1885 / 87 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 14 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

Lehrern und Lehrerinnen an obligatorishen Volksschulen zu Gute kommen solle. : : j

Der Abg. Richter wies darauf hin, daß seine Partei {hon seit längerer Zeit eine Regelung der Pensionirung der Volks- s{ullehrer angesirebt habe. Sie stehe daher auch dem vor- liegenden Geseßentwurf sympathisch gegenüber. Was die Vertheilung der Lasten der Pensionirung betreffe, so werde seine Partei in erster Linie darauf hinwirken, daß zwei Drittel der Lasten vom Staate und ein Drittel von den Gemeinden übernommen würden. Eventuell werde dieselbe aber auch dem Vorschlage der Regierung beitreten.

Der Finanz-Minister Dr. von Scholz erklärte, daß er prinzipiell gegen eine Quotenbetheiligung des Staates und der Gemeinden keine Bedenken habe, derselben sogar den Vorzug gegeben haben würde, wenn nicht von der Kommisfion eine bestimmte Summe in Vorschlag gebracht wäre. Die von ihm angegebene Summe gebe übrigens die Sicherheit, daß alle Gemeinden zu den Kosten der Pensionirung mit beizu- tragen veranlaßt werden würden.

ua Schluß des Blattes \prach der Abg. von Schencken- dorff.

Als Aerzte haben sich niedergelassen die Herren : Dr. Mosberg, Dr. Gust. Wagner, Dr. Benno Remak, Dr. Schaeffer, Dr. Windels, Rob. Richter, Dr. Koehler, Dr. Czempin, Danßziger, Dr. Hollstein und Dr. Martin Schulze, sämmtlih in Berlin, Dr. Hau in Forst und Conrad in Priebus,

Posen, 13. April. 23. Provinzial-Landtag des Großherzogthums Posen. Nach den üblichen Eröffnungs- feierlihkeiten ernannte in der gestrigen ersten Sißung der Landtags-Marschall die Abgg. von Zoîtowski und Alberti zu Schriftführern, und den Abg. Bielefeld zum Quästor des Landtages. :

Jn der heutigen 2. Plenarsißung sind 4 Ausschüsse zur Vorberathung der vorliegenden Gegenstände gebildet worden : 1. Allgemeine Verfassungs- und Verwaltungs- sowie Chaussee- und Wegebausachen; 11. Landarmenanwesen und Angelegenheiten der Korrektionsanstalt Kosten ; 11. Provinzial- ftändishe Anstalten, wohlthätige Zwele, Landesmeliorationen und ViehseuchenEntschädigungen; IV. Finanz- und Kassen- \sachen-Angelegenheiten der Provinzial-Feuersozietät, Nächste Sißung voraussihtlich am 20. April cr.

Bayern. München, 13. April. (W. T. B.) Die von dem Reichstagsabgeordneten von Vollmar, behufs Ab- legung des Rechenschaftsberichts, auf gestern in Schwabing anberaumte sozialdemokratische Versammlung ist Seitens der Ortspolizei inhibirt worden.

Sachsen. Dresden, 12. April. Der König und die Königin sind, wie das „Dr. J.“ meldet, im besten Wohlsein gestern Nachmittags 5 Uhr 40 Minuten in Lugano angekommen und haben im „Hotel du Parc“ daselbst Nacht- quartier genommen.

Sachsen - Weimar : Eisenach. Weimar, 13. April. (Th. C.) Der Erbgroßherzog und die Erbgroß- herzogin, welche der Vermählung des Prinzen Wilhelm von Sachsen-Weimar-Eisenah mit der Prinzessin Gerta von Jsen- burg-Büdingen in Wächtersbach beigewohnt haben, kehren in den nächsten Tagen von dort hierher zurü.

Oesterreich-Ungarn. Wien, 12. April. (Presse.) Der Kronprinz Erzherzog Rudolf und die Kronprin- zessin Erzherzogin Stephanie sind früh 6 Uhr 20 Mi- nuten aus Brüssel mit einem Separatzuge der Westbahn hier eingetroffen.

Die nächste Sitzung des Herrenhauses findet am Donnerstag, den 16. d., statt ; Tagesordnung: Zweite Lesung des Sprengstoff-Geseßes, der Gesetze, betressend die An- haltung in den Zwangsarbeits-Anstalten und zweite Lesung der vom Abgeordnetenhause beshlossenen Lokalbahn-Gesete. Bezüglich aller dieser Geseße wird die Annahme der Be- \{lüsse des Abgeordnetenhauses beantragt. Nur in Betreff des Gesetzes über die Zulässigkeit der Anhaltung in Zwangs- arbeits- und Besserungsganstalten beantragt die Majorität der juridishen Kommission (Referent Baron Hye) Uebergang zur Tagesordnung und eine Resolution, der zufolge die Regierung eventuell einen wohlvorbereiteten Gesehentwurf in der nächsten Session einbringen soll. Die Minorität (Belcredi, Habietinek, Flud, Kuefstein, Walterskirhen) beantragt dagegen die An- nahme des Geseßentwurfes. :

Hermannstadt, 12. April. (Presse.) Die Synode der Siebenbürger griewisch-orientalishen rumänishen Erz- diözese wurde heute Vormittags vom Erzbischof, Metropo- liten Miron Roman in feierliher Weise eröffnet. Am 15, d. M. tritt hier die evangelische Landes-Kirchen - versammlung Augsburger Konfession zusammen.

Pen, 12 Ap, (Presse) Die liberale Partei des Reichstages nahm den Gesezentwurf über den Ausbau der Szered-Galgocz-Liptovarer Eisenbahn- linie an. Jm Laufe dec Verhandlung wurde der Ausbau der

elegyhaza-Csongrader Flügelbahn (österreichisch - ungarische

taatsbahn) zur Sprache gebraht. Hierauf wurde die Ver- handlung des Geseßentwurss über die Postsparkassen aufgenommen und derselbe im Allgemeinen acceptirt. Die Spezialdebatte findet morgen Abend statt. Die gemäßigte Opposition acceptirte gleihfalls die Geseßentwürfe, be- treffend den Ausbau der Szered-Galgocz-Liptovarer Flügellinie der Waagthalbahn und betreffs der Postsparkassen für Ungarn.

Großbritannien und Jrland. London, 11, April. (Allg. Corr.) Der Prinz von Wales empfing gestern Vormittag in der St. Patrikshalle der Dubliner Burg die Erzbischöfe und Bischöfe der irishen Kirche jowie Deputationen der Dubliner Handelskammer, der irischen Freimaurerloge und verschiedener anderer Körperschaften, die ihm Willkommen- und Ergebenheitsadressen tiberreichten. Der Prinz nahm 40 bis 50 solher Adressen ent- gegen. Nachmittags legte der Prinz in Gegenwart einer glänzenden Gesellshast den Grundstein zu einem neuen Museum für Kunst und Wissenschaft, und besuchte dann mit seiner Gemahlin und seinem Sohne die neue Universität, wo ihm der Grad eines Doktors beider Rechte und der Prinzessin der Grad eines Doktors der Musik bonoris causa verliehen wurde. Auch hier wurden wieder Adressen überreiht. Die Königlichen Gäste wurden überall mit dem größten Enthusiasmus empfangen. Abends fand in der Burg ein glänzendes Ballfe st statt, zu welhem über 1000 Einladungen ergangen waren.

13. April. (W. T. B.) Der heutige Kabinets- rath dauerte zwei Stunden. ährend desselben erging nah Liverpool die Ordre, den Dampfer „Oregon“, der als Transportshiff verwendet werden sollte, als Kriegs\chiff auszurüsten. Nach der Kabinetsberathung hatte Lord Gran- ville eine Besprehung mit dem Grafen Karolyi und Hassan Fehmi Pascha.

Wie das „ReuterscheBureau“ meldet, soll Lumsden die strategish bedeutende Position Tirpul am Heri-Rud- Fluß besetzt haben, um einen etwaigen Handstreih der Russen auf Herat zu verhindern.

Jm Unterhause kündigte heute der Unter-Staats- sekretär Croß an: er werde den Antrag, in die Spezial- berathung der egyptischen Anleihe-Bill einzutreten, be- kämpfen und beantragen, die Weiterberathung der Vor- lage auszuseßen, bis dieSuezkanal-Convention dem Hause mitgetheilt worden sei. Der Premier Gladslone erklärte: der Bericht über den Meinungsaustausch Lord Dufferins mit dem Emir von Afganistan jei einge- troffen. Einzelheiten könne er zwar niht angeben, der Mei- nungsaustausch sei aber ein voller und gänzlich befriedigender gewejen. —Der Staatssekretär des Krieges, Hartin g- ton, beantragte eine Adresse an die Königin auf die Botschaft, betreffend die Einberusung der Reserven, und erklärte: die während der Oster- ferien eingetretenen Ereignisse hätten in gewissem Grade die Ansichten der Regierung über die Höhe, den Cha- rakter und die Zeit der gewünschten Verstärkungen modifizirt. Die Regierung kenne noch nicht vollständig die Ansichten der indischen Regierung in dieser Beziehung ; deshalb sei eine ein- gehende Erklärung für jeßt niht mögli; auch sei es nicht wün- schenswerth die empfohlenen Maßregeln mitzutheilen, ehe eine ab- sotute Nothwendigkeit für eine derartige Erklärung vorhanden sei. Das Budget werde am 23. d., die Kreditforderung für die Operation im SUdan und die Vor- bereitungen in Jndien am Montag oder Dienstag näch: ster Woche vorgelegt werden. Dann werde die erforderliche Erklärung erfolgen. Niemand zweifle daran, daß Ln- gesihts der gegenwärtigen Zustände eine Verstärkung des Heeres erwünscht sei. Da wahrscheinlich die Einberufung eines sehr bedeutenden Theils der Reserve nothwendig wer- den würde, so sollten die Reserven nah den Regimentern und nicht nach den Jahresklassen einberufen werden. Labouchère beantragte ein Amendement, in welhem die Hoffnung ausgesprohen wird, daß die Verstärkung des Heeres durch den Rüdckzug der Truppen aus dem Sudan erzielt werde. Der Premier Gladstone perhorreszirte die Diskussion darüber, erklärte aber: aus dem jeßigen Schwei- gen der Minister dürfe das Haus keine Schlüsse ziehen. Das Amendement Labouchère’'s wurde darauf mit 148 gegen 39 Stimmen abgelehnt und die Adresse ange- nommen. Der Unter-Staatssekretär Lord Fißmaurice erklärte: der englishen Regierung seien keine offizielen Vorstellungen über die Unterdrüdckung

des „Bosphore Egyptien“ gemaht worden; es sei ihr indes ent, daß Furankreih das Vorgehen der egytcwen Negierung für un- geseßlich erachte. Der Kanzler der Schaßkammer,

Childers theilte mit: das Haus Rothschild habe der egyptishen Regierung Vorschüsse gemaht. Es seien Arrangements getroffen, um die Steuer von dem Coupon der Preferenz-Bonds und M isirten Schuld am 15. d. und 1. Mai abzuziehen. Die Schuldenkasse habe das betreffende Dekret acceptirt.

107 Ap Abends, (W D. B) Unterhaus. (Ausführlihe Meldung.) Auf verschiedene Anfragen, betreffend die Vorgänge an der afghanishen Grenze, erklärte der Premier Gladstone: es sei die Pflicht Englands, auf einer eingehenden Untersuhung zu bestehen. Die H A, sei im Gange, und die Regierung hoffe, daß dieselbe die Thatsachen . vollständig aufklären werde; bis dahin sei es nicht vortheilhaft, auf Einzel- heiten einzugehen. Zur geeigneten Zeit werde der Schriftwechsel vorgeiegt werden, Was den Meinungs - austausch zwischen Lord Dufferin und dem Emic von Afghanistan betreffe, auf den die Regierung unter den gegenwärtigen Umständen die größte Rücksicht nehmen müsse, so sei die Regierung im Besiß des vollständigen Berichts Lord Dufferins. Derselbe betreffe selbstverständlich auch besonders den jüngsten Konflikt, von dem der Emir von Afghanistan völlig unterrichtet gewesen sei, sowie die übrigen, jeßt s{webenden Fragen. Das Haus möge jeßt keine Details erwarten. Die zwishen Lord Dufferin und dem Emir auzgetaushten Ansichten seien er]höpfende und völlig befriedigende gewesen. Was den Bericht des Generals Komaroff angehe, so differire derselbe wesentlich von den bisher bekannten Berichten der englishen Offiziere ; von Lumsden werde ein ausführliher Bericht erwartet. Die Regierung werde ihr Möglichstes thun, die eingeleitete Untersuhung erschöpfend und* vollständig zu machen. Der Zeitpunkt, wann die Antwort der russischen Regierung und Lumsdens zu erwarten sei, sei noch nit zu bestimmen; bisher sei es nicht möglih gewesen, eine vollständige Antwort Rußlands auf die wesentlichen Punkte der Vorstellungen der englishen Regierung zu er- halten. Der Regierung sei keine Nachricht von dem Vormarsch der Russen längs des Murghabflusses zugegangen; sie habe nur gerüchtweise davon gehört. Evenso wenig habe die Regierung erfahren, daß die russische Regie- rung dem Befehlshaber an der afghanischen Grenze Beloh- nungen und Dekorationen verliehen habe. Der Unter- Staatssekretär Lord Fißmaurice erklärte: Lums- den befinde si jegt in Tripul, und es werde Alles aufge- boten, den Telegraphen zwishen Teheran und Meshed wieder herzustellen.

Jm Oberhause erwiderte Lord Granville auf eine Anfrage des Marquis von Salisbury: er habe der jüngsten Erklärung des Premiers Gladstone bezüglih der Vor-

änge an der afghanischen Grenze nichts hinzuzu- ügen. Der russishe Botschafter, Baron Staal, habe die bereits bekannten Erklärungen Komaroffs mitgetheilt. Die Regierung habe keinen Grund, den Gerüchten, daß die Russen längs des Murghabflusses vorrücken und Herat besetzt haben, Glauben beizumessen.

14. April, früh. (W. T. A Die „Daily News“ erfahren, in dem gestrigen Ministerrath sei beschlossen worden, vor Ergreifung von entscheidenden Schritten die D e- peshen Lumsdens über den Zwischenfall bei Pendjieh abzuwarten.

Die „Times“ will, im Gegensaß zu anderen Mitthei- lungen wissen: die Gerüchte von einem Vorstoß des Ge- nerals Komaroff längs des Kushk- und Murghah- flusses seien zutreffend; unweit Zulficar werde ein Zusammenstoß der Russen und Afghanen erwartet, wenn ein jolcher nicht etwa bereits stattgefunden habe. Ueber die Verhandlungen mit dem Emir von Afghanistan erfährt die „Times“: der Emir erhalte keine Extra- subsidie und habe eine solhe auch nit beanspruht. Für den Durchmarsh der englishen Truppen durh Afgha- nistan sei eine endgiltige Abmachung nicht getroffen ; wenn die Nothwendigkeit dazu eintrete, werde das Land aber England offen stehen. Lord Dufferin sei von der aufrihtigen Gefinnung des Emirs vollständig überzeugt.

14. April, Morgens. (W. T. B.) Nach einer Mel- dung aus Mallow hatte sich gestern ein Haufen Natio- nalisten unter Führung E Parlamentsdeputirten auf dem dortigen Bahnhofe versammelt, um gegen den Prin- zen und die Prinzessin von Wales bei deren Durh- reise nah Cork eine feindselige Kundgebung zu veranlassen. Von der Polizei aus dem Bahnhof vertrieben, rotteten sich die Nationalisten darauf in der Nähe desselben zusammen und empfingen das prinzlihe Paar mit Zischen und Geschrei. Jn Cork wurden gestern Abend von den Nationalisten die Fenster der Häuser eingeschlagen, auf welchen zu Ehren des Prinzlichen Besuches Fahnen ausgesteckt waren. Die Polizei intervenirte und mate dem Unfug ein Ende.

Dublin, 13. April. (W. D. B) Der Prinz und die Prinzessin von Wales sind heute Nachmittag nah Cork abgereist, Tausende von Personen waren in den Straßen versammelt, um das Prinzlihe Paar auf der Fahrt nach dem Bahnhofe zu begrüßen. Einige Minuten, bevor der Königliche Wagen das Rathhaus passirte, traf der Lord- mayor OD’Conn or (Nationalist) dort ein und wurde von der Volksmenge mit Schreien und Pfeifen empfangen. OD’'Connor begab sich sodann auf die Freitreppe des Rathhauses und ver- langte drei Hurrahs sür Parnell. Nur einige Personen ent- sprachen dieser Aufforderung; eine allgemeine Zustimmung der Menge erfolgte niht. Als der Prinz und die Prinzessin von Wales kurze Zeit darauf vorüberfuhren, wurden sie von der ganzen versammelten Volksmenge auf das Herzlichste begrüßt.

(A. C) Ueber den Aufstand in Manitoba (Canada) berichtet der amerikanische Korrespondent der Lon- doner „Times“ unterm 10. d. ferner:

Sämmtliche von der Pacific-Eisenbahn nah Westen zu beför- dernden Truppen haben in Winnipeg Halt gemacht und ein Lager bezogen, um weitere Befehle abzuwarten. Dies wurde gestern von dem General Middleton angeordnet und hat den Zweck, vor dem Vorrücken der Truppen die weitere Entwicke- luvg der Ereignisse abzuwarien. Es verlautet, die canadische Regierung verfolge eine versöhnliche Politik und werde eine Kommission entsenden, die mit den aufständishen Mischlingen unterhandeln und deren Beschwerden Abhülfe \chafen soll. Von der Front liegen keine neven Nachrichten vor, aus- genommen daß der Dampfer „Northcote* zur Truppenbeförde- rung den Sashatbewan hinab in Bereitschaft geseßzt worden ist. Der Premier-Minister Macdonald konstatirte gestern Abend im Parlament: er sei außer Stande, die Meldung zu be- stätigen, daß amerikanische Indianer die Grenze überschritten und sih den Bloocs angeschlossen hätten. General Terry, der auf ame- rikanisher Seite befehligt, telegraphirt: er habe die Meldung, daß Indianer die Grenze überschritten, untersucht, aber nicht be- gründet gefunden, Battleford ist von 1000 Indianern um- zingelt, aber sie haben bis jeßt die Baracken nicht angegriffen. Die Indianer haben in Saddle-Lake, unweit Edmonton, einen Ein- fall gemacht und die Vorräthe im Regierungs-Magazin erbeutet. Die canadische Regierung hat sich neuerdings bemüht, in New-York eine Anleihe herauszubringen, aber ihre dorthin gesandten Beamten kehrten ohne Erfolg zurü.

Frankreich. Paris, 11. April. (Fr. C.) Den Blättern ist von der „Agence Havas“ folgende neue Note zu- gestellt worden:

„Wir meldeten gestern, daß behufs Durhführung der am 4. April in Paris unterzeihneten Friedenspräliminarien ein Kaiserliches Dekret, welhes das Uebereinkommen von Tientsin ratifizirt, in Peking erlassen und in gebührender Form dem französishen Konsul in Tientsin mitgetheilt worden ift. Heute sind wir in der Lage, die Haupt- bestimmungen der Friedenspräliminarien, die in einem Protokoll und einer diesem beigefügten erklärenden Note niedergelegt sind, wiederzugeben. Einerseits willigt China darein, das Uebereinkommen von Tientsin zu ratifiziren , und andererseits erklärt Frankreich : es verfolge kein anderes Ziel als die vollständige Durchführung dieses Vertrages. Unver- züglih nah der Bekanntmachung des Kaiserlichen Dekrets, welhes die Durchführung des Uebereinkommens von Tientsin verfügt und den in Tongking befindlihen cine- sishen Truppen befiehlt, über die Grenze zurüzugehen, müssen alle militärishen Operationen suspendirt und die Blokade von Formosa und Pakoi aufgehoben wer- den. Um die regelmäßige Durchführung dieser Klausel zu sichern und jedem Mißverständnisse zuvorzukommen, ist die Abrede getroffen, daß die Einstellung der Feindseligkeiten, der Beginn und der Abschluß der Räumung Tongkings zu ab- gestuften Fristen im Monat April, Mai und vis Anfang Juli stattfinden sollen, Zur gleichen Zeit, da die chinesischen Truppen Befehl erhalten, über die Grenze zurüdzu- gehen, muß der französishe Gesandte sich nach Tientsin oder Peking begeben, um mit den Bevollmächtigten des Kaisers von China einen endgültigen Friedens-, Freundschafts- und Handelsvertrag abzuschließen. Dieser Vertrag wird das Datum der Räumung Formosas durch die französishen Truppen bestimmen. Jsst derselbe unterzeichnet und dur Kaiserliches Dekret genehmigt, dann werden die Hindernisse, welche dié französishen Kreuzer dem Transport der Kriegskontrebande nah Nord-China in den Weg legen, be- seitigt werden; die französishe Regierung wird ihre Flotte heimberufen und China dem französischen Handel seine See- häfen öffnen.“

12. April. (Köln. Ztg.) Die Befehle betreffs der Einstellung der Feindseligkeiten wurden vorgestern an den General Brière und den Admiral Courbet gesandt. Zugleich erhielten dieselben Weisungen, um einen Zwischenfall wie den von Bacls zu vermeiden. Schwierigkeiten, die etwa entstehen, sollen durch Abgeordnete der beiden Hauptquartiere gelöst werden, Auf der Seite von Kuang-Si erwartet man keinen Zwischenfall, aber man befürchtet, daß Luh-Vinh-Phuoc, der Ober-Befehlshaber der Schwarzen Mlaggen, den Befehlen aus Peking niht folgen werde. Die

eisung, Tongking zu räumen, wird dur einen Boten des

Vize-Königs von Kanton eintreffen, welher ermächtigt werden soll, über französisches Gebiet zu gehen ; es ist jedoch zweifel- hast, ob Luh-Vinh-Phuoc der Weifung Rehnung tragen wird, weil ex unter dem direkten Befehl des Vice-Königs von Nünnan steht. Der französishe Botschafter in London, Vabdington, ist auf kurze Zeit nah Paris gekommen.

13. April, Abends. (W. T. B.) Eine Depesbe des Generals Brière de l’Fsle zeigt an, daß der Be- ehl zur Einstellung der Feindseligkeiten nun- mehr eingegangen sei, und theilt zugleih mit, daß umfassende Maßregeln getroffen seien, um Ueberrashungen oder Mißver- ständnisse zu vermeiden. :

14 Vol. D. D. D.) Die „Ageuce QOavas” bezeichnet die Meldung des „Petit Journal“, wonach bas Kabinet den definitiven Frieden mit China nur unter der Bedingung abschließen werde, daß die Fischer- insel n bei Frankreich verbleiben, als unrichtig, mit dem Bemerken : die Regierung sei fest entshlossen, sih hinsihtlih des definitiven Friedens innerhalb der Bestimmungen der Friedenspräliminarien zu halten, wie solhe am 4. d. Mts. unterzeihnet worden sind.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 13. April. (W. T. B.) Der militärishe Mitarbeiter der deutshen „St. Petersburger Zeitung“ sagt in einer Besprechung der Komaroffschen Depesche: „Diese De- peshe ist augenscheinlih die Antwort auf die von St. Peters- burg verlangte Rechtfertigung der Handlungsweise Koma- ros. Seine Erklärungen haben um so höheren Werth, als sie sich mit denen des Gegners decken. (Siehe die lebte Depeshe Lumsdens., ) In neutralen Zonen besest man keine vortheilhasten Stellungen ; thut man es, so riéquirt man, aus diesen verjagt zu werden. Aus der Depcshe Komaroffs geht jedoch hervor, daß ein von afghanisher Seite systematish geplanter Angriff vorlag. Was wäre geschehen, wenn die Afghanen das russishe Detachement umzingelt und vermöge ihrer Ueberzahl einen Waffenersolg davongetragen hätten? Die sofortige Kriegserklärung Seitens Rußlands wäre unvermeidlich gewesen.“

14. Anil (W.LA. B) Die Ernennung des bise herigen Commandeurs des Garde-Corps, Grasen Paul Shuwaloff, zum Botschafter am Berliner Hofe und zum Gesandten bei dem Veecklenburg-Schweriner und Strelißer Hofe, sowie des Prinzen Alexander von Oldenburg zum Commandeur des Garde-Corps ist nunmehr erfolgt.

Der montenegrinishe Archimandrit Ban ist hier zur Bischofsweihe, wellGße am 15. d, M. stattfindet, eingetroffen.

Afrika. Egypten. Suakim, 10. April. (Allg. Corr.) General Graham erließ eine Proklamation, welche die Rebellen auffordert, sich zu unterwerfen und Lebensmittel sowie Vieh in das englische Lager zu senden, wofür sie baare Zahlung erhalten würden. Jm Weigerungsfalle würde es ihnen \{lecht ergehen. Die Eisenbahn ist jeßt bis Station Nr. 1 fertig gestellt worden. Das Berkshire-Regiment und die Seetruppen rüdcken morgen nah dem Endpunkt der Eisenbahn vor. Von Kassala sind bis zum 30. v. M. reihende Nachrichten eingegangen, denen zufolge die Garnison noch aushält, obwohl sie von den Rebellen hart bedrängt wird.

„Norddeutsche Allgemeine Zeitung“

Die bemerkt :

Die Einsicbt, daß billige Getreidepreise kein Glück für ein Land und auch nit für den Handel und Industrie treibenden Theil seiner Bevölkerung siad, sondern daß der Hauptgrund für den Nückaang der Geschäfte in vielen Ländern gegenwärtig gerade in dem Umstande zu suchen ist, daß die Getreidepreise zu niedrig sind, und das Haupt- gewerbe, die Landwirthschaft, keinen Verdienst mehr abwirft, bricht sih immer weiter Bahn. E :

Zum Beweis hierfür lassen wir weiter unten einige Stellen aus dem im „Pester Lloyd“ vom 9. d. M. erschienenen Bericht der ungarischen Kaufmannshalle folgen, in wel%em der „Geschäftêgang im Jahre 1884*, und zwar in der Manufakturenbranche, besprochen und von kaufmännischer Seite selbst das rapide Weichen der Getreidc- preise als cine Kalamität auch für das Manufakturgeshäft beieicnet Ins Wir wollen nachstehend den „Pester Lloyd“ selbst sprechen assen:

Der Geschäftsgang war \chon in dén Monaten Juni-Jult \{chleppend, der Waarenabsatz geringer als in der gleichen Periode des Vorjahres gewesen, und man hatte Kenntniß davon, daß die Ge- \chäâftslage in der Provinz allenthalben feine besonders günslige für das Wintergeshäft zu werden versprehe. Das rapide Weichen der Getreidepreise jedo, welbes damals noch nihi in Kombination ge- zogen werden konnte, wirkte dermaßen lähmend auf die Entwickelung des Geschäftsverkehrs, daß selbst die verhältnißmäßig geringe Zahl der anwesend gewesenen Kunden dadurch zur Zurückhaltung im Kaufe, eine beinahe eben so große Anzahl von Kunden aber veranlaßt war, den Markt überhaupt nicht zu besuten. Wic glauben niht zu irren, wenn wir demzufolge das Hauptmotiv für den un- erwartet s{lechten Ausgang des Marktes in der für das Manufaktur- geschäft geradezu cine Kalamität gewordenen Entwerthung des Ge- treides suchen.

Die Wirkung dieser Kalamität blieb bis zum Jahres\cchlusse an- haltend und für den weiteren Geschäftsverlauf maßgebend.

Den gleichen Verhältnissen ist das \{lechte Inkasso und zum größeren Theile auch vie abnorme Zahl der vorgekommenen Insol- venzen zuzuschreib: n.

Die „Danziger Allgemeine Zeitung“ schreibt :

Als sich vor wenigen Wochen in den Schächten der Grube „Camphausen“ das große Unglück zutrug, welchem 179 Menschenleben zum Opfer fielen, wurde allenthalben mit Dankbarkeit und Genug- thuung anerkannt, daß wir jeßt im Besitz eines Unfallversicherungs- geseßes sind, welces geeignet ist, die Hinterbliebenen wenig- stens vor den s{chweren materiellen Folgen einer folhen Kata- strophe sicher zu stellen. Das Geseß is allerdings noch nit in Kraft getreten und streng genommen würde dasselbe auf diesen großen Unfall noch keine Anwendung finden können. Es würde dies für die Hinterbliebenen ein {werer Schlag sein. Das ist denn au von allen Seiten, selbst von denen empfunden worden, welche die Prinzipien des Unfallversicherung®geseßes bis zuleßt auf das Leidenschaftlihste bekämpft haken. Deshalb wurde auch von ihnen befürwortet, daß der Staat Gnade für Recht er- gehen lafse und die Wohlthaten des Gesetzes {on auf die Opfer jener Katastrophe anwenden möge. Und als der Minister für öffent- liche Arbeiten im Abgeordnetenhause erklärte, daß der Staat sich der Hinterbliebenen anzunehmen verpflihtet sei und daß dies auf dem Boden des Unfallversicherungsgeseßes gesehen solle, wurde ihm von allen Seiten des Hauses dankender Beifall zu Theil.

__ An diesem einen Beispiel hat sih in ret deutlicher Weise ge- zeigt, was wir dem Unfallgesey zu verdanken haben und welchen Nachtheil es haben würde, wenn das Reich die Arbeiterversicherung niht in Angriff genommen hätte. Es hat sih aber hierbei auch gezcigt, wie wenig berechtigt die Opposition gegen die Versicherungs- geseßgebung war und wie sehr auch die Gegner den Segen derselben anerkennen, sobald das Gebiet der parlamentarishen Kämpfe ver- lassen ist und es fih um die praktishe Welt der Dinge handelt.

Zeitnungsftimmenu.

In den „Berliner Politischen lesen wir :

Bei der Besprechung, welce dem jüngst veröffentlichten und von uns auszugsweise wiedergegebenen Weißbuche, betreffend die Vor- verhandlungen über die afrikanishe Konferenz, in der Presse zu Theil geworden ist, konnte man mehrfach der Bemerkung begegnen, daß der Inhalt dieser Sammlung diplomatischer Aftenstücke zum Theil n minder alluielem Dntleresè? el, sofern darin Dinge behandelt würden, die, in ihren allgemeinen Umrissen wenigstens, niht mehr neu seien. Es ist leider cine fich fast tâglih wiederholende Erscheinung, h eine gewisse Preßkategorie von bekannter tendenziöser Richtung der Praxis huldigt, alle öffenilichen Angelcgenheiten, auch solche, welde die innersten Lebentfasecrn der Nation berühren, nur vom neuigkeitskrämerischen Standpunkte aus zu betrachten uvd sie nur soweit zu taxiren, als sie sich sensationell verwerthen lassen. Dieser Art von Presse genügt es s{hon, daß die in dem neuesten Weißbuche behandelte Materie nicht mehr ganz neu i, um mit einigen oberflählihen Redensarten darüber hinweg zu gleiten. Es ist das dieselbe Presse, welche den ihr angedeihenden Partei- und Fraktiontweisungen gehorchend, der Reichsregierung „agratrishe“ Bestrebungen in die Schuhe siebt und in ihrem Leserpublikum den Glauben hervorzurufen \icch be- müht, als laufe die wirthschaftlihe Politik unserer maßgebenden Instanzen eigentlih nur darauf hinaus, das Gros der erwerbsthäti- gen Kräfte des deutschen Volkes zu Gunsten und zum Nuten eines relativ kleinen bevorzugten Interessentenkreises eben der „Agrarier“ în Kontrikution zu feßen.

Angesichts solher Jnsinuationen und solcher publizistiswer Ge- pflogenheiten kann die aufmerksamste Lektüre des jüngsten deutschen WVeißbuches gar niht eindringlih genug empfohlen werden. Wenn irgend etwas, so ist sie geeignet, Bresche zu legen in das von berech- neteter Opposition in vielen Köpfen aufgebrahte Vorurtheil, als sei der „Agrarier“ so zu sagen das Schooskind, der Handelsstand hin- gegen das Aschenbrödel des bei uns herrschenden wirthscaftlihen und sozialpolitischen Systems. Hier haben wir auf jeder Seite die denkbar unanfechtbarsten Beweise für das ernste, bahnbrechende Streben der Reichéregierung. dem deutschen Handel die Bedingungen zu einer ersprießlichen, weltumspannenden Entwickelung zu verschaffen.

ir sehen, wie der weitverzweigte Apparat des auswärtigen Dienstes n Bewegung geseht wird, um aliüberall ein offenes Auge auf die Entwickelung des übersecishen deutsen Handelsverkehrs zu richten, wie man Seitens der Reichsregierung den reellen Interessen unserer ordsee-Emporien auf halbem Wege entgegenkommt, wie man ein [chweres und langwieriges diplomatishes Ringen mit rivalisirenden, ja überlegenen Kolonial- und Hanbelsmächten nicht heut, damit der kauf- mênnische Unternehmungsgeist des deutschen Vaterlandes im inter- nationalen Wettbewerb Wind und Sonne nicht zu seinem Nachtheile vertheilt finde, bis der Plan einer völkerrechtlihen Regelung des Problems der handelspolitischen Erschließung von Mittelafrika, speziell des Kongobeckens, aus den Nebeln der diplomatischen Er- orterungen immer heller und greifbarer hervortritt, um endlich in dem usammentritt der Berliner afrikanischen Konferenz seiner Verkörpe- rung zugeführt zu werden.

Von diesem Standpunkte aus betrachtet, darf das jüngste deutsche Weißbuch für ein ebenso glänzendes als beweiskräftiges Plaidoyer zu Hunften derjenigen Richtung unseres wirthschaftlichen Systems er- lärt werden, die Seitens eines niht ganz geringen Bruththeils der ¡ation der \chiefsten Beurtheilung preisgegeben dasteht. Das Weiß- un über die Vorgeschichte der afrikanischen Konferenz entkräftet, efinitiv möchten wir sagen, die Unterstellung, als sei man in den

reisen der Reichsregierung den Interessen unserer handeltreibenden Gat minder gewogen, als jenen der Industrie und Landwirth-

Nachrichien

Cisenbahn-Verordnungs-Blatt. Nr. 8, Inhalt: Erlasse des Ministers der öffentlihen Arbeiten: vom 29. März 1885, betreffend Gewährung von Remunerationen aus Baufonds; vom 27, März 1885, betreffend Uebertragung der Bau- und Betriebt- leitung der Bahnstrecke Grünebah—Daaden an das Königliche Eisen- bahn-Betriebsamt zu Köln und der Bahnstrecken Hadamar—Wester- burg—Hachenburg und Altenkirhen—Au an das Königliche Cisenbahn- Betriebsamt zu Neuwied; vom 30, März 1885, betreffend Gewährung von Reisekostenvergütungen; vom 2. April 1885, betreffend Einrich- tung einer Auskunststelle der dreußishen Staatseisenbahn-Verwaltung in Frankfurt a. M.; vom 5 April 1885, betreffend Inreststellung von Ausgabebeträzen beim Jahres\{lusse. Nachrichten.

Neíchstags - Angelegenheiten.

Dem Reichstage ist folgender Entwurf eines Gesetzes, be- treffend Abänderung des Gesetzes über die Abwegr und Unterdrückurng von Viehseuchen, vorgelegt worden :

Wir Wilhelm, von Goites Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reis, nach erfolgter Zustimmung des Bundesraths und des Reichstags, was folgt : Artikel 1.

I. Nach §. 29 des Geseß vom 23. Juni 1880, betreffend die Abwehr und Unterdrückung von Viehseuchen (Reichs-Geseßblatt Seite 153), werden folgende Ema eingefügt:

, 29 a.

11. Das Kennzeichen verdächtiger Thiere.

Dasselbe darf nur in den Fällen angeordnet werden, welche in diesem Gesetze ausdrücklich vorgesehen sind, und muß durch den be- amteten Thierarzt oder unter dessen Aufsicht ausgeführt werden.

II. Im §. 18 Absay 1 und im §. 30 Absatz 1 desselben Gesetzes tritt an Stelle der Einschaltung „(§§. 19 bis 29)* die Einschaltung „(SS8. 19 bis 29 a)“. :

ITII. Im §, 66 Nr. 4 desselben Ss tritt an Stelle der Ein- {altung „(88. 19 bis 28, 38, 51)" die Einschaltung „(§8 19 bis 28,

29a, 38, D), Artikel 2.

An Stelle des §8. 45 desselben Gesehes treten folgende Bestim- mungen: S 45

Die Polizeibehörde hat die Tödtung der nah dem Gutachten des beamteten Thierarztes an der Lungenseuhe erkrankten Thiere an- zuordnen und kann auch die Tödtung verdäcbtiger Thiere anordnen.

Ift der Ausbruch der Seuche festgestellt, so müssen alle ver- Es Thiere mit einem dauernd haftenden Kennzeihen versehen werden.

Die Landesêregierungen sind ermächtigt, für den ganzen Umfarg ihres Staatgebiets oder für Theile desselben die Impfung sämmtlicher Rinder in dem Gehöfte oder in der Ortschaft, wo die Lungenseuche ausgebrochen ist, anzuordnen.

Artikel 3. I. An Stelle des §. 57 desselben Geseßes treten folgende Be-

timmungen : f s & bT.

Für die auf polizeilihe Anordnung getödteten oder nach dieser Anordnung an der Seuche gefallenen Thiere, sowie für die in Folge der auf polizeilihe Anordnung ausgeführten Impfung (§. 45) einge-

angenen Rinder p vorbehaltlich der in diesem Geseß bezeichneten Ausnahmen eine Entschädigung gewährt werden.

IL. An Stelle des §. 59 desselben Gesetzes treten folgende Be-

stimmungen:

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Als Entschädigung soll der gemeine Werth des Thieres gewährt werden, ohne Rücksicht auf den Mindecwerth, welchen das Thier da- dur erleidet, daß es mit ter Seuche behaftet i oder in lebtendem Zustande behaftet war. Ebensowenig soll der Minderwerth berüdck- sichtigt werden, welchen das eingegangene Rind in Folge einer durch Impfung (§8. 45) herbeigeführten Krankheit erlitten hat, Bei den mit der Notkrankheit behafteten Thieren hat jedo die Entshädigung dret Viertel, bei tem mit der Lungenseube behafteten oder in Folge der Impfung eingegangenen Rindvieh vier Fünftel des so berechneten Werths zu betragen.

Auf die zu leistende Entschädigung werden angerechnet :

1) die aus Privatverträgen zahlbare Versicherungssumme, und zwar bei Rog zu drei Viertel, bei Lungenseuhe oder einer durch Impfung herbeigeführten Krankheit des Rindvichs zu vier Fünftel, in allen anderen Fällen zum vollen Betrage;

2) der Werth derjenigen Theile des getödteten Thieres, welche dem Besißer nach Maßgabe der polizeilißen Anordnungen zur Ver- fügung bleiben.

Ferner folgender Entwurf eines Gesetzes, betreffend die

Steuervergütung für Zucker: Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König von Preußen 2c. verordnen im Namen des Reichs, nach erfolgt:r Zustimmung des Bunde®sraths und des Reichstages, was folgt: Einziger Paragraph.

Die Geltungsdauer des Gesetzes vom 7. Juli 1883, betreffend die Steuervergütung für Zucker (Reihs-Geseßblatt Seite 157), wird um ein Jahr dergeftalt verlängert, daß an die Stelle des im 8. 2 dasclbst bezeihneten Endtermins der 1. August 1886 tritt.

Begründung.

In dem unterm 15. Juni 1884 dem Reichstage vergelegten Ent- wurf eines Geseyzes, die Besteuerung des Zuckers betreffend, war eiae Reform dieses Steuerzweiges durÞd Erh3huna des Steuersatzes der Rüben von 1,60 A auf 1,80 A für 1 Doppelcentner in Ver- bindung mit einer Neuregulirung der Steuervergütung in Ausfidt genommen. Nachdem der Gesetzentwurf in der damaligen Reichstagsf\ession nicht mehr zur V:-:rhandlung ge- kommen war, ift inzwischen die Zuckerproduktion aller Länder durch einen unerhörten Niedergang der Zukerpreise von einer {weren Krisis betroffen worden. Einer bezüglichen näheren Darlegung bedarf es hei der Notorietät der in Betracht kommenden Thatsachen um so weniger, als auch bereits im Reichstage bei den Verhandlungen über den Reichshauskalts-Etat von 1885/86 das derzeitige Vorhandensein einer tiefgreifenden Kalamität der Zuckerproduktion im Allgemeinen und insbesondere der deutschen Nübenzuckerindustrie allseitig anerkannt worden ist. Die Krisis dauert noch fort, wenngleich fh die Preise in neuester Zeit etwas gehoben haben

Unter diesen Umständen erscheint der gegenwärtige Augenblick nit als geeignet, um bereits die endgültige Beschlußfassung in der Zuckersteuerfrage herbeizuführen. Andererseits ift es für unsere Rüben- zuckerindustrie von Werth, rechtzeitig Gewißheit darüber zu erlangen, welche Steuerverhältnifse für die nächste Betriebéperiode 1885/86, mit deren Beginn das durch das Gescß vom 7. Juli 1883, betreffend die Steuervergütung für Zucker, angeorbnete Provisorium abläuft, maßgebend sein werden. Bei dieser Sachlage empfiehlt es si, zu- nächst nur das vorgedachte Provisorium, wie der vorstehende Gesetz- entwurf vorschlägt, um ein Jahr zu verlängern.

In der Annahme, daß aus der Lage der Rübenzuckerinduftrie alsdann ein unabweislihes Bedeuken fich nicht ergeben wird, besteht die Absicht, die anderweitige Regelung der Zuckersteuer {on vom August 1886 ab eintreten zu lassen und eine diesbezüglihe Geseßtzes- vorlage spätestens im Anfang der nächsten Reichstagss\ession ein- zubringen.

Statistische Nachrichten.

Gemäß den Veröffentlitßungen des Kaiserliwen Gesunds- heitsamts sind in der 13. Jahreswoche von je 1090 Bewohnern, auf den Jahresdurchschnitt berechnet, als gestorben gemeldet: in Berlin 21,1, in Breslau 26,4, in Königsbera 32,3, in Köln 34,6, in Frankfuri a. M. 24,6, in Hannover 20,7, in Kassel 27,3, in Magdeburg 30,1, in Stettin —, in Altona 26,9, iîn Straßburg 32,7, tin Met 29,1, in München 32,0, in Nürnberg 31,1, in Augsburg 28,3, in Dres- den 24,2, tn Leipzig 24,0, in Stuttgart 23,4, in Braunschweig 26,2, in Karlsruhe 27,0, in Hamburg 25,4, in Lübeck —, in Wien 32,7, in Budapest —, in Nrag 33,8, in Triest —, in Krakau 41,2, in Basel 295, in Brüssel 26,0, in Amsterdam 201, wn Paris 267, in London 21,7, in Glasgow 31,6, in Liverpool 24,4, in Dublin 33,6, in Edinburg 17,0, in Kopenhagen 17,6, in Sto@holm 42,1, in Chris- ftiania 19,9, in St. Petersburg 34,4, in Warschau 28,6, in Odessa 34,5, in Rom 29,0, în Turin 28,5, in Bukarest 34,8, in Madrid —, ian Aleranvria 317, Ferner in der Zeit vom 8. bis 14. März : in New-York 29,8, in Philadelphia 25,9, tin Chicago —, in St Louis —, in Cincinnati —, in San Franzisko 21,4, in Kalkutta 34,9, in Bombay 29,6, tn Madras 41,2.

Beim Beginn und in den ersten Tagen der Berichtswoche herrs\ch- ten an den deutschen Beobachtungsorten {wae bis mäßige nördliche und nordöstliche, in Heiligenstadt, Berlin und Bremen bis nah Nord- west laufende Luftströmungen, die am 1. April an den meisten Stationen, mit Ausnahme von München und Karlsruhe, wo östliche bezw. nordöstlide Windricbtungen vorwiegend blieben, nah Südoft, in den leßten Tagen der Woche jedo wieder nach Nord und Nordoft zurückdrehten, in Heiligenstadt, Bremen und Köln unter vorüber- gehendem Wechsel mit Nordwest. Die Temperatur der Luft lag über 1 bis 2 Grad Celsius unter der normalen. Leichte Nacbtfröfte kamen zu Anfang der Wocbe aus Bremen und Köln, um die Mitte der Woche aus Konitz, Breslau, München und Berlin zur Meldung. Niederscbläge erfolgten selten und spärlih. Der beim Wochenbeginn mäßig hohe Druck der Luft stieg zwar am 30. März an allen Stationer, nahm am 31. ab, sank bis zum 3. April, wo der Lufts- gus zwar etwas zunahm, vom 4. jedech von Neuem abzunehmen

egann. Die Sterblichkeit hat in der Berihtswoche nur in einem Theile der Großstädte abgenommen, aus den südlich und weftlih gelegreren deutshen und aus den englishen Siädten werden vielfah höhere Sterblichkeitsziffern gemeldet. Die allgemeine Sterblichkeitsverhält- nißzahl für die deutshen Städte ging auf 26,0 herab von 26,4 der Vorwoche (pro Mille und Jahr berechnet). Der Antbeil des Säug- lingsalters sowohl wie derjenige der Altersklasse über 60 Jahre an der Sterblichkeit war etwas gesteigert. Von 10 000 Lebenden starben, aufs Jahr berechnet, 80 Säuglinge; in Berlin 63, in München 132.

Unter den Todesursachen haben die Infektionskrankheiten meist etwas weniger, nur Masern und Genickstarre, die sih in mehreren Orten epidemisch zeigte, mehr Todesfälle als in der Vorwoche hervor- gerufen. Auch Darmkatarrhe der Kinder führten häufiger, akute ent- zündliche Prozesse der Athmungsorgane seltener zum Tode. Masern wurden in Liegniß, München, Berlin, Köln, Wiesbaden, Hanau, Paris, London, Glasgow, St Petersburg und ganz besonders in Stockholm häufiger, in Potsdam und Liverpool seltener Todes- veranlassung. Das Starlachfieber zeigte in Danzig, Greifs- wald, Warschau, Steckholm, Christiania eine Steigerung, in Berlin, Bromberg eine Abnahme der Sterbefälle. Die Sterblich- keit an Diphtherie und Croup war in Berlin, Leipzig, Hamburg, Wien, St. Petersburg, Warschau, Amsterdam, Christiania eine kleinere, in Danzig, Stolp, Breslau, München, Stuttgart, Augsburg, Dresden, Magdeburg, Hannover, Barmen, Frankfurt a. M., Straß- burg, Paris, Stockholm eine größere. Das Vorkommen von Unter- [eibstyphus blieb ein bes{ränktes, nur in St. Petersburg stieg die Zahl der dur dieselben hervorgerufenen Sterbefälle. An Fleck- typhus kam kein Sterbefall zur Meldung. Der Keuchhusten forderte in Koburg, Berlin, Düsseldorf, Koblenz, Amsterdam,

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