1885 / 33 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 07 Feb 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Bekanntmachungen auf Grund des Reihsgeseßes vom 21. Oktober 1878.

Die Königliche Kreishauptmannschaft als Landes-Polizei- behörde hat die nihtperiodishe Druckschrift:

„An die jungen Leute.“ Von Peter Krapotkin. Aus

dem Französischen überseßt von Frau F. Schulze. New-

York, Verlag von Moriß Bachmann, auf Grund von 8. 11 und 12 des Reichsgeseßes gegen die gemeingefährlihen Bestrebungen der Sozialdemokratie vom 21. Oktober 1878 verboten.

Leipzig, den 31. Januar 1885.

Königliche Kreishauptmannschaft. Graf zu Münster.

Nichtamtliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 7. Februar. Se. Majestät der Kaiser und König empfingen heute die Meldung des Obersten von Liebermann, Commandeurs des 2. Branden- burgishen Ulanen-Regiments Nr. 11, und nahmen sodann den Vortrag des Chefs des Militärkabinets, General: Lieute- nants von Albedyll entgegen.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz erschien gestern Vormittag 11 Uhr zur Mel- dung bei Sr. Majestät dem Kaiser und König mit den Dffi- zieren des Rürasfier - Regiments „Königin“ (Pommerschen) Nr. 2, welche zu dem vorgestrigen Ballfest aus Pasewalk nah Berlin gekommen waren, und stellte dieselben sodann FJhrer Majestät der Kaiserin und Königin vor.

Hierauf wohnte Höchstderselbe der Vorstellung derjenigen Kadetten vor Sr. Majestät dem Kaiser bei, welche in diesem Frühjahr in die Armee eintreten. /

Jhre Kaiserlihe und Königlihe Hoheit die Kronprinzessin empfing ebenfalls die Offiziere des ge- nannten Kürassier-Regiments, sowie au die Offiziere Höchst- ihres 2, Leib-Husaren-Regiments Nr. 2, welche gleichfalls zu dem vorgestz igen Balle in Berlin eingetroffen waren.

Um 5 Uhr erschienen Jhre Kaiserlihen Hoheiten die Kronprinzlichen Herrschaften sowie Jhre Königlichen Hoheiten der Prinz und die Prinzessin Christian zu Scyleswig- Holstein und Jhre Königliche Hoheit die Prinzessin Victoria zum Familiendiner bei Sr. Königlichen Hoheit dem Prinzen Friedrich Caul,

Abends wohnte Se. Kaiserliche Hoheit der Kronprinz der Vorstellung im Deutschen Theater bei.

Um den Kronprinzlichen Herrschaften einen Besuch ab- zustatten, waren im Laufe des Tages vorgefahren: hre Königlihe Hoheit die Prinzessin Marie von Preußen, verwittwete Prinzessin Heinrih der Niederlande, und Se. Hoheit der Prinz Albert zu Sachsen-Altenburg, Kaiserlich russischer General-Major. Diese Besuche wurden von den Höchsten Herrschasten erwidert.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Handel und Verkehr und für Eisenbahnen, Post und Tele- graphen hielten am Donnerstag Sizung. Gestern versam- melten sich der Ausschuß sür Justizwesen sowie die vereinig- ten Ausschüsse für Handel und Verkehr und sür Justizwesen. Heute traten die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuer- wesen, sür Handel und Verkehr und für Rehnungswesen, die vereinigten Ausschüsse für Zoll- und Steuerwesen und für Handel und Verkehr sowie der Ausshuß für Zoll- und Steuerwesen zu Sißungen zusammen,

Die Schthlußberichte über die gestrigen Sißzun- gen des Reichstages und des Hauses der Abgeord- neten befinden sich in der Ersten Beilage.

Jn der heutigen (44) Sißung des Reichs tages, welher mehrere Bevollmächtigte zum Bundesrath nebst Kommissarien desselben beiwohnten, begann das Haus die erste Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Ergä nzung des Gerichtsverfassungsgeseßes,

Der Abg. Rintelen hielt es für einen Mangel des Gesetzes, daß demselben jede Reziprozität fehle.

Der Abg. Klemm sprach sich für die Vorlage aus. Was dieselbe wolle, stehe bereits im Geseß; es solle jeßt also nur eine authentishe Interpretation desselben erbraht werden.

Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath Gutbrod sprach sich in demselben Sinne aus.

Der Abg. Dr. Marquardsen glaubte, daß die Bedenken, welche der Abg. Rintelen erhoben habe, wohl berechtigt seien.

Die Vorlage wurde bei Schluß des Blattes an eine Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Se, Majestät der Kaiser haben hinsihtlich der Rekrutirung der Armee für 1885/86 das Nachstehende bestimmt:

I. Entlassung derx Reservisten. 1) Die Entlassung der zur Reserve zu beurlaubenden Mannschaften hat bei den- jenigen Truppen, welche an den Herbstübungen Theil nehmen, am 1. oder 2. Tage nah Beendigung derselben, beziehungs: weise nah dem Wiedereintreffen in den Garnisonen siattzu- finden. 2) Für das Pommersche Fuß-Artillerie:Regiment Nr. 2 und das Schleswigshe Fuß: Artillerie-Bataillon Nr. 9 ist der 29. August, für. alle übrigen Truppentheile der 29. September der späteste Entlassungstag der Reservisten. Das Nähere bestimmen die betreffenden General-Kommandos, für die Fuß: Artillerie die General-ZJn- spektion der Artillerie, 3) Die zu halbjähriger aktiver Dienst- zeit eingestellten Trainsoldaten sind am 31. Oktober dieses adi beziehungsweise 30. April künstigen Fahres zu ent- assen, die Oekonomiehandwerker am 29. September dieses Jahres. 4) Beurlaubungen von Mannschasten zur Disposition derx Truppentheile haben an den Entlassungsterminen insoweit zu exfolgen, daß Rekruten nah Maßgabe der unier 11 bezeich- nelen Quoten zur R Denen können.

11, Einstellung der Rekruten, 1) Zum Dienst mit der Waffe sind einzustellen: bei den Bataillonen der älteren Garde-ZJnfanterie-Regimenter, denen des 1. Rheinischen Jn- fanterie-Regiments Nr, 25, des 5. Pommerschen Jnfanterie- Regiments Nr. 42, des 2. Niederschlesishen Jnfanterie- Regiments Nr. 47, des 7. Brandenburgishen FJnfanterie- Regiments Nr. 60, des Jnfanterie-Regiments Nr. 98, des

Icktetie-Neghnenta Nr. 130, je 225 Rekruten, bei den übri- gen Bataillonen der Jnfanterie, Jäger und Schüßen je 190 Re- kruten, bei jedem Kavallerie-Regiment mindestens 150 Rekruten, bei den reitenden Batterien mindestens je 25 Rekruten, bei den übrigen Feld-Batterien mindestens je 30 Rekruten, bei den Bataillonen des Rheinishen Fuß-Artillerie-Regiments Nr. 8. und des Fuß-Artillerie-Regiments Nr. 10 je 200 Re- fruten, bei den übrigen Fuß-Artillerie-Bataillonen und bei den Pionier-Bataillonen je 160 Rekruten, bei den Bataillonen des Eisenbahn-Regiments mindestens je 135 Rekruten, bei jeder Train:Compagnie zu dreijähriger aktiver Dienstzeit mindestens 15 Rekruten, zu halbjähriger aktiver Dienstzeit im Herbst Es Jahres und im Frühjahr künftigen Jahres je 44 Re- ruten.

Soweit Abgaben von gedienten Mannschaften als Kranken- wärter beziehund3weise als Bäcker erfolgen, sind Rekruten in entsprehender Höhe über die vorstehend genannten Zahlen hinaus einzustellen. 2) An Oekonomie-Handwerkern haben sämmtlihe Truppentheile mindestens ein Drittel der etats- mäßigen Zahl einzustellen“ 3) Für den Fall, daß bei einzelnen Truppentheilen eine Aenderung der vorstehenden Zahlen nothwendig erscheinen sollte, ermähtige Jch das Kriegs-Ministerium zu entsprehenden Anordnungen. 4) Die Einstellung der Rekruten zum Dienst mit der Waffe hat bei sämmtlihen Truppentheilen nach näherer An- ordnung der diesen leßteren vorgeseßten General-Kommandos in der Zeit vom 3. bis 7. November dieses Jahres zu er- folgen ; nur die für das Pommersche Fuß-Artillerie-Regiment Nr. 2, das Schleswigsche Fuß-Artillerie-Bataillon Nr. 9, die Unteroffiziershulen sowie die als Oekonomie-Handwerker aus- gehobenen Rekruten sind am 1. Oktober dieses Jahres und die Trainsoldaten für den Frühjahrstermin am 1. Mai künftigen Jahres einzustellen.

Der Transport von gesundheitsschädlichen Nahrungs- oder Genußmitteln, fertig zum Verkauf, zur Verkaufsstelle, um sie da feilzuhalten, ist nach einem Urtheil des Reichsgerichts, III. Strafsenats, vom 10. Novem- ber v. J., als Versuch des Feilhaltens gesundheits\chädlicher Nahrungs- oder Genußmittel aus §. 12 Ziff. 1 und Abs. 2 des Nahrungsmittelgeseßes zu bestrafen.

Der Zusammentritt des Lehr-JFnfanterie-Ba- taillons findet in diesem Jahre am 16. April statt.

Bei der Artillerie-Schießschule hierselbsi hat mit dem gestrigen Tage ein neuer Lehrkursus begonnen ; zur

der Feld- und Fuß-Artillerie kommandirt worden und hiêr eingetroffen.

Kiel, 6. Feb (W. T. B.) Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm ist hiex eingetroffen und hat im Schlosse Wohnung genommen.

7, Februar. (W. T. B.) Heute Mittag fand auf der Kaiserlichen Werst der Stapellauf der Kreuzer- korvette „G“ siatt, welhe Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm auf den Namen „Alexandrine“ taufte. Der Feierlichkeit wohnten Se. Königliche Hoheit der Prinz Heinrich sowie die Admiralität und die Spißen der Behörden bei. aur t

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Württemberg. Stuttgart, 4. Februar. (Allg. 8tg.) Nach dem Vorgange Badens hat nunmehr auh die Königlich württembergishe Regierung den Kammern einen Gese b- entwurf, betreffend die Entschädigung für an Milz- brand gefallene Thiere, vorgelegt. Da in dem Reichs- Viehseuchengeseß eine Entschädigung der Viehbesißer für die Verluste, welche ihnen dur den Milzbrand und namentli durch die vorschristsmäßige Behandlung der Kadaver gefallener oder getödteter Thiere verursaht war, weder als noth- wendig noch als möglich vorgesehen is, indem das Geseßz nur bezüglich der Thiere, welhe auf polizeilihe Anordnung getödtet werden oder nach dieser Anordnung an einer Seuche fallen, eine Entshädigungspflicht statuirt, so war der Wunsch nah dem jeßt eingebrachten Geseße in unseren landwirthschaft- lichen Kreisen ein allgemeiner und is auch {hon mehrfach îin der Kammer zum Ausdruck gekommen. Der Entwurf seßt die Entschädigung für alle niht unter das Reichs: Viehseuchengeseßz fallenden Verluste an Milzbrand und an den sogenannten Raujch- brand auf vier Fünftel des gemeinen Werths der zu Grunde gegangenen Thiere fest. Zur Aufbringung der Entschädigung wird nicht ein besonderer weiterer Beitrag einzuführen sein, sondern es wird derselbe aus den auf Grund des Ausführungs- gesezes zum Reichs-Viehseuchengeseß von den Thierbesißern zu leistenden Beiträgen zu schöpfen sein, Diese Beiträge be- laufen sich auf 10 Z pro Stück Rindvieh, und die Ueber- schüsse der württembergischen Centralkasse nah Leistung der auf Grund des Reichs - Biehseuchengeseßes zu gewährenden Entschädigungen sind so groß, daß daraus ohne Erhöhung der Beiträge die in dem neuen Geseße ins Auge gefaßten Ent- schädigungen für Milzbrandverluste geboten werden können.

Meeklenburg. Neustreliß, 5. Februar. (Mel. Anz.) Der Erbgroßherzog hat sich heute Morgen an den Herzoglihen Hof zu Dessau begeben, wo die Erb- großherzogin schon seit Sonnabend voriger Woche weilt, um den Hoffesilichkeiten beizuwohnen, welche anläßlich der Verlobung ihres Onkels mütterlicherseits, des Prinzen Albert von Sachsen-Altenburg mit dex verwittweten Prinzessin Heinrich der Niederlande stattfinden.

Elsaß-Lothringen. Straßburg, 6. Februar. (Ldes.- Ztg.) Den ersten Gegenstand der Tagesordnung der gestrigen Plenarsizung des Landesausschusses bildete die zweite Le- sung des Etats der Wasserbauverwaltung. Zu einer Debatte sührte zunächst die in der Kommission angeregte Frage, ob es nicht angängig sei, für den Transitverkehr auf den Kanälen des Landes Gebühren zu erheben. Der Unter-Staatsfekretär Dr. Ledderhose erklärte, daß dies mit Rücksicht auf die bestehenden Staatsverträge nicht thunlich sei. Jm Uebrigen wurde der Etat ohne weitere Diskussion genehmigt. Der nächste Gegenstand der Tagesordnung war die zweite Lesung des Etats der direk- ten Steuern. Der Unter-Staatssekretär Dr. von Mayr gab bei Beginn der Berathung im Anschluß an den im Kommissions- bericht auegesprohenen Wunsch die Erklärung ab, daß im Ober- Elsaß bereits Weisung ertheilt sei, bei Einziehung rückständiger Ge- fälle gegenüber denjenigen Schuldnern, deren Leistungsfähigkeit erheblich unter den Einwirkungen der vorjährigen Fröste ge- litten hat, mit Nachsicht zu verfahren. Bei dem Titel „Steuerempfänger“ \sprach der Abg. Grad den Wunsch nah einer größeren Berücksichtigung von Elsaß-Lothringern bei den Anstellungen aus, Der Unter:Staatssekretär Dr. von Mayr

erwiderte, daß in dieser Beziehung bereits die weitgehendsten

Theilnahme an demselben is eine größere Anzahl Offiziere *

Konzessionen gemacht würden. Zu weiteren Debatten gab dieser Etat keinen Anlaß. Die einzelnen Positionen wurden der Vorlage gemäß genehmigt. Den leßten Gegenstand der Tagesordnung bildeten die drei dem Landesaus\{uß zuge- gangenen Geseßentwürfe, betreffend den Erwerb und die Be- lastung der Grundstücke und Bergwerke, sowie die Einführung von Grundbüchern , betreffend Rechtsgeschäfte über Grund- eigenthum und Nießbrauch, sowie das Hypothekarwesen und betreffend die Ausstellung gerichtliher Erbbescheinigungen und an QURLERGRE der Amtsgerichte. Die Debatte wurde vertagt.

7. Februar. (W. T. B.) Der Landesaus\chuß hat die Vorlagen über das Hypothekenwesen, Erwerb und Belastung von Grundstücken und Einführung des Grundbuchs nach zweitägiger Debatte einer Spezial- kommission überwiesen.

Oesterreich:Uugarn. Wien, 6. Februar. (W. T. B.) Das Abgeordnetenhaus erledigte heute in zweiter Lesung die Congrua-Vorlage unter Ablehnung aller gestern auf eine höhere Congrua-Bemessung gestellten Anträge; nur der Antrag Klaic wurde angenommen, wonach in den meisten Orten Dalmatiens, gegenüber der Regierungsvorlage, eine Congrua-Erhöhung um 50 Gulden eintritt. Nah dem von dem Berichterstatter befürworteten und angenommenen Antrage Beers tritt das Gesetz nicht successive, sondern in seiner Ge- sammtheit am 1. Januar 1886 in Wirksamkeit. Die Resolution Vojnovic: daß die Regierung ein ähnliches Geseß auth für den griechisch-orientalischen Klerus einbringen solle, wurde angenommen.

Pest, 5. Februar. (Wien. Abdp.) Die liberale Partei des Reichstages berieth heute Abend die Vor- lage, betreffend die Vermehrung der Bezirks8gerihte,

und nahm dieselbe nah kurzer Debatte im Allgemeinen und *

Spéeziellen an.

6. Februar. (W. T. B.) Das Abgeordneten - haus genehmigte heute mit 229 gegen 140 Stimmen das Budgetgeset für das Jahr 1885.

Großbritannien und Jrland. London, 6. Februar. (W. T. B.) Ein amtliches Communiqué besagt, daß die Regierung dem General Wolseley völlige Frei- heit des Handelns gebe und ihm die Zusicherung mache, daß ihm jede von ihm für nothwendig erachtete Unterstüßung, sei es durh die Absendung von Truppen nah Suakin und Berber, fei es auf eine andere von ihm anzugebende Art und Weise, gewährt werden solle. Das Communiqué fügt hinzu: General Wolseley werde selbstverständlih alles Mögliche thun, um Gordon zu befreien, wenn er noch lebe.

Eine neuere Depesche des Generals Wolseley bestätigt die bereits bekannten Einzelheiten über die Mission Wilsons und fügt hinzu: auf dem Regierungsgebäude in Khartum, welches zerstört zu sein scheine, habe keine Fahne geweht. An Bord der Steamers feien nur ein Mann ge- tödtet und fünf verwundet worden. Ueber das SchiC{sal Gor- dons liefen sehr verschiedene Gerüchte um; Einige sagten, er habe sich mit einigen Griechen in einer Kirche eingeslossen. Der Fall Khartums habe die Shukriyeh-Stämme veranlaßt, zu dem Mahdi überzugehen, beide Nilufer seien somit feindlich geworden. Ein Bote des Mahdi habe Wilson am 29. Januar eingeholt; der Mahdi habe ihn und die Engländer in seiner Begleitung auffordern lassen, sich zu ergeben und Muhamedaner zu werden, sonst werde er sie vernihten. Man sage, Farag Pascha habe den Truppen des Mahdi die Thore Khartums verrätherisher Weise ge- öffnet. Von Korti her sei Zufuhr von Proviant in Gubat eingetroffen; die Streitkräfte der Aufstän- dishen in Metammeh würden auf 2000 bis 3000 Mann geshäßt. General Wolseley sende Boten aus, um Nähe- res über das Schitsal Gordons in Erfahrung zu bringen.

Dem „Reuterschen Bureau“ ist aus Loan da eine Nachricht, vom 15. Januar d. J., zugegangen, der zufolge die Portugiesen die Mündung des Congo beseßt und daselbst vier Kriegsschiffe stationirt haben. Die hollän- dishen und andere Handelshäuser protestirten hier- gegen. Die englischen Kriegsschiffe „Forward“ und „Rapid“ befanden sih zur Stelle. .

7, Febritar, ruh. (W, L, B) Die Vokgen: blätter spreben über den Beschluß der Regierung, dem General Wolseley völlige Freiheit des Handelns zu geben, ihre Befriedigung aus und betonen die Nothwendigkeit, Gordon um jeden Preis Hülfe zu leisten. Die Antwort des Generals Wolseley wurde Nachts erwartet. Heute findet wieder eine Kabinetsberathung statt.

Frankreich. Paris, 5. Februar. (Fr. Corr.) Der „Temps“ bringt nachstehende Note: „Wir glauben zu wissen, vaß der Vertrag, welcher die re)pektiven Grenzen Frankreichs und der internationalen afrikanischen Gesellschaft am Congo bestimmt, heute von Hrn. Jules Ferry und dem Staats-wiinister Pirmez, dem privaten Ver- treter des Königs der Belgier, unterzeihnet werden wird. Das Einvernehmen zwischen Frankreih und der Gesellschast ist definitiv hergestellt. Die Grenze zwischen den Besißungen Frankreichs und der Gesellschaft geht: 1) längs des Flusses Tschiloango, 2) des Höhenzuges, welcher das Been des Tschiloango von dem des Congo trennt, 3) längs des Congo von Manyanga ab, 4) der Mittelinie von Stanleypool, 5) des Kongo bis zu einem noch zu bestimmenden Punkte zwischen dem Aequatox und dem 1 Grad N. B., so zwar, daß das Becken des Liona den französishen Besißungen zufalle. Frankreich erkennt in diesem Vertrage die Gesellschast gleich den anderen Mächten an, des Weiteren die Fahne der Gesell- hast als die eines Frankreih befreundeten Landes. Die Lösung der noch offenen Frage zwishen Frankreich und der Gesellschast wird nux noch von der Erledigung der gleichen zwischen Portugal und der Gesellschast bestehenden Frage ab- hängen. Frankrei wird fortfahren, der Gesellschast zu dieser Regelung seine guten Dienste zu leisten.

6. Februar, Abends. (W. T. B.) Das von der „Times“ gemeldete Gerücht von dem Ausbruch einer Meuterei unter den französishen Truppen vor Kelung wird von der „Agence Havas“ als unbegründet be- eichnet.

Mw 7, Februar. (W. T. B.) General Brière de l'Fsle meldet in einer Depesche aus Dongsong, von gestern, daß die französishen Truppen am 5, d. M. Mittags eine aus 3 Forts bestehende Bc-festigung, welche das befestigte Lager bei Dongsong beherrshte, angegriffen und genommen hätten. Jn einer weiteren

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e wird hinzugefügt, daß das ganze be- De cle Lager der chinesischen Armee beiDongsong + die Hände der Franzosen gefallen sei. Die Chinesen seien auf die Mandarinen-Straße zurückgeworfen worden, und die französischen Truppen bejänden fih nur noch 2 Tagemärsche von Langson entfernt, seien aber ge- nöthigt, Halt zu machen, um sih zu erholen und mit Lebens- mitteln zu versehen. Der Verlust der Franzosen sei

nur gering. alien. Rom, 6. Februar. (W. T. B.) Jn der heutigen Sibung der Deputirtenkammer wurden ver- schiedene Anfragen über die Verpflihtung Jtaliens gegenüber England, über die Lage Ztaliens in Folge des alles von Khartum und Aehnliches eingebraht. Der Minister des Aeußern, Mancini, wird sich morgen äußern, ob und eventuell wann er diese Fragen beantworten wird.

Die zweite Expedition nah dem Rothen Meere, welhe gegenwärtig in Vorbereitung is, wird sich zu Neapel an Bord des „Vincenzo Florio“ vom 9. d. M. ab einschiffen und soll am 11. d. M. in See gehen. Gleich- zeitig sollen die für die e rfte Expedition bestimmten Trans- portthiere und sonstiges, zur Vervollständigung der Ausrüstung gehöriges Material an Bord des „Principe Amadeo“ eingeschifft werden. :

Der neue belgishe Gesandte beim Vatikan, Baron Pitteurs, hat heute dem Papst in feierlicher Audienz sein Beglaubigungsschreiben überreiht. Nach der offiziellen Ceremonie hatte der Papst noch eine Unterredung mit dem Gesandten, welcher später dem Kardinal-Staatssekretär Ja-

cobini seinen Besuch abstattete.

Rumänien. Bukarest, 6. Februar. (W. T. B.) Der Gesandte in Brüssel, Vacaresco, ist in gleicher Eigenschaft nah Rom verseßt worden.

Türkei. Konstantinopel, 7. Februar. (W. T. B.) Der frühere Metropolit von Erzerum, Harantiun, ist an Stelle von Narses zum Patriarchen von Armenien ge- wählt worden.

Schweden und Norwegen. Christiania, 3. Fe- bruar. Die bei der Eröffnung der 34. ordent- lihen Storthingssession von dem Kronprinzen verlesene Thronrede hat folgenden Wortlaut :

Gute Herren und norwegishe Männer! Unser Verhältniß zu den fremden Mächten is andauernd das beste. Der Friede, dessen Erhaltung Gegenstand der Bestrebungen der Mächte ist, hat gemein- schaftliche Arbeiten zur Förderung civilisatorisher Unternehmungen gestattet. Jn diesem Sinne habe ich cine Einladung erhalten, welche die Kaiserlich deutsche Regierung nah Uebereinkunft mit der Regierung der französisten Republik zu einer Konferenz, be- treffend Maßnahmen zur Beschüßung des Handels und der Schiffahrt auf den großen Fiüfsen Westafrikas, hat er- gchen lassen. Es sind auch Verfügungen getroffen wor- den, denen gemäß die vereinigten Reiche an den Verhandlungen Theil nehmen werden, welche wichtige internationale Verbindungen vollständiger und fruchtbringender zu macen bezwecken.

Es gereiht meinem Herzen zur Befriedigung, Ihnen mitzu-

theilen, wie tief ih die Zunahme des Familienglücks empfinde, das mir und meinem Hause seit unserm leßten Beisammensein durch die Geburt eincs geliebten Enkels beschieden ift. __ Die Bedingungen sind s{wer, unter denen unfer Volk sich zu immer vollkommneren Gesellshaftszuständen emporarbeiten muß. Es ist aber meine feste Hoffnung, daß die Schwierigkeiten dur gegen- seitiges Vertrauen und dadurch werden überwunden werden können, daß das Land durch seine Repräsentanten dazu seinen Beistand ge- währt. Ich rufe diesen an.

_ Mehrere Angelegenheiten erfordern geseßliche Regelung. Ent- würfe werden zu diesem Zwecke dem Storthing vorgelegt wexden. Durch dieselbey wird bezweckt, einem gleihmäßigen Fortschritt in ver- shiedenen Richtungen mit Anschluß an das Bestehende und mit be- rechtiatem Glauben an die Zukunft, die Wege zu bereiten.

Ich richte die Aufmerksamkeit auf einen Entwurf zu eincm Gefchz wegen Errichtung einer Postspacbark, eingerichtet in wesertlicher Uebereinstimmung mit ôhnlichen Anstalten in andern Ländern, die glüdlih die Probe bestanden haben.

__ Der Entwurf zu einem neuen vollständigen Gesetz, betreffend das Hafen-, Seezeichen- und Läutewesen, welcher im vorigen Storthing niht zur Behandlung kam, wird wieder vorgelegt werden.

Zur Begutachtung der ruhenden Fragen, betreffend die Armee- organisation und die Dierstpflicht, habe ih cine Kommission nieder- gescßt, Diese arbeitet fortgeseßt. Es wird cin Entwurf zu einem Gese, betreffend die Dienstpfliht und die Ausschreibung, vorgelegt werden, der in seinen Hauptpunkten begründet is auf einem Beschluß des 30, ordentlihen Stocthings, betreffend ein Geseß über denselben Gegenstand, mit den Abänderungen, wozu später stattgehabte Erwä- gungen veranlassen möchten.

In der Thingversammlung wird gleichzeitig ein Königlicher Vor- {lag eingebraht werden können, betreffend die dur Geschß zu ge- währende Ermächtigung zur successiven Errichtung von Pensionskassen

für Beamte, sowie für Bedienstete.

Von ciner Kommission ift ein Entwurf zu cinem Gesct, be- treffend das Gerichtsverfahren in Strafsachen, ausgearbeitet. Ein fo bedeutungsvolles und in die Verhältnisse tief eingreifendes Geseßtz- gebungswerk erfordert sorgfältige Erwägung, und es is mein Wuns, daß diese Frage nach reifer Vorbereitung unter dem Zu- sammenwirken beider Staatsmäcte eine für das Vaterland glückliche Lösung erhalten möge.

: Zur Beförderung der Entwickelung des Landes werden mehrere neue Berilligungsvorschläge dem Storthing unterbreitet werden. Es sind die Forderungen für die fortschreitende Aufkläcung und die Aushülfe der Erwerbszweige, welche hier in den Vorder- grund treten. Außerdem hat die Nücksiht auf die Wehrkraft des Landes und seine Stellung in der Union es mir zur Pflicht gemacht, die Billigung verschiedener Veranstaltungen auf dem Gebiete des Vertheidigungëwesens zu fordern. Einzelne andere Fragen, auf die das Interesse der Allgemeinheit sich gerihtet hat, namentlich wegen einer planmäßigen Entwickelung des Kommunikations8wesens in seinen wichtigeren Verzweigungen O nur zur vorbereitenden Behandlung gebracht werden können, um puter die Lösung mit Zustimmung des Storthings in der Ausdeh- Ung zu versuchen, wie ihre Bedeutung für die Allgemeinheit es er- erfordert und das Vermögen des Landes gestattet. | , Die finanzielle Lage des Staates ist gut; troy der theilweise \{wierigen Verhältnifse, in welchen einzelne unserer Erwerb8zweige befinden, gestattet dieselbe, daß wir getrost an unsere Arbeit gehen können. Die Kraft des Landes wird nicht weniger als seine nstitutionen mit Gottes Beistand den Ausgaben gewachsen sein, welche wir uns \tellen müssen. blei Ich erflehe den Segen des Herrn über Ihre Thätigkeit und ver- lige Ihnen, gute Herren und norwegise Männer, mit aller König- en Huld und Gnade wohlgewogen. Gegeben S{loß Stockholm, den 28. Januar 1885. S Ww8car.

Ei Afrika. Egypten. Kairo, 6. Februar. (W. T. B.) Uet Telegramm des „Reuterschhen Bureaus“ meldet:

eber die Einzelheiten bei der Beseßung von Beilul verlautet, daß die Jtaliener die egyptishen Truppen entwaffneten und auf einem italienishen Dampfer nah Maf-

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sovah schickien. An Bord des Dampfers wurden den Egyp- tern die Waffen zurückgegeben und überreichte der italienische Befehlshaber dem egyptishen eine schristlihe Erklärung, dur welche der Empfang eines von dem egyptishen Be- fehlshaber gegen die Beseßung gerichteten Protestes bestä- tigt wird.

(Allg. Corr.) Die bekannte Depesche des Gene- rals Wolseley wird durch folgenden Bericht der „Pall Mall Gazette“ ergänzt: „Sir Charles Wilson begab sih mit einer auserlesenen Anzahl von Begleitern von Me- tammeh am 24. Januar in drei Dampfern Gordon's nach Khartum. Er kam vor der Stadt an, nur um erfahren zu müssen, daß dieselbe zwei Tage vor seiner Ankunft in die Hände des Mahdi gefallen sei. Da Sir Charles Wilson Metammeh am 24. verließ, und Khartum auf dem Wasserwege in 36 Stun- den erreiht werden fann, so scheint es, als ob Khartum un- gefähr an jenem Tage, als General Gordons Dampfer in der Nähe von Shendy recognoscirten, in die Hände des Feindes gefallen sei. Ob dies durch Verrath oder offenen Angriff geschah, hat bisher noch nicht ermitttelt werden fönnen. Sir Charles Wilson fand Khartum durch eine ungeheure Masse von Arabern besetzt, deren heftiges Feuer es den Dampfern unmöglih machte, sih der Stadt zu nähern. Er war daher außer Stande, Nachrihten in Bezug auf das Schicksal des Generals Gordon ‘einzuziehen. Bei der Rückfahrt, den Fluß hinab, fstrandeten zwei der Dampfer auf eincc Jnsel, wo Sir Charles Wil- son mit der Mannschaft und * ter kleinen Eskorte in einem verschanzten Orte zurückgelassen wurde, während fie jedo zu gleicher Zeit den Angriffen des Feindes von beiden Seiten ausgeseßt waren. Oberst Stuart Wortley brachte die Unheilsnahriht nah Metammeh, worauf sofort ein Dampfer abgesandt wurde, um Sir Charles Wilson und seine braven Kameraden heimzuholen.“

(W. T. B.) Eine dem „Reuterschen Bureau“ aus der Nähe von Metammeh, vom 28. v. M., zugegangene Depesche meldet: General Wolseley hat am 23. Januar folgende Proklamation an die Notabeln und die übrigen Einwohner von Metammeh und den benachbarten Ortschasten erlassen: Die englische Regierung hat mich mit einer Armee entsandt, um den Fuieden herzustellen, niht um Steuern zu erheben oder Jemandem irgend etwas Böses zuzufügen. Jh werde alle Lebensmittel, die ih nöthig habe, bezahlen und die Versprehungen Gordons ausführen. Wir werden nur die- jenigen strafen, welche es verdienen, und wir fordern alle auf, sich zu unterwerfen und nicht auf böswillige Nathgeber zu hören. Kommet in mein Lager, um meine Offiziere zu be- suchen ; es wirò cu Niemand mißhandeln, weder beim Kommen noch beim Gehen !

Zeitungsftimmen.

Dem Reichskanzler ist, wie die „Norddeutsche All- gemeine Zeitung“ mittheilt, aus Querfurt folgendes O zugegangen :

„Der heute zahlreih versammelte landwirthschaftliche Verein für Querfurt und Umgegend beehrt sich, Ew, Durchlaucht wärmsten ehr- erbietigsten Dank auszusprechen für die in Ausficht gestellte Erhöhung der Zölle zum Schuß der gefährdeten Landwirth\cast.“ i

Ueber die Getreidezölle äußern sih die „Preußischen Fahrbücher“ in folgender Weise:

e Der deutsche Grundbesitz ist bei der bei uns vorherrschenden Art der Vererbung nothwendig zum fehr großen Theil mit Geld- \hulden behaftet. Er kann sie tragen, wenn die Bedingungen, unter denen diese Schuldverhälinisse geschaffen sind, dieselben bleiben. Er kann es nicht, wenn sie sich zu seinev Ungunsten verändern. Hat Letzteres denn nun thatsächlich stattgefunden? Es kann darüber kein Zweifel bestehen. Die Wollproduktion, die früher eine Haupt- einnahme bildete, ist \{chon seit einiger Zeit durch die Konkurrenz Australiens ruinuüt, der Weizen, als dessen normaler Engrospreis für die Tonne ehedem etwa 200 Æ galt, Tostet jeßt 150 #4, trotz des Zolles von 10 Æ Der Spiritus, der noch vor einiger Zeit 60 #4 fostete, als dcssen Normalpreis etwa 55 4 angeschen wurde, gilt jezt 42 4; noch frappanter wird der Niedergang, wenn man, wie es geschehen muß, die 15 46 Steuer, die in diesen Preis einge- {lossen sind, abzieht; dann ergiebt sich ein Rückgang von etwa 40 M auf 27 M, also um ein Drittel. Noch. stärker ist es beim Zuder: er ist zurückgegangen von 32 auf 20 od r nach Abzug von 8 #. Steuer von 24 auf 12, also auf die Hälfte. Einen auch nur annähernden Ersaß durch Mehrproduktion oder andere Objekte, Fleish und Handelsgewächse hat sih die Landwirthschaft nicht ver- schaffen können. Einiges ist selbstverftändlid in dieser Richtung ge- \chehen, aber bei Weitem niht genug. Im Gegentheil, die bedeutende Steigerung der Arkeitslöhne, das Steigen der Kommunallasten hat noch die Produktionskoften vermehrt. Ein Nothstand ift also un- zweifelhaft vorhanden. Die Frage ist; Soll der Staat sich ein- mischen, oder Personen, die sich unter den neuen Verhältnissen nicht zu halten vermögen, untergehen lassen, damit neuere stärkere Wirthschasten an die Stelle der alten treten. Die Konjunkturen sind den Konsumenten günstig, warum foll der Staat sie diese Gunst niet genicßen lassen, sondern sie zwingen, die alten Preise den Produzenten weiterzuzahlen? Wir sagen: er soll es deshalb, weil nit blos die Produzenten, sondern auch die Konsumenten von etner solchen Umwälzung viel mehr Schaden als Nußen leiden würden. Ja, wenn mit einem Schlage alle Landwirthe, die thr Anwesen nicht mehr zu halten vermögen, beseitigt wären und andere Besißer an ihre Stelle getreten, so möchte die Frage zweifelhaft ersheinen. Auch dann würde man immer noch sagen müssen, daß ein hohes politisches Interesse vor- handen sei, nicht Tausende, sondern Hunderttausende von Familien, in denen gewisse Sitten und Anschauungen forterben, untergehen und andere an ihre Stelle treten zu lassen, in denen ein bestimmter, fich selbst und dem Volke Halt gebender Sinn est gebildet werden soll. Aber rein wirth- schaftlich müßte man vielleiht sagen: was die Einen verlieren, haben die Anderen gewonnen, der Nationalwohlstand ift derselbe geblieben. So vollziehen ti aber in der Wirklichkeit solhe Umwälzungen nicht. Durch Einschränkungen von allen Seiten, ‘erst im eigenen Konsum, dann auch în den Aufwendungen auf seinen Betrieb, sucht der einzelne Landwirth sich so lange als möglih zu halten in der Hoff- nung auf beffere Zeiten. Dieser sich durch viele Jahre hinziehende Todet kampf eines großen, des größten aller unserer Stände würde auch auf die anderen Produktionszweige cine vernihtende Rüd- wirkung ausüben. In dem Augenblick, wo die Landwirthe zurü- gehen, leiden auch Industrie, Handwerk und Kaufmannschaft mit einziger Ausnahme des Erports. Wo is nun also der Konsument, der von der großen Verbilligung der agrarishen Produkte Vortheil hat? Dieser Konsument ift, sofern er niht Rentier ift, seinerseits wieder Produzent und auf den Landmann als feinen Konsumenten angewiesen. Jede starke Verschicbung an einer Stelle wirkt störend auf den ganzen Zusammenhang. Werden die Lebensmittel zu billig, dann hat der Arbeiter, der seine Arbeit verliert, größeren Schaden davon als der Landmann. Diese populäre Argumentation ist durch- aus richtig und nur deshalb von der alten freihändlerishen Schule verkannt worden, weil diese die Dinge immer in abstracto, sozusagen im luftleeres Raume betrachtete, ohne die Friction dec Wirklichkeit zu beachten, welhe oft einen ftärkeren Einfluß ausübt, als

das Prinzip. Die alte Freihandelss{hule sagte si: verdient der Landmann weniger, so verdienen Andere darum um so viel mehr und find darum besser daran, z. B. hat der Arbeiter alle scine Bedürf- nisse so viel billiger. E- wird also um ebenso viel konsumtions- fähiger, als der Landmann {wäcer wird in der Konsumtion. Die anderen produzirenden Stände haben höcstens den Natheil davon, in den Gegenständen ihrer Produktion nah der we{selnden Abnahme eine entsprechende Aenderung vorzunehmen. Das ist prinzipiell richtig. In der Praxis ist die Sabe aber ganz anders, weil sie fi unter starker Reibung vollzieht. Der Landmann scchränkt ih zunächst ein und entzieht daducch der Industrie so viel, macht so viele Arbeiter brotlos, daß der allgemeine Nothftand da ist, ehe der Kapitalift und der Zwischenhändler, die an sid vielleiht gewinnen, zu der verstärkten Konsumtion gelangen, die den Ausfall bei den Landwirthen ersezen soll. Mit der Zeit würde ja sih das autgleihen, aber diefe Uebergang8zeit würde allen Ständen fo große Nawbtheile bringen, daß fie thatsählich besser dabei fahren, wenn fie sich ent- \chließen, freiwillig dem Landmann die alten höheren Pceise weiter zu zahlen, und eine solhe Vereinbarung heißt in Gesehßesform: Schuzzoll. Ganz dieselbe Argumentation is gegen den Saß, man vertheuere dur agrarishe Zölle nothwendige Lebensbedürfnisse, ins Feld zu führen. Es handelt sid nicht um Vertheuerung, sondern um das Verhindera einer Verbilligung. Das is ein sehr großer Unterschied. Zunächst kommt bei sehr starken Preisniedergängen nur ein Theil davon dem Publikum zu Gute. Ein guter Theil bleibt bei den Zwischenhändlern hängen, da das Publikum naturgemäß bei den {on billigen Preisen nicht so geuau darauf achtet, ob fie wirk- li ganz so tief heruntergehen, wie sie müßten. Aber selbs wenn Alles dem Publikum, den Konsumenten zu Gute käme, so wäre es ganz etwas Anderes, ihm diese Vortheile vorzuenthalten, oder ihm durch Verthcuerung einen positiven Nachtheil zuzufügen. Leßteres wäre ein ebenso schwerer wirthschaftliver wie politischer Fehler. Vertheuerung heißt: Verschiebung der Einkommen- und Besißverhältnisse großer Klassen, und jede solwe Verschiebung be- deutet Umwälzung und Stockung in einer Reihe von Produktionen und damit große Verluste am -Nationalvermögen. Das höchste sozial- politishe Ziel der wirthshaftliben Gefeßgebung muß fein: hinzu- wirken auf mögli&ste Erhaltung (unter gleihmäßig fortschreitender Besserung) der bestehenden Besitz- und Einkommensverhältnifse. Dazu gehort auch Verhinderung einer zu starken Verbilligung auch der gewöhnlichen Lebensbedürfnisse. Dies und nicht mehr wird auch in der That, zum Wenigsten von der Regierung erstrebt“.

Der „Schlesishen Zeitung“ wird aus Oppeln geschrieben :

__ Seitens des Oppelner land- und forstwirths{aftlihen Vereins ist die Absendung nachstehender Adresse an den Fürsten Reichskanzler beschlossen roorden :

„Fw. Durchlaucht haben wie {on früher, so besonders auch in der Neichstagésitung vom 8. Januar d. J., die wahren Interessen der deutschen Landwirthschaft mit so warmem Herzen verfohten und die Auslassungen gegen die zur Förderung dieses wichtigsten Gewerbs- zweiges theils {on gethanen, theils noch geplanten Schritte, welche ihre Erklärung nur in völliger Verkennung der that- \fählihen Verhältnisse finden können, in so glänzender Weife widerlegt und in ihr Nichts zurückgewiesen, daß dies bie Herzen aller Landwirthe in den weiten deutschen Landen mit Freude und Dank erfüllen muß, Gestatten Ew. Durchlaucht den unterzeich- neten Mitgliedern des Oppelner lant- und forstwirthscaftlichen Vereins, ihrerseits diesen Gefühlen der Freude und des Dankes Aus- druck zu verleihen, mit der Versicherung, daß sie den Ausführungen Ew. Durchlaucht in der gedahten Sitzung übec die Lage und die Bedürfnisse dec Landwirthschast aus vollster Seele zustimmen und mit dem tiefgefühlten Wunsche, daß auch der deutschen Landwirth- schaft durch Gottes Güte die Fürsorge Ew. Durchlaucht noch lange Jahre erhalten bleiben möge.“

Neichstags - Angelegenheiten.

Die XIV. Kommission des Reichstages zur Vorberathung des’ Gntwurfs cines Gcsetes, betreffend den Beitrag des Reichs zu den Kosten des Anschlusses der freien Hansestadt Bremen an das deutsche Zollgebiet, hat sih wie folgt kon- stituirt: Staudy, Borsißender; Frhr. von Huene, Stellvertreter des Vorfißenden; Dr. Witte, Schriftführer; Brömel, Stellvertreter des Schristführers; Gebhacd, Gielen, von Kardorff, Mteier (Bremen), Dr. Meyer (Halle), Ecbgraf zu Neipperg, Reindl, Ahlimb, Frhr. von Schele, Graf von Schlieffen.

von Saldern-

Landtags- Angelegenheiten.

Am 5. d. M. ist der S{loßhaupimann von Schwedt, König- lihe Kammerherr Alexander von Buch, auf Schloß Stolpe bet Angermünde gestorben. Derselbe war in das Herrenhaus am 2, Januar 1871 auf Präsentation des Verbandes des alten und des befestigten Grundbesißes im Landschaftsbezirk Ucckermark berufen worden.

Die XII. Kommission des Hauses der Abgeordneten

zur Vorberathung des Gesetzentwurfs über die Veräußerung und hypothekarishe Belaffung von Grundstücken im Geltungsbereich des Rheinifchen Rechts hat sih folgender- maßen konstituirt; Dr. Reichensperger (Olpe), Vorsitzender; Dr. von Cuny, Stellvertreter des Vorsitzenden ; Westerburg, Schriftführer; Lehmann, Schriftführer; Simon von Zastrow, Dr. Andrae, Korsch, Menken, Gescher, Brockmann, von Eynern, von Bismarck (Flatow), Dr. Martinius, Jensch.

Statistische Nachrichten.

Nach Mittheilung des Statistiswen Amts der Stadt Berlin find bei den hiesigen Standesämtern in der Woche vom 25, Januar bis incl. 31. Januar d. J. zur Anmeldung gekommen: 200 Eheschließungen, 944 Lebendgeborene, 37 Todtgeborene und 615

Sterbefälle. Land- und Forstwirthschaft.

Zur Ergänzung der in der Dienfstags-Nummer nach der „Neuen Preußischen Zeitung* gegebenen Rotiz über die auf Anregung mecklen- burgischer Landwirthe an den Reichttag abgesandte Petition, betreffend Erhöhung der Getreidezölle, mag noch bemerkt werden, daß dieselbe 15 609 Unterschriften aufzuweisen hat. Sie ift unterschrieben aus 402 domauialen resp. städtishen oder Kloster- Bauerndörfern, aus 361 Rittergütern, 215 Pachtungen, sowie aus 97 Städten und Flecken. Beathten8werth ist dabei, daß die Petition nicht etwa von ftonservativen Parteiführern und medcklenburgischen Großgrundbesitzern, sondern von Pächtern und Schulzen angeregt und gefördert worden ift, und zwar durchaus spontan und ohne Agitation. Üeberreiht wurde die Petition dur den Abg. Landdrosten von Wrisberg.

Gewerbe und Handel.

St. Petersburg, 2. Februar. Der „Regierungs - Anzeiger“ vom heutigen Tage enthält nachstehende amtliche Bekanntmachung über die Aenderung des Zolltarifs: i

„Der Reichsrath hat nach Prüfung einer diesbezüglichen Vorlage des Finanz-Ministers sih gutachtliÞ dahin geäußert, daß in Ab- änderung einiger der bisher bestehenden Zolltarifsäße fortan zu be- steuern seten: Z

I. a. Hâäringe, gesalzene und geräucherte, Stockfish und jeder andere getrocknete oder an der Luft gedörrte Fish mit 22 Kopeken.

Gold pro Pud Brutto.