1906 / 15 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 18 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

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Gezahlter Preis für 1 Doppelzentner

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Bunzlau . Schönau a. K.. Halberstadt . Eilenburg Marne Goslar . Duderstadt .

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wert

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de K M 4

: Hafer. Lagtad Ô 14,20 13,70 13,80 16 91

16,91 16,75 17,00

6,00 16,10 17,00 17,00 14,66

14,66 14,40 15,00 16,50

14,20 14.00 17.34 17,50 : 16,10 200 17,50 15,00 19 16,20 560 17,09 s 15,60 6 15,00 ‘90 17,80 22 16,40 422 16,00 51 15,80 650 16,00 170 17,50

11

16,50 15,60 15,00 17,40 16,40 16,00 15,60 16,00 17,50

17,30 16,20 15,76 15,00 15,90

16,00

J

15,90

14,65 15,24

15,23 14,75 17,19 Le 15,77 L 15,88 10 1. - 16,00 13. 1. 15,46 13. 1. 200

15,50 10. 1. »

3 200 16,00 279 14,68 8 306 14,83

94 15,60 1350 15,00 368 17,12 6771 16,06 803 15,77 10 140 15,60 2 690 15,82

170 15,45

Die verkaufte Menge wird auf volle Doppelzentner und der Verkaufswert auf volle Mark abgerundet mitgeteilt. Der Durhschnittspreis wird aus den unabgerundeten Zahlen bere

Ein liegender Strih (—) in den Spalten für Preise hat die Bedeutung, daß der betreffende Preis niht vorgekommen ist, ein Punkt (.) in den legten sechs Spalten, daß entsprehender Bericht Ayr

Personalveränderungen.

Königlich Sächsische Armee.

Offiziere, Fähnriche usw. Ernennungen, Beförde- rungen und Verseßungen. Im aktiven Heere. 15. Januar. Malberg, Major und Bats. Kommandeur im 4. Inf. Regt. Nr. 103, zur Dienstleistung beim Bezirkskommando Leipzig kommandiert.

Die Hauptleute und Komp. Chefs : Haeser beim Kadettenkorps, in das 6. Inf. Regt. Nr. 105 König Wilhelm Il. von Württemberg, y. Wißleben im SWüßen-(Füs.)Negt. Prinz Georg Nr. 108, zum Kadettenkorps, verseßt. Krohn im 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, zum Adjutanten der 4. Inf. Brig. Nr. 48 ernannt. Starke, Hauptm. und Adjutant der 4. Inf. Brig. Nr. 48, als Komp. Chef in das Schüßen-(Füs.)Regt. Prinz Georg Nr. 108, Rühlmann (Walter), Dberlt. im 8. Inf. Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, unter Beförderung zum Hauptm., vorläufig ohne Patent, als Komp. Chef in das 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, verseßt.

Die Us.: Frhr. v. Hammerstein im 1. gg Gren. Regt. Nr. 100, von dem Kommando zur Dienstleistung beim Festungs- (inan enthoben, v. Goetze im 6. Inf. Regt. Nr. 105 König

ilhelm IT. von Württemberg, zur Dienstleistung beim Festungs-

fans Siegliß im 6. Feldart. Regt. Nr. 68, als Afsist. zur rt. Prüfungskommission in Berlin, kommandiert.

Die Fähnriche: Frhr. v. Friesen-Miltiß im 1. (Leib-) Gren. Regt. Nr. 100, Baumgarten- Crusius im 2. Gren. Regt. Nr. 101 Kaiser Wilbelm, Wis pp Preußen, Friderici im 4. Inf. Regt. Nr. 103, Schubert, Becker im 6. Inf. Regt. Nr.-105 König Wilhelm T1. von Württemberg, Schütte im 7. Inf. Regt. König Georg Nr. 106, Schreyer im 8. Inf. Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, Laue im 9. Inf. Regt. Nr. 133, Stark im 11. Inf. Regt. Nr. 139, Görler im 12. Inf. Regt. Nr. 177, Wilke im 13. Inf. Regt. Nr. 178, Teichmann im 15. Inf. Regt. Nr. 181, v. Boyneburgk, v. Beschwiß im Gardereiterregt., Goeble, Stresemann im 2. Ulan. Regt. Nr. 18, Determann im 4. Feldart. Negt. Nr. 48, Schumann im 8. Feldart. Regt. Nr. 78, Zukertort im Fußart. Regt. Nr. 12, diese mit einem agr vom 15. Juli 1904, v. Hautharmoy im 15. Inf. Regt.

tr. 181, zu Lts. befördert.

Die Unteroffiziere: Schuster im 5. Inf. Regt. Kronprinz Nr. 104, Sebastian im 9. Inf. Regt. Nr. 133, Härtel im 11. Inf. Regt. Nr. 139, Höckner im 2. Feldart. Regt. Nr. 28, Böhringer im 1. Pion. Bat. Nr. 12, zu Fähnrichen ernannt.

Im Beurlaubtenstande. 15. Januar. Kramer, Oberlt. der Landw. Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, zum

uptm. befördert. Dehmichen, Lt. der Ref. des 13. Inf. Regts. Nr. 178, zu den Offizieren der Res. des 3. Inf. Regts. Nr. 102 Prinz-Regent Luitpold von Bayern verseßt.

Die Vizefeldwebel bzw. Vizewachtmeister: Habn des Landw. Bezirks Glauchau, zum Lt. der Res. des 2. Gren. Regts. Nr. 101 Kaiser Wilbelm, König von Preußen, Lienemann desselben Landw. Bezirks, zum Lt der Res. des 3. Inf. Regts. Nr 102 Prinz-Regent Luitpold von Bayern, Naumann, S&aacsdmili des Land- wehrbezirks Chemniy, Mühl des Landwehrbezirks Pirna, zu Leutnants der Reserve des 5. Infanterieregiments Kronprinz Nr. 104, Jacobsthal des o a mdf Aa 14 i. E.,* zum Lt. der Res. des 6. Inf. Regts. Nr. 105 König Wilhelm II. von Württemberg, Schöbel des Landw. Bezirks Chemniy, Bülz des Landw. Bezirks Zittau, Reichelt des Landw. Bezirks Glauchau, zu Lis. der Res. des 8. Inf. Regts. Prinz Johann Georg Nr. 107, Böôttner des Landw. Bezirks Zwickau, zum Lt. der Res. des Schügers- (Füs.) Regts. Prinz Georg Nr. 108, Voetz\ch des Landw. Bezirks Zwickau, Scholze des Landw. Bezirks Wurzen, zu Lts. der Res. des 15. Inf. Regts. Nr. 181, Thaler des Landw. Bezirks Chemnig, zum Lt. der Ref. des 4. Feldart. Regts. Nr. 48, Laïh des Landw. Bezirks Pirna, zum Lt. der Ref. des 5. Feldart. Regts. Nr. 64, Steinbach des Landw. Bezirks Chemniß, Hartmann des Landw. Bezirks Zittau, zu Lts. der Landw. Inf. 1. Aufgebots, be- fördert.

Abschiedsbewilligungen. Im aktiven Heere. 13. Ja-

nuar. Haensel, Oberlt. im 3. Inf. Regt. Nr. 102 Prinz-Regent Luitpold von Bayern; die Lts.: Kleeberg im 4. Inf. Regt. Nr. 103, v. Zehmen im 8. Inf Regt. Prinz Johann Georg Nr. 107, Sievert im 10. Inf. Negt. Nr. 134, Hähle bei der Unteroff. Schule, Zollenkopf im Fußart. Regt. Nr. 12, scheiden behufs Uebertritts zur Kaiserlihezn Schußtruppe für Südwestafrika mit dem 18. Januar d. I. aus dem Heere aus. 15. Januar Müller, Hauptm. z. D., zulegt Komp. Chef im 2. Pio:. Bat. Nr. 22, unter Fortgewährung der geseßlihen Penfion und míît der Erlaubnis zum ferneren Tragen der Uniform des 1. Pion. Bats. Nr. 12, der Abschied bewilligt.

Im Beurlaubtenstande. 15. Januar. Böttger, Oberlt. der Nes. des 2 Gren. Negts. Nr. 101 Kaiser Wilhelm, König von Preußen, behufs Ueberfühiung zum Landsturm 2. Aufgebots, Haensel, Lt. der Res. des Karab. Regts. wegen überkommener Feld- und Garn. Dieastunfähigfeit, Bär (Georg), Hauptm. der Landw. Inf. 1. Aufgebots des Landw. Bezi:ks Chemniß, Roßberg, Oberlt. der Landw. Fußart. 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Freiberg, diesen beiden behufs U-berführurg zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der Lzndw. Armeeuniform, Gedicke, Hauptm. der Landw. Jäger 1. Aufgebots des Landw. Bezirks Borna, diesem mit der Erlaubnis zum Tragen der Ländw. Armeeuniform, Helff, Oberlt. der Landw. Inf 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Leipzig, Allmer, Oberlt der Landw. Jäger 2. Aufgebots des Landw. Be- zirks Glauhau, Bach, Lt. der Landw. Jäger 2. Aufgebots des Landw. Bezirks Plauen, Leonhardt, Hauptm. der Landw. Feldart 2 Auf- gevots des Landw. Bezirks Zwickau, legtecen beiden behufs Ueber- führung zum Landfturm 2. Aufgebots, der Abschied bewilligt.

Im Sanitätékorps. 15. Januar. E Ae Unterarzt der Res. im Landw. Bezirk Chemniß, Dr. Barth, Unterarzt der Res. im Landw. Bezirk Leipzig, Dr. Hem pel, Unterarzt der Landw.

Loc E im Landw. Bezirk Leipzig, zu Assist. Aerzten ôr

Den Stabsärzten der Res.: Dr. Spalteholz im Landw. Bezirk 11 Dresden, wegen überkommener Feld- und Garn. Dienst- unfähigkeit, Dr. Res im Landw. Bezirk Plauen, behufs Uceber- führung zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der bisherigen Uniform, Dr. v. Stiegliß im Landw. Bezirk Fitlau, mit der Erlaubnis zum Tragen dec bisherigen Uniform, Dr. Kelling, Stabsarzt der Landwehr 1. Aufgebots im Landwehrbezirk IT Dresden, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots, den Oberärzten der Landw. 1. Aufs gebots: Dr. Goepel im Landw. Bezirk Leipzig, behufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots mit der Erlaubnis zum Tragen der bis- berigen Uniform, Dr. Bauer im Landw. Bezirk Leipzig, b:hufs Ueberführung zum Landsturm 2. Aufgebots, Dr. Breitung in dem- selben Landw. Bezirk, wegen überkommender Felb- und Garn. Dienst- unfähigkeit, der Abschied bewilligt.

Beamte der Militärverwaltung.

ur E ETRREn a des Kriegsministeriums. 12. Januar. Schulz, Unterapotheker der Ref. im Landw. Bezirk IT Dresden, zum Oberapotheker des Beurlaubtenstandes befördert.

Deutscher Reichstag. 22. Sißung vom 17. Januar 1906, Nahmittags 2 Uhr. (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.)

Tagesordnung: Erste und event. zweite Beratung des von den Abgg. Graf von Hompesh und Genossen eingebrachten Geseßentwurfs, betreffend Abänderung des Artikels 32 der Reichsverfassung, in Verbindung mit der Beratung des Antrages des Abg. Bassermann auf Vorlegung eines Geseßentwurfs wegen Einführung von Anwesenheits- geldern und freier Eisenbahnfahrt für die Mit- glieder des Reichstags.

__ Abg. Kir # ch (Zentr.): Dafür, daß die parlamentarische Tätigkeit eine L:idensgeschichte hat, ist die Art und Weise ein Beispiel, wie bisber dem Antrage auf Gewährung von Diäten und freter Fahrt seitens der verbündeten Regierungen dem Reichstage gegenüber ver- fahren worden ist. Im Jahre 1904 wurde ein unserm Antrag ent- sprehender Geseßentwurf in drei Lesungen nah vorheriger Kom- missionsberatung ziemlich einstimmig angenommen. Ueber dieses Gese ist eine Entschließung des Bundesrats noch nicht erfolgt. 1901 ist bereits eine diesem Gestßentwurf entsprehende Resolution angenommen worden, und was ich bezüglih des Verhaltens der Regierung zu dem Gesetzentwurf gesagt have, trifft auh auf die Re- solution zu. Der Abg. Friyen hat bereits bei der Etatsberatung unsere Gründe für diesen Antrag erörtert. Ih will deshalb nur heute meiner Verwunderung Ausdruck geben, daß 1903 der Reichskanzler hier erflärte, er sei noch niht in der Lage, die Zustimmung des Bundes- rats zu dieser Frage mitteilen zu fönnen. Wir zählen jeßt 1906, und nach der Zufammenîtellung der Beschlüsse des Bundesrats auf Anregungen des Reichstags {eint er noch keine Stellung dazu genommen zu haben. Seit vollen drei Jahren steht die Entscheidung aus. Was würde man sagen, wenn ein Privatmann drei Jahre nötig bâtte, um einen Entschluß zu fassen. Als der Reichskanzler 1903 die Erklärung abgab, war er noch Graf, inzwischen if er Fürst geworden, und naH dem alten Geundsaßz noblesse oblige muß doch die Vornehmbeit seiner Gefinnung den Anträgen des Reichstags gegenüber zugenommen haben. Wie gut wäre es für manche Geschäfte des Reihstags bei Fragen, die wir nur aus der Ferne b:ztrahten können, wenn wir freie Fahrt durch das ganze Neich bâtten und an Ort und Stelle prüfen könnten! Der Reichsgedanke selbst, namentlich in Süddeutschland, kann nur gewinnen, wenn durch Gewährung von Diäten auch den süd- deutschen Abgeordneten ermögliht wird, die Wünsche ib1er süddeutschen Wäbler in der Reichshauptstadt zur Geltung zu bringen. Gerade in Süddeutschland ift es nôtig, daß der Reichzgedanke gek äftigt wird. Es wäre also eine patriotische Tat des Bundesrats, unserem Antrage zu entsprehen. Bei den jezigen Steuervorlag-n ift die Gelegenheit, den, Antrag wieder zu stellen. Son beim Zoklltarif wäre es an der Zeit gewesen, den Diätenantrag wieder dem Bundesrate zugehen zu lassen. Bei der Erbschaftssteuer, die eigentlih Erbschafts- und Schenkungs- steuer beiß-n müßte, hat man auf das Beispiel anderer Länder, wie England, hingeroiesen. Die engliswe Regiecung dürfte sih einem Wunsche des Unterhauses gegenüber niht so verhalten, wie die unsrige; die vertündeten Regierungen sollten sid also nah diesem Muster endlich überzeugen, ‘daß Diäten nötig siad. Der von uns früher beantragte Gesegzzutwur; ift damals nah ciner Kommissions- beratung angêzaommen worden, wir brauh?n ihn jeßt niht wieder an eine Kommission zu verweisen, foadera fônnen ihn glei beute in zweitec Beratung und später in der dritten erledigen. Zwar mögen noh fleine formelle Bedenken wegen der “freien Tage, der Sonntage und Feiertage, bestehen, an denen Abgeordnete auch in Berlin sein tönnen, ohne hier sein zu müssen, aber das kann kein Gcund für die Regierung fein, dem Antrag nicht zuzustimmen. Auch über den Antrag Bassermann können wir eine Abstimmung herbei- führea; denn wenn die Regiecung ten Geseßentwurf Hompesh nicht annimmt, ist immer noch der Antrag Bafsermaun mögli, um fie zu veranlafsen, ihrerfei's einen Seseyentwurf einzubringen. Zu meinem Bedauern ist der Reichskanzler no6 nit an seinem Plate, und auch fein Stellvertreter von ihm. Dzr Graf Posadowsky hat uns einmal eine unzureihende Grflärung hierüber abgezeben. Vor einigen Tagen hat der Reichskanzler bei dec Interpellation über den Duellzwang auch

niht géredet, aber den Kriegsminister eine Ecflärung verlesen lassen. Wenn der Reichskanzler heute vielleiht seine Stellvertreter beauftragt,

m

eine Erklärung abzugeben, so hoffe i, daß seine Antwort auf dieie Anträge so lauten wird, deß E wieder gut macht, was dur di vom Kriegsminister verlesene ärung gesündigt worden ist. hoffe, daß eine folde Erklärung die Zustimmung zu beiden Anträzzn enthalten wird.

, Abg. Bassermann (nl.): Wir haben unseren Diätenantrz wieder eingebraht, weil meine Freunde meinen, daß der gegenwärtig Zustand der dauernden Beshlußunfähigkeit des Reichstags nit auf. ret zu erbalten ift. Jch teile die Ansicht des Vorredners, daß über beide Anträge eine Abstimmung herbeizuführen ist. Wenn der Bundes, rat dem Antrag Hompesh nicht zustimmt, ist «8 nah unserem Ar trage immer noch mögli, daß ein besonderer Geseßentwurf von der Regierung vorgelegt wird, was ich für meine Person als wahrscheir licher ansehe. Beide Anträge gehen von dem Prinzip der Anwesen heit8gelder aus. In den Reihen meiner Freunde hat auch die Anfitt Ausdruck gefunden, daß es vielleiht rihtiger wäre, tin Paushquantum für die Abgeordneten einzuführen, mit Abzüge für unents{uldigtes Ausbleiben. Auch solche, die sich bisher ablehnen) verhalten haben, haben fich im Laufe der Jahre aus Zweckmäßigkeits. gründen betehren müssen, daß, wenn die Leistungsfähigkeit des Parlament aufrecht erhalten werden foll, die Einführung der Diäten si empfiehlt. Dur den gegenwärtigen Zustand der Beschlußunfähigkeit muß auß das Parlament in den Augen der Nation mehr oder weniger an Ansehen verlieren. Ein großer Teil der Abgeordneten ist nig in der Lage, ohne Diäten die Kosten eines längern Aufent, halts in Berlin zu bestreiten. Daher ist in diesem Hause die Be \{lußunfähigkeit die Regel, und sie wird ai nur unter- brochen an olen Tagen, wo dur die Energie der Geschäftsführung und der Fraktionen die Mitglieder zusammedberufen werden. Da bei der Beschlußunfähigkeit Anträge auf Schluß der Debatte nit mögli find, *tritt oft eine unerträglihe Verlängerung der Debatien ein, -die manchmal zu der Wichtigkeit des Gegenstandes in keinem Verhältnis steht. So kommt es, daß dann auch die arbeitiswilligen Mitglieder dem Hause den Rücken kehren. Beim Reichsamt des Innern z. B. gebe ih zwar zu, daß in diesem Amt eine Menge von Interessen vorhanden sind, die Debaiten über eine Reihe von Tagen erfordern, aber es brauht doch \ch@ließlich nid jede Frage der Sozialpolitik jedes Jahr ausführlih / besprochen zu werden. Es ist nicht zu bestreiten, daß diese Frag auhß mit dem preußischen Landtag zusammenzubringen if, und daß der Landtag vielleiht einmal früher einberufen oder [änger zusammenbehalten ist, als seine eigenen Ge {äfte erfordert hätten, um den Reichstag zu alimentieren. Dieselbe Tendenz finden wir auch in andern Bundesstaaten. Wer das Opfer auf fich genommen hat, Reichstagsmitglied zu sein, erstrebt ein Landtagsmandat, um Diäten zu bekommen, sei es, daß er mit den Diäten hier in Berlin seine Bedürfnisse bestreitet, oder daß er aus den Diäten Ersparnisse macht, um hier ersheinen zu können. Et ist bereits auf den Einfluß der Diäten auf die Kasse der Sozial: demokratie hingewiesen worden. Daß diese Zahlung auch für die Kasse der Sozialdemokraten eine Rolle \pielt, ist ohne weitere klar. Es wurde in der Generaldebatte zum Etat bereits hervor gehoben, daß in einer sozialdemokratischen Versammlung ein Redner fib dahin ausgesprochen hat, daß die Zahlung von Diäten für die Partei unerfreulich und unbequem sein würde. Wenn die sozial- demokratische Fraktion, was ih nicht hofe und wünsche, an Zahl noh weiter zunehmen sollte, so würde im Reichstage der Zustand ein- treten, der in manchen Situationen der hintec uns liegenden Jahre vorhanden war, daß die Anzahl der präfenten Sozialdemokraten größer ist als die der anderen Parteien. Was das für Konsequenzen für unsere Beratungen, insbesondere für die zweiten Lesungen, haben mut, ist flar. Daß die Gewährung von Diäten eine Verlängerung der Verhandlungen des Reichstags herbeiführen würde, wie früher der Abg. Gamp hervorgehoben hat, halte ich für ganz ur richtig. Die Abgeordneten haben gewöhnlich noch einen Beruf, eine andere Beschäftigung außer dem Parlament, und daß jemand einen Genuß darin finden sollte, möglihst lange in Berlin i sigen, womöglich über die lange Zeit hinaus, die jezt die Seifionen dauern, halte ich für Hhöhst unwahrscheinlid. Die Knauserei bei ver Gewährung der freien Eiseabahnfahrt, die jeßt gegenüber den Reichstagsabgeordneten stattfindet, ist durhaus ur gerechtfertigt, hier muß auch Wandel geschaffen werden. Eine jolche Knauserei findet doch bei der Erböhung gewisser Gehälter nicht statt. Die Verfassung hebt ausdrücklich hervor, daß wir nit Abgeordnete eines einzelnen Wahlkreises, sondern des ganzen deutschen Volkes sind, und infolgedefsen muß uns die Möglichkeit gegeben werden, in wichtigen Fragen durhch freie Fahrt das Land kennen zl lernen. Cin Mißbrauch der freien Eisenbahnfahrt ift nicht zu befürchten. Dit Gerechtigkeit fordert, anzuerkennen, daß die Verlängerung der Sessionen ja nit auss{ließlich herbeigeführt wird dur unsere Beschlußunfähig- feit, sondern daß, dem ganzen Charakter unserer Zeit ie das Material, wel@es der gesetzgeberishzn Beratung unterliegt, ix ständiger Zunahme begriffen ist. Ich erinnere z. B. an die Mittel- standépolitifk und an die große Zahl der Resolutionen. In unsere: gärenden Zeit werden immer neue Anträge hervortreten, welche di? politishen Geister beschäftigen. Es wird sich deéhalb in Zukunft das geseßgebende Material nicht vermindern, fondern vermehren. Des vorgelegte Material fann in dieser Session niht bewältigt werden, wenn nit der Reichstag in der Lage ist, durch die Einführung von Diäten seine Tätigkeit besser durhzuführen. Dies gilt insbesondere vom Flottengeseg, von der Finanzvorlage und dem Militär- und Invalidengeseg. Darum wäre es endlih an der Z-it, daß die ver- bündeten Regierungen den hier so oft geäußerten Wünschen nachgeben und entweder den Geseßentwurf des Zentrums annehmen oder lichst bald ihrerseits einen Gesezentwurf noch in dicsem Jahre vorlegen-

Abg. Lenzmann (fr. Volksp.): Auf die Notwendigkeit und weckmäßigkeit der Gewährung von Diäten will ih nicht eingehen- ie Sache ist in den s Dezennien so eingebend erörtert worden,

daß beute nihts Neues darüber zu sagen ift. Auch die Abgg. Kirsd und Baffermann haben eigentlih nichts Neues vorgetragen. as die

Gisenbahnfahrt anbetrifft, so wurde seinerzeit im Parlament ct, es würde niemand einfallen, siz2 wieder zu nehmen, und deë- wurde auch kein Geley gemacht. Der Fürst Bi8marck füh1te aker 1884 ohne weiteres eine Beschränkung ein, ohne die gesetzgebenden aftoren zu fragen, wie man damals sagte, um die Berliner etwas zu ern. Neu ist die Art und Weise,. wie bei dieser Sache der Bundeérat die Frage behandelt. Auch darin zeigt si, daß man immer ückschritiliher wird. Ih hatte seinerzeit die Ehre, über dieselbe Frage mit dem Reichskanzler zu diskutieren. Damals kam alfo der Reichskanzler persönli hierher, heute sehen wir nur zwei Mitglieder des Bundesrats auf jener Bank (Zuruf : Einer !) Pardon, von denen der eine auf die Provokation des Abg. Kirsch sh bisher noH 1iht geäußert hat. Jh ktabe au gar nit die Hoff- nung oder die Furcht, daß er heute noch reden wird. ‘Es ist

ffa

1-3 toch eine Frage, zu der die Gesamtheit des Volkes oder die grose Masi da Volkes Stellung genommen, und zu der auch der

eihstag mit imponierender Majorität eine ganz bestimmte Stellung vertreten hat. Jh glaube fogar, daß seitens der Freifkonservativen heute ein Teil für den Geseßentwurf stimmen wird, so daß die Zahl dn Celtizcvaos immer geringer werden wird. Wie kommt es denn eigentlid, daß das Parlament in dieser Weise behandelt wird, obgleich wir früher aus dem Munde des Reichskanzlers erfahren haben, daß er der Diätenbewilligung durhaus niht antipathish gegenüberstehe ? Ein einziger im Deutschen Reih glaubt es wagen zu müssen, gegen den Gesamtwillen des Parlaments Stellung zu nehmen. Und gerade jest, wo man von uns gewaltige Summen und neue Steuern für Heeres-, Floiten- und Kolonialzwecke fordert, gerade jeßt, wo das

land nur dann Respekt vor uns haben könnte, wenn auch alles harmonisch zusammenstchen würde, wo rur ein einigcs Zusammen- gehen von Bundesrat und Reichétag imponieren kann, wagt man, den Reichstag in der Weise, wie es gesehen ist, zu behandeln. Wohin foll es führen, wenn diese Nichtahtung des Parlaments fo weiter- getrieben wird, wenn wir für die Regierungen eine quantité négligeable bleiben? Vorgestern haben wir gehört, daß man unter Umständen zu einer Gesezetübertretung genötigt werden muß. Die Duell- und die Diätenfrage lassen ih niht mit einander -«verquicken ; das vorgestern gesprochene Wort über die Sanktionierung einer ungeseßlichen Handlung bleibt aber gesprochen, das fann Feine Zustimmung ¿zu den Diäten ungesproŒen machen. Im Süden spricht ein Königs- sohn, daß das Reichétagswaktlrecht das einzige sei, das ten Volfs- willen zur Geltung bringt, in Sachsen werden \chwere Strafen ver- hängt über diejenigen, die zu Gunsten dieses selten Wahlrehts demounstrieren; und in Preußen? Davon wollen wir lieber chweigen. Wir Find wahrlich nicht revolutionär. Auch wird der Reichstag nicht streiken, aber wir sollten uns doch hüten, aeuen Stoff der Unzufriedenheit dem Volke zuzuführen. Denn_ das follten wir doch aus der s{ändlihen Revolution im Osten gelernt haben, daß, wenn die Unzufriedenheit zu groß geworden ift, ein Fürst ein Volk von der Durchseßzurg seizes Willens zurück- halten kann. Den Sozialdemokraten wird die Bewilligung der Diâten feinen Nußen bringen, aber die Diätenlosigkeit nüßt ihnen, indem sie dem Volke vorführen, wie wir hier behandelt werden. Am meisten steigern die verbündeten Regierungen die Unzufriedenheit, wenn sie das Parlament mißahten, es verähtlich behandeln, wenn fie cs so behandeln, wie es biéher in dieser Frage geschehen ist. Ich bitte die Herren von diesem Hause, einstimmig für das Gese ein- zutretzn, der Bundesrat wird dann auch wohl mit seiner Zu- stimmung nicht zurückhalten. Ich hoffe, daß wir die zweite Lesung heute noch werden vornehmen fönnen, und daß die Frage endl: ch ein- mal: so gelôst wird, wie es dem Willen des Volkes entspriht, den gus die Herren am Bundesratstishe zu achten die Verpflichtung

aben.

Abg. von Staudy (d. kons.): Der Gegenstand ist bier schon fo gründlich erörtert worden, daß €s unmöglich ist, für oder wider noch etwas Neues zu sagen. Daran wird auch nichts geändert durch die elegishen Betrachtungen tes Vorredners. Der Abg. Lenzmann hat das ganze aus um Zustimmung gebeten und nur uns Deutsch-Konservative ausgenommen; wir sind niht rachsüchtig, sondern nehmen das mit Demut hin. Unser Standpunkt ist im wesentlichen derselbe wie frühec ; ein Teil meiner Freunde is für die Aenderung des Artikels ; einstimmig aber sind wir darin, daß wir diese Aenderung nur in sokher Form wünscen, daß bei gleichzeitiger Abänderung der Ge- \häftsordnung die Verhandlungen des Reichstags wesentlih abgekürzt werden. Die freie Eisenbahnfahrt anlangend, stehen wir auch auf dem früheren Standpunkt; wir wünshen die Wiederherstellung der freien Fahrt und bedauern, daß der bis 1884 bestehende Zustand eingeshränkt wurde. L

Abg. Singer (Soz.): Wir kalten die Zahlung von Diäten nah wie vor für der Gerechtigkeit entiprehend und balten ihre Verweigerung für eine Beschränkung des freien Wahlrechts der Wähler. Wenn der Abg. Bassermarn die Forderung begründete mit einer Klage über die ausgiebige Behandlung einzelner Gegen- stände im Reichstage, so können wir diese Auffassung nichi teilen. Diese Begründung müßte uns etgentlih veranlassen, gegen den Antrag zu slimmen; denn gerade die Verhandlung der Dinge, welche die e A angehen, auf deren Shultern die Besißenden stehen, durch die ste erst ihre Reichtümer erwerben, ift für die Volkévertretung eine absolute Notwendigkeit. Wenn unsererseits gesagt sein soll, für die Sozialdemokratie würden die Diäten niht nüßlich, sondern {ädlich sein, weil unsere Abgeordneten dann von der Patteikasse unabhängig würden, so hâtte terjenige, der das gesagt hat, etwas gesagi, was er nicht vertreten kann. Die Erfüllung unserer parlamentarischen Pflichten machen wir niht von der Gewährung von Diäten abhängig: Es fann ja den Herren eine solhe Stimme aus dem sozialdemefratishen Lager passen; aber das glaubt doch auch der Abg. Bassermann nicht, daß die Wähler zu den Gewählten anders steben werden, je nahdem fie Diâten bekommen oder nit. Daß der Buntes- rat eine so fühle Haltung unseren Anträgen gegenüber bewahrt, das find wir ja gewöhnt; welcher glücklihe Zufall uns die beiden Herren am Bundesratstishe heute zugeführt hat, weiß ih nit; der eine der Herren deutet ja {on durch seinen Namen an, welchen Tropfen der Bundesrat in unseren Freudenbecher fallen läßt. (Präsi- dent Graf von Ballestrem: Ich möchte doch bitten, um einen Präijedenzfall zu schaffen, solche Scherze mit Namen ron Abgeordreten oder Bundesratsmitgliedein zu unterlafsen.) Wenn man davon spricht, wie der Reichskanzler die vorgestrige Erklärung des Kriegsministers wieder gutimaben fönnte, so fann das nur dur eine cfffene Zurü- nahme der Erklärung gesehen. Durch iraendwelhe Kompenfationen ist fie uiht aus der Welt zu s{hafffen. Der Neihstag würde von der Re-

rung gar nicht so behandell werden fönnen, wenn er es sih nit don jo lange bâtte gefallen laffen. Würde der Reichstag die Kraft und das Verftändnis für das haben, was er sich selbst s{uldig ist, wäre solche

handlung unmêglih. Verweigern Sie toh der Regierung ihre Vors *

lagen, lehnen Sie das Budget ab, dann werden Ihre Wünsche in Er- üllung gehen. Der Abg. Staudy hat die Stellung der Regierung ig gekennzeihnet, wenn er an die Bewilligung von Diäten seiner Freunde faúpfte; er hâtte auh der Yenderung der Eeschäftsordnung noch tie Aen-

derung der Verfassung fordern können. Aber die beiden Parteien, bon denen die Anträge ausgetea, werden sih wohl die Wünsche des bg. von Staudy nicht zu eigen machen. Von den verfassungsmäßigen chten des Volkes da: f nihts geopfert werden, denn das fehlte noch Eim Ruhme der Volkétvertretung. Wir werden für beide Anträge mmen, ob fie der Bundesrat nun annehmen will oder nicht. Aber bei Miresamkeit ter Sozialdemokratie wird dadurch in keiner Weise

Abg. Kirsch (Zentr.): Wer objektiv meiner Rede gefolgt ist, kann

nit daraus den Siuß ziehen, als hätte ich für die Erklärung des

inisters eine Kompenjation gefordert. Ich habe nihts anderes

agea wollen, als daß der Reichékanzler nicht durch eine neue E:klärung

rüber die durch die Eiklärung des Kriegsministers geschaffene lon noch verschlechtern möge.

g. Liebermann vonSonnenbersg (wirtsh. Vag.): Ih

finde den Antrag Bassermann zweckentsprehender, weil er zwei Wege

offen läßt, während ter Antrag des Zentrums fich auf Tagegelder

ie Forderungen

estlegt. Der Abg. Bassermann hat bereits auf das Pausquantum al3 e earertig Vitewiese: Das Prinzip des Art. 32 lautet : „Die Mit- glieder des Reichstages dürfen als solche keine Besoldung oder Ent- schädigung beziehen“, aber es ist 20 einmal durchbrohen worten, als die Kommission zur Vorberatung des Zolltarifs Diäten erbielt. Darum hat der Graf Posadowsky am 12. Dezember v. I.

‘niht mehr die verfassungsmäßigen Bedenken gegen den Diäten-

antrag ins Feld gefüh1t, weil der vorige Reichstag auch nah diesem Artikel gewäblt war, aber seine Mitglieder doch damals Ent- schädigung für ihre Tätigkeit erhielten. Das Reich ist über dieser Um- gebung ter Verfassung niht zu Grunde gegangen und wird auch eine Aenderung des Art. 32 ohne jede Erschütterung überstehen. Einzelne Zeitungen sagen allerdings noch immer, der gegenwärtige Reichstag sei unter der Vorauéseßzung der Diätenlofigkeit gewählt und könne nur für seinen Nachfolger Diäten vorshlagen. Das ift ¿raue Theorie. Man foll mir den Wähler vorführen, der kei seinem Kandidaten den Vorbehalt gemacht hätte, ae er keine Diäten erhält. Gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Wähler e immer, wann endli der Reichstag Diäten erhalten werde, und fie klagen vielfach, daß vorzugsweise Beamte als“ Kandidaten vorgeschlagen _werden müssen, weil sie ihr Eehalt weiter beziehen, und aus dezn Steuern des Volkes die Stellvertreter besoldet werden. Da liegt alfo eine Verschleierung der Diätenzahlung vor. Ih bin der leßte, der eine große Zahl von Verwaltungsbeamten hier missen möchte, da wir sie zur zweckmäßigen Erledigung unserer Geschäfte brauchen, aber ein Zuviel könnte {chädlich sein. Ich kann kein Beispiel anführen, wo die Beamteneigenschaft eordnete der Migieruvg besonders gefügig gemaht hätte, aber theoretisch liegt diese Gefahr vor. Hâtte der Reichstag Diäten, könnten die Wähler ihre Abgeordneten ganz anders fontrollieren, auch die politischen Gegner würden bei den Wahlen darauf hinweisen, wie oft der betreffende Abgeordnete gefehlt hat. Heute kann er si mit den großen Unkosten des Aufenthaltes in der Hauptstadt entshuldigen und wird dafür Verständnis bei den Wählern finden. Wenn aber bei Diäten ein Abgeordneter zu oft fehlt, wird er niht wieder kommen. Das würde beitragen, das Haus beshlußfäbig zu halter. An Kompensationen für die Be- willigung von Diäten, an Wahlrehtsbeshränkungen ist unter keinen Umständen zu denken. Ih für meine Person ih will keinen Parteigenc}en darauf festnageln möchte nur die Einfügung von dret Worten in das Wabhlçceseß als Verbesserung empfehlen: Wähler für den Reidsteg ist jeder Deutsche, welher das 25. Lebens- jahr zurücgelcgt hat, in dem Wahlkreise, wo er seit drei Monaten seinen Wohnsiß bat.“ Man vergleihe nur cinmal die Wakhllisten ir den großen JIndustrieorten mit den angeslossenen ländlihen Wahlkreisen. Man würde vielfach fesisteller, vas Personen doppelt in die Wählerlisten eingetragen find. Und bei Nahwahlen ist die Sache noch s{chlimmer: da kann man eine ganze Anzabl von fluktuierenden Schlafburshen in die Städte hineinwerfen, die _ in die Wahllisten eingetragen werden, und diese können dann ein Shwer- gewicht in die Wahlurne wersen. Ich sage das aber ledigli als meine eigene Anschauung. Kompenjsationen auf dem Gebiete des Wahlrechts oder Verfassungsänderungen, die die Freiheit beshränken, sind unmögli. Der Abg. Singer brauchte sih nicht über die Aus- führungen des Abg. Staudy zu erregen. An der Förderung der Geschäfte hat die Regierung und das Haus ein aleihmäßiges Interesse. Unsere Geschäftsordnung hat tatsächlich in den 40 Jahren ihres Bestehens einige Fehler gezeigt, und fie könnte einer gründlihen Umarbeitung unterzogen werden, wie z. B. in den Bestimmungen, daß wir noch immer mit Abteilungen arbeiten und die Wahlprotokolle aus ten Abteilungen herauskommen müssen. Das preußische Abgeordnetenhaus kann man hier nit anführen, es hat nicht Anwesenheit3-, sondern Tegegelder für die Dauer der Session. Es hat seine Geschäftsordnung in ciner Weise ausgebildet, daß eine Ueberrumpelung der Mehrheit durch die Minderheit fast unmöglih is. Geradezu ein Zwang zur Unpünktlihkeit und zur Versäumnis liegt in den Doppelmandaten. Der Reichstag wird gar niht mehr einberufen, ohne daß das Abgeordnetenhaus gleichzeitig tagt, weil fonst die Schwierigkeiten für diefes Haus viel größer fein würden. In dem Avgenblick,. wo der Reichstag entspre@ende Ent- \hädigungsgelder bezôge, würden kei den nähsten Wahlen eine große Zahl von Doppelmandaten verschwinden. Das wäre an fich |chon ein Vorteil, den die Regierung hoch genug einshäßen sollte, um endlich nochzugeben. Der Graf Posadowsky hat neulich be- hauptet, es werde durch die Diáten nech niht die Beschluß- fähigkeit gewährleistet. Das ist richtig, aber es könnte ja die Geschäftëordnung so gestaltet werden, daß tatsählich die Be- {luß fähizkeit des Hauses dadurch verstärkt würde. Zudem ift die Kontrolle der Abgeordneten durch die Wähler stafk genug, und dann ist es doch für feinen anständigen Menschen ein angenehmes Gefühl, Anwesfenheitsgelder zu nehmen und \ich zu drücken. Es würde do auch rihts dagegen einzuwenden fein, wenn die Abgeordneten, die Anwesenbeitsgelder beziehen, sih einer Kontrolle unterwerfen. Was die Form der Gewährung ron Diäten betrifft, so könnte man sich vielleiht anlehnen an dicjenige Form, unter der die Abgeordneten im elsaß-lothringishen Lande8aus\chuß fie beziehen. Dort findet am Sonnabend, Sonntag und Montag keine Sißung ftatt; fehlt einer einen Tag länger, so verliat er die Diäten für die ganze Woche. Die Regelung der Frage drängt. Was der Abg. Bassermann in bezug auf eine fozialdemokratische Aeußerung gfesagl hat, ist doch fein Märchen. Der Abg. Singer hat in Abrede gestellt, daß die Gewährung von Diäten auf die Sozialdemokratie eine ungünstige Wirkung haten würde. Ih bin anderer Mein-ng. Die Regierung hätte eine solche Wirkung {on längst herbeiführen sollen. Sie sollte nun niht mehr ¿ôgern, mit Vornehmheit und Liberalität an die Sache heranzuireten. Es ift für sie nit gleihgültia, ob das Ansehen des Parlaments dur den Absentiëmus immer mehr {windet. Kein noch so begabter Monarch wird wünschen, die konstitutionelle Staatsform zu Gunsten des Absolutiémus abzusaffen. Er kann, wenn er auch noch fo er- leuchtet ist, ni&t alle Verhältnisse durchdringen, welhe die Neuzeit beherrihen. Der Konstitutionaliêmus hat gleichzeitig den Thronen und dem Volke genügt. Ueber die Frage der Freikarten herrs{cht im Hause Einstimmigkeit. Sie müssen auf die ganze Legislaturperiote ausgedehnt werden. t i ; Abg. Schrader (ff. Vag.): Dem Abg. Kirsch möchte ih sagen, ich glaube nicht, daß der Kanzler herkommen und eine Er- flärung zur Duellfrage abgeben wird, um seine frühere Erklärung wieder gutzuma&en, denn diese Erklärung ist eben nicht wieder gutzumahen. Die Diätenfrage ist für meine Freunde eine rein prinzipielle, in welher Form sie erledigt wird, ist für uns gleihgültig. Bon keiner Seite, das möge sich der Bundesrat gesagt fein lassen, ist irgend ein prinzipielles Béd?nken gegen die Gewährung von Diäten erhoben worden. Unter feinen Umständen wird sih der Reichstag dazu herbeilassca kônnen, für die Diäten ein verfassungsmäßiges Recht aufzugeben. Es ist sein gutes Necht, Diâteu zu verlangen. Der Neichstag hat auch das Seine getan zur Abkürzung der Verband- lungen. Der Redner geht dann noch auf einzelnes ein, bleibt aber im Zusammenhange auf der Tribüne unverständlih. j Abg. von Tiedemann (Rp.): Die Ansihten über die Diäten- gewährung sind in meiner Partei geteilt. Wir sind nah wie vor grunde \ätlide Gegner einer Verfassungsänd-rung zu Gunsten der Diäten, die ehrzahl Meiner politishen Freunde ist aber bereit, für die Be- willigung von Diäten zu stimmen, und ¿u dieser Mehrzahl gehören jegt auch solche, die früher einen ablehnenden Standpunkt ein- enommen tkaben. Wir find zu einer Aenderung unserer Auf- ffung gckommen, weil wir die Ueberzeugung erlangt haben, daß der Misere der chronishen Beschlußunfähigkeit des Reichstags nur dur die Bewilligung von Diäten ein Eide gemacht werden kann, und daß der unwürdige Austand, daß der Reichstag Tag für Tag bier völlig beschlußunfähig ist und mit einer ganz geringen Anzahl von Stimmen seine Beschlüsse faßt, auf die Dauer niht aufrecht er- halten werden kann. Wir tun dies aber unter der ganz bestimmten BVorauésetzung, daß mit Hilfe und untcr Verständigung mit anteren Parteien es gelingen wird, gewisse Bestimmungen ter Geschäfts- ordnung, die für die rashe Erledigung der Geschäfte ein Hemmnis

bilden, zu beseitigen. Ich bin überzeugt, daß diese Verfländigung über die Revision der Geschäftsordnung sehr leiht zu erzielen ift. Der Antrag Hompesch, der einen bestimmten Saß für die Anwefen- heit8gelder vorsießt, hat insofern Bedenken, als er die Frage der Entschädigung füc die Reichstagsmitglieder festlegt und Tagegelder fordert, während wir der Meinung sind, taß zum Zwecke der dauernden Beschlußfähigkeit des Neichstags die Bewilligung eines Paushquantums mit Abstrichen für jeden Tag, an dem der betreffende Abgeordnete fehlt, besser wäre. Wir werden deshalb gegen den Antrag Hompesh und für den Antrag Bassermann stimmen. / Abg. Dr. Müller - Meiningen (fr. Volksp.) : Die Erklärung

des Vorredners war sehr erfreulich in ibrem ersten Teil, aber ich wäre ibm dankbar gewesen, wenn er bezüglich des zweiten etwas deutlicher esagt hâtte, was er unter Revision der SclQU o versteht. ch fann bereits jeßt sagen, daß wir auf dieser Seite die Autonomie

des Reichstags bezüglich der Feststellung der Geschäftsordnung unter keinen Umständen prei8geben werden. Ih habe mich zum Wort ge- meldet, damit auch ein Mitglied eines süddeutshen Parlaments si zur Sache äußert. Die Frage darf unter keinen Umständen von dem Gesichtspunkte behandelt werden, welhe Wirkungen sie auf die Sozialtemokratie äußert, es muß tatsählih festgestellt werden, um fein Märhen außerhalb dieses Hauses aufkommen zu lassen, daß die Bänke der äußersten Linken niht bzsser bes- seßt find als die bei andern Parteien. Die Frage der Diâten ist allmählih zu einer politishen und zu einer Eristenz- frage des Parlaments selbst geworden. Es wird nicht mehr bloß gefragt, ob die Diäten gut find, sondern auch, ob es ge- lingen wird, die antiparlamentarischen und antifkonstitutionellen Bestrebungen, die sh daran knüpfen, zu überwinden. Es ist unmösg- lih, zu schildern, welhen.Eindruck die geradezu unwürdige Behandlung des Reihstags im leßten Sommer bei uns in Süddeutschland ge- matt hat. „So fann man vielleiht Hofschranzen, aber nicht die Vertreter des Deutschen Reichs behandeln, die man an einem Tage nach Berlin beruft, um sie am anderen wieder heimzushicken.“ Künstler und Vertreter des deutshen Volks werden behandelt gleih Hof- bediensteten ; überall begegnet uns der feudalpatriarhalishe Grundzug, der nur Untertanen kennt, die in Demut zu ersterben wissen. Ein derartizer Grundzug unserer Politik fann gar nicht anders, als das Parlament bloß als notwendiges Uebel ansehen, das gerade noh dazu gut ist, Soldaten und Schiffe zu bewilligen und vielleiht hier und da cine alte Burg wieder aufzuführen. Wir sind zu gute Kerle, das ist der Grund, weshalb wir so behandelt werden. Die Diäten- losigkeit ift nicht der einzige Grund für die Interesselosigkeit und den Absentismus in diesem Hause, fondern es kommt hinzu: die Ohnmacht, die Einflußlosigkeit des deutshen Parlaments, eines Parlaments, das roch dazu auf Grund des radifkalsten Wakblrehts gewählt ist. Wir hätten ja kleine Machtmittel. In fol@en Fragen sollten wir unsere Verhandlungen o lange ausfeßen bis hier der Reichskanzler erscheint. Heute find wir {hon vom Kanzler zum Unterstaatssekretär heruntergestiegen; das nächste Mal langen wir vielleiht bereits beim Regierungsassefsor an. Wenn wir nur annähernd die Rechte eines konstitutionellen Parlaments besäßen, wäre au die Anteilnahme der Volksvertreter ganz anders wie jeßt. Wie würde man zetern über Paitziterrorismus, Parlamentéwillkür usœ., wenn wir folhe rein perfönlie Politik treiben würden! Man hat in gerissen Kreisen eben kein Ver- ständnis für die Ovfer, die der Neichétagsabgeordnete für seine Teilnahme an der gesetzgeberishen Arbeit bringen muß. Eine Folge der Diätenlosigkeit ist die Zunahme der - Doppelmandate. Die süddeuisten Dovppelmandatare können ihre Pflicht gar nit so autüben, wie sie es eizeniliß tun müßten; fie müßten denn die Arbeitéfraft eines Grafen Posadowsky haben. Das halten au die allerbesten Nerven auf die Dauer niht aus. Gerade die Doppelmandate werden deswegen aufgestellt, weil für den Neichstag sonst keine Mandatsübernehmer zu haben find. Was ift es für eine Behandlung des Reichétags durch die Regierung, wenn der Graf S einfa fragt, welcher sachlihe Schaden denn dur den Schluß des Reichstags entstanden sei! Die Frage ist ganz falsch gestellt: wel§e Menge Arbeit war damals umsonst getan und muß jeßt noch einmal bewältigt werden! Hat man uns doch damals von gewissen Seiten in der Presse Landesverrat vorgeworfen, weil die Kamerunbahn nicht sofort bewilligt wurde ! Ohne Diäten kann das Reichstags[chif nicht flott gemaht werden. In höchst merkwürdiger Weise ift von der Rehten und anscheinend au von dem Abg. Bassermann auf ge- wisse Kowpensationen ernstlih hingedeutet worden. In einer Zeit, ín der Oktavio von Zedliß Hochverrat nennt, wenn man für Preußen das allgemeine WahlreŸt erstrebt, das ein künftiger bayerischer König als sehr modern und zeitgemäß bezzihnet hat, sollte man doch mit folchen Aenderungëvplänen der Geschäftsordnung oder gar der Geseßgebung doppelt vorsichtig sein. Der Abg. Lieber- mann von Sonnenberg findet gar nichts daran! Wenn Sie damit beginnen, ist bis zum Zensus und zu weiteren Beschränkungen fein weiter Wez mehr. Unsere Geschäftsordnung bedarf drin- gend einer Revision; ja, sie ist ¡zum Teil antiguiert, sie widersprit zum Teil fogar der deutshen NReichEverfafsung. Allein man darf unter keinen Umständen in einer geradezu tendenziösen Weise die Abänderung der Geschäftsordnudg mit dieser gesezgeberishen Maßregel hier verquiken. Es dürfen niht irgendwelhe Konzessionen zum Nachteil des Parlaments gemacht werden. (Ruf rechts: Zum Borteil !) Nein, Sie müssen si erinnern, daß Sie auch eintmal in die Die Geschäftsordnung foll vor allem die Auch das Zentrum mö@te ich zu ke- Minorität kommen

Minorität kommen können. Nete der Minderheit wahren. ) ] denken bitten, daß es einmal in die fann. Mit der s\ystematishen Herabdrückung des Parla- ments von oben wird die Kluft zwishen den einzelnen Teilen des Reiches eræeitert, und es leidet unzweifelhaft der Reich8- gedanke darunter. Jch kann als Süddeutsher sagen, man ift südlich der Mainlinie ebenso gut deuisch, und man fommt dem Reichs- gedanfen mit derselben Sympathie und Begeisterung entgegen, als wie hier oben bei Ihnen. Aber das darf unter keinen Umständen uns ausgesprochen bleiben : über sehr viele Erscheinungen der Neuzeit ist man in den besten Kreisen Süddeutschlands tief verstimmt. Zu diesen Erscheinungen gehört neben gewissen unvorsihtigen Bemerkungen sowobl in der inneren als besonders der auswärtigen Politik vor allem die verfönalihe Art der Behandlung der Volksvertretung, die wir in Süd- deutshland niht gewöhnt sind. Der Reichskanzler sollte einmal die nationale Presse durhlesen, er würde finden, daß ih niht übertreibe ; er soll nur die Verhandlungen der südd:utshen Parlamente aus den leßten Monaten durchlesen, so wird er seben, daß ih kein Schwarz- maler bin, wenn ich sagz, die Herren sollten eine etwas populärere Politik treiben, wenn fie südlich des Mains auf Eroberungen ausgehen wollen. Der Reichskanzler muß einmal ofen und ehrlih an mafgebender Stelle den Standpunkt vertreten. Es geht einfah so nicht weiter, er muß es nach meiner Ueberzeugung tun, so wabr er nicht selbst ein Philister ist! -

Xg. Werner (NReformp.): Das Se, daß der Reicbs- tag schlecht behandelt wird, ist gerade so in Norddeutschland wie in Süddeutschland vorhanten. 15 mal ist diese Forderung {hon mit immer größerer Mebrheit vom Reichstag angenommen worden. Wenn wir uns alles vom Bundesrat gefallen lassen, können wir uns über diese Beh2ndlung niht mehr wundern. Der Reichstag sollte einmal konsequent sein und den Staatssekretären die Gehälter verweigern so lange, bis die Diäten bewilligt find. Jh bedaure au aufrichtig, daß der Bundesrat heute nit vertreten ist. Ohne Anwesenheitsgelder fönnen wir absolut nit mehr fertig werden. Auch die Finanzreform muß scheitern, wenn der Reichstag nicht in die Lage gesegt wird, sie zu erledigen. Die einzelnen Abgeordneten müssen die Möglichkeit er- halten, ibren Aufenthalt in Berlin zu nehmen.

Abg. Blumenthal (Deutsche Volksp.): Im Namen der Süddeutschen Volkspartei erkläre i, daß auch wir bereit sind, für die Diäten zu stimmen. Für tie Nüglichkeit der Diäten kann ih nur aus den Erfahrungen des elsaß-loLengtiden Landesauë schusses sagen, daß wir dort fast immer vollzählig sind. Wir - haben 20 M Diäten pro Tag. Diese beiden Umstände stehen zwéifel-