1905 / 284 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 02 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

\haffende Kraft des Herrenbauses wesentli zu steigera, und sie bitte um die überaus wertvoll- Förderung ihrer Absichten seitens des Herrenhauses in diesen shwierigen und bedeutungsvollen Zeiten. Auf Antrag des Fürsten Auersperg wurde sodann beschlossen, ia der nächsten Sißung die Debatte über die Regierungserklärung zu er- öffnen. Nah Erledigung des Gesetzes. betreffend Fundierung der Bankschuldvershreibungen, wurde die Sizung geschlossen.

Im Abgeordnetenhause wurde gestern die Debatte über die Erklärung der Regierung, betreffend die Wah [l- reform, fortgeseßt. : 3

Herold (Tschehe) betonte, daß die Tschechen mit aller Gnergie für die Wahlreform, die eine Staatsnotrwendigkeit sci, eintreten, jedo niemals zugeben würden, daß die Waklreform dazu benußt werde, um die b:kannten Forderurgen der Tschechen von der Tagesordnung abzusezen. Romanczuk (Nuthene) begrüßte die Erklärungen des Ministerpräsidenten und verwahrte ih gegen die Bestrebungen des Polenklubs auf Einführung indirekter Wabl-n. Im weiteren Verlauf ter Sizung sprachen noch H ybes (Soz.), Choc (Tsheche) und Noske (te1tse Fortschrittépartei), wel? leßterer für das Proportional- watlsystem und Schaffung eines Wahlgerihtshofs eintrat.

Großbritannien und Frland.

Der amtliche Schriftwechsel über die geplante Konferenz der Premierminister der Kolonien 1jt gestern vero}fent- liht worden. Aus ihm geht, wie „W. T. B.“ meldet, hervor, daß der Kolonialminister Lyttelton vorgeschlagen hat, der Konferenz den Namen „Reichsrat“ (Imperial Council) zu geben und einen ständigen Aueschuß zu bilden, der den Reichsrat auf d-:\sen Verlangen über Einzel- angelegenheiten zu beraten hat. Die Kapkolonie, Natal und Australien haben sih mit diesem Vorschlag völlig ein- verstanden erklärt. Canada und Neu-Fundland haben sih dagegen ausgesprohen. Neu-Secland erwiderte, es sei niht in der Lage, eine Antwort zu erteilen, bevor das Ergebnis der dortigen Wahlen feststehe. Die Reichsregierung hat die Vertagung der Konferenz bis 1907 veranlaßt.

Frankreich.

Nach einer Meldung des „W. T. B.“ teilte der Minister- präsident Rouvier in dem gestern im Elysée abgehaltenen Ministerrat mit, daß die Konferenz von Algeciras bis Anfang Januar verschoben worden sei, weil die Ver- treter des Sultans von Marokko nicht bis zum 20. Dezember, an welchem Tage die Konferenz nach den [chten Vereinbarungen staitfinden sollte, in Algeciras sein könnten.

Die Deputiertenkammer seßte in der gestrigen Vormittag€- situng obiger Quelle zufolge, die Beratung der Vorlage, bes treffend die Handelsmarine, fort. Baudin (rodikalér Sozialist) sprach sch zu Gunsten der Vorlage aus, wies die Kritiken des Revublikaners Caillaux gegen das Prämiensystem zurück und zeigte, welhe Gefahr in der Konkurrenz der fremden WMarinen liege. Die Verhandlung wurde darauf auf nätsten Frei- taz vertagt und die Beratung - der Interpellation wegen Schließung der Pariser Arbeiterbörse wieder aufgenommen. Ferrier -billigte es, die Negiecung der Arbeiterbörse nicht gestattet habe, militärfeindlihe Propaganda zu machen. Sembat (Soz.) behauptete, die wahre Absicht bei Schließurg der Arbeitecbörse sei eine Lahmlegung der Arbeiterbewegung gewesen, aber dieser Versu werde scheitern. Man babe in bezug auf die Arbeiter gemachte Versprechen nit gehalten, “die Arbeiter genöfsen nit die Mobhltaten des Vaterlandes. Medner erinnerte an den Ausstand von Longmry und behauptete, die Ausständigen hätten das Net gehabt, Bergeitung zu üben, nahdem ein Offizier befohlen-htle, auf fie zu schichien MAHiterr Srricuy wird-dic INlerpeliation weiter beraten.

Nußlland.

Ueber die Ereignisse in Sewastopol sind heute in St. Petersburg zwei Telegramme vom Admiral T\chuknin und vom Generalleutnant Möller-Sakomelsky eingegangen. Nach dem ersten vom 30. November datierten Telegramm rechnen die revolutionären Parteien auf Erfolg, indem fie den Matrosen und Soldaten versichern, sie könnten ihre Forde- rungen vorbringen und dabei doch 1hrem Kaiser treu bleiben. Die Hafenarbeiter haben unter Androhung des Todes von dem Revolutionskomitee den Befehl erhalten, die Arbeit ein- zustellen, worauf sämtliche Arbeiter in den Ausstand getreten sind. Die militärishe Bewegung ist bejeitigt, die revolutionäre jedoch nicht. Das zweite Telegramm vom gestrigen Tage erklärt, daß die militärishe Meuterei vorüber sei, die treuen Truppen sich vor- züglich hielten und mehr als 2000 Mann der Aufständischen gefangen gesezt wurden. Die Haltung der Einwohner, ins- besondere der Juden und der Revolutionäre, sei beunruhigend; sie verhöhnen und bedrohen die Offiziere.

Die aus Wladiwostok kommenden Nachrichten lauten sehr ernst. Nach dem „Reutershen Bureau“ haben die dort befindlihen Truppen den Offizieren erklärt, sie würden die ganze Stadt sowie sämtlihe Schiffe im Hafen zer- ssttôren und alle Offiziere toten, wenn ihnen nicht binnen fünf Tagen mit Bestimmtheit mitgeteilt würde, wann sie nach Nußland heimgesandt werden sollen und nach welchen Orten. Die Offiziere sind vollklommen hilflos; die Truppen haben die Forts beseßt, auch der telegraphishe Verkehr mit Charbin ist unterbrochen.

Wie die „Petersburger Telegraphenagentur“ meldet, er- schien gestern eine Abordnung der aus ständigen Post- und Telegraphenbeamten in St. Petersburg beim Grafen Witte, wurde aber nicht vorgelassen. Der Minister- präsident ließ sagen, daß ein Ausstand der Post- und Telegraphenbeamten in feinem zivilisierien Lande geduldet werden würde, und empfahl der Abordnung, sih an ihre un- mittelbaren Vorgeseßten zu wenden. Wie dem „Svenska Telegram-Byran“ aus Haparanda gemeldet wird, ift auch das gesamte Telegraphenpersonal in Finnland in den Ausstand getreten.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist der Kriegszustand in Polen gestern aufgehoben worden.

Spanien.

Das aesamte Kabinett hat gestern, wie „W. T. B.“ berichtet, seine Entlassung eingereiht. Das neue Ministerium, mit dessen Neubildung Moret beauftragt worden war, ist folgendermaßen zusammengeseßt: Präsidium Moret, Janeres Romanones, Aeußeres Herzog von Almodovar, Krieg General de Lugue, Finanzen Sa l- vador, öffentlihe Arbeiten Gasset, Unterriht Santa- maria Paredes, Justiz Garcia Prieto. Das Marine- portefeuille ist noch nicht vergeben.

Türkei. :

Nach Meldung des „Wiener K. K. Telegr. Korrespondenz- bureaus“ fand gestern in Konstantinopel eine Besprechung sämtlicher Botschafter bei dem Doyen Freiherrn von Calice statt. Die Ueberreihung der gemeinsamen Er- klärung der Mächte in Sofia und Belgrad ist erfolgt. Das Memorandum besagt, daß die bisherigen Bemühungen,

die Pforte zur Annahme der mazedonishen Finanzkontrolle zu bewegen, ergebnislos blieben und die Mächte gezwungen waren, wangsmaßregeln anzuwenden. Hieran trügenjedoch nicht nur die Verzögerungen der Pforte die Schuld, sondern auch die Rivalität zwischen den verschiedenen Nationalitäten, die zu blutigen Konflikten und Attentaten gegen die friedliche Bevölkerung führte. Die Mächte erklären, daß sie si durch die Bemühungen revolutionärer Elemente in ihrem Verhalten nicht stôren lassen werden und ent- {lossen sind, nichts zu verzögern, was das Wohlergehen der mazedonishen Bevölkerung bessern könne. Sie würden jedoch feinen Versuh zur Störung des status quo auf der Balkanhalbinsel gestatten und alle darauf bezüglichen Ver- suche hindern. Sie hoffen, daß die Balkanstaaten ihre Be- mühungen unterstüßen und unverzüglich alle Maßregeln ergreifen werden, um eine Ermutigung oder Nährung der revolutionären Bewegung in den türkishen Provinzen zu indern. ch4: Y Aus brieflihen Berichten der Demonstrations- lotte, die vorgestern in der türkishen Hauptstadt eingetroffen Ed, ist zu entnehmen, daß die Landung in Mytilene, da auhch mit der cventuellen Möglichkeit eines Widerstandes von türkischer Seite gerechnet werden mußte, mit 617 Mann erfolgte. Am nächsten Tage wurde die Zahl auf 100 Mann verringert, und zwar ein Offizier und 25 Mann von jeder Macht, ausgenommen Rußland, da der „Kubaneß“ einen geringen Besaßungsstand hat. Die erste Landung erfolgte unter dem Befehl des eng- lischen Kommandanten Farrington; das feanössde Detachement beseßte das Zollamt, das O ung e das Telegraphenamt, das englishe die Uferstraßen, das italienishe und das russische die übrigen Straßen. Die Beseßung erfolgte unter ran h des Botschafts- dragomans Bilinski und in Anwesenheit des türkischen Polizeichefs. Die Zensur der türkischen Depeschen erfolgt durch die Botschaftsdragomane, die abwechseln. Die Oberleitung des Zollamts führt ein französisher Schiffskommissar, dem ein italienisher Rehnungsbeamter PMlegeden ist. Jn der Zoll- amtsfasse wurden 48 Piaster vorgefunden. Die Einnahmen des ersten Tages betrugen 4964 Piaster, die bei der Ottoraan- bank niedergelegt wurden. Wie die „Agence Havas“ meldet, erklärte ein Offizier des Demonstrationsgeshwaders, daß der Gouverneur von Mytilene fih vorgestern an Bord des östers- reichishen Admiralschiffes begeben und dem Admiral Ripper ein amtlihes Telegramm aus Konstantinopel mit- geteilt habe, in dem es heißt, daß dic Pforte der Kontrolle in Mazedonien nach Annahme gewisser Aenderungen zustimme. Admiral Nipper habe dem Gouverneur geantwortet, daß, falls die Pforte niht bis Sonntagmittag die Forderungen der Mächte endgültig an- nehme, das internationale Geshwader die Jnseln Lemnos und Imbros beseßen werde.

Amerika.

Aus Georgetown (British-Guyana) meldet das „W. T. B.“, daß die dortigen Dockardeiter, die sih im Aufstand befinden, seit Mittwoch revo ltieren und die Läden plündern, sodaß die bewaffnete Macht wiederholt einschreiten mußte. Seit vorgestern werden die öffentlichen Gebäude, in denen sich der Gouverneur sowie dê7 Pie dortigen Truppen be- fehligende Oberst und Fi&c&1.7fziere befinden, von den aufrührerischen Arbeitern belagert.

Parlamentarische Nachrichten.

Die Fortseßung des Berichts über die gestrige Sizung des Reichstags befindet sih in der Ersten Beilage.

Der heutigen (5.) Sißung des Reichstags wohnten der Staatsminister, Staatssekretär des Auswärtigen Amts Dr. Freiherr von Richthofen und der stellvertretende Direktor der Kolonialabteilung des Auswärtigen Amts Erb- prinz zu Hohenlohe-Langenbucg bei.

Auf der Tagesordnung steht zunächst eine Reihe von Rechnungsvorlagen. Die Üeberficht der Reichsausgaben und -einnahmen für das Rechnungsjahr 1904 und der Ein- nahmen und Ausgaben für das Schußgebiet Kiautschou, die

über den Haushalt des Schußgebiets Kiautshou für 1900 bis 1902 gehen ohne Debatte an die Rehnungskommission.

Jn einmaliger Beratung wird die Denkschrift über die seit dem Jahre 1875 erlossenen Anleihegeseße erledigt. Der Reichsta 4 Vorschriften genügt ist.

Der Gesetzentwurf, betreffend die Kontrolle des Reichs8- haushalts, des Landeshaushalts von Elsaß-Loth-

ringen und des Haushalts der Schußgebiete für | 1905, wird in erster und zweiter Beratung ohne Diskussion |

dur unveränderte Annahme erledigt.

Schußgebiete für 1905. Die Vorlage verlangt als erste Rate 5 050 000 /( zum Bau einer Eisenbahn im Südwest -

afrifanishen Schußgebiet von Lüderißbucht nach |

Kubub.

Stellvertretender Direktor der Kolonialabteilung zu Hohenlohe-Langenburg: Nahdem ih erst Tagen die Stellvertretung des beurlaubten Direktors der Kolonial- abteilung übernommen habe, werden Sie erwarten, daß

Geschäfte zu vershaffen. Ich werde mir daher erlauben, die Räte

der Kolonialabteilung zunächst zu beauftragen, den Herren in bezug } auf die Einzelheiten Rede zu stehen. Heute handelt es sich um eine ! Vorlage, die nah meiner Peberzeugung von einer derartigen Wichtig- | keit ist und auch verhältnismäßig jo klar liegt, daß ich cs für meine ; | im Mai mit Kirschen, im Juni mit Aprikosen, im Juli mit

Pfirsichen und, von Anfang

sie Ihnen s\elbffst mit einigen Worten warm

Pflicht eratse, i Es banlt sich um den Gisenbahnbau von Lüderißz-

ans Herz zu legen.

buht nah Kubub, der Ihnen als zweiter Nachtrag zu dem Etat für ;

das südwestafrikanishe Schvßgebiet für das Etatsjahr 1205 zugegangen ift. Die ganz abnormen Aufwendungen, die für den Trar8port von

Fourage und Proviant gemacht werden mußten für denjenigen Teil ;

der Schußtruppe, der jeßt im Süden gegen die Hottentotten kämpft, haben die Erwägung. nabe gelegt, o hier eine Abhilfe zu hafen. Schutzgebiet in leßter Zeit gebefsert. Durch den Tod des Henrik Witboi und dur die Unterwerfung seines Nachfolgers ist Aussicht vorhanden, daß der Aufstand allmählich abflaut. Immerhin kann nicht abgesehen werden, wie dtese Unterwerfung auf die im Süden des Schutz- gebietes noch selbständig gebliebenen Hottentottenstämme einwirken wird. Wie Ihnen bekannt, stehen sie unter einem energishen und

erklärt, daß durch die Vorlegung den geseßlichen |

; Pflanzenwelt verdanke und wie unsäglih vielseitig ih das

Es folgt die erste Beratung des zweiten Nach- | der fast

trags zum Reichshaushaltsetat und zum Etat der |

Erbprinz | vor einigen |

nicht von mir ih in der nähsten Zeit Ihnen über alle Einzel- | beiten der Kolonialverwaltung Auskunft geben kann, da es bei dem ! Umfange der Tätigkeit, die die Kolonialverwaltung erfordert, nicht | möglich ift, in so kurzer Zeit ih eine e Uebersicht über die !

| zitronensaurem Kalk,

es ni@t notwendig wäre, ; Zwar haben sih die Verhältnisse im ;

geshickten Führer, Morenga und dev Kampf kann dort noch keines- wegs als beendigt angesehen werden. 7

Bei Schluß des Blattes fährt der Redner fort zu sprechen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Zur Zrbeiterbewegung.

Die dem „Verbande“ angeshlofsenen Steinarbeiter Berlins beshlossen, der „Voss. Zig.“ zufolge, am Donnerstag in außerordentlich ¡ahlrei besuchter Versammlung, den mit der Innung vereinbarten era der am 31. März nächsten Jahres abläuft, zu kündigen und dem Obermeister folgende Forderungen zu unterbreiten: Erhöhung des Mindeststundenlohnes von 78 auf 83 S für Bau und Werk- play. Für außerhalb eine Zulage von 3,50 & den Tag. Auf den Werkpläßen Scluß der Arbeitezeit um 5 Uhr Abends, unbekümmert der atstündigen Arbeitszeit usw. Der Tarif der Schrifthauer, der dem A angefügt ist, wird gleichzeitig gekündigt und deren P ei der Tarifberatung mit vertreten. Die Fliesen-

egerhilfsarbeiter Berlins, die im Verband der baugewerblichen

Hilfsarbeiter* organisiert find, beschlofsfen nach demselben Blatte am Freitag in einer Versammlung, den am 31. Januar ablaufenden Tarif- vertrag zu kündigen und den Arbeitgebern folgende Forderungen zu unterbreiten : Der Stundenlohn beträgt vom 1. Februar 1906 ab bis 1. Oktober 575 A, vom 1. Oktober 1906 bis 1. Oktober 1907 60 bei neunstündiger täglicher Arbeitszeit ; für ungeübte Arbeiter anfangs 623 4, nah sechs Wochen 55 H usw., die Kündigungsfrist ist eine achtwöchentliche. :

-In Duisburg sind, wie die „Nh.-Westf. Ztg.“ meldet, zwei Drittel der Hafenarbeiter ausftändig. Der Verband der Hafens arbeiter hat den Getreideimportfirmen einen Lohntarif vorgelegt, in dem ganz erheblihe Lohnforderungen enthalten find. Die Arbeitgeber "zeigten sch nicht grundsägli*ß abgcneigt, den Wünschen näher zu treten, lehnten es aber ab, mit dem Ver- band als solchem zu verhandeln, da defsen Leiter in Duisburg

anz unbekannt ist. Dagegen waren fie bereit, fi in dirckte Ver- andlungen mit ihren Arbeitern einzulassen. Die Arbeiter mehrerer Firmen sagten darauf für Mittwochabend zu, diese Verhandlungen aufzunehmen, erschienen jedech nit und traten am Donnerêtagmorgen in den Ausftand. = /

Der Ausstand in den Fahrradwerken der Firma Gustav Hiller in Zittau (vgl. Nr. 271 d. Bl.) ist, der „Köln. Ztg.“ zu- folge, nach dreiwöchiger Dauer nunmehr beendet. Alle Streitigkeiten sind beseitigt worden. Am Montag wird der Betrieb im vollen Um-

fang wieder aufgenommen.

Kunft und Wissenschaft.

A. F. Die leßte Sißung der „Brandenburgia", Gesell- \chaft für Heimatkunde, am Mittwochabend wurde durch Mit- teilungen des Vorsitßerden, Geheimrats Friedel und Vorlagen aus dem Märkischen Provinzialmuseum eröffnet. Unter den ersteren erregte der Lageplan der Mer Ausführung entgegengehenden Nord-Süd- Untergrundbahn besonderes ute, unter den leßteren ein kostbarer, kunstvoll gearbeiteter Ring, der bei Bitterfeld gefunden worden ist, desgleihen cine Anzahl von Urnen und Beigefäßen aus dem Luckauer Kreise, darunter ein gele Gefäß, dem mit Hilfe der drei in den weihen Ton abgedrückten Mittelfinger ein ungewöhnliches Ornawent, nämlich von oben nach unten gehende, regelmäßige Streifen, ersihtlich durch eine junge, wahrscheinliß weibliche,

erson verliehen worden ist. Unter den Grabbeilagen befinden

ch ein langes Feuersteinmefser, ein geschlagenes Feuersteinbeil, Finger- ringe aus gebranntem Ton, Bronzeverlen u. st. \., alles Gegenstände, die den E als der ältesten Bronzezeit angehöôrig beglaubigen. Lebhafte Grörterungen ræf ein {ön gestaltetes, urnenartizes Tongefäß hervor, das bei Treuenbrietzen, angeblich noch Leienbrand enthaltend, aus einer Sandgrube herausbefördert worden ist. Es unterscheidet ih technisch sowohl durch die saubere Shlämmung des Tones und den guten Brand, als durch seine Herstellung auf der Töpferscheibe so wesenilih von allen ähnlihen Funden, daß man versucht wäre, an eine

Mystifikation zu glauben, wenn es anderseits niht unwahrscheinlich -

dünkte, G: gerade ein so selten hübshes Stü eine derartige Verwendung grie aben sollte. So wird man annehmen müssen, daß man ein n römischer Zeit aus dem Westen eingefübhrtes Grabgefäß vor sich hat. Die Sammlung alter Stitereien, Web- und Druckftoffe des Museums if durch ein Stück bereichert worden, das die eingestickte Jahreszakl 1802 und den Herstellung8ort Potsdam trägt und als ein „Sticktuh“ anzusprechen ist. Um es den „Erinnerungstüchern“, die man früher liebte, beizuzählen, fehlt ihm Bezugnahme auf irgend ein aktuelles Eceignis.

Professor Pniower beritete über die dramatische Dichtung eines Oesterreihers, Nudolf Holzer, der unter Mißachtung der Pietät für Heinrich von Kleists den gleichen Gegenstand behandelnden Roman

: H L N : di \hihte v Kohlhaas i tter bringt. allgemeine Rehnung über den Reichshaushalt für 1901 und ! E O I TE Q Oie Mee JANIE, Ane

Drama mat starke Anleihen bei Kleist, wenn es sich au den Schein gibt, Original und geschichtlich treuer als Kleists Erzählung

| zu sein.

Den Vortrag bes Abends hi-lt Fräulein Glifabeth Lemke über „Jtaliens Pflanzenwelt in Berlin“. Die Vortragende gebört zu den in Deutschland diht gesäten Bewunderern des Landes, wo die Zitronen blüben, und das sie genau kennt. Der Vortrag galt dem Nachweis, welchen Fruht- und Blütensegen Berlin der ae ien ülihorn dieser Gaben Jahr für Jahr für die Berliner erweise. Doch Fräulein Lemke tat mehr, als dur die Aufzählung dieser guten und nüß- lihen Dinge zu unterhalten. Sie fügte auch interefsante historishe, geographishe, fiatistishe, botanishe Mitteilungen uners{chöpflichen Zahl von Einjzeldarstellungen bet, an deren Zusammentragung sie mit actes gearbeitet. So erfuhr die von dem Vortrage Aefefelie Zubörerschaft, daß die Apfelsinen, wie ihr italienisher Name Portogallo bezeuge, über Portugal aus China in Italien eingeführt seien, daß erst um die Mitte des 15. Jahrhunderts die Länder um das Mittelmeer den Orangenbaum zu kultivieren begannen, daß dagegen die Zitrone {hon den alten Nöômern als persisher oder medischer fel bekannt gewesen, die allgemeine Einführung threr Kultur aber den An- regungen der Kreuzzüge zu danken sei. Heute ift es \{wer, zu entscheiden, welWe von den beiden Früchten für Italien und die Welt die wichtigere [el Neben ibnen spielen die verwandten bitteren Pomeranzen und die Mandarinen nur eine bescheidene Rolle. Die -Zitrone hat vor der Apfelsine vielleiht die höhere icch- nise Verwertbarkeit voraus. Es sind große Mengen von

die von Sizilien es werden. Die Apfelsine, von der ein großer Baum bis 3000 Früchte trägt, wird zu drei verschiedenen Zeiten geerntet, Gnde Oktober, im Dezember und im Frühjahr, die Zitrone entsprcchend Juli bis September, November und Januar. Italien ist es, das Berlin hon

fi nfang August beginnend, mit Trauben versieht, später auch in alljährlich steigenden Mengen mit Aepfeln und Birnen. Andere ia Deutschland keiner einheimischen Kon- kurrenz begegnenden Früchte sind die frischen und getrockneten eigen, die italienisGen Miispeln, die grünen und reifen andeln, die Melanganen genannten kirshenartigen Früchte, die Maronen, das Johannisbrot, die Oliven. Nit zuletzt fei als Produkt der Pflanzenwelt neben dem Wein des Oels gedacht - als Erzeugnis des aus dem südlihen Vorderasien ers von den Römern in Italien eingeführten ODelbaums. Auch die shmackhaften Makkaroni cnt- stammen ja der italienishen Pflanzenwelt; nicht mind-r die Kavern, die Wacolderbeere, der Lorbeer, der Fenchel, die Artischoke, die aus Amerika eingeführte, in Jtalien das ganze Jahr gedeihende

Tomate. Italier is auch das eigentliche Ursprungsland des Kohls,

N Waffen usw. sein,

Ï grapbien. # im Bilde festgehalten, sondern bei ihrem täglihen Tun und Treiben und mit besonderer Vorliebe bei ihrer regelmäßigen Arbeit. Mehr F als 1000 Photograpbien bat er mitgebracht und gibt über das Leben Ï dieser Stämme eine Uebersicht, wie sie in aleide

j Gestellen verwahrt. |Erstaunliches.

Min gel

WWennis.

besonders des Blumenkohls und Wirsingkohl8; es versorgt uns damit und mit frühen Gemüsen aller Art, vor allem aber mit vorzüglichen Kartoffeln lange vor der Zeit, wo unser heimishes Klima solche ge- währt. Erwähnt sei als italienisches Pflanzenprodukt noch der Sumach, den der Perückenbaum liefert, das Manna, der eingetrocknete aus- geflossene Saft verschiedener Bäume und Sträucher, namentlich der fkalabrishen Esche, die Lakrißze, der eingekohte Saft des Süßholzes, und eine außecordentliße Menge von Pflanzen und Pflanzerteilen, die zu eo gesammelt werden, z. B. die Arnica- und Lavendelolüte, Granatapfelschalen, Gukalyptusblätter u. a. Nicht vergessen darf au das feine italienishe Stroh werden, das als feinstes Gefleht, namen!1lich von Fiesole bei Florenz, ausgeführt wird. Und zuleßt, aber nicht zumindest sei preisend gedacht der Pracht der italienischen Blumen, die uns das ganze Jahr zusirömen, aber vor allen: im Jahresbeginn uns entzücken, wenn fie uns, die wir noch von Schnee und Cis umgeben sind, den Lenz vorzaubern. Kommen die meisten dieser Blumensendungen auch von der politis zu Frank- rei gehörigen NRiviera di Ponente, aus Nizza, so sind sie doch dem italienishen Klima gutzuschreiben. Uebrigens stammen die hberr- lichen vielfarbigen und großblütigen Anemonen zumeist aus der römi- {hen Campagna, und wenn wir gerade jeßt auf der Straße durch den Anblick des rotbeerigen Ruècus und große, blühende Zweige des blaugrünen Eukalyptus erfreut werden, fo find auch das Gaben Italiens, die leßtgenannte zugleih eine Erinnerung an die Bereicherung der italienishen Pflanzenwelt durch die gelungene Einführung der etwa 140 Sorten dieses ursprünglih australis&en Baumes, der s dem Boden Italiens auzgezcihnet angepaßt hat und berufen \{eint,

durch sein s{chnelles Wachstum und seine Fähigkeit, Wasser aufzusaugen,

das Land von den Sümpfen zu befreien, die von jeher einen so großen Abstrih an dem Zustande sciner Bodenkultur machten.

Im Aue des Königlichen Museums für Völkerkunde in Berlin hat der Vr. Theodor Koch vom April 1903 bis Juni 1905 eine Forschungsreise ins Innere von Südamerika unter- nommen und auf ihr lange Zeit unter: Indianerstämmen gelebt, die zum Teil vorher noch keinen Weißen gesehen hatten. Als früherer Philologe bat der Forscher sein Nau enmerk auf die Indianer- sprache gerichtet und auf seiner Reise über 40 Vokabularien an- gelegt. Für das große Publikum fesselnder dürfte aber eine von Dr. Koch bewerkstelligte reihe Sammlung ven Hausgeräten, Trachten, s die jest im Museum für Völkerkunde auf- gestellt wird und über die in ter „Täglihen Rundschau“ von Dr. H. P. ausführlich berihtet wird. Diesem Bericht ist das folgende entnommen: Der Wert der Kcchs{en Sammlung beruht niht allein in der Seltenheit vieler Gegenstände, die unter anderen Verbältniffen nur ungern den Weißen überlassen werden, sondern auf den Grundsäßen, nah denen sie zusammengebracht wurden. Dr. Koch zeigt uns alles, was diese Naturvölker berstellen, von den ersten An- fängen in jedem Abschnitt der Arbeit bis zu ihrer Vollendung. Man sieht alle Stücke bom robesten Anfang an, teilweise bearbeitet, halbfertig usw. bis zur Vollkommenbeit. Und wie das alles gemacht wird, kann man genau verfolgen auf den zablreihen {önen Photo- Der Forscher hat die Indianer niht nur bei ihren Tänzen

( Vebe i r Vollkommenheit untec ähnlihen Verhältnissen bisher wobl noh nie erzielt wurde.

Eine große und besonders wichtige Abteilung bilden die Tanz- masken. Sie werden nur von Männern getragen, die sonst nackt gehen, ferner nur bei Gelegenbeit einer Totenfeier, und stellen dur(- weg mebr oder weniger bôse Geister dar. Meistens rübren sie her vom Stamm der Kobeua, der an dem seiner Stromschnellen wegen gefürhteten Rio Uaupés haust. Vielfah haben die Tänze theatralische Lebendigkeit, wie man aus den M ograpen erkennt. Zur Hers stellung der Masken wird weißer Baumbast weichgeklopft, zusammen- genäht und mit bunten Ornamenten bemalt, die ihre besondere Bes puting haben und dem Charakter des betreffenden Dämons ent- prechen. Á __ Ersftaunlih ift die Keramik dieser Indianer, deren Tongefäße sehr s{ône Form und Ornamentik in {warz und rot zeigen und dabei ohne Drebscheibe mit der Hand hergestellt sind. Um sie vor Beschädigungen besser zu s{hüßen, wérden die Gefäße auf geflobtenen Im Flechten leisten diese Indianer überbaupt Ihre Körbe jeigen eine verblüffende Fülle \©öner Morin und regelrechte, alcibmäßige, hübsche, farbîge Muster. ‘raftisch ist der „Feuerfächer“, der zur Anfahung der Flamme dient und galeih jedem Fächer mit der Hand bewegt wird.

Au an Shmuck fehlt es den Indianern nit, der nur bei den

Mgewöhnlichen Tänzen getragen wird, aub wieder bloß von den WÆNännern.

Besonders bemerkeaswert ist hier der Kopfpuß. Er

esteht aus herrclihen Federkronen, die nach Art von Diademen

Mgeegt werden und geschmackvoll zusammengefeßt sind, meistens

und rot aus Federn des Arara. Darüber ragen hoch empor Büschel von weißen Reiherfedern, und hinten hängen weiße predervóoas oder Schnüre aus Affenhaaren tief herab. Daneben finden ch als Kopfs{muck auch mit bunten Federn gekrönte Stäbe, um die nit unendliher Mühe gani kleine weiße Federn Stück für Stück an- inandergereiht sind. ie Tänzer tragen während des Festes ebenfalls it Ri mustern rei verzierte Kürbisrasseln in den Pemnen, mit denen le den Tanzschritt begleiten. Den kostbarsten Shmuck bilden zylindrische uarze, die geglättet und durchbohrt sind und um den Hals an Sdhnüren getragen werden. Der furchtbar harte Stein wird man sieht das ans{chaulich auf den Bildern und an den mitgebrahten Proben durch schräges Klopfen mit einem anderen runden Stein derselben harten Art in die gewünschte ou gebracht und geglättet. Vann wird auf eine bestimmte Stelle ein spizes Holzstäbchen gesetzt nd unter Hinzutun von Wasser hin- und bergedreht. Auf folche Art ird zulegt der Stein durchlöhert. Daß dies jahrelang dauert, ist eid, und darauf beruht auch die große Wertshäzung dieses Shmudes.

Ein beliebtes Instrument der Indianer ist eine Flöte, aus Rohr ergestellt, die in Form und Ton der griechischen i ads gleiht. Außer- em findet man auch Flôten, die aus den Knochen von Jaguaren oder dirschen hergestellt und öfters mit Käferflügeln ges{chmüdckt sind. Am dinterkopf sind als Shmuck in die Haare gesteckt feingearbeitete amme (wie fie font in gleiGer Art zu Reinlihkeitszwecken enen), die an beiden Seiten mit Federn oder Affenhaar- Ynüren verziert sind. Ein beliebter Scchmuck endlih nd auch die metallish glänzenden Flügeldeden großer fer, teils für sch allein zu langen Schnüren vers nigt, teils in Verbindung mit Borten aus Federn uxd aus Haaren. eben dem Tani gibt es Spiele. So ist sehr beliebt eine Art von

h Aus Maisblättern find langstielige, leihte Schlagbälle her- stellt, deren unteres Ende einer Kugel gleiht. Sie werden nur mit „Hand geworfen und weiter geschlagen und dürfen niht die Erde ühren. Recht beliebt sind auch die A von denen der eilende eine Anzahl Figuren auf Papptafeln aufgenäht fest-

Was die Malerei der Indianer betrifft, so nebmen sie für die warie Farbe Ruß, den sie von den Kochtöpfen abkrazen und mit

Saft einer Gummipflanze verreiben, um ihn baltbar zu maten. ot wird von einer Pflanze gewonnen, und Gelb ift ein Ton. Die ute bedienen \ih vielfa richtiger Schablonen, beispielsweise um die rben auf ihren Körper aufzutragen. Sonst benutzen sie gewöhnlich i aneinander befestigte Malstäbchen, sodaß also damit immer gleich 1 Streifen auf einmal gemalt werden. _Ein praktisches Gerät sind nette, an Schnüren bängende üblhen, in die ganz kleine Kinder geseßt werden. Man könnte ses Möbel auch bei uns sofort verwenden. Ebenso die Fischerei- râte, die den im äußersten Osten Europas gebräuchlichen gleih- rig sind: Netze, Reufen, Krebskäsher und Dreizack zum Fisch- en (natürlich ein hölzerner). Als Waffe dient das Blasrohr, en Pfeil eingekerbt (um in der Wunde abzubrechen) und mit Curare

üéhalten hat

vergiftet ist. Selbst große Tiere werden dadur sofort gelähmt ; ihr

[eis fann nachher gefabhrlos verzehrt werden. Außerdem findet man

ogen mit Giftpfeilen und ferner vergiftete Lanzen. Andere, mit reizend bunter Federmosaik geschmüdckte Zierlanzen und aus Shling- pflanzen kunstreih geflohtene Schilde werden nur beim Tanz ge- braucht. Die Giftpfeile werden gewöbnlich in Köchern aufbewahrt. Das Gift selbst kann man als dunkle Linie an der Spitze der Pfeile deutli erkennen. Auch medizinische Inftrumente stellen sh diese Indianer her. So sind in ein Stück Kürbi2shale ganz kleine, aber sehr scharfe Fischzähne eingelafsen, mit denen die Dans gerißt und zum Bluten Free wird, um eine Art von „Aderlaß* zu berirken.

__ Zum SŸluß noch einmal der Tanz. Bei bestimmten Gelegen- beiten blasen die Männer auf gewaltigen Tuten und Fköten, die die Weiber und kleinen Kinder beileibe niht sehen dürfea, «Hinter ge-

; schlofsenen Türen“ des Sippenhauses erfolat der Tanz, bei dem eîn-

zelne Männer Masken, die an die bayerischen Gugln erinnern, aus Affenhaaren tragen. Schon der bloße Anblick dieser Masken würde, wie derjenige der Rieserflôöten, tödlih auf die Weiber wirken. Alle bei diesem religiösen Tanz gebrauchten Gegenstände werden von den Indianern sehr heilig gehalten und find zum Teil uralt Daß es troßdem dem jungen Forscher gelang, auch hiervon einzzlne Proben mitzubringen und fozar von dem Tanz Bilder aufzunehmen, ist be- sonders bech zu säßen. Das „ESlanzstück* indessen der gesamten Schätze ist do, der Ansicht des Verfafsers nach, eine riesize Signal- trommel, deren Transport allein {on sehr große Schwierigkeiten ge- mat baben muß. Sie gleicht einem gewaltigen hölzernen Zylinder und dient zur Uebermittelung von Nachridten auf sebr w-it?z Ent- fernuagen. Wir finden in ihr also ein volkommenes Seitenstück zur Trommelsprache der Kamerunneger.

Aus Paris wird dem „W. T. B.* gemeldet: Der Chemiker George Claude teilte im Verein der Zivilingenieure mit, daß es ihm gelungen sei, die Scheidung des Sauerstoffs und Stick- stoffs der flüssig gemahten atmosphärishen Luft im großen und auf billige Weise zu bewerkstelligen.

Literatur.

Kaiser Wilhelm des Großen Briefe, Reden und Schriften. Ausgewählt und erläutert von Ernft Berner. 2 BVânde. Berlin, Verlag von Mittler u. Sohn, Ksniglihe Hof- bubandlung. (6 , geb. 8 4A) Die Aufzeihnungen der drei großen Paladine des ersten Hobenzollernkaiseré sind als hervorragende

geshihtlihe und menschliche Dokumente veröffentliht worden und !

werden für alle Zukunft zu den hauptfählihsten und zugleih er- freulidsten Quellenwerken für die Geschichte der Aufrihtung des neuen Deutscden Reichs zäblen._ Eine Sammlung der Briefe, Neden und Striften, kurz der s\Priftlichen Hinterlassenshaft des großen Kaisers selb| fehlte bisber; sie lagen zerstreut in größeren Geshihtswerken, in Zeitschriften oder befanden ih als dankbar behüteter Schaß in Privatbesißy. Mit Freude wird daher der Historiker wie jeder Deutsche, der vaterländishe Gesinnung als den Kern männlihen Wesens hegt, die vorliegende Sammlung be- grüßen, die der inzwishen verstorbene Königliße Hausarchivar, Geheime Archivrat Dr. Ernst Berner mit Sachkenntnis zu- sammengestelt und erläutert hat. In die Bücher, deren erstes Aufzeihnungen aus den Jahren 1797—1860 enthält, während im zweiten Band Aufzeihnungen von 1860 bis zum Tode des verewigten Herrschers Plaß gefunden haben, sind nur solhe Stüde aufgenommen, die vom Kaiser persönli niedergeschrieben wurden oder auf deren Fassung er einen persönlichen Einfluß ausgeübt hat. Die Stücke sind nach Umfang und Inhalt von der ver-

schiede-sten Art: neben eingebenden Denkschriften militärishen und |

politishen Inbalts finden sid Ansprachen und sonstige Körperschafien, Briefe an Fürstlichkeiten, Staats- männer, Militärs und persönlihe Freunde; von diesen sind wiederum die einen voll s{chwerwiegenden politishen Inhalts, die anderen der Ausdruck persönliGer Gefühle und Beziehungen.

Wer in diesen beiden umfangreihen Bänden liest, wird immer von |

neuem gefesselt werden von der eigenartig großen Persönlichkeit des

ersten Kaisers, dessen äußerer Lebensgang fast ununterbrochen ein Auf- | wärts\{reiten bis zu der böhsten Höhe des Erdendaseins darstellt, ! während si sein inneres Wesen ebenso ununtecbrohen und stetig zu |

immer reinerec und edlerer Menschlichkeit entwickelte: ein selten einheitliher Charakter, ohne Zwiespältigkeit; ein selten fester Wille, ohne Schwankungen. Die s{chlichte Frömmigkeit, die den Knaben und Jüngling erfüllt,

und s{chwere Lebenserfahrungen, den Regenten

einnimmt, läßt sich bis in die Zeit zurückverfolgen. wo der jugend- lie Fürst zuerst mit den Staatssahen nähere Füblung ge- wann. Das treue, unbeirrte Festhalten an dem für erkannten Wege und das durch fkeinerlei äußere Einflüsse

geber, ift diesem Fürsten durch sein ganz:s Leben eigen, wie ihn bei

dem natürlihen Gefühl seiner Würde nie aufrihtige Demut vor den | alles beherrshenden Gewalten verlassen hat, und wie Pflichttreue und | Von all diefen großen

Milde ihn zu allen Zeiten auszeihneten. Gaben des Verstandes und des Gemüts legen die Aufzeihnungen des aroßen Kaisers ein beredtes Zeugnis ab.

vaterländishen Bewußtseins die weiteste Verbreitung zu wünschen.

Kritishe Einführung in die Philosophie von

Berlin, Verlag von Mittler und Sohn, Köntg-

Rudolf Eisler. C M 7,50, geb. 8,590. Der Verfasser des

lihe Hofbuchhandlung.

vorliegenden Buches hat ih durch sein aründlihes Wörterbuch der ! philofophishen Begriffe, das vor etwa Jahresfrist in demselben Verlage | ersien, einen guten Namen als Gelehrter auf dem Gebiete der Philo- ist durchaus | erörtert flar | Denten Minder- ! Grundprobleme der ges !

sophie gemacht. Seine „Kritishe Einführung“ geeignet, diesen Ruf weiter zu begründen, fie und au dem an philofophish -abstraktes euüblen durchaus verständlih, die amten Philosophie und bietet zugleich eine Enzyklopädie.

Art philosophischer

einer saclichen Kritik der einzelnen Systeme zu 1elbständizer Stellung- nahme anzuregen. | knapp und klar dargestellt, die Kritik durhaus sachl:ch und vornehm. Die philosophische Eigenanshauung des Verfassers, mit der er nicht ¿urück-

bält, die sih aber nirgends polemisch in den Vordergrund drängt, dürfte |

sfih im wesentlihen mit der seines Lehrers Wilbelm Wundt deckzn, dem das Buch gewidmet ist. Das Buch ift in erster Linie für gebildete Laien und für Studierende aller Fakultäten als Einführung in die

gängen der Probleme un zu selbständigem Vorgehen anregenden Führer umseben.

Helden des Alltags. Ein Novellenbuch von Ernst Zahn. Stuttgart, Deutshe Verlaasanstalt. geheftet 4 4, gebunden

9 H Der Titel dieser neuen Novellensammlung des Schweizer | ZREN ist für jede der darin Fnthattenen Geschichten kennzeihnend. | I8 i e g bei j ) i p E B AR DN VOrUMIES Darben, enschen [eus SIeOne, lis i Morgen nachmittag wird zu kleinen Preisen „Der Freishüz“ wieder- als Sieger oder Besiegte vorüberzieben, cin \&lichies Heldentum |! l 4 Es spricht ein tiefsitt- | licher Ernst aus dem Buche und eine starke, mitleidsvolle Liebe für alles !

Zahn im Ringen des Altags schildert, die, ob

in ibrer Einfalt und stillen Kraft verkörpecn.

Erschaffene. Ecnst Zahn weiß den Leser für die Gestalten, die er

an parlamentarische | bef

| abend y | Dietrih, Rotbauser, Scheele-Müller, die Herren Bachm

leitet, gefa dur große | Dietrib, Rotbauser, von Scheele-Müller, die Herren Bachmann, 2 den und König dur ! politishe Kämpfe und über ernfte Schlachtfeldec, und sie bleibt | dem Kaiserlihen Greise bis zum leßten Atemzuge die tiefste und | reiste Quelle, aus der ihm Stärke und (Frquickung quillen. Der | klare, fast nühterne Sinn im Erfassen der realen Verhältnisse, der | die erste Stelle unter den politisGen Fähigkeiten dieses Herrschers |

recht |

Der Satitung ist daber | Käthchen von Heilbronn* gegeben.

sowohl im Interesse der geshihtlichen Erkenntnis, wie in dem des |

y Der Verfasser gibt durhaus objektiv ein Bild von der ! Mannigfaltigkeit der philosophiihen Grundfragen und verfolgt die : verschiedenen Richtungen der Löfungsversuhz, um dann an der Hand | Die bistorishe Entwicklung ift eingehend und doch | E gegeben, morgen abend geht „Flachs8mann als Erzieher“, ' am Monta

zeihnet, innerlih zu erwärmen, obwobl seine Darfiellungsart fcei ven jedec Vefüblsschwelgerei bleibt und immer etwas Herbe3, Zurückhaltendes behält. Die beiden umfangreihstzn Geschichten des Buches ,Verena Stadler“ und „Vinzenz Püntiner“ sind auch zuglei die inhaltiich bedeutendsten. Jn beiden Erzäblungen scildert der Dichter Menaschzn, die ihr eigenes Ih und sein Wünschen über dem Gedeiben und Lebensglück anderer vergessen. Unter den fklei-eren Geschichten der Sammlung ist an erster Stelle „Das Leni“ zu nennen, die Tragödie eines Kindes, das unter eiaer selbt gewäblten Arbeitsüberlast zu Grunde geht. Freunzzn eines erquickenden Humors sei die Erzählung vom „Geißg-Christ-li* empfohlen, die von einem tapferen, kleinen Hirtenbuben berichtet. der Zwang und Enge einer städtishen Stellung aufgibt, um wiede: als armer Hütejunge die Höhenluft seiner Heimat atmen zu können. Im Hintergrund jeder dieser trefflihen Erzählungen steht die Bergherriich- keit des Schweizer Landes, deren ewige Größe neben der Enge und dem Mühfal der kleinen Mensengeschicke Ernst Zahn mit den Wort-n eines echten Dichters zu malen versteht.

Im Schloß. Erinnerungen eines alten Eisenacher Ki!:des. Neue Folge von Marie Rasch. Leipzig bei Friedrich Jansa, ge- bunden 80 4. Das hübsch ausgestattete kleine Buch lezt von Ges der Verfasserin, anmutig und stimmungsvoll aus vergar geaer Sagen zu erzählen, von neuem Zeugnis ab. Während Marie Na! ir dem ersten Bändchen ibrer Eisenacher Erinnerungen die alte Hofavoi befke und ihre Bewobner uns lebendig vor Augen führte, greift fie dieien weiter zurück. Es sind die Schickfsale der Herzogin Helene von Orleans die, soweit sie sih an die \chône Wartburgstadt knüpfen, hier erz:b! werden. Das Büchlein ist mit der woblaelungenen, bisher noD x veröffentlihten Nachbildung eines reivollen Gemäldes von Mori von Schwind aeschmüdckt, das den Meister selbt als Lehrer u: Kollegen der Malkunst neben der anmutizen Fürstin wieder, Das stimmungsreiche, kleine Buch kann nit nur allen Freunck Eiserabs, sondern au jedem Lehrer, der eine feinsinnige, von de bs stiller Erinnerungsdilder erfüllte Lektüre liebt, bestens empfob!: werden.

E S rRch

Ia L

Theater und Musik.

Theater des Westens.

Gestern bot die Charlottenburger Bühne den Zuschauern, groß und klein, die die weiten Näume bis auf den letzten Platz füli:en, seine erste Weihnachtsgabe. Ein Märchensviel , Slaraffenla d" von Aloys Pras, Musik von Gustav Steffens, ging dort ia Szene und ließ das Haus von dem stürmishen Jubel einer frob-n Kinderschar widerhallen, die mit leuhtenden Augen in das O haute, das sih vor ihnen auf der Bühne zeigte. Herr

ntendant Prash versteht es, wie von früher her no% in bester Erinnerung, nur zu gut, durch das gesprochene und gesungzne Wort und farbenprächtige, lieblihe Bilder auf die jugendliben Genmüter seiner Zuschauer Eindruck zu machen. In den Gestalten zweier S2Luil- knaben, eines fleißigen und eines trägen, die er in sein Shlaraffenl4nd auswandern läßt, führt er das lodende Dolce far niente und daneben au die gefahrvollen Schattenseiten dieses Zustandes ret eindringlich vor Augen. Die Aufführung dürfte somit auch nit obne erzieherischen Wert sein. In einem äußerst stimmungs3vollen Rahmen zeigt sich eine Ausstattung, die eines Feen-, Elfen- und Zauberrei%s würdig ist. Namentlih sind auh die eingeshalteten Tänze, Reigen, Gruppierungen und besonders ein an das naß-z:de Weihnachtsfest gemahnendes S{hlußbild von voetishem Reiz und vers fehlen ihre Wirkung auf die staunenden kleinen Zuschauer nicht. Die sichere Ausführung all - dieser glanzvollen Darbietungen ver- dient volle Anerkennung, namentli in Anbetracht der dabei zablreih mitwirkenden Kinder aus Fräul-zin Ma1y Försters Balleitsckule. Auch die begleitende Musik paßt in den Gesamtrabhmen hinein. Der Er olg eTuntete wiederum, welcher Beliebtheit sich unsere alten deuts ben Märchenstoffe erfreuen und wie erfrishend sie áuf Herz und Semüt E namentlich wenn sie so zu Auge und Ohr sprechend erzählt werden.

Im Königlihen Opernhause wird mcrgen, Sonrtag, „Bajazzi“ von Leoncavallo, in Verbindung mit „Coppelia“, Musik von L. Delibes, in der bekannten Besetzung der Hauptrollen wiezer- bolt. Am Montag beginnt eine Gesamtauffübrung von Richard Wagners Bühnenfestspiel „Der Rinz des Nibelungen" mit dem Vor- „Das Rheingold“. Die Damen Göte, Hiedler, Pa-bs,

Grüning, Krafa, Knüpfer, Mödlinger, Berger, Philipp sind in den Hauptrollen beschäftigt. Den Mime singt Herr Adalbert Lieban vom Stadttheater in Lübeck als Gast.

Im Königlichen Schauspielhause wird morgen Blumens thals Lustspiel „Der Schwur der Treue“ wiederholt. Infolge Erkrankung der Frau Buße sowie mit Rücksicht darauf, daß ein ent- sprehender Ersay nicht mehr zu erlangen war, hat die geplante

| Aufführung des „Froshkönigs“ für Montag, den 4. d. M., abgesctt

werden müssen. Es wird statt dessen „Wie die Alten sungen“* gegeben. Im Neuen Königlihen Operntheater geht morgen „Der

zu ershütternde Vertrauen auf für treu und befähigt erkannte Rat- | s{warze Demino“, fomishe Oper in drei Aften von Auber, mit

Fräulein Farrar als Angela in Szene. Außer ihr sind die Damen Nothaufer, von Scheele-Müller, die Herren Naval, Berger, Nebe, Knüpfer in den Hauptrollen beschäftigt. y

Im Deutschen Theater wird am Montag und Freitag Das ) ( An den übrigen benden der nächsten Wodhe wird Shakespeares „Kaufmann von Venedig" mit Agnes Sorma als Porzia und Nudolf Schildkraut als Shylock gespielt.

Das Lessingtheater bringt in nähster Woche Wiederholungen von Arthur Schniylers neuer Komödie „Zwischenspiel* außer morgen abend noch am Dienstag, Donnerstag und Sonnabend; am Montag sowie am Freitag wird „Stein unter Steinen“, am Mittwoch und nächsts- folgenden Sonntagabend „Die Wildente“ gegeben. Als Nachmittags- vorstellung wird morgen das Shauspiel „Die Weber", nächstfolgenden Sonntag „Die versunkene Glocke* aufgeführt.

Im Sqhillertbeater O. (Wallnertheater) geht morgen nadh- mittag Anzengrubers Weinachts\stück „Heimg'funden“, Abends fowie am Dienstag und Donnerstag „Zapfenstreih“ in Szene. Am Montag Me die erste Auffübrung des Dramas „Wanjuschins Kinder“ von Naidjonow ftatt, das Mittwoch- und nächsten Sonntagabend wieder- bolt wird. Am Sonnabend wird „Der Traum ein Leben“, nächsten Sonntagnahmittag „Nora“ aufgeführt. ImSchillertheater N. (Friedrich Wilbelmst. Theater) werden morgen und nächsten Sonxntag, Nachmittags, „Crainquebille“, „Die Bäuerin“ und „Abschied vom

„Gygzes und sein Ring“, Dienstag und Sonnabend „Der Veilchenfresser*“ in Szene. Am Mittwoch-, Freitag- und nädhsten Sonntagabend wird „Zapfenstreih“ aufgeführt, am Dienstag werden

| „Die Logenbrüder" wiederholt. Im Berliner Nathaufse findet

| morgen elt eine-Abend“, im Charlottenburger Rathause

Philosophie bestimmt, es kann aber auch allen denen angelegentli | (i „Händel-Abend“ statt.

empfoblen werden, die die Philosophie zu threm eigentlihen Studium |

‘erwählt haben und die a in den den Anfärger verwirrenden F: r- y

inem wohl i | steme nach ein ohlunterrihteten und | "Don Paëguale“, aûr Feliag Gb

! auf. Am | märchens

Im Theater des Westens beherrs{cht das Gastspiel des

i ttalienischen Tenors Alessandro Bonci den Svielplan der nâhsten

„NRigoletto“, am Mittwoh in Sonnabend im „Liebestrank“

ten8tagabend findet eine Aufführung des Weihnahts- „Sclaraffenland“ statt, das am MiitwoH und Sonn- abend, Nachmittags, zu kleinen Preisen als Kindervorstellung wieder- holt wird. Die Operette „Der Opernball“ wird morgen, sowie am Donnerstagabend und am nähsten Sonntagnalmittag gegeben.

Woche. Er tritt am Montag in

holt. Als 41. Klassikervorstelung geht am Donnerstagnachmittag „Gyges und sein Ring“ in Sjzene.

In der Komischen Oper beherrshea bis zum Donnerstag „Hoffmanns Erzählungen“ den Spielplan. Am Freitag wird