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. Der Abg. Fürst von Haßfeldt-Trahenberg erklärte, er habe sich gefreut, as ein Antrag wie der des Abg. Bubl, dem er durchaus sympathish gegenüberstehe, dem Hause aus Süd- deutshland entgegengebraht werde. Seine Partei habe bereits den Antrag auf eine Enquete gestellt gehabt, der indessen nicht zur Verhandlung gekommen sei. Man habe damals gesagt, daß derselbe nur ein Wahlmanöver gewe}en sei, aber dazu würden seine Freunde \sih niemals verstanden haben. Der Antrag sei hervorgegangen aus der Erkenntniß, daß man aus der Finanzklemme nicht herauskommen würde, fo lange man nit die Haud bessernd an die Branntweinsteuer gelegt habe und aus der Annahme, daß bei einer \ckärferen Heranzichung des Branntweines zur Steuer die höhere Biersteuer dem Hause von selbst in den Schooß fallen würde. Der Staatssekretär von Burchard habe, wenn er den- selben richtig verstanden habe, gesagt, daß die verbündeten Regierungen mit einer s{härferen Heranziehung des Brannt- weins einverstanden seien, sie wüßten nur noch nicht, wie das zu machen sei. Bei dieser Erklärung könne er si beruhigen ; denn er sei überzeugt, wenn die Regierungen nur eijrig fuchen wollten, so würden sie au den geeigneten Weg finden, auf dem sich eine Schädigung der einschlägigen Interessen ver- meiden lasse. Eine Vertheuerung des Branntweins halte er au) aus ethishem Jnteresse für geboten. Schon Luther habe gesagt, daß jedes Volk einen Teufel besie, der Teufel des Deutschen aber sei der Sausteufel. Nun wolle er Niemand einen Schnaps zur rechten Zeit verargen. Er sei kein Temperenzler. Aber wenn er sehe, wie im Osten namentlich der Branntweingenuß zunehme, fo sage er, und wobl alle Parteien mit ihm, daß die Bevölkerung Deutsch- lands zu Grunde gehen müsse, wenn niht auf dem Wege der Gesetzgebung gegen die Trunksucht eingeschritten werde. Aus seiner eigenen Praxis könne er bestätigen, daß von Arbeitern der beiden Zuckerfabriken seines Heimathsortes ‘ost schon früh am Morgen ein Theil trunken zu sehen sei, die während der Nachtarbeit die Branntweinschänken aufgesut hätten. Und als Amtsvorsteher habe er die Erfahrung gemacht, daß Schul- kinder im Alter von 9 bis 10 Jahren sich gegenseitig mit Brannt- wein trunken gemacht hätten, um sich, wie sie gesagt hätten, ein Vergnügen zu machen. Es habe nichts geholfen, daß die Genehmigung zur Errichtung von Shnaps]chänken von der Bedürfnißfsrage abhängig gemacht sei. Jn einem kleinen Dörschen der Lausiß komme auf 55 Einwohner eine Schnaps- \chänke. Bei einer Schanklizenzsteuer ohne gleichzeitige Ver- theuerung des Branntweins liege die Gefahr nahe, daß der- selbe zum Haustrunk werde für Männer, Frauen und un- mündige Kinder. Den Werth der Branntweinbrennereten wisse er zu shäßen, und nichts liege ihm ferner, als dieses Gewerbe in Frage zu stellen. Das Wohl und Wehe der Landwirthschast gerade im östlichen Theile des Reiches hänge von diesem Betriebe ab. Der Antrag des Abg. Uhden habe keine Bedeutung oder doch nur für die großen Drennèrei- betriebe, denn die meisten -Brennereien bezahlten ihre Steuern monatlich. Die kleinen Brennereien, auf deren Erhaltung der Abg. Buhl besonderes Gewicht lege, wünsche au er nicht zu {ädi- gen ; er glaube aber, daß der Abg. Buhl die Bedeutung der größeren Betriebe für die Landwirthschaft unterschäßge. Durch dieselben werde zahlreichen kleineren Landwirthen Gelegenheit gegeben, ihre Kartoffeln loszuwerden. Daß es an sich zu wünschen sei, aus dem Branntwein höhere Erträge zu ge- winnen, sei ja klar. Jn Deutschland betrage die Branntwein- steuer pro Kopf nur 0,98 4; in Norwegen 1,60; in Frank- rei 2,20; in Shweden 3,34; in Belgien 3,60; in Däne- mark 3,74; in Rußland 8,12; in England 9,10; in den Niederlanden 9,18 /6 Wenn die Resolution Buhl mit großer Mehrheit angenommen werde, so werde sich ja jedenfalls die San eingehend mit der darin angeregten Frage be-
äftigen. an Demnächst nahm der Staats-Minister Dr, Lucius das
ort :
Meine Herren! Meines Erachtens hat die Spiritusindustrie für diejenigen Provinzen und Landschaften mit leichteren sandigen Boden- klassen genau dieselbe Bedeutung wie die Rübenzuckerindustrie für die Gegenden, die mit \{werem Boden ausgestattet sind, Beide Jn- dustrien haben sih nit zufällig entwickelt, sondern sie haben si entwickeln müssen nah den natürlichen Bedingungen, die ihr Betrieb voraussezt. Für beide wird man unbedingt zugestehen müssen, daß das Rohsteuersystem von größter Bedeutung für ihre Entwickelung gewesen ist. In beiden gilt das System der Rohbesteuerung. Sn diesem System liegt niht an sich das Prinzip, eine Erportprämie gewähren zu wollen, sondern es liegt nur die Möglichkeit dafür vor. Die Tendenz ist, daß die Exrvortbonifikation in beiden Fällen im richtigen Verhältniß gewährt wird zu der gezahlten Steuer. Wenn nun das Rohmaterial — wie es bei der Rübe ebensowohl wie aller- dings im geringeren Grad bei der Kartoffel der Fall ist, — wenn dieses Rohmaterial je nach der Verschiedenheit des vorwaltenden Wetters der Jahre, je nahdem es naß oder trocken war zur Ernte- zeit — oder wenn dieses Rohmaterial Verschiedenheiten erleidet, die die Ausbeute um Prozente beeirflussen können, während der Gewinn oft stich auf + und §2 % berechnet, fo ist es doch ganz klar, daß es eine fehr s\{chwierige Aufgabe i, die Exportbonifikation allgemein genau im richtigen Verhältniß zur gezahlten Steuer zu normiren. Es wird also die Exportbonifikation immer nur so normirt werden, wie es dem Dur(schnitt mehrerer Jahre und dem Dur{s\cnitt von vielen Brennereien entspricht. Nun spielt aber bei der Spiritusindustrie die Exportbonifikation allerdings nit die große Rolle, wie es in der Zuckerindustrie der Fall ist. Das liegt aber meines Erachtens nicht daran, daß die Exportbonifikation bei dem Zucker seit Jahren schon eine reichliéere gewesen ist, sondern es liegt wesentlich darin, daß der Export des deutschen Spiritus in den meisten Undern des Auslandes durch die dortige Zoll- und Steuergeseßgebung vers{lofen oder wenigstens ershwert gewesen ist. In Sena Punkte liegt meines Erachtens die Hauptsache und die Hauptschwierigkeit für den Spirituserport. In allen anderen Ländern, in allen anderen Kulturftaaten ist der Spiritus ein wesentlice3 Steuerobjekt, und die angewandten Steuersysteme sind überall von demselben bestimmenden Einflusse gewesen für den Gang der Entwicklung des Brennerei- gewerbes, wie es si auch bei uns erweist. Jn England exkl. Wales hat sich die ganze Spiritusindustrie konzentrirt in wenigen, meines Wissens in etwa 14 großen Brennereibetrieben, in festungsartig abge- \chlossenen Gehöften, bewaht dur Beamte, kontrolirt durch eine große Anzahl von verschiedenen automatish fungirenden Registrirapparaten, die die Kontrole übernehmen. Dort steht die Brennerei kaum noch in einer Beziehung zur Landwirthschaft. Bei uns hat das Steuersystem ja grade den günstigen Erfolg gehabt, daß diese Abschließung, diese Ab- trennung der Spiritusindustrie von der Landwirthschaft niht ftatt- gefunden hat, und darin liegt auß wiederum meines Crachtens das grobe und gewichtige Moment, die landwirthschaftlihe Seite der
piritutindustrie gebührend zu berücksictigen und ganz genau, wie bei der Zuckerindustrie aub geschehen ist, die landwirthscaftlicwen Rüksichten bei der ganzen Behandlung der Sache mit in die erste Linte zu stellen. Das ist meines Erachtens etwas wirthschaftlih voll- ommen gebotenes.
Wenn nun wieder heute hingewiesen wird auf die Fabrikatsteuer als cine möglihe, so möchte ih doch darauf erwidern, daß crst vor
wentgen Jahren in Bayern das preußische Steuersystem adoptirt wor- { einzushränken versucht.
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den ist, und meines Wissens mit günsligem Erfolg sowohl. für tie Steuerkasse wie für die bayerisde Landwirthschaft.
Eine Seite ist hier noH nit betont worden. die bei früheren Diskussionen über den Werth dicser verschiedenen Steuersysteme eine größere Rolle gespielt hat und auf die ic glaube dow auch hier noch befonde1s hinweisen zu müssen. Bei der Einführung der Fabrikatsteuer ist die Wirkung garnicht zu übercschen, die sie auf die Verschiebung der Produktionsverhältnisse in der Richtung haben würde, daß möglier- weise, nahdem die Fabrikatsteuer eingeführt würde, ch Brennereien von Rübenspiritus im groß:.n Umfange entwickeln würden; es würde dadur also ni&@t etwa den mit unaünstigen Bodenklassen auêgestat- teten Landschaften cin Dierst e1wiesen, jondern möglicherweise im Gegentheil, es würde diesen Gegenden eine fehr große Gefahr er- wachsen, daß ebenso toie die Zuckerindustrie in {weren Böden unter günstigen klimatischen Verhältnissen sib entwickelt hat, künftig au den leihteren Böden im Osten der Monarckie Konkurrenz ge- mat würde durch die neue Spiritusinduftrie, die aus Rüben ihr Fabrikat darstellen würde. Das ift eine sehr wahrscheinliche Wirkung, die die’ Einführung der Fabrikatsteuer haben würde. Ich glaube also, daß aud nach dieser Richtung hin man nicht so kurzer Hand über diese Dinge absprechen darf. :
Es liegt mir eine Denkschrift des Vereins der Spiritus- industriellen vor, die meines Erachtens sehr beahtenswerthe Daten enthâlt. Sie bestätigt zunächst die Anführungen, die der Hr. Fürst von Hakßfeldt bereits gemacht hat, daß rämlih der Preis für 1C0 1 absoluten Alkohol jeßt auf 42 Æ ge]unken ift, auf einen Preis, der unter dem Durchschnittspreis der leßten 25 Jahre von 55 A um 13 M zurüdsteht. Es wird ferner hicr nagewiesen, daß die Ver- werthung der Kartoffel dabei auch in vollkommen eingerihteten und gut geleiteten Brennereien sich nur noch auf 65 Z pro Centner stellt. Das nd Preissäße, bei denen faum noch landwirthschaftlic existirt werden kann, und der Hinweis, daß, wenn diese Produkte nicht höher als Brennmaterial verwendet werden können, daß man sie dann doch fo verfüttern möchte, ist ein sehr leihter und billiger, aber ist eben nit ausführbar. Die großen Mengen von Kartoffeln, die in Wirth- schaften gebaut werden, die auf den Großbetrieb von Brennereien ein- gerichtet find, können gar nicht in diefer Mafse und in der leichtver- daulichen Form dem Vich gegeben werden, als cben in der Form, wie sie die Schlempe vermittelt; also ist tas cin Rathschlag, der praktish durchaus nit zu befolgen ift.
Dann ift weiter hier in dieser Denkschrift ausgeführt, und ih vermuthe, daß die Zahlen wohl auch die Prüfung vertragen werden, daß alle Nachbarstaaten sehr erhebliche ECrportprämien geradezu be- zahlen, während bei uns die Exportbonifikation kaum den Ausgleich bietet für die Fabrikate, welche unter günstigen Verhältnissen und bei sorgfältigstem Betrieh in Brennereien hergestellt sind. Diese Exportprämien werden berechnet für bundert Liter absoluten Alkohecls für England auf 6 bis 13 4, für Belgien auf 7,20 (, für Oesterreich-Ungarn auf 5,66 4, für Rußland auf 13 bis 17,50 Meine Herren! Wenn diese Zahlen richtig find — und ih habe keinen Grund, ihre Richtigkeit zu bezweifeln — fo ift es wohl klar, daß gegenüber der Gewährung folher Exportprämien die deutsche Amon: in einer äußerst mißlihen und beschränkten Lage ein wird.
Nach alledem würde ich mich dahin resümiren: ih meine, die verbündeten Regierungen haben allen Anlaß, diejenigen Anregungen, die darauf gerichtet sind, diese Frage sahgemäß zu prüfen, ur.d diese beiden Rücksichten zu vereinigen, cinmal diese wichtige heimische In- dustrie zu \honen und zu begünstigen und andererseits dem Fiskus erheblih höhere Steuererträge zuzuführen und womöglich außerdem noch die Konsumtion des zum Trinken benußten Branntweins zu reduziren, daß die alle im höchsten Maße beachten8werth sind.
Wenn der Hr. Abg. Diricblet heute wieder, wie gestern, hervor- gehoben hat, daß er nicht begriffe, wie man die Interessen der Spiritusindustrie für identisch mit denen der gesammten Landwirth \c{aft halten köane, oder wie man das für die Zutkerindustrie gelten lassen könnte, die doch nur einen kleinen Theil der Landwirthe be- scbâftige, so muß ih ihm darauf erwidern, daß in allen wirthschaft- lichen Fragen nit ein einzelnes Moment das allein entscheidende und aus\slaggebente ist, daß in allen / wirthshaftlichen Zuständen man es mit Komplexren von konkurrirenden Wirkungen zu thun hat, mit einer Summe von Einwirkungen, und daß in jedem Falle gerade diese beiden Industrien für sehr ausgedehnte Landestheile die wesentlihsten Ressourcen in der Landwirthschaft bieten, und daß somit alle diejenigen Maßregeln, die geeignet sind, diese Industrien zu stüßen und zu heben, auch der Landwirthschaft im Großen und Ganzen unbedingt zu Statten kommen.
Der Abg. Kopfer bemerkte, von den badishen, württem- bergishen und bayerishen Fabrikanten werde es als ein großer Uebelstand empfunden, daß von Lack, Firniß, Glasuren und Parfümerien, wenn diese Fabrikate mit Spiritus verseßt seien, bei ihrem Uebergang über die Steuergrenze die Branntweinausgleihsabgabe erhoben werde. Dieselbe hätten si wiederholt darüber beschwert und darauf verwiesen, daß nach dem Geseße vom 5. Juli 1879 Spiritus zu industriellen Zweckten von der Steuer freibleiben solle. Schließlich hätten mehrere Handelskammern, z. B. die von Mannheim und Stuttgart, eine bezügliche Beschwerde an den Bundesrath ge- rihtet, bisher aber feine Antwort erhalten.
Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath Boccius entgegnete, die Petition, von der der Vorredner gesprochen habe, sei der Regierung zugegangen ; derselben werde die ein- gehendste Erörterung zu Theil werden.
Der Abg. von Schalscha erklärte, zunächst müsse er dera Minister Lucius seinen Dank dafür aussprechen, daß der- selbe wiederum Veranlassung genommen habe zu erklären, daß der Minister die landwirthsaftlihen Jnteressen den fiskalischen vorziehen werde. Der Abg. Dirichlet habe an dieser Erklärung Anstoß genommen, indem derselbe sie dahin ausgelegt habe, daß die Gesammtinteressen den landwirthschaftlihen nachgeseßt werden sollten. Das heiße do dem Sinne der Worte Ge- walt anthun. Die fiskalischen Fnteressen seien die des Fiskus, den Alle als ein nothwendiges Uebel ansehen müßten , denn der- selbe ziehe die Steuern ein, die Niemand gern zahle; das Gesammt- interesse aber sei etwas, das Jeder gern gefördert sehen möchte. Den Antrag Buhl halte er für sehr beherzigenswerth. Am meisten lege er darauf Werth, daß die kleinen Brennereien berüdsih- tigt werden sollten. Was die Erhöhung der Einnahmen aus der Branntweinsteuer betreffe, so sei er der Ansicht, daß die- selbe eintreten sollte, je nachdem eine Brennerei mehr oder weniger Maishraum habe, weil die Generalkosten im Al-
gemeinen stets dieselben seien und weil, wenn man in gleicher '
Weise die Maischsteuer ohne Rülsicht auf die Räume erhöhe, man zu dem Resultat kommen würde, daß die Brennerei kein landwirthschaftlicher Betrieb mehr sei, sondern ein Fabrikta- tionsbetrieb in den Händen des Kapitalismus. Das würde eine Schädigung der Landwirthschast von unberechenbarem Grade sein. Je größer die Brennereien gebaut werden müßien, um die Steuer herauszuarbeiten und die Generalfosten nicht zu sehr dominiren zu lassen, desto mehr werde die Zahl der Brennereien si beschränken müssen. Eine erheblick&e Steigerung der Maischraumsteuer sei nun nicht möglich; anders stehe es mit der Konsumtionssteuer. Der Abg. Buhl habe diese Steuer mit der Trunksucht in Zusammenhang gebracht. Das Haus habe durch die Novelle zur Gewerbe- ordnung vom Jahre 1883, welhé der Zügellosigkeit des Schankgewerhes gewisse Schranken geseht habe, die Trunkfucht Aber was nüßten alle geseßlichen
Vorsichtsmaßregeln, wenn sie thatsählih niht angewendet würden? Der Geseßentwurf gegen die Trunksucht, der im vorigen Jahre hier eingebraht worden sei, sei \{lafen ge- gangen. Der Bundesrath habe dem Hause auch ein Mittel gegen die Trunksucht besGränkt, dasjenige, das seine Partei in ihrem geistlizen Orden gehabt Habe; was die: selben in dieser Richtung geleistet hätten, sei ja be- fannt. Den Einwendungen, die der Abg. Diritlet gegen den Antrag Buhl gemacht habe, stimme er nicht bei, Daß andere Leute Grund- und Gebäudesteuer zu zahlen hâtten, sei doch damit gar nicht zusammenzuhalten, daß die Spiritusbrenner die hohe Maischfteuer bezahlen müßten. Ein Moratorium von drei Monaten follte das Haus den Brennern {on darum geben, damit die Waare nicht so massenhaft auf den Markt zu kommen brauche. Wenn der Abg. Dirichlet dann ausgerechnet habe, ein wie geringer Prozentsaß der Landwirthe überhaupt Spiritusbrenner sei, dann wisse er niht, wann man überhaupt von einem allgemeinen Jnteresse reden könne. Rede man von den Zuderfabrikanten, fo heiße es: das sei nur ein geringer Bruchtheil; rede man von Spiritusbrennecrn oder Kornproduzenten, fo erhalte man die- selbe Antwort. Aber alle diese Bruchtheile würden nit für fih steben, sondern in einander übergreifen. um Schlusse bitte er, den Antrag Uhden an «cine Kommission zu ver- weisen.
Der Abg. Heine bemerkte, er möchte die Frage, ob- es überhaupt noch kleine Brennereien gebe? entschieden verneinen, Jn seiner Jugend habe cs noch eine Anzahl kleiner Brennereien gegeben, welche einen guten Kornschnaps gebrannt hätten, seit Einführung der Maishsteuew feien sie aber niht mehr kon- kurrenzfähig gewesen. Man sage, der Kartoffelbranntwein sei ebenso gut wie der Kornbranntwein ; das glaube aber kein Mensh. Wenn durch Einführung der Fabrikatsieuer die kleinen Brennereien wieder. möglih gemacht werden sollten, so könne das nur auf Kosten der Konsumenten geschehen. Die Konsumenten aber seien das arbeitende Volk und die untersten Stufen der arbeitenden Bevölkerung. Wo die große Masse in Armuth sei, da werde auch am meisten Schnaps getrunken; er verweise hierfür auf die östlihen Provinzen. Namentlich seien die ländlihen Arbeiter dem Trunke ergeben, denn seit einem Menschenalter habe sich die Lage dieser Leute wenigstens in seiner Gegend wesentlih verschlech- tert. Wo früber ein kräftiger und gesunder Volksshlag ge- wesen sei, da sei jeßt Schwindsuht und Skropheln. Daran sei die Separation der Fluren, die Strenge der Wald- und Feldgcseße 2c. \{huld. Auch die hohen Ackerpreise hätten Schuld. Der Großgrundbesißer pachte jedes kleine Stück, um das Land von sich abhängig zu machen, Durch höhere Steuern werde man den übermäßigen Genuß des Schnapses nit ein engen, auch nicht dur geistliche Orden und dergleichen Mittel, sondern nur durch Hebung der Lage des Volkes im Allge- meinen. Wo das Volk sich behäbig und wohl fühle, werde auch der Shnapsgenuß mehr und mehr, wenn nicht vershwin- den, fo doch auf das natürlihe Maß herabgehen. Er erkläre fich gegen die gewünschte Kreditgewährung. Der kleine Mann müsse seine Gewerbesteuer bezahlen, und wenn er sie nicht bezahle, dann komme der Exekutor und pfände ihn aus. Warum sollte man hier Nücksicht walten laffen ?
Der Abg. Dirichlet erwiderte dem Abg. von Schalscha, mit welhem Recht derselbe einen kleinen Bruchtheil der Be- völkerung fördern wolle, indem. derselbe die Gesammtheit der Steuerzahler belaste? Könne der Abg. von Schalscha den- selben fördern ohne diese Belastung, so werde er sih freuen. Es sei ein Widerspruch in sich selbst, auf der einen Seite zu sagen: man müsse der Landwirthschast helfen, weil sie die große Mehrzahl des Volkes bilde, und dann wieder: man müsse der kleinen Minderheit helfen, weil sie die Minorität sei. Dem Minister Lucius entgegne er, der Begriff der Land- wirthschaft zahle keine Steuer, sondern die betreffenden Land- wirthe, und daher müsse er nah wie vor behaupten, daß etwas nur in dem Maß der Landwirthschaft zu Gute kommen werde, als es der Masse der Landwirthschafttreibenden zu Gute komme. Sodann sei es gefährlich, die FFnteressen der Branntweinbrenner mit denen der Landwirthschaft zu identifiziren. Jn der Etablirung einer großen Brennerei liege für den kleinen Grund- besißer der Anreiz, den Kartoffelbau über das natürliche Maß auszudehnen und durch zu große Ausnußzung des Bodens den- selben zu entkrästen.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, der Abg. Dirichlet habe feineswengs die Existenz einer Branntweinexportprämie nach: weisen können. Der innere Konsum bewege sih stets auf ziemlich gleihem Niveau; nur der Export sei gewachsen; und wenn fich gleihwohl kein Ausfall in den Steuererträgen er- geben habe, so beweise das, daß eben keine Prämie gezahlt wird. Eine blühende Zucker- und Brennerei-Jndustrie jei für den Bestand der Landwirthschast absolut nothwendig ; der Brenncreibetrieb namentliÞh auch für die ärmeren Gegenden und zwar nicht nur mit Rücksicht auf den Kartoffelbau, sondern vornehmlich wegen der damit verbundenen Ver- wendung von Arbeitskräften. Es handele sich hier um die Lebensinteressen für große, breite Volksschihten. Die Herren, welche der deutschen Landwirthschaft einen extensiven
Betrieb angerathen haben, welhe die Landwirthe auf die — Weide- und Viehwirthshaft verweisen, sollten do bedenken, |
daß eine Beschränkung der Landwirthschast auf diese Betriebe zu einer Reduktion der ländlihen Bevölkerung auf ein Viertel ihres jeßigen Bestandes führen müsse, Damit seien erheb- lihe wirthschaftlihe und politishe Gefahren verbunden. Wo würde der Ersaß für unsere Armee bleiben, wenn man dafür niht mehr die kräftigen Burshen vom Lande zur Verfügung hätte, die durch harte Arbeit von Jugend auf für den Kriegs- dienst gestählt seien; und wenn man lediglich auf die zum großen Theil sciesbeinige und krüpplige städtische Bevölke- rung angewiesen wäre? Wolle man also die Einnahmen aus
dem Branntwein erhöhen, so müßte das jedenfalls in der f Weise geschehen, daß die Landwirthschaft nit noch weiteren F
Schaden erleide.
Die Diskussion wurde geschlossen.
Der Abg. Dr. Buhl erklärte in seinem Schlußwort, die englischen Spiritusverhältnisse seien durhaus niht anwendbar auf die deutschen landwirthschaftlichen Verhältnisse! Von allen Rednern sei anerkannt worden, daß eine Reform der Spiritus- steuer geboten sei. Wenn der Abg. Dirichlet gesagt habe, man könne seiner (des Redners) Resolution nicht zustimmen, weil man sih durch dieselbe bis zu einem gewissen Grade binden würde,
jo meine er, daß eine Vinkulirung durhaus nicht bei einer |
Resolution stattfinden könne, die nichts weiter bezwecke, als aus dem Spiritus höhcre Steuererträge zu ziehen, ohne daß da- durch die Landwirthschast im Allgemeinen und besonders der kleine ländliche Besißer geschädigt würden. Ueber die Art,
wie seinem Antrage praktisch in Geseßreform Ausdruck zu geben sei, hier zu debattiren, halte er für nicht angebraht, glauve vielmehr, daß dies Sache der Kommission sein müsse. Aus dem Gange der Diskussion habe er die Hoffnung ge- wonnen, daß sein Antrag die Zustimmung der Mehrheit des Hauses finden und daß es die Regierung fih angelegen jein lassen werde, nah der in demselben bezeichneten Richtung gesehgeberish vorzugehen, :
Der Abg. Uhden bemerkte, den Branntweingenuß dur Biergenuß zu erseßen, heiße Beelzebub dur den Teufel aus- treiben. Es sei ganz gleich, ob man sich in Bier betrinke oder in Branntwein! Das einzige Mittel, um allen Uebeln zu begegnen, sei die Einführung eines Branntwein-Monopols, das er der Regierung warm ans Herz legen möchte.
Der Titel wurde bewilligt.
Ueber den Antrag Buhìi, welcher nicht direkt mit dem Titel zusammenhängt, wird erst in dritter Lesung abgestimmt werden.
Der Antrag Uhden wurde an die Budgetkommission ver- wiesen.
itel 6 Brausteuer und die Aversen wurden ohne De- batte angenommen. :
Damit war der Etat der Zölle und Verbrauchzsteuern in zweiter Lesung erledigt.
Auch der Titel 6 (Brausteuer und Uebecgangsabgabe von Vier) wird bewilligt ; ebenso die Aversen,
Es folgten Berichte der Wahlprüfungskommission über MWahlprüfungen.
Die Wahlen der Abgg. Dr. von Bernuth, von Saldern (Ahlimb), Lerche, Bock (Minden), Ulrich, Niebour, Dr. Scheffer, Graf von Bismarck, Oechelhäujer, Horwiß, Buderus und von Carlowiß wurden ohne Diskussion den Komwmissionsanträgen gemäß für gültig erklärt; bezüglich der Wahl des Abg. Gott- burgsen sollen zunächst amtliche Erhebungen veranlaßt werden, bevor das Haus sich über die Gültigkeit {chlüssig machen wird.
Der Abg. Acktermann referirte im Auftrage der Geschästs- ordnungskfommission über die Frage der Fortdauer des Man- dats des zum außerordentlichen Professor ernannten bisherigen Privatdozenten Abg. .Dr, Delbrück, Die Kommission bean- tragte, daß das Mandat dur die Ernennung nicht erloschen sei; das Haus beschloß demgemäß.
Hierauf vertagle sich das Haus um 43/, Uhr auf ‘Mittwoch 1 Uhr.
— Jn der gestrigen (9.) Sißung des Hauses der Abgeordneten, erklärte bei der zweiten Berathung des Etats der Bergwerkverwaltung der Abg. Dr. Natorp, der Spezialetat der Bergverwaltung enthalte diesmal eine Menge von Positionen, die eine nähere Prüfung erforderten, auch werde eine zutreffende Kritik des Voranshlags dadurch er- \{wert, daß dem Hause der Bericht über die Verwaltungs- ergebnisse der fiskalishen Bergwerke, Hütten und Salinen noGch nicht zugegangen sei. Jm Allgemeinen sei der Etat, wie nian anerkennen müsse, auch diesmal mit Umsicht und Vorsicht -auf- gestellt. Der Nettoertrag der gesammten Verwaltung werde auf 17 404 000 /4 veranschlagt, 626 000 /( mehr als im Vor- jahre; von diesem Mehrübers{chuß entfalle der Hauptantheil auf die Bergwerke, obwohl hier auf eine Preissteigerung nicht gerehnet werde. Daß man aus einer vermehrten Produktion nicht ohne Weiteres auf eine vermehrte Einnahme rechnen dürse, gehe aus den Ergebnissen der Verwaltung seit 1869 unwiderleglih hervor, und bei den Steinkohlen jtelle sih die Rechnung noch etwas ungünstiger. Der Etat nehme eine Steigerung der Steinkohlenförderung um 8 Pro- zent in Aussicht, aber es frage sih doch sehr, ob dieses Quantum (11 — 12 Millionen Centner) auch Absaß finden werde. Leistungsfähig seien ja die fiskalishen Stein- koblenwerke gewiß, zumal im Saarbrückter Revier; aber nah den Erfahrungen im westfälishen Kohlenrevier fei der allge- meine Konsum 1884 erheblih zurückgegangen, und auch die Produktion habe in demselben Jahre nur um 1,9 Proz. zuge- nommen. Wenn man den Ausbau des Sekundärbahnneßes und die Zunahme des Exports dieser geringen Produktions: zunahme gegenüberslelle, so müsse man mit Nothwendigkeit auf cine gewisse Stagnation des Erwerbslebens schließen, und von diesem Gesichtspunkte sei der Anschlag einer Produktionserhözung von 8 Proz. entschieden zu hoch. Die Preise auf den fiskalischen Werken würden außerdem sich wohl kaum auf der jeßigen Höhe halten, sondern ebenfalls von dem enormen Preis- rüdckgange etwas affizirt werden, der die Privat-Kohlenberg- werke in den leßten Jahren so stark getroffen habe, daß in einzelnen Distrikten der Selbstkostenpreis nicht einmal mehr erreicht werde. Erfreulicherweise sei übrigens der Lohn der Arbeiter niht herabgeseßt worden ; die Rentabilität der Berg- qwerke sei aber eine wahrhaft kläglihe. Er wolle kein Klage- lied über die Lage der Berg- und Hüttenbesizer anstimmen, aber der extremen Nothlage gegenüber, in der sich die Land- wirthschaft befinden solle, behaupte er, daß die Lage der ersteren eine weit ungünstigere sei, die Bergwerks-Aktien- gesellschaften bezifferten nah ciner vor Kurzem stattgehabten Aufnahme ihre Durchschnittsdividende während zehn Fahren nur auf etwas über 2 Proz. Diese Statistik umfasse 115 Gesellschaften, und nur 2 davon hätten in den zehn Fahren eine Durchschnittsdividende von etwas über 6 Proz. abge- worfen, während 3 überhaupt keine Dividende gezahlt hätten. Eine wirkli {were Kalamität drohe überdies in den rheinish-weslfälishen Bergwerken dadurch auszubrehen, daß neuerdings auf Grund reichsgerichtliher Erkenntnisse das Recht den Bergwerken abgesprohen worden sei, ihre Wässer in die Privatflüsse und -Bäche abzuleiten. Das fönne in der Konsequenz zur Einstellung des ganzen Bergbaues führen, in s{limmerer Lage aber befänden fich die Fabriken, die Kommunen, denen dieses Recht gleichfalls abgesprochen worden sei. Einstweilen hätten 13 der bethei- ligten Bergwerke mit einem der hier in Frage kommenden Privatgrundbesißer einen dreijährigen Waffenstillstand abge- schlossen; aber was sollte später geshehen? Er halte die bal- dige Vorlegung einer Novelle’ zum Berggeseß in diesex Be- ziehung durchaus für nöthig. Größere Exaktheit in der Ab- fuhr der Massengüter sei jeßt eingetreten; im vorigen Herbst sei den Bahnverwaltungen in Folge des ungünstigen Wasser- standes eine Masse von -Transporten zugefallen, welche sie in wenigen Wochen bewältigt hätten,
Der Regierungskommissar, Geheime Ober- Bergrath Freund erwiderte, daß der Etatsanschlag mit äußerster Vorsicht ver- anschlagt, und auch die Zunahme. der Kohlenförderung nicht zu hoch bemessen sei, zumal. die Zunahme im laufenden Fahre den Voranschlag erheblih überschritten habe.
Der Abg. Shmieding sprach fih für eine Revision der Zölle auf alle Bergwerksprodukte aus, befürwortete eine
Reform der Bergwerkssteuer, die in ihrer gegenwärkigen Höhe von 2 Proz. des Brutto-Ertrages zu stark auf die Berg- werksbesizer drüdcke, beklagte den wiederholt eingetretenen Waggonmangel und spra die Hoffnung aus, daß die Kanal- vorlage baldigst wieder dem Landtage vorgelegt werden möge.
Der Aba. Gärtner besprach das unbefriedigende Ecgebniß der Hüttenverwaltung, dessen Ursache die Regierung in dem Rückgang der Bleipreise suhe. Wäre dem fo, so müßte doch die Produktion der fisfalishen Bleibergwerke wenigstens nicht erhöht werden, was aber gleichwoh! im nächsten Etat in Aus- sit genommen sei. Gerade diese Ueberproduktion habe den Rückgang der Bleipreise verschuldet. A
Der Regierungskommissar , Geheime Ober - Bergrath Freund erklärte auch diesen Vorwurf gegen die Verwaltung als ungerechtfertigt. Namentlich im Oberharze müsse die Blei- produktion der fiskalischen Bleierzbergwerke fortgesezt werden, wolle man nicht die dortigen zahlreichen Arbeiter geradezu um Lohn und Brod bringen. .
Der Abg. Büchtemann fragte, aus welhen Gründen die Bergverwa!tung die Silbererzproduktion namentlich in den Harzbergwerken so enorm erhöht habe, und ob dies auf die Dauer durchführbar sei? Ueber diese Frage würde ihm Aus- funft in der Kommission sehr erwünscht sein. Mit den Vor- rednern stimme er darin überein, daß die gesammte wirth- \chaftlihe Produktion nicht 1m Aufshwung, sondern eher im Rücgang begriffen fei. Der erhöhte Konsum der Vorjxhæ habe anderen Gründen seine Entstehung verdankt als den erhöhten Zöllen, und daß eine weitere Erhöhung der Zölle den erfehnten Produktionsauf- \{chwung bringen werde, bestreite seine Partei auf das Ent- \chiedenste. Die Thronrede gehe von ganz unrihtigen Vor- aussezungen aus, wenn sie die Landwirthschaft im Gegensaß zur Industrie als besonders leidend darstelle. Namentlich in der Eisenindustrie sei die Nothlage nit geringer; diese Jn- dustrie habe si auf den höheren Schhußzoll von 1879 jeßt eingerihtet und finde nunmehr niht den genügenden Absaß für ihre enorm gesteigerte Produktion. Es habe si bei ihr dieselbe Erscheinung herausgeftellt wie in der Zucker- branche; cr könne also vor Erhöhung der Schußzölle nicht ge» nug warnen. Der für die Bergwerksbesißzer angerufene Schuß des Staates dur Kohlenzölle, durch billigere Tarife, dur den Ausvau des Kanalnetzes gehe denn doch in einseitiger Richtung zu weit; die Regierung könne diesen Wünschen nicht entsprehen, ihr Schweigen in diefer Beziehung sei heute in der That ein beredtes gewesen. Er halte von seinem Standpunkte aus ein Kanalsystem für viel richtiger als Verstaatlichung der Eisenbahnen; aber der Ausbau des Kanalneßes würde der Eifsenbahn- verwaltung so große Einnahmeeinbußen auf lange Fahre hinaus zufügen und so große Opfer erfordern, daß man un- bedingt wieder zu neuen Zöllen und neuen Steuern greifen müßte. Die Unterstüßung einer Branche durch den Staat ziehe immer mehr die Jnanspruchnahme des Staates Seitens anderer Branchen nach sich, und gegen dieses Systera müsse man immer und immer wieder proteitiren.
Hierauf ergriff das Wort der Minister der öffentlichen Arbeiten, Mayba ch:
Meine Herren! Ich möchte Ihre Zeit niht zu fehr in Anspruch nehmen und will deshalb aus den Reden, die vorhin gehalten worden sind, nur einzelne Punkte herausgreifen, die mir einer besonderen Beleuchtung bedürftig erscheinen.
Die ersten Herren Redner haben geklagt über den augenblicklich trübea Zustand unserex Eisen- und Kohlenindustrie; ih bin leiter genöthigt, diese Klagen in gewisser Beschränkung zu unterschreiben. Sndessen, meine Herren, wir dürfen nicht vergessen, daß diese Klagen fast augenblicklih in allen Ländern ertönen, daß wir in dieser Be- zichung keine Ausnahme machen.
Und, meine Herren, ih glaube aub, andeuten zu dürfen, daß vielleicht diese Klagen zum Theil darin ihre Begründung finden, daß auf diesem Gebiete niht überall Maß gehalten ist.
Es wird das, glaube ih, von den Interessenten selbst anerkannt, wenigstens ist mir von vielen Seiten versichert worden, wenn man niht zur Üeberproduktion übergegangen wäre, die niht darnach sid umgefehen hat, ob auch der nöthige lohnende Absaß zu finden sei, man si in besseren Verhältnissen augenblicklich noch befände. Die Preise sind eben {lecht, wenn auch Absaß vorhanden; und was könne man dazu thun, um die Preise zu beben? Man hat, wie ih mi erinnere, versuht, im Wege der freien Vereinigung auf diesem Gebiete eine RNemedur durch Be- \{chränkung der Produktion eintreten zu lassen, aber wie ih gehört habe, ist dies niht überall von Erfölg gewesen. Jch will auf diefea Punkt nit weiter eingehen; ih glaube, die Betheiligten wissen selbst, wo sie der Schuh drückt, und wie sie am besten dem Uebel abhelfen können.
Meine Herren, daß cs in der Montan-Industrie niht rofig aus- sieht, und daß es der Landreirthschaft übel ergeht, das ist eben eine Folge der Entwickelung von Verhältnissen, für die, wie ih glaube, die Regterung richt aufkommen kann. Jh möte aber nun fragen, wie es wohl ausjehen würde in unserer Eisenindustrie, wenn nit die m SR eingetreten wäre, die wir seit einigen Jahren efolgen !
Dann, meine Herren, ist des Bergwerks - Besteuerungömodus gedaht worden. Derselbe ift son vor einigen Jahren hier Gegen- ftand der Unterhaltung gewesen. Schon damals habe ich gesagt, und ih kann es heute nur wiederholen, daß das Objekt felbst vielleibt nicht von fo großer Bedeutung sei für Diejenigen, die mit der Steuer belastet sind. Man muß ja auc in Betracht ziehen, meine Herren, daß der Staat durch die Freigebung des Bergbaues ein Regal ohne Ent- gelt überlassen hat an Diejenigen, welche dieses Negal ausbeuten wollen. Die Steuer, welche jeßt von den Interesseaten gezahlt werden muß, ist doch an si nur ein geringfügiges Aequivalent für cin so werthvolles Objekt. Das erkenne ih an, daß — theoretisch wenigstens — der gegenwärtige Besteuerungsmodus sehr anfehtbar ist; die Steuer besteht in einer Abgabe von der Bruttoeinnahme ; das sollte im Grunde cigentlich nicht sein. Indessen, wir haben bis dahin vergeblich gesucht, einen anderen gerechteren Steuermodus zu erfin- den. Er würde nur, glaube i, dadur zu gewinnen sein, daß man einen tiefen Einblick in die wirthschaftlicen Verhältnisse der einzelnen Gruben und Etablissements thäte, einen Einblick, der den Interessenten vielleicht do übermäßig lästig sein würde. Es ist dies aber immerhin ein Gegenstand, der das weitere Studium. lohnt, und wir wetden uns diesem Studium nicht entziehen. Í
Weiter ist erwähnt worden der Nothwendigkeit, event. im Wege der Gesekgebung einzusreiten wegen der Beschaffung der Vorfluth in dem Emscher,.wie in dem ganzen Ruhrkohlengebiet. Diese Nothwendigkeit glaube ih anerkennen zu müssen, nicht allein im Interesse des Bergbaues, sondern au im Interesse der Landwirthschaft und der Kommunen. Die Frage ist abèr unendlih \chwierig; es ist nicht blos das meinige, ondern es sind auch andere Ressorts dabei betheiligt, und wir {ind damit befaßt, Mittel und Wege zu finden, wie wir dieser Kalamität — ih darf fie so bezeichnen, wenigstens i sie in den westlichen Landestheilen \o aufge- treten — werden gerecht werden können. Es handelt sich um Gin- griffe in das Eigenthum, um Abwehr von Schäden, um Entschädi-
ungen von vielleicht großer Tragweite. Wir haben also die Sache fehr forgfältig anzufassen. 2 s
Endlich ist au noch der Kanäle gedaht worden. Meine r: Fch habe îm vorigen Jahre gesaat, daß ich in Bezug auf den Ausbau unseres Kanalsystems auf demselben Standpunkt stehe, den ih eins
genommen habe, als ich mit meinem Herrn Kollegen vereint die Vor- lage wegen Ausbaues des Kanals von Heinrichenburg nach den Emé- hâfen einbrahte. Jch habe im vorigen Jahre bemerkt, wie es mir nothwendig erscheine, diese Angelegenheit auf eiae etwas brei- tere Basis zu stellen. Ich meine, daß wir nicht blos für den Westen sorgen müssen, sondern auch für die Provinz Schlesien. Auf diesem Standpunkt stehe ih auch noch heute. Ich glaube, daß, wenn wir dazu übergehen wollten, den einen Landestheil gegenüber dem anderen zu bevorzugen, wir cine Verschiebung der Verhältnisse herbeiführen würden, die von den allernachtheiligitica Folgen sein würde. Ic habe den lebhaften Wuns, daß uns die Verhältnisse ding soviel als möglich eine dementsprechende Voilage einzu- ringen.
Millcrdings darf ich nicht verschweigen, daß tie augenblicklihe Finanzlage dazu nicht auffordert, derartige Vorlagen zu machen, von denen wir uns sagen müssen, daß sie einen direkten Nußen für die Staatskasse niht gewähren. Aber wir haben, wie ih meine, bet allen Vorlagen, die auf die Melioration des Landes abzielen, nicht allein von diesem Gesichtspunkt urs leiten laffen, sondern insbefondere urs die Frage vorzulegen: wird der Woklstand des Landes im Gan- zen dadur entsprebend gefördert? und wenn wir zu der Ueberzeugung fommen, taß der Effekt in einem überwiegend günstigen Verhältnisse steht zu der Ausgabe, die der Staatskasse etwächst, dann, glaube ic, werden wir auc zu eincr Vorlage kommen, welche die Melioration der östlihen und westlichen Landestheile in gleicher Weise fördert.
Der Abg. Frhr. von Minnigerode stellte den Ausfüh- rungen des Abg. Büchtemann die Behauptung gegenüber, daß die gesammte Fndustrie durch die Shußbzölle gestärkt in die Krisis eingetreten sei und ihr somit kräftiger gegenüberstehe, als es ohne diesen Schuyß sein würde. Aus den Anschlage des Bergwerksetats Argumente gegen die Erhöhung der Schutzzölle herzuleiten, sei ein völlig aussihtéloses Beginnen. Die Ueberproduïtion sei gewiß an den Kalamitäten der Gegenwart \s{chuld, aber sie schreibe sich noch aus der Gründer- und Schwindelperiode her. Von einem Kohlenzoll sei das Heil für die Bergwerke nicht zu finden. Das eigentlihe Fundament der Klagen bleibe die Nothlage der Landwirtschaft; die mißliche Lage in der Montan- industrie sei damit nicht ohne Weiteres vergleichbar.
Der Abg. Dr. Wagner (Osthavelland) bemerkte, an dem Sturz des Silbers vom Thron und an feiner fortschreitenden Entwerthung von 2 Millionen pro Jahr in Preußen sei lediglih die neue deutshe Reichswährung und die neue Wäh- rungspolitik schuld.
Der Abo. Rickert sprach seine Besriedigung aus, dur einzelne Ausführungen des Abg. von Minnigerode sympathisch berührt zu sein. Das seien Anklänge an seine freihändlerische Vergangenheit gewesen. Seine (des Abg. vonMinnigerode)Gründe gegen einen Schußzoll auf Kohlen seien durchaus zutreffend. Er fürhte Repressivmaßregeln von ODesterreih. Diefselben Gründe beslimmten seine Partei aber auch, gegen andere Schuß- zôlle cinzutreten. Sehe man nicht die Bewegung in Rußland und Oesterreich in Erwartung der neuen Zollvorlage? Deutschland sei in die Reihe der Jndustriestaaten getreten, sci auf den Export angewiesen und müsse sich um so mehr hüten, Gegenmaßregeln der anderen Staaten durch sein Vorgehen hervorzurufen. Seine Partei sei mit dem Minister und dem Abg. von Min- nigerode der Meinung, daß die Ueberproduktion Schuld an dem Niedergange mancher großer Erwerbszweige sei. Dagegen könne aber unmöglih ein Schußgzoll ein Heil- mittel sein; im Gegentheil, er reize künsilich zu ver- mehrter Produktion an. Der Landwirthschast werde man auch niht durch Schußzölle aufshelfen können. Es sei nicht richtig, daß die Kaufkraft der Landwirthschaft im Ganzen dur dieselbe steige, denn ein großer Theil der Landwirth- {haft werde doppelt geschädigt, einmal durch die Jndustriezölle und dann noch direkt dur die Getreidezölle. Die zu starke Steigerung des Grundbesißes und des Verbrauchs sei eine wesentlihe Ursache der jeßigen Kalamität. Ob in Frankreich die Bestrebungen der Agrarier von Erfolg begleitet sein würden, stehe doch noch sehr dahin.
Der Abg. Bödiker bat die Regierung um die thunlichsie Beschleunigung der Kanalvorlage.
Die Diskussion wurde geschlossen, und die Einnahme ge- nehmigt, desgleichen von den Ausgaben die Betriebskosten der Berg: und Hüttenwerke ohne Debatte.
Beim Kapitel „Salzwerke“ machte der Abg. Büchtemann auf den Widerspruch aufmerksam, der darin liege, daß die Re- gierung einerseits den Konventionen beitrete, welche den Preis der Koalisalze zu erhöhen bezweckten, und andererseits bauliche Neuanlagen in Aussicht nehme, welche die Förderung fteigern und die Durchschnittspreise wieder herunterdrücken müßten.
Ein Regierungskommissar erwiderte, daß die beabsichtigte Neuanlage eines Förderschachtes- mit einer Mehrförderung niht in Zusammenhang stehe.
. Das Kapitel wurde genehmigt, desgleihen ohne Debatte die übrigen Vositionen dieses Spezial-Etats, ebenfo der Etat des Auswärtigen Ministeriums.
Es folgte der Etat des Finanz-Ministeriums.
Der Bbg. Dr. Reichensperger (Cöln) vermißte mit großem Bedauern in dem diesmaligen Etat des Kultus-Ministeriums cine Position zur Weiterführung der Restauration der Marien- burg. Den Fortfall dieser Position shreibe er dem Einfluß des Finanz-Ministers zu, den er bitten müsse, im nächstfolgen- den Etat eine desto höhere Summe zur Verwendung für diesen großartigsten Profanbau des deutschen Nordens anzuweisen. Ebenso empfehle er, die Fonds für die Konservirung der Kunstdenkmäler in Preußen zu verstärken ; die verschiedenen Kunstgebiete seien bisher vom Finanz-Minister noch nicht gleihmäßig berüdcksihtigt worden.
Hierauf entgegnete der Finanz-Minister von Scholz:
Es wäre vielleiht nicht unbillig von mir, den Wunsch auszu- sprehen, daß der Herr Abgeordnete die Güte hâtte haben ea mich mit ein paar Worten vorher zu informiren, daß er bei diesem Titel die Absicht habe, die Themata zu verhandeln, die er verhandelt hat, dean ich bin, wie ih versichern kann, darauf nit vorbereitet. Fh glaube aber, ih habe zu cinem Vorwurf vach diefer Richtung deshalb keinen Grund, weil der Herr Abgeordnete nicht sowohl die Absicht hatte, von mir heute gewisse verbindliche Erklärungen zu fordern, als mir eine Vorlesung zu halten, die ih mir zu Herzen nehmen sollte, und da muß ich anerkennen, ift diefer Litel gewiß der allergeeianetste gewesen. j 6 ;
JIcch muß aber doch ein paar Worte ihm sa{lich erwidern. E3 freut mi, dabei mich viel mehr in Sympathie mit ihm zu befinden, als etwa in Gegnershaft. Jch habe ewa vor 24 Jahren zuerst die Marienburg kennen gelernt und kann dem Herrn Vorredner darin nur beistimmen ; ih halte sie auch für eins der s{önsten, herrlichsten Denkmäler der alten Zeit, die wir besißen, und mi erfüllt ganz derselbe Wunsch wie ihn, die Restauration dieses Bauwerks so viel wie mögli zu fördern. Jh kann nun nicht bestreiten, daß der Etat in Bezug auf die Marienburg eine Lücke auf weist, und ih kann auch nicht bestreiten, daß dem Finanz- Ministerium dabei eine gewisse Mitwirkung zuzuschreiben ist, obwohl ich im Allgemeinen sagen kann : die Etatsvorlage #| cine Vorlage der Staatsregierung und ist nicht in der Weise zu Stande gekommen,