1905 / 304 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 28 Dec 1905 18:00:01 GMT) scan diff

Ministerium der geistlihen, Unterrihts- und Medizinalangelegenheiten.

Der bisherige Rektor Karl Saame aus Zossen ist zum Kreisschulinspektor in Storchnest und

der Arzt Dr. Ocker aus Berlinchen zum Kreisarzt er- nannt und mit der Verwaltung des Kreisarztbezirks Kreis

Tuchel beauftragt worden. Dem Privatdozenten in der medizinishen Fakultät der

Universität zu Breslau Dr. Leopold Heine ist das Prädikat „Professor“ beigelegt worden. Finanzministerium.

Der Bundesrat hat in der jung vom 7. Dezember 1905, § 790 der Protokolle, beschlossen, daß der Brenn- steuervergütungssaÿ vom 15. Dezember 1905 ab von 6 M auf 8 M für das Hektoliter Alkohol erhöht wird.

Euer Hochwohlgeboren ersuche ih ergebenst, den Beschluß des Bundesrats durch die Regierungsamtsblätter gefälligst zu veröffentlichen und das Weitere anzuordnen.

Berlin, den 18. Dezember 1905.

& Der Finanzminister. Jm Auftrage: Rathjen. An sämtliche Herren Provinzialfteuerdirektoren.

Abschrift zur gefälligen gleichmäßigen Beachtung. Berlin, den 18. Dezember 1905. Der Finanzminister. Jm Auftrage: Rathzen. An den Herrn Generaldirektor des T Oie, Zoll- und Steuervereins in Erfurt und die Königliche Regierung in Sigmaringen.

Die bisherigen Buchhalter bei der Hauptbuchhalterei des Finanzministeriums Urban und Densow sind zu Geheimen expedierenden Sekretären und Kalkulatoren ernannt worden.

Das Katasteramt Königsberg Il im Regierungs- bezirk Königsberg ist zu beseßen.

Ministerium für Landwirtshaft, Domänen

und Forsten.

Den Domänenpächtern Wilhelm Nicolai zu Kodram und Bruno Holzkamm zu Saazig im Regierungsbezirk Siettin is der Charakter „Königliher Oberamtmann“ ver- kehen worden.

Personalveränderungen.

Königlich Preußische Armee.

Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde- rungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. Neues Palais, 24. Dezember. Prinz zu Salm-Horstmar, Gen. der Kav. und Gen. à la suite Seiner Majestät des Kaisers und Königs, unter Belassung in dem Verhältnis als Präses der Generalordens- kommission und unter Vecleihung eines Patents seines Diensuredes, zum Gen. Adjutanten Seiner Majestät des Kaisers und Königs ernannt. v. Bock u. Polach, Gen. L. und komman- dierender General des IX. Armeekorps, v. Eichhorn, Gen. Lt. und fkommardierender General des XVIIl. Armeekorps, v. Woyrs\ch, Gen. Lt. und kommandierender General des VI. Armee- korps, zu Generalen dec Inf, v. Scholl, Gen. Lt. und Gen. Adjutant Seiner Maj:- stät des Kaisers und Königs, Kommandeur der Leibgend., Gen Kapitän der Schloiz- und Leibgarde, zum Gen. der Kav., v. Schmidt, Gen. Lt. urd Inspekteur der Feldart., zum Gen. der Art., befördert. v. Rosenberg - Gruszczynski, Gen. Lt. und Gouverneur von Ulm, der Charakter als Gen. der Inf. verliehen. v. Beseler, Gen. Lt., beauftragt mit Wahrnehmung der Geschäfte des Gbefs des Ingen. und Pion. Korps und des Gen. Inspekteurs der Festungen, zum Chef des Jngen. und Pion. Korps und Gen. Inspek- teur der Festungen ernannt.

Königlich Sächfische Armee.

Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde- rungen, Verseßungen usw. 18. Dezember. Dodel, Lt. im 2. Hus. Regt. Königin Carola Nr. 19, vom 1. Januar 1906 ab auf ein Jahr ohne Gebalt beurlaubt. v. Sichart, Li. im 6. Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm Il. von Württemberg, scheidet behufs Ueber- tritts zur Kaiserlihen Shußtruppe für Südwestafrika mit dem 2. Ja- nuar 1906 aus dem Heere aus.

20. Dezember. Ebert, Unteroff. im 6 Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm Il. von Württemberg, zum Fähnr. ernannt.

Im Sanitätskorps. 18. Dezember. Dr. Ts\chötschel, Oberarzt beim 4. Inf. Regt. Nr. 103, unterm 1. Januar 1906 zu den Sanitätsoffizieren der Nes. übergeführt.

Durch Verfügung des Kriegsministeriums. 13. De-

ember. Hofmann, einjährig-freiwilliger Arzt im 3. Feldart.

gt. Nr. 32, unter Beauftragung mit Wabrnehmung einer bei dem Regt. offenen Assist. Arztstelle mit Wirkung vom 1. Dezember 1905 zum Unterarzt des aktiven Dienststandes ernannt.

XTITLI. (Königlich Württembergisches) Armeekorps.

Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde- rungen und ersezungen. Im Beurlaubtenstande. 19. Dezember. Befördert: zu Lts. die Vizefeldwebel bzw. Vize- wachtmeister: vom Landw. Bezirk Stuttgart Sieglin der Res. des Gren. Regts. Königin Olga Nr. 119, Henninger der Res. des Inf. Negts. Kaiser Friedrich, König von Preußen Nr. 125, Mehl der Res. des 10. Inf. Regts. Nr. 180, Jacob der Res, des Drag. Negts. Königin Olga Nr. 25, Tillmanns der Res. des Drag. Regts. König Nr. 26, Schiedmayer der Res. des Ulan. Negts. König Wilhelm T. Nr. 20, Schwend der Res. des 3. Feldart. Regts. Nr. 49, Eckert, Koerner der Res. des 4. Feldart. Regts. Nr. 65, Goez der Res. des Trainbats. Nr. 13, vom Landw. Bezirk Rottweil Hochstetter der Res. des 4. Infanterieregiments Nr. 122, Kaiser Franz Ioseph von Oesterreih, Könia von Ungarn, Spindler der Res. des Feldart. Regts. König Karl Nr. 13, vom Landw. Bezirk Ei gEEnrg, Grüner, Pindckernelle der Res. des Drag. Regts. Königin Olga Nr. 25, vom Landw. Bezirk Heilbronn F aer der Res. des 3. Feldart. Regts. Nr. 49, vom Landw. Bezi As Mähler der Landw. Inf. 1. Aufgebots, vom Landw. Bezirk Cß- lingen Be@Gtle der Res. des Gren. Negts. König Karl Nr. 123, MO and, Bezirk Gmünd Thomm der Res. des 10. Inf. Regts.

Abschiedsbewilligungen. Im Beurlaubtenstande. 19. Dezember. Knipper, Oberlt. des Landw. Trains 2. Aufgebots (Ludwigsburg), Hoelder, Lt. des Landw. Trains 1. Aufgebots (Ludwigsburg) der Abschied bewilligt.

Nichkamfliches. Deutsches Reich.

Preußen. Berlin, 28. Dezember.

Seine Majestät der engt e und König empfingen heute im Neuen Palais bei Potsdam den neuernannten R russishen Militärbevollmächtigten, General à la suite Tatischeff, der ein Schreiben Seiner Majestät des Kaisers von Rußland überreichte, und hörten die Vorträge des Staats- und Kriegsministers, Generalleutnants von Einem sowie des Chefs des Militärkabinetis, Generalleutnants Grafen von Hülsen-Haeseler.

hre Majestät die Kaiserin und Königin haben dem Fräulein Bötticher zu Berlin, Domleibrentenhaus, das silberne Frauen-Verdienstkreuz am weißen Bande Allergnädigst zu verleihen geruht. i

Zhre Exzellenz die Oberhofmeisterin Jhrer Mazestät der Kaiserin und Königin Frau Gräfin von Brock- dorff wird, wie in den Vorjahren, Montags, e CuR und Sonnabends von 3 bis 5 Uhr im Königlihen Schlo}se zu Berlin Besuche entgegennehmen. Anfahrt Portal TY. Der erste Empfang findet am Donnerstag, den 4. Januar 1906, ftatt. Am 18. Januar fällt der Empfang aus.

Im Monat November d. J. haben 2725 Schiffe (gegen 2759 Schiffe im November 1904) mit einem Nettoraumgehalt von 551 519 Registertons (1904 : 531 200 Registertons) den Kaiser Wilhelm-Kanal benußt und, nach 2 ug des auf die Kanalabgabe in Anrechnung zu bringenden Elblotsgeldes, an Gebühren 275 290 M (1904: 273 675 4) entrichtet.

Laut Meldung des „W. T. B.“ ist S. M. Kbt. „Panther“ am 24. Dezember von Rio Grande do Sul in See gegangen, vorgestern in Montevideo eingetroffen und geht am 5. Januar von dort nach Buenos Aires in See. |

S. M. S. „Fürst Bismarck“ is mit dem Chef des Kreuzergeschwaders, Konteradmiral Breusing am 24. De- zember in Bangkok eingetroffen ‘und geht am 30. Dezember von dort nah Singapore in See.

S. M. S. „Thetis geht morgen von Daressalam nah Tanga, Pangani und Saadani in See.

Der heimkehrende Transport der von den Schiffen des Kreuzergeshwaders abgelösten Offi- ziere und Mannschaften is mit dem Reihspostdampfer „Prinzregent Luitpold“ gestern in Port Said eingetroffen und hat an demselben Tage die-Reise nah Neapel fortgeseßt.

Q

f M - Rußland.

Durh Kaiserlihen Ukas wird laut Meldung des „W. T. B.“ das Wahlrecht zur Reihsduma folgenden Kategorien gewährt : Besißern von Jmmobilien, dieder Besteuerung unterworfen find, sofern sie mindestens ein Jahr im Besiße der- selben sind; Eigentümern von industriellen Unternehmungen, die der Besteuerung unterliegen; den Personen, die Wohnungs- steuer oder Gewerbesteuer bezahlen; den Personen, die eine Wohnung auf eigenen Namen haben, und den Personen, die Gehalt vom Staat, den Semstwos, den Gemeindebehörden oder den Eisenbahnen beziehen; diese Personen haben auch das Recht, an den Konferenzen der städtishen Wähler teilzunehmen. Arbeiter von Fabriken, deren Gesamtarbeiterzahl niht weniger als 50 beträgt, haben das Recht, Beauftragte in die Wahlver- sammlungen zu entsenden, und zwar entsenden die Arbeiter von

abriken, die wenigstens 50 und bis zu 1000 Arbeiter be- D etigen, einen Beauftragten, und die Arbeiter von Fabriken, die über 1000 Arbeiter beschäftigen, einen Beauftragten auf je 1000 Arbeiter. Die eigentlihen Wähler werden von diesen Beauftragten gewählt. A

Die erste Sißung der Duma kann eröffnet werden, nachdem der Senat eine Liste veröffentliht haben wird, die mindestens die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder der Duma enthält. Der Kaiser ordnete die Beschleunigung der Wahlen an, sowie daß der Minister des Jnnern Maßnahmen ergreife, damit die Duma sih so rasch wie möglih versammeln fónne, und daß er Sonderinstruktionen für die Ergänzungs- wahllisten bekanntgebe. A; ;

Wie „Nowoje Wremja“ mitteilt, weist der Voranschlag des Staatsbudgets für 1906 im Ordinarium ein Mehr von 10 Millionen Nubel auf. Für durch den Krieg ent- standene Kosten find im Extraordinarium über 390 Mil- lionen Rubel eingestellt worden. | j

Durch Beschluß des Ministerrats sind die Vor- schriften für die Berechtigung der Juden und Aus- länder, in Rußland Handel und Gewerbe zu treiben, vereinfaht worden. Die Reglements der Börsen für Bau- und Brennholz, welche die Rechte der Nichthristen zur Börsen- tätigkeit beshränkten, sind abgeschafft und der Handelsminister ist ermächtigt worden, die gleihen Beschränkungen in den Reglements anderer Börsen aufzuheben. :

In St. Petersburg befindet sih ein großer Teil der Fabrikarbeiter noch im Ausstande. Wie die dortige Telegraphen- agentur berichtet, ereignet es sich häufig, daß Polizei- beamte in den Arbeitervierteln ermordet werden, auch kleine

usammenstöße mit Kosaken kommen vor. Von den Bahnen ist bei einigen, wie der Baltischen Bahn, der Betrieb noch nicht auf der gangen Strecke wiederhergestellt. Auf der Warschauer Bahn sollen an der Grenze Versuche gemacht worden sein, den Verkehr zu unterbrechen. :

Moskau trägt den Charakter des Nes, Vorgeftern abend wurden die Pafsanten von den Patrouillen durhsuht; diejenigen, welhe Widerstand leisteten, wurden

erschossen. Nah 9 Uhr Abends war es in den Häusern E Das Schießen dauerte ununterbrohen an, ogar noch über Mitternaht. Die Plünderungen der Läden

nehmen an Umfang zu; namentlich war es auf Kleider- magazine und Milchwirtshaften abgesehen. Gestern seßten fich drei Abteilungen von bewaffneten Aufständishen nah drei

Richtungen in Bewegung. Eine mit Flinten und Revolvern be, waffneteAbteilung marschierte auf der Kasaner Eisenbahn wischen den Stationen Moskau und Perovo; die Vorhut dieser Abteil

versuchte sih des Nikolaibahnhofes zu bemächtigen. Die zweite

Abteilung von Revolutionären, die mit Revolvern bewa und aus Männern und Frauen, insgesamt etwa tausend Köpfe stark, zusammengeseßt war, operierte in der Gegend Sadowaja und in den umliegenden Boulevards von der alten Triumphpforte bis zum Sucharewturm. Ueberall in dieser Gegend wurden Barrikaden errichtet. Die Revolutionäre er-

schienen in fkleinen Abteilungen und griffen dje ‘Truppen an. Die dritte, stärkste Abteilung operierte in der Gegend vom Brester Bahnhof in der Sade

waja bis zur Fron, Eine Abteilung von Revolutionären verbarrikadierte fih in der Kommissarowshule. Das Gebäude wurde mit Kanonen beschossen und stark beschädigt. Viele Personen sind getötet und verwundet worden. Die Front der revolutionären Miliz erstreckt sich vom Kasanbahnhof in einer Länge von etwa 10 km. Durch die große Aus- dehnung der von Barrikaden eingenommenen Rayons wird den Regierungstruppen das Vorgehen ershwert. Gegen die Aufständischen, die bereits den vierten Tag die Stadt im Belagerungszustand halten, war gestern bis in die ersten Na mittagsstunden Artillerie in Tätigkeit. “Fortgeseßt entstehen Barrikaden an neuen Punkten und umschließen die Stadt. Von den Bahnen des Moskauer Eisenbahnknotens arbeitet nur die Nikolaibahn.

Nah Berichten der „St. Petersburger Telegraphen- agentur“ hat in Charkow am 25. d. M. der allgemeine Ausstand begonnen. Gegen die Fabrik Helfreih, wo die Arbeiter sih eingeschlossen hatten, feuerte Artillerie zwei Schüsse ab, durch die die Mauer zerstört wurde. Von der Lokomotivfabrik eilten Arbeiter herbei, um ihre Kamcraden u entsegen und warfen zwei Bomben. Auch beim Bahn- hof und im Mittelpunkt der Siadt kam es zu bewaffneten usammenstößen. Nah amtliher Meldung wurden 9 Per- sonen getötet, mehr als 200 verwundet und 138 verhaftet. Die Nacht verlief unruhig. Jn Odessa is vorgestecn ein Ausstand ausgebrohen. Selbst die Apotheker sind aus- ständig. Im Hafen ruht die Arbeit, die Dampfer stellten ihre Fahrten ein. Güterzüge gehen nicht ab, die Personenzüge verkehren bis Schmerinki. Die Hafen: arbeiter beschlossen, die Bevölkerung im Falle von Un- ruhen zu {hüßen. Jn Kiew find sämtliche Arbeiter der Eisen- bahnwerkstätten im Ausstand. Aus Jwanowo und Wos- nessensk wird telegraphish gemeldet, daß die Vertreter der dortigen Fabrikarbeiter darum bitten, daß der Bahnverkehr bis zum 28. Dezember, Mittags 12 Uhr, wiederhergestellt werde, sie würden sonst die Wiederaufnahme des Ver- kehrs gewaltsam erzwingen. Wie aus Tiflis gemeldet wird, haben dort die Mohammedaner und Armenier zunägst Frieden miteinänder geschlossen, dagegen dauert der Ausstand der Postbeamten noch fort und hat sih seit vorgestern zu einem allgemeinen Ausstand entwickelt. Die Sozial demokraten abei sih der Eisenbahn bemächtigt. Der Verkehr ist aufs äußerste beshränkt. ,

Die leßten Nachrichten des „W. T. B.“ aus Riga lauten weniger ungünstig. Eine unmittelbare Gefahr für die dortigen Deutschen scheint zur Zeit niht zu bestehen. Jn der Stadt selbst herrscht Ruhe, dagegen dauern in den Vor städten und in der Umgebung Rigas Unruhen und Mord- taten fori. Man glaubt vielfah, daß das Erscheinen fremder Kriegsschiffe den Ausländern eher schaden als nüßen würde, da einerseits dadurch die Jnsurgenten gegen die Fremden gereizt werden könnten, und es andererseits fraglich sei, wie die Schiffe in der Dünamündung bis zur Stadt Riga und den bedrohten Punkten der Umgebung vor- udringen vermöhten. Nah Meldung des von der F entsGen Regierung Fes Stettiner Dampfers „Wolga“, der mit Flüchtlingen aus Rußland wegen {weren Seeganges vorgestern O o an hat, ist der Safen von Riga sicher. Zuverlässigen Nachrichten zufolge muß die Lage in Libau ais sehr ernst angeschen werden. Durh den fkürzlih wieder begonnenen Ausstand der Post-, Telegraphen- und Eisenbahnbeamten is die Stadt vom Jn- und Auslande so gut wie gänzlih abgeschnitten. Auf dem Lande herrscht völlige Anarchie und das ganze flache Land steht in hellem Aufruhr. Man _ hofft jedoch in Libau, daß ernste Unruhen in der Stadt Os nicht eintreten werden. Bis zum 23. Dezember hatten fih in Libau nur etwa 100 deutshe Reichsangehörige zur Heimreise gemeldet, weil die meisten möglichst bis zum ießten Augenblick ausharren wollen.

In Memel und Pillau sind Vorbereitungen getro}fen, durch die für Flüchtlinge aus den russishen Ostjeehäfen erste Aufnahme,- ärztlihe Fürsorge und weitere Unterbringung g& mllletiini wird. Die Militärbehörden stellten in Pillau die ge in Königsberg Räumlichkeiten der Fortifikation zur erfügung. Hierdurch is die Möglichkeit gegeben, au un- bemittelten Obdachlosen in größerer 2 bei etwaigem Eintreffen Unterkunft zu gewähren. Auch ist die Bürgerschaft opferwillig und gastfreundlih für die Aufnahme von Flüht- lingen. Der Dampfer „Kehrwieder“ ift vorgestern mit etwa 80 Flüchtlingen in Memel und der Dampfer „Wolga“ gestern mit 147 deutschen Reichsangehörigen in Danzig eingetroffen. Beide Dampfer sind wieder nah Libau und Riga ab- gegangen. L

Nach einer Meldung der „Agence Havas“ aus Brest ist der französishe Kreuzer „Cassini“ nach Kopenhagen in SeÔ gegangen, von wo er nach Ergänzung seines Kohlenvorrais nach Kronstadt gehen wird. Ferner hat das Panzerschif „Admiral Aube“ Befehl erhalten, sich zur Abfahrt nah den baltishen Gewässern bereit zu halten, um err deren Falls französishe Staatsangehörige aus Rußland heimzubefördern.

Rumänien.

In der vorgestrigen Sißung der Deputierten- fammer unterzog der oppositionelle Deputierte Phil ippesc0 die rumänische Armee einer scharfen Kritik.

Nah dem Bericht des „W. T. B.* erwiderte der Kriegs minister, die Armee sei jeder Eventualität gewachsen; die bereit angekündigten Kredite wnden dazu dienen, das Peer reidlid m allen dem zu versehen, dessen es bedürfe. Der Minister hob hervor Rumänien besitze mätige Freunde in Guropa.

Bulgarien. s nfolge des neuen Zunftzwanggesetes sind nach einer Depes des A 2 T. B.“ aus Sofia vorgestern die Arbeiter aller Kategorien in den Ausstand getreten... Die Sozl demokraten veranstalteten vor der Sobranje Massendemon/ strationen, die ohne Ruhestörungen verliefen.

Amerika.

Dém Staatsdepartement in Washington wird, dem Reutershen Bureau“ zufolge, mitgeteilt, daß zwischen Columbia und Venezuela von neuem Schwierigkeiten entstanden seien, da der Präsident Castro \sih bemüht habe, die Auslieferung eines seiner Generale durhzuseßen, der nah Columbia geflohen ift. Asien. Nach einer Meldung des „Reutershen Bureaus“ aus H ape, breitet sih die gegen die Ste gerichtete ewegung in China aus. ‘Der Erfolg der Boykottierung amerikanisher Waren hat mehrere Zeitungen veranlaßt, wegen des Verhaltens der englishen Beamten in Schanghai einen Boykott geggn indishes Opium zu empfehlen.

Parlamentarische Nachrichten.

_Dem Reichstage sind die Gesegentwürfe, betreffend die Feststellung eines vierten Nahtrages zum Reichs- aushaltsetat und zum Haushaltsetat für die M geiiete auf das Rechnungsjahr 1905, nebst Anlagen, ferner der Entwurf eines Geseßes, betreffend Uebernahme einer Garaniie des Reichs in bezug auf eine Eisen- bahn vonDuala nach den Manengubaber gen, nebst Be- g „Und der Entwurf eines Geseßes, betreffend die

ertbestimmung der Einfuhrsheineim Zollverkehr, zugegangen.

Statistik und Volkswirtschaft.

Die preußishen Sparkassen im Rechnungsjahre 1904.

Die außerordentliße Entwicklung des Sparkassenwesens gehört seit einer Reibe von Jahren wohl zu den bedeutsamften und zuglei erfreulihsten Ersheinungen unseres inneren Wirtschaftslebens. Am Ende des Jahres 1894 betrug der Einlageb-:stand der preußischen Sas erst 4009,67 Millionen Mark; erc ftieg dann nach der „Stat. Korr.“

i. J. 1895 auf 4345,90 Mill. Mk. | i. J. 1900 auf 5745,79 Mill. Mk.

e e 1896 465562 , la a L001 v. O200AO E ¿A « 400 LE © e 1902 Ge Ï 1996 » V20C2E l O A Í e « 1899 5577,02 , ¿cle s LUOE L B

In den leßten 10 Jahren haben sich mithin die Spareinlagen von rund vier auf niht ganz acht Milliarden vermehrt, und zwar war ihre Zunahme am Ende des genannten Zeitraumes am bedeutendsten; während fie nah obigen Zahlen in den Jahren 1896 und 1897 nur 310,12 bezw. 312,49 Millionen betrug, stieg sie im Jahre 1903 auf 502,23 und im Jahre 1904 auf 531,99 Millionen Mark. Die geringe graues der Jahre 1899 und 1909 läßt sch, da während dieser

eiden Jahre zaÿlreiche Privatsparkassen namentlich in der ret Schleswig-Holstein infolge Veränderung ihres Zweckes ezw. ihrer Nehtsform aus der Statistik ausgeschieden sind, zu diesem Vergleiche nit heranzuziehen. Das Berichtsjahr, welches bei zahl- reichen Kassen niht das Kalender-, sondern das Rechnungsjahr oder noch andere Zeiträume umfaßt, hat hiernach eine größere Zunahme als alle seine Vorjahre aufzuweisen. Die Einlagebestände wuchsen nach vorläufiger Ermittlung allein durch Zuschreibung von Zinsen um 217,48 Millionen, während fie fich durch den Uebers{uß der 2014,40 Millionen Mark Neueinlagen über die 1700,33 Millionen Mark betragenden Rüdzablungen um 314,007 Millionen vers

mehrten, im ganzen betrug mithin der Zuwahs unter Pugrundelegung des zu Anfang des Berichtsjahres vor- ndenen Eirlagebestandes 531,55 Millionen Mark. Der

Uebershuß der Neuanlagen über die Rükzablungen, in dem die Spar- tâtigkeit besonders zum Ausdruck kommt, war nur in den Jahren 1901 mit 313,67, 1902 mit 311,94 und 1993 mit 300,18 Mill. Mark annähernd ebenso groß, während er sonst weit hinter diesem Betrage zurückblieb und nur noch im Jahre 1895 mit 233,05 Mill. Mark 200 Millionen überschritt.

Von dem gesamten. Einlagebestande des Berichtsjahres in Höbe von 7761,93 Millionen Mark kamen mithin auf den Kopf der bis Ende 1904 fortgeshriebenen Bevölkerung Preußens von 368 858 355 Orts- anwesenden 210,59 M Einlagen gegen 199,44 # im Vorjahre und 188,66 A im Jahre 1902.

An dem Einlagebestande des Jahres 19014 waren die einzelnen Arten der Sparkassen, wie folgt, beteiligt :

die städtishen Sparkassen .

e L . mit 51,14 Hundertteilen, Landgemeirde- usw. Sparkaffen . . . 6,22

» Kreis- und Amtésparkassen. . .. . , 31,84 u « Provinzial- und ständishen Sparkassen. „, 83,53 « Vereins. und Privatsparkassen. . . . „, 7,28 L 5

Die Anzahl der neu ausgegebenen Sparkaffenbücher belief fich im Berichtsjahre auf 1 408 299 Stück, während 969 854 zurückgenommen wurden. Im ganzen waren am Schlusse dieses Jahres 10 211 741 Bücher im Umlaufe. Auf 100 Personen der fortgeshriebenen Be- diese 3h des Staates entfielen 27,71 Konten; dagegen stellte fich

diese Za in Ostpreußen . . auf 12,72, in Salhfen . . auf 42,97,

« Westpreußen , 15,45, | Schleswig-Holstein „, 36,04, „Dei, e 38,51, | Hannover . . . 36,85, « Brandenburg «0900| Westlalei - . « 22,79, - Pommern , 28,64, | Hefssen-Nafsau. . 29,19, « Posen. . « 11,92, | der Rheinprovinz. 22,40, e Schlesien 26,82, | Hohenzollern . . 838,87.

Der Zuwachs an Sparkassenbüchern gegen die am Schlusse des Vorjahres vorhandenen betrug 438 638 Stück (während der Unter- ied zwishen den neu ausgegebenen und den zurückgenommeénen Büchern um 193 geringer ist, was sich aus Aenderungen der Bestands- ffen während des Berichtsjahres bei einzelnen Sparkassen erklärt). c L vermehrten sih die Konten

u... 6046 um 97672Stück = 358 v. H. von über co 0 0306 = 32 é 0 M 260, m. 506 L ¿000.5 000. L M É 000. 8000. 1388806 , = 00. G h 0 100 2408 . e 010 C 10000 D083 . =1106 , berhaupt 08008 = 49...

Die größten Konten, die zu beträhtlihem Teile vorübergehende

Anlagen von Kirchen- ul-, Hilfskassen u. dergl., auch von Mündel- geldern sind, C Le e Jahre die bedeutendste Zunabme auf, während die verhältniêmäßige Vermehrung der drei Bücherklassen bis zu 300 A ziemli gleich war; die kleinste Zunahme zeigte mit a8 vom Hundert die Kontenklasse von 150 bis 300 4 Einlagen.

merbin vermehrte sich aber auch diese noch reihlich doppelt so lhnell wie die Bevölkerung, deren Zuwahs 1895/1900 jährli rund s v. H. betragen hat.

Zur Arbeiterbewegung.

Der Ausf\tand in der Bielefelder Wäscheindu strie, (val. Nr. 303 d. Bl.), der nah einer Dauer von zwei Monaten O r beendet worden ift, hat, der „Rh.-Westf. Ztg zufolge, in der Haupt- sache den Streikenden einen Erfolg gebraht. Während die Arbeiterinnen eine allgemeine Lohnerhöhung von 10 9%/6 verlangten, die Fabrikanten dagegen zunächst bedingungslose Wiederaufnahme der Arbeit forderten und dann event. Zugeständnisse machen wollten, werden jet die Löhne vom gra Mittwoch, dem Tage der Wiederaufnahme der Arbeit an, um 6 bis 12/0, je nah Position, erhöht und die Arbeitszeit von bisher 10 auf 95 Stunden herabgeseßt. Die Arbeiterinnen haben Mee die weitere: Forderung auf freie Lieferung von Garn und Nadeln fallen lassen. Die Löhne der Heimarbeiterinnen, die viel- fach niedriger find als diejenigen der in den Fabriken Beschäftigten, follen demnächst auch reguliert bezw. aufgebefsert werden.

Aus Biel wird der „Frkf. Ztg.“ gemeldet, daß eine zahlreih besuhte Versammlung von Werkstättenarbeitern der Bundes- bahnen eine Protestresolution gegen die bureaukratische Gestaltung der Arbeitsverhältnisse faßte. Die Betriebsarbeiter der Bundesbahnen kTonstituierten einen \chweizerischen Verband.

In St. Petersburg ruht nah einer vom ,W. T. B.* über- mittelten Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“ gegenwärtig der Betrieb in 74 Fabriken und größeren industri-llen Etablissements mit 44385 Arbeitern; darunter befinden si die ee und die Newskywerke. Mehrere Fabriketablissements ind von den Befigern selbst ges{chlofsen worden.

Kuust und Wissenschaft.

Im Monat Januar veranstalten im Künstlerhause (Bellevue- straße) der Berliner Bildhauer Hans Harry Liebmann und der Dresdner Maler William Krause eine Sonderausftellung. Liebmann, der längere Zeit in Rom und Paris gelebt hat, stellt Reliefs, Statuen und Porträts aus. William Krause wird mit e und Landschaften aus der \{lesishen Lausiz wver- reten sein.

Land- und Forsftwirtschaft.

Wirkung des Fleishbeschaugésetzes.

Seit einiger Zeit liegen die Ergebnifse der bei der Schlachtvieh- und Fleischbeshau im Jahre 1904 erfolgten Beanstandungen für den preußishen Staat vor. Diese vom preußishen Statistischen Landes8amt veröffentlihten Zahlen haben bisher wenig Bes achtung gefunden, insbesondere is von keiner Seite die Frage geprüft worden, welche Bedeutung diese Beanstandungen für die Fleishversorgung und für die Rentabilität der einheimishen Vieh- haltung haben. Im Nachstehenden wollen wir daher den Versuch machen, zu berechnen, wie groß der Wert bezw. Minderwert derjenigen Tiere ift, die dur die Fleishbeshau in Preußen entweder ganz oder teilweise der Vernichtung anheimgefallen sind.

Es find von den untersuhten Tieren in Preußen während des Jahres 1904

ganz verworfen worden:

Wert G Ler bzw. Gesamt- \{lad- ues Ls wer ungefähr : fungen ungefähr 15 651 Stück Großvieh .. . . 105 300 |/ 4695300 A 10336 Jungvieh u. Kälber 0,40 - 40 , 413440 ,„ 12244 . Schweine . G1 80 , 979 520 , 1279. Ce A 0,08 O: 31975 308. . QIeA E 0,23 15. 4520; für bedingt tauglich wurden erklärt: / 7457 Stück Großvieh .. . 7 050 150A 1118550 4 16433 Jungvieh u. Kälber 0,07 Do 49290 , 22000. Saäwelne .-. . . E 40 ,„ 883160 ,„ 15 Co... E 19. E10 S Me d 10. 80:

für im Nahrungs- und Genußwert erheblich herabgeseßt wurden erklärt :

27 749 Stück Großvieh .. . . 1,90 100 A 2774900 4 11384 „, FIungpieh u. Kälber 0,44 I 170760 , 21300. .… Swe . . . . 028 S 534000 ,„ S E. 0,16 S 20012 E M os 0,30 u 2M: 2

nur einzelne Teile im übrigen nicht beanfstandeter Tiere waren

untauglich, und zwar von folgenden Tieren :

528 192 Stück Großvieh . . . „35,0 5M 2640960 A 72503 Jungvieh u. Kälber. 2,8 Si 217 509 ,

7968534 , S(chweine . . . . 8,65 D 2390562

S E 15,7 D L 477034 , O S o 4,0 D 12850 ,

zusammen 17418062

In obigen Zahlen is die Wertminderung keineswezs zu hoh angenommen ; vielmehr dürfte in Wirklichkeit der Minderwert noch wesentli größer fein, wozu nit zuleßt die oft niht genügende Ver- wertung des minderwertigen und bedingt tauglihen Fleisches, namentlih auf dem Lande und in kleinen Ortschaften, beiträgt. Die vorstehenden Zahlen zeigen aber doch s{hon, daß es große Verluste sind, die insbesondere die deutshe Landwirtschaft durch die im sanitären Interesse gebotene Schlatvieh- und Fleishbeshau erfährt.

Zur Schlachtviehversiherung im Königreih Sachsen.

Dem sächsishen Landtag sind von der Regierung einige Abände- rungsvorschläge zu dem seit Juni 1900 in Sahsen geltenden Schlacßt- viebversiherung8geseß unterbreitet worden. Diese Vorschläge beziehen sich in der Hauptsache darauf, eine andere Art der Beitragserbebung herbei- zuführen, um den Beschwerden der Fleischer, die behaupten, daß die Prämien für die gewerblichen Schlahtungen dur die außerordentlich zahl- reichen Notshlachtungen in unberechtigter Weise gesteigert würden, Abhilfe zu schaffen. Die sächsishe Staatsregierung folgt damit einer Anregung der sächsishen Ständekammern, und sie hat nunmehr einen Weg vorgeschlagen, der wohl geeignet erscheint, allen be- rechtigten Wünschen zu entsprechen, und der auch bereits im Landes- fulturrat die Zustimmung der sächsischen Landwirtschaft gefunden hat. Es sollen nämlich in Zukunft die Prämien für die gewerblichen Scchlachtungen ausf{ließlid nah dem r N Durchschnittsbedarf für diese gewerbliGen Schlahtungen berechnet werden. Der hierdurch niht gedeckte Mehrbedarf für die Entihädigung aus den Not- s{lachtungen und sonstigen niht gewerblihen Schlahhtungen soll dur eine jährliche, auf die viehbesizenden Landwirte zu verteilende Umlage aufgebracht werden.

Interessant ist hierbei, daß die sächsische Staatsregierung, die nunmehr auf eine über fünfjährige Erfahrung auf dem Gebiete der Schlachtviebversiherung zurückblickt, erklärt, daß dem Antrage der Fleischer auf vollständige Aufhebung des Shlachtviehversicherungsgesetzes niht Folge gegeben werden kann. Sie sagt: „Dieses Geseg war, wie hon wiederbolt bervorgehoben worden ist, eine notwendige Folge der allgemeinen Afaatag, der Schlachtvieh- und Fleischbeshau in Sachsen und bezweckt, sämtliche * per: namentli auch die kleineren Fleischer und die nicht gewerbimäßig Schlachtenden gegen die häufigen und er- beblihen Verluste zu {üßen, die denselben durch die Beanstandung des Fleisches von Schlachitieren bei der Fleishbeshau entstehen. Ein derartiger Zweck kann aber, wie nah den auch in anderen Staaten emachten Erfahrungen als zweifellos anzusehen ist, nur durch Ein- Fäbung eines unmittelbar auf geseßlihen Vorschriften beruhenden allgemeinen Versicherungszwanges erreiht werden.“

Getreidehandel in Syrien und Palästina.

Der Kaiserlihe Generalkonsul in Beirut berihtet unterm 6. d. M.: Im November d. J. wurden über Beirut 5000 dz Weizen, die aus der Gegend von Homs und Hama stammten, nah Marseille und Barcelona ausgeführt. Von anderen fyrishen und karamanifhen Häfen wurden bedeutendere Mengen mit den Dampfern der Mefsageries Maritimes z. B. nach Marfeille gegen 10 0900 az verschifft, und zwar zum Preise von 18—18,/25 Fr. f. a. B. Ver- schiffungsbafen. An Braugerste gingen nah England über Beirut 12500 dz und über Gaza 4000 dz. Ueber Haifa wurden nah Algerien 5000 dz Braugerste verschifft. Der Preis betrug 13 Fr. f 5 B. O Fe LgReNe E A IaL dz nach Eng- and. 2000 dz Roggen gingen na amburg. Im Lande sind n erheblihe Vorräte für die Ausfuhr verblieben. , f

Saatenstand und Maisernte in Rumänien.

Der Kaiserlihe Generalkonsul in Bukarest berihtet unterm 16. d. M.: Anhaltend trockenes Wetter störte im Beginn den dies- jährigen Herbstanbau, an den der Landmann daber unter {hwierigen und ungünstigen Verbältnissen heranging. Die Folge da- bon war zunächst, daß Kohlreps (Kolßa) und Rübsen (Navette), Pflanzen, die in der Zeit vom August bis längstens Mitte September angebaut werden müssen, damit fie gut entwickelt in den Winter kommen und dem Froste Widerstand leisten können, wegen Mangel an Regen nit zur Ausfaat gelangten. Der Arbau dieser Pflanzen beshränkt fih daher auf die geringen Mengen, die vor oder un- mittelbar na der regenlosen Anbauzeit eingesät werden konnten. Im kommenden Jahre muß infolgedefsen mit einem erbeblihen Ausfall des Erträgnisses an diejen Pflanzen gerechnet werden.

Der Anbau von Weizen, Roggen und Herbstgerste er- folgte dagegen in reckcht erbeblißem Umfange. Man nimmt sogar an, daß noch die vorjährige Anbaufläche, die selbst {hon erbebli war, noch um etwa 10 9/0 überschritten worden ift. Die vorjährigen Anbau- fläden betrugen: für Weizen 1958 250 ha, für Roggen 161 193 ha und für Gerste 528758 ha. Hinsichtlich der Gerste muß jedo be- achtet werden, daß deren Hauptanbau in das Frühjahr fällt.

Reichliche Niederschläge im Anfang Oktober, die ih in der Feen in genügender Weise wiederholten, und {höônes anhaltendes Be stwetter bewirkten, daß sich die Saaten recht „gut entwickelten.

der segenwärtne Stand derselben ist vielversprehend. Das Weitere bängt davon ab, daß die Felder rechtzeitigen Schuß dur genügende Schneedecke finden, die zur Zeit ¿war noch fehlt, bisher aber auch wegen des recht guten Wetters niht vermißt worden ist.

Was den Ausfall der diesjährigen Maisernte anlangt, so haben die Aufnahmen, die nach der Ernte gemackt werten konnten, dargetan, daß nicht nur der Bedarf für die Ernährung der Bevölkerung und für Zwecke der Lande8industrie gedeckt ist, sondern daß auch noch eine erhebliche Menge für die Ausfuhc zur Verfügung bleibt. Dabei ist die Beschaffenheit der Fruht recht gut. Die s{lechteste Maisernte hatte in diesem Jahre im allgemeinen der Bauer. Die frübzeitiger anbauenden Gutsbesißer und -Pächter haben im Dur(schnitt eine Miittel-, teilweise sogar eine gute Ernte erzielt.

Verkehrsanunftalten.

Die Mekkabahn.

Zur Feier des 25 jährigen Regierungsjubiläums Seiner Majestät des Sultans Abdul Hamid Ikl. ist am 1. September 1904 das erste Drittel der von der türkischen Regierung feit langer Zeit geplanten Mekkabahn Damaskus —Medina auf der Teilstree Damaëtkus—Mañän eröffnet worden. Diese Bahn, auch Hedjas- oder Pilgerbahn ge- nannt, ift ihrem Bestimmungszwecke nah eine der interessantesten Bahnen. Ihre Entstehung verdankt sie in erster Reihe religiösen Gründen; sie soll den mohammedanishen Gläubigen die vom Koran vorgeshriebene Wallfahrt zu den heiligen Orten des Islam Mekka und Medina erleihtern. Daneben wird die Mekkabahn auch einen fulturellen Zweck erfüllen und das Land zu beiden Seiten der Strecke dem Handel und Verkehr ershließen, zumal gleihzeitig dur die Zweiglinie Derû4— Haifa ein Ausgang nah dem Mittelländischen Meer geschafen ist. In leßter Reihe ist der Bahn au eine nit zu untershäßende militärische Bedeutung beizumessen. Denn ein Schienen- weg von Damaskus dur garz Syrien bis ins Herz von Arabien, der nordwärts [leiht Anschluß an die Linie Konstantinopel —Bagdad und dur eine Zweiglinie Maün— Akaba (125 km) eine Verbindung mit dem Roten Meer erhalten kann, bedeutet siherlih eine Stärkung des politischen und militärishen Ansehens der türkishen Regierung im Südosten der Monarchie.

Ueber die Mekkabahn selbst und ihre Ausführung ist eine Schrift von Eduard Mygind „Vom Bosporus zum Sinai* (Verlag von Otto Keil 1905) erschienen ; aus dieser Schrift teilt das „Archiv für Post und Telegraphie“ folgendes mit:

Die gesamten Kosten des Bahnbaues sind durch freiwillige Spenden der islamitishen Welt aufgebraht. Namhafte Summen wurden aus Indien, aus China, von den malaiishen Inseln, vom Kapland usw. eingesandt; auch die Geldaristokraten des türkischen Reichs, eins{@ließlich der Vasallenstaaten, und \{ließlich allen voran die wohlhabenden Paschas der Hauptstadt haben in erheblichem Maße zum Bahnbau zugesteuert. l

Mit dem Bau der Bahn ist im Frühjahr 1901 begonnen worden. Die Oberleitung lag in den Händen eines deutshen In-

enieurs, der die 460 km lange Strecke in 34 Jahren fertiggestellt bit: Der gesamte Oberbau ift durch türkishe Truppen etwa 5000 Soldaten ausgeführt worden, wodurch es möglich war, das Kilometer Bahnlinie nebst allen Kunstbauten (Brücken, Wasservers forgungsanlagen, Station®gebäuden) mit 1500 Pfund türkisch = 27 €60 M berzustellen.

Die Bahnlinie beginnt 1 km von Damaskus, der größten Stadt Syriens, mit etwa 250 000 Einwohnern. Der Name Damaskus ift seit der Mitte des 7. Jahrhunderts ununterbrochen auf das engste und meistens auh das glorreihste mit der Geschichte der Khalifen und Sultane verknüpft ; es blieb in allen N die stolzeste Hochburg des Islam. Daher ift es natürlih, daß nach alter Tradition von hier aus die Pilgerfahrt na Mekka ihren eigentlihen Anfang nimmt. Von der ersten Station Kadem wendet sih die Bahn zunächst gegen SO., dann gegen SW., erreiht bei 21 km, nicht weit von dem Bahnhofe Kitweh der französishen Hauranbahn, die Station Kisweh, wendet sich sodann wieder nah SO. und führt über Der-Ali

ei 50 km nah dem am Nande des Lavagebiets el Ledsha gelegenen Mismieh; von bier zieht fie sh den Rand des Ledscha entlang über

bbab, Mohadjeb, Schähra nah Esra (91 km) und fodann über

hafaleh nach Derâa (123 km). Die Station Derâa ist dur eine 135 km lange Zweiglinie mit Meserib, dem Endpunkte der französischen ads Damaskus—Meserib, verbunden, welches in gleider Höhe liegt mit dem See Tiberias (Genezareth) und der Stadt Nazareth. Nah Derña folgen die Stationen Nafsib, Mefrak, Semra, Kalat es Serka, Ummüän (223 km). Von hier aus führt eine ziemlih direkte Straße über den Jordan und über Jericho in zwei bequemen Tagesreisen nah Jerusalem. Hinter den nun folgenden Stationen Kassir und Lubben liegt öftlih der Bahn, nabe der Station Dijiseh, der Ort M’schatta, von wo die berühmte Tempelfafsade stammt, die vom Sultan dem Deutschen Kaiser zum Geschenk gemacht wurde. Die Fassade befindet schG im Kaiser Friedrih-Museum in Berlin. Auf der gleihen Höhe mit M'schaita liegt der Berg Nebo, von dessen Spitze man einen umfafsenden Rundblick genießt auf das ganze Gebiet vom Toten Meere über den Jordan hinauf nach Judäa, Samaria und Galiläa. Vou Dijiseh ab befinden sich Ie 200 km langen Strecke bis Man nur noch die Stationen Debáa, n-Sebib, Katraneh, El Hafsa, Djorf-el-Derwisch und Aneseh. aûn ift ein Städthen von etwa 3000 Ginwohnern; es fteht auf der Stelle der in der Bibel ge- nannten Feste der Maoniter. Nach dem Zerfall der römishen Welt- herrshaft blühte Maün noch Jahrhunderte hindurch als will- kommener Stüßpunkt für die mit dem Aufflammen des Islam neu