1885 / 99 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 28 Apr 1885 18:00:01 GMT) scan diff

E " A ee “n E B N n m B Y c F Bs L F J Di. M A n E E eman I E E A p Dp 2 E P m V N 4 S Aan è J ck E D go E P Pas G Fs E ms Î ps D E di i pr E T oi E E e j i n i D l

Tbomas Horner bat Rudolf Reicke dem Aufsaß beigefügt. Dr. Otto Kuttner in Neubaldensleben charakterisirt die Bedeutung der regula- tiven Ideen Kants, und zwar für die Atomistik Dann wird ein Vceit:ag abgedruckt, den Carl Witt zu einem wohlthätigen Zweck ge- halten und der „Kants Gedanken von den Bewohnern der Gestirre“ zum Gegenftand hat. Diesem reiht \ich ein anderer Vortrag von Prof. Dr. Fried: i Zimmer, über Königéberger Kirchenliederdidter und Kircbenkomponiften, an. Ein größerer Beitrag von E . . . d endlih handelt über die Ein- seßung des preußiscen Staatsraths im Jahre 1817 und seine erste That. Unter den „Kritiken und Referaten* sei die Besprechung des gelehrten interessanten Werkes „Die Mytben, Sagen und Legenden der Zamaiten (Litauer)*“, von Dr Edm. Veckerstedt, erwähnt. Den übrigen Inhalt des Heftes bilden die Protokolle über die Sizungen der Alterthumsgesellshaft ,Prussia® in Körigéberg, die Chrcnik der Universität Königsberg und des Lyceum Hosiannm in Braunéberg, sowie die „altpreußisbe Bibliographie für das Jahr 1884.

Amerika in Wort und Bild. Eine Scbilderung der Vereinigten Staaten von Friedrih von Hellwald. 41. bis 45, Lieferung je 1 46 Mit ca. 700 Illustrationen. Leipzig, Schmidt u. Günther. Dieses großartig angelegte Werk nähert sih allmählich seinem Ende. Jn Lieferung 41 wird die Beschreibung von Texas zu Ende geführt, in 42 und 43 werden die „Südlichen Jrnenstaaten“ Arizona und Neu-M-xiko behandelt. Jn Lieferung 44 bringt der Verfasser bocinteressante Abhandlungen über das s Indianergebiet“ und den Staat „Arkansas“, während Lieferung 45 „Ternessee und Kentucky“ dem Leser in meisterbafter Scilderung vorführt. Wiederum zieren die besten Tcrt-Jliustrationen und eine Anzahl Tafeln diese Heite, die von der Verlagsbuchhandlung auf das Glänzendste aus- gestattet sind. Wir erwäknen zum Schluß noch einige der inter- essantesten Bilter, als: Flußansibt der Stadt „San Antonio* in Texas, Quelle des San Antonio, Naturbrüccke, Auf eincr teranischen Farm, In der texanischen Prairie, Der Rio Colorado, Die Fels- wände in der Marmorklamm, Mohave- Krieger, Ringspiel der Mo- have-Indianer, Waffen urd Geräthscaften der Fndianer aus der Yumafamilie, Zuni in N-u-Meriko, Eine Bärenfawilie, Eine Biber- familie und Biberburg, Der amerikanisde Büffel und die Büffeljagd, Fort Smith in Arkansas, Stalaktiten in der Mammuthböhle 2c.

Kirchhoff u. Wigand in Leipzig haben über ihr antiíiquarischbes Büchberlager 2 Kataloge, Nr. 730 und 731, ausgegeben. Nr. 730 Literärgeschichte und Bücberkunde ; deutsche, holländishe und skandinavishe Literatur enthält ein Verzeichniß von 3196 Scbriften unter folgenden Rubriken: Vermischte literäriscbe urd Sanmelwerke, Reouen, Encyklopädien ; Poetik und Rhetorik; allgemeine Literärgeswihte; Gelebrterges@ihte; Universitäten und gelehrte Gesellschaften ; Paläographie und Bücherkundez; Bibliotheks- wissenschaften und Kataloge von Biblioth-ken; der Buchhandel und seine Hülfsgewerbe, Presse und Preßrehtz; Geschichte der deutschen Literatur im Allgemeinen, Ar tbologien; deutsche Literatur; holländische und flämiscbe Literatur und deren Ge|chichte; slandinavische Literatur und deren Gescichte. Nr. 731 Scköne Künste, Kupferwerke, Kurioja (Inkunabeln, Kuriosa, Facetien, Satiren, Ana, Emblemata, Magie, Däâmonologie, geheime Wissenschaften, Schreibkunst, Theater, Mremonik, Spiele, Feht- und Reitkunst, Jagd, Fischerei, Prähistorik, Kultur- und Sittergeschichte, Ceremoniel und Festlichkeiten, Ritter- und Ordenswesen, Waffen, Kostüm, Kochkunst, Gartenbau, Land- und Forstwirthschaft) führt 1444 Schriften auf.

Gewerbe und Handel.

Die „Leipz. Ztg.“ bringt folgenden weiteren Bericht von der Leipziger Ostermesse üter Spielwaaren und Porzellan: Die Messe in Spielwaaren hat einen unbefriedigenden Verlauf ge- nommen. Das Exportgeschäft geht nicht mehr so wie sou, wodurch die Ueberproduktion mehr überhand genommen hat. Nach vielen Ländern sind namentli folche Artikel, welche ins Gewicht fallen, wegen der hohen Zölle, die inébesondcre in den leßten Jahren in Oesterreich, Frankreich, Rußland, Schweden und Norwegen in die Höhe geschraubt worden sind, fast gar niht mehr zu exportiren. In Porzellan mat sih auch in vielen Fällen das Fehlen größerer Ordres für bessere Artikel fühltar. Es ist in den flotten Geichäfts- jahren bis zum vorigen Jahre durch Vergrößerung alter und Er- bauung neuer Fabriken viel Korkurrenz entstanden, welche sih nament- lih die größeren amerikanisben Einkäufer zu Nuße zu machen wußten. CEinzeine Fabriken, die ihre Force darin sucen, gute Artikel anderer Fabriken auf Kosten der Qualität und der Arbeiter zu halben Preisen herzustellen resp. nawzuahmen, mögen vielleicht, wenn ihre „Fabrikate“ überhaupt den Namen Porzellan verdienen, von einem „großen Geschäft“ sprewen können, ob dies aber im Allgemeinen „gut“ zu nennen ist, wollen wir dahingestellt sein lassen.

Der Cours für die hier zahlbaren österreichischen Silbercoupons is auf 161,75 4 für 190 Fl. österr. Silber erhöht worden.

Stuttgart, 23. April. (Lpz. Ztg.) Zur heutigen Leder - messe wurden 800 Ctr. zugeführt. Der Verkehr war nit beson- ders lebhaft, die Preise nit bisser als seither. Verkauft und ver- wogen wurden: Sohlleder 154 Ctr. 72 Pfd, Vacheleder 52 Ctr. 90 Pfd., Wildschmalleder 350 Ctr. 10 Psd., deutsbes Scmalleder 79 Ctr. 3 Pfd., Kalbleder 48 Ctr. 41 Pfd.,, Zaumzeug- und Roßleder 33 Ctr. 88 Pfd.; Gesammtumsatz ca. 109 400 M

Meiningen, 28. April. (W. T. B,) In der heutigen ordent- lihen fowie in der außerordentiihen Generalversammlung der Deutschen Hypothekenbank wurden die von der Verwaltung gestellten Anträge einstimmig genehmigt.

Glasgow, 27. Aprii. (W. T. B.) Die Verschiffungen von Roheisen betrugen in der vorigen Woche 8900, gegen 11 800 Tons in derselben Wocke des vorigen Jahres.

Bradford, 27. April. (W. T. B.) Wolle fest, hauptsäh- lich Stronghaired, feine Wolle verna{lässigt, in Exportgarnen gutes Geschäft für Barmen, Stoffe unverändert.

Verkehrs-Anftalten.

Das „Archiv für Eisenbahnwesen“, herausgegeben im Ministerium der öffentlichen Arbeiten, veröffentlibt im 1. Heft des Jahrg. 1885 eine statistishe Zusammenstellung über die Cisenbahnen der Erde, der wir folgende Angaben über die Entwicklung des Bahnnetzes von 1879 bis 1883 entnehmen.

Die Länge der Eisenbahnen d-r Erde ist vom Schluß des Jahres 1879 bis zum Schluß des Jahres 1883 von 350031 km auf 442199 km, also um 92168 km oder ungefähr 269% gewachsen. Zum Vergleicbe möge bemerkt werden, daß der Umfang der Erde am Kequator 40 070 km urd die mit!lere Entfernung des Mondes von der Erde 388 500 km beträgt. Die Längenauëdehnung, welche das Cisenbahnney am Ende des Jahres 1883 erreicbt hatte, beträgt also {on mehr als bas 11 fabe des Erdumfanges und übertrifft die mittlere Entfernung des Mondes von der Erde um mehr als 53 0C0 km.

Von dem gesammten Zvwachs, welchen die Eisenbahnen der Erde von 1879 bis 1883 erfahren haben, kommt die größere Hälfte auf die Vereinigten Staaten von Amerika, deren Eisenbahnnetz in der ge- nannten Zeit allein um 56 327 km oder etwa 42 9/0 sich vergrößert hat. Verkbältnißmäßig beträcbtlihe Zunahmen weisen von außer- europäischen Ländern noch Mexiko (3727 km), British Nordamerika (2160 Em), Brafilien (2050 km), Britis&-Indien (2786 km) und die australishen Kolonien (3603 km) auf. Von den curopäischen Ländern hat Frankreih den bedeutendsten Zuwachs zu verzeichnen, 4500 kmz hiernach kommt Deutschland mit 2716 und Oesterrei- Ungarn mit 2263 km, Die stärkste Entwickelung im Vergleich mit der &Fläcwengröße zeigt das Eisenbahnneß im Königreih Belgien, wo auf je 100 gkm Flätbe 14,5 km Eisenbahn treffen ; nahezu dasselbe Ver- hältniß findet sich im Königreib Sachsen. Im Verhältniß zur Be- völkerung8zahl ift das europäisbe Eisenbahnney am stärksten ent- wickelt in dem dünn bevölkerten Schweden, wo auf je 10000 Ein- wohner 14 km Eisenbahn kommen, während auf die gleihe Et1- wohnerzahl in Deutschland und Frankreich nur je 7,9 km entfallen.

Folgende Uebersicht zeigt tie Entwickelung des Bahnnetzes in Europa von 1879 bis 1883. Es waren im Betriebe :

i Es betrug Kilometer der

Zuwachs in 1879 1880 1883 1) Deutschland

in %% E. ch.. V Wn S000 E S 4 826 5 040 E O 2039 2 124 E... L006 1443 1 560 4 2 E 1311 1 329 Elsaß-Lothringen . . 1135 1145 1 293 Uebrige deutshe Staaten 3 194 3 286 3 425 Zusammen Deutschland . 33094 33411 35810 2) Desterreib-Ungarn. . . 18335 18476 2598 3) Großbritannien u. Irland 28491 28872 29890 4 E 3 G10 H 5) Rußland (ein\{l. Finland) 23400 23857 925121 E E 8715 9 450 T O 4112 4 269 8) Niederlande (ein\{l. Luxemburg) e « RUSO 2 300 2 520 O O 2571 2 797 E R T 7 494 8251 E... Ls 1150 1 492 e T 1579 1 790 E R. 5, LO 1959 1550 O E. S 5 761 6 400 ä 19) n . ., ;, 13U1l 1387 1 500 14,4 10 ea 4, li 11 22 1000 1) Tor Gua 1360 1470 1765 29,8 In den fünf Erdtheilen gestaltete fich die Entwickelung in dem-

selben Zeitraum wie folgt:

Europa . 164680 168416 182913 ILA

Amerika « 109120 170 283 994 454 41,1

M E 105 150 95

Aa c O0 4/5 - 5666 25,9

U S 7799 10534 52 1 Zusammen auf der Erde. 350031 367015 442 199 26,3

Legt man den von Neumann-Spallart ermittelten Durhschnitts- betrag der Anlagekosten für das Kilometer Bahrlänge von rund 216 000 Æ zu Grunde, so beläuft sich das Gesammt-Anlagekapital auf rund 954 Milliarden Mark. Eine Rolle deutscher Dopp-lkronen, pes diesen Betrag enthielte, würde eine Höhe von nahezu 7200 km

aben.

Stettin, 28. April. (W. T. B.) Die Stettiner Lloy d- dampfer „Kätie*“ und „Martha“ sind, ersterer heute von Stettin via Gothenburg nach New-York, leßterer am 26. d. M. von New-York direkt nah Stettin abgegangen.

Bremen, 29. Wil... (W. L. B) Der Dampfer des Norddeutschen Lloyd „Main®* ift heute früh 2 Uhr in Southampton eingetroffen.

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Berlin, 28. April 1885.

Die an dieser Stelle (Nr. 55 d. Bl.) bereits besprochene Früh- jahrs - Ausstellung des Gurlitt\schen Kun stsalons, die in den beiden Gemälden von Böcklin und von Frit von Uhde zwei der bedeutendsten Schöpfungen moderner Malerei vorführt, bat neuer- dings einige Bereicherungen erfahren, die ihr cin noch gesteigertes Interesse verleihen. Es find in erster Linie zwei Bilder vou Hermann Prell, dem originell begabten Autor der Fresken im großen Festsaal des Architektenhauses, der seit deren Vollendung mit kÉleineren Arbeiten nur selten hervorgetreten ift, in der Ausmalung des Wormser Nathhauses aber inzwischen ein neues bemerkenswerthes Werk monumentaler Kunst geliefert hat. Mit einem frischen Talent, das feinen eigenen Weg verfolgt, verbindet er ein feines Gefühl für die in dem wirklih lebendigen Theil der heutigen Produktion nach Ausdruck ringenden modernen Tendenzen, ohne durch sie zu extremer Einseitigkeit verleitet zu werden, eine ofene Empfänglichkeit für be- fruchtende Anregungen, die von den verschiedensten Seiten her auf ihn einwirken und in seinem Scbaffen sih deutlich wiederspiegeln, ohne doch irgendwie das Gepräge individueller Selbstständigkeit zu ver- wischen. Dabei weiß er den poetishen Gedanken, dem seine Scöpfung entspringt, völlig in sinnlih auschaulite Form zu über- seßen und in_der malerischen Behandlung durch eine einfa große Formen- und Farbengebung zu fesseln, wie er sie durch die erwähnten monumentalen Aufgaben gewonnen hat, und wie sie aub in den hier auégesiellten Bildern kleinen Formats sib nach keiner Seite bin ver- leugnet. Das eine derselben, das sich „Erster Frühling“ betitelt, zeigt ein im Waldgrund unter frishbelaubten Bucbenstämmen da- sißendes, in trauter Umarmung si umshlungen haltendes junges Paar im Kostüm des sech8zehnten Jahrhunderts, auf das von \scinem luftigen Siß hoh oben im Gezweig ein \{elmisher Liebesgott herabblickt. Von dem satten Grün der nach rechts hin offenen Land- haft und dem weißen Gewölk mit dem hier und da durc(hblickenden klaren Himmelsblau heben das hellfarbige Kleid des blumen- bekränzten blonden Mädcbens und die leuchtend rothe Tracht des Mannes sich wirkungsvoll ab, und in diesem reichen Farbenklang ist cine Kraft, Tiefe und Harmonie des Tons erreicht, wie man sie sonst nur in Bildern Böcklins zu finden gewöhnt ist. Stehen auch die beiden Hauptfiguren der Komposition, die an innerer Vertiefung wohl zu wünschen übrig lassen, nicht ganz auf der Höhe des prächtig erfundenen, köstlih naiv hewegten Putto, so erzielt doch die Energie des Kolorits im Vereine mit der ihr entsprehenden Behandlungsweise des Bildes eine Über die bloße Genrescene weit hinausgehende Wucht des Ein- drucks. Noch ungleich bedeutender wirkt indeß das andere Bild, das der Künstler „Abendgang“ benennt. Von minder frappantem farbigen Cffekt, aber von gleicher Kraft und Gesclossenheit der Stimmung, bietet es bei origineller malerischer Konzeption eine in seltenem Maaße gelungene Verschmelzung innigen Empfindens mit ungesucht groß- artiger Auffassung der Natur. Einen tieftönigen grünen Rasenhang, über den die Dämmerung des einbrehenden Abends sich breitet, kommt g:\senkten Havptes, ihr Kind in den kräftigen Armen haltend, eine junge Frau dahergeschritten; vor ihr aber gaukelt, wie eine Ver- körperung des leisen Klingens und Summens der Luft, ein \chleier- umflatterter Puito, eine Glocke s{chwingend, nach deren Klang das Kind aufhorhend Gesicht und Hand hinwendet. Unübertrefflich verkörpert sih in der s{lickchten und doch aufs feinste belebten landschaftlichen Scenerie wie in der ernst und sinnend daherwandelnden jungen Mutter, deren Figur der Rahmen des Bildes unterhalb der Kniee abscneidet, die träumerishe Melancholie der Abendstunde. In der Haltung und im Ausdruck des Kopses, dessen röthlihes Haar ein blauer Scleier umflicßt, sowie in der Drapirung des dunklen Gewandes mit hoch- gerafften, goldig getönten Aermeln athmet dabei eine Ruhe und Größe der Anschauung, mit welcher Zeichnung, Ton, Farbe und Vortragê- weise des ganzen Bildes harmonish übereinstimmt. Vei der Be- trachtung desselben fühlt man sich wohl an Böcklin wie an Gabriel Marx erinnert; was er mit ihnen gemeinsam hat, ift aber doch wieder volles geistiges Eigenthum des Künstlers, der hier das erfreulicste Wachsen poetischer und malerisher Gestaltungskraft bekundet.

Von Paul Hoe er, der seinen Ruf auf der leßten Münchener internationalen Ausstellung begründete und im vorigen Jahre dem Berlinec Publikum sih durch die meisterlide Matrosenszenz vom Bord Sr. Majestät Schiff „Deutschland“ sowie durch das koloristisc feingestimmte Gruppenbild zweter kleinen Mädchen bestens bekaunt machte, bietet die Ausstellung die Portraitgruppe zweier blonden Knaben in s{chwarzen Sammetkostümen vor blaugrauem Fond, cin Werk von ebenso gesunder und frischer Auffassung wie von ungesucht natürlichem Arrangement der beiden \sich umfaßt haltenden, lebendig carafterisirten Figuren, von vornehmer und kräftiger Tonstimmung und von gediegener Tüchtigkeit der Modellirung und Malerei. Dazu gesellt Graf Leopold von Kalkreuth neben einem kleineren, an Inhalt und malerishem Reiz etwas leer ausgefallenen Bilde das

ungleich gelungenere ftattlihe Gemälde einer lebensaroßen Mädchen- gestalt in {lidtem \{warzen Kleide mit weißem Tuch und weißer Schürze, die in berbftlih gefärbter Landschaft betend und \innend vor einem Heiligenftock kniet. Es ist in der Bewegung der Figur nit weniger gut beobachtet als in dem fein und wahr geftimmten Ge- sammtton. vermag troß dieser Vorzüge aber do einen gewissen Zwie- spalt zwiswen dem Motiv und dem Maßstab der Darstellung nicht so unbedingt auszugleichen, wie es zur Recbtfertigung des [leßteren erforderlid wäre. Jn einer portraitartigen Aquarellstudie von Frau H. Westphal, der lebensaroßen, von einem lichten grüngrauen Fond in rosafarbener Atlaërobe sid abhebenden Halbfigur einer brünetten Ballbesucherin von pikanter Erscheinung und Bewegung, die bei breiter malerisher Behandlung und gelungenem fkoloristishen Effekt nur ein feineres Studium der Form vermissen läßt, lernt der Besucher des Salons dann noch ein hier wohl zum ersten Mal öffentlich auf- tretendes Talent, in einem großen Blatt von B. Piglhbeim das Original der in verkleinerter Reproduktion als Titelblatt der vor- jährigen Müntener Künstlermappe weitverbreiteten Komposition in japarishem Gesbmack mit der Figur des weiblichen Debardeurs kennen, die in dieser aufdringlihen Größe allerdings über das Maß des Erträglichen hinausgeht und dur mangelhafte Zeichnung und fehr geringen Esprit niht über die ôde Reizlosigkeit der geradezu frechen Erscheinung hinwegtäuschen kann.

Neben den {on besprochenen - Bildwerken des verstorbenen Schlüter fesselt jeßt noch die neu ausgestellte lebens8große Marmor- büste einer jugendlihen Nixe von Bernhard Roemer. Es ist ein Werk von glücklicher poetischer Erfindung, von zartem Reiz der Form und des Ausdrucks und von vornehmer Eleganz der delikaten Durh- bildung im Detail. Dem geschmackvollen Arrangement der Komposition gesellt fi, wie in den \chnell beliebt gewordenen bemalten Terrakotten des Künstlers, eine diskrete Färbung des Matecials. Aus der braun getönten Drapiruna, die von einem Seestern als Agraffe gehalten wird, heben sich Brust und Schultern leuchtend hervor; Augen, Brauen und Lippen sind dur leihte Färbung markirt ; das duaklere Haar, das die Stirn beschattet und aufgelöst über Nacken und Schultern nicderfließt, wird von einem Kranz umschlungen, in dessen Mitte das schneeige Weiß einer Wasserlilie si einfügt. Vortrefflich ist in dem ruhig erhobenen, mit ges{blofsenen feinen Lippen und geradausgerichteten Augen ziellos vor sih hinshauenden Kopfe der keuschen Môdchenshönheit der Ausdru scheu verschlossenen, vershwiegen geheimnißvollen Wesens gepaart, und nicht wenig wird dieser eigen- artige Charakter der Erscheinung gerade dur die geschickte Farben- stimmung der Büste erhöht. Sie zeigt von neuem, welcer Steigerung des künstleriswhen Eindrucks die Plastik durch Hinzunahme der Farbe fähig wird; allerdings ater bietet die Arbeit von Roemer, so glückli sie jenes Moment für das gegebene Motiv verwerthet, keineswegs ein Beispiel, das ohne Weiteres generalisirt werden dürfte. Einen wesentlichen Schritt zu einer allgemein giltigen Lösung der auf die polych:ome Behandlung dec Skulptur bezüglichen Frage bedeut:n da- gegen zwet von dem Bildhauer Volkmann in Gemeinschaft mit dem Maler Prell ausgeführte Versuche, deren Resultat nab der historishen wie nah der ästhetishen Seite hin von überraschend be- weiskräftiger Wirkung ist. Daß ein \{wäcblicher Kompromiß zwischen bemalter und unbemalter Plastik, wie man ihn vielfa als ästhetis allein beretigt zu acceptiren geneigt ist, eine in si{ unwahre Halb- heit bleibt stand für beide Künstler ebenso fest wie die durch die er- haltenen Zeugnisse unwiderleglich bewiesene Thatsache einer mit vollen und ungebrochenen Farben operirenden Bemalung der antiken Skulpturen. Mit Recht gingen sie zugleih davon aus, daß es sih bei einer Wiederbelebung der Polyhromie für uns nie- mals um die Erzielung einer direkt naturalistischen Wirkung handeln kann, und daß das Material an si, sofern es nit Gips oder Thon, sondern echter Marmor ift, auch unter dem farbigen Ueberzug sich in seiner Eigenart zur Geltung zu bringen hat, der Charakter des Marmors also weder durch eine völlig deckdende Farbenschicht noch durch eine der Bemalung voraufgehende, den Anschein der Bronze erweckende Vergoldung, wie sie Cauer bei seinen Versuchen vornahm, verwisht werden darf. Die Reliefköpfe eines bärtigen Mannes und eines jugendlichen Mädcbens, die Volkmann aus zwei mäßigen Marmor- stücken von völlig zufälliger Gestalt herausmeißelte, so daß fie wie fragmentirte Fundstücke wirken, wurden dementsprechend von Prell farbig behandelt, und dabei durbweg Töne verwendet, wie sie aus Resten antiker Polychromie für die griebis{e Plaftik zweifellos be- glaubigt sind. Von einem dunklen, violettblauen Fond hebt si der männliche Kopf in einem graubräunlichen Fleishton ab; die Lippen sind braunroth, die Augensterne nebst Haar und Bart blaushwarz gefärbt, zwischen die grünen Blätter des Kranzes leuchtend rothe Beeren eingefügt. Bei dem Mädchenkopf ift ein heUPerer, leicht ins Grünlice spielender blauer Fond gewählt, von dem fich das roth- shimmernde, grünbekränzte Haar in feinstem koloristisben Effekt ab- bebt ; das Gesicht hat cinen liht und zart gestimmten Fleischton, die Wange einen leisen rofigen Schimmer erhalten; den rothen Lippen gesellt fich ein blaues, von blonden Brauen überwölbtes Auge. Die durchweg auf die Natur selber zurückgehenden Töne, die dem Stein imprägnirt sind uad ihn völlig durhtränken, lassen bei aller Energie doch über die Natur des ¿u Grunde liegenden Materials keinen Zweifel und würden sich mit einer noch weiter hinzutretenden theil- weisen Vergoldung ohne Frage zu gleiber Harmonie verbinden. An die Stelle des kalten, cinförmigen Weiß, an dem man fo lange wie an einem unumstößlihen Dogma festgehalten hat, seten sie die leben- digste Farbigkeit, die, weit cntfernt, die Jdealität des Kunstwerks zu trüben, den ästhetishen Reiz desselben im Gegentheil erst vollendet, des edlen Marmors nicht nur niht unwürdig erscheint, sondern viel- mehr das Material erst wirklich fkünstlerisch adelt. Angesichts der siegreichen Kraft, mit der diese Versuche auftreten, wird man kaum den Muth finden, der polychromen Plastik ihre ästhetishe Berechtigung noch weiterhin absprechen zu wollen; den beiven Künstlern aber, denen für ihr Unternehmen der aufrichtigste Dank gebührt, wird das erzielte Resultat hoffentlih der Anlaß zu weiterer Verfolgung des fo glückli betretenen Weges sein.

Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Metallen und Legirungen in Nürnberg 1885.

Für die Internationale Ausstellung von Arbeiten aus edlen Me- tallen und Legtrungen in Nürnberg 1885 ift nunmehr die Bethei- ligung aller Welttheile gesihert. Alle großen Firmen der betreffen- den Branchen werden durch umfassende Arrangements vertreten sein. Dieser Betheiligung entsprehend, werden aub die Ausftellungs- gebäude innen wie außen mit einer besonderen Pracht ausgestattet. Um den Besuch der Auéstelung möglich# zu erleichtern, sind von der Generaldirektion der bayerischen Verkehrsanstalten folgende Ver- günstigungen gewährt worden: 1) Die Ausstellungsgegenftände, welche nicht zum Verkaufe gelangen, werden innerhalb eines Zeitraums von drei Monaten nah Schluß der Ausstellung taxfrei zurückbefördert. 2) Den Besuchern der Ausstellung wird cine Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Retourbillete auf 8 Tage ohne Anrechnung der Sonn- und Feiertage zugestanden; für die Aussteller selbs und deren Vertreter wird die Gültigkeitsdauer der vom 1. Mai bis 15. Ok- tober laufenden Jahres abgegebenen Retourbillete auf 30 Tage ver- längert. 3) Für Mitalieder von Gewerbevereinen und Fanungen, welche sich mit der einsclägigen Arbeit befassen, sowie für die in den betreffenden Jndustriezweigen beschäftigten Arbeiter wird bei gemein- samem Besuch der Ausftellung unter der Vorausseßung, daß die An- zahl der Theilnehmer mindestens 30 beträgt und die Hin- und Rüd- fahrt gemeinsam erfolgt, eine Ermäßigung von 50% der normalen Fahrprcise gewährt.

Redacteur: Riedel.

Verlag der Expedition (Scholz). Druck: W. Elsner. Acht Beilagen (eins{ließlich Börsen-Beilage).

Berlin:

Erste Beilage

zum Deutschen Reichs-Anzeiger und Königlich Preußischen Staats- Auzeiger.

M 99.

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Berlin, Dienstag, den 28. April

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Nichtamtliches.

Prenßen. Berlin, 28. April. Jm weiteren Verlauf der gestrigen (87.) Sißung des Reichstages wurde die zweite Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Zolltarifgeseßes vom 15. Juli 1879, fortgeseßt.

Zur Berathung stand Nr. 9e des Tarifs (Naps und Rübsaat), Nr. 26 des Tarifs (Oel, anderweit nicht genannt, und Fette) sowie Nr. 29 b.

ZU dieser Position waren folgende Anträge eingegangen :

Die Freie wirthschaftlihe Vereinigung {lug den Zoll für Raps, Nübsaat und Mohn auf 3 # vor.

Die Abgg. Graf zu Stolberg-Wernigerode und Frhr. von Wöllwarth beantragten für Raps und Nübsaat einen Zoll von 1 M, für Mohn 2 M

_Die Abgg. Dr. Sattler und Cornelsen beantragten, der Position # des Kommissionsantrages noch Baummwollensaat als zollfrei hinzuzufügen.

Die Abgg. Scipio, Struckmann und Woe:rmann bean- tragten, für Raps, Rübsaat und Mohn cinen Zoll von 2 M, die anderen vegetabilishen Stoffe wollten dieselben an dieser Stelle des Tarifs streichen.

Der Abg. Frhr. von Ow beantragte, für den Fall der Ablehnung des Antrags der Freien wirthschaftlihen Ver- einigung (Raps, Rübsaat und Mohn 3 4) für Raps, Rüb- saat und Mohn einen Zoll von 2 H festzuseßen, d. h. eventualiter dasselbe, was die Abgg. Scipio, Struckmann und Woermann prinzipaliter beantragt hatten.

Der Abg. Scipio befürwortete seinen Antrag. Er gebe voll und ganz zu, daß auf dem Gebiete des Napsbaues in der heimischen Landwirthschaft ein Nothstand vorhanden sei und sei persönlih mit derjenigen Erhöhung des Zolles auf Raps, Rübsaat und Mohn einverstanden, wie die Kommission sie vorge\chlagen habe. Weiter zu gehen, als der zu erreichende Zweck absolut erheishe, halte er aber niht für geboten, und deswegen habe er den Antrag eingebracht, alle übrigen Del- fsaaten wie bisher zollfrei zu lassen. Bei einer Rüböl- produftion von gegen 800000 Doppelcentnern könne irgend eine Einwirkung von der Einfuhr dieser Oelsaaten nicht erwartet werden; und auch die paar Tausend Cèentner Schmieröl, die jährliGh nach wie vor für Spezialzwecke gebraucht würden, könnten der Verwendung des RNütöls keinen Eintrag thun. Gerade bei der jetzigen Entwickelung des überseeishen Tauschhandels, bei der Aus- dehnung der deutschen Handelsbeziehungen zu den Kolonial- gebieten müsse die Freiheit der Bewegung erwünscht und die Beseitigung aller Verkehrsershwerungen geboten erscheinen. Sollte aber das Haus dieser Anshauung nicht beitreten, so bitte er eventuell, dann wenigstens auch die ausdrüŒlihe Be- günstiguna wieder zu streichen, welche das Ricinusöl den anderen Oelen gegenüber nah den Kommissionsvorschlägen erfahren würde.

Der Abg. Dr. Frege bat, in diesem Stadium der Be- rathung an den Kommissionsvorshlägen niht zu rütteln und alle Abänderungsanträge abzulehnen. Er sei erfreut, mit dem Abg. Broemel in Bezug auf die Unzweckmäßigkeit des Regierungsvorschlages übereinzustimmen; mit einem Zoll von einer Mark könne der Landwirthschaft nicht geholfen werden. Wenn der Rapsbau erst überhaupt unmöglih geworden sei, komme jeder Schußzoll zu spät. Die von der Kommission beshlossene Erhöhung über den Vorschlag der Regierung hinaus habe eine gleichzeitige Aenderung der Zollsäße für die ganze Position Del nöthig gemacht; die hieran geknüpften Befürchtungen seien grundlos, auch der Oelindustrie werde mit den Kommissionsvorschlägen am wirksamsten geholfen. Eine Vertheuerung sür den Konsum werde durch die Erhöhung der Oelzölle nicht cintreten. i

Der Abg. Schrader bemerkte, ohne eine sehr große, ein-

reifende Zollerhöhung auf alle Oele sei eine Erhöhung des

Napszolles nicht möglih. Deshalb sei der Vorschlag der Re- ierung für seine Partei unannehmbar, der einerseits dem Navbbru nichts nüße und andererseits der Oelindustrie shade. Seine Partei stehe also vor der Alternative, entweder im Großen und Ganzen das System der Kommission anzunehmen oder auf jede Zollerhöhung auf Raps und auf Oel zu ver- zichten. Die Landwirthschast habe kein großes, vitales zn- teresse an der Erhöhung des NRapszolles, die Oelindustrie könne aber durch diese große Umwälzung einen erheblichen Schlag erleiden. Was überhaupt alles für Konsequenzen aus dieser Umwälzung folgen könnten, lasse sich jeßt noch nicht genau übersehen ; deshalb müsse man heute mindestens ein non liquet aussprehen. Auch der Bundesrath habe sih gegen bie Erhöhung der Velzölle s{hlüssig gemacht und dieses gewiß am meisten sachverständige Urtheil müsse maßgebend sein.

Der Abg. Woermann. erklärte, ein Zoll von 2 s auf Kopra, Palmkerne, Sesamsaat und Erdnüsse s{hädige die Oelindustrie ebenso wie der Napszoll, zumal es wichtig sei, daß die Delmühlen auch in der Zeit, in welher der Raps nicht geschlagen werde, beschäftigt seien, Die Produkte aus den fremden Oelfrüchten konkurrirten nicht erheblich mit dem Rüböl. Erdnuß z. B, liefere ein Del, das meist zur Fabri- kation von Kunstbutter gebraucht werde, und ein Speiseöl, das dem feinsten Olivenöl gleihkomme und im südlichen Frankreich als \olches verkauft werde. Sesamöl werde zu Speisezwecken, Baum- wollensaatöl zur Seisenfabrikation verwendet. Außerdem treffe der Zoll von 2 46 indirekt auch den Delkuchen, vertheuere einer wichtigen Jndustrie das Rohprodukt von vornherein um 2 f, d. h, bis 10 Proz. vom Werth der Oelsaaten, die 20—30 H pro 100 kg kosteten, und würde Frankreich die ausschließliche Enkwicelung dieser Fndustrie überlassen, deren eines Produkt, der Oelkuchen, vom Abg. Broemel in seiner Bedeutung ent- wickelt sei. Endlih würde dieser Zoll für die deutsche Ko- lonialpolitik von Nachtheil sein, da gerade Sesam und Erd- nüsse aus den Gebieten importirt würden, in welchen Deutschland jeßt festen Fuß gefaßt habe. Erdnüsse seien bis-

er aus Ostindien von Bombay gekommen, in den leßten res aber seien sie mit stetig steigender Zunahme von der Ost- und Westküste Afrikas importirt, speziell aus dem Congogebiet, das vor 5—6 Jahren noch sehr wenig Erdnüsse geliefert habe.

Es sei das einer der wenigen Artikel, welhe man bis jeßt aus Afrika bezogen habe, und es wäre recht bedauerlich, wenn dieser Fmport so ungemein ershwert würde. Ein Zoll auf alle anderen ölhaltigen vegetabilishen Stoffe hindere von vornherein die Entwickelung der deutshen Kolonialpolitit, denn es vergehe kaum ein Monat, in dem nit eine oder die andere ölhaltige Frucht von Afrika zur Probe nach Hamburg gesaudt werde. Bei einem Zoll von 2 # werde Deutschland beim Kauf dieser Früchte mit anderen Ländern, die fie zollfrei einführen könnten, nicht konkurriren können. Man fönne doch nicht die Dampfschifflinien vermehren und gleichzeitig die hauptsächlihsten Produkte der Tropen das seien gerade die Oelfrüchte, welche die Retourfraht von den Tropen lie- ferten mit einem Zoll belegen.

Der Abg. Dr. Sattler bemerkte, die Gewinnung von Oel aus Baumwollensaat in Deutschland geschehe erft seit wenigen «ahren im Bezirk der Hamburger Handelskammer. Die Baummwollensaat sei s-hr shwierig zu bearbeiten, weil sie sehr fettarm sei, ein Zoll auf diese Saat wirke also wie ein Zoll auf Del. Der Zoll auf dieses müsse demna sehr er- höht werden, wenn die Oelfabrikation aus Baum- wollensaat bestehen solle. Die leßtere werde hauptsächlich zur Seifenfabrikation verwandt und konkurrire nur mit Leinsaat und Palmkernen, die ja auch frei seien. Eine Folge des vorgeschlagenen Zolles würde sein, daß die Bearbeitung der Baumwollenfsaat zu Baumwollensaatöl und zu Futterzwecken im Auslande vorgenommen werden müsse. Man halte die Futterkuhen von Baumwollensaat aus Amerika für werthlos, das sei rihtig, aber sie seien es deshalb, weil sie in Amerifa nicht genügend gereinigt würden. Zur Nei- nigung und also zur besseren Verwerthung hätten die deut- schen Fabrikanten kostspielige Maschinen angeschafft, die werth- [los werden würden mit Einführung d¿s vorgeschlagenen Zolles. Er biite daher, seinen Antrag anzunehmen.

Der Abg. Udo Graf zu Stolberg-Wernigerode erklärte, durch den allgemeinen Zurückgang des Napsbaues sei die Nothwendigkeit der Erhöhung des Rapszolles wohl begründet. Die landwirth- schastlihen Zölle seien so aufzufassen, daß niht durch einen einzelnen Zoll der Landwirthschaft genußt werden solle, son- dern durch ein allgemeines fonsequent durchgeführtes' Zoll- system werde ein wirksamer Schuß der Landwirthschast erreicht. Durch die Beschlüsse der Kommission werde dem Napsbau ein, wenn auch nit sehr bedeutender, so doch immer anzuerken- nender Shuß gewährt, ohne daß der Delindustrie eine Schä- digung zugefügt werde. Er empfehle deshalb die Kommissions- beschlü}sse zur Annahme.

Der Abg. Dr. Langerhans bemerkte, durch diese Napszoll- vorlage werde in einer großen Menge anderer Positionen des Zolltarifs eine so große Verwirrung angerichtet, daß eigentlich Miemand recht wisse, wie diese Positionen in Folge des Naps- zolles zu gestalten seien. Und dies Alles nur, damit der Landwirthschaft genügt werde! Für die Napszollerhöhung existire thatsächlich kein materieller Grund. Der Rapszoll nüpge der Landwirthschaft nihts, weil der Raps immer einen guten Preis gehabt habe, in den Fahren 1878 bis 1883 seien die Preise für denselben im Steigen begriffen gewesen, erst 1884 sei ein Rücschlag eingetreten.

Der Abg. Freiherr von Landsberg-Steinfurt vertheidigte einen von ihm und den Abgg. Frege und Gamp eingebrachten Antrag, wonach auch zur Fabrikation von Schmieröl einge- führtes Mineralöl von der zollfreien Einfuhr ausgeschloffen werden solle.

Der Abg. Gamp erklärte, der Abg. Langerhans sei mit seinen statistishen Daten in denselben Fehler verfallen wie neulich der Avg. Nickert, der aus der Statistik weniger Jahre den Nachweis habe führen wollen, daß die Zunahme der Verbrechen gegen das Eigenthum mit einer Steigerung der Getreidepreis eHand in Hand gehe. Wenn der Abg. Langerhans, anstatt dem Hause die Daten von 2—4 Jahren anzuführen, weiter zurückzegangen wäre, so würde derselbe bei einer Vergleichung der Kreise und der Anbaustatistik aus den sehziger Jahren mit den heutigen gefunden haben, daß in der That ein erhebliher Rückgang wie im Preise, so im Anbau von Raps und Rübsen zu konstatiren sei. Auch die Behauptung, daß dieser Rückgang eine Folge der Zuckerrübenkultur sei, sei eine total unrichtige. Jn Oßpreußen gebe es nur ein bis zwei Zuckerfabriken, die ihr Rohmaterial auf einer räumlih sehr beschränkten Fläche anbauten. Demgegenüber stehe die Thatsache, daß Hunderte von Gütern den Anbau von Raps hätten eingehen lassen müssen. A

| Der Abg. Dirichlet spra sich für möglichst niedrige Zoll- säße aus. Fn den Landestheilen, in denen der Flahsbau eine Domäne der tleinen Leute sei, werde diese Zollerhöhung eigenthümlihe Empfindungen erwecken. Man werde sich fra- gen, ob es richtig sei, die Leinsaat des Schußes nicht für werth zu erahten, während der Raps des Großgrundbesißers geshüßt werden folle. Was die Exportbonifikation betreffe, so könne ihm theoretish dieses Verlangen nur erwünscht sein. Man werde damit die Thatsache anerkennen, daß die Waare durch den Zoll vertheuert werde; man solle dann aber auh bedenflih gegen die Zollerhöhungen überhaupt werden. Er bitte daher, es bei dem gegenwärtigen Zoll zu belassen. Selbst die mäßige Zollerhöhung, die Graf Stolberg vertheidigt habe, bedeute eine Verdreifahung des jeßigen Zollsaßes.

Der Abg. Lucius machte darauf aufmerksam, daß der Ausdruck „andere ölhaltige vegetabilische Stoffe“ so umfassend sei, daß leiht darunter auch Sämereien und Stoffe, die nie- mals zur Oelfabrikation gebraucht würden, verstanden werden könnten. Dieser Ausdruck müsse präziser gefaßt werden.

Der Abg. Pr, Meyer (Halle) erklärte, der Ausdruck, den der Abg. Rickert gebraucht have, daß die Zahl der Verbrechen gegen das Eigenthum mit dem Steigen der Getreidepreise zu- genommen habe, stamme keineswegs von dem Abg. Rickert selbst, sondern sei vielfah gebraucht worden, unter anderen auch vom Hrn. Geheimen Justiz-Rath Starcke in seiner bekannten Statistik. Die Nübölindustrie befinde sich in einer sehr bedrängten Lage, besonders seitdem das Rüböl durch das Petroleum, als Beleuhtungsmaterial vielfah verdrängt sei. Die Mission des Nüböls als Beleuchtungsmaterial sei zu Ende! Jnwieweit

Rüböl noch als Speisemittel benußt werde, sei Geshmacktsache

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und hänge von der Landessitte ab, Ein viel besseres und s{hmadckhasteres Speisemittel als tas Rüböl sei das Baumöl, das theilweise für vorzüglih gehalten werde. Es sei also nicht gerechtfertigt, der Rübölindustrie noch mehr Schaden zuzufügen.

Der Abg. Dr. Windhorst erklärte, er werde für die Vor- {läge der Kommission stimmen, mit welchen sowohl die land- wirthschaftlihen Jnteressenten, wie auch die Vertreter der Oelmühlenindusirie sich im Wesentlichen einverstanden erklärt hätten. Er bitte ferner, den Antrag Sattler anzunehmen, da sonst diejenigen hannoverschen Fabriken, welhe Baumwollen- saat verarbeiteten, ihren Betrieb zu reduziren, oder ganz ein- zustellen gezwungen sein würden.

Die Diskussion wurde geschlossen.

Die Auträge der freien wirthfchaftlihen Vereinigung und der Abgg. Graf zu Stolberg-Wernigerode und Frhr. von Wöll- warth wurden zurückgezogen.

Der Kommissionsantrag bezüglih des Raps- 2c. Zolles wurde mit dem Amendement Sattler (unter # „Baumwollen- saat“ hinzuzufügen) angenommen.

In Bezug auf Oelzoll wurden die Kommissionsanträge in allen Positionen unverändert angenommen, ebenso der Zoll auf mineralishe Schmieröle.

Bezüglich des Delzolles wurde de-m Tarifgeseß nach dem Antrage der Kommission folgerdezr Zusaß zu §. 7 gegeben:

„Den Inhabern von Oelmühlen wird für die Ausfuhr der von ihnen hergestellten Oelfabrikate cine Erleichterung dahin gewährt, daß ihnen der Eingangszoll für eine der Ausfuhr entsprechende Menge der zur Mühle gebrachten ausländishen unter Nummer 9 d 24 des Tarifs bezeichneten, Oel enthaltenden vezetabilishen Stoffe nachgelassen wird. Der Ausfuhr der Oel- fabrikate steht die Niederlaze derselben in eine ZoUniederlage unter amtliwem Verschluß glei. Ueber das hierbei in Necnung zu stellende Ausbeuteverkbältniß trifft der Bundesrath Bestimmung. Die zur Mühle zollamtlih abgefertigten ausländischen, sowie auch sonstigen Delfrüchte, wele in die der Steuerbehörde zur Lagerung der erstbezeichneten Delfrüchte angemeldeten Räume eingebracht find, dürfen in unverarbeitetem Zustande nur mit Genchmigung ter Steuerbehörde veräußert werden, Zuwiderhandlungen hiergegen werden mit einer Geldstrafe bis zu ein Tausend Mark geahndet.“

Es folgie nunmehr die Diskussion über die Position e „Palm- und Kokosnußöl“,

Festes Palm- und Kokosnußöl war bisher mit 2 M ver- zollt, dieser Zoll sol nach dem Antrage der Kommission bei- behalten werden und soll das Wort „festes“ gestrichen werden. Das leßtere beantragte auch der Abg. Dr. Witte.

Der Abg. Richter (Hagen) bat, den Zoll ganz zu besei- tigen, da derselbe nur dem Jnleresse einiger weniger Fabriken ¿u Gute kommen würde, welches gegenüber den viel wihtigeren Interessen der gesammten deutschen Seifeufabrikation, die durch den Zoll geschädigt werde, zurücstehen müsse. Auch die neuen Kolonien würden den Werth, den sie etwa für Deutsch- land besißen würden, ganz verlieren, wenn man den Haupt- ausfuhrartikel derselben nicht mehr zollfrei einführen fönne. Die Freunde der Kolonialpolitik möchten für dieselbe doch dur Verziht auf diesen Zoll auch ein kleines Opfer bringen.

Nachdem der Bundeskommissar, Geheime Regierungs- Rath Mosler und der Abg. Dr. Frege diesen Ausführungen entgegengetreten und auf die steigende Einfuhr von Palmöl hingewiesen hatten, wurde der Kommissionsantrag ange- nommen.

Der Schmalzzoll, welcher wie bisher auf 10 6 be- lassen war, wurde ohne Debatte genehmigt.

Der Zoll für Stearin, Palmitin, Paraffin, Walrath und Wachs beträgt jeßt 8 (4 Die freie wirth- schaftlice Vereinigung beantragte den Zoll für Wachs auf 15 6 zu erhöhen. Der Abg. Letocha s{hlug eine spezialisirtere Fassung der Position „Wachs“ mit demjelben Zollssaß von 15 6 vor, während die Regierungsvorlage für die gesammte Position einen Zoll von 10 4/6 vorgeschlagen hatte.

Das Haus genehmigte den Vorschlag der Regierung in Verbindung mit dem Antrag Letocha.

Für Fishspeck und Fishthran wurde der Zoll von 3 (6 angenommen.

„Anderes Thierfett“ hatte nach dem bisherigen Zoll- tarif und der Regierungsvorlage einen Zoll von 2 M

Der Abg. Witte beantragte, den Text der Position zu fassen: „Talg von Rindern und Schafen, Knochenfett und sonstiges Thierfett, anderweit nicht genannt.“

Der Antrag Dr. Witte wurde angenommen.

Einem Antrage der Abgg. Scipio und Wörmann gemäß foll der Zoll für Del mit dem 1. Juli, für Raps mit dem 1. Oftober d. J. in Kraft treten. Der Antrag wurde zur tommissarishen Berathung verwiesen. :

Zur Position „Petroleum“ 6 H lag ein Antrag des Abg. Rae vor, den Zoll auf 3 4 zu ermäßigen.

Die Kommission beantragte durch ihren Referenten Abg. von Kulmiz, den Antrag abzulehnen, weil durch den- selben das fiékalishe FJnteresse in erhebliher Weise geschädigt würde. Dagegen {lug die Kommission die Erweiterung der Anmerkungen dahin vor, daß Mineralöl (rohes Petroleum, Naphta) zur Herstellung von Benzin, Ligroin und Petroleumäther auf Erlaubnißschein unter Kontrole der Ver- wendung zollfrei eingehen solle. Nach einer ferneren An- merkung sei der Bundesrath befugt, Rohpetroleum zur Raffi- nirung zollfrei eingehen zu lassen, wenn die daraus gewonne- nen Produkte nachher als ausländische behandelt würden.

Der Abg. Sattler wollte den Benzinfabriken die Fabriken zur Herstellung von Druclfarbven und Ruüßen gleilhstellen.

Die Abgg. Gamp und Genossen wollten die Fabriken von Benzin, Ligroin und Petroleumüäther den Petroleum- raffinerien gleichstellen, d. h. ihnen das Rohmaterial frei ein- gehen lassen, wenn ihre Produkte als ausländische behandelt würden.

Der Abg. Richter (Hagen) spra feine Freude über den Antrag aus, der hoffentlih durch den Abg. Racke noch weiter werde begründet werden, Das Centrum habe {hon so viele Zölle im fisfalishen FJnteresse beschlossen, daß es wohlthue, eine Zollerleihterung zu beantragen, die viel mehr als der Antrag Huene den untersten Klassen zugute kommen werde. Wenn die Centrumspartei für die Verwohlfeilerung des Petroleums eintrete, so werde es die Hälfte von dem Unrecht