1905 / 293 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 13 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

machen lassen gegenüber den politischen Bedenken, die erhoben werden. Ich bate aber weiter aufgeführt, und das war der Zweck meiner Aus- führungen, daß durch die Diätengewährung allein die Uebelstände, über die sich der Reichstag beklagt, niht bescitigt werden können. Daß viele dieser Uebelstände in der Ueberlastung unseres öffentlihen Lebens liegen (sehr rihtig! rechts), in der Ueberlastung unseres öfentlihen Lebens, das alle Männer, die in der Oeffentlichkeit eine Rolle spielen, so in Anspru nehme, daß sie ihrer Aufgabe gar nicht gerecht werden können, da weder ter Tag noch das Jahr länger geworden ist, und ih habe daraus nahweisen wollen, daß es der Regierung unmöglich ist, bei diefer Sathhlage die geseßgeberischen Aufgaben alle zu erfüllen und fo bald zu erfüllen, wie es das bohe Haus wünscht. Meine Herren, niemand ist mehr davon überzeugt, wie ih, daß ein moderner Staat ohne ein einflußreiches Parlament gar nit regiert werden kann. Aber meine Ausführungen waren nicht ein Angriff auf den Reihstag, was mir vollkommen fern lag, sondern cine Verteidigung gegen die Angriffe auf das Verhalten der Regierung.

Abg. vonJazdzewski(Pole): Gegen meine Stammesgenossen in Nußland ist der Vorwurf erhoben worden, sie seien s{uld_ an den dortigen Wirren oder seien hervorragend daran beteiligt. Diefer Vor- wurf kann sie niht treffen. Der Reichskanzler nahm in seiner Rede darauf Bezug, daß in unserer Heimatprovinz die Ordnung verleßt werden könnte, davon kann absolut keine Rede sein. Troy der Drang- fale, die wir immer noch zu erleiden baben, werden wir stets bemüht sein, die größte Ruhe und Ordnung aufreht zu erhalten. Die Be- sprehung der polnishen Frage gehört zum eisernen Bestande des Reichstags. Wir verhandeln sie hier, weil sie keine spezifisch deutsche, sondern internationale Frage ist. Verwaltung und Gesetzgebung für die polnishen Landesteile stehen vielfah im Wrderspruh ¡ur Verfassung und Gesetzgebung des Deutschen Reichs. Die preußishe Regierung und Verwaltung troßt der Reichsgeseggebung. Das preufßishe Ansiedlungégeseß steht im Widerspru mit der Ver- fassung. Durch dieses Gese und dur die Beshränkung des Vereins- und Versammlungsrechts werden wir Polen gegenüber den Deutschen verkürzt. Wir verlangen ja nichts Außerordentlihes, wir haben immer erklärt, daß wir alle Pflichten, die uns das Gese auferlegt, erfüllt haben und erfüllen werden. Deshalb haben wir den Anspruch, daß uns das gl-ide Recht gewährt wird wie den übrigen Staatsbürgern. Andere Rechte verlangen wir in Preußen nicht, sondern nur eine Be- rücksihtigunz unserer durch Verträge garantierten nationalen Eigen- tümlichkeiten. Wie weit es aber bereits in Preußen gekommen ist, zeigt die leßte Thronrede (Redner zitiert den be- treffenden Passus), worin eine Anweisung an die Deutschen liege, in einer Provinz, wo die Polen heimisch find, Ländereien an Polen niht zu verkaufen. Die deutshe Regierung folgt ledigli den Forderungen des Osftmarkenvereins, und folchen Dingen gegenüber wundert man sih, daß die polnische Bevölkerung beunruhigt ift. Eine solche Politik, die die Interessen dtr cinen Be- völkerung gegen die der anderen auséfpielt, trägt niht zum Ausgleich der Gegensätze bei. Wir wünschen, daß die preußishe Regierung und die verbündzten Regierungen immer auf dem Wege des Nets wandern auch uns Polen gegenüber. . :

Abg. Frhr. von Hodenberg (Hospitant des Zentrums): Hin- sihtlih der Steuer auf Tabak und Bier und der Stempelabgaben fönnen wir uns den Erklärungen des Abg. Frißzen anschließen. Die Art der Verteilung der Matrikularbeiträge entbält eine Ungerechtigkeit. Deshalb wäre eine Aenderung der Verfassung erwünscht, die eine andersartige Verteilung vorsieht. Wie diese Verteilung im einzelnen zu gesehen hat, ist eine Frage, auf die ich niht eingehen will. In bezug auf das Schulden- tilgunasgeses haben wir den Eindruck, daß niht reine Bahn geshaffen, sondern bloße Flickarbeit geleistet wird. An neuen Forderungen für Heer und Marine werden wir alles bewilligen, was zur Verteidigung des Vaterlandes nüßlich ist, und alles ablehnen, was dazu dienen foll, Deutschland zu einer Seemadht ersten Ranges ¿zu machen. Die Forderungen für die Deplacemerts erscheinen uns begründet, wir werden sie wohlwollend prüfen. An die Offiziere und Unteroffiziere werden {on jeßt so große Anforderungen gestellt, daß es shwer wird, ibnen zu genügen. E3 freut uns, daß der Reich:kanzler die Ane.kennung für die Tapferkeit unserer Kolonialtruppen nahgeholt hat. Seine Be- gründung der Forderung für die Mehrausgaben für die Wehrkraft bot nihts Neues. Es muß im Auslande einen Eindruck hervorrufen, den wir nicht wünschen, wenn er immer wiederholt, Deutschland sei nit

enügend gerüst:t. Meine Partei ift in der glücklihen Lage, ohne Rückicht nah oben und unten das Necht zu vertreten. Die Jiolierung Deutschlands ist keine neue. Gerade fkonservaiiv und monarchish ge- finnte Männer sollten nicht über alles {weigen, und es ist ein vers bângnisvoller Febler, daß die aroßen Parteien es der Sozialdemokratie überlassen, den Finger in die Wunde zu legen. Woher rührt das Miß- trauen gegen Deutschland ? Unser steigender Wohlstand ift nit die Hauptursache. Die preußishe und deutshe Politik hat immer das Tragische gehabt, daß sie keine moralishen Eroberungen gemacht hat. Der Abg. Bebel hat darauf hingewiesen, daß heute mehr wie je von den Fürsten Hauspolitik getrieben werde. In Kopenhagen, Wien und London hat man au beute nicht die Ereignisse von 1864 und 1866 vergessen. Ich bin überzeugt, daß, wenn die Regierung im Innern des Reiches wieder den inneren Frieden {hafen würde, so würde fie auch im Ausland wieder Vertrauen gewinnen. Der Abg. Bebel ist im Nationalverein aufgewachsen, er hat vom Fürsten Bismarck gelernt und ist auf seine alten Taze - gewissermaßen nationalliberal geworden. Wenn man aus gewissen Ereignissen auf einen Rückgang des Sozialismus {ließen will, so möchte ich vor einer solchen Auffassung dringend warnen. Dem Staatssekretär stimme ich hin- sihtlih seiner Ausführungen über den Materialismus der bürgerlichen Gesellschoft zu. Byzantinismus, antimonarti‘che Gesinnungen, Sozializmus und revolutionäre Anschauungen herrschen gerade in ge- bildeten Kreisen. Die Beilegung des L ppe-Streites hat in Deutsch- land Freude bervorgerufen, und die Braunschweiger sagen nun: was dem einen recht ift, ist dem anden billig. Die religiölen Zänkereien, wie sie dur den evangelischen Bund großgezogen werden, sind im Interesse d¿s konfessionellen Friedens nur zu bedauern. Im übrigen dürfen wir es ausfpredWen, daß wir, wenn einmal {were Z:iten kommen, mit gutem Gewissen sagen kö1nen, wir haben unsere Pflicht getan, wo es notwendig war, zum Heil des auch von uns ge- liebten deut hen Vaterlandes.

Abg. Ri cklin (Elsäfser): Wir stehen auf dem Standpunkt, daß der chronishen Finanzkalamität des Neichez unbedingt abgeholfen werden muß, und daß neue Einnahmequellen ers{loss:n werden müssen; Sghulden dürfen für die Deckung laufender Auëgaben nicht mehr gemaht werden. Die Neichsshuld von 3/2 Milliarden ist bereits genügend groß. Theoretish hat ja freilich das Neich kein Defizit; es nimmt einfach von den Einzelstaaten die Mattrikularbeciträge. Es muß aber eine Aenderung dieses Systems eintretev, soll niht die Reichs- verdrofsenhzit noch größer werden und \{chließlich den Neichszedanken

anz unterdrücken. Wir Elsaß-Lothringer würden ja leicht eine

loriole erwerben können, wenn wir dahin wirkten, daß Elsaß- Lothringen bei der Schaffung neuer Reichéeinnahmen von Lasten ver- sckont bliebe; aber wir glauben, dem Reiche besser zu dienen, wenn wir bier e.flären, daß wir zur Vesserung der NReichéfinanzen mithelfen wollen, auch wenn es uns Opfer auferlegt. Wir sind Gegner jedes Krieges, wir wollen helfen, dem Deutschen Reiche den Frieden zu bewahren und es fstark zu machen. Wir haben geliehen, dcß im Sommer der Friede am seidenen Faden gehangen hat. Deutschland und Frankreich sollten, statt sich gegenseitig mit Krieg zu überzieben, li-ber ihre ungeschwädte Kraft in den Dienst zivilifatoris@er Mission stellen. (Beifall.) Mit Bedauern febe ib, daß entgegen dem Prinzip, daß die indirekten Steuern dem Reich, die direkten den Einzelstaaten gehören sollen, sich

unter den Steuervorlagen eine Erbschaftssteuer befindet. Nicht, daß ih ein Gegner der Erbschaftssteuer wäre, ih bin vielmehr ein warmer : Auhänger derselben. Ich bedaure deshalb, daß gerade die Partei, zu | der ih mich am meisten hingezogen fühle, diese Steuer will, und pes sogar für ihre Ausdehnung auf Deszendenten und Chegatten bei hohen

Vermögen auégesprohen hat. In Elsaß-Lothringen besteht eine große

Aufregung und Beunruhigung wegen dieses Reichs-Erbschaftssteuer- ; projekts. Es wird Aufgabe der Kommission sein, an diejenigen | Steuervorlagen, welch2 die große Masse belasten, im Sinne der Erleichterung dieser Lasten die bessernde Hand anzulegen. Die Be- | denken, die gegen die Einführung einer höheren Bier- und Tabak- |

steuer bestehen, kann ich nit teilen; ich fann mich nicht zu der j

Ansicht durchringen, daß Bier und Tabak unbedingt notwendige Nahrungsmittel find; je weniger jemand von beiden zu fich nimmt, desto gesunder wird sein Geldbeutel und auch sein Körper. Daß das Bier troz höherer Steu:cr niht teurer wird, sehen wir ja an Bayern. Begrüßen muß ih vor allem das Verbot der Surrogate. Was die Tabaksteuer betrifft, so würde ih begrüßen, wena es gelänge,

die minderen Tabaksorten mit der Steuer zu vershonen, dagegen die ;

Qualitätstabake stärker heranzuziehen. Mit der Besteuerung des Zigarettenpapiers \heint man mir über das Ziel hinausgeschoffen zu sein; für den kleinen Mann ift diese Steuer viel zu hoh. Sehr er- freut hat mi die Automobilsteuer und ganz besonders, daß auch die auswärtigen Automobile davon betroffen werden, denn wir in Eisaß- Lothringen können ein Lied davon singen, wie die fremden, die französi- {hen Automobile unsere Straßen verwüsten und das Leben der Bevölkerung gefährden. Aber für die Landärzte und deren Automobile sollte eine Ausnahme gematht werden; der Landarzt fann {on heute kaum ohne Automobil auskommen. Vorausseßung wäre dabei, daß es nur zwei Size haben darf. Für die Flotte schwärme ih nicht besonders; wir fönnen bei der Agitation dafür, daß wir neben der größten Landmaht auch die größe Seemacht haben müssen, nicht mitmahen. Kommt die größere Flotte dur, dann werden für sie aub mehr Mannschaften erforderli sein, das Plus an Mannschaften, welches der Marinestaat3sekretär braucht, bitte ih ibn, nicht aus Elsaß-Lothringen zu entnehmen. 1901 bis 1903 wurde ein Drittel sämtlicher Mannschaften in Eisaß für die Marine ausgehoben. Das ist zu viel. Einverstanden bin ih mit der Beseitigung der Matrikularbeiträge. Für die Ausgaben haben wir Elsäfser keine entsheidende Stimme ; wir haben nur zu zahlen. Der Etat eines kleinen Landes wie Elsaß Lothringen wird ins Schwanken gebracht, wenn vom Reiche immer wieder Anforderungen geftellt werden. Die Matris fularbeiträge find ja „gestundet“ worden, aber dadurch hat man sich die Sahe nur eileihtert. Wir befinden uns zum Reich im Verhältnis eines kleinen Mannes zu einem Grandseigneur. Es ist die Nachricht durch die Presse gegangen, daß eine Vorlage in Aussicht steht, wodurch Elsaß zu einem vollberehtigten Staate gemaht werden foll. Ih weiß nicht, ob diese Nachricht richtig ist; sollte sie nicht wahr sein, so möchte ih den Reichskanzler bitten, sie wahr zu mahen. Man fann doch damit nicht' warten, bis der letzte Elsässer gestorben ist, der unter französishem Regime geboren wurde. Man möze endlih Ernst machen und an die Üeberwindung der Schwierigkeiten gehen, denn wo ein Wille ift, it auch ein Weg!

Staatssekretär des Reihsshaßzamts Freiherr von Stengel:

Meiñe Herren! Nachdem nun \ämtliche Fraktionen wenigstens einmal zum Worte gekommen find, um ihre Anschauungen über die Ihnen vorgelegte Reichsfinanzreform zum Ausèruck zu bringen, erahte ih es an der Zeit, nun auch noch meëéinerseits das Wort zu ergreifen zu einem Rückblick über die bisherigen Beratungen in diesem hohen Hause. Ich hatte in meiner einleitenden Rede der Hoffnung Aus- druck gegeben, daß es gelingen möge, zu einer Verständigung zwishen den verbündeten Regierungen und dem Reichstage über diese Vorlage zu gelangen. Ih kann nihcht fagen, daß durch den bisherigen Verlauf. der Beratung diese Hoffnung, die ih hegte, gerade besonders gewahsen wäre. (Heiterkeit.) Aber ih habe doch den Eindruck gewonnen, daß die große Mehrheit in diesem boben Hause ernsten Willens ist, doch mit den verbündeten Regierungen eine entsprehende Finanzreform zu vereinbaren. Ich möchte deshalb die Hoffnung, zu einer folchen Verständigung zu ge- langen, durhaus nit aufgeben. Jh bin vielmehr der Meinung, daß die weiteren Verhandlungen, die wir bier in diesem hoben Hause und in der Kommission pflegen werden, wohl auh das ihrige dazu bei- tragen werden, bestehende Mißverständnisse aufzuklären und die Gezgen- sâge, die noch bestehen mögen, zu beseitigen.

In meiner heutigen Erwiderungsrede möchte ih nun die einzelnen Steuervorlagen nur flüchtig streifen. Jch habe mich ja hon in meiner einleitenden Rede über die Steuecvorlagen eingehend geäußert und habe auch die vershiedenen Einwendungen, die gegen dieselbe vor- gebraht worden find, im voraus {hon zu widerlegen gesucht. Ih möchte nun, bevor ih des weiteren auf die einzelnen Anregungen aus diesem hohen Hause eingehe, nur das eine fest- stellen, daß auh die verbündeten Regierungen Jhnen wahrlich diese Reihe von Steuervorlagen nicht gebracht haben zu ihrem Vergnügen, sondern fie haben sie Ihnen gebracht, weil sie si sagen mußten, der Ernst der Lage gebiete dics unter allen Umständen. Die Sorge um die Existenz des Reichs, die dira necessitas, Éat uns gez¡wungen, diese Vorlage einzubringen.

Nun hât der Herr Abg. von Liebermann heute allerlei auszusetzen gehabt an den Steuern, die wir Ihnen in Vors(lag bringen, und hat daran anshließend eine Reibe von Ersaßstzuern, wenn ih so sagen darf, vorzgeschlagen. Ih muß mir vorbehalten, näher auf diese Anregungen zurückzukommen, wenn sie \fich einmal verdihtet haben sollten zu förmlihen Anträgen; nur auf einen dieser Vorschläge, über den ja auch der Herr Abg. Schrader sih geäußert hat, möhte ih hon beute eingehen, das ist die Reichseinkommensteuer. Ih möchte {on heute erklären, daß der Herr Abg. von Liebermann ih keiner Hoffnung hingebcn darf, auf dieser Basis zu einer Verständigung mit den verbündeten Meczicrungen zu gelangen. Wenn die Regierungen auch wollten, sie könnten nun und nimmermehr auf die Einkommen- steuer, die die Hauptquelle ibrer Einnahmen bildet, verzihten. Sie würden damit \fich einer dzr hauptsählihsten Einnahmequellen be- geben, deren sie auf das dringendste bedürfen, um den großen, von Jahr zu Jahr wachsenden Kulturaufgabea, die ihnen doch nun einmal obliegen, zu genügen. Ih wüßte in der Tat niht, nahdem das Reih chon die indirekten Steuern unter seinen Verschluß ge- nommen hat, woher die einzelnen Staaten die Mittel hierzu nehmen sollten, wenn ihnen das Reich nun auch die direkten Steuern noch abnimmt.

Es sind Zweifel erhoben worden, ob wir den Deckungtbedarf in der Regierungsvorlage nicht erbeblich zu hoh geschäßt haben. Jch habe schon früher erklärt und erkläre heute aufs neue, daß wir bereit sind, in der Kommission Ihnen die Unterlagen unserer Berehnungen vor- zulegen mit aller Aufrichtigkeit und Offenheit. Die Herren Kom- missionsmitglieder mögen dann selbst prüfen, ob wir das Richtige ge- troffen haben, oder ob wir uns etwa optimistishen oder pessimistischen Erwartungen bingegeben haben.

Auf der anderen Seite bat der Herr Abg. Dr. Müller-Sagan es

genug veranschlagt hätten. Meine Herren, wir haben auch nah der Richtung eine sehr eingehende Prüfung eintreten lassen; aber wir

| waren niht in der Lage, die natürlihe Einnabmesteigerung für ab-

sehbare Zeit böber in Ansatz zu bringen, als das geschehen ift.

Der Herr Abg. Dr. Müller - Sagan kat insbesondere gemeint, daß der Import von Futtermitteln noch weit beirähtliher zu- nehmen werde, und daß die daraus resultierenden Zolleinnahmen er- beblich höher werden würden als wir annehmen. Jch bemerke dazu nur, daß wir bei unseren Schäßungen damit rechnen mußten, daß in dieser Beziehung neben dem Mais bauptsäßlih auß die Gerste in Betracht fommt; gerade bezüglih der Futtergerste ist Ihnen aber allen bekannt, daß durch die Handelêverträge der Zoll keine Erhöhung, sondern nit etwa nur gegen den Tarif vom Dezember 1902, sondecn gegenüber dem bié- berigen Zolltarif eine erbhebliche Herabsetzung erfahren hat.

Der Herr Abg. Müller-Sagan hat dann den Vorwurf erhoben, wir seien bestrebt, hier uns gewissermaßen Steuern auf Vorrat be- willigen zu lassen. Meine Herren, einem folhen Vorwurf gegenüber befindec man sich in einer eigentürmlihen Lage. Wenn wir nur für die Gegenwart sorgen, wenn wir unsere Steuervorlagen beshränfken auf den augenblicklichzn Bedarf, dann wird dem Neichsschaßsekretär der Vorwurf gemacht: das ist cin Mann, der lebt nur von der Hand in den Mund (fehr rihtig! rechts), im übrigen läßt er fortwursteln. Wenn aber Vorforge getroffen wird auch für einz absehbare wzitere Zukunft, wenn wir beantragen, darauf Bedacht zu nehmen, daß wenigstens für eine abfehbare Zu- kunft die wahsenden Auszabzn au in den Einnahmen ihre Deckung finden, dann beißt es: es werden von uns hier Steuern auf Vorrat verlangt !

Dem Herrn Abg. Bebel möhte ih heute nicht folgen auf das Gebiet der Arbeiterentlafsungen, insbesondere dzr Tabakarbeiter- entlassungen. Ich habe mich ja darüber in meiner einleitenden Rede so ausführlih verbreitet, daß es wohl nicht notwendig ift, überhaupt bei den Plenarberatungen meinerseits noch auf diefen Gegenstand zurückzukommen. Herr Bebel hat aber dann des weiteren darauf hin- gewiesen, wie gering bei uns der Ertrag der Erbschaftsstzuer ver- ans{lagt werde gegenüber den Niesensummen, die in Frankreih und namentlich in England aus der Erbschaftsstzuer erzielt werden. Ich gebe zu, es ift ganz richtig. Sowobl in England als in Frankrzich ist der Ertrag der Erbschaftsfteuzrn ein ganz außerordentlich hoher, in England etwa 300 Millionen. Das hängt aber vor allem zu- sammen mit dem erbeblich größeren Reihtum (sehr rihtig! rechts), der sch von alter Zeit her vererbt in diesen Ländern befindet; dann hängt es aber auß zusammen mit den erbeblich Höheren Steuersäßen, mit der dortigen Be- steuerung von Ehegatten und Deszendenten (sehr rihtig! links)? namentli aber auch mit der in England geradezu drüdckenden Steuer, die auf den Ehegatten und Deszendenten lastet. Diese Steuer geht dort bis auf 8 9%!

Nun bat der Herr Abg. Freiherr von Hodenberg feinerseits, ebenso wie auch mein unmittelbarer Herr Vorredner, \fich gegen das Projeki einer RNeih3erbschaftsfteuer ausgesprochen, und er hat in8befondere versucht, die Erbschaftssteuer mit der Einkommen- steuer auf eine Linie zu seßen. Meine Herren, meincs Erachtens durGaus mit Unrecht! Die Einkommensteuer isi eine eigentliche direkte Steuer, die als solche dies ist ja doh das Kriterium der direkten Steuern aub der regelmäßigen jährlihen Veranlagung unterworfen ist. Ganz anders [iegen tie Dinge bei der Erbschafts- stzuer. Diese ist, wenn ih fie hier charakterisfieren soll, eine Art von Stempelsteuer, eine Umsaßsteuer, deren Anfall von zufälligen Ereig- nifsen abhängt, und mir ift in meinem Leben noch kein Mensch begegnet, von dem ich hätte annehmen dürfen, daß er fo glüdcklih gewesen wäre, alljäbrlih zu einer Erbschaftssteuer veranlagt zu werden.

Bestimmend, meine Herren, jeßt überhaupt das Wort zu ergreifen, war für mich aber hauptsähliÞ die Auslegung, die der Herr Abg. Frißen in seiner Nede vom 6. d. M. dem S6 des Flottengesezes gegeben hat. Die Ausführungen des Hzrrn Abg. Frizen weihen zu tief und zu grundsäßlich ab von dem Standpunkt, den die Vorlage vertritt, sie sind auch zu folgens{hwer für die ganze finanzwirtshaftlihe Zukunft des Reichs, als daß ih diese Ausführungen unwidersprcechen lassen könnte. Wäre die Auslegung, die der Herr Abg. Friten dem § 6 des Flotten- gesetzes gegeben hat, richtig, dann würde streng genommen die Res gierungen in Ansehung der vorgeschlagenen neuen Steuern, insbesondere auf Tabak und Bier, geradezu der Vorwurf der Jlloyalität treffen, und gegen einen solchen Vorwurf mußte ih doch die verbündeten Nes gierungen und auch meine Wenigkeit ents{ieden in Shuß nehmen. Ich fasse die Ausführungen des Herrn Abg. Frißen im folgenden Sinre auf: dezr § 6 des Flottengeseß2s beschränkt fich nit auf unsere Marine, er enthält zuglei ein vom ganzen Reichêtag und auh von der Gesamtheit der verbündeten Regierungen angenommenes Pro- gramm, wonach für die Folge der gefamte Mehrbedarf des Reichs, soweit er niht in der natürlihen Entwicklung der vorhandenen Einnahme- quellen seine Deckung findet, niht mehr dur Erböbung oder Ver- mehrung der indirekten, den Massenverbrauh belastenden Reichs- abgaben aufgebracht werden kann. Das würde also, wenn ih den Say umkehre und den Gedanken positiv ausdrüdcke, etwa besagen: der gesamte künftige Mehrbedarf des Reichs, soweit er nicht in der natürlihen Entwicklung der vorhandenen Einnahmequellen seine Deckung findet, darf nur aufgebracht werden durch Abgaben, die einer Minderheit reiher oder doH woblbabender Reichsangehörigen aufs erlegt werden. Meine Herren, ich habe inzwishen nochmals die Ver- handlungen über das Flottengeseß schr aufmerksam studiert, und ih bin dabei zu dem Ergebnis gekommen, daß diefe Auslegung nit allein dem Worllaut des § 6 widerspriht, fondern auch in den Reichstacsdrucksahen nirgends ihre Bestätigung findet. Ich habe nirgends in den Verhandlungen des Reichstags und der Kommission ein Wort davon finden können, daß eine Vereinbarung zwischen den verbündeten Regierungen und dem Reichêtag in dieser Beziehung vor- liegt. (Sehr richtig! rechts.) Der § 6 des Flottengeseßzes von 1900 drückt ih ganz klar aus:

„Insoweit vom Rechnungsjahre 1901 ab der Mehrbedarf an fortdauernden und ecinmaligen Ausgaben des ordentlihen Etats der Marineverwaltung den Mehrertrag der Reichs- stempelabgaben über die Summe von 53708000 Æ hinaus übersteigt und der Feblbetrag nicht iu den sonstigen Einnahmen

bemängelt, daß wir die natürliße Einnahmesteigerung nicht hoh

des Reichs feine Deckung findet, darf der letztere niht durch Er-

höhung oder Vermehrung der indirekten, lastenden Abgaben aufzebraŸt werden.“

Ih weiß niht, meine Herren, ob au nur der Meinung damals die Auslegung entspricht, Man muß, urm urüdaeh

auf frühere Recichstagsverhandlungen, da die Bestimmung O lich aus dem Flottengeses des Jahres 1898 berübergenommen ist. Im Jahre 1900 haben überhaupt über diesen Gegenstand Ver-

des ganzen Reichstags von die ihr der Herr Abg. Fritzen gegeben hat. diesen § 6 des Flottengesezes rihtig auszulegen ,

handlungen von Erheblihkeit nit mebr stattgefunden.

Nun möte ih mir gestatten, aus dem Stenozraphiscen Bericht über die Sißung vom 26. März 1898 Ibnz-n bier ganz kurz einen Teil zu verlesen aus einer Rede des Herrn Abg. von Massow.

Dieser sagte damals :

„Das sind die Gründe, welche uns veranlaßt baben, für diesen Aber wir segen zweierlei

S 6 des Flottengeseßes zu stimmen. voraus: erstens, daß bei dem Ausdruck „den Massenverbrauch be- lastende Neichssteuern“ die ganz? Gesetzgebung der Zölle ein für allemal ausges{lofsen bleibt, und zweitens seßen wir voraus, daß aus diesem einzelnen Fall kein Präzedens für künftige Fälle gegeben werde. (Sehr rihtig! rechts.) Dagegen müssen wir uns aufs aller- entschiedenste verwahren und wir würden im Wieterholungéfalle wahrsheinlich uns nit zu einem zweiten S{ritt bereit erklären können. (Sehr richtig! rets ) Gine weitere Erkläcung wesentli in dem demselben Tage in derselben Sizung auch noh der Herr Abg. von Kardorff abgegeben. Er wird sich wobl dieses Vorgangs auch seciner- seits noch erinnern. Diese Erklärungen flingen jedenfall8 nit nach großer Einmütigkeit, wenn von anderer Seite eine Auffafsung vor- waltete, wie sie voa seiten des Herrn Abg. Frißzen Ihnen neulich aus- einandergeseßt worden ist. Der Herr Abg. Müller-Fulda hat als Berichterstatter im Jahre 1900 dann einfa scine Nede mit folgenden Worten eingeleitet :

Der § 6 lehnt sich im wesertli@en an den S 8 des Eeset- entwurfs an, daß, insofern die seither bestehenden Einnabmen nit hinreichen, um die Mehrfosten des Flottengesetes zu deen, keine neuen Steuern erhoben werden dürfen, die die breiten Massen be- lasten. Es iít also auch hier die nôtige Sicherheit getroffen, die denjenigen Befürchtungen, die darauf binauéliefen, daß durci die vermehrten Kosten des Flottengesetz2s wicder die indirekten Steuern, welche die breiten Volksmafsen belasten würden , erböbt werden sollen, jeden Boden entzogen und daß die Festsetungen, welche im § 8 des alten Gese8es normiert waren, au bier Ploy greifen. JFch empfehle Ibnen" die Annabme des § 6.

Von einem weiteren Aufwand als dem des Flottengesc825 war auch hier mit keinem Wort die Rede; aber wenn auch bier in diesem boben Hause eine solche Einmütigkeit bestanden bätte, so kommt doch auch noch der andere Gesetgebungsfaktor in Betraßt, wenn es fich um eine legale Interpretation einer sol&en Gesetetbestimmung handelt, und da karn ih Ihnen die bestimmte Versicherung geben, taß der Bundesrat niemals daran gedacht hat und gedacht baben würde, einem folhen Programm, wie es dem Herrn Abg. Frißen in seiner Rede vorschwebte, seine Zustimmung zu erteilen; und wenn sie auch gewollt bâtten, die verbündeten Regierungen konnten gar nit cinem folen Programm zustimmen, wenn sie niht die ganze finanziell? Zukunft des Deutschen Reichs auf das errsteste gefährden wollten. Auf der anderen Seite ergibt sich aber aus jenen Verbandlungen vom 23. März 1898 das eine unumstößlich, daß die beiden gesezgebenden Faktoren, Bundeérat und Reichstag, darüber einig waren, daß unter den in- direkten Abgaben im Sinne des § 6 des Flottengesctzes jedenfalls nit die Zölle zu verstehen waren. Auf Seite 1703 der Steno- grapbishen Berichte von 1898 finden Sie das ganz deutli aus- einandergeseßzt. Wie also § 6 des Flottengesetes sollte aufgerufen werden fönnen als ein Beweis dafür, daß man eine Zollerhöhung auf Tabak nit solle vornehmen dürfen, das verstebe ih nihi. Ich erinnere meinerseits daran, wie man jedenfalls, als man den Zoll- tarif von 1902 fertig stellte, eine Reibe von Zollsäzen erhöht bat, die auch die breiten Massen treffen. Son dies mag darauf binweisen, daß in der Tat die Zölle niht ausges{lossen bleiben follten.

: Was aker, meine Herren, mir für die Auslegung dieses § 6 des Flottengesezes noch wichtiger ist, das ist der Umstand, das in der Reichstagésitung vom 23. März 1898 auf Seite 1783 nazulesen volles Einverständnis zwis{en den verbündeten Regierungen und dem Reichstage darüber bestand, daß in den Mehrbedarf des Reichs im Sinne des §6 nicht cinzurechnen sein würden : die steigenden Zinsen für Marineanleihen, die Marinepensionen und die Ausgaben infolge von Schifféverlusten. Wenn nun also fogar solde Ausgaben, die doh mit der Marine in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen, nit in den § 6 des Flottengeset:8s von 1900 mit eixbezogen werden Fênnen und dürfen, wie fann es gereHtfertigt werden, jene Vorschrift etwa auch auf den ge]amten anterweitigen künftigen Mehrbedarf des Neiches auêzudehnen, also beispielsweise auf den Bedarf für Veteranenbeibülfen, für Invalidenversicherung und dergleichen ? “5

: Nah alledem bege ih die Hoffnung, daß der Herr Abg. Friten elbst nah einer ncchmaligen Prüfung dieser Frage zu dem Ergebnis kommen wird. daß die von ihm am 6. d. M. uns vorgetragene Ans |chauung und Autlegung des § 6 dot nit die rihtige war.

: Ih komme nun noch zu einer Bestimmung des Neform- geleges, das uns vorliegt, wozu ich auch einige Bemerkungen ¡u maden habe aus Anlaß der Reden, die die Herren Ver- treter der verschiedenen Fraktionen hier gehalten baben. Der §8 3 des Reformgesetzes bebandelt bekannilich die Matrikularbeiträge. Die Frage, um die es sich hier bandelt, ist ja ‘an si eine reckcht \chwierige, eine recht intrifate, und sie eignet sih deshalb wohl besser iu einer gtündlicheren Erörterung und Auseinandersetzung für die Kom- mission, für ein Gremium von speziellen Sachverständigen, die si ibrer- eits au besonders für diese Frage interessieren ; aber eins mödte ih doch in Erinnerung an meine Einleitungêrede woiederholt mit allem Naddruck betonen : es handelt sh bei diesem § 3 des Neformgesezes um feinerlei Beschränkung des Budgetrechts des Neichétags in dem O daß etwa die Matrikularbeiträge in dem Etatsfoll irgendwie O oder beschränkt werden sollten. / » Es waltet hier ein ofen-

es Mifverständnis ob, von dem, wie ih glaube, si au der eo E in seinen Ausführungen hat leiten lassen. Wie bei Bet geseßzen der Jahre 1904 und 1905 handelt es ih au bei dieser

mmung lediglich um die Art der Einziehung der Matrilular-

gleihen Sinne bat an

den Massenverbrauh be-

| ficht auf die finanzielle Leistungsfähigkeit ter Einzelstaaten ¡ genommen oder ob eine solche Rücksichtnahme außer aht gelassen | und dem einzelnen Staat daturch \{ließliG eine geordnete Wirt- j saftéführung im cigenen Haushalt urmöglih gemaht werden soll. j Die einzelnen Bundesregierungen glauben, daß sie zumal in Anbetracht der {weren Opfer, die sie mit der Ueberlafung der ! Erbschaftësteuer an das Reich gebraht haben, auf eine solhe s{honende Nüksiht wobl einen berehtigten Anspru erbeben können. Nun ift ja von dem Herrn Abg. Sthrader darauf hingewiesen worden, daß es sih hier überbaupt eigentlih mebr nur um die Interessen der Einzel- staaten handelt als um die Interessen des Reichs. Meine Herren, wenn der Herr Abg. Schrader den Verhandlungen beigewohnt bätte, die ih zu pflegen hatte mit den Vertretern der Einzelstaaten gerade über die Frage der Ueberlafsung der in der Erbschaftssteuer liegenden NReferve an das Reih, so würde er, glaube i, beute diese Frage anders behandelt haben. Jh habe aus den Verhandlungen mit den Vertretern der verbündeten Regierungen den Eindruck gewonnen, daß ihnen die Ueberlafsung dieser Reserve an das Reih geradezu das größte Opfer auferlegte, welches seit langer Zeit überhauvt von ihnen gebracht wurde. Und nach meinem Dafürhalten und ih glaube, andere werden mir darin beitreten wäre in der Tat do nichts verkehrter als der Gedanke, den großen Organismus des Reis finanziell dadur kräftigen zu wollen, daß man seine Glieder verfümmern [äfßt.

Meine Herren, wenn die verbündeten Regierungen eine Garantie dafür bâtten, daß allzzeit die Mehrheit des Reichstags aus solchen Persönlichkeiten bestände, die gegen die Einzelstaaten und ibre Interessen so freundlih gesinnt sind wie der Herr Abg. Frißzen- dann würde ich glauben, daß in der Tat auf diesen § 3 fein absonderlich grofer Wert zu legen sei. Aber, meine Herren, tempora mutantur. Wir können nit wissen, was uns in tiefer Hinsicht die Zukunft bringt. Wer kann un3 eine Garantie dafür bieten, daß stets eine Mehrheit von sol&en Männern bier ver]ammelt sein wird, die gleich freundlich den Einzelstaaten ge- sinnt sind, wie der Herr Abg. Frißen? Der Herr Abg. Frißzen wird cine solde Garantie selbs nicht übernehmen können ; ih be- iweifle au, ob feine Fraktion hierzu in der Lage ist. Nun wir werden ja bôren es sind auch noh weitere Redner aus der Zentrumsfraktion zum Worte gemeldet —, was wir in dieser Beziehung aus ihrem Munte vernehmen. Aber eben deshalb, weil niemand eine folhe 2t ntie übernehmen kann, erahteten die verbündeten Regierungen dafür, daß ibnen eine solhe im Geseß gegeben werde.

| Für das Reich ist dies nach meinem Dafürbalten unbedenkli@. Die Einzelstaaten haben Ihnen in dem Reformgesetz ihrer- seits proponiert , 24 Millionen ungedeckte Matrikularbeiträge ¡u leisten, Tünftig steigend je nah der Kopfzabl der Bevölkerung. Das mat auf die räch{sten zehn Jahre allein {on eine Viertel - milliarte. Ich bin der Meinung, daß diese Viertelmilliarde doch wabrlih, namentlich wenn wir die Finanzen des Reichs jeßt in ent- sprechende Ordnung bringen, wenn wir die Balarce zwischen Ein- nahme und Aus®gabe einigermaßen wieder berstellen, völlig ausreicht, um die Sch{wankungen zwis{en den fetten und den mageren Jahren auSzugleihen und um eiwas anderes handelt es sich dabei niht. Der maßgebende Punkt für die Einzelstaaten und deren Haushalt liegt eben darin, daß ibnen, wenn keine solÆe Grenze geschaffen ist, zugemutet wird, in einem Jahre ganz unvermittelt vielleiht 50 bis 70 Millionen

d. Bl. berichtet worden.

betreffend die Unterhaltung der offentlihen Volks- schulen, fort.

Jahre vielleiht nur zwei oder drei. Für fie ist es viel günstiger, wenn fie mit einer festen Summe renen können; dann können sie auch ihre Haushalte darauf einrihten, dann können sie geordnet wirt- schaften.

Ih möchte noh daran erinnern, daß mir wenigstens aus der Vergangenheit keine Periode con zehn Jahren ' bekannt ist, in der auch nur annähernd die Bundeéstaaten veranlaßt worden wären, cine Viertelmilliarde ungedeckter Matrikularbeiträge aufzubringen. Jch möchte deéhalb im Interesse des Zustandekommens eines Geseges, im Interesse der Herbeiführung einer beiderseitigen Verständigung mit der dringenden Bitte \{ließen, daß Sie dieser berechtigten Forderung der Einzelstaaten Ihrerseits nit ablehnend gegenüberstehen möthten. (Beifall rechts.)

_ Hierauf tritt Vertagung ein. Tagesordnung spricht

Abg. Semler (nl.) die Bitte aus, auch den bulgarischen Handelévertrag auf die Tageëordnung zu seten, der vorausfichtlich morgen vormittag in der Budgetkommission erledigt sein werde. Präsident Graf von Ballestrem stellt die Frage, ob diesem Vorschlage jemand widerspreche. es

_ Abg. Zimmermann (D. Ref.-Partei)

ordnungëmäßzigen Widerspru.

_ Abg. Semler kann sich nah Lage der Geschäftsordnung nur

auf die Bitte beschränken, daß der Abg. Zimmermann seinen Wider- spruch zurüdckziehe, da es sonst fraglih sei, ob der Vertrag überbaupt noch zur Verabschiedung gelangen könne. _ Abg. Gamp (Rp) {ließt sch dieser Bitie an unter dem Vinweis, daß nach ciner Rücksprahe mit Herren der Fraktion des Ubg. Zimmermann diese gegen einen solchen Vors({lag kein Bedenken tragen. | Abg. Zimmermann erwidert, Fraktion keine Rüdcksprache Widerspruch zurück.

_Sthluß gegen 61/4 Uhr. Nächste Sißzung Mittwo (Abstimmung über die Ueberweisung E de, mit England an eine Kommission, eventuell zweite Beratung dieses Provisoriums, zweite Beratung des bulgarischen Handels- vertrags, Fortsezung der Generaldebatte zum Etat.)

Bei der Feststellung der

erhebt gesckchäfts-

daß mit Herren seiner stattgefunden habe, zieht aber seinen

Preußischer Landtag. Haus dèêr Abgeordneten. 5. Sißung vom 12. Dezember 1905, Vormittags 11 Uhr. (Beriht von Wolffs Telegraphischem Bureau.)

Ueber den Beginn der Sizung ist in der gestrigen Nummer

Das Haus sett die erste Beratung des Geseßentwurfs,

Auf die Ausführungen der Abgg. Ernst (fr. Vgg.) und

Matrikularbeiträge ungedeckt an das Reih zu bezablen, im anderen |

Minister der. geistlihen, Unterrihts- und Medizinal- angelegenheiten Dr. Studt:

Meine Herren! Bevor ih auf die Ausführungen der gestrigen und beutigen Herren Redner eingehe, mötte ih mir gestatten, etnen Vorgang kurz zu berühren. Ein hiesiges, weitverbreitetes Blatt hat in feinem Berichte über den Hergang der gestrigen Debatte mir Aeuße- rungen in den Mund gelegt, die rihtig zu stellen ih mi veranlaßt fühle. Das betreffende Blatt kaüpft an meine Ausführung, daß die Staatsregierung \ih auf das unbedingt notwendige Maß von Forde- rungen beschränkt babe, um unnötige Kämpfe zu vermeiden, den Sah:

„Denn“

so sagte der Minister „inxere Kämpfe um die Shule würden die Nation nach außen bin shwähen.“ Dann folgen mehr oder weniger scharfe Betrahtungen über meine Person, die ih bier übergeben kann. JchH wollte nur die Herren bitten, aus dem unkorrigierten Stenozramm den rihtigen Sachverbalt entnehmen zu wollen. Meine AbsisSt ist, auch vor der Oeffentlichkeit das biermit zu konstatieren. Jh habe gesagt: | Meine Herren, wir leben in einer ernften Zeit, in der es einen sehr {weren Schaden nit nur für unsere Schule, sondern auch für unser Vaterland bedeuten würde, wenn aufs neue ein leidenschaftliher Streit um inrere Schulfragen die bürgerlichen Parteien untereinander entfremden sollte. Das sind die Worte, die ih gebraucht habe, und nun babe i hinzugefügt : Die Königlihe Staatsregierung hat ih deshalb, wie ich wiederholt betone, jur Einbringung der Vorlage nur in der sicheren Vorauéêseßzung verstanden, daß solhe Kämpfe vermieden werden und die Beratungen bei der sorgsamsten Prüfung zu einzr Einigung führen. Diese Ausführungen sind von dem Herrn Abg. von Heydebrand und, wenn ih nicht irre, auch von anderen Herren Abgeordneten als durhaus zutreffend anerkannt worden. Ih wollte das nur zur Richtiastellung konstatieren.

Meine Herren, gestatten Sie mir nun, auf die Fragen näber einzugeben, die geftern von versHiedenen Herren Rednern berührt worden find. Zunächst die Frage der Dezentralisation der Befugnisse der Schulbehörden. Bei den Beratungen der früheren Stulgesete traten die konfeffionellen Fragen in den Vordergrund. Bei dem Streit, der hierüber geführt wurde, ist man auf die wichtigen mate- riellen Fragen der Volksschule weniger eingegangen. Es wundert mih daher niŸt, daß in den geftrigen Ausführungen die materielle Frage mebr in der Diskussion hervorgetreten ist und auf diesem Ge- biete vielfahe Wünsche laut geworden sind. Die prinzipiellen Ge- sichtspunkte, die hierbei Betont wurden, weihen von denen der Stratsregierung, soweit ih sebe, nicht wesentli ab. Au die Staatsregierung wünscht eine Belastung der Gemeinden und insbesondere der Gutsbezirke vermieden zu sehen. Auch wir wollen die Selbstverwaltungsbebhörden beteiligen. Die Differenz liegt, soweit ih \ebe, mehr in der Abschäßung des Maßes, in welchem die Gerneinden belastet und die Selbstverwaltungs- behörden beteiligt werden sollen. Hierüber wecden in der Kommissions- beratung noch nähere Erörterungen stattfinden. Ich bin gern bereit, in eine genaue Prüfung der Vorschläge einzutreten. Son jeßt muß ih aber darauf aufmerksam maden, das. je stärker die Leistungen des Staats angespannt werden, um so näber die Frage der Staatsscule rückt. Es ist natürlih nicht mögli, den Staat von der Prüfung des Bedürfnisses fernzubalten, wenn er in weitgebendern Maße unmittel- bar zur Tragung der Lasten berangezogen wird. Ich bitte daber, bei allen noch ¿zu mathenden Vorsthlägen diesen GesiYtépunkt nibt außer Acht zu laffen. :

In zweiter Linie rihten sich die geltend gemahten Bedenken gegen die Vorschläge des Eniwurfes über die Verwaltung der Volks, shule. Hier sind offenbar bei vers{iedenen Rednern Mißveritänt=i5: untergelaufen. Es soll den Sghuldeputationen dur das Gese nichts von ihren Befugnissen genommen Mit hat der Herr Abg. Swiffer bereits den Ausfühbrunzen des

als es die Wahrnehmung \{ulauffi&tliber Befug: ie c dieser Beziehung ändert si an dem bestehenden ReBte ichts. Was den Shulvorstand angek

daß nah Art. 24 der Verfassung der Gemeinde nur die Leitung der

t. so mate ih darauf aufmerksam,

äußeren Shulangelegenheiten zusteht. Es ift also irrtümli®, wenn man eine Beeinträhtigung der Gemeinderechte dur die Tätigkeit des Schulvorstandes besorgt. Der SHhulvorstand übt seine Tätigkeit auf dem Gebiete der Schulpfl-ge und der inneren Schulangelegenbeiten : die äußéten Angelegenheiten werden verfassungsmäßig von der Ge- meinde geleitet. Eine genaue Regelung der Kompetenzen mötte ih raten, îin den vorliegenden Entwurf nicht cinzubeziehen, um die Zwistigkeiten über die inneren Shulfragen nach Möglichkeit zu vermeiden, wie ih das gestern {on bervorgeboben babe.

Gewiß bin ih gern bereit, die Tätigkeit der Gemeinden und der Selbstverwaltungsbebhörden in vollstem Maße anzuerkennen und zu fördern. Aber meine Herren, man darf den fundamentalen Untersied nit verkennen, welcher die VolkssGule von allen anderen Scularten scheidet. Der Staat bat den allgemeinen Shulzwang eingeführt und zwingt die Bevölkerung, die Kinder in die Volks\{ule zu chicken. In dem Schulzwange liegt der innere Grund, weshalb der Staat eine weitgebende Mitwirkung bei der Verwaltung der Volksshulen stets in Anspruch nehmen muß. Die Volksschule ist in gewissem Umfange Kommunaleinrihtung; aber, meine Herren, daneben bleibt der Saytz besteben, daß die Volksshule eine Veranstaltung des Staats ist; an der Volksschule bat au die Familie, die Lehrershaft und die Kirche ein sehr großes Interesse. Es ist meines Erahtens unmögli, ledig- lih mit dem Selbftverw2ltungsrecht der Gemeinden gegenüber der Volksschule zu operieren.

Ich hebe hervor, daß ih im vorigen Jahre und auch bei Ge- legenheit der dieéjäbrigen Etatberatung die Ebre hatte, Ihnen diesen Gedanken noch näber und eingehend darzulegen; ih babe dort aus- geführt, daß die Entscheidungen des Oberverwaltungszerithts, welche in vershiedenen Streitfällen ergangen sind, sich absolut auf diesen Standpunkt stellen. Man wird nie vergessen dürfen, daß die Volks- schule, ihre Eigenart und das staatlihe SZulaufsi§btetrecht durh das Volks\{ulunterhaltungsgeseß nicht beseitigt werden soll und nicht be- seitigt werden kann. Jh bitte, bei allen Vors{lägen über weitere

beiträ t E Ini ne f trage, nur darum, ob bei dieser Einziehung eine \Gonende Rück-

Stychel (Pole) erwidert der

Beteiligung der Selbstverwaltungsbehörden diesen Gesihtspunkt nicht