Tagesordnung
für die am 29. November 1905, Vormittags 11 Uhr, in
Danzig stattfindende 24. (ordentlihe) Sizung des
Bezirkseisenbahnrats für die Direktionsbezirke Brom- berg, Danzig und Königsberg.
Geschäfilihe Mitteilungen.
Wahi eines Vorsißenden für den Bezirksetscnbahnrat. :
Ermäßigung der Bahnfraht für Steinkohlen und Rohmaterialien der keramishen Industrie nah Kolmar i. P. (cine Vorlage und ein
Antrag).
Abkürzung des Aufenthalts des Zuges 706 in Marienburg. _
Einlegung eines neuen Zuges bezw. Zugpaares zwischen Königs- berg und Insterburg.
Besprechung des bestehenden Fahrplans. :
Durchführung eines Personenzuges der Strecke Berlin—Lands- berg a. W. bis Kreuz (im Nachtrage zur Tagesordnung).
Bromberg, den 8. November 1908.
Königliche Eisenbahndirektion. Krueger.
Bekanntmachung.
Nah Vorschrift des Geseßes vom 10. April 1872 (Gefeßsamml. S. 357) sind bekannt gemacht: j : 1) der Allerhöchste Erlaß vom 3. August 1905, betreffend die Verleihung des Rechts zur Chaufseegelderhebung zum anderthalbfachen Betrage der tarifmäßigen Säße an den Kreis Arnsberg für die zwischen der Hachen-Neuenrader Provinzialstraße und der Kreisstraße Allen- dorf—Langenholthausen belegene Chaussee Ameke—Hachen, durch das Amtsblatt dec Königlichen Regierung zu Arnsberg Nr. 39 S. 631, ausgegeben am 30. September 1905; ; i 2) der Allerhöchste Erlaß vom 19. August 1905, betreffend die Genehmigung des VII. Nachtrags zu den statutarischen Bestimmungen bei dem Neuen Brandenburgischen Kreditinstitute, dur vie Amtsblätter der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 39 S. 319, ausgegeben am 29. September 1905, der Königlichen Regierung zu Frankfurt a. O. Nr. 39 S. 223, ausgegeben am 27. September 1905, der Königlichen Regierung zu Marienwerder Nr. 40 S. 329, ausgegeben ara 4. Oktober 1905, der Königlichen Negiecung zu Stettin Nr. 41 S. 229, aus- gegeben am 13. Oktober 1905, der Königlichen Regierung zu Köslin Nr. 39 S. 221, aus- gegeben am 28. Septeinber 1905, der Königlihen Regierung zu Magdeburg Nr. 39 S. 343, ausgegeben am 30. September 1905, der Königlichen Regierung zu Liegniß Nr. 38 S. 239, aus- gegeben am 23. September 1905; 3) der Allerhöchste Erlaß vom 9. September 1905, durch welchen genehmigt worden ist, daß bei dem von der Staatsbauverwaltung auszuführenden Emsdur&stihe zwischen Mark und Hilkenborg das
Enteignungsverfahren zur Entziehung und zur dauernden Beschränkung
des für dieses Unternehmen in Anspruch zu nehmenden Grundeigentums in Anwendung gebracht wird, durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Aurih Nr. 42 S. 267, ausgegeben am 20. Oktober 1905;
4) das am 9. September 1905 Allerhöch| vollzogene Statut für die Marzahner Fenn - EntwässerungsgenossensGaft ¿zu Marzahne im Kreise Westhavelland durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Potsdam und der Stadt Berlin Nr. 41 S. 355, ausgegeben am 13. Oktober 1905 ; f
5) das am 17. September 1905 Allerhöch\ vollzogene Statut für die Wiefengenossenshaft zu Arnoldshain im Kreise Usingen dur das Amtsblatt der Könialichen Regierung zu Wicsbaden Nr. 41 S. 445, ausgegeben am 12. Oftober 1905; .
6) das am 17. S:ptember 1905 Allerhö&st vollzogene Statut für die Be- und Entwässerungsgenossenshaft zu Steinbah im Kreise St. Wendel durch das Amtsblatt der Königlichen Regierung zu Trier Nr. 42 S. 261, au9gegeben am 21. Oktober 1905.
Personalveränderungen.
Königlich Preußische Armee.
“ Offiziere, Fähnriche uw. Ernennungen, Beförde- rungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. Neues Palais, 2. November. Zindel, Hauptm. a. D, zulegt Mitglied des Bekleidungsamts des X. Armeekorps, eine etatsmäß. Hauptmanns- stelle im Invalidenhause in Karlshafen verliehen.
Neues Palais, 9. November. Fürst zur Lippe Durchlaucht, Oberlt. à la suite der Armee, unter Belassung in diesem Verhältnis mit der Berechtigung, die Uniform des 1. Gardeulan. Regts. zu tragen, aus Anlaß der Uebernahme der Regierung des Fürstentums zum Oberstlt. befördert. Frhr. v. Elverfeldt, Oberlt. im Kür. Negt. von Driesen (Westfäl.) Nr. 4, scheidet aus dem Heere am 12. November d. J. aus und wird mit dem 13. November d. I. in der s "i ia für Südwestafrika als Führer der Feldsignalabteil. angestellt.
“T bi@iebobewitliantügen, Im aktiven Heere. Neues Palais, 9. November. Voigt, Oberlt. im Fußart. Negt. Generalfeldzeugmeister (Brandenburg.) Nr. 3, der Abschied mit der geseßlißen Pension bewilligt.
Katholishe Militärgeistliche.
6. November. Kachelleck, Div. Pfarrer in Brieg, von der 11. zur 3. Div. nach Stettin versetzt.
Beamte der Militärverroaltung.
Durch Allerhöchste Patente. 2. November. Lehmann, Wirklicher Geheimer Kriegsrat und vortragender Nat im Kriegs- ministerium, We idemann, Wirklicher Geheimer Kriegsrat und Abteil. Chef im Kriegëministerium, — der Rang der NRäte erster Klasse verliehen. ; :
Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 10, Ok- tober. Knauth, Militärbauregistrator auf Probe beim Militär- bauamt in Freiburg i. B., endgültig angestellt.
24, Oktober. Wolff, F zuleßt beliehen mit der Proviantmeisterstelle beim Proviantamt der Ostasiat. Besazungs- brig.,, vom 1. November 1905 ab in eine Assistentenstelle beim Proviantamt in Königsberg i. Pr. eingereiht.
Nichtamlkliches. Deutsches Reich.
Preußen. Berlin, 11. November.
Jhre Majestäten der Kaiser und der König von Spanien sowie Seine N und Königliche Hoheit der Kronprinz kehrten, „W. T. B.“ zufolge, En von Springe nah Potsdam zurück. Abends nahmen
eine Majestät der König von Spanien an einer Tanzfestlichkeit bei Jhren Kaijerlihen und Königlichen Hoheiten dem Kronprinzen und der Kronprinzessin teil. Heute besichtigten die beiden Monarchen das Lehr- infanteriebataillon. Darauf begaben Sih Seine Mazestät der “atr: von Spanien in den Wildpark zu einer Pürsch auf Rotwild.
ä
Der Ausschuß des Bundesrats für Rechnungswesen sowie die vereinigten Ausschüsse für Handel und Verkehr und für Rechnungswesen und die vereinigten Ausschüsse für Rech- nungswesen, für das Landheer und die Festungen und für das Seewesen hielten heute Sihungen.
In der Woche vom 5. bis 11. November Mittags sind im preußischen Staat keine choleraverdähtigen Erkrankungen oder Todesfälle an Cholera amtlich gemeldet worden. Die Ge- samtzahl der Cholerafälle beträgt bis jeßt 280 Erkrankungen, von denen 89 todlih verliefen.
Im Monat September d. J. sind auf deutschen Eisen- bahnen — ausscließlich der bayerishen und der Bahnen mit weniger als 50 km Betricbslänge — 14 Entgleisungen auf freier Bahn (davon 7 bei Personenzügen), 23 Entgleisungen in Stationen (davon 10 bei Personenzügen), 27 Zusammen- stó ße in Stationen (davon 6 bei Personenzügen) vorgekommen. Dabei wurden 4 Bahnbedienstete getötet, 13 Reisende, 23 Oen Es 1 Postbeamter und 1 fremde Person VerteßL.
Der Kaiserlihe Gesandte in Luxemburg Graf von Pückler hat einen ihm Allerhöchst bewilligten Urlaub an- getreten. Während dessen Dauer werden die Geschäfte der Gesandtschaft von dem als Geschäftsträger nah Luxemburg entsandten Legationssekretär von Teichman und Logischen
geführt.
Laut Meldung s W. T. B“ (t S. M. S. „Bremen“ vorgestern in Habana eingetroffen und geht am 20. November von dort nach Cap Haïtien in See.
S. M. S. „Falke“ geht heute von San Francisco nah Santa Rosa (Californien) in See.
S. M. Flußkanonenboot „Vaterland“ ist gestern von Tschinkiang nah Schanghai abgegangen.
Bayern.
In der gestrigen Sißung der Kammer der Abgeordneten wurde, wie „W. T. B.“ meldet, die erste Beratung der Wahl- geseßzanträge beendet. Bei Artikel 8, betreffend Bildung der Ur- wahlbezirke, 30g der Abg. Gersten berger (Zentr.) seinen vorgestern gestellten Abänderungs8antrag ¿urück. Vor der Schlußabstimmung über den aanzen Zentrum8antrag erklärten die Vertreter der Liberalen und der Freien Vereinigung, daß sie diefem Antrage zustimmten, sich aver die endgültige Abstimmung für die zweite Lesung vorbehielien in der sfiheren Erwartung, daß daë Zentrum bis dahin ihren Wünschen in bezug auf Artikel 14, betreffend die absolute Mehrheit, Rechnung iragen werde. Hierauf wurde der Zentrums8antrag einstimmig ange- nommen.
Zu der Petition um Einführung des Frauenstimmrechts bedauerte der Abg. von Vollmar (Soz.), daß das Frauenstimm- recht zur Zeit noch autsihtslos sei, es sei aber {Gon ein Fortschritt, daß man wenigstens bei der Vefürworiung des Frauenstimmrechts nicht mehr ausgelaht werde. Dr. Heim (Zentr.) erklärte im Namen eines kleinen Teils sciner Freunde, daß er für das Frauenstimmrecßt sei. Der Antrag des Dr. Heim, - die Petition der Regierung zur Würdigung zu überweisen, wurde gegen die Stimmen der Sozial- demokraten, einiger Liberaler und einiger Zentrumsmitglieder abge- lehnt. Hierauf wurde die Petition gemäß d-m Antrage des Aus- \{chufses für erledigt erklärt. 5
Waldeck und Pyrmout.
Dem am 29. v. M. eröffneten, am 8. d. M wieder geschlossenen Landtage der Fürstentümer Waldeck unb Pyrmont waren hon der Regierung unter anderen Vorlagen ein Geseßentwurf, nah dem die Aufsuhung von Kali- und ähnlihen Salzen im Fürstentum Waldeck auéëschließlich dem Staaie und den von diesem dazu ermächtigten Personen vorbehalten werden soll, und ein Geseßeatwurf, betreffend die Errichtung von Adjunkturpfarckassen, zugegangen. Beide Gesetze wurden anftandslos angenommen. Ueber zwei Petitionen, welche einmal die Aufhebung der Bestimmung des Jagdpolizeigesetes, rah der Grundftüdcke, die von einem 1000 Morgen und darüber im Zusammenhang haltenden Walde ganz oder größtenteils umschlossen, sind, einem Gemeindejagdbezirke niht zugeshlagen werden und die Besitzer folher Grundstücke verpflihtet sind, die Jagd auf denselben dem Eigentümer des sie begrenzendcn Waldes auf dessen Verlangen pachtweise zu überlassen, und ferner eine Erweiterung der Vorschriften der Forstordnung über die Streunußung in den Domanial- und Gemeindeforsten verlangen, wurde zur Tagesordnung übergegangen.
Deutsche Kolonien.
Der Kaiserliche Gouverneur von Deutsh-O st- afrika Graf Goetzen meldet, „W. T. B.“ zufolge,- unter dem 10. November, daß am 8. November während einer Meldung der Station Kilossa über einen gegen die- selbe gerihteten Angriff die telegraphishe Verbindung unterbrohen worden sei. Eine Bestätigung liege bis jeßt niht vor. Jn und bei Kilossa befinden sih heute Bezirksamtmann Lambrecht, Feldwebel C olberg, Unter- offizier Ernst und etwa 60 Askaris. Ein Teil der Marine- infanterie ist gestern von Morogoro auf Kilossa abmarschiert. Von Langenburg meldet das dortige Bezirksamt über Kapjtadt, daß die Aufständischen bei Songea in fünf Ge- fehten geshlagen wurden und große Verluste er- litten. Die vereiniaten Abteilungen des Bezirksamtmanns Richter, Hauptmanns Nigmann und Leutnants Kling- hardt haben am 21. Oftober bei Nyamabengo-Songea ohne eigene Verluste 4000 Wangoni geschlagen. Der Sens hatte schwere Verlu ste. i
us Windhuk in Deutsh-Südwestafrika werden, wie „W. T. B.“ berichtet, folgende Verluste gemeldet:
Am 2. November d. I. im Patrouillengefeht bei Ganius bei Kiriis-Oft gefallen: Gefreiter Heinrih NReineck, geboren am 1. 7. 82 zu Kirhditmold, fiüher im Jägerbataillon Nr. 11, Brust- und Schultershuß; Reiter Georg Schöller, geboren am 14. 1. 83 ju R früher im Königlich Bayerischen 2. Ulanenregiment, Unter- eibs\chuß.
Verwundet: Reiter Eduard Schulz, geboren am 27. 1, 82 zu Kubilehlen, früher im Jnfanterieregiment Nr. 135; leiht, Streif- \chuß rechte Hüfte.
Verunglückt: Reiter Hermann Müller, geboren am 7. 11. 77 zu Fürftenau, früher im Infanterieregiment Nr. 22, am 1. November d. J. in Windhuk durch Unvorsichtigkeit eines Kameraden mit einem Zielgewehr leiht verwundet; Schuß rechte Halsgegend.
Oesterreih-Ungarn.
Zu der Ausstandsbewegung der Eisenbahn- beamten melden die Wiener Blätter, daß sich der größte Teil der Bediensteten der Außig-Teplißer Bahn gestern der passiven Resistenz angeschlossen habe, deren Folgen in Böhmen bereits überall fühlbar sind. Jn der Station Lissa können 2000 t nah Deutschland bestimmter Waren nicht abgehen, mehrere Fabriken und Brauhäuser haben wegen Mangels an Kohlen den Betrieb eingestellt. : :
Das „W. T. B.“ meldet, daß gestern die Universität in Budapest infolge von Demonstrationen der Studenten- haft gegen den Rektor, Professor Lang geschlossen worden ist. Auch in Prag sind wegen Unruhen die Vorlesungen an dem tshehischen Technikum eingestellt worden.
Frankreich.
Nach einer Meldung des „W. T. B.“ hat der Kriegs- minister Berteaux ein Schreiben an den Ministerpräsidenten Nouvier gerichtet, in dem er seine Demission gibt. Berteaux erinnert in seinem Abschiedsgesuch daran, daß er schon nah der Sißung vom Donnerstag den Wunsch aus- ccdrüdt habe zurüdzutreten, da es ihm unmöglih scheine, eine Abstimmung unbeachict zu lassen, bei der 226 Nepublikaner der Linken sih von der Regierung trennten. Er habe sih bereit erklärt zu warten, weil er darauf ge- rechnet habe, sih bei der demnäcstigen Interpellation über die allgemeine Politik der Regierung zu erklären, nahdem der Ministerrat entschieden hatte, die sofortige Beratung einer solchen JFnterpellation zu verlangen, sobald ein darauf abzielender Antrag vorliege. Der Antrag habe vorgelegen, aber die sofortige Beratung sei abgelehnt worden. Daher habe es ihm geschienen, daß die im Ministerrat getroffene Vereinbarung über die Notwendigkeit, aus der zweideutigen Lage herauszukommen, zu bestehen auf- gehört habe. Er sei infolgedessen zurückgetreten, weil et seinem politishen Programm treu bleiben wolle. Ec habe das Be- wußtsein, daß seiné Hingebung für das Heer und die nationale Verteidigung niht nußlos gewesen sei und sein Nachfolger eine weniger shwierige Aufgabe vorfinden werde, als er sie vor einem Jahre übernommen habe. :
Der Ministerpräsident Rouvier ersuchte, der zitierten Quelle zufolge, den Präsidenten Loubet, für heute einen Ministerrat einzuberufen, in dem über die Neubesezung des Kriegsministerpostens und über die durch Berteaux* Rütritt, der als definitiv angesehen wird, für das Kabinett geschaffene Lage bcraten werden soll. i i
Ueber den Verlauf der gestrigen Sißung der Depu- tiertenkammer liegt folgender Bericht des „W. T. B.“ vor:
Der Deputierte Dumont (Nadikal) bat um das Wort zu einer Interpellation über die allgemeine Politik der Re- aierung. Groëéjean (Nationalist) schlug vor, die hon auf der Tagesordnung stehenden Interpellationen zu erörtern. Der Minister- präsident Nouvier wollte der Kammer in jeder Beziehung freie Hand lassen, erachtete es ater für wünschenswert in Anbetracht der bestehenden Erregung vorerst über die Interpellation Dumont zu verhandeln. Die Kammer beschloß. die Tages- ordnung aufreWtzuerhalien. Darauf entspann fich ein erregter Wortwechsel zwischen Jsoard (Scoz.) und dem Minister des Innern Etienne, der, gefolgt von dem Kriegsminister Berteaux, den Saal verließ. Die Nechte und das Zentrum applaudierten bei der Wahr- nehmung, daß Berteaux aus dem Saal ging. Der Minister- präsident MRouvier erklärte hierauf, daß die Regierung bereit sei, zu antworten. Jaurès (Soz.) fragte an, ob die Regierung in ihrer Gesamtheit anwesend sei. widerte, daß die gesamte Negierung die ihr zufallende Ver- antwortlihkeit übernehme, und daß er auf der Tribüne die Erklärungen geben wolle, die das Land erwarte. Während diefer Erklärung nahm der Minister des Innern E tievue wieder auf der Minifterbank Plaß. Unter heftigem Lärm erklärie Jaucès (Soz), da in der Zusammenseßung der Regierung eine Aenderurg eingetreten sei, set es unmöglich, die Beratung roeiter zu führen, und beantragte die Vertagung der Debatte. Rib ot (Nepublikaner) erwiderte, daß die Kammer nicht die Debatten einstellen dürfe, weil ein Minister den Saal verlassen habe. Ju diesem Augenblick betrat Berteaux wieder den Saal und nahm unter dem LBeifallsklatshen der äußersten Linken seinen alten Deputiertenplay auf diefer Seite ein. Im weiteren Verlaufe der Sizung erklärte der Ministerpräsident, das Schiksal des Kabinetts könne nicht von dem StSickjal eines einzelnen Ministers abhängen. Das Kabinett habe tm Innern wie im Aeußern beträchtlize Verantwortlihkeiten übernommen. Man könne niht verlangen, daß die Regierung vers{hwinde, ohne daß man Fie gehört habe. Der Ministerpräsident erklärte weiter, er wolle die nötigen Aufklärungen geben und, wenn er am Abend aus dem Kabinett vershwinde, vorber darlegen, in welhem Zustande er die öffentlihen Angelegenheiten zurücklasse. Er lege keinen Wert darauf, ohne Autorität auf seinem Posten zu verbleiben. Rouvier erinnerte an das Programm der Regierung und an das von ihr {hon Vollbrachte, besonders an die Trennung von Staat und Kirche, die durch den Sturz des Kabinetts scheitern würde. Die Negterung babe alle ihre Anstrengungen auf die Verbesserung des Systems der Verieidigung und anf die Lösung der Marokkofrage ge- rihtet, Bei der fie aleihe Sorge für den Frieden wie für die Würde Frankreihs an den Tag gelegt babe. Das Land habe die Ruhe wiedergefunden, was die Durhführung der Amnestie gestattet babe. Der Ministerpräsident drüdckte., darauf den Wunsch nach der Mitwirkung und dem Zusammenhalren aller Republikaner aus und {loß mit den Worten: „Sie werden ges{chicktere Hände finden als die meinigen zur Verteidigung der Nepublik, Sie werden aber keine finden, welche Ihnen mehr Bürgschaften bieten.“ Grotjean Tan versuchte, seine Interpellation über die Arbeiter-
ôrsfen zu begründen, der Lärm hinderte ihn jedoch daran, stch ver- ständlih zu machen. Der Präsident der Kammer Doumer schlug vor, die Sipung zu vertagen. Der Antrag wurde abgelehnt. Der ‘Minister- präsident Nouvier erwiderte dem Inlterpellanten, die Regierung habe wegen der antipatriotisWen Kundgebungen Strafverfole gungen angeordnet, und verlangte sodann," daß fsich die Kammer über seine Ecklärungen ausfpreche. Jaurès (Soz.) beantragte, die Debatten zu vertagen, bis man über die Stellung des Ministeriums im flaren sei, was jedes Mißverständnis verhindern werde. Man müsse die Gründe kennen, weshalb Berteaux die Ministerbank verlassen habe. Der Ministervr äsident beantragte, diesen Antrag abzulehnen. Der Kriegsminister Berteaurx erklärte, er habe die Regierung verlassen, weil tie Mehrheit für die Res gierung in der Frage des Nechts der Staatsbeamten, sich zu or aúitièten, sich aus der Rechten und den Nationallisten zusammengeseßt habe. Er habe aber der Regierung keine Schwierigkeiten bereiten wollen. Wenn er sich unmittelbac vor der Abstimmung zu Beginn der Sitzung zurückgezogen habe, fo sei dies deshalb ge[Meen, weil er sein Amt nicht in einer für ihn demütigenden Lage beibehalten wollte. Ribot kritisierte die politishe Haltung Berteaux' und erklärte, daß die Progressisten aufhören würden, die Regierung zu unterstüßen, wenn diese die Anarchie in ihrer eignen Mitte ih einniften lasse. Gerault- Richard (Soztialist) ersuhte Berteaux, feinen Posten unter den gegenwärtigen Verhältnissen niht zu verlassen. Me letan(Sozialist) der frühere Marineminister, bat die Kammer, jede Zweideutigkeit zu zerstreuen und zu erklären, ob sie den Befehlen Ribots gehorchen wolle. Dumont (rad.) wünschte zu wissen, ob die Trexnungsvorlage vor dem 1. Januar votiert werden würde. In diesem Falle könne er die Verantwortung, sie zu gefährden, nicht übernehmen. Der Ministerpräsident wiederholte, daß er \sich nur auf die
Nouvier er-
republikanische Majorität stüßen, aber keinen Unterschied ¿w
den Republikanern mahen wolle. Wenn er nur A Cie Ren dâchte, würde er niht ¿ögern, seine Stellung aufzugeben, aber er denke an morgen und wolle nicht desertieren. Der Kriegsminister pro- testierte gegen die Beschuldigung Ribots, er habe sein Amt als Kriegs- minister vernahlässigt, und erklärte, er habe seine ganze Zeit der nationalen Verteidigung gewidmet und es fertig gebraht, diz Armee ¡u beruhigen. Nach Schluß der Debatte wurden mehrere Tages- ordnungen einzebrat. Der Ministerprästdent erklärte fh für die von Dumont (radikal) _eingebrachte Tagezordnung, die besagt, das Haus zähle auf die Regierung, daß sie die Trennung von Staat und Kirche durchführe, indem fie sih einzig auf die Mehrheit stüge, die diese Reform votiert habe. Rouanet (Sozialist) verlangte die Priorität für seine Tagesordnung, die die Politik der Negierung als ungewiß und zweideutig verurteilt. Diese Priorität wurde mit 372 gegen 126 Stimmen abgelehnt und die Tages8ordnungDumont mit 291 gegen 132 Stimmen angenommen. 143 Deputierte, darunter eine groß: Anzahl gemäßigter Republikaner, enthielten fich der Abstimmung.
Im Senat wurde gestern die Generaldebatte über die Vorlage, betreffend die Trennung von Kirche und Staat, fortgeseßt. Wie „W. T. B.“ meldet, betonte Gourju (Progressist) die Notwendigkeit, das Konkordat aufrecht zu erhalten, das man nur verbessern solle. Die zwishen Frankreich und dem Heiligen Stuhl \{chwebenden Angelegenheiten könnten auf diplomatishem Wege erledigt werden. Charles Dupuy erklärte, eine Fonkordatspolitik sei das beste Unterpfand des öffentlichen und des fonfessicnellen Friedens. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen.
Rußland.
Wie die „St. Petersburger Telegrapßenagentur“ meldet, ist gestern ein Kaiserlicher Ukas veröffentliht worden, der die Ernennungen folgender Minister enthält: Schipoff Finanzen, Timirjaseff Handel, Nemeschaef Verkehrswege, Filossofoff ues G Kutler Ackerbau. Da der Minister des Aeußern Graf Lamsdorff und der Justiz- minister Manuchin ihren Posten behalten, kann das Kabinett jest als konstituiert angesehen werden. Nur die Portefeuilles des Jnnern und des Unterrichts sind noh nicht vergeben.
Die Regierung ruft in einem gestern publizierten Co m- muniqué abermals den vernünftigen und besonnenen Teil des russishen Volkes auf, ihr bei ihrem Reformwerke zu Hilfe zu kommen. Die eraste Anwendung der Reformen sei, jo wird in der Mitteilung ausgeführt, nur bei Beruhigung der Gemüter und dem Eintritt der Ruhe möglich. Die Re- gierung erkläre nahdrüdlich, daß ihre Maßnahmen lediglich zur Wiederherstellung der Ordnung und des Friedens ge- troffen wurden; indessen sprächen zahlreihe Nachrichten
von provokatorishem Vorgehen der Polizei. Die Regierung werde eine fjorgfältige Untersuhung über alle angegebenen Fâlle veranstalten und die Schuldigen bestrafen. Der Ministerrat, der gestern in Tätigkeit getreten sei, werde alle seine Bemühungen darauf richten, das Manifest des Kaisers zu verwirklichen, und fordere den ganzen besonnenen Teil der Bevölkerung auf, ihm bei der Durch- führung dieser Aufgabe zu helfen. Auch der Synod erließ einen Aufruf an die Bevölkerung. Er mahnt darin die Rechtgläubigen, die gewährten Freiheiten niht zur Herbei- führung des Bürgerkriegs zu benußen, sondern gegen anders- E Mitbürger friedlihe Gesinnung ‘und Liebe zu etatigen. L
Nach einer Meldung der „St. Petersburger Telegraphen- agentur® ist beschlossen worden, im ganzen Gebiete des Königreichs Polen den Kriegszustand zu erklären. Auch über Kronstadt, woselbst Bataillone von drei Garde- und vier Linienregimentern, ferner Artillerietruppen und eine Maschinengewehrabteilung eingetroffen sind, ist der Kriegs- zustand verhängt worden. Wie „W. T. B.“ meldet, wurde der Aufstand lediglich durch die \hlechte Verpflegung der Mannschaften und die shlechte Behandlung dieser durch die Offiziere hervorgerufen. Die Revolte war auch aus\hließlich gegen die Offiziere und Beamten gerichtet, sodaß diese in Zivilkleidung flüchteten. 20 Häuser wurden ein Naub der Flammen und ungefähr 200 Wohnungen wurden ausgeplündert. Die Zahl der bei diesem Aufstande Getöteten wird auf etwa 40, die der Verwundeten auf ungefähr 100 angegeben. Das auswärts verbreitete Gerücht von einer erneuten Meuterei in Kronftadt erklärt die oben genannte Telegraphenagentur für erfunden; die Lage sei unverändert ruhig.
In der allgemeinen Lage ist eine merkbare Be- ruhigung eingetreten. Jn Moskau sind die Theater, Restaurants und die Kaufläden geöffnet; der Bahnverkehr nimmt seine normale Gestalt an, die meisten Aus- ständigen haben die Arbeit wieder aufgenommen. Heute soll en Kongreß von Semstwovertretern eröffnet werden, auf dem über die Unterstüßsung der an Nahrungs- mitteln notleidenden Bevölkerung beraten werden soll. Jn Odessa hat der Unterricht an den städtishen Schulen wieder egonnen. Die behördlihe Untersuhung über die Unruhen nummt energischen Fortgang, doch ist noch wenig Beruhigung eingetreten, da neue, gegen die Juden gerihtete Ruhestörungen befürchtet werden. Jn Saratow is heute der Güterzugs- verkehr wieder aufgenommen worden; die Stadt is ruhig. 208 Polizeimeister von Kiew Tsikhotsky und der use des Chefs dec Sicherheitspolizei Bezsonow, gegen ‘essen Verhalten während der Unruhen zahlreihe Beschwerden ingegangen sind, sind abgeseßt worden.
n sämtlichen russishen Städten sind die Uni- rhitäten und alle Hochschulen geschlossen. Das : nterrihtsministerium gibt dazu bekannt, daß der Zeitpunkt
Er Wiedereröffnung noch nicht festgeseßt werden könne. Auch Pie Mittelshulen werden für unbestimmte Zeit geschlossen werden.
Niederlande.
M Die Staatskommission für die Revision der m fassung ist gestern, „W. T. B.“ zufolge, von dem É inlster des Innern eröffnet worden. Der Minister hob : seiner Rede hervor, daß sich die Aufgabe der Kommission in auf Abänderung des Wahlrechts erstrecke, sondern haupt- m ih darin bestehe, die Abänderungen der Verfassung zu asen, die sih auf die Zusammensezung der Ersten Kammer, gaeproportionalvertretung, die Legislaturperiode und die Ent- Vigung der Mitglieder der Generalstände beziehen.
Belgien.
Die ständigen Aus\chüsse der Kammer stimmten - gestern, d einer Meldung des „W. T. B.*, über den von der Negierung Prüg ten Antrag auf Einsetzung eines Ausschusses zur üsse 19 der ntwerpener Kreditvorlage ab. Drei Aus- M sprachen ih für, drei gegen den Antrag aus. Im Zentral- 3 teh D der aus drei Anhängern und drei Gegnern des Äntrages en soll, wird der Kammerpräsident als Gegner des Antrages 6 usshlag zu Gunsten der Regierung geben. Die Bedeutung der
Türkei.
Nach einer Meldung des „Wiener K. K. Telegraphen- Korrespondenzbureaus“ wird der Prozeß wegen des Mord- anshlags gegen den Sultan vor dem Bairamfest statt- finden. Gegen 20 Angeklagte, unter ihnen die Belgierin Frau Joris und 17 Armenier, ist ein Vorführungsbefehl in contu- maciam erlassen worden. Joris selbst is in das Zentral- gefängnis übergeführt worden.
Bulgarien.
In der vorgestrigen Sitzung der Sobranje ergriff, „W. T. B.“ zufolge, nah dem Ministerpräsidenten der Minister des Innern das Wort und erklärte, die mazedonishe Politik des Kabinetts sei zielbewußt und geeignet, die Lösung der maze- donishen Frage zu beeinflufsen. Die Besuhe des Fürsten an den europäishen Höfen hätten den Zweck verfolgt, dur den persönlihen Einfluß des Fürsten auf die europäis{en Staatêmänner die Lage der Mazedonier zu verbessern. Die Beziehungen zu den Großmähten und Nachbarstaaten \eien sehr gute, die mit Griechenland feien niht \{lecht, aber nur offiziellen Charakters. Eine Verständigung mit Griechenland könne niemals erzielt werden.
In dec gestrigen Sizung wurde die Thronadresse, die die Notwendigkeit hervorhebt, mit allen Opfern eine starke, wokblgerüstete Armee zur Festigung des Friedens und zur Erreichung der nationalen Ideale zu organisieren, aagenommen.
Statistik und Volkswirtschaft.
Zur Arbeiterbewegung.
_ Aus Greiz wird dem „W. T. B.* berichtet, daß der Verband \ähsisch-thüringischer Webereien und die Konvention der sächsisch-thüringischen Färbereien und Appretur- anstalten în einer gestern abgehaltenen gemeinshaftlißen Sitzung mit Rücksicht darauf, daß in den Verbandswebereien nicht genügend Arbeitswillige sich eingefunden haben und auch in den Färberei- betrieben die Arbeiter teilweise auéständig geworden sind, die er- neute Schließung aller Webereien des Verbandes und aller Färbereien und Appreturanstalten der Konvention für den beutigen Sonnabend beschlossen haben (vgl. Nr. 264 d. BL.). Im Anskuß an diesen Beshlvß macht der Verband \ähsi\ch- thüringisher Webereien bekannt, daß er allen denjenigen Webern und Weberinnen, die bis zum 9. d. M. die Arbeit aufgenommen hatten, und die keine anderweite Streik- oder Aus- sperrungsunterstüßung erhalten, vom 13. d. M. ab für die ganze Dauer der Shließung der Betriebe eine wöchhentilihe Ent- \chädigung gewährt, die für verheiratete Weber und Weberinnen etwa je 12 M, für unverheiratete etwa 9 Æ betragen, jedenfalls aber höher sein wird, als die Entschädigungen, die die organisierten Arbeiter von ihren Gewerkschaften erhalten.
Eine gestern in Notterdam in der Angelegenheit des Ausstandes der Getreidewäger und -Messer abgehaltene Konferenz, bei der der Ausschuß der Getreidebörse, Kaufleute, die Ausständigen und die Direktion der Getreidelevatorengesellschaft vertreten waren, ist, wie „W. T. B.“ meldet, resultatlos verlaufen. (Vgl. Nr. 265 d. Bl.)
Land- und Forfstwirtschaft.
Weizencinfuhr Marseilles. _ Nah den Wochenübersihten des in Marseille erscheinenden CEEROIE, hat die Weizeneinfuhr Marseilles auf dem Seewege etragen : in der Zeit vom 1. bis zum 6. Oktober d. J. . 180 549 dz davon aus Rußland 5... 92 (19 in der Zeit vom 8. bis zum 13. Oktcber d. J. . . 264 240 : “CDaDOn aus Juno. 2 1A . 181 558 in der Zeit vom 15. bis zum 20. Oktober d. J. . 210 402 | davon aus Nußland L L E . 160 435 in der Zeit vom 22. bis zum 27. Oktober d. F. . 234 149 DaDON aus Mund . E, 1295440 In den Marseiller Docks und Entrepots befanden sch am 25. Oktober d. J. 50 270 dz. f fd
Washington, 10. November. (W. T. B.) Nach dem Bericht des Ackerbaubureaus beträgt das Durthschnittsergebnis für Mais per Acre 28,8 Bushels. Jn den Händen der Farmer befinden |ch 3,39% der alten Ernte von Mais. Die Dur(hschnittequalität der neuen Ernte wird mit 90,6% angegeben.
Washington, 10. November. (W. T. B.) Laut dem Monats- berit der Abteilung für landwirtshaftlihe Produkte beträgt der Dur&schnittsftand der Baumwolle 68,8 9%,
Verkehr8sanftalten.
Laut Telegramm aus Cöln hat die dritte englische Post über Ostende vom 9. d. M. in Cöln den Anschluß an Zug 13 nach Berlin über Hannover nit erreiht. Grund: Nebel auf See.
Briefsendungen nah Persien werden wieder auf dem Wege über Rußland befördert. Wie bekannt, sind die am 3. No- vember und einige Tage vorher zur Post gelieferten Sendungen nah Persien über Brindisi —Bozubay abgesandt worden. Diese werden vor- auésihtlich später in Tauris und in Teheran eintreffen als die in den nächsten Tagen auf dem Wege über Rußland zur Absendung ge- langenden Briefshaften. Die Absender werden deshalb gut tun, von den in der Zeit vom 28. Oktober bis 3. November aufgelieferten Sen- dungen nach dem nördlichen Teile von Persien Doppelbriefe über Ruß- land abzusenden.
Nach einer amtlihen Meldung aus Bromberg ist der Personenverkehr auf der Strecke Illowo—Mlawa— Warschau - Brester Bahnhof wieder aufgenommen. Es verkehren zunähst nur die russisWen Züge 1 und 2 Mlawa—Warshau und die deutshen Grenzzüge 521/524, 523/526 Illowo—Mlawa. Der Güterverkehr wird voraussihtlich in 2 Tagen wieder aufgenommen.
Eine Vereinigung von mehreren Bremer Banken und Handels- firmen hat, wie ,W. T. B.“ berichtet, in Verbindung mit der Reeder- firma Horn in Schleswig und Lübeck eine neue Dampfergesell- shaft unter dem Namen „Rolandlinie“ gebildet, die einen direklen Verkehr zwischen Bremen und der Westküste Südamerikas ausführen soll Die formelle Errichtung der neuen Gesellschaft wird, wie die „Weserzeitung" meldet, noch im Laufe dieses Monats erfolgen.
Theater und Musik.
Theater des Westens.
Gemma Bellincioni seßte gestern ihr Gastspiel im Theater des Westens als Rosella in Pierantonio Spie Det emer in zwei Akten A Santa Lucia“ fort, in dem sie sich vor mehreren Jahren, zur Zeit der Blüte der italienischen veristishen Opern, so vor- teilhaft hier einführte. Die Bekanntschaft mit dem phrasen- haft deklamatorishen Werke, das der „Cavalleria rusticana“
stimmu j N inisterkrifls ge E fene Las sbade; daß von der Möglichkeit einer
stark nahempfunden is, zu erneuern, bereitete weniger Genuß,
als Frau Bellincioni wieder in einer Rolle bewundern zu können, die durch ihre hervorragende Gestaltungsfraft Seele und Leben gewinnt. Hier vergißt man über ihrer unvergleichlihen schauspielerishen Leistung und dem Ausdruck, den sie ibrem Gesang zu geben weiß, ganz, daß ihre Stimme eigentli unbedeutend, thr Ton zuweilen unstet und fladernd ist; hier zeigt sis, daß echtes Künstlertum sich auch unzulänglihen Mitteln zum Troß durchsetzen kann. Wie rührend ib ihre Mutterliebe äußert, wie jäh ihre Eifersucht aufflammt, und dann der zärtliße Abschied von dem Geliebten, die Freude des Wiedersehens, der verzweiflungsvolle Schmerz ob des Verda®@ts der Untreue, in den fie unschuldig geraten is, und zuleßt das ershütternde „Non é vero“ der Sterbenden — wer könnte das je vergessen, der ihre Darstellun sah ! Die Aufführung, die der Kapellmeister Sänger temperamentvo leitete, war im allgemeinen nit übel. Herr Christian Hansen war ein sehr annehmbarer Ciccillo, und in Herrn von Hessert, der den Totonno fang, lernte man einen Baritonisten von beahtenêwerten Mitteln kennen. Sehr gut fand fich auch die junge, neu verpflichtete Altistin Fräulein Florence Wikham mit der Partie der Maria ab. Starker Beifall des vollbeseßten Hauses rief nah den Akt\&%lüfsen besonders den Gast immer wieder vor den Vorhang.
Im Königlichen Opernhause wird morgen, Sonntag, „Die Zauberflöte“ gegeben. Die Damen Destinn (Pamina), Dietrich (Pava- gena), Herzog (Königin der Nacht), die Herren Hofmann (Papageno) Mödlinger (Sarastro), Philipp (Tamino) sind in den Hauptrollen beschäftigt. — Am Montag geht R. Wagners Oper „Die Méeistersinger von Nürnberg" in Szene. Herr Bachmann singt den Hans Sachs Pverr Kraus den Walter Stolzing, Herr Krasa den Beckmesser, Herr Lieban den David, Herr Knüpfer den Pogner, Herr Berger den Kothner, Fräulein Ekeblad das Even und Frau von Sheele-Müller die Magdalena. (Anfang 7 Uhr.) ‘
Im Königlichen Schauspielhause findet am Montag die hundertste Aufführung von Kleists „Prinz Friedri von Homburg“ statt. Zum ersten Male wurde dieses Drama daselbst am 26. Juli 1828 aufgeführt.
Im Neuen Königlihen Operntheater wird morgen „Nathan der Weise“ aufgeführt.
Im Deutschen Theater wird am Montag und Donnerstag „Das Käthchen von Heilbronn" gespielt, An allen übrigen Abenden nächster Woche finden Wiederholungen von Shafkespeares Lustspiel e Der Kaufmann von Venedig“ ftatt. Agnes Sorma spielt darin die Porzia und Rudolf Schildkraut den Shylock. Am Montag, den 20. d. M. geht „Minna von Barnbelm“, neaeinstudiert, in Szene.
Das Lessingtheater hat für nähste Woche folgenden Spiel- plan aufgestellt: Morgen abend und Donnerstag „Die Wildente“; Montag, Mittwoch, Freitag, Sonnabend und nächsten Sonntagabkend vSiein unker Steinen“; Dienstag „Benignens Erlebnis“ und „Hanneles Himmelfahrt". Als Nahhmittagévorstellung ist für morgen Hauptmanns Schauspiel „Die Weber“, für nähstfolgenden Sonntag „Rosenmontag“ angesetzt.
_Im Sthillertheater O. (Wallnertheater) wird morgen und nähsten Sonntag Nachmittags „Der Traum ein Leben*, morgen abend und Donnerstag „Nora“ gegeben. Am Montag und Mittwoch geht „Hofgunst“, Dienëtag „Flachsmann als Erzieher", Freitag, Sonn- abend und nâchsten Sonntagabend „Der Veilenfresser*“ in Szene. — Das Sghillertheater N. (Friedri Wilhelmst. Theater) bringt morgez nahmittag „Fubrmann Henschel“, Abends das Mosershe Lustspiel „Der Veilchenfresser“. Um Montag wird „Gyges und fein Ring „gegeben. Am Dienstag findet die erste Aufführung von Beyzrleins „Zapfenstreich“ {tck&t, Mittwoh, Donnerstag, Sonnabend und kommenden Sonntagabend wird diefe Vorstellung wiederholt. Am Freitag geht „Der Traum ein Leben“ in Szene. Am nätbsten Sonntagnahmittag werden „Crainqguebille“, „Die Bäuerin®“ und „Abschied vom Regiment* gespielt. — Jm Bürgersaale des Nathauses zu Berlin wird “morgen ein „Lorßing. Abend*, im Charlottenburger Rathause ein „Ubland-Abend* veranitaltet.
Im Theater des Westens finden nur noch zwei Gastspiele von Gemma Bellincioni statt, und zwar singt sie am Montag in der Oper „La Traviata“ und am Mittwoh in „Fedcra* die Titelpartie. Morgen abend wird „Die Fledermaus“, Nachmittags „Der Troubadour" gegeben. Am Dienstag geht im Abonnement „Undine“, am Donnerstag „Der Zigeunerbaron“, am Freitag Nicolais Oper „Die lustigen Weiber von Windsor“, am Sonnabend „Der Opernball“ in Szene. Nächsten Sonntagabend wird, neu eins studiert, die Straußshe Operette „Wiener Blut“ aufgeführt. Am nächsten Sonntag findet Nachmittags eine Wiederholung von „Undine“ statt. Als 39. Klossikervorstellung zu ermäßigten Preisen wird am nächsten Sornabendiahmittag „Siegfrieds Tod* von Hebbel gegeben.
Im Neuen Theater wird au in der nähsten Wee an allen Abenden Shakespeares „Sommernachtstraum* wiederholt.
Im Lust spielbause finden morgen, sowie am Montag, Mittwoch, Donnerstag, Sonnabend und nächsten Sonntag Wieder- holungen von Lothar Schmidts dreiaktigem Lustspiel „Die heilige Sache“, mit Maria Reisenhofer und Franz Schönfeld in den Haupt- rollen, statt. Am Dienstag und Freitag wird „Der Familientag® gegeben. :
_ Der Schwank „Bis früh um Fünfe* wird im Thaliatheater in nächster Woche jeden Abend aufgeführt. Morgen nahmittag wird, mit Guido Tielsher in der Hauptrolle, „Der Kilometerfresser" ge- gegeben; cm Mittwochnahmittag findet die zweite Kindervorstellung statt ; aufgeführt wird „Frau Holle“.
In dem Bußtagskonzert des Königlichen Opernchors unter der Leitung von Felix Weingartner im Königlichen Opernhause haben Frau Emilie Her:og, Königlihe Kammer- fängerin, Herr Sommer, Herzoglicher Kammersänger, die Königlichen Sänger Baptist Hoffmann und Pudnam Griswold die Solopartien übernommen. Aufgeführt werden: „Des Heilands Kindheit“ von Berlioz und „Cbristus am Oelberg“ von L. van Beethoven. Eintritts- karten find bei Bote u. Bcck (Leipziger Straße 37) zu haben.
_ Die Konzertdirektion Hermann Wolff kündigt für die nähste Woche folgende Konzerte an: Sonntag: Saal Bech- stein : Konzert von Else Grau (Ees.), Margarete (Violine) und Karl Schaeffer (Klavier); Philharmonie: (Mittags 12 Uhr): Oeffent- Tiche Hauptprobe _ ¿um Ill Philbarmonischen Konzert, Dirigent : Arthur Nikish, Solist: Friedrih Weidemann, K. u. K. österr. Hofe opernsänger. — Montag: Saal Bechstein : Klavierabend von Marianne Heinemann; Philharmonie: III. Philharmonis{es Konzert, Dirigent : Arthur Nikisch, Solist: Friedrih Weidemann, K. u. K. österr. Hof- opernsänger. — Dienstag: Saal Bechstein : Liederabend, gegeben von“ Mimie Wittilen u. Prof. Dr. ( Jenner aus Marburg; Beethovensaal: 1. Konzert von Therese und Artur Schnabel; Oberlichtsaal der Philharmonie: Deutsche Volks- lieder und Balladen, zur Laute gesungen von Robert Kothe. — Mitt woh: Saal Bechstein: Konzert von Fan! Merten (Klav.) und Alfhild Hamberg (Gef.); Beethovensaal : „Brahms-Reger-Abend* bon Lula My8s8z-Gmeiner; Singakademie: I. Abonnementékonzert von Florian Zajic und Heinrih Grünfeld, Mitw.: Klara Rahn (Gef. Kammermusiker Diestel, Hasse und Könecke und SatariCast Espenhahn. — Donnerstag: Saal Belhftein: Konzert von JIfsay Banuas ; Singakademie: Konzert des Gesangvercins „Harmonie“, Dirigent Richard Rößler, Mitw.: Betsy Shot, Hjalmar Arlberg und Karl Klingler. — Freitag: Saal Bechstein: Liederabend von Arthur van Eweyk; Beethoven-Saal : Einziger Klavierabend von Kloiilde Kleeberg; Oberlichtsaal der Philharmonie: Konzert von Nagy Géza Klav.). — Sonnabend: Saal Bechstein: „Marx Neger- Abend“, itwirkende : Prof. Halir, Prof. Schubert, Ella Jonas, Klara Rahn und Marx Reger; Beethoven-Saal: Liederabend von Antonia Dolores; Singakademie: Konzert von Jeanie Buchanan (Klav.) mit a E Orchester unter Leitung von Herrn Prof. Xaver
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