1885 / 24 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 28 Jan 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Der Abg. Lauenstein hielt die Annahme des Antrags für drin gend Sol, zumal ein einheitlihes Kommunalsteuer- gese Ie nächste Zeit noch n Fu erhoffen sei. Er

chle, die Vorlage en bloc anzune i:

E De Abg. Belle widersprah diesem Vorschlage, obschon auch er zugeben müsse, daß die Regelung der Kommunal- steuerfrage ein dringendes Bedürfniß sei. s

Nachdem \ich noch der Abg. von Quast für die Annahme

des Antraegs ausgesprochen hatte, wurde die Debatte ge-

lossen. i G u Schlußwort wies der Abg. Dr. Lieber (Montabaur)

die Bedenken des Abg. Zelle zurück und wandte sih alsdann gegen die Ausführungen des Unter-Staatssekretärs Herrfurth. Ein Antrag des Abg. Zelle, den Gesehentwurf an die Gemeindekommission zu verweisen, wurde abgelehnt, und_ das Haus trat sofort in die zweite Lesung der Vorlage ein, in welcher dieselbe nah einigen kurzen Bemerkungen des Abg. Zelle zu §. 1 und §. 7 unverändert angenommen wurde. Es folgte die erste Berathung des Antrages der Abgeordneten Graf Baudissin und Genossen auf Annahme eines Geseßentwurfs3, betreffend Ergänzung Und Abänderung der Bestimmungen über die Aus- sonderung des steuerartigen Theils aus den #0- genannten stehenden Gefällen in der Provinz Shleswig-Holstein. : : Der Abg. Schütt beantragte, den Geseßentwurf an eine verstärkte Agrarkommission zu verweisen. E Der Regierungskommissar Geheime Finanz-Rath Fuistina erklärte, daß die Regierung gern bereit sei, ihre Hand zur Regelung dieser Angelegenheit zu bieten ;. freilich müsse darauf gesehen werden, daß die Regelung auch eine definitive sei. Nach einigen weiteren Bemerkungen der Abgg. Seelig und Schütt wurde der Gesehentwurf an die um 7 Mitglieder verstärkte Agrarkonemission zur Vorberathung überwiesen. Den nächsten Gegenstand der Tagesordnung bildete der Antrag des Abg. Letoha wegen Vorlegung eines Geseß- entwurfs, betreffend die Schiffbarmachung des oberen Theils der Oder und die Herstellung einer Wasserstraße von der Oder bei Fürstenberg nah der Oberspree bei Berlin. Auf Antrag des g. ge wurde dieser Gegenstand von der Tagesordnung abge)est. : i Der Be richt über die Ergebnisse des Betriebes der für Rechnung des preußishen Staates verwalteten Eisen bahnen im Betriebsjahre 1883/84, sowie der Bericht über die Bau- ausführungen und Beschaffungen der Eisenbahnverwaltung während des Zeitraums vom 1. Oktober 1883 bis dahin 1884 wurden ohne Debatte an die Budgetkommission verwiesen. Dér leßte Gegenstand der Tagesordnung wür die zweite Berathung des Geseßentwurfs, betreffend die Vertretung des Fiskus in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten der atte, Gde E Va Derselbe wurde nach einer kurzen emerkung des Abg. Bödiker genehmigt. Sodann vertagte sich das Haus auf Donnerstag 11 Uhr.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, Königlich sächsishe Geheime Regierungs-Rath von Ehren stein ist hier angekommen. '

Seit einigen Tagen weilen hierselbst zwei höhere ausländishe Verkehrsbeamte: Herr Reymers, Mit- glied der General-Direktion der Kaiserlih russishen Posten und Telegraphen in St. Petersburg, und Herr Purcell, Controller of the Postage Stamp ‘Departement of the Inland Revenue in London. Der Erstere ist hierher entsandt, um für einige Zeit dem Studium der deutshen Posteinrihtungen obzuliegen, der Leßtere, um sich über die Herstellungsweise deutshex Postwerthzeihen in der Reichsdruckerei zu unter- richten.

Nah Schluß des am 1. Oktober v. F. bei der Artillerie-Schießs{hule begonnenen Kursus haben sich sämmtliche zu demselben kommandirt gewesenen Offiziere in ihre resp. Garnisonen zurücktbegeben.

Sachsen. Dresden, 2. Januar. Wie das „Dr. Journal“ erfährt, hat der Wirkl. Geheime Rath, Haus- marschall Graf Vißthum von Ecstädt im besonderen Auf- trage des Königs die Allerhöhstdemselben von dem verstorbe- nen Herzog Wilhelm von Braunschweig testamenta- risch vermahten Güter in Schlesien im Laufe der leßt- vergangenen Woche übernommen.

Hessen. Darmstadt, 27. Januar. (Köln. Ztg.) Die Zweite Kam mer erklärte heute die Wahl der Abgeordneten für Mainz, Falck und Schlenger, für ungültig.

Hesterreich-Ungarn. Wien, 26. Januar. (Wn. Abdp.) Heute tagten im Abgeordnetenhause der Budget! aus\{chuß und der Gewerbe-Ausshuß. Auf der Tages- ordnung des Budgetausschusses stand die Berathung über die Regierungsvorlage, betreffend den Nachiragskredit für den Umbau der Gewehrfabrik, dann die Berathung über das Budget der Unterrichtsverwaltung. Der Gewerbe-Auss{chuß seßte die Spezialdebatte über das Unfallversicherungsgeseßz fort.

27. Januar. (W. T. B.) Das Abgeordneten - haus hat einen besonderen Ausschuß für das Sozialistengeseß gewählt und die Vorlage wegen der Nordbahn an den Eisenbahnausschuß verwiesen. Bei der Beantwortung einer in Betreff des Warnsdorfer Hochverrathsprozesses gestellten Fnterpellation wies der L die Anschuldigung, daß die frag- liche Strafunterjuchung in tendenziöser Weise eingeleitet worden sei, im Interesse und zur Wahrung des Ansehens und der Unabhängigkeit des Richterstandes entschieden zurück. Er bezeichnete die Behauptung, daß in Folge der Aussagen der Angeschuldigten die Nothwendigkeit weiterer Erhebungen fort- En wäre, als irrig und alle Behauptungen über die

chlechte Behandlung der Verhafteten während der Unter- juhungshaft als vollkommen falsch. Es seien alle mit der Hausordnung zu vereinbarenden Wünsche derselben in Bezug auf Kost und Lektüre erfüllt worden und fie selbst (die Verhafteten) hätten auch keinerlei Beshwerden vorgebraht. Der aerbeit versicherte, daß die Regierung auf die ganze Angelegenheit keinen Einfluß geübt habe; sie sei nur insofern in Thätigkeit getreten, als sie, nah der über die Einleitung der Vorunter- suhung genommenen Kenntniß, Allerhöhsten Orts die Ein- stellung der Untersuhung beantragt habe. Der Antrag des

Großbritannien und Jrland. London, 26. Januar. (Allg. Corr.) Die erneuten Attentate, welche die iri}s{- fenisien Dynamitarden am Sonnabend im West- minster-Palast und im Tower verübten, haben niht nur in London, sondern in ganz England die größte Aufregung hervorgerufen, und die allgemeine Entrüstung über diese Un- thaten dürste die Regierung veranlassen, höchst ernste und außerordentliche Schritte zu thun, um dem verbrecherischen Treiben der amerikanischen Fenier ein für alle Mal ein Ende zu seßen. Ju ihren Leitartikeln über die Explosionen bezeichnen die Morgenblätter als Abwehrmittel zumeist einen ener- gischen Appell der englischen Regierung an die Regierung der Vereinigten Staaten, dem frevelhaften Treiben O’Donovan Rossa’s und seiner Spießgesellen durch entf prechende strenge Geseße ein Ende zumachen. Die Blätter sind einstimmig darin, daß sie den Herd der Vershwörung nah Amerika verlegen. Obgleich die „Times“ hofft, daß die Amerikaner im Stande sein werden, Mittel zu ersinnen, um diesem shreienden Skandal ein Ende zu seßen, fährt sie dennoch fort: „Wir dürfen niht unsere Hände falten und auf den Ausgang warten. Es ist dringend nothwendig, energishe Maßregeln zu ergreifen, sowohl offen- sive als defensive, gegen einen hinterlistigen, gewissenlosen, unversöhnlihen Feind, wenngleich er an Zahl wie an Cha- rakter der verächtlihste ist. :

2. Januar. (W. T. B.) Hassan Fehmi Pascha hatte heute in Begleitung von Musurus Pascha bei der Königin in Osborne eine Audienz.

Ein Telegramm der „Times“ aus Hongkong, vom 27. Januar, meldet: Dem französischen Panzers\chiff „Triomphante“, welches zur Ausbesserung hier eingelaufen war, ist, um jede Verleßung der Neutralität zu verhindern, die Erlaubniß hierzu auf Befehl der englishen Regie- rung von den Behörden versagt worden.

Frankreich. Paris, 27. Januar. (W. T. B.) Der

Minister-Präsident Ferry theilte im heutigen Mini ster- rath mit, daß in den Verhandlungen Frankreichs

mit der Afrikanishen Gesellschaft wegen der Abgrenzung der beiderseitigen Gebiete am Kongo ein fast vollständiges Einvernehmen auf den bekannten Grundlagen erzielt worden sei. Der

„Agence Havas“ zufolge hätten die Verhandlungen der Afrikanischen Gesellschaft mit Portugal noch zu keinem Ergebniß geführt. Uebrigens sei die Nachricht der „Times“ von einem Uebereinkommen Frankrei chs mit Portugal wegen des Congo unbegründet.

Eine Depesche des Generals Brière meldet, daß alle Vorbereitungen beendet seien und daß die Wiederau f- nahme der Operationen in Tongking bevorstehe. Der „Temps“ konstatirt, daß nah dem Eintreffen der Verstärkungen die gesammten militärishen Streitkräfte, über welche General Brière de l’Jsle und Admiral Courbet zu verfügen haben würden, einschließlich der annamitischen Tirailleurs 40 000 Mann betragen würden.

Die heutige Sißung der Deputirtenkammer er- öffnete der Präsident Brisson mit einer Ansprache, in welcher er das Haus zu dem Resultat der Senats- wahlen vom 2. d. M. beglückwünschte und gleichzeitig e:- suchte, die Arbeiten zu beschleunigen. Baudry d’Asson wünschte die Regierung P den jüngsten Mißerfolg der französi- chen Truppen und über vie DperationeninTongkingzuinter- pellire Der Miñßister-Präsident Ferry erklärte, die französishen Truppen in Tongking hätten keinen Miß- erfolg zu verzeihnen; er ersuhe die Kammer, die ZJnter- pellation über die Operationen in Tongking auf einen Monat zu vertagen. Die Kammer stimmte diesem Wunsche bei. Im Fortgange der Sißung wurde die Berathung des außer- ordentlihen Budgets begonnen und dasjenige des Kriegs-Ministeriums angenommen.

Ftalien. Rom, 27. Januar. (W. T. B.) Jn der Deputirtenkammer antwortete heute der Minister Mancini auf die Jnterpellation in Betreff der Kolonialpolitik: daß die früheren gegen die Kolonial- politik gerihteten Theorien angesihts der modernen Ent- wickelung und der kolonialen Ausdehnung aller Mächte nicht mehr haltbar seien. Jtalien könne in dem Kampf der Civi- lisation gegen die Barbarei nicht unthätig bleiben. Die Re- gierung sei entschlossen, innerhalb bescheidener Grenzen eine foloniale Politik zu betreiben, vorausgeseßt, daß dieselbe für die öfonomishe wie für die politishe Entwickelung von Nuygen sei. Sie werde ferner die bestehenden Rechte anderer Nationen respektiren, um jede Komplikation zu ver- meiden ; sie rene außerdem auf die thätige Mithülfe Seitens des Handelsstandes. Die zu machenden Versuche würden durchaus im Verhältniß zu den Kräften Ftaliens stehen. Schon seit langer Zeit sei der Weg nah dem Rothen Meere als für das-Gedeihen Jtaliens sehr wichtig anerkannt worden. Der Viinister widerlegte die hiergegen gemachten Einwände und wandte si dabei namentlich gegen die Annahme, daß Jtalien eine gefährlihe Eifersuht Englands hervorrufen könne. Es sei das Verdienst des Kabinets, daß es, ohne der Allianz mit den Centralmächten untreu zu werden und ohne ein großes Risico und große Opfer zu übernehmen, eine Freundschaft mit Eng- land herzustellen gewußt habe, die sich auf eine Gemeinsamkeit der Anschauungen und der Aktion im gegenseitigen Jnteresse stüße. Diejenigen, welhe fürhten, daß Jtalien von seiner Stellung am Mittelmeer abgezogen würde, müßten an- erkennen, daß Jtalien am Rothen Meere den Schlüssel zum wirksamen Schuß des Gleichgewihts am Mittelmeer finden dürfte. Die Regierung werde den status quo am Mittelmeer. respektiren. Wenn aber eine andere Macht hier Aenderungen hervorrufen sollte, welhe die Sicher- heit und die Rechte Ztaliens bedrohen, so werde Jtalien sich dagegen zur Wehr seßen und das Gleichgewicht wiederherzustellen suchen. Die Expedition nah dem Congo sei nur für einige Wochen aufgeshoben. Die Regie- rung bedürfe der warmen Unterstüßung der Kammer für ihre Kolonialpolitik; andernfalls würde die Regierung sich Beschlüssen, die durch ein entgegenstehendes Votum gefaßt würden, zu fügen wissen, Auf eine von Crispi

estellte Anfrage, in Betreff der Nachricht über die zwischen talien und England hergestellte Uebereinstimmung, erklärte der Minister sich morgen äußern zu wollen. Der Kriegs-Minister Ricotti führte aus, daß nah seiner Anficht die erste Expedition genügen würde. Sollte eine weitere Expedition in das Jnnere nöthig werden, so werde noch ein Bataillon nah Assab geschickt wer- ‘den. Der Minister wies \{ließlich auf den in der Armee wie

der Nation nit erloschen sei. Die Deputirtenkammer ge- nehmigte sodann die Eisenbahnkonventionen bis Ar- tikel 41 und erklärte sich mit 165 gegen 92 Stimmen gegen das auch von der Regierung abgelehnte Amendement Baccarini’'s über den Ankauf des Materials der Gesell- schaften beim Austausch der Konventionen. i

Aus Port Said, vom heutigen Tage, wird gemeldet, daß die Dampfer „Vespucci“ und „Gottardo“ heute früh von dort nah dem Rothen Meere abgegangen sind.

Nußland und Polen. Kiew, 27. Januar. (W. T. B.) Die Universität is gestern wieder eröffnet worden. Der Kurator des Lehrbezirks hielt eine Ansprache, in wel{cher er dem Bedauern über die Vorfälle, welche die Schließung der Universität hervorgerufen hätten, Ausdruck gab und gleichzeitig die Hoffnung aussprach, daß die Männer der Wiyenschaft sih in der Universität künftig auss{ließlih den Interessen der Wissenschaft hingeben und daß diese Interessen Ordnung und Ruhe in der Universität einbürgern würden.

Dänemark. Kopenhagen, 27. Januar. (W. T. B.) Im Finanzaus\chuß des Folkethings haben die Mit- glieder der Linken das von der Regierung vorgelegte Budget um 71/4 bis 8 Millionen herabgeseßt. Die Rechte will nur einer Herabminderung um 2 Millionen bei- stimmen. Die Abstriche erstreen \ich auf alle Zweige der Staatshaushaltung. Ein provisorishes Finanzgeseß wird als wahrscheinlih angesehen.

Amerika. New-York, 27. Januar. (W. T. B.) Jn den Legislaturen der Staaten New-York und Pennsylvanien sind Anträge auf Regelung der Anfertigung und des Verkaufs von Dynamit ein- gebracht worden.

Afrika. Egypten. (W. T. B.) General Wolseley meldet aus Korti: er habe am 26. Januar von dem General Earl einen Bericht erhalten, wonah der Mars ch seiner Truppen den Nil stromaufwärts glücklich von Statten gehe. i (W. T. B.) Unter dem 28. Januar telegraphirt General Wolseley, daß Metammeh genommen ift. Oberst Stewart sei schwer verwundet. Wilson habe sich an Bord eines Dampfers nah Khartum begeben.

Zeitungsstimmen.

Rücksichtlih der Reichstagsdebatte über die Adressen- bewegung wird der „Magdeburgischen Zeitung“ von einem „Mitgliede der nationalliberalen Partei, das aber außer-

halb der parlamentarischen Kreise steht“, geschrieben :

Es war vorauszusehen, daß die Majorität vom 15. Dezember, gegen welche sich die Adressenbewegung im Volke richtete, die Gelegen- heit ersehen werde, an dieser Bewegung Kritik zu üben und womög- lih sih ins Recht, die Urheber und Theilnehmer der Bewegung ins Unrecht zu seßen. Das ift denn nun in der Sißung des Reichstages vom 23. Januar geschehen.

Zunächst ist die Spontanität jener Bewegung angezweifelt, es ist versuht worden, dieselbe als eine , offiziós gemachte“, künstliche darzustellen. Beweise dafür sind-niht erbraht worden. Alles, was man vorbringen konnte, war, 1) daß der konservative „Reichsbote“ eben dies behauptet habe, 2) daß in der „Nationallibe- ralen Correspondenz“ zu Entrüstungsadressen aufgefordert wor- den sei. Jh weiß nicht, ob der „Reihsbote* That- sachen für seine Behauptung angeführt hat, glaube es aber nicht, weil sonst wohl der Redner, der sich auf den „Neichsboten“ berief, diese. Thatsachen gleichfalls erwähnt haben würde. Was die „Nat.-lib. Correspondenz“ betrifft, so hat der dermalige Führer der Nationalliberalen im Reichstage, Hr. von Benda, versichert, daß der betreffende Artikel (der Übrigens, so viel ich mi erinnere, cine „Aufforderung zu Entrüsftungs-Adressen“ keineswegs enthielt, sondern nur den Ausspruch, daß der Beschluß vom 15. Dezember das Gefühl des Volkes verleßen müsse) „nit aus der parlamentarischen Partei hervorgegangen sei." Da es bei dieser Sache auf bestimmte Thatsachen ankommt, so will ich hiermit kon- statiren, daß u. A. an meinem Wohnorte ih selbst sofort nah dem Beschlusse vom 15. Dezember aus völlig freiem Antriebe die An- regung zu einer Adresse gegeben _habe. Nun nehme ich aber weder eine offizielle noch eine offiziófe Stellung ein. Auch habe ich, wie mir die verehrlihe Redaktion bezeugen wird, niemals în dem Geruche gestanden, mihch von offiziellen oder offiziósen Stellen aus beeinflussen zu lassen. Eine zweite An- regung ähnlicher Art erfolgte fast gleichzeitig von ganz anderer Seite aus, Die Adresse selbst erhielt in wenig Tagen so viel Unterschriften, daß dieselben nahezu der Mehrheit aller bei der jüngsten Reichstags- wahl în dem betreffenden Wahlkreis abgegebenen Stimmen gleich kamen. Es wäre nun doch! merkwürdig, wenn so viele Tausende von Personen, und zwar zum allergrößten Theile sehr angesehene und ihren bürgerlihen Stellungen nach völlig unabhängige Personen, auf ein Kommando „von oben* oder auch nur von einzelnen Parteiführern einen solhen Eifer des Unterschreibens bethätigt hätten. :

Es ist ferner den Theilnehmern an jener Adressenbewegung vor- geworfen worden, sie hätten den Sinn des Beschlusses vom 15. De- zember entstellt und dadur den Reichstag, der einen solchen Beschluß gefaßt, in den Augen des In- und Auslandes verunglimpft. Nun, daß jener Beschluß vom 15. Dezember zu sehr ernsten Bedenken vom patriotishen und nationalen Standpunkte aus Anlaß gab, daß er uns Deutsche gerade vor dem Auslande in kein besonders günstiges Licht stellt, das haben sogar die meisten und angesehensten Blätter der deutsch-

freisinnigen Partei, die |den Beschluß mit gefaßt hatte, direkt, die anderen wenigstens indirekt dadurch anerkannt, daß sie die Bedeutung des Beschlusses abzushwächen suchten; nur ganz vereinzelle wagten es, ihre Schadenfreude über „die Niederlage, die der Reichskanzler erlitten“, ofen auszusprechen; grade dadur aber bekannten sie (was jeßt die Vertheidiger des Beschlusses abzuleugnen suchen), daß min- destens ein Theil der Majorität vom 15. Dezember niht aus bloßen „Sparsamkeitsrüctsichten“ so E hatte, wie er gethan.

Aber man geht weiter, man will in den Kundgebungen gegen den Beschluß vom 15. Dezember ein Attentat auf den Reichstag selbft erblicken. Die „Autorität“ des Reichstages, sagt man, sei angetastet, „das Volk sei gegen seine geordnete Behörde geheßt. worden.“ Jch

laube, hier is wohl zu unterscheiden. Wäre diese Gelegenheit enußt worden, um den Reichstag als nationale Insti- tution herabzuseßen, um die alte Streitfrage zwischen Absolutismus und Parlamentarismus zu Ungunsten des leßteren aufzugreifen und zuzuspitßen, so wäre das gewiß zu beklagen und sofern einzelne Andeutungen etwas dergleichen enthalten haben sollten, so würde ih für meine Person dies höchlichst mißbilligen und würde eine solche Adresse niemals unterschrieben haben. Allein der Reichstag als Institution und ein einzelner konkreter Reichstag find nicht dasselbe. Den lehteren für unfehlbar und über jeder Kritik stehend auszugeben, wäre doch Lie bedenklich und möchte am aller- wenigsten tem Reichstage als Institution, dem Prinzip des Parlamentaris- mus zu Gute kommen. Es wird im vernünftig regierten Staate nicht als ein Majestätsverbrechen oder auch nur als eine Ehrerbietungs- Bes angesehen, wenn die Unterthanen im Wege der Bitte, der Vorstellung „von dem \{lechtunterrichteten an den besser zu unterrichten-

Abg. Schönerer, über die Antwort des Ministers zu debattiren, wurde mit 141 gegen 101 Stimmen abgelehnt.

im ganzen Lande herrschenden Enthusiasmus hin und {loß daraus, daß die Begeisterung für große Unternehmungen in

den Monarchen“ appeliren, und es sollte ein Majestätsverbrechen sein, wenn das Volk seinenVertretern gegenüber seine von denen dieser abweichen-

den Ansi@ten auéspriht, zumal wenn, wie im vorliegenden Falle, die Volksvertretung felbst noch nit ihr letztes Wort gesprocen hat, also eine Nemedur des gefaßten Beschlusses möglich ift! Wo bliebe da das Recht der Petition, welhes doch sehr häufig gerade in dem Sinne und zu dem Zwecke geübt wird, um einen entweder zu besor- genden oder vielleiht in erster Lesung gefaßten Beschluß des Reichs- tages in sein Gegentheil zu nereiren.

Man kann vielleicht darüber streiten, ob nicht etwa der korrektere Weg, statt jener Adressen an den Reichskanzler, der Weg eben der Petition an den Reichstag gewesen wäre. Allein der Beschluß vom 15. Dezember war nach den vom Reichskanzler wiederholt gege- benen allerbestimmtesten Erklärungen darüber, daß die Verweigerung der von ihm geforderten Hülfskraft ihm die Möglichkeit oder doch Freudigkeit eines fortgescßten ungeschwächten Wir- ens auf dem bocchwichtigen Gebiete der auswärtigen Politik raube, dieses für die Sicherheit und Größe Deutschlands so unentbehrlichen Wirkens ein fo direkter Scblag gegen diesen Mann selbst und gegen das, was er der Nation ist, daß das Gefühl des Volkes woh! nicht irre ging, wenn es das Bedürfniß empfand, dem gegenüber dem großen leitenden Staat3manne recht augenfällig

kundzugeben, daß wenigstens ein schr großer und nit der \ch{lechteste Theil der Nation in der auswärtigen Politik zu ihm stehe. Ja, eine solche öffentliße Kundgebung war um so nothwendiger gerade in einem Augenblick, wo der

Reichskanzler einen der kühnsten, aber auch für die nationalen Jn- tercssen sicberlib niht am wenigsten heilsamen Akte seiner aus- wärtigen Politik zu vollziehen im Begriffe ftand, die entschiedene Geltendmachung der Rechte Deutschlands 'auf Theilnahme am Kolonialbesiß in fremden Welttheilen gegenüber den übertriebenen Ansprüchen des secbeherrs{Wenten Englands. Mit Recht hat Fürst Bismarck gesagt: „eine Kolontalpolitik im großen Stile zu betreiben, werde für ihn nur dann möglih, wenn er sicher sei, daß die Nation hinter ibm stehe.“ Durch den Beschluß vom 15. Dezem- ber konnte diese Vorausseßung in den Augen des Auslandes leicht entkräftet werden, es galt daher, fo {nell als mögli diesen Ein- druck zu verwischen, und das ist durch die Adressenbewegung (wie die Stimmen der auswärtigen, namentlich auch der englishen Presse be- zeugen) auf das Wirksamste geschehen.

Die „Medcklenburgischen Anzeigen“ schreiben über den „Normalarbeitstag“:

Ohne Zweifel ift es ein berechtigtes Verlangen der arbeitenden Bevölkerung, daß cine übermäßig lange Arbeitszeit vermieden werde.

An si freilich scheint die wirthshaftlihe Weltlage andere Auf- gaben näher zu legen, als die geseßliche Regelung der Arbeitszeit. In England belaufen sich_ die Aufwendungen der Gewerkvereine für die Unterstüßung ihrer feiernden Genossen {on auf Millionen, in Paris und Lyon hat der Mangel an Arbeit und Verdienst den Charakter einer öffentlichen Gefahr an- genommen. Jn Deutschland i &8, zu einem großen

Theile, Dank der unseren Verhältnissen entsprehenden Zoll- und Handelspolitik, bisher gelungen, von den Arbeitern ähn- liches Mißgeschick in der Hauptsache fern zu halten. Hätten wir

jeßt, wie nah 1873, das ungeshütßte Deutschland zum Ablagerungs- plaß fremder Ueberproduktion gemacht, so könnten wieder Hundert- tausende fleißiger Arbeiter ih vergebens na Arbeit umsehen, die Frage des Normalarbeitstages würde vor der Frage nah Arbeit von felbst von der Tagesordnung verschwinden. Deshalb ist gerade vom Standpunkte der Arbeiter unter den jeßigen allgemeinen wirthschaft- lien Verhältnissen die Frage der Erhaltung der Arbeitsgelegenheit und des Arbeitsverdienstes ungleich wichtiger und dringlicher, als die geseßliche Regelung der Arbeitszeit.

Centralblatt für das Deutshe Reich. Nr. 4. JIn- halt: Konsulatswesen: Todesfall. Exequaturertheilung. Heimath- wesen: Zusammenstellung über die Geschäfte des Bundesamts für das Heimathwesen während des Geschäftsjahres vom 1. Dezember 1883 bis dahin 1884. Handels- und Gewerbewesen: Auéëführung der Nummer 3 des S@lußprotokolls zu der deutsch - italienischen Literar-Konvention vom 20. Juni 1884. Polizeiwesen: Ausweisung von Ausländern aus dem Reicbsgebiete.

Amtsblatt des Reichs-Postamts. Nr. 4. Inhalt: Verfügungen: vom 21. Januar 1885, Postpacketverkehr mit Por- tugal. Bescheidungen: vom 20. Januar 1885. Unzulässigkeit der Bezeichnung „Portopflichtige Dienstsache“ bei den portopflichtigen un- frankirten Briefen der Orts-Krankenkafsen.

Justiz-Ministerial-Blatt. Nr. 4. Inhalt: Allge- meine Verfügung vom 13. Januar 1885, betreffend die Verrebnung der für verstorbene Gefangene angesammelten Arbeitéverdienftantheile. Allgemeine Verfügung vom 14. Januar 1885, betreffend die Auf- hebung des kollegialisben Schöffengerichts zu Feldkirh. Allgemeine Verfügung vom 14, Januar 1885, betreffend die Erweiterung des Bezirks der Strafkammer bei dem Amtsgericht in Siegen. All- gemeine Verfügung vom 17. Januar 188d, betreffend die Ausführung des Geseßes vom 20. Mai 1882,

CEisenbahn-Verordnungs-Blatt. Nr. 3, Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 13. Januar 1885, betreffend Uebertragung der Verwaltung und Betriebsleitung der Verbindungsbahn von Station Bockenheim (M. W.), einerseits nach Station Louisa (M. N.), andererseits nah Station Rebstock der Strecke Höchst-Frankfurt a. M. an das von der Königlichen Eisen- bahn-Direktion zu Frankfurt a. M. refsortirende Königliche Eisenbahn- Betriebsamt zu Wiesbaden. vom 14. Januar 1885, betr. Berech- nung der Dienstzeit der beurlaubten Kapitulanten der vormaligen Hannoverschen Kavallerie, vom 21. Januar 1885, betr. Aenderung des Reglements für die Berechnung der Nebenemolumente der Be- amten des Fahrdienstes. vom 22. Januar 1885, betr. Aufftellung der Betriebsetats. —- Nachrichten.

Centralblatt der Bauverwaltung. Nr. 4. Inhalt: Amtliches: Bekanntmachung. Personal-Nachrichten, Nicht- amtliches: Die Wasserversorgung und der Wafserthurm des Central- bahnhofs in Straßburg i. E. Die Begründung eines Verbandes der „Architekten des Westens“ in Nordamerika, Die Erweiterung des Suezkanals. Die Kanalisation von Berlin. (Schluß.) Versammlung zur Vereinbarung einheitliher Prüfungsarten für Bau- und Konstruktionsmaterial. Vermischtes: Preisbewerbung um die Ausführung eines Wandgemäldes im Rathhause in Berlin. Neu- bau des amtsgerichtlichen Geschäfts- und Gefängnißgebäudes in

Kappeln, Elektrishe Beleuchtung der Königlichen Theater in Müncben. Statistische Nachrichten. Die Bewegung der Bevölkerung in Frankrei

und Canada. (Journal of the Statistical Society.) Jn Franf- reich ist die natürlihe Bevölkerungszunahme auf ein Minimum herabgesunken; im Jahre 1883 betrug sie, wie wir {on neulich be- richteten, nur 96 843 Köpfe. Die Zahl der Geburten bleibt seit einiger Zeit beständig dieselbe; sie belief sich im Jahre 1881 auf 937 057, 1882 auf 935 566 und 1883 auf 237 944 Köpfe. Dagegen hat si leider die Zahl der außerehelihen Geburten in dem vier- jährigen Zeitraum 1880—83 um nahezu 9 pCt. vermehrt.

Während sich die Bevölkerung Frankreihs nach diesen Angaben im Niedergange befindet, sind die Nahkommcn der alten französischen Rasse in Canada auf dem besten Wege, in friedlicher Weise diesen Theil der neuen Welt zu erobern. Aus den 11 000 französischen Kolonisten aus der Normandie und- Bretagne sind na der leiten Volkszählung (1881) 1298 929 Individuen geworden; sie machen über 30 pCt. der Gesammtbevölkerung jenes Landes aus. In der Provinz Quebec bildeten die 1073 820 Einwohner französischen Ursprungs im Jahre 1881 fast 80 yCt. der Bevölkerung, welche si auf 1 359027 Personen belief. Alle Gemeinden um Montréal,

zu neun Zehnteln aus Franzosen. In den Ost-Kantonen dieser Pro- vinz verdrängen sie friedlih aber unaufhaltsam die Bewohner anderer Nationalitäten. Im Provinziallandtage von Quebec giebt es nit ein Mitglied, das des Französischen nicht kundig wäre. Im Reprä- sentantenhause zu Ottawa (der Hauptstadt der Canadishen Conföde- ration) ift von zwei Abgeordneten einer immer französischen Ursprungs, und mehr als 100 englische Mitglieder dieses Parlaments lesen französisch und vermögen einer Diskussion in dieser Sprache zu folgen. Die Stadt Ottawa selbst hat einen französishen Bürger- meister, und die Mehrzahl ihrer Bewohner ift französish. Bei jeder Zeituug giebt es einen des Französishen mächtigen Redacteur.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Allgemeine Deutswe Wecselordnung undWechsel- stempelsteuer-Geseß, erläutert durd die Rechtsprebung des Reich8gerihts und des vormaligen Reihs-Dber- Handelsgerichts von I. Bafch, Landrichter a. D., Rehtéanwalt bei dem Landgericht T zu Berlin. Zweite, verbesserte Auflage. Verlag von H. W. Müller in Berlin. Taschenformat, kartonnirt Preis 0,75 46 Das Werken bietet den Text der Wechselordnuna und des Wechselstempelsteuer- Gesetzes in ihrer jeßt geltenden Fassung, ferner das Reichs-Einfüh- rungsgescß vom 5. Juni 1869 und das Geseß, betr. die Aufhebung der Schulidhaft, vom 29. Mai 1868, die Bestimmungen des Gerichts- verfassungs-Geseßes und der Civil-Prozeßordnung über die Kammern für Handelssachen und über den Wecbselprozeß, sowie {ließlich eine Zusammenstellung der verschiedenen Fälle der Wechselklagen. Der Wechselordnung sind die in zahlreichen Entscheidungen der höcbsten Gerichtshöfe enthaltenen Grundsäße, dem Geseße über die Wechsel- stempelsteuer die Bekanntmachungen des Reichskanzlers über Ver- wendung der Stempelmarken, über Umrechnung ausländisher Wäh- rungen, über Crsaßanspruch für verdorbene Stempelmarken 2c. bei- gegeben. Ein ausführlihes Sachregister erhöht die Brauchbarkeit des gut ausgestatteten, bandlihen Werkchens.

Von dem „Correspondenzblatt des. Gesammt- Vereins der deutshen Geschichts- und Alterthums- Vereine“ (beraus8gegeben von dem Verwaltungs-Ausshuß des Gesammtvereins in Frankfurt a. M. unter Redaktion von Ernst Wörner in Darmstadt) ist soeben die November-Nummer (11) des 32, Jahrgangs 1884 versandt worden. Den größeren Theil dieser Nummer nimmt ein Beitrag von Georg Humann über den Westbau der Münsterkirche zu Essen cin. Die gründliche Untersuhung Über die Zeit der Entstehung des Baues bietet kunstgeshichtlich mancherlei Interessantes. Die durch viele urkundlihe Beigaben illustrirte Geschichte der Herren und Grafen von Heusenstamm (verfaßt von Friedrih Ritsert) wird auch in dieser Nummer fortgeseßt. Von den literarishen Besprechungen betrifft eine die „Fundstatistik der vorrömishen Metallzeit im Rheingebiet“ von E. Frhrn. von Tröltsh, Württembergischen Major a. D. Am S({luß wird mit- getheilt, daß, nachdem der. Verein für die Geschichte Berlins die ihm von der Generalversammlung des Gesamrmtvereins zu Meißen ange- tragene Vorortschaft für das Jahr 1885 angenommen habe, mit dem Januar 1885 die Geschäftéleitung des Gesammtvereins an den ge- nannten Berliner Verein übergehen werde.

Gewerbe und Handel.

_Nach den statistis{en Ermittelungen des Vereins deutscer Eisen» und Stahlindustrieller belief sih die Roheisenpro- duktion des Deutschen Reichs (einschließlich Luxemburgs) im Monat Dezbr. 1884 auf 295 618 t, darunter 168 593 t Puddelrobeisen, 10069 t Spiegeleisen, 36 329 t Bessemerroheisen, 40 730 t Thomas- roheisen und 37 097 t Gießereiroheisen. Die Produktion im Dezember 1883 betrug 292129 t. Vom 1 Sanuar bis 31, Dezember 1884 wurden produzirt 3 572 155 t gegen 3 380788 t im Vorjahr.

In der ordentlichen Generalversammlung der Aktionäre der Getreide- Maklerbank, in welber 1324 Stück Aktien mit 263 Stimmen vertreten waren, wurden Seitens des Vorstandes der Ge- \{äftsberiht und die Bilanz für das Geschäftsjahr 1884 vorgelegt, leßtere unter E der Dividende auf 109% für dasselbe geneh- migt und dem Vorstande durch Akklamation Decharge ertheilt. Das statutengemäß ausscheidende Aufsichtsrathsmitglied, Hr. Oëcar Roth- \cild, die bisherigen Revisoren, Herren C. F. W. Adolphi und P. Alexander, sowie der Revisor-Stellvertreter, Hr. Ad. Bernstein, wurden durch Akklamation wiedergewählt. Jn der darauf folgenden außerordentlichen Generalversammlung wurden die dem neuen Aktien- geseß entsprehenden Statutenänderungen ohne Diskussion angenommen.

Nürnberg, 24, Januar. (Hopfenmarktberiht von Leopold Held.) Die Tendenz des Marktes hat sich etwas abgeschwächt und sind Mittelsorten in Folge Nachgiebigkeit der Eigner einige Mark billiger erhältlich. Verkauft wurden in der zweiten Hälfte dieser Woche ca. 400 Ballen, zugefahren ebensoviel. Erport kauft kleine Quantitäten leihte Hopfen, zahlt aber nur in seltenen Fällen über 60 A4 Es notiren: Primawaare 90—100 4, gut Mittel 80—8ò M, Mittel 68—75 M Antwerpen, 27. Januar. (W. T. B) Wollauktion. Angeboten 1475 B. Laplata-Wollen, davon 885 B, verkauft. Ziem- li belebt, {ne neue Buenos-Ayres-Wollen 5 Cts. niedriger, alte ganz vernachlässigt.

London, 27. Januar. (W. T. B.) Bei der gestrigen Woll- aukttion waren Preise unverändert.

_St. Petersburg, 28. Januar. (W.T.B.) Die Geseßz-Sammlung veröffentlicht einen vom Kaiser sanktionirten Beschluß des Minister- A welcher die Einfuhr ausländischer Rasseshweine gestattet.

Die Gesellschaft der „Russischen großen Eisenbahn“ hat in Paris mit dem „Crédit mobilier“ (Pereire & Hottinger) ein U ebereinkommen abgeschlossen, durÞ welches der vom Crédit mobilier, von Pereire und Hottinger gegen die Gesellschaft der Russischen Eisenbahn angestrengte Prozeß gütl ic beigelegt wird. Den Gründern der Gesellschaft wird ein Antheil von 69/0 am Reingewinn der Nikolaibahn vom 1. Januar 1885 ab zugebilligt, während für 1884 dieser Antheil an die Gründer und die drei Kläger zu gleichen Theilen, also mit 39%/ für jeden, vertheilt werden soll. Auf alle Reklamationen, die sich bis zum Dezember 1883 erstrecken, wird Verzicht geleistet. Die Gesellschaft wird zur Erseßung der jeßigen Titres 10 000 neue ausgeben, in welchen beson- ders erwähnt wird, daß im Falle des Ankaufs Seitens der Regierung die Inhaber der Gründer- Antheile dieselben Vortheile genießen sollen wie die Besißer von Jouissancen. Für das Uebereinkommen ift die Zustimmung der Jahaber der Gründer-Antheile und die Genehmi- gung der Generalversammlung erforderlich. New-York, 26. Januar. (W. T. H Weizenverschif- fungen der leßten Woche von den atlantischen Häfen der Ver- einigten Staaten nach Großbritannien 100 000, do. nach Frank- reih —, do. nach anderen Häfen des Kontinents 22 000, do. von Kalifornien und Oregon nach Großbritannien 96 000, do. na an- deren Häfen des Kontinents Qrts.

New-York, 27. Januar. (W. T. B.) Der Werth der in vergangener Woche aus8geführtenProdukte betrug 6 883000 Doll

Verkehrs-Anstalten.

Bremen, 27, Januar. (W. T. B,) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main“ ift heute Morgen 8 Uhr in Southampton angekommen.

Berlin, 28. Januar 1885,

Preußische Klassenlotterie,

(Ohne Gewähr.) Bei der heute fortgeseßten Ziehung der 4. Klasse 171, Königlich preußischer Raf enalieaie fielen: ï 3 Gewinne von 15000 6 auf Nr. 18358, 35 162.

schreibt die „Réforme Sociale“ nah einer dortigen Quelle, bestehen

75 527,

5 Gewinne von 6000 é auf Nr. 18985. 36 032. 38 383, 73 390. 78 420. h 41 Gewinne von 3000 46 auf Nr. 1563. 2159. 3320,

3343. 8371. 9108. 9490. 9532. 21508. 21891. 22 248. 22 370. 22809. 23575. 25 147. 27 215. 28 390. 28 962. 32 529. 33052. 33430. 34296. 36 947. 37 505, 38 267. 39 204. 46 818. 47076. 66 258. 66392. 67 161. 67 863. 70071. 75862. 79114. 81165. 82696. 84602. 89 085,

90 797. 92 938. 50 Gewinne von 1500 Æ auf Nr. 2494. 3893. 4786.

7442. 8365. 8597. 8800. 9316. 13328. 15724. 16 990. 19 841, 21 494. 21 521. 21 524. 21593. 21 997. 23 302. 23 640. 23 678. 24 567. 29121. 31717. 37517. 37 852, 39 554. 50951. 52823. 54106. 55167. 57455. 58136. 58 445. 62 619, 63024. 64443. 65022. 66401. 68 678. 71 584. 73135. 74029. 78 206, 80063. 87 580. 87 889, 90145. 90518. 92430. 94 202

76 Gewinne von 550 4 auf Nr. 533. 3147. 3714,

5770. 6561. 7112. 9992. 10 599. 12618. 13085. 14536. 18013. 18665. 20724. 20766. 21 587. 22359. 25 547. 25 666. 25 779. 26454, 30805. 31995. 32496. 32 972. 33414. 34103. 35080. 35 521. 35594. 38961. 39879. 40757. 42621. 43075. 43390. 43632. 45 909. 48412. 48 932. 49638, 52250. 53931. 55737. 56371. 57 242. 60384. 61968, 62276. 66 241. 67 214. 68 001. 68 992. 69346. 70689. 71233. 71239. 71659. 74604. 76 502. 78180, 82236. 83447. 85046. 85839. 86839, 88018, 88736. 88989. 90004. 90697. 90906. 91651. 91 7L1. 94 239. 94 906,

Friedrich der Große nach Catt’'s „Memoiren“. (Schluß)

Der König rühmte sh seiner Menschenkenntnif, und wir wifsea, daß seine Zeitgenossen seinem geistigen Auge gleiche Schärfe beimaßen wie seinem Blick, den Niemand ertragen konnte. „J kenne die Menschen! ich hake sie zwanzig Jahre hindurch in der Nähe studirt : man soll mich nicht betrügen! Jch durhschaue die Rapporte, welbe man mir abstattet: wehe! wenn man mich täuschen wollte !“ (S. 368). Sein Bruder, der Prinz Wilhelm, fagt der König, sei das Opfer der „teuflischen Umtriebe jener höllishen Kreaturen® ge- wesen, die durch ihre Ohrenbläsereien sein edles Herz gegen den König verbittert hätten. „Warum hat er sie gehört! Dhne fie lebte er viel- leiht noch! Herzensgüte ist ohne Zweifel eine große Tugend für einen Fürsten ; aber wenn sie nicht mit Charakterstärke gepaart ift, wenn sie uns den Einflüsterungen eines jeden Quidam preisgiebt, wenn sie uns ohne Prüfung gefährlichen Verbindungen überliefert, wenn, sie uns zum Spielball unserer Höflinge macht dann, mein Freund, wird diese Herzensgüte {limmer als Tyrannei, oder wenn Sie das Wort zu hart finden, s{limmer als die größte Herzenshärtigkeit !“ . Der König hat das Treiben der Höflinge genugsam kennen gelernt, um seiner Umgebung zu zeigen, „daß man bei ihm durch Angebereien und Intriguen nits ausrichten könne, daß er Manns genug sei, um selbst zu sehen, und unerschütterlih in seinen Plänen!“ ,.. Dur die Grkenntniß von dem „Blendwerk der menshlihen Tugenden“ habe er für sich selbst zwar nibts gewonnen, „aber für das Wohl des Staats ! Sapperment ! Festigkeit, und brave und ehrliche Leute um einen Fürsten! oder alles geht stromab!“ .. , Anknüpfend an seine Bemerkung über Kauniß: wer ihn bei seiner Toilette sähe, würde \sih von ihm wenig versprechen, belehrt der König Catt über die Kunst, die Menschen zu beurtheilen: „Sie sehen daraus, mein Lieber, daß man die Menschen nicht oberflählich beurtheilen, nicht lethtfertig über ihre Fähigkeiten absprehen darf: Das ift ein sehr wichtiger Punkt, von dem ih mich nie entferne. Oft, wenn ih die Menschen prüfe, das ist mein Privatstudium, oft lerne i an einfahen Kleinigkeiten fie aus dem Grunde kennen, und ich erblicke diesen Grund in den unwictigften Dingen, während Anderen, die für die Beobachtung nit geschaffen sind, diese unwictigen Dinge als nihts bedeutende Nebensachen erscheinen.“ Catt {äßt die Menschenkenntniß des Königs nicht ganz so hoch; sein Urtheil erscheine oft dur vorgefaßte Meinungen getrübt, und er lasse sich dur den ersten Eindruck beeinflussen. „Se. Majestät erging Sich ziemlich umständlih über dieses Thema. Aber ich konnte Ihre Behauptung niht mit der Beobachtung vereinbaren, welche ich oft genug zu“ machen in der Lage war, daß Se. Majestät nämlich mitunter die Menschen nicht so ansah, wie sie wirklich waren, sondern nach der Idee, welcbe Sie Sich von ihrem Charakter und Talenten in den Kopf gefeßt hatte.“ Nun führt er Beispiele für seine Behauptung an, darunter den General WedeU, und \{ließt: „Jedesmal wenn ih sah, wie Se, Majestät Sih von Ihren Vorurtheilen für Jemand hinreißen ließeu, ihn über alle Maßen erheben sah, jedesmal sah ich Sie wieder ge- zwungen, naczulassen und einzugestehen letzteres freilich selten —, Sie habe Ihr Urtheil durh den ersten Eindruck zu voreilig zu Gunsten der Perfon stimmen lassen. Der Marquis d'Argens hatte mir wohl bei meiner Ankunft in Breslau gesagt: „Wenn der König bei seinem Flötenspiel sagt, daß Sie Geist haben, dann behalten Sie den Geift, man mag reden und thun, was man will; urtheilt er das Gegentheil, so bleiben Sie ohne Geist Ihr Lebelang“. Der Marquis traf in seinem Urtheil manwmal das Richtige, in diesem Punkte war, na meiner ganz sicheren Wahrnehmung daran etwas auszuseßen“. Die Neigung des Königs zur Voreingenommenkheit für Talente und Charaktere hätten sich gewandte Leute zu Nute ge- mat: „Wehe dem, der diesen Leuten ihr Talent und ihre Reht- schaffenheit streitig zu machen gewagt haben würde!"

Aeußerst merkwürdig sind zwei Stellen der „Menioirea®, welche den von dem Könige gehegten Plan einer Thronentsagung (retraite) behandeln. Nah dem Tode des Prinzen Wilhelm klagt der König Catt: „Was mi ganz besonders den Tod dieses so zärtlih und aufrichtig geliebten Bruders ewig beklagen läßt, ich betheuere es Ihnen! das ist die Zerstörung eines Planes, der mir lieb geworden war: ich wollte mi zurückziehen, diesem guten Bruder die Zügel der Regierung lassen und ein ruhiges Leben führen; ja, mein Freund, mich zurückziehen: niht um als Katholik in dem modernen Rom zu leben, nicht um mich zum Abké von Saint-Germain-des-Près installiren zu lassen sondern um als Weiser den Tod durch einen Zwischenraum von allem diesem Wirrwarr zu trennen. Mein Körper hat vielleiht noch zehn oder zwölf Jahre Leben in sich, das is alles. Warum sollte ich nit, wenn alles dieses aufhört, der Ruhe im Schooße der Gesellschaft einer Éleinen Zahl aufgeklärter und von mir auserlesener Freunde ge- nießen? Und diesen Plan durchkreuzt dieser beklazenswerthe Todes- fall! Jm Vertrauen: ih könnte ihn doc in einer Zeit der Minorität (seines Neffen) niemals verfolgen . . , ich liebe mein Volk zu sehr, Gott ift mein Zeuge, um es noch größeren Leiden auszuseßen“ . . , Mit mehr Auéführlihkeit unterhält der König Catt über seinen Plan eines Zurücktritts von der Regierung bald nah der Affeatire von Maren: „Und, mein Freund, wenn ih dann eines Tages all diesem schrecklichen irrwarr entfliehen kann, sehen Sie, dann würde ich den Rest meiner Tage so binbringen: Ich würde mir eine Provinz vorbehalten, deren Einnahmen 100000 Thaler jährlid erreihten; ih wählte mir einige rehtschafffene Freunde ..,. ih würde die zu große Nähe einer Stadt vermeiden: man könnte sih da der Idee von meinem Königthum (royauté) und der Ehrfurchtsbezeugungen doch nit ent- \{lagen; Zwanglosigkeit, und daß jeder mit mir als Freund fprähe und umginge, wäre unverbrüchliches Geseh ih für meine

nug würde gewiß ein zärtliher, verträgliher und treuer Freund ein, Jeder Fremde, wenn er nur gesellig, von gutem Ruf, ein Mann von Geift und sonst bekannt wäre, fände bei mir offene