1885 / 34 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 09 Feb 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Verkehrs-Anstalten.

Auf den Linien der Großen Berliner und der Großen Internationalen Pferde- Eisenbahn - Aktien - Gesell- ihaft sind im Monat Januar 1885 5848 550 Personen be- fördert und dafür 709 825,85 K oder durchschnititlich pro Tag 22 897,61 A von beiden Gesellsbaften eingenommen worden. Die Ein- nahme im Januar 1884 betrug 661 163,73 „4 oder dur{schnittlib pro Tag 21 327,86 S

Dresden, 7. Februor. (W. T. B.) Die Eisdecke der Elbe in Böhmen ist heute früh aufgebrochen ; in Bodenbach ift seit heute Vormittag 9 Uhr das Eis in vollem Gange.

Bremen, 8. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Oder* ift heute früh 1 Uhr in New- York eingetroffen.

New-York, 7. Februar. (W. T. B.) Der Dampfer eNoordland“ der Red Star Line ist hier angekommen.

Verlin, 9. Februar 1885.

Fn der am Sonnabend abgehaltenen Sißung der Gesellscbaft für Erdkunde begrüßte der Vorsitzende Dr. Reiß den Afrika- reisenden Dr. Fiscer und den von {werer Krankheit genesencn Hrn. Robert Flegel. Seit dem leßten Zusammensein hat die geographische Wissenschaft dur den Tod berühmter Vertreter Verluste erlitten. Es starb der öfterreihische General-Major von Sonklar, einer der bedeutendften Naturfor!cher und Geographen Oesterreichs, Verfasser verschiedener Werke und Erzieher des Erzherzons Ludwig Victor; sodann der Kommandant Roudaire, der Urheber des einst viel besprochenen Pro- jekts, in der Sahara ein Binnenmeer zu \chafen. Hieran knüpfte der Vorsißende die gelegentliwe Mittheilung, daß dieses Projekt keineEwegs aufcegeber, sondern daß alle Hoffnurg vorhanden sei, es, wenn avch in tUeinerem Umfarge, in nicht zu langer Zeit verwirklibt zu sehen. Am 17. Januar fiel in der Schlacht am Brunncn von Abu- Klea der englishe Oberst Burnaby, durch scinen Ritt nah Chiwa berühmt geworden, den er in einem Buche beschriebcn; es starb ferner der englische Zoologe Jeffreys, dur seine Forsbungserpeditionen im Atlantischen Ozean kekannt, und endlich Dr, Oskar Stroebelt, ein junger deutscher Gelehrter ous Düsseldorf, der sich im Auftrage der Internationalen Kongogesellshaft in Brüssel nah Afrika begeben hatte. Die Gesellsbaft selbs verlor durch den Tod Hrn. Hanse- mann und den Buchhändler Georg Reimer. Der Vorsitzende machte alsdann höchst irteresfsarte Mittheilungen über den bevorstehenden Geographentag în Hamburg; an der Spiße des Ausschusses steht dort der Bürgermeister Kirhenpauer und der Direktor der Reihs-Scewarte, Geheime Admiralitäts-Rath Dr. Neumayer. Sehr wichtige Verhandlungen \telen in Aussicht, so vor Allem die Frage über antarftische Forschungen, eine Besprebung über die neuen Auf- gaben der Afrikafors{ung und die Frage über dea Panamakanal im Weltverkehr. Eine ganze Reihe von Auëéstellungen werden veran- staltet: cine von Seekarten, von wissenschaftliben Unternehmungen in Afrika, von Handelsunternehmungen in Centralamerika, sodann eine geologische, cine botanishe Ausstellung 2c. Ferner soll der vom Freiherrn von Richthofen angeregte Gedanke der Be- gründung eines geographiswen Möepertoriums zur Dis- fussion gestellt werden. Man gedenkt dann aub eine neue Auflage des bekannten wissenschaftlihen Handbuchs für Reisende zu veranftaltcn. Von den deutschen Afrikareisenden konnte der Vorsitzende der Gesellschaft zu scinem Bedauern nichts mittheilen ; dagegen gab er seiner Genugthuung Ausdruck, daß der Reichstag 150 000 6. zur weiteren Erforshung Afrikas bewilligt habe. Aus der langen Reihe von Mittheilungen über die Reisenden fremder Nationen in allen Erdtheilen sei angeführt, doß Nordenskjöld eine neue Expedition nach Asien plant. In Begleitung der politischen Mission, welde England nach Afghanistan gesandt hat, b finden sich auch einige Gelehrte, welche Beobachtungen und Messungen anstellen sollen; da die Russen in gleicher Weise vom Norden her wissenschaftlih voraehen, fo ist aus diesem Jndiehändearbeiten reicher Erfolg für die Wissenschaft ?u erhoffen. Nordamerika rüstet eine neue Expedition nach dem Euphrat und Tigris. Serpa Pinto hat die Ostküste Afrikas verlassen, um sich zunähst nah dem Tanganikasee zu begeben und dann weiter westwärts vorzudringen ; obglei diese Expedition glänzend ausgerüstet ift, so kann man sie bis jeßt doch nicht als eine glücklihe bezeibnen, da sich der Mangel an Trägern sehr fühlbar macht. Die Franzosen rüften zwei Expeditionen, um vielleiht noch etwas über die Gerofsen des unglücklichen Flatters zu erfahren. Die Amerikaner wollen Florida an seinem Nordende durchstechen, um einen \{nelleren Verkehr mit dem mexikanischen Meerbusen herzustellen. Das s{reck- lihe Erdbeben in Spanien hat Veranlassung zur genaueren Beob- atung ciner Reihe von Erscheinungen gegeben, welche von Spaniern und Franzosen angestellt sind. Unter den eingegangenen literarischen Neuigkeiten erregte das hochwibtige Segelbuch für den Atlantishen Ozean besonderes Interesse, Den ersten Vertrag des Abends hielt der Geheime Admiralitäts-Rath Dr. Neumayer aus Hamburg über die geogro phischen Probleme innerhalb der Polarzoncn im Lichte der neuesten Forshungen. Als zweiter Redner beabsichtigte der Kaiserlich japanische Ministerial-Rath Tsu- nashiro Wada über die Arbeiten der Geologischen Landesanftalt in Japan zu sprechen. Wie der Vorsißende sagle, \prehe der Hr. Mi- nisterial-Rath fertig deuts, trage aber dennoch Bedenken, vor einer so zahlreichen Gesellschaft öffentlich zu spreben; es werde dethalb der Schriftführer der Gesellschaft, Dr. Paul Güßfeldt, darüber berichten.

Fernando Po.

(Na dem in den „Annalen der Hydrographie*“ veröffentlichten Bericht S. M. Kr. „Möwe“, Kommandant Korv.-Kapt. Hoffmann.)

Die Seekarten Tit. VI 138 (Br. A. K. 1357) Kap Formoso to Fernando Po und Tit. VI 155 (Br. A, K. 623) Anchorages in Fernando Po Island geben Aufs{hluß über die Lage der Insel zu den umliegenden Küsten der Bucht von Biafra und über die- jenigen Punkte der Insel selbst, welhe bei einer Bericht- erstattung vom nautishen Gesichtepunkte in Frage kommen.

* Die Festlandküste der Biafra-Bucht is im Allgemeinen niedrig ohne hervorragende Objekte, nach denen man sich orientiren fann, und zum größten Theil wit vorliegenden Bänken und seiten Flußmündungen umkränzt, welche nicht vollständig genau in den Karten niedergelegt sind. Nur die Küste des Kamerun-Berges und die Insel Fernando Po bieten Ausnahmen, und Fernando Po allein ist ringëum von tiefem Wasser umgehen. Die Bucht von Biafra ist gegen die beständigen SW-Winde offen und namentlich in ter Jahreszeit April—Oktober von {chwerer SW-Dünung heim- gesucht, welche auf fladem Wasser stark zunimmt und oft den Cha- ratter von Rollern annimmt. Die einzige Küste, welche vollkomme- nen Schuß hiergegen gewährt, ist die Nordküste von Fernando Po. Gerade dieser Theil der Insel ift frei von Untiefen und ausgestattet mit guten Ankerpläßen, welche auch gegen die von Osten kommenden Tornados ges{üßt liegen, so daß keine Rhede an der Küfte sih auch nur annähernd mit denen von Fernando Po an Sicherheit und Be- e e Be, Mise

er beste unter diesen Ankerpläßen ist die Santa Jsabel-Bai (Port Clarence). Santa Jsabel_ ist zuglei Sitz der Le Ko- lonialregierung und die einzige Stadt auf der Insel, Die Bucht ist nahezu vollkommen gesbüßt, tief im Innern wie im Eingang, für jede Schiffsgröße zum Ankern geeignet (man bleibt immer in Tiefen von 20—23 m Waffer) und auch geräumia genug, um etwa fünf großen Sciffen, vor einem Anker liegend, Raum zu gewähren. Ein großer Vorzug des Hafens is feine absolute Zugänglichkeit für Dawpfschiffe bei Tage und bei Naht. S. M. Kr. „Möwe“ lief beide Male Nachts ein, das erste Mal bei Mondschein, das zweite Mal bei dickem Regenwetter, in welhem ca. 1 Sm. von Land nur

das weiße Leucbtfeuer, aber nit das hohe Land sibtbar war. Beide Male boten si keinerlei Scwierigkeiten für die Einfahrt. Das auf ber ae verzeichnete grüne Hafenfiuer existirt niht und ist au ent- ehrlich.

Die unmittelbar wefstlid an die Jsabel-Bai si anscließende Venus-Bai und Gravina-Bai sind ebenfalls sehr gute Ankerpläte für Schiffe jeden Ticfgangs. Obgleich etwas offener gegen NNW, von welcher Richtung indessen Stürme niht zu erwarten sind, sollen Mete E in der heißen Zeit wegen frisher Seebriese be- iebt sein.

Auch die öftlich von Jsabel gelegene Nervion-Bai bietet guten Ankergrund, entbehrt ater des Schutzes gegen Osten und wird daher nicht benußt.

An dem ganzen Küstensaum diescr Ankerpläße kann man ohne Schwierigkeit mit Schiffsbooten landen, was kaum jemals an einem Punkt der Festlandküste möglich ist. In der Jsabel- But befindet fich eine bequeme eiserne Landungsbrücke, allerdings in sehr baufälli- gem Zustande. «Weitere solche Landungsbrücken würden \sih ohne Weiteres herstellen laffen. :

Ein Nacbtheil des Hafers ift, daß er überall von hohen Ufern umgeben ist, vor denen sich nur im mittleren Theil ein {maler Strand befindet, welber von den Lagerpläßen einiger Kaufleute fast aänzlib in Beschlag genommen ift. Ein hervorragender Fleck dieses Strandes is als \panisches Marine-Etablissement reservirt, jedoch be- findet sihch nur ein kleiner Schuppen dort, in welchem ein Boot reparirt wurde. Vor diesem Play hat man das Wrack eines eisernen Schiffes auf den Grund festgelegt, und im Schuß desselben ist Ge- legenheit, zu landen und einige Boote aufzusbleppen.

Nußer den Ankerplätßzen der Nordseite der Insel wird noch die Carlos-Bai an der Westküste in den Segelanweisungen lobend hervor- gehoben. Dieselbe ist aber, wie der Augenscbein ergab, weniger gc- \{chütt gegen die Dünung, und das Landen ift äußerst beshwerli. Fhr Hauptvorzug \cheint in der leichten Zugänglichkeit für Segel- \chifffe zu bestehen. Außerdem würde noch für die Carlos-Bai hervorzuheben sein, daß hier Berglehnen bis zum Wasser herabgehen und die ganze Bucht offener und luftiger ist als die von Jsabel.

Die klimatischen und Gesundheitsverhältnifse von Fernando Po find analog denjenigen der benachbarten Küstenstrihe. Eine Tabelle über die beobachteten Mitteltemperaturen der einzelnen Monate findet sih im „South Atlantic Directory® von Findlay, 1883, S. 681. Die Angaben des angeführten Werkes, speziell über Clarence, S. 683—686, haben fsih als durchaus zuverlässig er- wiesen. Spanische Berickte geben diese Tabelle ebenfalls mit dem Zusaß, daß mehrjährige neuere Beobachtungen dieselbe bestätigt hätten. És scheinen daher keine besseren Daten vorhanden zu sein S. M. Kr. „Möwe“ befand sich gerade in der kühlsten Jahreszeit hier, und das Klima war ein sehr angenehmes. Regen fiel reichlih, aber an- \cheinend weniger, als am Kamerun-Gebirge; der Pik von Fernando Po war Anfang September fast täglich gegen Abend frei von Wolken, während der Kamerun- Berg nahezu beständig von Wolken umlagert ift, Dies ist 2uch für die Ansegelung der Insel von besonderem Werth. Fieber {eint nit seltener zn sein als an anderen Theilen der westafrikanishen Küste. Das hier stationirte spanische Kanonen- boot „Ligera“ mit 80 bis 100 Mann Besaßung (na zwei rerscbie- denen Angaben), seit vier Monaten in Dienst, hatte in dieser Zeit 40 bis 50 Fieberfälle, davon zur Zeit aht in Behandlung. An Bord der „Möwe“ kam hier kein neuer Erkrankungéfall vor. Die svanische Besaßung verkehrte viel an Land, während diesseits Be- urlaubungen nicht stattfanden. :

Nach den eftngezogenen Erkundigungen sind die Gesundheitsver- hältnisse auf der ganzen Insel nicht besser und nicht s{lech{chter, als in Westafrika überhaupt, d. h. kein Guropäer bleibt dauernd vom Fieber verschont, aber die Mehrzahl überwindet es leiht. Auch die englischen Missionäre auf einer 460 m hoc gelegenen Station gaben an, dort Fieber zu haben, jedo läßt sich kein Schluß ziehen, ob das Fieber in jenen höheren Bergregior.en selbst wirkli acquirint ist.

Wasser ist in der Jsabel-Bai selbst in vorzüglicher Qualität und sehr leicht zu haben. Jn der südwestlihen Ede der Bai hat das hohe Land cinen Einscbnitt , dort sprudelt reihlich Wasser hervor, so daß man in einiger Höhe einen Schlauch einlegen und das Wasser in die Boote leiten konnte, während der Plaß weiter unten zum Waschen benußt wurde. Auch bei den anderen Ankerpläßen sind reilich Wasserläufe zur Verfügung, welce in der trockenen Jahreszeit nicht versiegen sollen. An frishem Proviant ist die Zufuhr zwar gering, aber immer noch reichlicher wie in Kamerun und den übrigen von der „Möwe“ besuchten Küstenpunkten. Fleisch für die Sciffë- verpflegung war nicht zu erlangen, in der Carlos-Bai waren zwar reichlich Ziegen vorhanden, aber der nah hiesigen Be- griffen billige Preis überstieg doch namhaft den nach dem Sciffs- veryflegungs-Reglement gestatteten Maximalsaß. Yams sind gut und reichlich zu billigen Preisen zu haben und werden von hier nach den benachbarten Orten des Festlandes exportirt. Früchte erhält man auf den Plantagen reiclich, weniger in Jsabel selbst, Es wurde leibt die Erlaubniß erwirkt, von einer westlich von der Gravina- Bucht gelegenen Plantage ein Boot voll Früchte für die Mannschaft zu holen. In der Carlos-Bai sind ebenfalls reihlich Früchte zu er- halfen. Dies erscheint als bemerkens8werthe AÄnnehmlichkeit für die Scwifföbesayunga, denn an Küstenpunkten des Festlandes ift eine solche Ausnahmeverpflegung nicht leicht zu beschaffen.

Aufer dem Gouverneur, zwei Aerzten und den Offizieren und weißen Mannschaften der Hulk „Trinidad“, zusammen ca. 14 Spa- niern, bcfinden sich an Europäern nur Missionäre und Angestellte einer englischen Faktorei auf der Insel. Der englischen Firma John Holt & Co. ift die Aufsicht über das englishe Kohlenlager übertragen, ebenso die Agentur der vereinigten englishen Dampfer-Gesellschaften. Das englische Kohlendepot besteht aus einem eisernen Schuppen, welcher an der. Gravina-Bai unfern Pilon Point nahe dem Strande steht und auf einem sehr soliden eisernen, auf Granitquadern ver- bolzten Unterbau errichtet ist (nach einer Inschrift durch eine Arbeits- abtheilung von Bord der „Danae“ 1869), Daneben befindet sih noch cin Quantum {rei lagernder Kohlen und ein offener Schuppen für einen Kohlenprahm, während zwei kleinere Prähme vor dem Strande verankert sind. Landungsbrücke oder sonslige Ladeeinrich- tungen sind niht vorhanden. Ein Depot von sonstigen Schiffffs- bedürfnissen für die englishe Marine besteht nicht.

Es ergiebt \sich sonach, daß Fernando Po in vieler Beziehung mehr bietet als irgend ein anderer Drt an der westafrikanischen Küste. Man findet hier einen sicheren leiht zugänglichen Hafen, gutes Wasser und gelegentlich Gemüse (Yams) und Früchte für die Mann- schaft. Dagegen is der Ort zweifellos niht absolut gesund, frises Fleisch is richt in hinreichenden Quantitäten zu haben, der Ort eignet sich nicht zu Beurlaubungen für die Mannschaft so, wie die Verhältnisse jeßt sind. 7 i

Wenn man ondere Punkte der Küste hiermit in Vergleich stellt, so ist zunächst Eloby zu nennen. Dort sind die Gesundheits- und klimatischen Verhältnisse besonders günstig. Die kleine, für sih ab- geschlossene Insel, auf welcher nur einige deutscbe Faktoreien stehen, bietet Raum, Vorräthe jeder Art zu lagern, der sandige Strand, ringsum der ausgedehnte Raum ruhigen Wassers der Coriscobuht, Alles ist vorzüglich geeignet für Exerzitien, Arbeiten und Erho:ungen der Besaßung eines Kriegsschiffes. Gelegentlich is hier aub die Be- schaffung von frischem Fleisch und von Fischen möglich. Dagegen hat Eloby den Nachtheil, daß es nur bei klarem Wetter und bequem nur für Kanonenboote und Kreuzer zugänglich ist und gänzlichen Mangel an frishem Wasser leidet. Beachtenswerth ist noch, daß die Regen- zeit in Kamerun und Fernando Po mit der trockenen und zugleich auffallend fühlen Jahreszeit in ECloby zusammenfält.

(A. Woldts Wi}. Corr.) Die Preceedings der Londoner Geo- graphischen Gefellschaft{bringen einen Brief von dem Kapt. W. Glazin U. S., wonach die Quelle des Mississippi nicht in Lake Itasca, son- dern in dem unter 479 13‘ 25° N. und 1578 Fuß über dem Meere ge- legenen Lake Glazin zu suchen seien, Ein Karte erläutert die be- treffende Notiz.

Wien, 8. Februar. (W. T. B.) Die Generalversammlung der Stadt-Theater-Gesellschaft hat die Liquidation be- \{lofsen und den Direktionsrath als Liquidationëcomité gewählt.

Am nä&ften Mittwoch Abend findet im Evangeli Ö bause, in der Oranienstraße, die Weaéralverin p erie E! S T ibe A Se Ne Ban statt. Derselben gebt um r eine erbauliche Ansprache des Propstes D, der Goltz vorher. i Srhrn, von

Die Mitglieder der in Berlin und Charlotteaburg bestehenden „Stolze’'swen Stenographen-Vereine“ sowie die in Berlin befindlihen Anbänger der Stolze’shen Stenographie überhaupt wer- den sih am Fastnats-Dienstag, den 17. Februar, Abends 8 Uhr, in den sämmtlichen Räumen der Berliner Refsource, Kommandanten- straße 57, zu einem Tanz- und Maskenfest vereinigen, welches gle'chzeitig der Feier des 40 jährigen Bestehens des Stenographischen Vereins „Stolze“ (des ältesten stenographischen Vereins der Welt) und des 10 jährigen Bestehens des Verbandes Stolze’sher Steno- graphen-Vereine gilt. Der Bedeutung des Tages entsprechend sollen die beiden jubilirenden Vereinigungen in einem besonders gediteten Festspiel die Begrüßung von den Vertretern und Vertreterinnen der übrigen Verbände und Vereine der Stolze'shen Schule entgegennehmen. Die Zahl derselben if jeßt bereits auf 291 Vereine mit 6421 Mitgliedern angewachsen, welche sch sih nit allein auf Deutschland und die Schweiz sondern auch auf die russishen Ostsee-Provinzen, Ungarn und die Vereinigten Staaten von Amerika vertheilen. Außerdem sollen vertreten sein Handel und Wissenschaft, Literatur und Presse, die studentishen und Schüler- kreise 2c. In der Kaffecpause wird ein stenographisches Lustspiel „Die Bekehrte“ zur Aufführung gelangen. Abendkasse findet nicht ftatt. Giatrittskarten zu 1 M sind nur durch die Vorstände der sämmtlichen Vereinigungen sowie durch die auf den Einladungen bezeichneten Comité-Mitglieder zu beziehen. Von den Leßteren nennen wir: Dr, Stolze, Halleschestr. 4; Rechtsanwalt Dr. Stadthagen, Mauerstr. 80; Recbtsanwalt Dr. Sauer, Mohrenstr. 36; Beyer, Kaufmann, Waldemarstr. 43, und Cohnen, Schriftsteller, Kesselstr. 18.

__ Im Wallner- Theater hat das dreiaktige Lustspiel „Die Siorglosen“, von Adolf L’Arronge, am Sonnabend cine bei Weitem freundlihere Aufnahme gefunden, als dem Stü auswärts, namentli in Hamburg, beschieden gewesen is. Die ganz vortreffliche Darstellung hat zu dem hiesigen Erfolge wohl am meisten beigetragen, denn nur diese konnte über manche bedenkliche Längen hinweghelfen, Der knappe Stoff: die Sorglosigkeit, mit der zwei Ehepaare oder vielmehr je cine Hälfte von diesen in den Tag bineinleben und dem drohenden materiellen und moralisben Ruin ihr Auge verschließen, bis diese ihnen endlih von unbequemen, aber wohlwollenden Personen geöffnet werden reiht für die drei Akte kaum aus, zumal der Autor auf pointirten Dialog und erkünstelte Finessen auch hier prinzipiell verzichtet hat, vielmehr seine Personen natürliÞ und mit ehr- liher Derbheit sich ausdrülen und wmoralisiren läßt. Gleihwohl ist das Stück im Ganzen amüsant und dürste durch die nöthigen Strihe nod an Anziehung gewinnen, Ein eigenthümlich pikantes Interesse erhält es durch die Figur eines Abenteurers, der als egyptischer Oberst mit seiner galanten Frau in den Frieden der erwähnten Famil:en eindringt und von Hrn. Guthery ganz ausgezeichnet dargestellt wurde. Die Gestalt dieses unaufhörlih türkisch radebrechenden, aub in der Maske frappant geschilderten Schwindlers ist ohne Zweifel die gelungenste und charakteristisch\te, die wir von dem vortrefflihen Komiker gesehen haben. Hr. Thomas war als sähselnder Strumpffabrikant selbstverständlich von ershütternder Komik, aber nicht minder auch Fr. Carlsen, als seine Frau. Die letz'genannte Künstlerin scheint damit den entsagenden Schritt in das Fach der komischen Alten thun zu wollen; run, man fann ihr zu diesem Vebut, so gern man sie bisher als noble Salondame gesehen hat und noch weiter schen möchte, aufrihtig Glück wünschen ? es gelang vorzügli und trug ihr den reisten, verdienten Beifali ein. Frl. Odilon, die Naive der Bühne, entwickelt sih immer gefälliger und scheint zu einem Liebling des Publikums werden zu wollen; sie würde (als Paula Hoffmann) auch ohne die gewählten cxtravaganten Toiletten die gebührende Anerkennung gefunden haben. Frl. Moller (als Estrella, Frau des erwähnten falschen egyptischen Obersten) debütirte in äußerlicher Repräsention glücklicher, als dur ihre Art zu sprechen. Der immer liebens8würdige und elegante Hr. Alexander (Regierungs- Affscssor von Eichmann), Hr. Blencke (in der undankbaren Rolle eines pflichtvergessenen und dann ertappten jungen Ehemanns, des Bankiers Paul Röder), Frl. Mever (als dessen Frau) Hr. Kurz (Recbtêanwallk Hoffmann) und Fr. Schmidt (Fr. Hoffmann) vervollständigten das treffliche Ensemble. Das Publikam war sehr nahsihtig gestimmk und freigebig mit seinem Beifall. Der Autor wurde nach dem 2 und 3. Akt wiederholt gerufen.

Im Belle-Alliance-Theater hat der von Mosersche Schwank „Der Salontiroler“ bei seinen Aufführungen am Sonnabend und Sonntág eine überaus beifällige Aufnahme gefunden.

Im Saale der Sing-Akademie fand am Sonnabend cine zweite musikalische Aufführung der Neuen Akademie der Ton- funst, welche unter der Lcitung des Prof. Franz Kullak steht, statt. Das Philharmonishe Orchester war zur Mitwirkung herangezogen

worden und verlieh dem Dargebotenen einen besonderen Reiz, Dic,

Proben von der Leistungsfähigkeit der verschiedenen Klassen des In- itituts gaben im Großen und Ganzen ein ret erfreuliches Bild von der Wirksamkeit desselben. Den Anfang machte cine „Ouverture zu Dornröscben“ von Ad. König, welhe von einer entschiedenen, wenn auch vorläufig mehr formalen Begabung des Komponisten zeugte, unter dessen Leitung das Tonstück exakt und gefällig ausgeführt wurde. Das dann folgende Klavierconcert AÀ-moll von Rob. Schumann I. Saß wurde in glatter, sauberer Weise von Frl. Boers vorgetragen, welche den Anforderungen, die man an cine werdende Künstlerin stellen darf, recht wohl entsprah. Schon bei weitem höheren Ansprüchen genügte die Wiedergabe des Mendels\sohnshen Klavierconcerts in 6 moll durch Frl. Ida Beckmann. Hier trat eigenes Empfinden und Denken fkraftvoller hervor und verlieh dem Vortrag etwas harmonisch Abgerundetes. Gine ebenfalls treffliche Leistung bot Hr. Paul Tidden, welcher den \{chwierigen erften Saß von Beethovens Es-dur - Goncert mit Fkräftigem Anschlag und glatter Technik zu Gehör brachte. Die Violinklasse bot u. A. ein Largo und Allegro aus dem J. S. Bachschen Concert in D-moll für zwei Violinen ; der Vortrag dieser Nummer erfreute durch die tadel- lose, wenn auch noch nicht vollendete Bogenführung und verdiente den reien Beifall, welchen das Publikum zollte, Von den gesang- lien Borträgen bot das, was uns zu Gehör kam, recht Treffliches, wenn au noch die Einzelvorträge (Arie aus „Elias*, „Im Herbst von Rob. Franz, „Nun rausch+ im Morgenwinde" von Ri. Wuerst) mehr oder minder unter dem Drucke der Befangenheit litten oder durch das Hervortreten des Schülerhaften störten. Außerdem wurden von vierstimmigen Frauen&ören a capella die beiden Uhlandscen Lieder „Die Kapelle“ und „Frühlingsglaube“ frisch und mit 206A voller Wärme vorgetragen. Die Aufführung fand lebhaften Beifall, welcher ihr aub bis zum Schluß, den wir bei der überreichen Za

der Vorträge leider nit abwarten konnten, treu geblieben sein dürfte.

aa

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (S cholz). Druck: W. Elsner. Fünf Beilagen (eins{ließli4 Börsen-Beilage).

Berlin:

(188)

Erste Beilage zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats-Anzeiger.

M 34.

Berlin, Montag, den 9. Februar

85.

Nichtam{tliches.

Preußen. Berlin, 9, Februar. 5m weiteren Verlaufe der vorgestrigen (44.) Sißung des Reichstages wurde die dritte Berathung des Gesehentwurfs, betr. einen Zusaß zu

12 des Tabadlsteuerge]eßes, von der Tagesordnung abge- jeyt da nah der Mittheilung des Präsidenten aus Anlaß neuerlihen Petitionen dem Bundesrath Aenderungen

n E : L i ied Wortlauts erwünscht erschienen, für welche eine kurze

Frist zu gewähren fei. : gil p Flgte die zweite Berathung der Rehnung der Kasse der Ober-Rechnunaskammer für das Etatsjahr 1882/83 bezüglich desjenigen Theils, welcher sich auf die Reichsverwal- tung bezicht, auf Grund mündlichen Berichts der Nechnungs? fommission, s ¿ ; L

Die allgemeine Nechnurg über den Reichshaushalt für 29/80 war der Rechnungskonmission überwiesen worden, da 1879/8 :

¿ der ersten Lesung sich ernste Bedenken erhoben hatten hei d O E L wegen der Justifikation der Militärausgaben dur Allerhöchste Kabinetsordres und wegen der Einholung der Genehmigung des Neichétages zu einem zwischen der Kaiserlich deutschen Reichs:Telegraphenverwaltung einerseits und dem Direktor ber vereinigten deutshen Telegraphengesellshaft Dr. Lasard an- dererseits Über ein Telegraphenkabel nah Norwegen geshlosse- nen Vertrage.

Die Kommission beantragte heute:

l. naGträglih zu genehmigen:

1) daß aus dem Fonds Kap. 24 der fortdauernden Auêgaben des Etats der preußischen Militärverwaltung für 1879/80 für April 1880 für Offiziere des Beurlaubtenstandes 56 # Ucbungsdiäten vers ausgabt sind; : :

9) daß aus dea Fonds Kap. 27 Tit. 11 und 13 des Etats der preußishen Militärverwaltung zusammen ca. 10928 und bezw, 1950 4 zur Unterhaltung der Gärten bezw. der Umwährung der- selben bei den Dienstgebäuden der kommandirenden Generäle zu Berlin, Königsberg, Stettin, Breslau, Coblenz, Altona, Cassel, Karlsrube und Straßburg verauêgabt sind;

3) daß gegen die Bestimmurgen des Etats pro 1879/80 bei cinem Landwehr-Bezirkskommando des XIL. (Königlich Sächsischen) Armee-Corps 16,20 4 Remunerationen für Hülfearbeiter veraus-

abt sind;

4 j daß aus dem Fonds Kap. 6 Tit. 49 der cinmaligen Aus-

gaben des Etats für das preußische Militärkontingent 17 000

zur Bestreitung der Kosten für den Bau eines Gebäudes mit einer

Brotstube, einer Dienstwobnung für den Backmeister und einem

Zimmer für die Militärbäker der Garnisonbäckerei in Saarlouis

verwendet sind ;

5) daß bei der Eisenbahnverwaltung aus dem Fonds Tit. 4 der Betricb8ausgaben der Zusczuß von 375 4 ridt, wie im Etat vorgesehen, nur 19, sondern 20 Stellen von Werkstättenvorstehern und Werkmeistern gewährt ift;

6) daß in der allgemeinen Rechnung Kapitel 2a der ordent- liden Einnahmen von der Bruttoeinnahme der statistischen Gebühr an Zurückfzaßlungen nicht 114 A, wie in der UVebersiwt der außer- etatsmäßigen Autgaben gesehen, sondern 183,30 4 als außer- ctatsmäßige Ausgabe abgesetzt sind;

II. fi damit einverstanden zu crklärcn, daß in Fällen diszi- plinärer oder adminisirativer Veruxtheilung von Beamten oder Unterbeamten der Postverwaltung zu Etsaßkeistuag wegen Fahr- lässigkeit in geeignet scheinenden Fällen wie bisher von der Berech- nung und Erhebung von Verzugszinsen von der Schadenssumme Abstand genommen wird;

III, die bei Entlastung der allgemeinen Rehnung für die Reh- nungsperiode vom 1. Januar: 1876 bis 31. März 1877 ausgesproche- nen Vorbehalte für erledigt zu erklären ; :

IV, die Entlastung des Reichskanzlers in Bezug auf die all- gemeine Rechnung über den Reichshaushalt für das Etatsjahr 1879/80 auszusprecben ;

V, den Herrn Reichskanzler zu ersuben, den Entwurf eines Gesetzes über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs dem Reichstage demnächst vorzulegen.

Der Abg. Dr. Meyer (Halle) beantragte in Bezug auf diese Ausgaben den Vorbehalt auszusprehen, 1) daß der Reichskanzler nahträglich die Verantworilichkeit sür die be- treffenden Kaiserlichen Erlasse übernehme; 2) daß in Bezug auf den Kabelvertrag die nachträglihe Genehmigung des Reichstages einzuholen sei.

__ Junzwischen hatten die Abgg. Nicter und Dr. Meyer (Halle) einen Antrag eingebracht, durch welhen Nr. 1 des Antrages Meyer (Halle) folgendermaßen modifizirt wurde: nachträglich zu genehmigen, daß bei der preußishen Militärverwaltung tine Doppelzahlung im Betrage von 193 #6 75 Z und eberhebungen von Jnvalidenpensionen im Gesammtbetrage von 2735 4 44 S und 231 e stattgefunden haben, event. Eventualantrag im Falle der Ablehnung des obigen An- trags: Die Entlastung des Reichskanzlers auszusprechen, unter Vorbehalt der oben erwähnten Beträge.

__ Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, in dieser Frage, die das Haus son wiederholt beschästigt habe, habe er feinen ursprünglichen Ant: ag ad 1 zurückgezogen, um das Streitfeld wöglidst einzugrenzen und dadurch die Einigung aller Par- teien zu erzielen. Materiell seien die Beträge, um die es sich handele, geringsügig; ec wolle die Ausgaben ja. auch gench- Wigen ; indessen müsse er do die Rechte des Hauses in Bezug auf die nahträglihe Dechargirung von Rehnungen wahren. Sonst würde das ganze Budgetreht \chließlich eine Klinge hne Hest werden, Die Sanirung der vorliegenden Mängel erfolge in vollem Umfange, wenn das Haus jeß“ ausspreche, es diejenigen Posten, welche der Over-Rechnungshof monirt habe, nalhträglih genehmige. Er bitte dezhalb, seinem An- lage zuzustimmen.

Der Abg. Frhr. von Malhahn-Gült erwiderte, dem Vor- redner seien wohl selbst Bedenken gegen dessen urjprünglichen ‘ntrag gekommen ; sonst würde derselbe den Antrag nicht zu- tüdgezogen haben. Dieser Antrag verlange etwas von der tihSregierung, was sie zu thun verfassungsmäßig nicht in er Lage gewesen wäre. Auch den jeßigen Antrag Meyer bitte X abzulehnen ; dér Reichstag habe keinen Grund, eine Ge- nehmigung auszusprechen, die nicht nachgesucht sei. Die strei- tigen Nelhtsfragen würden in dem hoffentlih bald wieder vor- legenden Geseß über die Verwaltung der Einnahmen und Ausgaben des Reichs zu erledigen fein.

Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, gegen die Resolution habe seine Partei nichts einzuwenden, aber dieselbe habe nur

den Werth eines frommen Wunsches, der niemals die geringste Beachtung Seitens der Regierung gefunden habe, obwohl der Antrag im Reichstane und im Landtage {hon ein Dußend Mal ausgesprohen worden fei. Man möge den Äntrag wiederholen, solle aber außerdem thun, was man für Recht halte. So lange eine Materie nicht durch das Gesetz geregelt sei, ergebe sich das Recht aus der Uebung, der Praxis und der Geltendmachung der Betheiligten. Nun mache die Regie- rung ihr Recht in \{hroffstem Umfange geltend, mehr als bis- her. Sich da auf den Wunsch beschränken, daß die Regierung ein Gescß vorleger möchte, wäre eine Shwäche und bieße in der That das Necht des Reichstages zurückstellen. Das Haus habe das Recht der Etat2verweigerung und an der Hand dieses Rechtes müsse es sih so verhalten, wie es seiner Rechtsauf- fassung angemessen sei. Die im Augenblick sekundäre Frage, ob der Kaiser oder König von Preußen gegenzeihnen solle, trete für das Haus heute gegen eine wihtigere zurüdck: er be- streite nämlich überhaupt das Recht sowohl des Kaisers wie des Königs, eine indebite geleistete Zahlung durch Gegenzeihnung zu einer gültigen zu erheben. Jndem die Regierung also heute die nahtröglihe Genehmigung beantrage, erkläre sie, daß sie zu einer rechtsgültigen Zahlung unerläßlih sei. Fn Preußen jei dasselbe der Fall, obwohl es an Versuchen, diese Genehmigung zu umgehen, niht gefehlt habe. Die Jnstruktion der Ober- Rechnungskammer von 1824 bestimme im §8. 30 nur: „bei Rechnungsdefekten könne der Verwaltungschef einen von der Ober-Rehnungskammer festgestellten Rehnungsdefekt nieder- schlagen oder dessen Einziehung verzögern.“ Nun wolle die Ober-NRehnungskammer den Rechnungsdefekt hier offenbar nicht niedershlagen ; ob blos aus dem jormellen Grunde, daß die Gegenzeihnung des Kanzlers nicht erfolgt sei, sondern nur die des Kriegs-Ministers, oder aus einem andern Grunde, das sei bei der knappen Sprache der Bemerkungen des Rechnungshofes nicht ersichtlih. Die Sache könne also nur durch Genehmigung des Hauses sanirt werden, wie €s hon bei Etatsüberschreitungen geschehen müsse, ge- schweige denn hier, wo keine Verwendung im öffent- lihen FJnteresse, sondern eine überhaupt nicht gerecht- fertige Zahlung stattgefunden habe, hinsihtlich deren eine Privatperson ersaßpflichtiz; sei. Der Kriegs-Minister habe sich nur auf das Begnadigungsreht der Krone zu beziehen vermocht, von dem es in der preußishen Verfassung ganz einfa heiße: „Der König habe das Recht zu begnadigen und die Strafe zu mildern.“ Daraus sei doch aber unmöglih das Recht zu folgern, Ersaßforderungen niederzuschlagen in Folge unrechtmäßig erhobener Gelder, wie der Kriegs- Minister behaupte, wenn er sage, daß der Kaiser, der einen zum Tode verurtheilten Offizier begnadigen dürfe, dem- selben doch auch nachlassen könne, gewisse Zahlungen zu leisten. Jn diesem Fall spreche das Haus. die Geneh- migung aus materiellen Gründen aus, ohne die es das Recht hätte, sie zu verweigern. Die betreffenden Per- sonen feien in ärmlihen Verhältnissen, verzogen, ausge- wandert u. \. w,, kurz: es sei billig, von dex Einziehung des Geldes abzustehen. Der Abg. von Maltzahn frage, wie das Haus dazu komme, eine Genehmigung zu ertheilen, die niht nachgesucht worden sei ? Aber man verzichte zur leichteren Er- ledigung der Geschäfte nicht selten auf eine förmlihe Vorlage und bringe dafür seine Rechtsauffassung, um deren Heraus: bildung im Reichstage es sih handele, unmittelbar zum Aus- druck, ebenso wie das Haus bei dem Anleihegeseß „JFndemni- tät“ ertheilt habe, obwohl die Regierung nur nachträgliche Genehmigung nahgesucht habe. Daß sie bona fide ge- handelt habe, bestreite er niht. Die Regierung habe hon ot 0 gewandelt, hne au Beanstandung U fiojen. Aber das [li 6 vielen ZcUtavers hältnissen der Fall. Ein Reichslag könne nicht immer eine Rechnung in allen ihren Theilen prüfen, Origi- nalrehnungen bekomme man überhaupt nicht, sondern das Haus sei nur auf die Noten des Rechnungshofes angewiesen, die in diesem Falle lauteten: „Nur vom Kriegs-Minister gegen- gezeichnet.“ Erst im Laufe der Verhandlung uud durch die geradezu provozirende, vom Kriegs-Minister angerufene Ang- logie mit dem Rechte des Kaisers, einen zum Tode verur- theilten Offizier zu begnadigen, sei die Bedeutung der Frage in ihrem ganzen Umfange klar geworden, und wenn das Haus jeßt die nahträglihe Genehmigung des Postens ausfprehe, so thue es, was billig sei, und wahre zugleih das Recht des Hauses.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrath, General-Major von Hänisch entgegnete, die Auffassung des Abg. Richter vom Begnadigungsrecht der Krone müsse er zurücweisen. Historish sei die Krone Jnhaberin aller Gnadenrehte. Sie übe die- selben auf den verschiedensten Gebieten aus, und weder durch die Verfassung noch durch eine andere Nehtsnorm sei hieran irgend etwas geändert worden. Als im Fahre 1879 der Geseßentwurf über die Verwaltung der Einnahmen und Aus- gaben hier verhandelt sei, habe auch der Referent Abg. Lasker ausdrücklih gesagt: „ec nehme keinen Anstand, zu erklären, daß das materielle Gnadenrecht der Krone in diesem Geseß nicht behandelt sei oder irgend eine Aenderung dadurch er- fahre.“ Uebereinstimmend habe der damalige Finanz-Minister Camphausen erklärt, daß die materiellen Prärogative der Krone durch jenes Geseh nicht berührt werden sollten. Die Negierung halte deshalb gegenüber den Aeußerungen der Abgg. Meyer und Richter vollständig an ihrer früheren Auf- fassung der Rechtslage fest. /

Der Bundeskommissar, Geheime Ober-Regierungs-Rath Schul erwiderte, er könne sich im Allgemeinen den Aus- führungen des Abg. Frhrn. von Malßahn anschließen. Ordres im Militärwesen habe stets der Königlich preußische Kriegs- Minister allein gegengezeihnet. Die Reichsverfassung sage in der Schlußbestimmung des Abschnittes XI : „die in diesem Abschnitt enthaltenen Vorschriften kommen in Bayern nah näherer Bestimmung des Bündnißvertrages vom 23. November 1870, in Württemberg nach näherer Bestimmung der Militär- fonvention vom 21./25. November 1870 zur Anwendung,“ Dana scien also die einzelnen Militärkontingente, und also auch das von Preußen, vollkommen selbständige Verwaltungen, und es sei ein bestimmter Grundsaß, daß, wenn eine Verwal-

tung selbständig Forderungen erheben könne, fie auch das Recht habe, darauf zu verzihten. Ec bitte, die Anträge abzulehnen.

Der Abg. Dr. Meyer (Halle) erklärte, niht weil er seinen früheren Antrag für bedenklich halte, wie der Abg. von En meine, sondern lediglich aus den von ihm und dem Abg. Nichter bereits dargelegten Gründen habe er jenen An- trag zurückgezogen. Jn die bestimmt fixirten Gnadenrechte der Krone wolle er nicht eingreifen; ein allgemeines Gnadenrecht in dem Sinne, wie der General-Major von Hänish es aus- gesührt habe, sei aber juristish unkonstruirbar ; namentli gebe es kein Gnadenreht der Krone, durch welches das Recht eines Dritten beeinträchtigt werden dürfe. Der Dritte sei aber hier der Neichstag, dessen bestimmte Finanzrehte nicht beeinträchtigt werden dürften. Wenn der Rehnungshof, diese sahkundige und unabhängige Behörde, selbst das Haus daran erinnere, seine konstitutionelen Rehte zu wahren, so dürfe das Haus das feinesfalls ignoriren.

Der Abg. Dr. Windthorst glaubte, daß es besser gewesen wäre, wenn man es hier, ohne die Prinzipienfrage hervor- zukehren, einfach bei dem Beschlusse der Kommission hätte be- wenden lassen. Aber nachdem“ ersteres troßdem vom Abg. von Malgahn in einer so sharfen Weise geschehen sei, habe der Reichstag die Pflicht zu konstatiren, daß über die Ein- nahmen und Ausgaben des Reichs nur der Reichstag zu entscheiden habe. _

Hierauf ergriff der Bevollmächtigte zum. Bundesrath, Direktor im Reichs-Schaßzamt, Aschenborn, das Wort :

Meine Herren! Der Antrag der Herren Abgg. Dr. Meyer und Richter empfiehlt Ihnen, abzuweihen von einer konstanten und, someit man in unserem jungen Staatswefen den Ausdruck gebrauchen kann, langjährigen Praxis des Reichstages.

Seit dein Bestehen des Norddecutsken Bundes hat die Militärverwaltung das Recht geübt, Allerhöchste Niedershlagungs- ordres unter Gegenzeichnung des Herrn Kriegs-Ministers zu extrahi- ren. Das Recht ist geübt worden öffentlih unter voller Kenntniß des Reichstages. Die Bemerkungen des Rechnung8hofes zu den Rech- nungen, die feit dem Jahre 1869 vorgelegt worden sind, enthalten ausnahmslos Hinweise darauf, daß Niedershlagungen durch Aller- höbíte Ordres stattgefunden habea. Einzelne von diesen Bemerkun- gen, auch in den frühéren Jahren, weisen ausdrücklich darauf hin, daß die Nicdersclagung erfolgt ist durch eine nur von dem Königlich preußischen Kriegs - Minister gegengezeihnete Ordre. Der Reichstag ist an diesen Akten bis dahin vorbeigegangen in voller Kenntniß derselben und wohl überlegt. Man hat si ge- sagt, daß es nicht opportun sei, vor Erlaß des Komptabilitätsgesetzes, das den Anlaß bieten wird, die Frage tunditus in einer für alle Theile und für alle Zeit bindenden Weise zu regeln, eine fo heikle Materie gelegentlich herauszugreifen und vorab zum Austrag zu bringen. Meine Herren, ich glaube, der Reichstag hat in dieser Beziehung eine durchaus weise Zucückhaltung geübt, und es empfiehlt fich, dem Vorschlage der Kommission, die wieder ‘in gleiher Weise vorgehen will, au dies Mal beizutreten.

Nun sagt der Hr. Abg. Richter: ja, mit dem Komptabilitäts3- geseßze kommen wir niht zu Stande, der Reichstag hat ein Dußend Mal ‘woh! Hon die Forderung gestellt, von den Regierungen wird es aber nit gebrad:t. In dieser Aeußecung licgt meines Erachtens eine starke Unbilligkeit. Von Seiten der verbündeten Regierungen ift das Komdptabilitätsgeseß in den Jahren bis 1877 wiederholt vorgelegt wordènz es biieben eine Reihe von Meinungsverschiedenheiten und zuleßt —- im Frühjahr 1877 fanden nochþ, da man im Reichstage selbsi an ciner Verständigung zweifelte, wvertraulihe Bes sprebungen zwischen Delegirien der Parteien und Regierungs- vertretern statt. um Fühlung zu nebmen, wie weit cine An- näherung zu erreichen wäre. Die Theilnehmer an den Be- sprehurgen sind zum Theil noch heute auf ihrem Plate, namentli Hr. von Wedell-Malchow, Hr. von Benda und Hr. Richter selbft. Man überzeugte sich, daß keine Aussicht bestand, über die vier großen Streitpunkte, die noch bleiben, zu einer Einigung zu kommen. I will sie hier kurz berühren, weil das zugleih von Interesse ist für die Stellungnahme zu der von der Kommission vorgeslagenen Resolus- tion, durch welche ‘der Herr Reichskanzler von Neuem um Vorlegung des Gesetzentwurfs wegen Verwaltung der Neichs-Einnahmen und Ausgaben ersuht wird. Cs war einmal die Frage, wie weit die Rechte des Reichstages bei der Genehmigung von Ctats- überschreitungen bei den. Einnahmen eine Erweiterung finden sollen, namentlicch in der Nichtung, daß die Eisenbahn- und Pofttarife, so- weit letztere nicht geseßlich feststehen, der Mitbestimmung des Neichs- tages unterliegen; zweitens die“ Frage der Mitwirkung bei Regelung des Zoll- und Steuerkreditwesens ; drittens die Abgrenzung des Rechts zur Niedershlagung von Defekten im Gnadenwege ;. und viertens dec Umfang der VerfügungsLefugniß der Verwaltung bei Gehaltsersparnissen.

Obwohl nun pflihtmäßig die Entwidckelung dieser Fragen mit Aufmerksamkeit verfolgend, habe ich bisher niht wahcgenommen, daß auf irgend einer Seite eine Neigung zu weiteren Konzessionen auf diesem Gebiete vorhanden wäre. Wenn dem aber so ist, so ist 8, glaube ih, vollständig korrekt, mit dem Geseßz- entwurfe nicht wieder vor das Haus zu treten, man würde sonst vermuthlich dem Vorwurf der Rücksichtälosigkeit begegnen, insofern der Reichstag mit bereits abgelehnten und aussihtslosen Vorlagen von Neuem behelligt werde.

Auch nah dieser Richtung hin läßt sch zur Beschwerde nicht anerkennen, und ih rathen, daß Sie die altbewährte Praxis nit Anderenfalls entstände doch die Frage, was sich denn, nachdem der Meichstag durch eine Reihe von Jahren seit 1869 und insbesondere seit 1875 über ganz ähnlihe Fälle shweigend hinweggegangen is, nunmehr geändert hat, daß Sie gegenwärtig zu einer anderen Haltung kommen? Müßte das nicht den Eindruck erregen, als wünsche man die Gegensäße, die auf diesem ohnehia \{chwierigen Gebiete bestehen, noch zu s{ärfen ?

Der Abg. Dr. Hänel erklärte, die erste Rehnung der Militärverwaltung, welhe dem Reichstage vorgelegt sei, stamme aus dem Jahre 1875; die heutige sei erst die vierte. Das Schweigen des Hauses dürfe nicht als das Zugeständniß von Grundsäßen aufgefaßt werden; erst allmählih habe man die Schwierigkeiten erkannt, die hier vorlägen. Würde das Schweigen anders gedeutet werden können, so würde es das Beste sein, jede Rehnung an eine Kommission von 28 Mitgliedern zu verweisen, der die Befugniß zustehen müsse, Sachyerstän- dige zu verhören, damit ja niht ein Punkt übersehen würde. Aber das sei nit die Art, das Verhältniß zwischen Regierung und Volksvertretung festzustellen in Bezug auf eine so um- fassende Vorlage, wie es der Etat sei. Der Regierungs- kommissar sage, daß auf eine Shärfung der Gegensäge hin- gearbeit werden solle. Aber niht dies Haus, fondern der Reh-

also ein Grund kann nuc verlassen.

nungshof, dessen Bemerkungen das Haus pflihtgemäß zu be- obahten habe, habe diese Frage angeregt, und wenn der