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einer großen Niederlage Deutsblands erreichbar find, nur wenn gewissermaßen das Königreich Preußen wieder ausgeshlahtet wird, das Königreich, so wie es jeßt Mitglied des Deutschen Reiches ift. Es ist deshalb niht unnatürlih, wenn strebsame Mitglieder solcher Fraktionen —*“ ob au der Herr Abgeordnete für Krotoschin zu den ftrebsamen Mit- gliedern seiner Fräktión gehört, das überlasse ich ihm selbft zu er- messen; ih habe die Fraktion im Ganzen noch nit angeklagt und auc ni{t davon gesprochen, daß die Herren nah der angegebenen Richtung förmlich spekuliren ; id habe mib \{onend ausgedrüt : „wenn férebsame Mitglieder solher Fraktionen eine gewisse Unge- duld empfinden darüber, daß der Friede immer mehr si zu be- festigen scheint, und daß sie durch -Andeutungen, es wäre damit nicht so weit her, seine Sichèrheit in Zweifel zu ziehen suchen. Wir sehen, daß chauvinistische und namentlich polnishe Blätter darauf ausgehen“ — und ic füge hinzu, auch polnishe Blätter, die in St. Petersburg in russisher Sprache redigirt werden, die aber entschieden im polnischen Interesse und von Polen geschrieben und mit polnishem Gelde unterhalten werden, ih könnte die Namen nennen — „Diese Ziele, sagte ih weiter, können do nur erreiht werden, nachdem Deutschland und Preußen in einem unglücklichen Krieg der fremden Willkür preisgegeben sind“. Ich glaube, der Abgeordnete hat im Interesse seiner eigenen Landß- leute nibt wohl gethan, mich durch seinen Angriff zu nöthigen, diese meine gestrige Aeußerung noch einmal zu unterstreihen und ibr eine breitere Publizität durch eine nochmalige Wiederholung zu verschaffen. Ich glaube, daß die Herren aus den polnisch redenden Landestheilen überhaupt ihrem Interesse besser dienen würden, wenn sie die Regie- rung des Landes und des Reiches bis auf Weiteres unterstützten. Sie können eben nur durch einen unglücklihen Krieg ihre außer- hâálb unserér s\taatlihen Existenz liegenden Ideale verwirk- lichen. Findet aber dieser unglückliche Krieg statt, dann werden die Herren ja doch davon profitiren ; und das gilt auch für andere centri- fugale Bestrebungen. Sie können ja den Erfolg des Krieges ruhig abwarten und Éönnen inzwischen der staatlichen Gemeinschaft, in der Sie sih nach Gottes Willen einstweilen befinden, nah dem Spruche : „eid unterthan der Obrigkeit, die Gewalt über euch hat,“ — und das möchte ih namentlich auch den konfessionellen Fraktionen ans Herz legen — ruhig und ehrlich dienen. Der Vortheil, den Sie von einem unglückliher Kriege für Jhre antistaatlihen Ideale haben Eönnen, der läuft Jhnen deshalb nit weg.
Wenn das Deutsche Reich zertrümmert, wenn Preußen zers{lagen und nicdergeworfen ist, ja dann kommt es nur darauf an, durch wen, d. h. ob unsere polnischen Provinzen einem anderen Reiche einverleibt werden, oder ob der Sieger ein solcher ift, der seinerseits ein ÎInter- esse an der Herstellung des Königreichs Polen hat; im letzteren Falle wird er es ganz sicher herstellen, Sie mögen in der Zwifchenzeit sich gegen die jeßige Regierung freundlih benommen und Ihren Landsleuten und Ihren engeren provinziellen Gemeinwesen das Wohlwollen der jeßigen Regierung erworben haben oder nicht. Das wird sich dabei ganz gleih bleiben und die Resurrcektion des polnishen Gedankens wird dann ohne ihr Zuthun vom Auslande selbs gemacht werden ; denn €s giebt quéländische Bestrebungen, denen eine Zerreißung der preußischen Monarcie, denen die Herstellung eines feindlihen Elementes in der Weichselgegend bis an die Oder - heran Deutschland gegenüber von Nuten erscheinen kann. Also warten Sie doch ruhig ab, bis der unglückliche Krieg gekommen und geführt ist, und enthalten Sie sich der Sünde, ihn an die Wand zu malenz denn die Hoffnung, ihn da- durch zu bescbleunigen und herbeizuführen, is doch eine eitele, die wird sih nicht verwirklihen! Die Regierungen sind sich in ihrem Interesse dazu zu klar, die Regierungen sowohl innerhalb Deutsch- lands wie außerhalb Deutschlands.
Der Abg. Dr. Virchow erklärte, er sei hergekommen Farbe zu bekennen. Seiner Meinung nach sei der Zeitpunkt verpaßt, welcher zum Beginn einer Kolonialpolitik geeignet gewesen sei. Der Begriff Kolonie sei ein sehr dehnbarer. Man habe un- willkürlih das Gefühl, als ob mit Kolonien auch immer Ackerbau getriebe-n werden müsse. Solche Länder, ‘in dénen dies möglich sei, seien aber seiner Meinung nach sämmtlih vergeben. Eine Erwerbung solher Länder könnte nur dur Eroberung geschehen. Frankreih gehe ja jeßt diesen Weg. Der Kanzler wäre ja auch beinahe auf diesen Weg ge- Tommen. e 1 n bee ¿ZGOoaras- phishen Gesellschast“ der Vorschlag gemacht worden, ob es niht möglich wäre, von Frankreih die Kolonie in Cochinchina und besonders Saigon zu bekommen, was vielleicht au nicht zu große Schwierigkeiten verursacht haben würde. Der Reichskanzler sei auf diesen Vorshlag nicht eingegangen, wie er mit Freuden anerkennen müsse, obwohl er wisse, daß gerade jenes Land ein fruchtbares und stark bevölkertes sei. Es bleibe jeßt nur noch eine Reihe von Ländern übrig, in denen, wie er glaube, vielleiht Plantagenwirthschafst getrieben werden könne. Jn dieser Beziehung habe sich der Reichskanzler nacgiebiger erwiesen, als er es gewünscht habe. Seiner Ansicht nah sei an die ostafrikanishe Gesellschaft die. Imperial charter etwas frühzeitig ertheilt worden. Es wäre Zeit gewesen, diesen Schußbrief zu ertheilen, wenn sich nach Fahr und Tag gezeigt hätte, wie viel von dieser Unternehmung noch übrig sei. Er lege auf den Tisch des Hauses eine von der anthropologishen Gesellschaft heraus- gegebene Karte über die Temperaturverhältnisse nieder, aus der die Herren die Zonen würden ersehen können, wo weiße Menschen existiren könnten. Man werde darauf finden, daß die Gebiete, wo Weiße existiren könnten, {hon okkupirt seien. Alle Gelehrte und Nationalökonomen, welhe fich mit der Kölonialpolitik beschäftigt hätten, hätten seltsamer Weise den Punkt nicht in Betracht gezogen, ob der Mensh da, wo er sih ansiedele, au leben und arbeiten könne. Diese medizinische Vorsrage stelle si heute etwas anders als in der Mitte des jetzigen «Fahrhunderts, wo die Ansicht vorgehertsht habe, daß jeder Mensch die Fähigkeit besiße, sih Unter allen Verhältnissen einzurichten, eine Familie zu begründen und Nachkommenschaft zu erhalten, insofern er nur die gegen: Diät beobahte. Nun habe aber die Statistik nahgewiesen, daß diese Fähigkeit nur in be- s{chränktem Maße ihre Geltung finde, daß im Gegentheil der Mensch den territorialen Verhältnissen so angepaßt sei, daß derselbe einen s{chnellen Wechsel des Wohnortes nicht ertragen könne. Mit der Akklimatisationsfähigkeit des weißen Mannes sei es niht weit her. Man habe gefunden, daß in Ländern, deren Temperatur mehrere Monate über 20 Grad sci, vie Energie der Menschen eine geringere werde und sie zu dauern- der ernster Thätigkeit nicht fähig blieben. Dazu komme noch die Malaria in den meisten der Landstrihe mit s{lechtem Klima, Es scheine nun dem Reichskanzler voxbehalten zu sein, alle die Orte für Deutschland zu erwerben, die durch Klima und die Malaria gleich unbewohnbar seien. Darin stimme er dem Centrum bei, gerade bei der Kolonial- politif komme es auf lángsame, vorsihtige Arbeit an. Wenn
es sich herausstéllen sollte, daß auch die höher gelegenen 'Ge- genden von Neu-Guinea nicht besser seien als die tiefen, so wäre es eine nationale That, die von Deutschland okkupirten Territorien in Neu-Guinea den Engländern oder den Herren von Australien zu überlassen. Da komme sreilih noch eine besondere Frage in Betracht, die der Arbeiterbeshaffung. Nachdem die Plantagengesellsha| in Samoa gegründet wor- den sei, habe si herausgestellt, daß man Arbeiter brauche, weil
die Samoaner nicht arbeiten könnten. Man habe sich die Arbeiter zunächst aus Mikfronesien geholt, und da diese für den großen Grundbesiß nicht ausgereiht hätten, aus Mela- nesien; dort aber sei man mit den Herren aus Queensland ammengestoßen, . welhe die Arbeiter gleichfalls für ihre ntägenwirthschaft brauchten, da die Bewohner dieses \ub- tropischen Landes nicht mehr arbeiten könnten. Jn der vorigen Session seien dem Hause diese Verhältnisse noch sehr paradie- man habe geschildert, Arbeiter zum Theil in bessere Verhältnisse gebraht, wie sie eßt lauteten Ausbeutung es seien da die bösesten Dinge ein- getreten, und nur der Kampf um die Arbeiter zwischen den Australiern und den Samoanern hätte die Sache wieder etwas Daraus nun, daß der Reichskanzler si Neu-ZJrland und au e er ihm keinen Vor-
dargestellt worden ;
Nachrichten Transport {hon ganz anders;
günstiger gestaltet. dafür entschieden habe, Neu-Britann ein Stück Neu-Guinea zu nehmen, 1 Jm Gegentheil, diese Länder seien so unbekannt, daß man nicht wissen könne, ob nicht irgendwo eine Gelegenheit zu dauernder Kolonisation vorhanden sei. Aber auch da liege kein Grund vor, von hier aus mit der Organisation von Zweiglinien nah Samoa und weiter nah Neu-Britannien Neu - Guinea Plantagengesellshaften habe aber feine nirte Dampfer ihnen von Rechtswegen Er wisse au von gut unterrichteten Personen, daß es nicht im Jnteresse aller dieser Herren liegen werde, wenn ein Dampfer regelmäßig von Sidney nah Samoa fahren würde. Viel mehr liege eine folhe Verbindung im Juteresse der Australier als der Deutschen. Prämissen an die von der Regierung gemachten Vorschläge, so müsse er sagen, daß seine Partei nit in der Lage sei, die Linie für Samoa und für Afrika zu bewilligen. aber die Samoa-Linie preisgebe, so werde auch die australische Linie niht mehr zu halten sein. im Gegensaße zu dem Reichskanzler, welcher die ostasiatische Linie für die wichtigste halte, gerade diese Linie angepriesen wegen des deutshen Exports von Anilin und Fortepianos daß Fortepianos nit Postdampfern befördert zu werden brauchten. Jedenfalls würden große Kreise der Wähler zustimmen, wenn man ihnen die Gründe vortragen würde, die seine Partei veranlasse, gegen diese Linie zu stimmen. kanzler hervorgehoben, daß die Flagge dem Handel nachfolgen Man habe es früher in dieser Beziehung nicht sehr eilig gehabt. Er verweise auf die deutschen Kolonien in Süd- brasilien, welche in der Höhe des deutshen Jmports mit Australien konkurriren könnten. Dampferverbindung niht in Aussicht genommen, obwohl die Möglichkeit niht ausgeschlossen sei, daß sich au dort einmal selbständige deutshe Gemeinwesen bilden könnten, wenn der jeßige Kaiser von Brasilien die Augen geschlossen habe, und obwohl dort Gelegenheit sei, Acerbaukolonien während in Ostafrika für die Deutshen im besten Falle die ehrlihes Grab zu finden oder
vorzugehen. ihnen alles
subventio- näher zu
Veranlassung,
Gehe man nun mit diesen
Wenn man
Zwar habe der Kommissar
nah Australien. gerade mit
Er glaube aber,
Mit Recht habe der Reichs-
Und doch sei dorthin eine
zu begründen,
Möglichkeit vorliege, von den Schwarzen ausfgegessen zu werden. Emigration habe vor Allem den Export Deutschlands groß ge- macht, sie habe sich nach: Gegenden gerichtet, in denen Deutsche oder stammvberwandte Nationen vorhanden gewesen seien. Dies habe sih in einer Zeit vollzogen, wo noch der Handel in Deutschland frei gewesen sei. von dieser Periode zurückgekommen, die, wie der Abg. Lohren heute meine, hier Alles ruinirt habe, womit derselbe freilih dem von Kardorff} widerspreche. habe seine Stellung zur gegenwärtigen Vorlage diktirt, sondern dieselbe sei dur die Prinzipien bedingt worden, die er immer vertreten habe, und denen seine Partei au in diesem Falle Nun seien viele von den Herren hier für die Kolonialpolitik eingetreten, weil fie in derselben einen Blißableiter für gewisse soziale Gefahren erblickt hätten. Noch eine kurze Bemerkung zu dem Ausfalle des Reichskanz- lers gegen seinen Fraktionsgenossen Richter. Kanzler die Rede desselben aufmerksam hätte lefen wollen, so würde derselbe gefunden haben, daß die Bemerkungen des Abg. Richter über die deutschen Beziehungen zu England niht von Bosheit diktirt gewesen seien, sondern, daß dieselben nur eine Abwehr gegen die Bemerkungen des Abg. Kalle hätten sein Unter Berufung auf frühere Reichskanzlers habe der Abg. Richter den Abg. Kalle gewarnt, Hetreden zu halten , dem Abg. und habe
De frühere
Deutschland sei immer weiter
Nicht der Fraktionsgeist
niht untreu werden solle.
Wenn dex
Auslassungen des wie derselbe damals gethan habe. Hammacher aufgetreten ob Au”uslassungen, wie theilig auf die Verhandlungen zwischen der deutschen und englischen Regierung über die deutshen kolonialen Gebiete Diese Vorausseßung sei sehr unrichtig Der Reichskanzler habe zwar geäußert, daß der Abg. Richter in England als Chef der Opposition, als der demnächstige Minister-Präsident angesehen werde, aber das sei wohl nux ein Scherz gewesen. Engländer mit den deutshen Verhältnissen doch nicht, daß weit Deutschland konstitutionellen
einwirken könnten.
So unbekannt seien die
; noch von englischen ¡ noch besonders englishèn Zeitungen zusehen, aber keine cinzige habe auf die Rede Richters Werth Er berichte nur Thatsachen, aus denen man willkür- liche Schlüsse ziehen könne. Er wolle nur sagen, daß die Befürch- tung des Reichskanzlers unsubstanziirt gewesen sei; weder im Parlament noch in der Presse Englands sei eine Aeußerung gefallen, welche dieselbe bestätigen könnte. kanzler sodann noch sih gégen die Bemerkung des Abg. Richter über Deutschlands dynastishe Beziehungen zu England ge- wendet habe, so habe die Erregung, mit der das geschehen sei, für Feden unverständlih bleiben müssen. Richter habe auf die England hingewiesen ,
Wenn der Reichs-
Der Abg. Stammverwandschaft mit als dieser Bemerkung ein Dho! entgegengeseßt sei, habe er hinzugefügt, daß Deutsch: land mit England nicht nur dur die Dynäastie, sondern auh durch die Abstammung verwandt sei. werdèé Niemand étwas in der Bemerkung Richters finden können. Warum solle man niht von twas \préher, was allgémein bekannt sei? "Seine Partei habe sich mit s{wéèrem Herzen ents{lossen, in dem einen Punkte nachzugeben , den der Reichskanzler selbst als den wichtigsten bezeichnet habe. Méhr zu thun habe seinè Partei momentan keine Veranlassung.
iérauf ergriff der Reichskanzler Fürst von Bismarck
Jn dieser Kombination
Der Herr Vorredner hat meine Ausführungen ein klein wenig ver- \{oben, — im leßten Theil seiner Rede; auf den Haupttheil der- selben habe ih nichts zu erwidern, nur in Bezug auf den Stluß Die Verschiebung charakterisirt si am besten dur die Behauptung des Herrn Vorredners: es sei doch nit zu verwundern, wenn der Hr. Abg. Richter neulid, nahdem er den Accent darauf gelegt, daß s mit uns durch die germanishe Abstammung stammverwandt sej gemeinsame Kämpfe mit uns bestanden habe, hinzugefügt hätte daß auch die Dynastien verwandt wären. Die Argumentation des Hrn. Abg. Richter war, wie der Tert zeigt, genau die umgekehrte; er hat die dynastishe Frage voran- und die anderen in zweite Linie gestellt. (Rufe links: Nein!) — “Ja, meine Herren, i berufe mich auf den Text. Nach Hrn. Virchow hätte der Or. Abg. Ritter reulih gesagt, daß wir nit nur dur die germa- nishe Abstammung und die gemeinsame Geschihte verwandt wären, sondern aud noch durch die Dynastien. Er hat aber gesagt, daß wir nit nur dur unsere Dynastien, sondern auch durch die germa- nische Abstammung .verwandt wären; — er hat die Dynastie in den Vordergrund gestellt. Es käme ja aa und für sich auf diese Wort- stellung gar niht an. Ih mache auf dieselbe nur aufmerksam, weil sich darin die ganze Verschiebung charakterisirt, die der letzte Herr Redner mit meinen Argumenten vorgenommen hat.
Der Herr Vorredner hat so gesprochen, als ob die Anführung des Hrn. Ricter eine ganz nebensählihe gewesen wäre, die ih Un- recht thäte, so aufzunehmen, und er hat außerdem gesagt, man wäre an dergleichen gewöhnt. Nun, meine Herren, das kann ih doc nicht zugeben. Wo ist denn bei uns die Gewohnheit, namentlih auf Seite der Fraktion, der der Hr. Abg. Richter angehört, auf die Verwandt- schaften der Dynastien bei politishen Erwägungen und internationalen Fragen ein besonderes Gewicht zu legen ? Meine Gewohnheit reiht ziemlih lange zurüd, aber der Fall ist mir-noch nit vorgekommen. Es ist ja cine Aeußerung in dem Munde des Einen etwas anders als in dem Munde des Andern. Wenn ein enthusiastisher Royalifst dergleiben Aeußerungen thut, nun so liegt das in der Kvrsequenz seiner Gesinnung; wenn aber der Hr. Abg. Richter die Dynastie ins Gefecht zieht, so habe id niht von Hause aus die Ueberzeugung, daß er das gerade im Interesse der Dynastie thut. (Oho! und Unruhe links, sehr wahr! rechts.) Meine Herren, ih behaupte damit noch nit, daß er bewußterweise die Dynastie s{ätigen will; aber ih glaube nit, daß der Hr. Abg. Richter für die Dynastie dieselbe Feinfühlig- keit hat, wie ein Royalist von meinem Schlage z. B. Es ift viel- leiht der Schaden, den er der Dynastie anthut, wenn er sie in einen gewissen Gegensaß mit nationalen Interessen bringt, dem inneren Auge des Hrn. Abg. Richter niht so klar wie dem meinigen. Er hat auch vielleicht nicht die Liebe zu dem dadur geshädigten Prinzip, die mich feinfühlig mat. Jch habe nur behauptet, daß die Aeuße- rung des Hrn, Richter, das Hineinziehen der dynastishen Fragen in internationale, den Dynastien nicht nüßlich fei, und ich ridte die Frage an Jeden, der ehrlich und ruhig mir antworten will: ist es für die Dynastie ein Vortheil, wenn man bei internationalen Fragen darauf hinweist, daß verwandtschaftlibe Rücksichten doc eine gewisse gegenseitige Nachsicht, das heißt ein minder \charfes Wahr- nehmen der eigenen nationalen Interessen, empfehlenswerth machen könnten? Erweist man damit der Dynastie einen Dienst? Jch habe auf historisce Fälle verwiesen, wo Dynastien dadurch geschädigt wor- den find. Jch glaube nicht, daß der Hr. Abg. Richter mit mir an demselben dynastishen Strang zieht; ih glaube niht, daß, wenn er von Dynastie spricht, er dasselbe Gefühl tiefer innerer Anhänglichkeit und Ehrerbietigkeit damit verbindet, wie ih es thue. (Oho! und Un- ruhe links; Bravo rets.) — Ich glaube das nicht, meine Herren, und Sie werden mich davon {wer Überzeugen. Unsere ganze poli- tische Vergangenheit spriht dagegen, — — und ih rufe die öfent- liche Meinung gegen Ihre mißbilligenden Ausrufe zum Richter darüber an, ob sie in dem Hrn. Abg. Richter jemals einen dynastischen preu- ischen Politiker sehen wird.
Dann hat der Herr Vorredner in feiner Aeußerung die politische Bedeutung, die der Hr. Abg. Richter in England als Führer der Oppo- sition hat, doch ‘unteë das wirklich vorhandene Nieveau herunter- gedrückt; er hat bei den Engländern ein Verständniß für unsere Verhältnisse vorausgeseßt, wie es nicht vorhanden ist. Es ift mir erinnerlih, daß zur Zeît, wie die Samoa- Debatten hier waren — es ist {hon ziemlich lange her —, der Botschafter einer westeuropäischen Macht hier anwesend war und den Hrn. Abg. Richter gehört hat. (Abg. Richter: Ich habe damals gar nicht gesprohen!) — Nicht? sollte es wirklih nit der Fall sein? (Zurufe links: Nein!) — Nun, dann muß dieser Botschafter den Herrn Abgeordneten mit jemand Anderem verwechselt haben. (Heiterkeit links.) Nun, ich er- innere mich der Samoa-Debatte nicht mehr so genau, wohl aber einer Konversation mit dem erwäkbnten Botschafter, welcher sagte — — (Zurufe links). — Nun bitte ich, mich nicht wieder zu unterbrechen ; ih lasse mich einmal auf ein Zwiegespräch ein, aber nicht zweimal. — Der Herr Botschafter sagte mir — und das ist das einzige Faktum, das ich verbürgen kann —, es sei ihm sehr unwahrscheinlid und überraschend, daß der Hr. Abg. Richter bei uns noch nie Minister gewesen sei; er könne sih die Rolle, die er spiele, nicht erklären, wenn er noch nie Minister gewesen sei und keine Auesicht hahe, es zu werden. Ich sagte: Ueber das leßtere habe ih kein Urtheil, aber gewesen ift er es noch nicmals. Und darin wird er mir Recht geben.
Db dieser Botschafter seine Verwunderung darüber, daß ein Ab- geordneter, der diese Nolle bei uns im Parlament spiele, noch nie Minister gewesen sei, gerade aus einer Rede über die Samoafrage ges{öpft hat oder nicht, weiß ih niht, ih habe nur gesagt: in der Zeit. der Samoa-Debatte war es, um zu zeigen , daß es nicht ein novissìîmum sei. Der Herr Abgeordnete ist ja seitdem gewachsen an Bedeutung und Ansehen in seiner Partei; er ist beut zu Tage in seiner Herrschaft über die Partei (lebhafter Widerspruch links), über die sehr bedeutende Partei kaum mehr angefochten. — Meine Herren, Sie (nach links), die Sie darüber murren, — ist einer unter Ihnen, der ihm das Wasser reiht? der gegen ihn mit Widerspruch aufzukommen vermag? Hier vor dem Publikum haben Sie den Muth, dagegen zu murren; wenn Sie mit ihm allein sind, werden Sie es s{werlich thun. Und daß ein Mann voy der persönlichen Bedeutung Hrn. Richters nicht einmal bei uns Minister werden follte, — mein Gott, man braucht noch gar nicht Engländer zu sein, um zu glauben, daß er es einmal wird.
Aber ich habe nur das Wort genommen, um mein Bedauern arüber zu wiedérholen, daß der Hr. Abg. Richter die Bezugnahme auf die dynastische Verwandtschaft nicht gestrichen hatte, — und mein S e O daß ih mit dieser meiner Auffassung im Irrthum gewesen set. '
_ Der Hr. Abg. Virchow hat behauptet, daß die Ncde, die Hr. Richter bier gehalten hat in Bezug auf die Verhandlungen, die in England s{webten, einen Einfluß gar nit üben könnte. und er hat zur Unterstüßung dessen angeführt, daß er in keinem englischen Blatte etwas über die Rede des Hrn. Abg. Richter gelesen hätte. Ja, die Politik wird eben doch nicht ganz aus\{ließlich dur die Zeitungen gemacht. Ich habe es zu spüren geglaubt, daß in der Bereitwilligkeit, mit der uns von englischer Seite im ersten Augznblicke entgegenge- kommen wurde, ein Rallentando eingetretea ist ; ob dies propter hoc oder post hoc gewesen ist, das muß ich unentschieden lasen. Ich schreibe das einigermaßen dem Eindruck zu, daß man gefunden hat, in unseren Ansprüchen, die wir England gegenüber wverfechten, stände doch nicht die ganze Nation hinter uns. Wenn der Führer einer \o bedeutenden Opposition in einer Zeit, wo die Regierung in der Minorität ist, im Reichstage seinerseits auf diese Weise für die englishe Auffassung der Sache, für deren Berücksichtigung eintritt, so hat man in England natürli den Eindruck: die Nation in ihrer Gesammtheit steht nicht hinter den verbündeten Regierungen und ihrer Politik. Es \{lägt das in das as binein, das ich \{chon öfter besprohen habe : einé fkoloniale
olitik läßt fich nur machen, wenn sie getragen is von dem
— ich will niht sagen einstimmigen , aber nahezu einstimmigen — ents{lossenen , festen, starken Nationalgefühl, das einen Ausdruck nit nur im Volke und in der Presse, sondern auch im
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R E M T L R E otra O E R Ce S I S R 23 75 COENS eit r E R R e E E L N E I E S
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R:ichétageck und zwar in der Mehrheit des Reichstages und avch durch die Führer derselben findet. Zu den Führern dieser Mehrheit gehört doc der Hr. Akg. Richter, und daß er diese nationalen Aspirationen nit theilt, eben so wenig theilt, wie die Führer der anderen Hälfte der Majorität, des Centrums, — ja, meine Herren, das lies man aus Ihren Reden hinlänglich heraus. Daß das unsere Stellung bei den Verhandlungen mit dem Auéland wesentlich abs{wächt, das muß doch jedes Kind einsehen, und ih weiß niht, wie wir hier darüber streiten können. Eine Regierung, die ihre ganze Nation binter sih bat, die tritt mit einem ganz anderen Gewicht dem Aus- lande gegenüber auf ls eine Regierung, der die größere Hälfte der Vertreter der Nation in ihrem Parlamente Opposition macht. Jch muß mi da an die Wortführer der Opposition halten, und einer derer is der Hr. Abg. Richter, der seine Opposition ausdrücklich mit der Rücksicht auf die Schonung, die wir England aus dynastischen und anderen Interessen {huldig wären, begründet hat.
Der Hr. Abg. Virhow hat mir vorgeworfen — dem Reichs- kanzler, wie er sich ausdrückte —, daß ih gerade die Pläße ausge- sucht hätte, die Keiner hätte haben wollen. Es fehlt nit viel, so würde er in dem Sinne, den ih ja an seinen Gescväftsfreunden ge- wobnt bin, mi als die Wurzel alles Uebels zu betrachten, mir aub noch die Malaria aufgebürdet und behauptet haben, daß ich die expreß erfunden habe, um das deutsche Volk mit irgend einem reaktionären Plane zu schädigen. Ich muß die ganze Kette seiner Argumente zurückweisen, die davon ausgeht, daß ich die Pläße ausgesucht bätte. Das ift nicht wahr; der deutsche Handel hat sie sih ausgesucbt und hat von mir Schuß gefordert und zwar im Appell an die Würde des Reichs und an das- Ansehen unserer Flagge im Auslande.
Wenn der deutsche Handel sich diese ungesunden Plätze ausfucht und dort seine Faktoreien hat, so muß er doch glauben, daß er dort leben fönne, so muß auch das Klima für weiße Leute möglich sein. Aber kurz und gut, ih kann darüber nicht rechten. Der Hr. Abg. Virchow ist ja in Bezug auf klimatishe und anthropologishe Fragen viel sacbverständiger als ih. Aber, wenn cin deutscher Unternehmer das Deutse Rei um _Protektión amust, — [o 160 dann erst das Gesuch zur Begutachtung an das medizinische Amt, dessen Millio * vér He. Abs, Birow il, Uke und ihn fsecagen: Können Sle mix au@ ein Sagnitätess attest für das Klima abgeben? Das würde das Geschäft doch fehr verweitläufigen; außerdem glaube ih auch nit, daß der Abg. Virchow in dieser Beziehung eigene Erfahrungen hat sammeln fönnenz er wird sie aus Büchern und Schriften und Beobacdtungen Anderer genommen haben, die uns Allen zugänglich sind. Jch habe einen großen Glauben an seine wissenshastlihe Autorität in allen Dinain, Die ck [elb gesehen und extannl hal und deshalb gerade nicht an seine Ueberzeugung auf politisbem Gebiet; aber in Bezua auf anthropologischWe ganz sicher, so weit seine eigene Forshung reiht; hier aber in Bezug auf Neu-Guinea u. a. ist er ebenso gut wie wir auf die Erzählungen Anderer angewiejen. Jch habe weder Neu-Guinea noch Alt-Guinea ausgesucht, sondern der deutsche Handel hat sie si ausgesuct, und ih habe mir die Frage vorlegen müssen: wollen wir ihn dort s{üßen in seinen Unternehmungen oder niht? and habe sie mit Ihnen zusammen in der Hauptsache bejaht. Wenn ih darin Ihre Unter- stüßung finde, so werden wir ihn {Üüßen; wenn ih die Unterftüßung nicht finde, so werden wir ihn nicht {üßen. Der deutsche Handel hat sich dafür beim deutschen Reichstage zu bedanken, aber die ver- bündeten Regierungen sind daran unschuldig. :
Dann hat der Herr Abgeordnete, glaube i, den Begriff v Koe lonie* doch zu doktrinär aufgefaßt; er bat uns über die Etymologie des Wortes zwar aufgeklärt, aber ih glaube, daß der Begriff dcfsen, was man modern unter Kolonie versteht, dabei etwas zu kurz gekom- men ist. Er leitet es von colere und colonus ab und bringt die Kolonien alle in Verbindung mit Ackerbau, Jch sehe darin cinen erfreulichen Beweis, daß tief im Herzen des Herrn Vorredners doch auch die Ueberzeugung {lummert, daß ter Ackterbau von allen Ge- werben das wichtigste ist. Das, was er Kolonie nennt, ist also nicht nur in Neu-Guinea, sondern auch in Brandenburg, Pommern, West- falen und Württemberg der Fall. Es ist der Ackerbau eben überall. Es ist unwillkürlid das in seiner Partei sonst nicht gern zugegebene Ariom über seine Lippen gekommen, daß der Adlerbau, mit andern Worten die Landwirthschaft, das Hauptgewerbe des Menschen ist, und daß die ganze menschliche Existenz auf ihm basirt und roulirt. Deshalb braucht aber noch nicht alles das, was wir nah dem heutigen modernen Begriff, der fih von dem etymotogischen doch ziemlich los- gesagt hat, unter Kolonie verstehen, eine Ackerbaukolonie zu sein; es können Plantagenkolonien mit fremden Arbeitern sein, Wenn der Herr Vorredner darin eine abshreckende Grfahrung gesehen hat, daß in Westindien die weiße Bevölkerung sich nah der Aufhebung der Sklaverei nur noch auf 5 °/0 belief, so wäre ih schr dankbar gewesen, wenn er diese Mittheilung dur eine Angabe darüber vervollständigt hätte, auf wie viel Prozent sie sich denn früher belaufen hat. Sehr viel über 5 °/9 kann die weiße Bevölkerung in jenen Gegenden niemals betragen haben. Es ist das eben eine Plantagenkolonie gewesen, und das Fönnen einige der unsrigen auch werden; die basiren auf Arbeitskräften, die an das Klima gewöhnt sind. Ich will mich nicht darauf ein- lassen, ob der Deutsche si allmählich akklimatisirt, wie der Herr Vor- redner uns das in drei oder vier Generationen vielleiht versprochen hat ; ih will auch nit empfehlen, mit Rücksiht auf die Akklimatisation vielleicht den Bewohner unserer nördlichen Provinzen, den Pommer und Uckermärker, zu Hause zu lassen und! den südlicheren Sachsen und Schwaben vielleicht als {on etwas akklimatisirter dahin zu \chicken, wie die Engländer das ja machen, indem sie ihre Truppen zuerst nah Malta und Gihraltar s{icken, ehe sie sie in tropisben Gegenden ver- wenden. Ich glaube, wir bedürfen dieser Akklimatisirung gar nicht; die hanseatiscben Kaufleute, die uns da vorausgegangen sind — leben doch in jenen Gegenden und treiben das Geschäft, das für den Deutschen dort zu treiben ein Bedürsniß ist; fie betreiben. es, ohne wie die Fliegen dahinzusterben. Es ist in Afrika überhaupt von einem Ackerbau, von colere in diesem Sinne gar nicht die Rede; da ist nur von Handeltreibenden einstweilen die Rede. Ob das in Ost-Afrika anders sein wird, das wollen wir abwarten. Der Herr Vorredner meint, wir hätten das imperial charter ctwas zu früh lanzirt ; ih glaube aber, wenn wir damit lange gewartet hätten, dann würden wir überhaupt nicht in die Lage gekommen sein, uns die Frage vor- zulegen, ob wir dort eine deutsche Kolonie für mögli halten wollen. Längst würden Andere zugegriffen haben, wenn wir auch nur einige Momente damit gewartet hätten. Das ift diese beshauliche und be- hagliche Art des Abwartens, ob die Tauben nicht noch etwas besser angebraten werden können, ehe man den Mund öffnet, um sie ent- gegenfliegen zu machen. E
Aber die Regierung hat geglaubt, sich auf diese abwartende Stellung, die ja sehr viel bequemer und sehr viel weniger verantwort- lich ist — für träge Minister wäre sie ja'außerordentlih angenehm —, nicht zurückziehen. zu dürfen; sondern fie hat den Augenblick wahrge- nommen, um dort ein Thor für deutshe Arbeit, deutsche Civilisation und deutsche Kapitalanlage ofen zu halten. Wenn das, was hinter diesem Thore liegt, sih niht so bewährt, fo ist das Aufgeben dessen ja immerhin mögli. Sie geben für Versuchsstationen — ih weiß niht was —, für Aquarien u. dergl. im Ausland in unserem Budget doch ganz erheblihe Summen, die mit dem, was für Kamerun be- willigt ist, vollkommen in die Schranken treten können: warum wollen Sie nicht uns einmal erlauben, eine Versuch8station zu öffnen, das erste Mal in diesem Leben für deutshe Üüberseeishe Unternch- mungen, namentlich da für diese, die die Mißgunst des Herrn Vor- redners auf {ich gezogen zu haben scheint, einstweilen gar nichts ge- fordert wird? x : / E L
Wir sind alle darüber einig: Sie werden die afrikanische Linie einstweilen nicht bewilligen, was ih sehr bedauere; wir werden, wenn Sie sie ablehnen, Ihnen aber sehr gern wieder Gelegenheit geben. Wir halten sie für nothwêndig und nüßlih, und vielleiht würde gerade eine solche. Linie das Samenkorn dorthin tragen, das die An- lage dort fruchtbar machen kann. : L
Ueber die Gegenden westlich von dem Reiche Zanzibar, über die dieses imperial charter ausgestellt ist, habe ich noch in keiner Be-
\{reibung von den Leuten, die da gewesen sind, etwas Nachtheiliges effahren; im Gegentheil, die gelten na dem Zeugniß der Englän- der, Amerikaner, Belgier, Deutschen, die ih darüber gesprochen babe, für den besten Theil von dem ganzen Innern von Afrika: die Ge- genden zwischen der Westgrenze des Sultanats von Zanzibar und den großen Seen, die in der afrikar.ischen Nilquellengegend si befinden. Der Herr Vorredner hat dieselben in seiner Aufzählung der ungesunden Gegenden nicht erwähnt; ich glaube, er hat fie vermieden, weil er seinerseits noch nichts Üebles von dieser Gegend gehört hat. Ich habe sehr viel Gutes darüber vernommen, und aus dieser Rücksicht empfiehlt es sich doch, die Frage niht übers Knie zu brechen. Es handelt fich um cinen Landstricb, der, glaube i, fast so groß ist wie das Königreich Preußen, als ich geboren wurde, und der alle Klimaten, alle möglichen Arten von Vegetationen enthält, jvon der tropischen bis zur europäiscen, und der von einem vergleihungéweise gesitteten und bildsamen Menschenshlage bewohnt wird; alle Vorbedingungen für eine Anknüpfung kolonialer Beziehungen, die man sich in der Theorie denken kann, treffen dort zu. Ob sich das praktis bewährt und verwirklicht, meine Herren, dafür kann ih nit verantwortlich sein, dafür sind verantwortlich die Leute, die da waren, und die Leute, die hingehen.
s Der Herr Vorredner hat es so dargestellt, als ob man den un-
wissenden Deutschen verleite und an das Messer des Klimas liefern würde. Jeder ift seines Glückes Schmied, und wer dahin geht, hat eben einen Uebershuß von Unternehmungsgeist und verwerthet den- selben auf einem Gebiet, in einer Richtung, die bisher nur für unsere Jugend in Lesebüchern eine erbeblihe Anziehungékraft hatte, ohne daß wir sehr viel erwachsene Mitbürger besäßen, die darüber mitzu- reden wüßten. Also lassen Sie sie doch! Wenn die deutsche Nation einen Ueberschuß von Kraftgefühl, Unternehmungégeist und Entdeckungsgeist in sih verspürt, so öffnen Sie ihr doch wenigstens ein Thor, durh wel{&c8 fie das verwirklichen kann, und nöthigen Sie uns nicht, wie damals bei den Samoa-Verhandlungen, auf die ic \{on vorhin anspielte, auch diese Vorlage wieder zu den Akten zu {chreiben und zu sagen: ja, die Regierung würde sehr gern den Ec- wägungen und der Jnitiative des Handels folgen mit ihrem Schutz, aber ohne den Reichstag kann sie es nicht, und der Reichstag hat keine Neigung dazu. Bewahren Sie uns vor der Nothwendigkeit, meine Herren, die Schuld, daß auch hier den Deutschen nicht cinmal freie Fahrt geöffnet wird, auf den Reichstag zu schieben!
Der Abg. Rake bemerkte, gegen die Angriffe des Reichs-
fanzlers auf den Abg. Dr. Windthorst müsse das Centrum entschieden Fcont machen, denn es habe sonst den Anschein, daß sih das Centrum, das dem Abg. Windthorst als Führer folge, einem Führer anvertraut habe, der den Bruderkrieg predige, Der Reichskanzler habe sich beklagt, daß seine Partei seinen Gründen zu wenig zugänglich sei. Er für seine Person folge rihtigen Gründen gern. Solche wihtigen Fragen, wie die Vorlage, müßten sehr gründlich geprüft werden. Es han- dele sih hier doch zumeist um subjektive Ansichten und darum müsse die Prüfung der Sache eine desto genauere sein. An dem negativen Resultat der Kommission seien nur die Hérren auf dex Nele Guld, weil sié von déx Regierung nicht gehörig instruirt gewesen seien. Der Kanzler habe doch hier gesagt, daß derselbe aus der Ablehnung der einen oder der anderen Linie keine Kabinetsfrage machen werde, die Konservativen aber hätten in der Kommission gesagt: ‘aut — aut, entweder das Ganze oder gar nichts! — Die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands sei nicht geringer geworden, obwohl es noch keine subventionirten Linien habe. Redner shweifte in seinen Ausführungen der- artig ab, daß das Haus immer unaufmerksamer wurde und Schlußrufe laut wurden. Wenn man ihn nicht ausreden lasse — fuhr Redner fort —, so werde er wegen der Art der Boehandlung der Sache auch gegen die ostasiatische Linie stim- mcn!“ So lange man nicht - den Frieden im Lande habe, so lange die katholishe Kirhe im Lande bedrüdckt sei, werde das Centrum auch nicht mit Begeisterung auf die Kolonial- politik sih konzentriren können. Vorläufig stimme er nur für die ostasiatishe Linie, behalte sich aber die Abstimmung sür die dritte Lesung vor.
Wiederum nahm der Reichskanzler Fürst von Bis-
marck das Wort:
Ich ergreife nur das Wort, um eine irrthümliche Auffassung
richtig zu stellen, welche der Herr Vorredner bezüglich meines Ver- hältnisses zu den konservativen Mitgliedern der Kommission hervor- gerufen hat durch seine Aeußerung, daß den Herren cine Instruktion von Seiten des Reichskanzlers zugegangen sei. Meine Herren! Es ist das ja ein trauriges Gewerbe, das von der einen Seite betrieben wird, die Meinungsäußerungen der gegnerischen Fraktion dadurch herunterzuscßen, daß man sie als Byzantinismus, als Inspiration
der Regierung darstellt; und in welchem Irrthum U meine, in einem Irrthum, in dem ein Abgeordneter eigentlich nicht mehr befangen sein sollte — der Herr Vorredner dabei gewesen ift,
geht daraus hervor, daß, wie ich glaube, mit Bestimmtheit ver- sichern zu können, ih während der ganzen Dauer der Kommissions- sißung mit keinem einzigen Mitgliede der konservativen Partei ein Wort über die Dampfervorlage gewechselt habe, auch nicht indirekt, auch nicht \chriftlich. J) erkläre also die Behauptung für eine Er- findung, die man zum Schaden einer Gegenpartei machen kann, die man aber mit solcher Entschiedenheit doch nicht in die Welt schicken sollte, wenn sie absolut unwahr ist und so leiht wiederlegt werden kann.
Im Uebrigen hat der Herr Vorredner ja selbst und mit einer
gewissen Emphase erklärt, daß seine Abstimmung nicht von der Beurtheilung der Sache, sondern von der Aufnahme abhänge , die seine Art zu reden in dieser Versammlung, namentlich bei seinen Gegnern gefunden hat. Wenn der Herr Vorredner seine Abstimmung davon abhängig macht, dann gebe ih allerdings die Hoffnung auf, ihn für unsere Sache zu gewinnen, Im Uebrigen . will ih nur die Zweifel des Hrn. Abg. Richter an der Einshäßung seiner politischen und ministeriellen Bedeutung, die er mir gegenüber im Wege der Unterbrechung geltend machte, dadur zu beseitigen suchen, daß ih ihm ein glaubwürdigeres Zeugniß, für ihn wenigstens glaubwürdiger als das meinige, dafür anjühre; es ist das seines Fraktionskollegen, des Abg. Bamberger, der zu derselben Zeit, von der ih sprach, in denselben Kreisen, die ih berührte, in denselben diplomatischen Kreisen, in derselben Weise der Verwunderung darüber, daß der Hr. Abg. Richter bisher nod nicht Minister gewesen sei, begegnet ist. Jn der Sitzung vom 27. April 1880 sagte der Hr. Abg. Bamberger:
Wenn ein französisher Präfekt in Lille eine Rede hält oder ein englis{her Homeruler in Dublin, dann sind wunderlicherweise unsere Zeitungen mit enggedruckten Spalten gefüllt, während die Auetländer kaum wissen, was bei uns vorgeht. Ich habe neulich eine merkwürdige Gelegenheit gehabt, das wieder bestätigt zu sehen. Fd war mit zwei Mitgliedern zweier verschiedener angesehener Gesandtschaften zusammen,
— es {eint also damals im diplomatishen Corps die Legende ge- wesen zu sein —
es knüpfte das Gespräch an parlamentarische Angelegenheiten an, und der eine der Herren sagte: wie seltsam ist es do, daß ein Mann von so gran Leistungen wie Eugen Richter noch nicht Minister geworden ist! : i
Dies folgte eine ganz unberechtigte Heiterkeit — worauf der andere erwiderte: Wie, ift Hr. Richter noch nie Minister gewesen ? Dieser Herr ist {on mehrere Jahre hier bei einer großen Gesandtschaft, — das sind so ungefähr die Aufmerksamkeiten, die man unseren Vorgängen s{chenkt u. |. w. L
Dies genügt, um meine Auffassung mit dem ganz unverdächtigen
Zeugniß cines Herrn, der mih sonst nicht zu unterstüßen pflegt, zu
belegen, daß der Hr. Abg. Richter das Gewicht, das das Ausland seiner Opposition gegen die Regierung beilegt, unterschäßt, und ic möchte ihm bitten, von der Bedeutung und dem Gewit seiner Persönlichkeit sich eine klarere und rictigere Anschauung zu bilden, als bisher.
Der Abg. Meier-Bremen erklärte, er erinnere das Haus nur daran, daß es, wenn es nicht außer der ostasiatischen wenigstens noch die australishe Linie bewillige, auf die Linie Triest-Brindisi-Alexandrien auch verzihten müsse. Er bitte deshalb, zum mindesten der australishen Linie noch zuzu- stimmen. Er wisse bestimmt, daß Deutschland dann im Ver- kehr mit Ostasien und Australien die Engländer und Fran- zosen {lagen werde. Jrgend welhen Jllusionen über die Kolonien gebe er sich nit hin; aber es sei seine feste Ueber- zeugung, daß die Kolonialpolitik des Reichskanzlers für das Vaterland von größtem Nußen sei. Gerade jeßt sei der rich: tige Moment, um in dieser Richtung vorzugehen. Erbitte, ehe es zu spät werde, das Werk fortzuseßen, welches man begonnen habe, als die Marine geschaffen sei; shüße und hebe man wirksam den auswärtigen Handel, vershaffe man der deutshen Jndustrie überseeishe Absaßgebiete und hole man nach, was in früheren «Fahrhunderten versäumt sei! Es liege das im Jnteresse der deutshen Großmachtstelung.
Von konservativer Seite wurde der Schluß der Diskussion beantragt. Auf Antrag des Abg. Rickert wurde hierüber nament- lih abgestimmt und mit 178 gegen 148 Stimmen der Schluß angenommen.
Es folgte eine Reihe persönlicher Bemerkungen, die zum Theil durh den Präsidenten als nicht persönliche unterbrochen und abgeschnitten wurden. So kam der Abg. Dr. von Jazdzewski nicht dazu, feine Landéleute gegen den Vorwurf landesgefähr- licher Bestrebungen, die ihren Zweck durch Krieg oder Revo- lution erreichen follten, zu verwahren.
Der Abg. Richter (Hagen) bemerkte, der Schluß der Dis- kussion nöthige ihn, das, was er zu erwidern habe, in den knappen Rahmen einer persönlichen Bemerkung zu fassen. Was seine ministerielle Thätigkeit anbelange, die Mythen, die darüber unter den Diplomaten verbreitet seien, so habe diese der Reichskanzler bereits selbst berichtigt. Er habe niht bei Samoa eine Rede gehalten, habe also auch niht durch solhe Rede dem englishen Botschafter Anlaß zu einer Bemerkung geben können, Der Reichskanzler habe nur eine Aeußerung des Abg. Bamberger, die dieser aus der Unterhaltung mit irgendwelher gesandtschaftlihen Person wiedergegeben habe, verwehselt mit einer direkten Aeußerung des englishen Botschafters gegen ihn. Von seinen Aeußerungen am 4. YVärz habe er nichts zu ents{huldigen, sondern nur rihtig zu stellen. Er würde, auch wenn es formell zulässig wäre, sich nicht ver- anlaßt gesehen haben, irgend ein Wort im stenographischen Bericht zu ändern. Der Reichskanzler meine, daß er seine damalige oppositionelle Abstimmung — es habe sich um das Konsulat in Apia gehandelt — mit Bezugnahme auf das Ver- hältniß zu England gedeckt hätte. Das gerade Gegentheil fei die Wahrheit. Er habe ausdrücklih gesagt, er glaube nicht, daß das Haus geneigt gewesen sei, indem es hier über einen oder drei Vizekonjuln abgestimmt habe , eine Entscheidung über die englishe Annexionspolitik und über Deutschlands Ver- hältniß zu England zu geben. Er habe überall in seinen Reden die Bezugnahme auf England als sehr überflüssiger Weise durch den Abg. Kalle herbei- geführt bezeichnet. Er. 160i zu. elle Mde Has mals nur veranlaßt worden, indem der Abg. Kalle davon gesprochen habe, daß England niht durch sein Bedürf- niß, sondern nur durch Neid und Mißgunst gegen Deutsch- land si leiten lasse. Er habe allerdings in seiner damaligen Rede seiner Sympathie für England, für das englishe Volk offen Ausdruck gegeben und shäme sih dessen durchaus nicht; er habe das aber selbst gethan, unter Bezugnahme auf eine Aeußerung des Reichskanzlers, die derselbe am Schlusse seiner Rede am 2. März d. J. in Bezug auf das natürliche, freund- lihe Verhältniß zu England gemacht habe. Er habe si, als er vom stammverwandten Volke gesprochen habe, auf die Unterbrehung durh ein „Oh!“ von den Nationalliberalen noch geäußert: „Ja wohl, daß Deutschland nicht nur durch unsere Dynastie, sondern auch durch die ger- manishe Abstammung und durch gemeinsame Kämpfe in kritishen Perioden der Geschichte mit England verbunden sei. Wie man aus diesem Satze habe entnehmen können — wie es der Reichskanzler in seiner leßten Rede angedeutet habe —, daß er die nationalen Jnteressen und die Be- ziehungen der Dynastien in einen gewissen Gegensaß hätte bringen wollen, das sei ihm durchaus unerfindlich. Ebenso unerfindlih sei es ihm, wie hieraus die Verdächtigung her- geleitet werden könne, daß die persönliten Beziehungen der dynastishen Häuser den sachlihen nationalen Fnteressen wider- \sprähen. Daß es eine glückliche Fügung sei, wenn in monarchi- schen Staaten außer der Uebereinstimmung der sahlihen und materiellen Jnteressen noch ein wechselseitiges natürlihes Band sie umschließe, dabei müsse er einfach stehen bleiben. Dann habe der Reichskanzler gemeint, man habe in England aus seiner Rede entnommen, daß die Nation nicht hinter dem Reichskanzler stehe, und dies habe dessen Stelung ges{hwäht. Nun, wenn man in England von seiner Rede überhaupt Notiz genommen habe, so müsse man auch den leßten Saß seiner Rede gelesen haben, der gelautet habe: Er habe das Bewußtsein, daß, soweit die deutshen Jnteressen gegen unberehtigte Ansprüche gewahrt werden müßten, der Reichskanzler der Mann sei, das voll und ganz zu thun, und daß es niht noch folcher auf- stahelnder Reden bedurft habe, wie dieselben der Kollege Kalle gehalten habe. Mit diesem Saße habe er seine erste damalige Rede geschlossen. Wie man nun in dem pat1la- mentarishen England, wo man an die freieste Kritik der Minister auch über die auswärtige Politik gewöhnt sei, aus einer solhen Rede eines deutshen Abgeordneten, die geradezu mit einem Vertrauensvotum für den Reichskanzler selbst in Bezug auf die auswärtige Politik geschlossen habe, entnehmen könne, der deutsche Abgeordnete habe die Stellung des Kanzlers gegen England verschlechtern und die gerehtfertigten Ansprüche Englands unterstüßen woilen, das sei ihm durchaus unerfind- lih. Das werde kein unbefangener Beurtheiler thun.
Der Abg. Dr, Virchow verwahrte sih gegen den Vorwurf des Reichskanzlers, als hätte er die Worte des Abg. Richter absihtlih umgekehrt.
Der Abg. von Kardorff bemerkte, seine Behauptung, die Jahre von 1850 bis 1870 seien Jahre des Aufshwungs ge- wesen, halte er aufreht ; bekanntlih hätte Deutschland aber bis 1865 viel höhere Schußzölle als heute gehabt und jedén- falls habe damals noch niht die Freihandelstheorie ge-
herrscht.
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