewige Ruhe, als daß er dessen unveränderte Rückkehr in das Plenum gut- heißen könnte.

Nach einer kurzen Entgegnung des Abg. von Quast A der Entwuxf der vorhin beschlossenen Kommission über: wiesen. Gegen 3 Uhr wurde troß des mehrfah aus dem Hause laut werdenden Rufes nach Vertagung in die zweite Be- rathung des Staatshaushalts-Etats für 1885/86 ein- getreten. :

Beim Etat der Domänenverwaltung besprach Abg. Frei- herr von Minnigerode die vorgelegte Nachweisung über die anderweite Verpachtung von Domänenvorwerken und bat den Minister, gegen die Pächter im Allgemeinen und namentlich bei Neuverpahhtungen gegen die bisherigen Pächter billige Rück- sicht zu üben. ;

Der Abg. Quadt ersuchte den Minister für Landwirth: chaft, in den Nachweisungen künftig auch den Pachtpreis pro Hektar für jede einzelne Pachtung ersichtlih zu machen.

Hierauf ergriff der Minister für Landwirthschaft, Do- mänen und Forsten, Dr. Lucius, das Wort:

Meine Herren! Es hat gewöhnlih bei diesem Etattitel eine allgemeine Besprechung der Lage der Landwirthschaft stattgefunden. Diese Frage ist so ausgiebig erörtert worden bei den Generalberathun- gen über den Etat, daß ih auch meinerseits glaube darauf nur soweit zurückommen zu dürfen, wie es etwa für den weiteren Verlauf der Diskussion sih als zweckmäßig herausstellen sollte. 4

Die Bemerkung des Hrn. Abg. Quadt, daß es erwünscht set, eine Uebersicht zu geben über die Domänenpszchterträge, reduzirt auf Hektare, wird keine Schwierigkeit haben. Es wird die Uebersicbt vielleicht zweckmäßig eigänzen, das kann berücksichtigt werden

Der Wunsch des Hrn. von Minningerode, bei der Domänen- verpachtung weniger fiskalishe Rücksicht obwalten zu lassen, als früher, is gewiß jedem sympathisch; aber ich mache doch daraus aufs merksam, daß die Durchführung eines solchen Grundsaßzes eine außer- ordentli \{chwierige ist. Vergegenwärtigen Sie sich, daß wir über 1090 Domänen haben mit einem Areal von 340 000 ha; daß jähr- lid zwischen 40 und 50 größere Domänenvorwerke zur Verpachtung gelangen. Wollte man vorwiegend dem Gesichtspunkte folgen, eine Berücksichtigung den persönlihen Verhältnissen zu Theil werden zu lassen, so würde man in einer so großen Verwaltung do sehr leicht zu großen Willkürlichkeiten, zu einem Nepotismus oder wenigstens in den Verdacht der Protektion kommen.

Fch muß gestehen, daß die Frage über die Ertheilung des Zu- {lags bei Verpachtungen eine fehr \{hwierige ist und eine solche, die mich jedesmal persôönlich affizirt, Jede dieser Sachen gelangt zum Vortrag in der betreffenden Abtheilung, jede wird indi- viduell von mir geprüft das kann ih sagen ohne Ausnahme. Da- bei hat man sehr häufig den Wunsch, den bisherigen Pächtern den Zus(lag zu ertheilen. Allein, wollte man das als Grundsaß aus- sprechen, so würde man doch in sehr große Schwierigkeiten gerathen ; es würde die öffentliche Lizitation ein Schein werden, und der wirk- lihe Werth der Domänen dadurch bald nicht mehr zu genügendem Auésdruck kommen. Das würde aber doch sehr s{chnell zur allgemeinen Mes gelangen, und man werde dann nur noch die Fiktion einer wirklihen Lizitation haben. Jch glaube, daß es kaum anders möglich ift in dieser großen Verwaltung ein ande- res Prinzip zu befolgen, als wie es bisher geschehen ist, d. h. das Prin- zip nach dem Meistgebot zu verfahren. Ih halte das für sehr nöthig, au an dieser Stelle zu betonen, weil darin eine Warnung liegt, in den Verpachtungsterminen sich nicht leichtsinnig zu Üüberbieten. Fh meine, jeder Geschäftsmaun, der eine kontraktliche Verpflichtung eingeht, hat sich die Konsequenzen vorher klc.r zu machen; er soll si von irgend welhen Impulsen leiten lassen in scinem Gebot über die wirklichen Werthverhältnifse hinauszugehen; die Königliche Staats- regierung ist auch durhaus niht in der Lage, nab dieser Richtung irgend eine Art von Bevormundung und Einfluß zu üben, Es werden ja die Pachtverbältnisse, die Pachtbedingungen offen dargelegt, eine Ermuthigung zu einer Steigerung der Gebote findet sicher in keiner Weise von fiskalischer Seite statt. Dagegen ist es, glaube ih, eia Gebot der geschäftlihen Moralität, daß stets darauï ver- wiesen” wird, daß auf eine strenge Erfüllung der pacht- fontraftliden Verpflihtungen staats\citig gehalten werden muß, daß sich jeder darüber klar bleibt, welwe Verpflichtungen er

eingeht, und daß er dieselben auch zu halten hat. Nah unseren Geiamatbeltimmungen, Vorschriften für die Dber-Rehnungskammer, ¡ist ja der Minister durchaus nichi in der Lage, Gnadenakte in Form

von Padterlassen aussprewen zu können, Das zu genehmigen ist blos Se. Majestät in der Lage auf Vortrag des Ministers. Gs is also der Minister in der Nothwendigkeit , darauf zu halten, daß die Pacbtgebote, die gegeben sind, auch seiner Zeit reell eingehalten werden, daß die übernomnienen Verpflidtungen erfüllt werden. Mitte der 70er Jahre ist es gewiß: öfters vorgekommen, wie in allen Perioden eines gewissen Aus- \chwunges, daß Leute in Uebersbäßung der möglihen Erträge zu hoc gepactet haben, und die Rücksbläge stellten sich in den jeßigen Ueebersiten dar. ; ch mödte aber aud an diese Betrahtung noch den Hinweis knüpfen, daß si bei dieser Uebersicht wieder wie in früheren Jahren mit immer steigender Schärfe herauéstellt, daß eine Steigerung der Pachtverträge wesentlich nur in denjenigen Gegenden stattfindet, wo landwirthschaftliche Nebenerwerbe blühen, Es ift vollkommen richtig und zutreffend hervorgehoben worden, daß die Steigerungen sih wesentlich beshränken auf diejenigen Gegenden, wo besonders die Zuckerindustrie heimisch ift und betrieben wird. Ich habe bei Ge-- legenheit eines allgemeinen Verwaltungsberichtes, der in den näcbsten Tagen dem hohea Hause zugehen wird, versut, Fakta in dieser Beztehung ¿u sammeln, und da hat sich allerdings herausgestellt, wenn ih auch diese Zahlen nur mit Vorbehalt gebe, an- näbernd werden sie rihtig sein daß von den Königlichen Domänen, etwa von den 1071 Königlichen Domänen, die in 810 Patt- \{lü}seln verpacbtet sind, etwa 189 bei Zuckerfabriken betheiligt sind, entweder durÞh Rübenbau oder unter Betheiligung an der Fabrik selbst. Dagegen werden der Grundfteuerreinertrag und die reellen Pachtverträge von diesen 189 Zuckerdomänen nahezu die Hälfte des Gesammtertrages erreihen, Diese Domänen haben ein Areal von circa 88044 ha und ihr Padtbtertrag ist 6418540 M, während im Ganzen 13735677 # aufkommen, also fast die Hälfte der Gesammtheit der aufkommenden Pachtgelder. Da- mit wird durch diese Thatsache die traurige Beobacbtung bestätigt, daß wir in sehr kritishen landwirthschaftlichen Verhältnissen leben, und es ist sonach wohl geboten, daß die Königliche Staatsregierung fowohl wie au die Volksvertretung die Maßregeln ins Auge fassen, die gecignet sind, dieser sehr ernsten Kalamität zu begegnen. Die Ursache eines Niederganges der Landwirthschaft beschränkt fih nach den heutigen Verbtältnissen nicht auf ein einzelnes Gebiet, nicht auf einen einzelnen Staat. Man kann leit nachweisen, daß diese aroße Krisis dur den europäischen Kontinent geht, daß sie die über- secischen Länder auch annähernd in demselben Maße trifft. Dieselben Faktoren sind für die landwirthschaftliche Prosperität überall ent- \cheidend. Wenn in erster Linie dazu gerechnet wird eine Reihe von guten Ernten, so spielen in den heutigen Zeitverhältnissen die guten Ernten nicht dieselbe Rolle mehr, wie in früherer Zeit, wie umgekehrt, auch ein Ernteauéfall auc in einem so großen land- wirthscaftlihen Gebiete, wie es das Deutsche Reich ist, durchaus noch nit zur Folge hat, cine entsprebende Steigerung der Getreide- preise zu bewirken Wir können das in den letzten 12 Jahren genau verfolaen, wo jedesmal auch nah einer geringeren Ernte doch die Preissteigerungen niht s\so erheblid gewesen sind, wie das in früheren Zeiten wohl der Fall war. Nan fann cs ja gewiß als einen Vortheil bezeichnen, daß Shwan- fungen der Lebenêmittelpreise wie sie im Mittelalter vor- handen waren, wie sie damals zu großen Hungerönöthen führten, Schwankungen von 1 bis 12 nicht mchr vorkommen können, daß die äußersten Schwankungen, die wir jeßt erleben, etwa zwischen 1 und 2 ih bewegen. Dagegen i zu konstatiren, daß în den leßten 4 Jahren, wo eigentlih 2 Ernten gewesen find, die Mißernten in einem großen Theil der Mon- archie sehr nahe kommen den Jahren 1881 und 1883 —, daß da die Preissteigerung nur eine unerheblibe gewefen ift, während die guten Ernten von 1878 und 1882 sehr \chnell einen äußerst bedeutenden Rückgang der Preise zur Folge gehabt haben.

Fn dieser Bezichung ist anzuführen, daß in diejer Zeit, also nach 1879, nach Einführung der Getreidezölle, die Schwankungen bei Roggen und Weizen zwischen dem höchsten und niedrigsten Preise 70 bis 89 M betragen haben, also das 7- und 8-fahe des Betrages der Getreidezölle. Das, meine ich, wird man unwidersprochen behaupten können, daß eine Einwirkung der Getreidezölle auf eine wesentliche oder auch nur wahrnehmbare Steigeruug der Getreidepreise nit zu konstatiren ist; daß der Saß von 10 #( im Verhältniß zu diesen Schwankungen von 70 bis 80 46 ohne weitere Bedeutung gewesen ist. :

Nun is es doch ganz klar, wenn die Getreidepreise sich in diesen niedrigen Säßen bewegen, wenn wir zur Zeit Weizenpreise haben, wie sie seit Menschengedanken so niedrig nicht gewesen sind nicht blos in Deutschland, in England und Frankreich ist es genau dersclbe Fall daß dann alle diejenigen Wirthschaften, die lediglih auf Getreideproduftion angewiesen sind, vermöge ihrer Boden- verhältnisse, nothwendig unter einer großen Kalamität leiden müssen, N mit dieser Thatsahe werden wir in allen Fällen zu renen

aben.

Es ift mir deshalb in einigem Maße befremdlih gewesen, wenn in den frühcren Diskusßionen mit einer gewissen Geringsbäßung, ih möcbte sogar sagen mit einer gewissen Animosität von den technisch- landwirthschaftlichen Gewerben , insbesondere von der Zuckerindustrie gesprocen ist. Liegt denn nicht in dieser Entwickelung der Dinge der ganz nothwendige wirthschaftlihe Zwang, daß die deutsche Land- wirthschaft \sich der Produktion veredelter Erzeugnisse zugewandt hat? Das ist eine durchaus wirths{aftlich rationelle und noth- wendige Bewegung und wenn der preußischen Staatsregierung und jeßt der Reichsregierung ein Lob gezollt werden kann, fo glaube ib, besteht das gerade darin, daß unsere Geseßgebung sowohl in Bezug auf den Spiritus, wie auf die Zuckerindustrie es ermögliwt und begünstigt hat, daß diese beiden landwirthschaftlihen Gewerbe diesen außerordentlich großen Aufschwung genommen haben.

Mir \ceint die Anshauung ich will zunächst von der Zucker- industrie sprehen als ob die Zuckerindustrie ledigliÞ dur Bonifikationen künstlich groß gezogen sei, wirklich eine außerordentli oberflählihe und wenig begründete.

Die Gesetzgebung, das System unserer Zuckersteuer, welches seit 42 Jahren befolgt worden ist, hat unzweifelhaft däzu geführt, daß überhaupt diese Industrie in Deutswland sich eingebürgert hat, ja daß sie zu einer dominirenden in Europa geworden ist. Ich erinnere Sie an die steigende Höhe des Zukerexports in den leßten Jahren, in Deutschland sind Mengen von Zucker produzirt worden, die die Produktion von Frankreih und Oesterreich) zusammen genommen übertreffen. Ist es dann als ein wirthschaftliher Nachtheil und eine unerwünshte Wirkung der Gesetzgebung zu betrachten, daß Deutsch- land in die Lage gekommen ist, eine solhe dominirende Rolle auf dem Weltmarkt zu erringen? Jch glaube im Gegentheil, daß in dieser Entwickelung etwas höchsst Wohlthätiges liegt, wofür die Landwirthschaft jedenfalls dem System der deutschen Gesetzgebung nur dankbar sein kann. Die Landwirthschaft ' ist aber aub durchaus nicht in der Lage, ohne Weiteres auf diese Industrie verzichten, sie bei Seite werfen zu können. Es sind solche bedeutende Mittel in dieser Industrie engagirt, daß eine solche Krisis, wie die jeßige, hon außerordentlich verlustreih sein maß. Führte aber diese Krisis dazu, endete sie mit der Nothwendigkeit, diese ganze Industrie in großem Umfang aufzugeben, so, glaube ib, würde das der \hwerste, vernihtendste Schlag nicht nur für den deutshen Nationalwohlstand, son- dern ganz speziell für die deutsche Landwirthschaft sein. Ich glaube des- halb aub, daß überhaupt niht die Rede davon sein kann, ob man die Sndustrie aufgegeben hat, ob man sie zur Zeit höher zu besteuern hat, sondern daß die dringende Nothwendigkeit vorliegt, diese Industrie mit allen Mitteln, die der Staat bietet, über Wasser zu halten im landwirthschaftlichen Interesse.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

Zweite Beilage zum Deutschen Reichs- Auzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger. s

M 20.

Berlin, Freitag, den 23. Januar

D

(S&luß aus der Ersten Beilage.)

Es ift vollkommen unri{tig, auszuführen, daß das Prämienwesen von befonderer Wichtigkeit in weiter zurückliegenden Zeiten gewesen wäre. Diese Behauptung ift eben so unrichtig, als wenn man aus einem gegenwärtigen hohen Grtrage einer Neuverpacbtung \{ließen wollte, daß der abziehende Pächter, der vielleiht 39 Jahre die Pacht in der Hand gehabt hat, in den 30 Jahren die Differenz zwischen dem neuen Pachtzins und dem alten Pachtzins netto übrig behalten häite. Eine Wirthschaft lukrativ zu machen ist ein ebenso langsamer Prozeß, wie für die Zuckerindustrie auh nur eine allmählihe Entwickelung und Vervollkommnung des ganzen Fabrikationssystems, eine all- mählice Verbesserung des Rübenbaues durch die Erzeugung zucker- reiherer Rüben stattgehabt hat. Das i} nicht ein Prozeß von ein oder zwei Jahren, sondern es ist der Prozeß einer 30 bis 40jährigen Kultur und Bemühung. Wir find exst mit Mitte der 70er Jahre in das Verhältniß getreten, gewissermaßen die Früchte der früheren Bemühungen zu ernten und unsere landwirthschaftliße Industrie ebenbürtig zu machen mit denen anderer Staaten.

__ Wenn Sie ansehen, welche Entwicklung diese selbe Sache, diese selbe Industrie im benachbarten Frankreich genommen hat, was wirtbscaftlich gewiß zu den Ländern gehört, von denen man fehr, Ml lernen kann, so beweist diese Entwickelung, die dort dieselbe Industrie genommen hat, gerade wiederum die Richtigkeit unseres Steuersystems. Das französische Steuersystem be- günstigte wesentlich Sciffahrtsinteressen und des kolonialen Zuckers. Unter diesem Regime haben sich die Raffinerien in Frankrei ebenso günstig entwickelt, wie umgekehrt die landwirthschaftlihe Industrie des Zuckerrübenbaues von Jahr zu Jahr zurückgegangen ist. Jn den Enqueten des leßten Jahres, die vor kurzem, im vecgangenen Som- mer, erst zum Abschluß gekommen sind, wird ganz ausdrück- [i betont, daß die französisde Rübenzukerindustrie und damit die Landwiril saft von 1872 bis 1884 cinen vollständigen Stillstand, ja sogar einen Rückgang genommen habe, daß dort die Pflege, die Verbesserung des Rübenbaues durchaus stationäc geblieben ist bis zu einem Punkt, daß so wenig zuckerhaltige Rüben produzirt sind, daß fie kaum noch der Verarbeitung werth sind. Diese Erfahrungen dort haben veranlaßt, daß man nah Deutschland Missionen \chickte, um sich über die hiesigen Verhältnisse zu unterrichten. Die in der fran- zösischen Kammer, im Senat sowohl wie im Repräsentantenhaus, hierüber erstatteten Berichte bestätigen das durchaus; und die Franzosen erkennen die bedeutende überlegene Gntwickelung an, welche wir unter unserem System landwirth\schaftlich genommen haben. In der weiteren Konsequenz dieser dort gewonnenen Anschauung und Er- fahrung ist man dort dazu Übergegangen, jeßt unter Fixirung von einigen Uebergangsjahren das deutshe System der Rohbesteuerung einzuführen. Es ist zunächst fakultativ für die Uebergangsjahre gelassen, ob die Fabriken sich nah dem bisherigen System be- steuern wollen oder ob sie fich dem Gewichtssystem anschließen wookllen, welches für die Jahre bis zum Jahre 1889 eine steizende Skala der Zukerausbeutung feststelt. Es ist also damit der Weg für die künftige Geseßgebung beschritten, der hier in deutschen Zeitungen und auch bei Gelegenheit der ersten Etatsberathungen als irrationell be- kämpft worden ist. Meine Herren, diesen Thatsachen gegenüber ift es ganz gewiß berechtigt, auf diesem Gebiet, zumal in dieser kritishen Zeit, mit der äußersten Behutsamkeit wvorzu- gehen und sich vor übereilten Systemänderungen zu hüten, die im höchsten Maße verhängnißvoll sein können. Ich halte mich deshalb für berechtigt und verpflichtet, auch gerade jeßt bei der Etatsberathung diesen Gesihispunkt hervorzuheben und zu betonen, daß wenigstens den deutschen landwirthschaftlihen Interessen mit dem bisherigen System sehr gedient war. Es scheint mir wichtig, das zu betonen, um fund zu thun, daß jedenfalls auf Seiten der Re- gierung diese Frage in ihrem vollen Ernst erfaßt wird und daß ih jedenfalls die Regierung zu übereilten Schritten auf dem Gebiete der Zukergesezgebung niht wird drängen lassen.

Gben dafselbe gilt von der Spiritusindustrie fceilich nicht in dem Maße. Die Spiritusindustrie hat eine ähnlihe Entwickelung genommen wie die Zulkerindustrie: auch die Spiritusindustrie hat fi unter den System der Besteuerung des Rohmaterials entwickelt. Auch hier liegt eine kleine Prämie für cine höhere, bessere, voll- tändigere Ausbeute des Rohmaterials vor. Dieses System hat in Deutschland jedenfalls auch dazu geführt, daß die Technik des Betriebes eine höchst vollendetere, mustergiltigere geworden ist, und es ist nicht unwahrsceinlich, daß die deutsche Spiritus- industrie wahr|scheinlich eine ähnliche dominirende Stellung einnehmen Fönnte und einnehmen würde wie die Zuckerindustrie sie eingenommen hat, wenn die Exportverhältnisse, die Zollverhältnisse der anderen Staaten das irgendwie begünstigt hätten, das ist leider nicht der Fall. Die Spiritusindustrie ist eine Exportindustrie nur in sehr viel gerin- gerem Maße geworden als die Zuckerindustrie. Wenn dort in den leßten Jahren die Hälste der Gesammtproduktion d Tel mex Um Gort gelan ilt, 10 hal 110 der Export der Spiritusindustrie nicht über 5 bis“ 6% gesteigert, und aus einer Eingabe des Vereins der Spiritusindustriellen entnehme ih die Konstatirung, daß z. Z. die Spirituspreise niedriger find als seit 25 Jahren, daß also dieses technische Gewerbe z. Z. fast unter denselben Schwierigkeiten leidet, wie die Rübenindustrie. In derselben Höbe kann es ja nicht der Fall sein, weil die Produktion eine be- \chränktere ift, weil au die Kapitalmengen, die in den beiden Industrien itecken, sehr verschieden sind. Also auch diese zweite wichtige landwirth- schaftliche Industrie befindet sich in derselben Schwierigkeit, obglei man hier in viel geringerem Maße von einer Ueberproduktion sprechen kann, wie in Bezug auf die Zuckerproduktion. Die Frage der Ueber- produktion ist überhaupt keine örtlih begrenzte, oder örtlich be- \cränkte, der Begriff der Ueberproduktion ist Überhaupt ein flüssiger. Ueberproduktion kann man in erster Linie vielleiht nennen den Ueberschuß, der über den heimishen Konsum im Lande produzirt wird. Nun i} aber {on der heimishe Konsum etwas sehr variables, er ist einer, der vom Spiritus würde ih das ja allerdings niht wünschen können aber der vom Zucker jedenfalls einer sehr großen Steigerung fähig ist. Die Steigerung dieser beiden Produktionen hat aber nit allein in Deutschland ftatt- efunden, sondern in allen Ländern, die dieselben Artikel produziren. s ist nachzuweisen, daß die Produktion von Zucker und auc von

Spiritus si{ch annähernd in den leßten 30 Jahren verdreifacht hat. Die Produktion in den Kolonialländern is in demselben Maße gestiegen, wie die kontinentale, und wenn dabei in Rechnung ge- zogen wird, daß in Bezug auf Arbeitskräfte, auf Landpreise, auf Éli- matishe Verhältnisse, die überseeishen Länder in all diesen Be- ziehungen vielfah größere Vortheile bieten, wie die heimischen, so wird-es gewiß doppelt gerechtfertigt sein, daß man diese Frage der tecnisch-landwirthschaftliben Gewerbe mit größter Vorsicht behandelt und zwar lediglich und in erster Linie nah landwirthschaftlichen Ge- ichtspunkten, nad dem Werth, den sie für die heimischen landwirth- chaftlichen Verhältnisse haben. Es ist ja zu hoffen und anzunehmen, daß die gegenwärtigen Verhältnisse nit dauernd sind, daß diese Krisis überftanden werder wird, wie andere vorher. Allein die Nuß- anwendung wird man ohne Zweifel zu machen haben, daß man Kch in dieser kritischen Zeit vor jeder Systemänderung diesen beiden Industrien gegenüber hütet und sh immer gegenwärtig hält, welche hohe Bedeutung sie für die Landwirthschaft haben.

Es ift bei den früheren Diskussionen darauf hingewiesen wor-

den, daß die Landwirtbschaft ja fich darauf werfen könne, andere Gewächse, Handelsgewächse, Obst, Gemüse u. #. w. zu bauen. Meine Herren, diese Hinweise halte ich sür sehr bequem, aber sie sind leider nit praktish im großen Maßstab zu verfolgen und zu beobachten. Ich glaube, daß alle diese Güter für dergleichen Produkte doch nur in beshränktem Maße Absatz haben und meine, daß gerade bei diesen das Verhältniß der Ueberproduktion viel schneller eintreten würde, wie bei der Herstellung dieser Stoffe, die haltbar, die transportabel sind, die eine gewisse Dauer in sih tragen.

_ Daß die landwirthschaftlihe Bevölkerung ein sehr feines Gefühl dafür hat, diejenigen Früchte zu bauen, welche zur Zeit rentabel find, das läßt sih überall nahweisen; es läßt sih besonders auch nah- weisen, durch eine Revue der Ergebnisse der landwirthschaftlichen Bodenanbaustatistik von 1878 und 1883. Die Veränderungen, die sich in dieser Zeit vollzogen haben, {ind durchans nicht unerheblich und sie be- weisen gerade, wie {nell man in der Produktion der gesteigerten Nachfrage und den höheren Preisgeboten gefolgt ist. Es trifft das ja in erster Linie wieder zu für Kartoffel- und Rübenbau. Der Rübenbau hat sih in Preußen von 136 000 ha etwa auf das Doppelte in diesen 5 Jahren gesteigert. Ia demselben Maße hat allerdings dann wieder der Bau von anderen Handelsgewächsen, ODel- frühten, etwa abgenommen. Diese einfawen Thatsachen beweisen uns jedenfalls, daß die landwirthshaftlihe Bevölkerung es an Inter- esse, an Beweglichkeit durhaus nicht fehlen läßt, um gerade die- jenigen Produkte zu produzicen , die zur Zeit rentabel sind.

Es ift hingewiesen worden, daß in den leßten Jahren wesentlih Viehzucht und Molkerei einigermaßen lohnende Preise ergeben haben. Was das Molkereiwesen betrifft, so ist das unbedingt anzuerkennen, und dies liegt meines Erachtens lediglich und in der erfreulicsten Weise auf dem Gebiet der landwirthschaftlichen Selbsthülfe, auf dem Gebiet der Bildung von Molkereigenossenshaften. Dagegen würde ich glauben, daß in Bezug auf die bessere Rentabilität der Viehzucht niht sowohl die Viehzölle einen Einfluß gehabt haben, als die Sperre, die aus veterinärpolizeilihen Gründen gegen unsere Nachbar- staaten geübt werden muß.

_Ich glaube, daß die Erfahrungen auf diesem Gebiete gerade be- weisen, daß wir doch in der Lage sind, Deutsland als einen wirth- \haftlich sclbständigen Faktor, als ein selbständiges Wirthschaftsgebiet bis zu einem gewissen Grade zu behandeln und zu bewahren, daß also auch rein administrative Maßregeln, die hier nicht von {hutzöllne- rischen Rücksichten geboten werden, sondern von veterinär-polizeilichen, für die Hebung des Lxndwirthschaftswe:sens nicht ohne Einfluß ge- wesen sind, und daß sie aub in Rechaung zu ziehen sind bei der Be- urtheilung dieser Verhältnisse.

Ich glaube, mich auf diese Ausführungen zur Zeit beschränken zu können. Der landwirthschaftlihe Etat wird ja im Uebrigen noch e genug bieten, sich über andere Spezialfragen zu untec-

aiten.

Der Abg. Dirichlet drückte sein Erstaunen darüber aus, daß der Minister ohne unmittelbaren Anlaß sich so ein- gehend über die Lage der Landwirthschaft geäußert habe. Die ganze Reihe seiner dankenswerthen Mittheilungen habe leider nur einen akademischen Werth, da diese Fragen end- gültig nicht hier, sondern im Reichstage entschieden würden. Wenn der Minister habe darthun wollen, daß die Geseßgebung eine FJndustrie zur Blüthe bringen könne, jo habe er“ Recht; aber damit werde das Elend niht aus der Welt geschafft, welches jeßt, seitdem das Bonifikations- in ein Prämiensystem fich verwandelt habe, über die Zuckerindustrie hereinbrehe. Die Liberalen hätten die Krise schon vor 2 Fahren vorausgesagt; die maßgebenden Kreise hätten aber hartnäckig ihre Augen verschlossen und die Ueberschreitung des rihtigen Maßes ruhig mitangesechen. Die Zuerindustrie Deutschlands könne gerade durch das belobte Prämiensystem zum größten Schaden kommen, wenn es England einfallen sollte, dieses System zu adoptiren ; eine darauf gerichtete Bewegung mache sich in England längst sehr bemerkbar. Die Getreidepreise seien relativ in den leßten fünf Jahren recht hoch gewesen und könnten als Beweis für die Unrentabilität des Körner- baues nit ins Feld geführt werden. Die 24 Millionen De- fizit seien im Wesentlichen ein Produkt der künstlichen Blüthe der Zuckerindustrie.

Auf eine Anfrage des Abg. Büchtemann erwiderte der Staats-Minister Dr. Lucius, daß die Erhebungen über die ländlichen Nothstandsverhältnisse in nuce dem in den nächsten Tagen erscheinenden landwirthschaftlihen Verwaltungsbericht für 1882, 1883 und 1884 einverleibt werden sollten. Von den Erhebungen selb|st| werde dem Hause eine genügende An- zahl von Exemplaren zugehen.

Eine Reihe von Titeln des Domänenetats wurde hierauf bewilligt.

; s vertagte sich das Haus um 4 Uhr auf Freitag

1 UOU

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Einleitung in das Deutsche Staatsrecht“ von Dr. Otto Mejer. Zweite Auflage. Freiburg i. B. und Tübingen 1884. Akademische Verlagshandlung von F. C. E. Mohr (Paul Sieb eck). gr. 89 S. VIII. u. 353. Im Jahre 1861 gab der damalige Professor des deutschen Rechts an der Universität Rostock eine Ein- leitung in das Deutsche Staatsrecht heraus. Die Arbeit sollte sowohl zu akademishem Gebrauche als für Nichtjuristen dienen, welche zunächst zwar darauf angewtesen, das Staatsrecht der eigenen Heimath zu kennen, sich daneben do auch über das zu orientiren wünschen, was für dieselbe die allgemeine bedingende Vorausseßung ift. Die bei nöôthiger Vollständigkeit möglihst kurz gefaßte Schrift wurde damals beifällig von allen Seiten aufgenommen. Denn wie Referent aus achtmaligem Studium (— wegen lebhaften, viel- leiht ererbten Jnteresses für den wichtigen Gegenstand und lang- jähriger Bekanntschaft mit dem Herausgeber) versichern kann, die Grundbegriffe waren klar und verständlih erörtert, das Staatsrecht der Reichszeit und des deutshen Bundes mit Angabe über Quellen und Literatur kurz dargestellt. Der am Schluß des Vorworts aus- gesprohene Wunsch, „daß uns ein der Würde und dem Geiste unseres Volkes entsprehendes deutsches Recht in den öffentlihen Dingen bleibe und werde“, ging durch die Ereignisse der Jahre 1866 und 1871 sch{neller und s{öner, als man erwarten Tonnte, in Erfüllung, Die Entwickelung der deutshen Einheit \{chob mit den Einrichtungen des deutshen Bundes auch Mejers Darstellung derselben zur Seite. Der Sertalfer hatte laut eigener Versicherung seine Schrift {on „zu den Todten gelegt“, als der Verleger ihm den Wunsch aus\prach, dieselbe für die Gegenwart bearbeitet neu herauszugeben. Diesem Verlangen is dur die oben genannte zweite Auflage entsprochen, welher nur der durchaus be- rechtigte Zusaß auf dem Titelblatte „zweite völlig umgearbeitete und

vervollständigte Auflage“ fehlt. Schon durch das hinzugeklommene zu berüdcksihtigende Material ist das Buh von 299 Seiten jeßt auf 353 Seiten angewachsen. Die beibehaltenen Abschnitte sind wesentli vervollständigt, in den jeßt aufgenommenen Theilen die staats- retlihe Neugestaltung Deutschlands eben so gründlich als allgemein verständlih dargestellt. War in der That nah Auflösung des Deut- {en Bundes zunächst ein Bedürfniß, das in gleicher Sónelligkeit wie erheblichem Umfange entstandene Staatsreht des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reichs mit seiner geswichtlihen Entstehung quellenmäßig in übersichtlicher, systematischer Ordnung darzuftellen, so muß gerühmt werden, daß der Verfaßer dieser Anforderung in anerkennenswerther, tüchtiger Weise mit konjervativen Grundsäßen Genüge geleistet hat. Für einen alten Schüler der Georgia Augusta ist nebenbei erfreuend, bekunden zu können, daß der Verfasser seit 1874 als Professor des Staats- und Kirchenrets an der Universität Gôt- tingen lehrt, welche ja glei von ihrer Stiftung im Jahre 1737 an vor- wiegend als die eigentlihe Hobschule des Staatsrehts und der Ge- cite galt. Auch Mejer will wie jene berühmten Göttinger Vor- gänger, welche den staatsrechtliben Stuhl als glänzende Zierden der Wissenschaft eingenommen haben J. St. Pütter, C. F. Eichhorn, W. E. Albrecht, H. A. Zachariae ein tieferes Verständniß der neueren staatsrechtlichen Institutionen dur rechtshistorisde Begrün- dung ermöglichen, er will das neuere positive deutshe Staatsrecht aus seinen geshictlichen Wurzeln erklären. Aus den übrig gebliebenen Ruinen des umgestürzten Staatsrechts ist ein neues aufgebaut. Nah

dem zutreffenden Aus\pruche des Verfassers können wir von cinem in

die Einleitung zum deutschen Staatêrehte zu verweisenden völker- rectlihen Rahmen desselben, wie der Bund es war, heute zu unserem Glüde niht mehr reden. Der Bund hat sich zum Reiche entwickelt, jenes Völkerrecht ist in demselben Maße Staatsrecht geworden ; es gehört niht mehr in die Einleitung, sondern macht für die deutsche Staatsrehtswissenshaft den Gegensiand der Haupterörterung aus. Die „Einleitung“ war also jeßt mehr als vorher auf das Gebiet bloßer Geschichte verwiesen und in diesem Sinne hat der Verfasser fie bis zu dem Punkte fortgeseßt, wo das heutige Deutsche Reich in feinem gegenwärtigen Umfange vorhanden war. Ein o bewährter, seither vorzugsweise durch gediegene Leistungen im Ge- biete des Kirchenrechts berühmt gewordener Forscher, ftüßt seine Arbeit natürlich auf unmittelbares Studium der Quellen, benußt umsihtig wie gewissenhaft die eins{lagenden wiffsen- \caftlihen Hülfsmittel. Die Darstellung ist zweckmäßig, klar und präzise, im guten Sinne des Worts elegant, wie in allen streng wissenschaftlihen und literarishen Schriften des Verfassers. Die Ausführung ist überdies fo ecinfach und allgemein verständlih, daß das Werk auch den nicht zur Kenntniß des Staatsrechts Berufenen

und Verpflichteten bestens empfohlen werden darf, wenn diese nur über -

den gegenwärtigen Rechtszustand im Deutschen Reiche ein auf Grund der Vorbedingungen beruhendes Urtheil sich bilden und Klarheit über die Vergangenheit verschaffen wollen. Leichtigkeit des Verftändnißes für einen Laien ist wohl eine außerordentliche Empfehlung der Arbeit eines Gelehrten, weil wünshenswerth ist, daß auch in dem gebildeten Publikum, von dem ja ein Theil an der Selbstverwaltung mitwirkt, die historisch richtigen Begriffe von Staat nachaltigen Grund und Boden fassen. In den Vorbemerkungen find die Grundbegriffe des Staatsrechts über Volk, Recht, Staat, Verfassung und Ver- waltung, Staat und Gesellshast, Staatsrecht, deutsches Staatsrecht gut auseinandergeseßt. Der Uütershied zwischen Staat und Gesellshaft wird jo gefaßt: sobald in einem Volfskreise, fei es durch Gewohnheit sei es durch Gesetz, jene sittlihen Normen zur Recbtsnorm, die Rechtsübung gehandhabt zu werden anfängt , beginnt defsen geistige Gemeinschaft diejenige leiblihe Gestalt anzunehmen, welhe wir Staat nennen. Aber auch durch gegenseitiges Einzelbedürfniß und durch gemeinsame, seien es materielle, seien es geistige Interessen, werden Menschen mit einander verbunden. Diese Einigungen werden durch Staatsgrenzen nicht eingeschränkt, dehnen \ih vielmehr ohne Schwierigkeiten über dieselben aus. Für ihre bunte, vielfah si gegenseitig durchkreuzende und bedingende, sich auch jeder neuen hiftorishen Richtung gemäß mit Leichtigkeit verändernde und fortgestaltende Gesammtheit gebraucht Mejer im Ans{luß an andere Staatsrechtslehrer die sonst vieldeutige Bezeichnung Ge sellschaft. S. 30 A. 2 konnte vielleicht als Kuriofium die 1869 erschienene Schrift Lindgren, Grundbegriffe des Staatsrechts, genannt sein, weil dieser S. 12 behauptet, „der bisher angenommene Gegensaß von Privatrecht und öffentlihem Recht beruhe auf eitler Täuschung, alles positive Recht sei öffentlihes Recht.“ Nach ihm ist die juristische Person des Staates die höchste Macht, von der alle Rechtsnormen ausgehen alle Bürger sind absolut rechtslos (S. 86). Die ganze Jurisprudenz insonderheit der deutshen Staatsrehtswissen- {aft wird hier über den Fa geworfen. In den folgenden drei Abschnitten: Das alte Reih, Sechzig Jahre Staatenbund, das heutige Deutsche Reih, beweiset Mejer treffend sein Ge- \chick, den reichhaltigen Stoff zu fsihien und zu einem entscheidenden Punkte zusammenzudrängen, ihn übersichtlih und \yste- matish zu gruppiren, klar wie anshauli darzustellen. Der Verfasser bebt überall die leitenden Grundgedanken der neueren deutschen Staatsentwikelung hervor, welche freilih in verschiedenartigen Formen, do überall als dieselben wiederkehren. Die geschihtlih-rechtliche Ausbildung der staatsrechtlihen Institutionen ist klar erfaßt und in den organischen Zusammenhang des Systems angemessen eingefügt. Nur wird das S. 205 über König Friedrich Wilhelm IV. gefällte Urtheil, nah den Mittheilungen wohl nicht aufrecht erhalten wer- den können, welche Reumont in dem Buche der Pietät und Dank- barkeit „Aus König Friedrih Wilhelms 1V. gesunden und kranken Tagen“, Leipzig 1885, aus genauester Kenntniß veröffentlicht hat, mit dem auch Wagener „Die Politik Friedri Wilhelm 1V. Berlin 1883, S. 58 und 61“ übereinstimmt. Mejer hat die soziale Bedeutung der Landstände sowohl zur Zeit des alten Reichs (S. 68) und zur Zeit des Deutschen Bundes (S. 188, 194 ff,) sehr übersichtlih auseinandergeseßt. Zu S. 126, A. 16 wäre naczutragen: Das Leben J. J. Mosers, aus seiner Selbstbiographie, den Archiven und Familienpapieren dargestellt von A. Schmid, Stuttgart 1868. Die benußten eigenen Papiere geben dem Buche. einen wesentlichen Werth, ferner : J. J. Moser, der Vater des deutschen Staatsrechts, ein Vortrag, gehalten im wissenschaft- lihen Vereine zu Berlin von Dr. H. Schulze. Mit dem Bildniß J. I. Mosers. Leipzig 1869. In Consequenz der von dem Verfasser so präzise und Übersichtlich gemachten Geschichtserzäh- lung hätte auch S. 317 wohl kurz die allerdings hervorgesuchte Ursache des französischen Krieges gegen Deutshland erwähnt sein können. Die Anerkennung muß noch einmal hervorgehoben wer- den, daß die „Einleitung“ nihts Wesentlihes zur geschichtlichen Erkenntniß unserer heutigen Retszustände vermissen läßt, man könnte das Buch eine politische Rechtsgeshichte Deutschlands nennen. Ein sorgfältig gearbeitetes Register erleichtert den Gebrau des Werks, für defsen vervollständigte Ausgabe man nur dankbar sein muß, weil die Grundlagen vollständig geliefert sind, auf denen das neue Gebäude des Deutschen Reichs jeßt aufgebaut, künftig nah Innen erweitert werder kann.

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