1905 / 299 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 20 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Jn der am 19. d. M. unter dem Vorsiß des Staats-

ministers, Staatsseiretâärs des Jnnérn Dr. Grafen von Posadowskn - Wehner abgehaltenen Plenar- sizung des Bundesrats wurden die Vorlagen,

betreffend die Revision des internationalen Uebereinkommens über den Eisenbahnfrahtverkehr und betreffend die Ver- von Korporationsrehten an die mit A Sitze in Togo”, den zuständigen Ausschüssen überwiesen. Der ss L: Hrn A

leihun in Berlin gegründete „Pflanzungsgesellshaft Kpeme

wegen Wertbestimmung der Einfuhrscheine im Zollverke

Das N Staatsministerium trat heute zu

einer Sißung zujammen.

Der Königlich bayerishe Gesandte Graf von Lerchenfeld

Köfériug hat Berlin verlassen. Während seiner Abwesenheit führt der Legationssekretär Freiherr von Fra ys die Geschäfte

dêr Gésandts{äft.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrat, Königlich bayerische

Ministerialrat Kohl ist von Berlin abgereist.

Laut Meldung des „W. T. „Fürst Bismarck“ die Abreise von

S. M. S. „Tiger“ ift gestern in

S. M. S. „ZJltis“ Schanghai abgegangen.

B.“.. hat .S..M. S ongkong verschoben.

Jn der Ersten und Zweiten Beilage zur heutigen Nummer ie vom Reichs- eisenbahnamt auf estellte tabellarische Uebersiht der Be-

p Eisenbahnen für den Monat November 1905 veröffentlicht, auf die am Montag

des „Reihs- und Staatsanzeigers“ wird

triebs ergebni deutscher

an dieser Stelle auszüglih hingewiesen worden ift.

Bayern.

Die Kammer der NReichsräte hat gestern, wie „W. T. B.“ meldet, unter Ablehnung weitergehender Forderungen den Antra angenommen, die Regierung möge von Diäten für die Ged hinwirken.

Jn der gestrigen Sißung der Zweiten Kammer Dr. Becker den Staatsvor- anschlag für 1906/1907 vor und führte, nah dem Bericht

legte der Finanzminister Des Se Bei balt Ie n I h l

ie Beibehaltung der im Jahre 1904 erfolgten Erhöhung der Einkommen- und Malz etlenenes erscheint auch ferner n der geboten. Die Entwicklung unserer Landesfinanzen wird aber auch dur ‘die Gestaltung der Reichsfinanzen wesentli beeinflußt. Es ift drigend erwünscht, das der erneute Versu der Regierungen gelingt, eine Verbesserung der Reichsfinanzen herbeizuführen ; welche Gestaltung sie aber auch annehmen werden, in jedem Falle werden fie von den süddeutschen Staaten namhafte finanzielle Opfer erheishen. Um so berechtigter ist das Verlangen, daß ganze Arbeit gemaht wird unter grundsäßliher Abgrenzung der Steuergebiete zwishen Reich und Bundeéftaaten, und daß dem ersteren neue Einnahmequellen von folcher Ergiebigkeit und Steigerungsfähigkeit eröffnet werden, daß fie für eine Reihe von Jahren ausreichen.

Bremen.

Der Senat hat, wie „W. T. B.“ meldet, an Stelle des mit dem Ende dieses Jahres aus dem Amt scheidenden Bürgermeisters Dr. Pauli den Senator Dr. Marcus für die e 1906 bis 1909 ecinschließlich zum Bürgermeister gewählt.

Oefterreich-Ungara.

_ Nat einer Meldung des „W. T. B.“ hat das Kriegs- ministerium die Beurlaubung von Mannschaften des dritten Jahrgangs in Ungarn angeordnet. Die Jeht noh nicht Beurlaubten sollten in den leßten Tagen dieses

onats bei Eintreffen des Ersaßes entlassen werden.

Das ôösterreihische Herrenhaus hat gesiern ohne Debatte das Budgetprovisorium und das Geseg, betreffend pro- visorishe Regelung der Handelsbeziehungen mit Italien, ferner das Lokalbabhngeseß sowie das Gesetz, betreffend Unter- stüßung der Handelsmarine, endlih mehrere jüngst vom Ab- geordnetenhaus erledigte fléêine Vorlagen angenommen.

Die ungarische Regierung hat gestern den Geseß- entwurf, betreffend das allgemeine Wahlrecht, amilich bekannt gegeben. Danach erhält jeder männliche Staatsbürger, der das 24. Lebensjahr vollendet hat und des Lesens und Schreibens kundig is, das aktive Wahlreht. Jeder Wahlbezirk wählt einen Abgeordneten. Die Wahlbezirke werden in kleinere Abstimmungskreise d wobei jede Gemeinde nah besonderer Wählerliste s timmt. Die Wahl ist unmittelbar und geheim und erfolgt mittels Stimmzettels. Bei gleicher Stimmenzahl entscheidet das Los. Die a Zahl der Abgeordneten bleibt unver- ändert bestehen, ebenso die fünfjährige Mandatsdauer. Die bisherigen Wahlberechtigten behalten das Mandat noch für die Dauer der beiden nähsten Wahlperioden, auch wenn sie niht lesen und schreiben können. Wählbar ist jeder e Staatsbürger, der von der Ausübung des Wahl- rechts niht ausgeschlossen ist und mindestens schon zehn Jahre lang das Staatsbürgerrecht besißt. Nicht wählbar dagegen ist jeder wegen eines aus Gewinnsuht begangenen Vergehens oder wegen Aufreizung zum Nationalitätenhaß Verurteilte.

Das ungarische Abgeordnetenhaus ist gestern bis um 1. März nächsten Jahres vertagt worden. Nachdem

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er Präsident das Königlihe Handschreiben, das die Ver- | Os befiehlt, verlesen hatte, ergriff Apponyi das Wort | :

hrie, „W. T. B.“ zufolge, aus: : as Syîtem unaufbhörliher Vertagungen des Abgeordnetenhauses ei verfafsungswidrig. So fehr das Abgeordnetenhaus bereit sei, die einungsvershiedenbeiten zwishen der Krone und der Nation im

r wurde angenommen. Dem Verbande ländlicher Genossenschaften Raiff- eisensher Organisation für das rechtsrheinishe Bayern wurde das Recht zur Bestellung des Revisors verliehen. Außerdem wurde über eine größere Anzahl von Eingaben Beschluß gefaßt.

estern in Schanghai eingetroffen. ist gestern von Hankau nah

im Bundesrat auf Gewährung worenen und die Schöffen

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Wege von Verhandlungen unter Berücksihtigung aller Bedenken der

rone aufzugleiden _\so müsse er doch aus]prechen, daß die ün,

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9 Villen brechen zu können, Erfüllung finden . Eine Ausgleihung der Gegensäße in einer solchen Weise, die Nation sich unbedingt unter- werfe, wäre {chlechter als Absolutismus, denn dies würde einen mit Zustimmung der Nation eingeführten Absolutismus bedeuten. Eigentlich müßte die Perlen nahme des Königlichen Hand- \hreibens über die ertagung abgelehnt werden, Abgeordnetenhaus müßte von dem s{chlech@t informierten an den besser zu informierenden König appellicren. Aber das Ab- geordnetenhaus wolle einem Aus3gleiche keine Hindernisse bereiten und Zeugnis von feiner Mäßigung ablegen. Er stelle daher den An- trag, die Vertagung zur Kenntnis zu nehmen, gleihzeitig aber gegen die Vertägung als verfassungswidrig zu protefstieren. Nachdem der Graf Tisza seine Zustimmung zu diesem Antrage ausgesprochen hatte, wurde er einstimmig angenommen.

Frankreich. _Jn dem gestern abgehaltenen Ministerrat teilte der Ministerpräsident Rouvier mit, daß die Pforte die maze- donishe Finanzkontrolle endgültig angenommgen hat. Der Ministerpräsident brachte, „W. T. B.“ zufolge, ferner zur Kenntnis des Ministerrats, daß der französis ch- venezolanishe Zwischenfall seine Erledigung gemäß den Wünschen Frankreichs gefunden hat, da der Präsident Castro die Note, gegen welhe die französishe Regierung Einspruch erhoben hatte, zurückgezogen hat.

Spanien.

Der Minrnisterpräsident M oret erklärte in der gestrigen Sitzun

der Deputiertenkammer, „W. T. B.“ zufolge, daß die Riebe

auf die Wiederherstellung des im Frühjahre dieses Jahres er-

mäßigten ECinfuhrzolles auf ausländisches Getreide und

Mehl verzichte, und zwar zu den Zwecke, um nit eine Uneinigkeit

in die Majorität des Hauses bincinzutragen. Man werde aber einen

Anle durch eine mäßige Steigerung anderer Abgaben, hauptsächlich der direkten, fuchen.

Rußland.

Das Exekutivkomitee des Arbeiterdeputierten- rats erläßt, wie „W. T. B.“ aus St. Petersburg meldet, En mit dem Verband der Verbände einen

ufruf, worin es erklärt, daß dem Lande von der gegen- wärtigen Regierung Gefahr drohe und der von dieser be-

gonnene Kampf aufgenommen werden würde. Das Kampf- mittel würde von dem ferneren Verhalten der Regie- rung abhängen. Vorläufig seien alle Kräfte mobil

Hu machen, um für den Generalstreik bereit zu sein, wenn ein olher angekündigt werde. Ferner veröffentlicht die gestern erschienene, neue fozialdemokratische Arbeiterzeitung „Sewerni Golos“ einen Aufruf des Zentralkomitees des all- russishen Verbandes von Militärpersonen aller Waffengattungen, in dem die Lune haften und Beamten der Garde, Armee und der Flotte aufgefordert werden, dem Verbande beizutreten. Dieser bezwecke die Unterstüßung der freiheitlihen Bewegung und als Endziel die Einberufung einer Tonstituierenden Versammlun auf Grundlage des allgemeinen, direkten und geheimen Stimmrechts und die Verwirklichung einer von dieser Versammlung ausgearbeiteten Staatsordnung und Armeereform. Die Taktik des Verbandgs werde bestehen in der Nichtanwen- dung von Waffengewal gegen die Freiheitskämpfer, Aufrecht- erhaltung der Ordnung, Schuß der Bürger gegen Gemalttätig- keit, Verhinderung von Heben und Verwirklihung eines all- russishen Armeestreiks. Als S@lußakt seiner Tätigkeit ver- spriht der Verband allen denen Hilfe, die wegen Beteiligung an ihm leiden müßten. ;

Wie der „Nowoje Wremja“ aus Moskau gemeldet wird, verfaßten die Vertreter der revolutionären Parteien gestern ein Manifest, das die Arbeiter und die Truppen zur Drs O demokratischen Nep ublik aufruft. Der Ton dieses Manifestes soll derartig herausfordernd sein, daß selbst radikale Blätter si entshlossen, es nit zu veröffent- lihen. Laut Meldung des „W. T. B.“ beschlossen die Een bahnangestellten in Moskau, heute mitiag in den Aus- stand zu treten. j Jn der gestrigen Sißung des Verbandes der Verbände wurde mitgeteilt, daß in Sewastopol wiederum Unruhen stattfinden. Nah einer amtlihen Meldung aus Tiflis finden dort seit dem 12. d. M. abermals blutige Zu- sammenstöße zwishen Armeniern und Taitiaren statt, nachdem der Statthalter den Armeniern auf deren Gésuch 500 Gewehre zur “Bernd einer Miliz bewilligt hat. Die Truppen ünd die Gesellschaft fordern die Entwaff- nung der Miliz. Die Truppen haben aus eigener Jnitiative mit dieser Entwaffnung begonnen. Jn dec Stadt herrscht Panik. Jn Jaroslaw bemächligten sih 600 bewaffnete Arbeiter der Korsinkinschen ‘i und erklärten sie als Eigentum des Proletariats. ie aus Warschau gemeldet wird, ist der Vorsißende des Warschauer Eisenbahnverbandes Moracewicz heute verhaftet worden; der Verband hat des- halb beschlossen, daß am Freitag ein Ausstand der Beamten der Weichselbahnen beginnen fol. Nah Berichien aus Bialystok sollen dort Rekruten eine Judenheße veranstalten.

Schweiz.

Der Bundesrat hat, „W. T. B.“ zufolge, die deutsche Reichsregierung ersucht, die Fh oizevistien ae angehörigen in Riga unter ihren Schuß zu nehmen. Die deutsche Regierung entsprah dem Gesuch und versicherte, die E würden ga Q Tode die von Königsberg und anderen deutschen Häfen abgehen, um die flüchti Deutschen aus Riga aufnehmen. NAVRDE

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| sowie strenge Maßregeln gegen türkische Attentate verlangt.

Der Nationalrat hat derselben Quelle zufolge die Ueber- einkunft mit dem Deutschen Reiche, betreffend die Errich- tung deutscher Zollabfertigungsftellen auf den links- rheinishen Bahnhöfen in Basel, ferner die internationale Uebereinkunft, betreffend die Hospitals chiffe, und {ließli den Schiedsvertrag mit Portugal ratifiziert,

Der Ständerat hat gestern die vom Nationalrat bereits be- r Djw Kredite für die Errichtung \{weizerischer Gesandt- schaften in Petersburg und Tokio ebenfalls bewilligt.

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Türkei.

Nach einer Meldung des „Wiener Telegr.-Korrespondenz- bureaus“ ist die internationale Flotte vorgestern von Mytilene abgegangen und gestern im Piräus eingetroffen.

Der rumänische Gesandte in Konstantinopel S S ien hat wegen eines vor wenigen Tagen erfolgten Ueberfalls des Generalinspektors der fkußo-walachishen Schulen, Lazar Dorma, der zugleich rumänisher Vizekonsul ist, bei der Pforte ernste Vorstellungen erhoben und die Bestrafung der Schuldigen

und das

Bulgarien.

Die von der allbulgarishen Konferenz beshlossene Grün- dung eines neuen nationalbulgarishen Zentral: komitees zur Unterstüßung des Befreiungswerks Mueen, wie „W. T. B.“ aus Sofia meldet, vollzogen worden

as Komitee führt den Namen Wohltätigkeitsliga. Alle mazedonishen Brüderschaften, die bisher in Bulgarien be standen haben, werden aufgelöst und der neuen Liga einverleibt

Montenegro.

_ Die Skupschtina ist gestern vom Fürsten Nikolaus mit einer Thronrede eröffnet worden, die zunächst das gen Fürst und Volk seit Generationen bestehende gegen: eitige Vertrauen betont, dessen Ergebnis die Gründung eines festen, seit 100 Jahren von der ganzen Welt als unabhängi anerkannten Staates gewesen sei, und sodann den Beschlu des Fürsten verkündet, an Stelle der Autofratie, troz: dem diese die Entwicklung und das Gedeihen des Landes nitt beeinträchtigt habe, ein anderes Regime zu seßen, das N EGERtO auf dem Wege des Fortschritts weiter bringen werde.

Nach dem Berit des ,„W. T B." kCündiat die Thronrede sodann an, daß der Skupshtina ein Verfassungsgeseß sowie ein Gese über die Organisation Montenegros in militärischer finan zieller und religiöser Beziehung zugehen werde, ver. weist auf das zwischen Christen und Mohammedanern herrs{ende gute Einvernehmen und kommt dann auf die auswärtige Pol itif zu sprehen. In erster Linie nennt der Fürst Rußland, dem Montz- negro nach Gott den meisten Dank s{chulde, und gedenkt dann des Wohlwollens des Kaisers Franz Joseph und der niemals getrübten persönlichen Beziehungen zu diesem. Auch die Beziehungen zur Türkei seien freundihastlize, und er zweifle nicht an dem guten Willen des Sultans, den Frieden und die Ruhe her- zustellen. Ein festes Freundshaftsband bestehe au mit Jtalien, besonders feitdem zwis{en beidèn Dynastien verwandts{häftlidhe Bande entsianden seien. Der Fürst weist sodann auf den ihm in Berlin be reiteten festliGen Emvfang und die durch Kaiser Wilhelm ver, anlaßte Errihtung einer diplomatishen Vertretung Deuts lands in Cetinje hin und spriht die Heffnurg aus, daß auch der Ang von England, gleich der Königin Viktoria, Montenegro Woßlwollen entg-genbringen werde. Endlich gedenkt die Thronrede des guten Verbältnisses zu Serbien und Bulgarien und arer die Montenegriner auf, die Verfassung hochzuhalten und zu

üßen.

Nach dem Verlesen der Thronrede legte der Fürst den Eid auf die Verfassung ab. :

Asien.

n Schanghai haben sih, nah den eingegangenen Depe})chen des "W. T. B.“, vorgestern und gestern die Nube- störungen wiederholt, wobei mehrere Europäer getötet und verwundet worden find. Da auch der deutsche und englische Konsul von Chinesen beschimpft worden sind, find von den in Schanghai eingetroffenen Kriegsschiffen deutshe, englishe und amerikanishe Truppen gelandet worden, welche die offiziellen Gebäude und die Telegraphenämter bewachen.

__ Wie der „Daily Telegraph“ aus Tokio meldet, hat sih die Fortschrittspartei mit der liberalen Partei der Seiyoukwai n gemeinschaftlihen Vorgehen gegen die Regierung ver- bunden, wodurch eine Minifterkrifis herbeigeführt worden ist. Der Ministerpräsident Graf Katsura hat den Führer der Seiyoukwai, Marquis Saionii, zur Neubildung des Ministeriums vorgeschlagen.

Parlamentarische Nachrichten.

Das Mitglied des Herrenhauses Dr.Sommerwerck genannt Jacobi, Bischof von Hildesheim, ist am 18. d. M. gestorben.

Statiftik und Volkswirtschaft.

Die Grundzüge der Knavvschaftsnovelle.

Der dem Hause der Abgeordneten zugegangene Gesetzentwurf, be- treffend die Akänderung des 7. Titels im Ällrenmettien erggeset für die preußischen Staaten vom 24. Juni 1865, bezweckt eine zeitgemäß? Reform der berggeseßglihen Bestimmungen über das Knappschaftswesen, Eine Mitteilung der Grundzüge dieser Reform wird daher von all- gemeinerem Interesse sein.

Das Allgemeine Berggesez siellt den Knappschaftsvereinen bekanntli die doppelte Aufgabe, den in berabaulihen Betrieben beschäftigten Arbeitern einerseits in Krankbeitsfällen cine auêreichende Krankenunterstüßung und anderseits im Falle ihrer Unfähigkeit zur Berufsarbeit eine laufende Invalidenunterstüßung sowie im Falle ihres Todes weitere laufende Unterstüßungen an die hinterbliebêènen Witwen und Waisen zu gewähren. Die Vorschriften des von den Knappschafts- vereinen handelnden 7. Titels im Allgemeinen Berggeseß haben biéher noch feine Abänderung durch die Landesgesetzgebung erfahren. Sie sind in das Allgemeine Berggeseg durhweg übernommen aus dem Preußischen Knappschaftsgeseß vom 10. April 1854, then also jeyt über ein halbes Jahrhundert in Geltung. Erlaffen zu einer Zeit, in welBer das preußische Knappschaftéwesen in wohl noch höherem Maße als unser damaliger preußisher Bergbau im Verglei mit den heutigen Verkbält- nissen noch in den Kindershuhen steckte, müssen diese geseßlichen Vor- schriften in vielfahen Beziehungen als veraltet bezeihaet werden. Hinzu tommt, daß der Knappschaftstitel des Allgemeinen Berggesez2s durch die Reichsgesezgebung insbesondere die Arbeiterversicherungégeseßgebung des Reichs in einem Vièaße geändert und beeinflußt ist, daß selbst unter den zünftigen Juristen nur kundige Spezialisten mit Sicherheit beurteilen können, ob eine einzelne Vorschrift noch heute zu Recht besteht oder in welchein Maße sie durch die Reichsgesetzgebung abgt- ändert worden ist. Das Bedenklichite indessen ift, daß die dauernde Leistungsfähigkeit unserer meisten Knappschaftsvereine nicht ausreichend sichergestellt erscheint, und daß unsere heutige Geseßgebung keine Hand- habe bietet, um den hieraus drohenden Gefahren begegnen zu können. Berükfichtigt man dabei die Tatsache, daß unsere vréußiichen Knappschafté- vereine im Jahre 1904 mehr als 660 000 aktive Mitglieder in si ver- einten, denen die gesamte Krankenunterstüßung und zwar in dew gleichen Mindestmaße, wie dies für die Betriebskrankenkassen vorgeschrieben ist zu gewähren ist, daß diese Knappschaftsvereine daneben und außerdem im Jahre 1904 an mehr als 69 009 Berufsinvaliden, 56 000 Witwen und 48 CC0 Waifen fortlaufende Penfionen zu ent richten hatten, und daß der Gesamtbetrag der neben der vollen reihé- gefeßlihen Krankenunterftüßung sowie unabhängig von den reihs-

eseßliden Unfall- und Inbalidznrenten im Jahre 1904 gewährten ortlaufenden Pensionen sich auf nahezu 287 Millionen Mark be- [aufen hat, so erhellt ohne weiteres, daß die dauernde Leistang® fähigkeit der Knappschaftsvereine für weite Kreise unseres Volkes von ganz außerordeniliGer Bedeutung ift. : Der Gesetzentwurf stellt sih hiernach die Aufgabe, einmal die berggeseßlihen Bestimmungen über das Knappschaftswesen mit den für leßteres maßgebenden Vorschriften der Reichsgeseßzgebung in Ein- ang zu bringen, und sodann die Lücken und Mängel zu beseitig!n

welche die heutigen berggeseßlihen Vorschriften über die Knappschaft?- vereine sahli®@ aufweisen. Eines Eingebens auf die ersterwähntt,

r formale Aufgabe des Gesegentwurfs bedarf es hier niht. Da- ui tien die Grundzüge der im Entwurf vorgesehenen sachlichen

nderungen näher zu erörtern sein.

Der Gesetzentwurf sieht es als seine Hauptaufgabe an, auf tunlihste Sicherstellung der den einzelnen Knappschafts- vereinen obliegenden Leistungen hinzuwirken. Das preußische Knappschaftswesen krankt in dieser Beziehung an zwei Hauptübel- ständen: einmal an der ungemeinen Zersplitterung in eine übergroße

ahl von Knappschaftsvereizen und sodann an der Tatsache, daß den meisten Knappschaftsvereinen früher und zum Teil noch jeßt Dei n Leistungen niht nah sahgemäßen Grundsäßen bemessen orden find. L _ 2 Nah welhen Grundsäßen Beiträge und Leistungen zu bemessen sind, dafür fehlt es bisher an jeder geseßlihen Bestimmung. Wenn es au den Aufsihtsbehörden in den meisten Fällen bisher gelungen ist, Vereine, deren dauernde Leistungsfähigkeit in offenkundiger Weise in Frage gestellt ersien, zur Vornahme sachgemäßer Maßnahmen behufs Anbahnung einer Gesundung ihrer Finanzverhältnisse zu be- wegen, so hat sih do das Fehlen einer soldhen ausdrüdlihen Vor- {rift bei diesen Verhandlungen als eine offenbare Lüde im bis- herigen Gesetz E gemalt, die unter allen Umständen jeßt aus- efüllt werden muß. L E 6 Heberdies find inzwischen im Krankenversiherungsgeseß für die diesem Gesetz unterliegenden Krankenkassen weitgehende Vorschriften etroffen, uin die dauernde Leistungsfähigkeit dieser Kassen tunlichst herzustellen. Ferner ist auch im Invalidenversiherungsgeseh verlangt, daß die Beiträge so bemessen sein müssen, daß die dauernde Erfüllbarkeit der vorgesehenen Leistungen gewährleistet ift. Insbesondere ift auch für die zur selbständigen Durchführung der Reichsinvalidenversicherung zugelassenen Knappschaftsvereine im Invalidenversicherungêsgeseß vorgeschrieben, daß für die Anteile der Belastungen an den nah diesem Gesetz zu gewährenden Renten die nach dem Inbvalidenversiherungs- geseß zu erhebenden Beiträge maßgebend sein follen. Ebenso ist in dem Reichsgeseß über die privaten Versicherung8anstalten vom 12. Mai 1901 für alle diesem Gesez unterliegenden privaten Versicherungs8- unternehmungen, und damit selbft für die kleinsten Sterbektassen, die dauernde Erfüllbarkeit der Kassenleistungen zum geseßlichen Erforder- nis gemaht und dur entsprechende geseßliche Vorschriften tunlihst esihert worden. Die Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit analoger Bestimmungen für die knapxscaftlihen Pensionskassen wird hiernah einem begründeten Zweifel niht unterliegen können. : i

Was zunächst die Krankenkassenleistungen anlangt, fo schreibt der Entwurf, dem Krankenversiherungsgeseß folgend, vor: die An- sammlung eines Reservefonds im Mindestbetrage der durchs{hnittlihen Jahrésausgabe der drei leßten Jahre. Die hauptsächlihsten Gefahren drohen den Knappschaftsvereinen indeffen vor allem aus einer unfach-

emäßen Bemessung der Beiträge für die Pensionskaffenleisiungen.

Sn dieser Beziehung verlangt der- Entrourf fortan einz derartige Be- messung der Beiträge, daß leßtere unter Hinzurechnung der etwaigen weiteren Einnahmen der Pensionskasse und unter Berücksichtigung aller sonstigen für die Leistungsfähigkeit des Knappschaftsvereins in Betracht kommenden Nele pad die dauernde Erfüllbarkeit der Pensionskafsen- [eistungen ermöglichen. ,

Bei der überwiegenden Mehrzahl der preußishen Knappschafts- vereine ist die Bemessung der Beiträge bisher nicht nach den im Entwurf aufgestellten Grundsäßen erfolgt. Das Ziel der hier in Rede stehenden Vorschrift wird hiernach in vielen Fällen nicht sofort, sondern erst in einer unter Umständen weitgesteckten Frist tatfächlih erreihbar sein. Der Entwurf sieht es daher in folchen Fällen als ausreihend an, daß durch die Saßung ein Plan festgelegt wird, welcher in einer den Umständen angemessenen Frist zu der tatsählihen Er- möglihung der dauernden Erfüllbarkeit führt. ) E

Das zweite Hauptübe! unseres heutigen Knappshaftswesens ist wie bereits erwähnt die Zersplitterung in eine über-

große Zahl von Knappschaftsvereinen und die dadur verursachte zu geringe Mitgliederzahl vieler einzelnen Knappschaftsvereine. Es bestehen zur Zeit im ganzen 72 Knappschaftsvereine. Von diesen haben :

1 Verein eine Mitgliederzahl von 282 000

E L g 113 000

L G é è «e 49000

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5 Vereine , zwischWen 10000 und 20 000.

Mithin haben von den 72 Knappschaftévereinen nur 9 Vereine eine Mitgliederzahl von 10000 und mehr Mitgliedern. Von den übrigen 63 Knappschaftevereinen haben 27 Vereine eine Mitglieder- zahl zwischen 1000 und 10 000 Mitgliedern, und gar 36 Vereine eine Mitgliederzahl von weniger als 1000 Mitgliedern, und zwar hinab bis unter 10 Mitglieder i :

Wenn au die Bergbehörden ihren ganzen Einfluß aufgeboten haben, um die Knappschaftsvereine zu veranlaffen, fi zu leiftungs- fähigen Vereinen zusaumenzuschließen, so hat doch die Erfahrung ge- lehrt, daß auf dem Wege des freiwilligen Zusammenschlufses zu einem durhgreifenden Erfolge nit zu gelangen ift. Zur Beseitigung dieses Vebelstandes sind daher im Entwurf der Aufsichtsbehörde die nach- stehenden Befugnisse beigelegt worden: Ist die Leistungsfähigkeit eines Vereins derart gefährdet, daß eine dauernde Abhilfe nicht mehr zu erwarten ist, so soll die Aufsihtébehörde den Verein auflösen und seine Mitglieder einem anderen Verein überweisen können, leßteres naturgemäß mit der Maßgabe, daß gegen den neuen Verein aus der bei dem aufgelösten Verein verbrahten Beitragézeit Ansprüche nicht geltend gemaht werden können. Ferner foll die Auf- sihtsbehörde befugt sein, im Interesse der dauernden Sicherstellung der Ansprüche der Mitglieder die Vereinigung von zwei oder mehreren Pensionskafsen anzuordnen, und zwar in der Weise, daß entweder die vollständige Vereinigung der Pensionskafsen erfolgt, oder daß sie ihre Selbständigkeit behalten, aber sich zu einem NRüdversicherung8verband vereinigen. Diese Maßnahmen dürften eine ausreichende Handhabe bieten, die übermäßige Zersplitterung des preußishen Knappschafts- wesens allmählich zu beseitigen. L :

Ein weiterer sehr erhebliher Mißstand des heutigen Knapp- schaftswesens besteht in der Tatsache, daß die Freizügigkeit der dem Knappschaftszwang unterworfenen Perfonen eben durch diesen Zwang beeinträchtigt ers{eint. Regclmäßig ist mit der Beendigung der zur Mitglied\aft verpflichtenden oder berechtigenden Beschäftigung, sofern diese Beendigung nicht dur Arbeitsunfähigkeit herbeigeführt ift, auÿ der Verlust der Mitgliedshaft verbunden; der Verlust der Mit- gliedshaft hat aber durchweg auch den Verlust aller erworbenen An- sprüche zur Folge. Die vorbehaltlose Anwendung dieser im allgemeinen aus dem Wesen der Knapypshaftsvereine sih ergebenden Sätze würde indessen namentli*ß in den Fällen zu einer aroßen ada führen, wenn ein Mitglied nach längerer Vitgliedszeit von einem Vereinswerk abkehrt und bei einem Werke, welches zum Bezirk eines anderen Knappschaftsvereins gehört, die Arbeit wieder aufnimmt, oder wenn es sei es zeitweise, sei es dauernd aus knappschafts- pflihtiger Beschäftigung überhaupt aussheidet. Es wird daher dafür Sorge getragen werden müssen, daß denjenigen Perfonen, welhe ge- zwungen find, sich kaappschaftlih zu versichern, die mit der knapp- \haftlihen Versicherung verfolgten Zwecke auch dann erhalten bleiben, wenn diese Personen von ihrem Neht der Freizügigkeit Gebrauch

maden. Nach dieser Richtung hin pie es bisher an ausdrüdcklichen geseßzs lihen Vorschriften. Dagegen hat ein Teil der Knappschaftsvereize aus eigener Entschließung oder auf Drängen der Aufsicht? behörde Maßnahmen getroffen, um ihren Mitgliedern beim Ausscheiden aus der Beschäftigung auf den Vereinswerken die bisherigen Beitrags- [eistungen nicht verloren gehen zu lafsen. Dieser Zweck wurde dadurhch ¡u erreihen gesucht, daß mit anderen Knappschaftsvereinen im Wege des Vertrages ein fogenanntes Gegenseitigkeitsverbältnis vereinbart, und daß ferner durch die Saßzung denjenigen ausscheidenden Mit- gliedern, welche nicht cinem anderen Knappschaftsverein beitraten, die Möglichkeit gegeben wurde, ih ihre bisher erworbene Anwartschaft auf spätere Pensionskafsenleistungen zu erbalten.

Das vertcagliche Gegenseitigkeitsverbhältnis beruhte auf der Grundlage, daß das aus\{eidende Mitglied aller Ansprüche an den

bisherigen Knappschaftsverein verlustig ging, dagegen in dem neuen Knappschaftsvereine so behandelt wurde, als sei es bereits während seiner ganzen Dienstzeit in dem alten Verein Mitglied des neuen Vereins gewesen, und daß des e Verein, bei welchem der Für- sorgefall für das betreffende Mitglied eintrat, die Gesamtheit diefer Fürsorge allein zu tragen hatte. Diese Regelung erscheint indessen nur dann als sachgemäk, wenn die Beiträge und Leistungen bei den in Betracht kommenden Vereinen wenigstens annähernd die gleichen find, und wenn die Zu- und Abgänge der Vereinsmitglieder in ihrer Wirkung auf die einzelnen Vereine sich wenigstens annähernd gegen- seitig aufheben. : A j

Beide Voraussetzungen treffen jedoch für die Gesamtheit der preußishen Knappschaftsvereine nicht zu. Es ist daher sehr erklärlich, daß ein allgemeines Gegenseitigkeitsverhältnis unter den preußishen Knappschaftsvereinen bither nit zustande gekommen ift, sondern daß dieses Vertragsverhältnis, wo es besteht, fich meist nur auf ver- bältnismäßig wenige Knappschaftévereine beshränkt. Der Ent- wurf sieht daher au ferner als feststehend an, daß auf dieser Grundlage des vertraglichen O La nisses die geseglißze Regelun der Mitgliederansprüche bei Verein8wehsel für die preußishen Knappschaftsvereine nicht er- folgen kann. Für diese Vereine wird vielmehr eine sahgemäße geseß- lie Regelung nur auf der Grundlage erfolgen können, daß bei Ver- einêwehsel die Bemessung der Invalidenunterstüßungen und Witwers- unterstüßungen unter Berücksichtigung der Ansprüche erfolgt, wele nach den Sazungen der im Éinzelfall in Betracht kommenden Knapp- \haftsvereine von dem betreffenden Mitglied in diesem Verein er- worben find, und daß an der Aufbringung dieser Unterstüßungen sämt- liche Vereine, denen das Mitglied angehört hat, beteiligt werden.

Die Ausführung dieses Grundgedankens hat allerdings zur un- umgcänglihen Vorausseßung, daß die bisherige Autonomie der Knapp- \chaftsvereine in der Art der Berechnung ihrer Pensionskassenleistungen bis zu einem gewissen Grade eine geseßliche Einschränkung erfährt. Den gçeringsten Eingriff in die bestehenden Verhältnisse bietet folgender Weg: die Invalidenunterstüßungen und Witwen- unterstüßungen werden lediglich nach in Zeitabschnitten ein- tretenden Steigerungssäßen, also unter Fortfall der bisher meist üblichen Grundbeträge, abgestuft; die genannten Unter- stüßungen bemessen sih alëdann auf die Summe der von dem einzelnen Mitglied erdienten Steigerungs\äße; find leßtere in verschiedenen Knavpschaftt vereinen erdient, so fällt jedem einzelnen Verein die Summe derjenigen Steigerungssäße zur Last, welche von dem Mit- glied in dem betreffenden Verein erdient find. Für diesen Weg hat fi der Allgemeine Deutsche Knappschaftsverband, welchem fast sämt- lihe preußishen Knappschaftsvereine angehören, auf Grund ein- gebendster Erörterungen nahezu einstimmig ausgesprohen. Dieser Weg ift auch dem Entwurf zu Grunde gele. j

Zur Herbeiführung der knappschaftlihen Freizügigkeit bedarf in- dessen noh der weitere Fall der Regelung, daß mit dem Ausscheiden aus einem Knappschaftsverein der Eintritt in eine andere Knapp- \haftspensionskasse niht verbunden ist. In dieser Beziehung räumt eine Arzahl von Knappschaftsvereinen heute bereits dem ausscheidenden Mitalied das Recht ein, den bis zum Ausscheiden erworbenen An- \pruch durch Zahlung einer ara aufrechtzuerbalten. Der Entwurf schreibt diese Einrihtung für alle Knappschaft3vereine geseßlih vor.

Meiter

sieht der Entwurf eine Aenderung vor hinsihtlih der Aufbringung der Mittel für die den Knappschaftsvereinen oblieg:nden Leistungen. “Die bisherige Vorschrift, daß die Werks- besizer mindestens die Hälfte der Beiträge der von ihnen be- schästigten beitrittspflihtigen Mitglieder zu entrihten hatten, ist ramentlih mit Rücksiht auf den Umstand, daß nach den bis- berigen und künftigen geseßlichen Bestimmungen Vorstand und Generalversammlung sich je zur Hälfte aus Vertretern der Werks- besiger und der Mitglieder zusammenfeßen, dahin geändert worden, daß die Werksbesizer die gleichen Beiträge zu entrichten haben, wie die von ihnen beschäftigten beitrittspflichtigen Mitglieder, zu- mal bei dem bisherigen geseßliGen Beitragéverhältnis die zur Sanierung erforderlichen Mittel vielfa überhaupt nit aufgebracht werden fönnten und die Werkêbesizer bei den Vorberatungen über den Gesetzentwurf in ihrer überwiegenden Mehrzahl fih mit dieser Mehrbelastung einverstanden erklärt haben. Ferner beseitigt der Ent- wurf den bisher in einzelnen Knappschaftsvereinen noch bestehenden Mißstand, daß auch diejenigen Mitglieder, welche saßung8gemäß keine Ariwarischaft auf Pensionsfkassenlei}tungen erwerben können, gleihwoh! zu den gleichen oder annäbernd gleichen Beiträgen herangezogen wurden wie die vollberehtigten Mitglieder. : Sodann ist auch die Organisation der Knappschafts- vereine von der Reform niht unberührt geblieben. Zunäch f wird im Interesse der anzustrebenden Santerung der Knappschafts- vereine verlangt, daß die beiden den Knappschaftsvereinen gefeßlich obliegenden Versicherung®zweige die Krankenversicherung einer- seits und die Invaliden-, Witwen- und Waisenversicherung anderer- seits innerhalb der einzelnen Knappschaftsvereine rechnunas8mäßig voneinander getrennt gehalten werden. Weiter wird vorgeschrieben, daß die zur Teilnahme an der Verwaltung berufenen Vertreter der Mitglieder, die sog. Knappscaftsältesten, nah dem Vorgang der Neich8gesetgebung auf dem Gebiete der Arbeiterversiherung und der Novellen zum Allgemeinen Berageseß vom 24. Juni 1892 und vom 14. Juli 1905 in geheimer Wabl gewählt werden müssen. End- li fehlt es im bisherigen Geseß an jeder Bestimmung darüber, was zu gesehen hat, wenn die zur Verwaltung des Knappschafts- vereins geseßlich berufenen Organe niht vorhanden find, oder wenn diese Organe geseßlich oder a Da ihnen obliegende Verpflichtungen nicht erfüllen. Nah dem Entwurf kann das Oberbergamt in beiden Fällen entweder selbst oder durch Beauftragte die Befugnisse dieser Organe wahrnehmen, ähnlih wie dies im Krankenversicherung8geseß für folche Fälle vorgesehen ist. Schließlich erstreckt ih die Reform des Knappschafts- wesens auc auf die Rechtsmittel, welche gegen die Entscheidungen über Mitgliederansprüche gegeben sind. Nach dem bisherigen Recht ist gegen alle Entscheidungen des Knappschaftsvorftandes die Beshwerde an das Oberbergamt und in weiterer Instanz die Beschwerde an den Minister für Handel und Gewerbe zugelassen. Daneben steht aber hinfihilih aller Entscheidungen über solhe Ansprüche, für welhe an und für ih der Rechtsweg zulässig sein würde, auch der Rechtsweg ofen. Es liegt auf der Hand, daß die dadurch den Knappschaftêmitgliedern und ihren Angehörigen gegebene Möglichkeit, einen und denselben Anspruch sowohl im Beschwerdewege bei den Aufsichtsbehörden als auch im Klagewege bei den ordentliGen Gerichten geltend zu m2cen, zu Unzuträglichkeiten führen kann, die namentlich in der Rehtsunsicher- beit bestehen, welhe durch das Nebeneinanderbestehen einander wider- spreender endgültiger Entscheidungen der Verwaltungsbehörden und der Gerichte notwendig hervorgerufen wird. Tatsächlih find diese Unzuträglihkeiten in der Praxis auch recht empfindlich zutage getreten. Der Entwurf sieht daher vor, daß über die Ansprüche der Mit- glieder und ihrer Angehörigen fortan nicht mehr Beshwerdeweg und Rechtsweg nebeneinander zulässig, sondern daß für eine bestimmte Entsceidung stets nur eine Behörde zuständig ist. / i Insbesondere sind die Rechtsmittel gegen Entscheidungen über Krankenansprücze im Anschluß an das Krankenversicherung8geseß dabin geregelt, daß zunächst die Beshwerde an das Oberbergamt und nah dessen Entscheidung binnen einer Aus\{lußfrist der ordentlihe Rechts- weg gegeben i. Gegen die Entscheidungen über Pensionskafsen- ansprüche wird dagegen ein {hied2gerihtli Verfahren unter Aus- {luß des Rehtswegs zugelassen. , ; Diese in thren Grundzügen fkizzierte Reform des Knoppyschafts- wesens ift allerdings in mehrfaher Beziehung recht einschneidender Art. Indessen wird es ohne ein derartiaes Eingreifen nit möglich sein, unser Knappshaft8wesen auf die Dauer leistungsfähig zu er- balten und zuglei den Segen aus dieser Einrichtung zu ziehen, den fie unserer Bergbau treibenden Bevölkerung überhaupt zu verschaffen vermag.

Erhebungen über den Arbeiterschuß in Superphosphat- fabriken.

Bei der Fabrikation von Superpbosphat find die Arbeiter mannigfahen gesundheits\{ädlihen Einflüfsen ausgeseßt. o \ächlih bietet die Verbreitung des Mineralstaubs in den rbeit8- räumen und das Auftreten giftiger Gase und Dämpfe Anlaß zu gesundheitlihen Bedenken. Die Gewerbeaufsichtsbeamten baben daber, wie ihre Jahresberihte ergeben, den Superphosphatfabriken bereits seit längerer Zeit besondere Aufmerksamkeit gewidmet. Zum Stute gegen Vergiftungen durch \{ädliche Gase find ferner von der Berufsgenossenschaft der chemischen Industrie besondere Unfallverhütungsvorschriften für Düngerfabriken erlaffen. Behufs um- fassenderer Bekämpfung der in jenen Betrieben obwaltenden Gesund- heitsgefahren hat neuerdings der Staatssekretär des Innern Dr. Graf von Posadowsky-Wehner die Bundesregierungen um die Anstellung eingehender Ermittlungen über die Einrichtung und den Betrieb der Superphotphatfabriken ersucht. Auf Grund des Ergebnisses der Er- hebungen soll geprüft werden, ob zum Schutz der Arbeiter in Super- phosphatfabriken einheitlihe Vorschriften gemäß § 120e der Gewerbe- ordnung zu erlaffen find.

Fleischteuerung in Argentinien.

Wie die Erscheinung der Fleishteuerung international ift, zeigt folgende, in der „Zeitschrift für Sozialwifsenshaft“ wiedergegebene Mitteilung der „La Plata-Post“:

„In Rosario koîtet jetzt das Fleish leßter Qualität 45—50 Ctvs. das Kilo. Angesichts dieses exorbitanten Preises wäre es angebracht, daß die Rosfariner Munizipalität das Beispiel derjenigen von San Luis nahahmte, die den Fleishverkauf in eigene Negie nahm und das Fleisch für 20 Ctvs. das Kilo verkauft.“

Zur Arbeiterbewegung.

Aus Leipzig wird der „Köln. Zta.“ telcgraphiert: Im Noten- stehergewerbe (vgl. Ne. 290 d. Bl.) ift eine Einigung erzielt worden. Die Gehilfen verzihteten auf eine Verkürzung der Arbeits- zeit und nahmen die ihnen angebotene 8- bis 93 /oige Lohnerhöhung an. Ein neuer Tarif ist bis zum 30. September 1908 vereinbart.

In Hamburg ist, wie der „Frkf. Ztg." gemeldet wird, ein

egen die Zollverwaltung gerihteter Streif der zwishen Ham- urg und Harburg verkehrenden Ewerführerfirmen zum Ausbruch gekommen. Die vier dabei beteiligten Firmen haben ihren Arbeitern, inêgesamt 500 Mann, gekündigt, weil die Zollbehörde ihre I RGR erhöht hat. Es ist ein Telegramm des inanzministers eingetroffen, das diese Erhöhung bis zur endgültigen Prüfung der Angelegenheit aufsciebt.

In Faris wollten sich gestern, wie „W. T. B." meldet, aus- ständige Erdarbeiter (vgl. Nr. 288 d. Bl.) nah dem Ministerium des Innern begeben, um dort ihre Forderungen vorzubringen. Sie wurden von der P olizei zurüdckgetrieben. Dabei kam es zu einem Handgemenge, bei dem mehrere Ausftändige und mehrere Polizisten verleßt wurden.

Kunft und Wissenschaft.

A. F. „Die wirtschaftliheEntwickelung von Kamerun“ lautete das Thema eines Vortrags, den Dr. Schulte im Hofe am leßten Montag in der Deutschen Kolonialgesellschaft, Ab- teilung Berlin, hielt. Wie kommt es, so fragte der Vortragende einleitend, daß vielfah Männer, die aus eigener Anschauung unsere Kolonien kennen, ohne Einfluß auf die die Kolonien betreffenden Entschließungen und Maßnahmen bleiben? Wahrsheinliß wohl daher, meinte der Redner, daß die entsheidenden Persönlich- feiten die Kolonien aus eigener Wahrnehmung oftmals nicht fennen und aus dem Für und Wider der Ansichten, denen fie bei Männern, die an Ort und Stelle waren, begegnen, nicht leiht zu eigenen, bestimmten Ansichten gelangen. anz unberechtigt ift ja eine gewisse vorsichtige Zurückhaltung gegen die Mitteilungen dieser Leute nicht, denn nicht selten besteht bei ihnen der Wunsch, die eigenen Leistungen für bestimmte Zwecke in helleres Licht zu seßen, als vielleiht berechtigt ift. Ein Beispiel redet, so führte der Redner weiter aus, für viele: Die sogenannte westafrikanische Kautschukerpedition datiert von ihrer Initiative den Aufschwung der Kautschukkulturen in Kamerun, während {on 1898 Dr. Preuß im botanishen Garten von Viktoria jene Kixia, für deren Anbau als für Kamerun am geeignetsten man sich entschieden, in rößeren Beständen angepflanzt und den Interessenten empfohlen hat. Gben dieser botanishe Garten i im S{Hwanken der Meinungen über seinen Wert und seine Leistungen ein redendes Beispiel dafür, wiz notwendig eigene feste Meinungen in den E gebenden Kreisen find und wie sehr es de8halb zu begrüßen und wi kommen zu beißen ist, daß sh neuerdings Mänrer aus diefen Kreisen zur Gewinnung eigener Anshauungen in die Kolonie begeben haben. Die Exkursion der sechs Reichstagsmitglieder nah Togo und Kamerun, deren eines seine Erfahrungen und Beobachtungen jüngft in einem lesenswerten Buch veröffentliht hat, ‘ift in diesem Sinne ein äußerst dankenswertes Unternehmen zu nennen, und wenn der Geheime Kommerzienrat Lenz, der Eisenbahnerbauer in der Kolonie, ih jener Reiseges-llshaft angeschlofsen hat, so ist auh das im gleihen Sinne als erfreulich anzuerkennen; denn es wird dieser Herr von dem Wind der hin- und hergehenden Meinungen frei ge- mat und ihm die ganze Bedeutung einer, womöglih zweier, richtig geführter Bahnen in Kamerun zur Erschließung des Inneren von der Küste aus, an Stelle des früheren, etwas phantastishen Projekis nahe- elegt sein. Diese und ähnliche sch voraussihtlich weiter an- \cließenden Kenntnisnahmen durch maßgebende Persönlichkeiten werden boffentlih die Folge haben, von dem bisher befolgten System, ohne Nüdsiht auf die vorhandenen Macht- und Geldmittel möglichst {nell die ganze Kolonie in Verwaltung zu nehmen, abzulenken zu Gunsten eines besonnenen, planmäßigen Vorgehens von der Küste aus zum Zweck der allmählihen Erschließung, Angliederung und ficheren Ge- winnung der Kolonie. Vielleicht liegen in der Anwendung des gegen- wärtigen Systems wirksamere Ursachen für die Unzufriedenheit der Eingeborenen, die in Ostafrika zum Aufstande führte, als in der zu Unrecht viel ges@mähten Hüttensteuer. Täuschen wir uns doch nicht darüber: Auch bei uns in Deutschland würde die Steuereinziehung nit so friedlih ablaufen, stände hinter dem Steuerzettel nicht der

Gerichtsvollzieher und die Macht des Geseßzes. Es wäre her ein Fehler, die Hüttenstzuer wieder abzuschaffen , weil ihr zu Reht oder ¿zu Unreht die Schuld an der

Unzufriedenheit der Eingeborenen zugeschrieben wird. Man reglementiere nit zuviel und stets mit der größten Ueberlegung; aber man hüte si mehr noch vor Unstetigkeit und Unbeständigkeit in der Verwaltung und einem öfteren Wechsel der Maßnahmen. Man shlage am Siß der Zentralbehörde der Kolonie auch niht in überhebendem Befser- wissen die eingehenden Berichte, einshließlich der von den Dorfschulzen anlangenden, in den Wind, sondern fihte fie und würdige fie.

Land- und Forftwirtschaft.

Anbau und Ernte der wichtigsten Körnerfrüchte in Oesterreich 1904.

Das von dem K. K. Ackerbauministerium zu Wien herausgegebene „Statistische Jahrbuh“ für 1904 bringt über die Anbauflächen und Ernteerträge der wichtigsten Körnerfrüchte in den im Reichsrat ver- tretenen Ländern der österreihischzn Monarchie folgende Zahlen.

Von der bei der Katastralrevision im Jahre 1896 auf 10 624 852 ha festgestellten Gesamtackerflähe entfielen auf den Anbau von Weizen, Roggen, Gerste (Winter- und Sommerfruht), Hafer und Mais 6 385 650 ha oder 60,1 Hundertteile. Im einzelnen ergaben {ih für

1904 und die vier Vorjahre Hektar :