1906 / 8 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 10 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Groféhandelspreise von Getreide an deutschen und fremden Börsenplätzen für die Woche vom 1. bis 6. Jauuar 1906 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche. Zusammengestellt im Kaiserlihen Statisiischen Amt. 1000 kg in Mark. (Preise für greifbare Ware, soweit niht etwas anderes bemerkt.)

Woche| Da-

1./6. egen Januar OTs- 1906 | woche

172,99 184,60 156,35

Berlin. guter, gesunder, mindestens 712 g das 1 . | 169,00 Beton Ó ¿x “O A L hai F 18120 Hafer, * o 450 g das 1 . 158,00

S R L Weiten. Her rus fe M, erin, mun: Loler, henisüer, wirtiambeegiser, mitt

Weizen, Theiß:

P E Die ungarischer Budapest.

172,88 191,92 166,25 176,68

172,83 191,29 166,25 176,63

126,61 163,99 132,59 155,50 124,91

124,67 161,99 130,61 155,20 123;82

115,56 eiw e E S 146,67 Hafer, : 0+ O; S . - 2. . Mar R 113,01

114,71 144,07 124,67 119,16 112,37

Odessa.)

en, 71 bis 72 kg daS bl ,.,., Meta nta, 75 bis 76 kg das Ll

Riga.

en, 71 bis 72 kg das hl Weizen, 75 „, 76 , e

Paris. en Sogar | lieferbare Ware des laufenden Monats {

Antwerpen.

?) á

130,89 189,75

135,89 137,92 148,06 | 150,09 | 151,15 21! 156,18 | 152,12 146,03

Donau, mittel Azima Odefsa roter Winters

136,47 136,47 151/02 168,58 118,01

109,58

de E R X N e B

142,70 138 24 132,28 130.27

Mittelpreis as 196 Marktorten T

(Gazette averages)

Liverpool. russischer

roter Winter- Manitoba

152,65 147,97 153,12 146,10 151,72 159,68 147,76

103,79

107,23 107,70

Weizen

Hafer, englisch weißer Gerste, Futter- / Ddefsa

Od

Mais | 2) 98,63 L

107,28

129,53 135,84 129,80

73,59

134,28 128 52 72/82

Weizen, Lieferungsware | Mais &

146,92 142,43 137,53

83,33

143,80 140,81 136,05

82,52

roter Winter- Nr. 2 Weizen \ Lieferungsware | M Mais é Buenos Aires.

Men | Durthschnitisware

123,83 83,74

129,18 86,42.

1), 2?) Angaben liegen niht vor; 3) Neue Ware.

Bemerkungen.

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Londoner Pro- duktenbörse = 504 Pfund engl. gerehnet; für die au3 den Umsägen an 196 Marktorten des Königreichs ermittelten Durchschnittspreise für einheimishes Getreide (Gazette averages) ift 1 Imperial Quarter Weizen = 480, Hafer = 312, Gerste = 400 Pfund engl. angeseßt. 1 Bushel Weizen = 60, el Mais = 56 Pfund englisch; 1 Pfund englisch = 453,6 g; 1 Laft Roggen = 2100, Weiz 2400, Mais = 2000

Bei der üaeckutea der Preise in ‘Reichswährung find die aus den einzelnen Tagesangaben im „Reichsanzeiger“ ermittelten wöchentlichen Durchschnittsweselkurse an der Berliner Börse zu Grunde gelegt, und zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und Neu York die Kurse auf Neu York, für Odessa und Riga die Kurse auf St. Petersburg, für Paris, Antwerpèn und Amsterdam die Kurse

diese Plätze. Preise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der

Goldprämie.

en =

} unangenehm. (Sehr

Deutscher Reichstag. 15. Sißung vom 9. Januar 1906, Nachmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolfs Telegraphishem Bureau.)

esordnung : e Beratung des Entwurfs eines Gesetegs betr E O dunn des Reichshaushalts und die Tilgung der Reichs\huld mit den Anlagen: Geseß wegen Is des Brau- und P igarettensteuergesez, Gesez wegen Aenderung des Reichs- Pt und Erbschaftssteuergeseß.

des Reichsshaßamts Freiherr

Staatssekretär von

Stengel:

Meine Herren, {hon in dem ersten Teil der Generaldebatte, insbesondere im Anschluß an meine Etatsrede, habe ih mir gestattet, wenigstens im allgemeinen mich auch über die einzelnen Steuervorlagen s\chon im voraus zu verbreiten. Unter diesen Umständen möhte ih mch in diesem zweiten Teil der Generaldebatte darauf beshränken, im wesentlihe n nur auf Angriffe oder Einwendungen, die gegenüber jenen Steuervorlagen vorgebracht werden, zu erwidern. Jh lege mir eine solhe Beschränkung um fo lieber auf, als ich meinerseits alles vermeiden möchte, was dazu beitragen könnte, diese Beratung noch weiter in die Länge zu ziehen. Denn darin muß ih dem Herrn Abg. Bassermann, der unlängit diesen Punkt auch berührte, durchaus recht geben, daß es für die beteiligten Industriezweige nihts Unerwünschteres geben kann, als wenn die Generaldebatte sich in ganz außerordentliher Weise in die Länge ziehen würde. Wer es daher mit den Interessen der beteiligten Industriezweige wirkli aufrihtig und ernstlich gut meint, der sollte meines Erachtens vor allem auch dazu mitwirken, daß die Vorlagen mit tunlihfter Beschleunigung an die Stelle gelangen, wo die eingehenderen materiellen Beratungen erst ihren Plaß finden können, nämlih an die Kommission, an welche das hohe Haus die Vorlagen zu überweisen ohnehin im Sinne hat. (Sehr rihtig! rechts.)

Ih habe mir übrigens heute das Wort hauptsählih zu dem Zweck erbeten, um eine Bitte an dieses hohe Haus und insbesondere an die Herren Redner derjenigen Fraktionen zu rihten, welche die Absicht hegen, sich über die Vorlage mit den verbündeten Regierungen zu verständigen, die Bitte nämlich, es möhte in diesem Stadium der Beratung vermieden werden, \sch son im voraus gegen die eine oder andere der Steuervorlagen definitiv festzulegen. Dazu, meine Herren, ist in einem späteren Stadium der Beratung noch immer Zeit. (Heiterkeit in der Mitte.) Mögen diese oder jene Steuervorlagen und Steuervorshläge noh so große Bedenken auf der einen- oder anderen Seite erregen: bevor man definitiv zu diesen Steuervorlagen Stellung nimmt, erscheint es doch vor allem geboten, \sich vollständig klar zu werden über die Größe des gesamten Deckungsbedarfs des Reiches, und diese Klarheit über die Höhe dieses Deckungsbedarfs wird \sich erft ergeben aus den Beratungen in der Kommission. Erst bei den Kommissions- beratungen wird man auch regierungsseitig in der Lage sein, Ihnen alle die Materialien zur Verfügung zu stellen, die notwendig find, um si in diesem Punkte, die erforderliche Klarheit zu verschaffen.

Wie der Herr Reichskanzler {on in feiner einleitenden Nede Ihnen auseinandergeseßt hat, find alle Steuern, mögen fie nun einen Namen haben, welchen sie wollen, mehx oder weniger lästig, widerwärtig und unangenefk rihtig! in der Mitte.) Ih kann es Ihnen, meine Herren, als den gewählten Vertretern des deutshen Volkes, auch vollständig nahempfinden, wenn Sie sich nur mit s{hwerem Herzen und niht ohne {were Bedenken entschließen, diesen Steuer- entwürfen, die Ihnen die verbündeten Regierungen vorgelegt haben, näher zu treten. Sobald Sie aber die Ueberzeugung gewonnen haben werden, daß es in der bish-rigen Weise unmöglich weiter gehen kann, daß die absolute Notwendigkeit besteht, neue, und zwar erheblihe Einnahmequellen für das Neih zu ershließen, dann darf ich wohl annehmen, daß Sie Jhre Bedenken doch mehr und mehr werden zurücktreten lassen, und daß Sie Ihre Bestrebungen in der Hauptsache darauf rihten werden, im weiteren Verfolg der AbsiŸhten, die auch der Regierungsvorlage zu Grunde liegen, die un- vermeidlihe Steuerlast für die Steuerträger fo wenig als möglich drückend zu gestalten. Die verbündeten Regierungen, meine Herren, haben fich auch ungemein \{chwer dazu ents{lofssen, von der sehr entwicklungs- fähigen Erbschaftsfteuer zwei Drittel des Ertrages an das Reich ab- zutreten. Sie haben ih aber do entschlossen, das Opfer zu bringen, weil sie sich eben sagen mußten, daß die Notwendigkeit, die hinter uns steht, sie zu diesem Opfer zwingt, und daß nur, wenn dieses Opfer regierungéseitig gebraht wird, eine begründete Aus\siht dafür besteht, mit dem hohen Hause zu einer Verständigung über die Vorlaze zu ge- langen.

Ih möchte daher nochmals an das bohe Haus die Bitte rihten, vereint mit den verbündeten Regierungen diesen Weg einer Verständigung über die Steuervorlagen zu betreten, und den Wunsch aussprechen, daß in dieser ernsten Zeit und bei dieser ernsten Lage alle staatserhaltenden Elemente und Parteien sh mit den verbündeten Regierungen zusammenfinden zu gemeinsamer Arbeit, um ein Werk zu- stande zu bringen, das niht bloß für die Gegenwart, sondern au für die Zukunft dem Deutshen Reiche zum Segen gereichen soll.

Wie tief die Ueberzeugung von der Notwendigkeit einer gründlichen Reform der Reichsfinanzen in die Bevölkerung eingedrungen ift, das beweist mir u. a. insbesondere auch der Umstand, daß ih seit Wochen und Monaten eine zahllose Masse von Zusthriften, von Briefen, von Vorshlägen bekommen habe, wie dem gegenwärtigen Notstande im Reichshaushalt7wirksam abgeholfen werden könne. Es war mir nicht möglich, auf alle diese mehr oder minder beahtens- werten Vorschläge und Ratschläge jedem einzelnen zu antworten. Ih möchte aber die heutige Gelegenheit nit vorübergehen laffen, ohne von dieser Stelle aús öffentli allen diesen meinen Mitarbeitern für ihre Bemühungen und für das in ihren Bemühungen zutage ge- tretene patriotishe Empfinden meinen wärmsten Dank zum Ausdruck zu bringen. (Bravo!)

Abg. Spe ck (Zentr.): Ueber die außerordentliße Gewichtigkeit der Vorlage, in deren Beratung wir jeßt eintreten, ist wohl von Anfang an niemand im Zweifel gewesen. Der Reichskanzler hat nicht mit Unrecht gesagt, daß diese Vorlage die Grundlage für die weitere Entwicklung des Reiches und der mit ihm verbündeten Einzelstaaten abgibt. Jch halte es nicht für ratsam, C alle Details der ein-

¿elnen Vorlagen einzugehen, ih möchte vielmehr den Standpunkt, den meine Fraktionskollegen Fritzen und Gröber bereits gezeihnet haben,

die außerordentlih bedauerlih, aber nicht mehr zu leugnen ist. Zum die auses dieses Mißverhältnisses kegt uns nun die Regierung die neuen Steuervorlagen vor. ir werden erstens die Frage zu prüfen haben, ob das Mißverhältnis zwischen Einnahmen und Ausgaben im - Reiche tatsächlih so groß ift, wie es von den verbündeten erng angenommen wird, und zweitens, ob der Weg, der uns zur Stär fung der Reichsfinanzen vorgeshlagen wird, auch der ritige ist. Wir Werdén prüfen müssen, ob es niht noch einen anderen Weg gibt, der u, dem hen Ziele führt und der die volkswirifschaftli und ozialpolitischen ndsâge, die wir auf anderen Gebieten der Reichegesezgebung bekundet haben, auch auf dem Gebiete der Steuer- politik mehr zum Ausdruck bringt, als dies in der Vorlage geschehen ift. Es ift auffallend, daß der Reichsshaßsekretär bei der Veranschlagung des Mehrbedarfs für die kommenden Jahre ofentfihtlichß von dem Bestreben geleitet ist, die Einnahmen möglihst klein, die Ausgaben dagegen möglihst boch anzunehmen. Wir find gewohnt, daß vom Regierungstisch die Reichsfinanzen bald rosig, bald grau in grau ge- malt werden, je nah den Zwecken, welhen die Wege geebnet werden follen. Als wir 1900 bei Beratung der Flottenvorlage in der Kom- mission Vorschläge für die Deckung des Bedarfs durch _neue Steuern machten, erklärte der Schaßsekretär, es drücke ibn die Sorge, was er mit dem vielen Gelde anfangen follte. Wir baben au in früheren Jahren der Bewilligung neuer Steuern mit großer Vorfiht gegenüber- gaftanden, aber niemals war- die Zeit für neue Steuern ungünstiger als heute, {hon wegen der Unsicherheit der Ne der neuen Zölle. Neue Steuern, die wir einmal bewilligt haben, bleiben für alle Zukunft beftehen, der Reichstag kann da nicht mehr retardierend einwirken. Wenn die Vorlage unverändert zur Annahme kommt was ih nicht hoffen will —, dann liegt die Gefahr vor, daß Steuern auf Vorrat bewilligt werden. Das Bedürfnis neuer Ein- nabmen wird auch von uns anerkannt; aber die uns gemachten Steuervorlagen müssen mit aller Sorgfalt und gründlih geprüft werden, was am besten gemeinsam durch die Budget- und die Steuer- kommissionen erfolgen fönnte. Der Reichstag hat an den Etats- aufftellungen stets Abstrihe gemaht. Diesmal werden 103 Millionen mehr verlangt, doch werden sich auch hier Abstrihe machen laffen. Es wäre zu erwägen, ob nit ein Teil der Mehreinnahmen aus den öllen von 1906 auf das Etatsjahr 1906 geschrieben werden könnte. er gesamte Mehrbedarf für 1906 wird auf 255 Millionen ver- anschlagt. Jh mêchte hier als charakteristisch anführen, wie fih der Reichs|chaßsekretär bemüht, diesen Mehrbedarf zu begründen.“ In der Begründung wird über eine fogenannte Unterbilanz, wie sie sich be- rechnen soll aus der Unterbilanz der leßten fünf Jahre, gesagt, daß fie 80 bis 90 Mill. Mark auëmachen soll. Rechne ih aber die ge- geb:nen Zahlen nach, so bekomme ih eine Unterbilanz von nur 60 Mil- lionen. Der Reichs\chaßsekretär kommt zu seinen 80 bis -90 Millionen mit Rücksicht auf die Erträge, die zwecks Einstellung neuer Ausgaben eingereiht find. Dann könnten wir allerdings den Mehrbedarf beliebig erhöhen. Die Mehreinnahme aus den Zöllen \{eint mir viel zu niedrig veranshlagt. Man kann nicht verlangen, daß eine Volksvertretung neue Steuern bewilligt, wenn aus dieser Bewilligung später Uebershüsse ergeben können, denn eine Garantie dafür, daß diese Uebershüfse dann auch zur Sguldentilgung benußt werden, ist uns niht gegeben. Man wird sie viel mehr zu anderweitigen Ausgaben benußen. Der Reichskanzler hat gesagt, daß größere Einnahmen niht zur Verschiebung führen würden. Aber das Gegenteil ist durch die Grfahrungen in Preußen und im Reiche bewiesen. Die Mehrüberweisungen aus dem Reiche an die Einzel- staaten waren ein direkter Schaden für die leßteren, da auf diese UVeberweijungen Ausgaben basiert wurden. Als nun diese Ueber- weisungen ausblieben, entstand eine Zerrüttung der Finanzen der Einzelstaaten. Der Reichskanzler hat erklärt, jede Steuer, die einigermaßen ergiebig sein foll, müfse sich auf die große Masse er- streden, das wäre der zweckmäßigste Weg der Besteuerung. Das möchte ich aber sehr bezweifeln. Die Mehrheit des Reichs- tages hat 1900 erklärt, daß fie nicht gewillt ist, einer derartigen Belastung der Gegenstände des Massenverbrauchßs zuzustimmen. Welche ei Auf ena au. ou [eira der verbündeten Megie- TUngen | g er orlage s i worden Bisher warfen uns, A wic über d Esche VERe hinübersaben, in die Brust und sagten: Nein, solhe Belastungen, den Quittungsstempel, haben wir wenigstens bei uns niht. Und jeßt sollen wir auch damit bedrückt werden! Der Schahsekretär meinte, diese Steuern würden im Auslande willig getragen. Mit folhem Hinweis kann man alles, auch die Einführung der Prügelstrafe oder der Sklaverei begründen. Zweifellos bedeutet diefe Stempelsteuer eine ungemeine Belastung und Belästigung des Verkehrs; sie sind verkehr- hindernde Steuern, und man hätte erwarten sollen, daß uns in heutiger Zeit solche Vorschläge niht gemacht würden. Werden diese Verkehrssteuern eingeführt, so möchte leiht der Schaden für unser gesamtes wirtshaftlihes Leben ein weit größerer sein, als der Nuzen für die Reichskasse. Eine direkte Gefahr, die der Quittungsftempel mit \ih bringt, liegt darin, daß man dann tunlihst keine Quittungen mehr ausstellen lafsen wird, und damit wäre eine bedenkliße Unsicherheit in unseren ganzen wirtshaftlihen Verkehr hineingetragen. Wenn der Kanzler fich darauf bericf, daß der Reichstag selbst Stempelsteuern angeregt habe, so flimmt das, aber die von dem Reichstage angeregten Steuern waren niht mit diesen bedenklichen Nebeneigenshaften behaftet. Von der „\chonenden Nücksicht auf die schwahen Schultern“, die auh jeßt nah der Begründung bei der Ausarbeitung der Steuervorlagen als Ausgangépunkt dienen soll, habe ich beim Studium der leßteren nit viel bemerkt, wenigstens ist mir dieser rote Faden oft verloren gegangen. Ganz besonders muß der Quittungsstempel den Wider- spruch herausfordern. Der Stempel für Pakete, für Postanweisungen und für Frahtverkehr überhaupt muß den kleinen und mittleren Geschäftsmann außerordentlich belasten. Es ift eine völlige Täuschung, wenn man sich dem Glauben hingibt, durch die Hinaufsezung des Wertbetrages auf 20 #4 den kleinen Mann, den kleinen Hand- werker und Kaufmann von dieser Belastung befreit zu haben. Das Heer von Ausnahmen und Befreiungen, welches vorgeshlagen wird, bestärkt mich lediglih in der Auffaffung, daß die ganze Idee auf un- rihtigen wirtshaftlihen Voraussezungen beruht. Derselbe Vorwurf trifft die Fahrkariensteuer, die ebenso nRgereae und ungleich zum Nachteil der kleinen Leute der ärmeren Klassen wirken muß, wie die Quittungssteuer, trifft sie doch den kleinen Geshäft8mann, der eine Reise von 200 Kilometern mäthen muß, ebenso wie den Millionär, der eine Reise nah der Riviera unternimmt. Die us neuen Stempelsteuerprojekte haben speziell in Bayern eine f r unangenehme Ueberrashung und Enttäushung bervorgerufen. Was die Tabaksteuer ‘anbetrifft, so würde man ihr zustimmen können, wenn fie die minderwertigen Waren, den Mafsenverbrau, freiließe. Solange aber eine richtige Untersheidung zwischen den böôherwertigen Sorten und denen von geringerem Wert nicht getroffen ist, wird der Reichstag nicht in der Lage sein, diese Steuer gutzuheißen. insichtlich der Zigarettensteuer ist in der Begründung bemerkt : er Raucher kann ohne Beeinträchtigung seines Rauchbedürfnisses zur Zigarre oder Pfeife zurückfehren, und einige Zeilen weiter: Eine Schädigung der Zigarettenindustrie ist nicht anzunehmen. Wenn das erstere rihtig ift, so kann das zweite niht stimmen. Eine Staffelung der Brausteuer haben wir in Bayern auch. Diese ift aber zu gering, um einen hemmenden Einfluß auf die Entwicklung der kleinen Brauereibetriebe au8zuüben. Sie bewegt \sih zwischen 5 und 6 M, während sih die Staffelung der Vorlage zwischen 7 und 12 M bewegt. Wenn wir die Steuer so erhöhen, wie es in der Vorlage vorgesehen ist, so wird es für die kleinen Brauer kein großer Trost sein, daß bei den Großbrauern die Esel bis auf 12 Æ erhöht wird, wenn sie selber von 4 bis auf 7 #4 besteuert werden. Diese Säge sind zweifellos zu hoh bemessen und müssen herabgeseßt werden. Es wird uns gesagt, die ganze Belastung des Konsums bestehe nur in 1,24 S für den Liter. Es darf aber nit vergessen werden, daß 67 Millionen durch diese 1,24 4 zusammengebracht werden sollen. Früher hat man 14 Millionen aus der Brausteuererhöhung erzielen wollen, und

näher ausführen und begründen. Das wachsende Mißverhältnis

zwischen den Einnahmen und Ausgaben des Reiches ist eine Tatsache,

hon damals war man sehr bedenflich, ob der Nag auf diese Er- höhung eingehen würde. Jeßt verlangt der Reichs\haßsekretär gleich

67 Millionen aus der Erhöhung, also eine ganz exorbitant hobe Summe. Die ganze Steuer scheint sich zu mechanisch an die Verhältnisse in Sia anzulehnen. Sie hat nit berücksihtigt, daß wir in Süddeutschland mit ganz anderen Produktions- und Absatz- verhältnifsen zu rechnen Kies Wenn wir die Staffelung wirkli wirksam machen wollen, müssen wir die Großbrauer von Grund auf, von dem erften Doppelzentner Malz, den sie verarbeiten, an mit der höheren Steuer belasten, weil wir son die Konkurrezz des Groß- brauers gegenüber dem Kleinbrauer nicht aushalten. Es fällt mir auf, daß über die Rückvergütung weder im Geseß, noch in der Begründung auch nur ein Wort gesagt ist. Die Regelung dieser Frage wird aber sehr f{wierig sein, man wird dazu kommen, für jede

nzelne Brauerei die Nückvergütung besonders festzusezen. Die Er- bebung von Uebergangsabgaben {eint mit dem § 3 des Zollvereins geseßes, in dem ausdrücklich der Grundsaß aufgestellt ift, daß inner- balb des NReichsgebietes keine Zollshrauken mehr aufgerihtet werden dürfen, niht im Einklang zu stehen. Deswegen halte ich die Forde- rung für berehtigt, diese Uebergangsabgaben, die im Widerspru zur Cinheitlichkeit unseres Wirtschaftsgebietes stehen, zu be- seitigen. Nun will das Gefeß fie noch von 2 auf 3 Æ erböben. Einen großen Nathteil der Brausteuervorlage finde ich in der Rück- wirkung auf die süddeutshen Staaten, die ganz erheblich dadurch belastet werden würden# Bayern allein mit 7 Millionen. Ein solcher Betrag spielt im bayerishen Budget hon eine große Rolle. Nun foll ja der Zeitpunkt der vollen Wirksamkeit der Brausteuererhöhung für die süddeutshen Staaten hinau8ge!{ob:n werden; ih bin damit ganz einverstanden, denn es würde ibnen sonst plöglih cine Last auferlegt werden, zu deren Deckung sie eventuell direkte Steuern aus\s{reiben müßten. Der Graf Posadowsky hat früher von der „Bier- \{chlange“ gesprochen, mit der man die Gemüter ershreck. Nun haben wir diese „Biershlange“ in einem ausgewahsenen Eremplar vor uns; ih meine, wir werden in der Kommission diese Bierihlange

ündlih vornehmen und ihr auch die Giftzähne ausbrehen müssen.

n legter Stelle steht in dem Steuerbukett die Erbschaftssteuer. Die Letzten sollen die Ersten sein, ist ein altes Wort; auch die Erb- schaftssteuer hätte verdient, an erster Stelle uns präsentiert zu werden. So gewiß die Erbschaftssteuer sehr entwicklungsfähig ift, so tehen do der Konstruktion der Erbshaftssteuer, wie sie die Vorlage enta bâlt, auch gewisse formelle Bedenken entgegen, ganz abgesehen von den sahlihen Bedenken, die, wie die Schwierigkeit der Heran- ziehung des beweglichen Kapitals, zum Teil durhaus berechtigt find.

Das formelle Bedenken besteht darin, daß es doch fraglich ist, ob !

das Reih Steuern beschließen kann, die in erster Linie den Einzel- staaten zufließen und nur subsidiär dem Reihe zu gute kommen follen. Bedenklihch if ferner die Ausdehnung der Verpflichtung zur Eidesleistung bezüglih der Erbschaftsmasse; je - weiter diese Aus- dehnung erfolgt, desto mehr wächst die Gefahr der Meineide. Ander- seits aber haben wir fein besseres und brauhbareres Mittel der Kontrolle und werden uns also damit abfinden müssen. Was aber die aus der Reichserbshaftsfteuer zu gewinnenten Erträge betrifft, so könnten diese ganz ohne Schwierigkeit erheblih erhöht werden. Schon die Grundtaxe läßt sich beträhtlich höher greifen. Diese Frage wird in der Kommission sehr genau zu erwägen sein. Mit der beabsichtigten Begünstigung des Grundbesitzes bin ich durchaus ein- verstanden. Es wird si aber fragen, ob alle land- und forstwirt- \cafiliden Grunditücke Anspru auf diese Vergünstigung haben, namentlich die zu spekulativen Zwecken oder aus Sport oder Lieb- haberei erfolgten Grwerbungen derartiger Grundstücke; auch in dieser Frage wird in der Kommission eine Aenderung zu versuchen fein. Die Anregung, au die Deszendenten und Gbegatten der Erb- \chaftssteuer zu unterwerfen, ifft von meinen Kollegen Frißzen und Gröber nur für den äußersten Notfall und nur für die ganz großen Vermögen gegeben worden. Vom sozialen Standpunkt aus ist es jedenfalls berechtigter, die großen Vermögen beim Uebergang vom Vater auf den Sohn zu besteuern, als die Genußmittel des fleinen Mannes. Hic Rhodus, hic salta! fage ih jenen Herren, die den Gedanken so lebhaft „bekämpften, die sogar von Kommunismus sprachen. Diese Anspielung fand draußen ein vielstimmiges Echo, man spra in der Presse der logar von politisher Unsicherheit, von Plünde- rung der Reichen 2c. fehlte nur noch der Kindermord, - dann hätten wir die Zustände aus der Zeit der Zolltariffämpfe wieder leb- haft vor uns. Rechter Hand, linker Hand, alles vestausht. Jst denn die Besteuerung der Deszendenten etwas Neues? Sie befteht sogar in unseren eigenen Kolonien. Aber selbs Blätter, denen man offiziöse Be- ziehungen nachfagt, baben gegen diefen Gedanken geeifert, so die Kreiéblätter. Nach jenen Preßäußerungen, die besonders in einem gewissen Berliner Blatte gipfelten, ist es also höchstes Gebot der Sittlichkeit, nur denen Steuern aufzuerlegen, die wenig oder gar nichts baben. Der Vorwurf, daß wir mit dieser Anregung uns als der Sozialdemokratie verwandt erwiesen hätten, läßt uns kalt. Nichts kann in Wahrheit der Soiialdemokratie mehr neues Wasser auf ihre Mühlen liefern, als eine folhe Art der Bekämpfung. Selbst der preußische Finanzminister hat ähnlihe Vorwürfe erboben, freilih nit in so unvor- fihtiger Weise wie die Kreisblätter; er spra von der Shmälerung dessen, was der Vater in einem arbeitsreichen Leben den Kindern erworben. Fa, tut der Staat denn etwas anderes, wenn er die Vermögenssteuer erbebt ? Stehen wir vor der Notwendigkeit, die indirekten Steuern erbeblih herabzuseßen, so wird uns nichts übrig bleiben, als die Erbschafts- steuer au auf die Deszendenten auszudehnen. Als Vorzug der Erb- schaftésteuer wird uns ihre Beweglihkeit gepriesen. Ich hege da die be- rehtigte Befürchtung, daß aus diesem beweglichen ein durhaus unbeweg- liher Faktor werden wird, daß das Reich die F sofort für sich in An- Ds nehmen wird; ih Flwibe au, daß unter den Herren im Bundesrat mange find, welche dieselbe Ueberzeugung hegen. Wenn der Finanzminister Freiherr von Rheinbaben meinte, der Reichstag habe das diskretionäre Recht, über 72 Millionen zu verfügen, fo stimmt das nicht; ist die Steuer angenommen, so hat der Reichstag überhaupt nichts mehr zu bewilligen, sondern höchstens noch eventuell über den Verteilungs- modus zu beschließen. Aus demselben Grunde kann die Erbschafts3- steuer uns keinen Gcsaß bietea für die Beseitigung der Matrikular- beiträge; das Interesse der Einzelstaaten an der Gestaltung des Reich2etats muß unbedingt aufreckt erhalten werden. Es hängt alles davon ab, ob es gelingt, im Reiche selbst auf eine sparsame Finanz- gebarung zu dringen, sonst stehen wir in einigen Jahren wieder vor noch einer größeren Finanznot. Das Reich fommt nicht als armer Reisender zu den Einzelstaaten, wie der Kanzler meinte, nein, es ver- langt jeßt einen Teil dessen von den Einzelstaaten zurück, was es ihnen früher hat zukommen lassen. Die Einzelstaaten haben in etner Zeit, wo im Reiche 1300 Millionen Mark Schulden gemacht wurden, an 500 Millionen Mark vom Reiche überwiesen erhalten. Die Einzelstaaten müssen jet für diese reihlihen Ueberweisungen büßen. Ob die Neuordnung des Haushalts mit der Erbschaftssteuer den Verfafsungsvorschriften genau entspricht, ist für uns auhch noh keinesfalls zweifelsfrei. Der Reichstag bat hon bisher sehr viel Rücksicht genommen auf die Leistungsfähigkeit der Einzelstaaten. Jn der Begründung der Vorlage wird dem Reichstag gewifsermaßen die Pistole auf die Brust gesezt; es ist da eine Ausführung zu lesen, die dahin geht: Wenn Jhr die Matrikularbeiträge nicht bindet, be- kommt Jhr keine Erbschaftssteuer. Wenn die Vorlage nicht zu stande kommt, bâtten do den Schaden vor allem die Einzelstaaten ; deshalb müfsen wir uns das Recht des Reichstags zur Prüfung dieser Steuervorlagen sowobl hinsihtlich der Höhe als der Deckung des Steuerbedürfnisses vollständig wahren. Nur mit Mühe und Not find diese Steuervorlagen im Bundesrat zustande gekommen; es ift ein oxglomerat von ganz héterogenen Steuervorlagen, und das seßt man n Reichsag vor mit dem Spruhe: Friß, Vogel, oder stirb! Früber spra man sogar von einer eventuellen Auflösung des Reichs- tags; davon spriht man heute allerdings niht meúr, und mit Relht, denn noch nie hat eine Auflösung aus Veranlaffung von Steuer- i eine regierungsfreundlihe Mehrheit ergeben, und den einzigen Vorteil davon hätten die Herren auf der äußersten Linken. ir [assen uns durch alle offenen und versteckten Drohungen nit davon abhalten, die Vorlagen mit derjenigen Gründlichkeit und Ob- ektivität u prüfen, die ihre Os erbeischt. Die Einzel- ten müfsen der Kommissionsberatung vorbehalten bleiben. Jh weise

; hier nur darauf bin, daß wiederum die Aufhebung des § 2 des Shhuldentilgungegesezes uns angesonnen wird, wonach die Zushuß- anleibe auch dur Reichseinnahmen, die sonst als Mehrüber- weisungen behandelt werden müßten, getilgt werden foll; wenn man jet die allgemeine und die Zushußanleihe in einen Topf werfen will, ift die Tilgung der Zuschuyanleihe einfah ausgeshlofen. Wir haben damals aber gerade den § 2 aufgenommen, um die Einzelstaaten zur Tilgung der Zuschußanleihe, die doch in ihrem Interesse aufgenommen worden ift, anzuhalten. Allüberall finden jeßt Versammlungen statt, die Resolutionen und Petitionen beschließen, um den Wünschen der Interessenten gegenüber den Steuervorlagen Ausdruck zu geben. Der Freiherr von Stengel hat auf diese Kämpfe hingewiesen, die si um die Vorlage entspinnen würden, aber die Regierung hatte es d in der Hand, diefe Kämpfe zu vermeiden, indem fie eine andere, niht in alle möglihen wirtshaftlichen Beziehungen tief eingreifende Steuervorlage an den Reichstag brate. Jet maht man den Inter- enten Vorwürfe, weil sie sich wehren. Das ist doh ihr gutes Necht ; Steuern zahlt niemand gern, hat sogar der Reichskanzler gesagt. Warum mat man nicht auch aen den Vorwurf des Egoismus, die sehr wohl in der Lage wären, selbst ein Scherflein zur Linderung der Reichsfinanznot beizutragen, es aber für beser halten, alles auf indicefte Steuern abzuwälzen? In vielen Kreisen kommt der Opfersinn niht so zum Ausdruck, daß er für das Volk mustergültig wäre, das möge auch der Finanzminister von Rheinbaben bedenken. Das Reich leistet an indirekten Steuern, also an Zushüssen des Volkes an das Reich, ganz Erhebliches. Cin förwlihes Privilegium für die armen Volkékreise wollen wir ja niht \{hafffen; wenn hon von einem Privilegium gesprohen werden soll, so muß doch au auf diejenigen hingewiesen werden, welhe den größten Vorteil von der Flottenvermehrung und dergleihen haben. Der Finanzminister von Rheinbaben appellierte an den Opfersinn der Neichstagsmitglieder; er hätte diesen Appell im preußischen Herrenhause betonen lafsen sollen, àls es fih dort um cine Resolution (egen die Erbschaftssteuer handelte. Um der s{önen Augen der egierung willen wird kein Reichstag neue Steuern bewilligen, au der jeßige niht, namentlich nach der Haltung des Bundesrats zu anderen Beschlüssen dieses Reichstages. Der Toleranzantrag wird niht berüdsichtigt, andere wihtige vom Reichstage wiederholt er- Hobene Forderungen find abgelehnt oder auf die lange Bank ge- hoben worden. Unter diesen Umständen wird der Reichstag nichts über das allernotwendigste ‘Maß hinaus bewilligen. In der Kom- mission eine Grundlage für eine Verständigung zu finden, wollen wir uns aber gern bemühen, und ih beantrage zu diesem Zweck die Ver- weisung sämtliher Vorlagen an eine Kommission von 28 Mitgliedern. Da wird au der Ausfuhrzoll auf Kalisalze und andere erwägens- werte Vorschläge erörtert werden können. Die Verständigung aber wird außerordentlich erschwert, ja unmöglih gemácht, wenn die ver- bündeten Regierungen dem Reichstage niht weiter als bisber ent- gegenfommen. Das Scheitern der Vorlagen würde bedauerlich sein im Interesse der Allgemeinheit, aber auch im Interesse der Einzel- ftaaten und der ordnungsmäßigen Finanzgebarung des Reiches. Singer (Soz.): Ih kann mich den Ausführungen des Vorredners über die Stellung des Reichstags zu den Matrikular- umlagen vollständig anschließen. Jh bin mit ihm ‘der Meinung, daß eine jährlihe Feststellung derselben durch den Reichstag die ein- zige Sicherheit bietet, um auf die notwendige Sparsamkeit im Bundesrat, namentlich in bezug auf Militär- und Marine- forderungen, die sonst ins Unbegrenzte gehen, hinzuwirken. Ich möchte wünschen, daß die Stimmung, der der Vorredner am Schlufse seiner Rede Ausdruck gegeben hat, auch im weiteren Verlaufe bei seinen politishen Freunden vorhalten möge, kann aber die Be- fürhtung niht unterdrücken, daß die Zentruméfraftion in gewohnter Weise, nahdem sie alles mit der größten Gründlichkeit geprüft hat, dann sch{ließlich doch bewilligt, was die verbündeten Re- gierungen fordern. Wenn das Zentrum in der Tat glaubt, den Ausfall, der durch die Ablehnung der vom Vorredner erwähnten Steuern herbeigeführt wird, durch die Erbschaftssteuer decken zu wollen, so muß diese nah _ ganz anderen Grundsäßen veran- Iagt werden, falls fie die Ausgaben für alle Forderungen, die das Zentrum vermöge feiner Kolonial-, Marine- und Militärpolitik nötig macht, decken foll. Für uns ist die Erbschaftssteuer die einzig an- nehmbare Steuer. Wir sind der Meinung, daß ih auf dem Wege der Reichseinkommen-, Reichsvermögens- und Reichserbschaftsstieuer die notwendigen Ausgaben bestreiten lassen. Wenn wir eine Reichs- erbsaftssteuer einführen wollen, so verstehen wir diese dabin, daß sie in solhem Betrage erhoben werden- muß, daß gleichzeitig die in- direkten Steuern nach Möglichkeit beseitigt werden. Für eine direkte Steuer, wie fie die Regierung vorshläâgt und das Zentrum sie annehmen will, baben wir fein Verständnis. Wenn man die Steuern von denen nebmen will, die fie zahlen fönnen, fo soll man mit Ernst darauf Bedaht nehmen, nit neben einer großen Anzabl indirekter Steuern und Zölle, die die notwendigsten Lebens- mittel verteuern, eine Reichserbschaftssteuer mit dem läher- lich geringen Ertrage von 48 Millionen Mark zu erheben. der Kommission und in der zweiten Lesung werden wir formulierte Anträge stellen, um einen Ertrag der Erbschaftssteuer in der Höbe, wie wir ihn vorschlagen, daraus zu gewinnen. Auch bürgerliche Nationalökonomen haben {hon oft und gei langem die Idee einer Erbschaftssteuer verfochten ; es handelt sih hier ganz und gar nit um eine sozialdemokratishe Auëgeburt, wie es namentlich jeßt in der Presse der konservativen Partei darzustellen beliebt wird. Allzu große Aengstlihkeit bei der emefsung der Säße ist niht angezeigt, besonders wenn man si das Verhältnis der direkten zu den indirekten Steuern in Preußen und im Reiche und im Auslande vergegenwärtigt. Preußen-Deutshland hat auch auf diesem Gebiete den eeeaa: der intime Bundesgenosse Rußlands zu fein. Auch bei der günstigsten Berechnung kommen in Prenßen auf je 100 „Æ neben 25 e direkten 75 Æ indirekte Steuern, ein Verhältnis, das unbedingt und unverzüglih zu Gunsten der über Gebühr mit indirekten Steuern belafteten ärmeren Bevölkerung reformiert werden muß. Selbst- verständlich müssen auch die nächsten Verwandtschaftägrade, Aszen- denten und Deszendenten sowie die Ehegatten der Erbschaftsstzuer unterworfen sein, und diese muß für die ingeren geringer als für die Größeren normiert werden. Das hat {hon der konservative Staatsrehtslehrer Adolf Wagner verlangt, aber au dieser elemen- tarsten Forderung entspriht die Regierungêvorlage in keiner Weise. Beiläufig erinnere ih den Abg. Speck daran, daß sein Gesinnungs8genofse, das Zentrumsmitglied Herold, im preußishen Abgeordnetenhaufe keine Sympathie für eine Erbschaftssteuer E vielmehr von einer folchen ganz entschieden abgeraten hat. Also in den eigenen Reihen des Zentrums sind solhe vorhanden, die nur höchst widerwillig dem Gedanken der Erbschaftsfteuer Folge leisten, und daß auf der fkon- servativen Seite der äußerste Widerstand, und zwar wenigstens indirekt unter der Aegide“ des preußischen Finanzministers geleistet wird, ist sicher. Und das Zentrum selbst geht ja nur im äußersten Notfalle und aúch dann noch ungern an eine weitere Aus- gestaltung der Erbschaftssteuer heran, es will nah wie vor den Hauptanteil des Bedarfs für das Reich durch indirekte Steuern auf- bringen, während wir für eine Steuerpolitik eintreten, die über- wiegend direkte Reichssteuern an die Stelle der indirekten seßen will. Wenn' man bloß Erbschaften von 100000 A und darüber beim Anfall an Ehegatten oder Kinder besteuern will, so sieht das nur äußerlihß nach etwas aus, bringt aber in Wirklichkeit nichts Bedeutendes ein. Geradezu fapitalwütig benimmt si in diesem Punkte die konservative Prefse und auch die konservative Partei, und ganz ähnlih hat sich das Organ der Groß- industriellen, die „Berliner Neuesten Nachrichten“, geäußert, das Na dieses Vorschlages von „politisher Unsittlichkeit*, von der „Verwahrlosung des öffentlichen Gewifsens“, von einem „entshlossenen Eingriff in den Geldbeutel der Reichen“ usw. zu sprechen gewagt hat. Nach der Aeußerung des Abg. von Richthofen ist die Erbschafts- steuer der gesamten konservativen Partei äußerst antipathisch, und von der Ausdehnung des Regierungsvorshlages im Sinne der Zentrums-

redner will er vollends nichts wissen. Es zeigt fich hier wieder, daß gerade den Parteien des Besizes nichts so sehr widerstrebt

als eine wenn auch noch so gerechte Belastung des Fo ites Gegenüber den Erträgen der feamaisen oder der englishen Erbschafts- steuer ist das Aufkommen derselben in Preußen ein lächerlih geringes. Wir fordern für eine Erbschaftsfteuer einen progressiven Steuersaß derart, daß Hinterlafsenshaften von 1000 oder 2000 Æ frei zu bleiben Haben, und daß der Steuersaß, mit 1 9% beginnend, fich bei einer Hinterlafsenschaft von einer Million bis auf 209% fteigert; die Verwandten sollen je nach dem Grade der Verwandtshaft mit 8 bis 10% des Erbanfalls herangezogen werden. Was die verbündeten Regierungen vor- eshlagen haben, verdient überhaupt nicht den Namen einer Erbschaftsfteuer. Die Einzelheiten betreffend, müfsen wir den Vor- schlag des Entwurfs, Erbschaften schon bei einem Werte von 300 M zu besteuern, zurückweisen; so fleine Beträge rechtfertigen die Vexationen mit der Erbschaftsfteuer nicht. Die Befreiung der landesfürftlihen Familie von der Erbschaftsfteuet auszusprechen, liegt unserer Meinung nach nit die geringste Veranlassung vor. Auch die Freilassung der Kirhengemeinschaften von der Erbschafts- steuer lehnen wir ab, ebenso die Begünstigung der land- und forst- wirtshaftlihen Grundstücke. Dagegen wäre die Einführung einer Mitgiftsteuer sehr erwägens8wert. Jedenfalls muß das arbeitende E vor einer weitecen Au8powerung dur indirekte Steuern bewahrt werden.

Abg. Büsing (nl.): Die definitive Stellungnahme meiner politishen Freunde zur Steuerfinanzreform muß vor halten werden. (Finig find wir darin, daß eine gründli6e Finanzreform eine unabweisliße Notwendigkeit ist. Die bisherige Defizit- und Schuldenwirtshaft kann nicht länger fortgeseßt, es müfsen neue Steuern geschaffen werden. Wie hoch der Betrag ist, der durh neue Steuern gedeckt werden muß, das festzustellen ist Sache der Kommission. Dagegen meinen wir, daß ganze Arbeit gemacht werden muß. Die Neichseinnahmen müssen mit den Reihsausgaben gleiden Schritt balien. Die vorgeschlagene planmäßige Tilgung der Reichs\huld ist eine alte Forderung meiner Freunde. Die Reichs\huld if in den leßten Jahren in einer wahrhaft be- ängstigenden Weise gestiegen. Das Bedenkliche ist weniger die Höbe, als das rapide Wachsen der Reihss{huld. Die Regierung leat uns nun fünf Vorlagen vor mit aht neuen Steuern mit 230 Millionen. Diese Vorlagen sollen einbeitlih mit der Finanzreform in Wirk- samkeit treten. In der Begründung wird mit aller Ent- fhiedenheit an dieser Einheitlichkeit festgehalten, und der Staats- sefretär sagte neulich, daß das ganze Gebäude zusammenstürzen würde, wollte man einen Stein aus dem Bau hberauslösen. Ich bin ein alter Parlamentarier, aber ih muß sagen, ein so un- billiges Anfinnen is noch nie an den Reichstag gestellt worden ; es steht in Widerspruch mit den konstitutionellen Grundsäßen, denn der Reichstag ift ein gleihberechtigter Faktor. Der Reichstag wird fich das Recht niht nehmen laffen, die Steuern zu prüfen, einzelne viel- leiht anzunehmen, andere vielleiht abzulehnen, ja vielleiht neue vor- zuslagen. Glaubt die Regierung etwa, daß sie dem Reichstage ohne shwer zu stande zu bringende Kompromisse der einzelnen Parteien eine solche Vorlage mahen kann ? Die Regierung würde die Verant- wortung nit tragen Tönnen, falls die Vorlagen nit zustande kämen. Die neu vorgeschlagene Erbschaftssteuer soll in ge- wissem Sinne eine bewegliche sein, und die Matrikularbeiträge, die einzig beweglihe Steuer, die wir biéher hatten, foll festgelegt werden. Solange wir keinen anderen beweglihen Faftor haben, müfsen wir an den ungedeckten Matrikularbeiträgen festhalten. Befser wäre es vielleicht, die Erbschaftssteuer zu einer wirklich beweglichen, d. b. zu einer Steuer mit jährlich wechselnden Steuersäßen zu maten. Allerdings hat das auch seine Bedenken, ih hoffe, daß der Say der Begründung: „Angebot der Erbschaftssteuer und Forderung auf Festlegung des Höthstbetrages der im Laufe des Rehnungsjahre3 zu entrichtenden ungedeckten Matrikularbeiträge find untrennbar“ für die Regierung nicht das ewe Wort ist, denn sonst wären die Aus- sichten für das Zustandekommen der Finanzreform sehr geringe. Ih möchte wünschen, daß die Kommission sich eingehend mit der Frage beschäftigt, ob nicht ein besserer Umlagemaßstab gefunden werden kann. Ih wende mich noch kurz zum Artikel 6 des Flotten- gesezes. Es ist behauptet worden, daß der Reichstag ih durch die Annahme dieser Bestimmung dahin festgelegt bätte, überhaupt keine neuen indirekten Steuern mehr zu bewilligen, daß also für alle Zukunft die indirekten Abgaben ausgeshlofsen sein sollten. Jh kann diefe Auffaffung nicht teilen, es handelt fih hier um eine Gelegen- beitsbeftimmung, die siher niht den Zweck gehabt hat, den Art. 70 der Reichsverfassung aufzuheben oder zu ändern. Der Staatssekretär hat {on hervorgehoben, daß diese Bestimmung ih zweifellos nit auf die Zölle Vezieht, und die große Mehrheit des Hauses bat fih diese Auffaffung zu eigen gemacht durch die Annahme des Zolltarifs. Der Artikel bezieht sih eben nur auf die ordentlichen Ausgaben des Etats der Marineverwaltung. Diese finden, soweit sie einen bestimmten Betrag übersteigen, ihre Deckung durch die Mehrs- einnahme aus den Zöllen und der Erbschaftssteuer. J b bin also der Ansicht, daß der Artikel 6 des Flottengesezes für neue Steuern völli freie Hand läßt. Der vorgeshlagenen Brausteuererböhung stehe ih persönli freundlih gegenüber. Ich würde gewiß nicht ein fo allge- meines Genußmittel wie das Bier verteuern, aber darum handelt es sih überhaupt nicht. Warum foll Norddeutschland niht die böbere Biersteuer tragen können, die Süddeutschland trägt, wo das Bier überdies nicht nur billiger, sondern vielfah auch befser ist ?- Der Untershied zwishen dem Preis, der den Brauereien zu zahlen ist, und dem, den das fonsumierende Publikum zahlen muß, beträgt in Norddeutshland beinahe 20 #4 für das Liter, in Bayern nur wenig über 7, in Württemberg nur wenig über 8 4. Wie follte da eine Erböhung um 1,24 4 pro Liter das Bier ver- teuern ? Wober kommt die kolossale Spannung zwischen dem Ein- kaufs- und Verkaufspreis des Bieres? Erstens daher, daß wir in Norddeutshland uns niht daran gewöhnen wollen, nach Pfennigen zu rechnen, und immer nach oben abrunden. Ein zweiter Grund liegt in der kolofsalen Menge der Zwergwirtschaften, die einen ganz geringen Umsay haben und, um bestehen zu fönnen, ungeheuer verdienen müssen. Zudem stellt die Selbstbesteuerung des Publikums durch die Trinkgelder eine viel böhere Belastung dar als durch die vorgeschlagene Steuer. Einverstanden sind meine politishen Freunde auch mit dem Surrogatverbot. Es wird sih in der Kommission nur um die Festseßung der Sätze handeln. Wir würden es gern sehen, daß die Staffelsäße der Regierung angenommen werden. Der Tabak stellt ein sehr geeig- netes Steuerobjekt dar, aus dem andere Staaten ganz gewaltige Summen ziehen, aber meine Freunde find der Ansicht, daß für Deutsch- land der richtige Augenblick für eine Tabakbesteuerung vervaßt ist. So, wie die Verhältnisse in der Tabakindustrie jeßt liegen, kommen im wesentlihen zwei Faktoren für die Besteuerung in Betracht : die kleinen süddeutschen Fabriken, die heimishen Tabak verarbeiten, und die großen norddeutshen, die auéländishen Tabak verarbeiten. Jede Erhöhung im Zoll, und jede Erhöhung der Inlandsfteuer bringt eine Verschiebung der gegenwärtigen Konkurrenz mit ih. Es ist niht möglih, die Erhöhung der Inlandssteuer und diejenige des Auslandszolls so gegen einander abzuwägen, daß der gegenwärtige Wettbewerb zwischen diesen beiden Faktoren dadurch nicht gestört und beeinflußt wird. Außer der Jndustrie selbst kommt die ungeheure Anzabl der in ihr beschäftigten Arbeiter es mögen wobl über 200 000 sein in Betracht, die unter Umständen brotlos werden. Deshalb komme ih zu dem Resultat, daß es nicht rätlich ist, an der gegenwärtigen Besteuerung des Tabaks etwas zu ändern. Im großen und ganzen einverftanden sind wir mit der von den ver- bündeten Regierungen vorgeschlagenen Zigarettensteuer. Was die neuen Stempelsteuern betrifft, so soll der auf C hon bestehende Stempel ganz allgemein auf alle Beförderungs- urfunden ausgedehnt werden. können diese Ausdehnung niht gutheißen; wir würden den vg ua Mittelstand dawit aufs aâußerste \{chädigen. Eine solhe Steuer charakterisiert \ih [ediglich als eine ers des Verkehrs; wir lehnen fie ab. Anders stehen wir zur Besteuerung der Personenfahrkarten.

Auch diese ist uns an ih nicht sehr angenehm, aber sie ist miúdec