1906 / 20 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

wäre. Meine Herren, für die damaligen Anforderungen an die Reichs- bank war ihre Lage keine gefährlihe. Aber mit dem ungeahnten Auf- schwung unseres wirtshaftlihen Verkehrs und mit der damit zusammen- hängenden Erhöhung der Ansprüche an die Reichsbank war freilih im Verhältnis zu den Anforderungen des Verkehrs der Goldbestand der Reichsbank ein \{wächerer geworden, und es hat uns das Schicksal allerdings dadur geholfen, daß au die Goldproduktion canz außer- ordentlich geftiegen ist, und daß Hand in Hand hiermit auch die Gold- reserve der Reichsbank erhöht werden konnte. Ih möthte aber den Herrn Abg. Dr. Arendt doch darauf hinweisen, daß wir immer behauptet haben: es sei eine geologisch vollständig unbewiesene Be- hauptung, daß die Goldproduktion nicht mehr \teigen könne (sehr rihtig! links), daß neue Goldlager niht aufgefunden werden fönnten ; Herr Dr. Arendt aber und seine Freunde haben, gefiütßt auf geologische Autoritäten, fortgeseßt behauptet: das sei ganz unmögli, der Gold- reihtum der Erde sei erschöpft. Meine Herren, ih habe die Kühnheit dieser Behauptung immer bewundert, ih babe immer bewundert, daß es Männer geben kann, die fo genau den ganzen Erdball kennen (Heiterkeit), daß sie mii unfehlbarer Sicherheit wissen: es ist nirgends mehr Gold vorhanden außerhalb der {on bekannten Lager. (Sehr gut! links.)

Ferner hat man eingewendet, daß, wenn wir diese kleinen Noten ausgeben, man auf der einen Seite die Tleinen Noten vielleiht nehme, gleichzeitig aber das Gold festhalte. Wenn ich mir den Gang ver- gegenwärtige, wie man mit der Reichsbank Geschäfte macht, so habe ih für diese Auffaffung kein Verständnis. Wer bei der Reichsbank Wechsel diskontiert und darauf Geld érbebt, erhebt entweder Gold, weil er es brauGt, oder er erhebt große oder kleine Noten, weil er deren bedarf. Vollkommen ausges{lofsen ist es aber, daß man bei der Reichsbank Wechsel diskontiert, um Noten zu bekommen, während man gleichzeitig einen auêreihenden Goldbestand besitzt; in diesem Falle würde man vielmehr feinen Goldbestand in Noten um- wechseln. Unnüß zahlt niemand Wechselzinsen. Wer bei der Neichs- bank Geld erkebt, wer dort Wechsel diskontiert; wird eben die Zahlung verlangen, die seinen augenblicklihen wirtshafilihen Be- dürfnifsen entspricht.

Es ist auch bezweifelt worden, ob der vermehrte Goldbestand in den Kassen der Reichsbank verbleiben, ob er nit vielmehr ins Ausland abfließen würde. Ja, meine Herren, darauf hat die Bank zunächst keinen Einfluß ; wohin das Geld fließt, das hängt von den wirtshaftlihen Verhält- nissen ab. Haben wir viele Forderungen an das Auéland, ist unsere Zablungsbilanz günstig, so wird Gold vom Auslande zu uns herein- fommen; stellt fch unsere Zablungsbilanz ungünstig, haben wir wirt- schaftlihe Krisen Absaßkrisen —, so wird allerdings Gold wahr- \sGeinlih in erbeblihem Umfange aus der Reichsbank in das Ausland abfließen. Das sind also Verhältnisse, die mit diesem Gesetzentwurf innerlich nichts zu tun baben, sondern die auf viel tieferen wirtschaftlihen Ursachen beruhen.

Es ist in der Debatte des vorigen Jahres auch gesagt worden, es würde wohl zur Vermehrung des Goldvorrats noch andere Mittel geben wie die Schaffung kleiner Banknoten, z. B. die Zufuhr von Gold aus dem Ausland. Ich würde den Herren Rednern, die da glauben, daß es andere Mittel gibt außer den vorgeshlagenen und außer der möglichst günstigen Gestaltung unserer Zablungsbilanz, dankbar sein, wenn fie uns folhe Mittel mitteilten. Gold muß man immer wieder mit Gold faufen, und dieser Kauf vollzieht fich nur dadurch, daß wir im Trefor Goldwechsel haben, und wir deshalb deren Zablung in Gold vom Auslande verlangen können.

Es ift mit Nüksicht auf diesen Gesetz?:ntwurf auch an das bekannte Wort erinnert worden : „Das \{lecht:re Geld verdrängt das bessere“.

Diese kleinen Banknoten werden aber nicht s{chlechter sein und werden *

infolgedefsen auch das bessere Gold niht verdrängen! Gewiß, meine Herren, jzne Behauptung ift vollkommen unrichtig: die kleinen Banknoten zu 50 und 20 Æ find kein \{lechteres Geld wie die großen Banknoten zu 100 #; denn die kleinen Banknoten müssen ebenso gedeckt sein na den Bestimmungen tes Neichsbankgeseßes wie die großen Banknoten; daß also die kleinen Banknoten als Valuta ein {lechteres Geld darstellen wie die großen Banknoten, muß ich entschieden bestreiten.

Man hat bei der vorjährigen Debatte dieser Gesezentwurf bezwecke offenbar, Oeffentlihkeit zu mahen. Ich fkann diesen Einwand in seiner wirtschaftlichen Bedeutung nicht ganz erfassen. Wenn ich Banfnoten zu 100 A in Banknoten zu 50 oder 20 M zer- lege, so ist das doch keinerlei Veränderung der bankmäßigen Deckung und ter bisberigen Sicherheit, sondern eben ledigli eine shematische Zerlegung; denn, wie ich {on bervorgehoben babe, die fleinen Appoints müssen tatsählich ebenso gedeckt sein nah dezn Grundsätzen des Bankgesetzes wie die großen Scheine zu 100

Es ist ferner, namentli von einem Mitgliede der sozial- demokratishen Partei seinerzeit gesagt worden, dieses Geseß werde den Geldwert beeinträhtigen und dadurh zu einer Steige- rung der Lebenêmittelpreise führen. Auch das ist nicht verständ- li; denn es ist doch unmögli, den Geldwert dadurch ver- schieden zu beeinflufsen, daß Sie dieselbe Summe in einem Hundert- markschein, in zwei Fünfzigmarksheinen oder in fünf Zwanzigmark- scheinen oder in Gold oder in Silber ausgeben!

Es ift vorgeshlagen worden, man solle doch eine Verbesserung unseres Geldwesens dadur herbeiführen, daß man die Neichskassenscheine ganz einzieht. Ja, das ist ein Vorschlag, über den ih sprechen ließe. (Zuruf rechts.) Dazu gehören aber doch 120 Millionen Mark bares Einlöfungsgeld, und ob unter den jeßigen Finanzverhältnissen 120 Millionen Mark bereit sein roerden, um die Reichskassenscheine einzu- ziehen, darüber wird ih vielleiht der Herr Staatssekretär des Reichs- shaßamts näher äußern. (Zuruf rechts.) Nein, meine Herren, den Inhalt des Juliusturms werden wir nit herausgeben !

Man hat uns au geraten, d‘e Reichskafsensheine in ihrem Betrage zu erböben, entsprehend dem Wachstum der Bevölkerung. Also auf der einen Seite greift man die kleinen Appoints der Banknoten an, die zu einem Drittel mit Gold und mit dem Nest durch fihere Wechsel gedeckt sind, weil fie ein {lechtes Papiergeld seien, und gleichzeitig rät man uns, den Betrag der Neichskassensheine zu er- bhöben, und sogar noch über den Goldbetrag hinaus, der im Juliusturm hinterlezt ist! Während man also hier diesen Gesetzentwurf als eine unfolide Maßregzl hinstellt, {lägt man uns im Interesse“ des Verkehrs gleichzeitig vor, weiteres ungedecktes Papiergeld autzugeben!

Es ist gegenüber dem Gesetzentwurf sogar auf die Gesund- heitéshädigung hingewiesen, die er im Gefolge haben müsse. Ja,

auch hervorgehoben, Anleihen auf Kosten der

meine Herren, ih kann nur nit einsehen, warum ein Fünfzigmark- hein gesundheits\{ädliher sein foll wie ein Hundertmarkschein ! (Heiterkeit.) Es mag vielleiht unangenehm sein, nur einen Fünfzigmarkshein zu besißen, wenn man gerade 100 braucht. (Große Heiterkeit.) Ja, das kann fogar sehr gesundheits\{ädlich sein! Aber, daß ein Fünfzig- oder Zwanzigmarkshein an \ich gesundheits{ädlichcer sein soll als ein Hundertmarkschein, die alle drei aus demselben Stoff gemacht sind, das geht über mein bescheidenes Fafsung8vermögen hinaus. Man hat uns endlich geraten, doch den Scheckverkehr mehr zu pflegen, statt die großen Banknoten in kleine zu zerlegen. Jch frage Sie, was ist der Scheck eigentlih anders als cine Art von Banknote? Die Banknote ist nur eine Anweisung auf die allgemeinen Bestände der Reichsbank, der Scheck eine Anweisung auf ein Depot, was ein Privatmann bei der Bank hinterlegt hat. Jn ihrer inneren Natur sind aber die Banknoten und der Scheck nahe verwandt, d. h. beide sind fundierte Kreditpapiere. Es ist hierbei ein- gegangen worden auf die gegenwärtige Verfaffung der Reichsbank, und wir find vertröstet worden mit unserem Geseßentwurf bis 1910, wo das Privilegium der Reichsbank abläuft, und man dann ja grundlegende Aenderungen vornehmen könne. Bis 1910 sind wir aber nicht geneigt zu warten, und ferner möchte ich noch bemerken, daß auch fehr tiefgehende Anträge auf Aenderungen der Grundlagen der Reichsbank bei der leßten Revision des Reichs- bankgeseßzes gemat sind, aber die Mehrheit des Hauses nicht ge- funden haben. Ich glaube, daß Anträge, die die geseßlihe Natur der Reichsbank wesenilih ändern würden, auch in vier Jahren die Mehr- heit des Hauses nicht finden dürften. Die Reichsbank ist ein Institut, das für unseren Geldvearfehr und unser WirtsSaftsleben die unshäßt- barsten Dienste getan hat; ein Institut, das \sich der allergrößten Anerkennung der Geschäftswelt erfreut, und es liegt nit der geringste Grund vor, an diesem bewährten JFnstitut derartige grundstürzende Aenderungen vorzunehmen. Die Mehrheit bierzu hat sch son bei der früheren Revision nicht gefunden, und ih bin fest überzeugt, sie wird fih auch bei einer künftigen Revifion nit finden. (Bravo!)

Abg. Ka em p f (frs. Volksp.): Der Vorschlag, bis 1910 zu warten, hießz lediolih die ee vershleppen. Der Abg. Arendt sieht keine Ver- anlafsung, der Reichsbank zu einem guten Geschäft zu verhelfen; die Reichsbank hat aber von jeher die öffentlichen Interessen höher gestellt als die ihrer Aktionäre auf Verbesserung der Rente. Die Frage des Untershiedes zwisWen Banknoten, unfundiertem Papiergelde und Silber, die der Graf Kaniß aufwarf, beantworte ih dahin, daß die Er- bôhung des Banknotenumlaufs den beiden anderen Wegen bei weitem vorzuziehen ist; Papier ist unfundiert, Silber ist unterwertig, die Banknote if aber vollwertig und gedeckt; und gerade, damit wir niht nôtig haben, das unfundierte Papiergeld zu vermehren, hat die Vorlage ihre große Bedeutung. Den Reichskriegssha8 wollen wir doh hon nach den früheren Erfahrungen rubig im Juliusturm ¿zu Spandau belassen; die 120 Millionen Mark sind für die ersten Bedürfnisse eines Krieges unentbehrli, während die dann hervor- tretenden Bedürfnisse durch Papiergeld befriedigt werden. In Deutsch- land wird kein Gold gewonnen; das Ausland muß es liefern, Transvaal und Australien, und wenn die Reichsbank es erwerben will, muß fie es voll bezahlen. Entweder zahlt sie mit deutshem Gold, womit uns nichts geholfen wäre, oder. mit Forderungen ans Ausland, die die des Auslandes an uns übersteigen. r auf dem legteren Wege können wir die Golderwerbung „bewerk- stelligen. Um aber zu folchen Forderungen an das Ausland zu gelangen, gehört ce gute Zoll- und Handelspolitifk, eine Politik, die auf die Förderung des Exports gerichtet ist. Auf den Verglei) Deutschlands mit den Balkanstaaten gehe ih richt ein, wenn aber der Abg. Arendt fragt, wie es kommt, daß wir 6 °% Diskont hatten bei gleihzeitigem Diskont von 3 °/% in Frankrei, so brauÿt er doch nur die beiderseitigen Ausweise anzusehen: die ÎIn- anspruchnahme der Deutschen Reichsbank war im Dezember 1905 277 Millionen Mark größer als die der Banque de France und absolut eine so große wie niemals zuvor; in der deutshen Jaanspruhnahme waren nicht weniger als 163 Millionen Sch2aßscheine des Deutschen Neichs. Bessern Sie also die Finanzlage des Reichs, dann wird auch diese Situation eine andere werden. Wenn man bes hauptet, die Hundertmarknote sei die Grundlage unseres Währungs- und Bankwesens, so bestreite ich das. Man machte damals einen dicken Strich durch die Misere des fleinstaatliden Papiergeldes mit dem Verbot der Ausgabe von Noten unter 100 #, {hon damals aber wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die Innehaltung dieser Grenze niht auf die Dauer möglih fein werde. Die Grundlage unseres Währung8wesens ift, daß kein Papiergeld ausgegeben werten darf ohne ein Driitel bare Deckung und zwei Drittel in kurzfristigen Wechseln, und daß die steuerfreie Notenausgabe begrenzt würde. Die Notenstzuer ift eine ganz befonders segensreihe Maßregel gewesen. Daß das Volk durch die Vorlage an die Papiergeldwirtshaft gewöhnt werden würde, ist eine Anschauung, die niht auseinanderhält den Unter- schied zwishen ungedecktem Papiergeld und gedeckten Banknoten. Eine Vershlehterung des Währungssystems wird dur die Vermehrung der Banknoten niht herbeigeführt, ebensowenig wie ein Verdrängen des Geldes ins Ausland. Die Bank von Frankrei wird hier immer als Muster vorgeführt. Diese Bank hatte Ende 1904 ungefähr 4200 Millionen Franken Banknoten im Umlauf; die Verwaltung beklagt si in ihrem Bericht darüber, daß nur 600 davon ausgegeben worden sind inErfüllung des Kreditbedürfnifses von Frankrei, die über 3600 Millionen aber, weil das Publikum das Geld in die Bank von Frankreich trägt und sich dafür Banknoten geben läßt, weil diese für den Verkehr dort bequemer sind. Eine unvergleihlihe Position hat sich die Bank von Frankreich dur diese Gewohnheit des französischen Publikums geschaffen; eine Gewohnheit, die für das deutsche Publikum wohl nah1hmenswert wäre. Ich behaupte, daß das deutsche Währungssystem nicht einseitig darauf beruht, wieviel Geld im Publikum und wieviel in der Reichsbank vorhanden ift, sondern auf der Summe beider Beträge. Dieser Gesihtspunkt drängt dabin, die Vorlage möglichst bald zum Geseß ¿zu mahen. 500 Mill. Mark Gold in der Reichsbank mehr bedeutet eine Ermäßigung des Zinssates2 nach der Sie (rechts) ja fo sehr rufen. Aber es gibt freilih auch noch andere Mittel, und da kommt der Scheckvoerkehr in Frage, dem ih vor dem Barkaotensystem den Vorzug gebe, wenn es ausgebildet wird. Wie fann es aber ausgebildet werden, wenn auch der Scheck nächstens mit der Quittungtsteuer belegt werden soll! In dem Augenblicke, wo wir wünshen müssen, daß auch die Post- anweisung möglichst viel benußt wird, um die Vermehrung der Umlauf8mittel möglihst zu ersparen, legt man einen Quittungs- stempel von 509%/0 des Wertes auf sie! It das die einheitliche, zielbewußte Finanzpolitik, die hier allein vorwärts bringen fkann ? Für die weitere Beratung halte auch ih eine besondere Kommission für bequemer. G

Reichsbankpräsident Dr. Koch : Meine Herren! Die Diskussion hat

Gegenstande unserer beutigen Beratung zusammenhängen. Ih bin zunächst dem Herrn Stellvertreter des Herrn Reichékanzlers außer-

ordentli dankbar, daß er die wahre Natur der Reichsbank und deren | Aufgaben in richtiger Weise geschildert hat, daß die R-ichzbank ein '

Reichsinstitut ist, das im ö ) Reichsbeamten lang? Jahre hindurch verwaltet worden ift.

die Rede war, die erfolgt ist bekanntli*ß gegen den Wider- spruch der vornehmsten Vertreter der Banken, eben mit Rücksicht auf die öoffentlihen Interessen. Da ih gerade bei der Diskont- erbößhung bin,

gern îim Direktorium vorgenommen worden ist; fie war un-

Z ‘fas nt , Y ! im einzelnen aufhalten. ih über viele Gegenstände verbreitet, die nicht notwendig mit dem | f G |

| Kassenscheine

öffenilihzn Interesse auss{ließlich von | h Je x Das hat ! sh noch gezeigt bei der legten Diskonterhöhung, von der hier ?

so will ich hervorheben, daß fie durhaus nicht |

vermeidlih nach dem Anwahsen der Ansprüche, die ax ans worden sind. Im Laufe des Jahres war der Diskont ines á niedrig, 3 9/6, wie bei der Bank von Frankrei; er ift im Dur, [Bal des leßten Jahres niedriger gewesen, als im vorhergehenden ahre; er hat durchs{chnittlichÞ 3,82 %/ betragen, das ift 0,40 0 niedriger als im Jahre 1904. Als aber die Ansprüche im Oktober sich außerordentlich vermehrten, da mußte der Diskort über die frühere Ziffer weit hinausgehen. Die Reichsbank hatte eine fortdauernde Anfspannung. Am 830. Juni betrug die Wechselanlage noch 1135 Millionen Mark, an ; Tage des Jahres 1904 951 Millionen, am 30. September 1905 1343 Millionen gegen den 30. September 1904 1039 Millionen Das sind fogar 215 Millionen mehr als im Jahre 1899, wo die Anspannung auch groß war und uns zur Erhöhung des Diskonts auf 69% und sogar auf 7%/9 nôtigte. Ultimo Dezember hatten wir 1079 Millionen Anlage, 1905 1228 Millionen, das sind 148 Millionen mehr als im Jahre 1899. Diesen Verhältniffen gegenüber war es im Interesse der Solidität des Geld, wesens unvermeidlich, zu einer Diskonterhöhung zu fch{reiten Die höchste Gesamtanlage war die am 30. September 1905 mit 1668 Millionen, eine so hohe, wie wir sie noch nie gehabt haben. Meine Herren, diese Bewegung is ganz natürli: die Aufwärtsbewegung von Handel und Industrie ift fast noch nie eine so große gewesen, wie faum cinmal der große Aufschwung in den Jahren 1899 und 1900. Das wird durch eine Reibe anderer Er: sheinungen bestätigt. Gleichzeitig mit dem billigen Gelde batte ih au die Emissionstätigkeit außerordentlih gesteigert. Es find 3082 Millionen Effekten am Berliner Markte emittiert. Die Abrehnungs, stellen der Reichsbank hatten 1905 einen Umfaß von 37 Milliarden viel mehr als 1904, wo er nur 32 Milliarden betrug. Der Wehfel- und der Gffeftenstempel ist ganz wesentli in die Höhe gegangen. Wie man von diesen Ziffern dann behaupten kann ih glaube, der Abg. Dr. Arerdt ist es gewesen —, daß Handel und Industrie nit in so großem Maße die Reichsbank in Anspruch genommen hätten, ist in der Tat un- begreiflih. Ich will diese Fráge verlassen, da sie niht im Rahmen dieses Geseßentwurfs liegt; ih habe mich dem Abg. Arendt gegen- über nit irgendwie zu rechtfertigen. Nun ift, glaube ih, aug ter Abg. Graf von Kaniß auf den mangelnden Goldbeftand zu sprechen gekommen. Der Goldbeftand der Reichsbank betrug durhschnittlich 786 Mill. Mark: er hat im vorigen Jahre durchs{hnittlich so viel wie noch niemals betragen, nämlich 745,3 Mill. Mark, während er im Jahre 1904 682,2 Mill. Mark betragen hat. Das bedeutet für 1905 eine GolddeEung des Umlaufs der Banknoten von 55,8%, während wir nach dem Barkgeseß nur verpflichtet sind, die um- laufenden Noten zu ein Drittel mit dem Barvorrat zu decken, also eine weit mehr als auëreihende Deckurg. Wir haben durhscnittlih augegeben 1335,7 Mill. Mark Bankaoten. Nun ift aber nit unter allen Umständen ein hoher Goldvorrat von besonderem Vorteil, Nein, von dem Abg. Kaempf is das vollständig nachzewiescn worden. Es fann ein Goldvorrat gesammelt werden, der zum Teil für den Verkehr unnüy is. (Zurufe rechts.) Jh bitte, mich niht zu unterbrehen! Es hat fürzliß in Dublin eine Versammlung stattgefunden, bei der ein Direktor der Bank von England, Cole, in einem Vortrag sagte, man brauche nur \o viel Gold im Lande anzusammeln, als man mit Nugzen verroenden kann; sammle man mehr an, so widersprehe das allen Geschäfts prinzipien. Es ist ferner von dem belgishen Abg. de Laveleye früher ausg-sprohen worden: was sind drei untätige Milliarden im Streik? Das ist -eine so gewaltige Belastung der französischen Wirtschaft, ein Luxus, den das franzöôsishe Voik sich gestattet. (Wieder- holte Zurufe rechts.) Jch bitte, mih nicht zu unterbrechen ! Wir haben so viel Gold, als wir im Frieden eben brauen. Jch habe shon gesagt, daß wir den höchsten Goldvorrat durchschnittlich im vorigen Jahre gehabt haben, der überhaupt dagewesen ist, über 745 Millionen Mark. Der tatsählihe Goldvorrat am 15. Januar d. I. betrug 708 Millionen Mark. Jch verlasse nun diese Gegen- stände und möchte dazu allenfalls nur noch bemerken, daß bei den Ländern, die der Abg. Dr. Arendt eben genannt hat, Serbien, Bulgarien, sfich seit langer geit eine gleichmäßige Arspannung gezeigt hat, während unsere Reichsbank erst im Herbst in immer wahsendem Maße in Anspruch genommen wurde, Im Sommer waren die Ansprühe an die Reichsbank sehr mäßig und haben si erst später gesteigert. Näher hätte ein Vergleih mit Ruf- land gele;en, das 89/0, und mit Amerika, wo man kürzli 125%, dann einmal 67 9%, dann wieder 59% Zinsen bezahlte. (Zuruf.) Ja, das ist ganz rihtig. Daß das Land den großen Aufschwung der Geschäfte mit höherem Diétkont bezahlen muß, ist natürlih. Das wird noch in den neuesten Berichten der Handelskammern bervor- gehoben, also fompetenter Körperschaften, auch von der Handels- kammer von Effen, deren Bericht für 1904 vor kurzem veröffentlicht worden ift. Ih will das nit alles wörtlih vorlesen. Die Handels- kammern führen mit Recht aus, es sei eine natürlihe Begleitersheinung des Aufshwungs von B Verkehr und Industrie, daß mit diesem Aufschwung auch der Preis für das Geld fteigt, und die Industrie könne das unter Umständen aushalten. Das sagt namentli die Handeiskammer von Essen. Nun aber komme ih zum eigentlichen Thema unserer beutigen Beratung. Viel neue Gründe sind heute keinerseits vorgetragen worden. Indessen bitte ih, mir doch folgende Bemerkungen zu gestatten: das Bedürfnis für kleinere Noten läßt sich seit der vorjährigen Beratung in neuerer Zeit als verstärkt nad- weisen. Die Zahl der Kaffenstellen bei der Neichsbank bat si ungemein vermehrt, und in den Motiven is in dieser Beziehung angegeben: „Die | Reichsbank, der die Regelung des Geldumlaufs obliegt, hatte am Schlusse des Jahres 1904 an umlaufsfähigen Reichskassenscheinen“ und nun folgen die Zahlen. Dieser Betrag hat sih nun wesentlih verringert. Wir haben am Schlusse des Jabres 1905 13 137 000 #, davon Fünfziger 7 687 000 Æ, Zwanziger 3 710000 A Das ist für 420 Kafsenstellen fo groß ist jeßt die Zahl außer- ordentlich wenig; es fommen auf jede Kafsenstelle nit mehr 41100, fondern nur noh 31280 #Æ, und zwar 18300 Æ in Fünfzigern und 8840 Æ in kleineren Stüden. Nun find allerdings die Verkbältnisse besser geworden. Der Ditkont ist vor einigen Tagen von 6 auf 5 9% berabgesezt worden. Wir haben fogac 18 Millionen umlaufsfähige Reichtkassenscheine, aber das ist noch außerordentlich wenig für die vielen Stellen der Reichsbank. Meine Herren, ih habe son bei der vorjährigen Beratung erwähnt, daß die Reich2bank am Ende diejenige Stelle ist, bei der sih der Be darf an folhen fleinen Umlaufsmitteln in erjter Linie dokumentiert. Alle unsere Anstalten haben täglich eine Menge Zahlungen zu leisten, anderseits Zahlungen zu empfangen, und “fie wissen infolgedessen, was von diesen kleinen Scheinen gebraubt wird. Die Reichsbankstellen sind verpflichtet , vns inner- halb bestimmter kurzer Perioden anzuzeigen, wie viel von ibren Um- laufêmitteln entbehrlih find, und wie viel sie gëbrauhen. Nun habe ih neuerdings wiezter eine Liste anfertigen lassen, und da zeigt sid, daß wir nicht entfernt in der Lage sind, den Bedarf des Verkeh: mit Fünfzige und Zwanzigmarkscheinen zu befriedigen. Hier der Nad weis von Monat zu Monat. Wir haben von Fünfzigmarksceinen 1m Januar diefes Jahres 38,9 9/9 auszahlen können, im Dezemö vorigen Jabres 43,7, im November waren es noch 60 aber im Oktober nur 23 9% usw. Jh will Sie hiermit nit i l Aehnlich ist es mit den Zwanzigmarb* einen. Von diesen haben wir im Januar 34% der verlangten abgeben föônnen, im vorangegangenen n 549/00. Außerdem, meine Herren, sind uns noch in den leßten Tag" von den Bankanstalten in dem großen Industriegebiet des Westens Berichte zugegangen. In dem Bericht der Reichsbankstelle von / im an der Ruhr vom 12. Januar dieses Jahres heißt es ¿- B. „Das Reichsbankdirektorium bitten wir gehorsamfst, uns die aul, bet liegenden Nachweisungen aufgeführten Sorten möglichst nachträglid

| noh zuweisen zu wollen. Bezüglich der Fünfzigmarkscheine beme!

wir ebrerbietigst, daß uns auf unsere Bitte vom 6. d. M statt 400 090 Æ nur 80000 Æ zugeteilt worden sind, ein Betrag, der,

die Löhnungen der in unserem Bezirk liegenden Werke in keine Weise genügt. Allein die Gewerkschaft , Deutscher Kaiser“ in Bru

a t Bitte um 400 000 # Reichskafsenscheine war%eshalb eine dem

bat einen Monatsbedarf an Fünfzigmarksheinen von

hausen zu dem noh die Ansprüche anderer an uns hinzutreten.

000 #,

j n Mangel an Fünfzigmarkscheinen voll RNehnung tragende herr e tidene, es geben wir uns der Hoffaung hin, daß dieselbe S Möglichkeit noch nachträglich erfüllt wird.“ Das bat nun zum Teil allerdings gesehen können, aber au nur zum Teil. Dann siegt mir vor der Bericht der Reichsbankftelle in Efsen, au mitten «V andustriegebiet, vom 16. Januar d. I., also aus den allerleßten Tagen. Darin heißt es: „Dem Reichsbankdirektorium beehren wir uns die gehorsamste Bitte auszusprehen, uns für uns und unsere Nebenstellen 1000000 M in ünfzigmarksheinen d 15000 M in Zehnpfennigstücken hochgeneigtest über- weisen zu wollen. Mit den uns bei unserer legten Gelèbestellung ugeteilten Fünfzigmarksheinen können wir den Anforderungen bei den bevorstehenden großen Lobnzahlungen auch nicht annähernd genügen, und später treten dann noch die Lohnabschlagëzablungen dieses Monats amn uns heran.“ Dadurch, meine Herren, wird do entschieden be- stätigt, daß in der Tat ein Bedarf des Verkehrs beitebt, und zwar wie früher {on bemerkt worden ist, eben in den westlichen Industrie- bezirken. Bekanntlich find ja die Aeußerungen der Handelskammern zum Teil verschieden, weil fie in ihren fleineren Bezirken verschiedene Mahrnehmungen machen. Aber die große Handelskammer Berlin hat noch fürzlich in ihrem neuesten Bericht wiederholt, daß dieser Bedarf besteht, und ewúünsht, daß der vorliegende Gesegentwurf genehmigt werden möge. Derselbe Wunsch is auch von der Handelskammer Efsen in einem hesoaderen an das Reichsbankdirektorium gerichteten Schreiben ge- äußert worden. Meine Herren, die heute gegen den Gefegentwurf erhobenen Einwendungen halte ich nah wie vor niht für be- ründet. Einer der Herren Abgeordneten ih glaube, es war Dr. Arendt behauptet, es würde hier mit einem Furdamentalfaß unserer Währung gebrohen, und es wäre von allen Urhebern unseres Reichsbankgesetes daran festgzhalten worden, es dürften keine fleineren Scheineals 100 6 sih im Umlauf befinden. Das ist durchaus nit der Fall. J habe hon im vorigen Jahre darauf aufmerksam gematht, däß qur fúr die damalige Zeit gefordert wurde, die kleinen Scheine sollten aus dem Weae geschafft werden, und das ging nur, wenn man die Banken auf die Noten von 100 Æ& und darüber beshränkte, Aber s{on damals wurde von Bamberger und Mosle betont, später könne man in der Strenge nahlafsen. Außerdem if dies auch von wifsenscaftliher Seite in neuerer Zeit, seitdem wir im vorigen Jahr hier versammelt waren, anerkannt worden. Der Staatsrehtslebrer, Professor Laband spricht sih im Bankarchiv für den Gesetzentwurf aus. Ebenso könnte ih mi auf die Profefforen Biermer, au Lexis und Lob und andere Autoritäten berufen. Von einer Papierwirtshaft kann even bei dieser Frage niht entfernt die Rede sein. Es ist meknes Wissens hon von dem Herrn: Stellvertreter des Herrn Reichs- fanzlers darauf hingewiesen worden, daß niemandem eine

Banknote aufgedrängt werden soll. Die kleine Banknote soll nur der tekfommen, der cine wünscht; im übrigen mag er Gold oder Silber fordern. Das wird kereitwillig, soweit es mögli ist, immer gewährt. Die bier so oft gerühmte Bank von Frankrei hat selbst sehr frarfen Erfahrungen damit gemacht.

Sie bat jezt 516 Millionen ranken im Umlauf —, das ift etwa ein Zwölftel ibres gesamten Notenumlaufs und darüber und sie hebt selbst in ihren Jahres- berichten hervor, daß die Au2gabe der kleinen Noten ein befiändiges Mittel gewesen sei, um ihren Goldvorrat zu steigern. Nun ift ja richtig und in meinem Aufsaß im Bankarchiv habe ih diesen Gesichtspunkt auch betont —: die Bank von Frankrei (Zurufe rechts) Einer der Herren {eint zu lachen die Bank von Franfreich ist in neuester Zeit dazu übergegangen, den Goldabfluß dadur abzuwehren, daß sie beim Umtausch von Barrengold zehn Tage Zinsen fordert. Sie will eben nicht Goid, sondern nur Noten haben ; ihr Notenrecht ist bald erschöpft. Und nun, meine Herren, von bank- fisfalishen Vorteilen der Vorlage für die Reichsbank kann doch auh nit die Rede sein. Das is namentlich auch von dem Abg. Kaempf hervorgehoben worden. Sie muß doh die Noten be- ¡ablen Wir haben gewiß - keinen - Grund, uns Noten an- fertigen zu laffen, von denen wir feinen Gebrauch mahen werden. In keiner Weise is das unsere Ab- siht, dabei irgend einen Vorteil zu genießen. Ih weiß gar nicht, wie der Abg. Dr. Arendt sich das denkt. Ich kann mir davon feine Vorstellung machen. Wir wollen auch den Notenumlauf gar niht auédebnen, in keiner Weise, sondern ihn nur anders gestalten. Diese Noten sind ebenso gutes Geld wie die anderen, sie find ebenso Ee und unterliegen ebenso der Notensteuer. Auf die Frage der otensteuer will ih nit eingehen. Ich glaube, einstweilen genug ge- sprohen zu haben, und möchte den hohen Reichêtag nur noch bitten, das, was die Notenbanken von Frarfreih, Italien, Belgien und andere große Notenbanken besißen, auch der deutschen Reichsbank zu gônnen, nämlich uns zu gestatten, auch Noten zu 50 und 20 Æ auszugeben. Abg. Gamp (Rp.): Den Ausführungen des Reichsbank- präsidenten, daß die Vorlage durch die Bedürfnisse des Verkehrs ge- rechtfertigt sei, kann ich nicht zustimmen. Ich teile vielmehr die Arsicht der Abag. Büsing und Arendt. Wenn der Abg. Kaempf zur Begründung der mißlichen Verhältnisse der Reichsbank im vorigen Jahre auf die shlechte Wirtschaftspolitik hingewiesen hat, so seßt sih doch der Reihsbankpräsident in einen seltsamen Widerspru mit ihm, wenn er erade auf die besonders günstige Lage der Industrie und die starke BuanspraG@h der Reichébank durch die Industrie verweist. Die Diskonterböhung hat nicht einnral die Zustimmung der Großbanken gefunden, während die fleinen Banken unter der Belastung geradezu seufzen. Auh die Sozialdemokraten haben ein sehr erheblihes Interesse an der Ermäßigung des Disfkonts, denn er belastet die industrielle wie die landwirtshaftliGe Produktion ganz wesentlih. Ich freue mi, daß der Kollege Singer ein verständiger Mann ist und dies bestätigt. Dur die Verschiedenheit im Dis- kont tritt au eine Verschiebung auf dem internationalen Marft ein. Die Reichébank ist in Spekulationen eingetreten, die weit über das ¡ulässige Maß hinauszeben ; dazu ift das Land nicht da, daß die Reihsbank soî%e Bôörsenoperationen unterstüßt, dazu haben wir unsere Sparanlage nit, um die Kreditverhältnisse anderer Länder ¡u verbessern. Jh habe hon früher auf tas sehr Bedenkliche bin- gewiesen, daß unser Reichsbankdepot als Pumpstation für das Aus- land dient. So weit ist es gekommen, daß unsere Schatzanweisungen niht mehr von der Börse aufgenommen werden, weil die Reichsbank das Geld für andere Zwecke hingibt. Die bestehenden Zustände be- dürfen einer eingehenden Untersuhung dur die Reichsregierung, und ih bitte den Reichskanzler dringend, diese Frage unter Zuziehung von unparteiishen Sachverständigen genau prüfen zu laffen. Daß wir in drei Monaten eine Steigerung des Bankdiéfonts um 100 %% baben, ist unmögli, wenn niht Verhältniffe vorliegen, die sih der Eirsicht anderer entziehen. Ich halte es für auêge|chlofsen, daß in dieser Zeit eine so kolossale Steigerung der Inanspruchnahme der Reichébank für induftrielle Zwecke \sich voilzogen haben kann. Die Steigerung soll zurüdzuführen fein auf die Befürchtung einer Verteuerung vershiedener Artikel durch den neuen Zoll- tarif. Wenn das zutreffend wäre, so müßte der Diékont in England und in denjenigen Staaten gestiegen fein, die ein nterefse daran haben, ihre Produkte billiger nah Deutschland zu be- fommen. Der Abg. Arendt hat ganz recht darin, wenn er meint, daß kein Reich mit solcher Rukbe in finanzieller Hinsicht einem Kriege entgegen- sehen kann wie Deutschland. England 3. B. würde Milliarden aus- geben müssen, während bei uns die heimishe Lantwirtschaft dafür orgt, daß wir auch zu Kriegszeiten die bheimishen Bedürfnisse noch riedigen können. Diesen Dank, glaube i, sind wir der heimischen

Landwirtschaft s{uldig. Staatssekretär des Reichsshaßzamts Freiherr von Sten gel:

Meine Herren! Die Begebung von Kassenscheinen und von Schaÿ- anweisungen hat in der bisherigen Debatte einen so breiten Raum eingenommen, daß ich mich meinerseits auch veranlaßt sete, das Wort

gänzlihe Einziehung der Kaffenscheine in Erwägung zu ziehen. Der Herr Staatssekretär Graf von Posadowétky hat schon Bedenken dagegen geltend gemaht und hat geglaubt, es mir überlafsen zu sollen, mi darüber auszusprehen, woher denn die Mittel genommen werden sollen, um diese Einziehung zu bewerkstelligen. Ih kann nur meinerseits sagen: ich weiß auch nit (Heiterkeit), woher die Mittel ge- nommen werden sollten, um diese 120 Millionen einzuziehen. Ih möhte auch dringend davon abraten, etwa den Reichs- friegs\haß, der im Juliusturm s{lummert, dazu zu ver- wenden. Dieser Reichskriegsshaß ist längst {on ohnehin viel zu flein geworden für den Zweck, dem er-dienen soll. Ich kann daher rur ratén, ihn dem Zweck zu belassen, den man für ihn von Hause aus ins Auge gefaßt hat.

Von einer anderen Seite ist das gerade Gegenteil des Vorschlages des Herrn Abg. Dr. Arendt angeregt worden, nämlich die Reichskafsenscheine zu vermehren. Danach würden sich die beiden Vorschläge fozusagen gegens seitig kompensieren. Aber es ist gegenüber der Anregung auf Vermehrung der Reichskafsens(eine doch auch noch auf ein Bedenken hinzuweisen, das {on mebrfach gegen einen solchen Vorschlag geltend gemacht worten ist und, wie ich annehme, wenn der Vorschlag weiter verfolgt wird, auch hier geltend gemacht werden dürfte. (Sehr richtig! rechts.) Wir begeben uns mit der Vermehrung der Reichskafsenscheine, wie ih bes sorge, auf eine \chiefe Ebene, von der wir nicht wissen, wohin fie uns noch führen fann.

Nun “ift au von einer Seite darüber Klage geführt worden, daß wir mit der Ausprägung von Silbermünzen zu zurückhaltend wären, Fh kann demgegenüber nur betonen, daß wir seit Jahren be- strebt find, soweit überhaupt die Kräfte unserer Münzstätten reihen, Silbermünzen auszuprägen (Zuruf rechts: Umzuprägen !) umd aub umzuprägen. Die Ausprägung von Silber- münzen war {on bisher eine so beträhtlihe (Zuruf rechts), daß wir gegenwärtig \chon sehr nabe bei der Höchstgrenze angelangt sind, die überhaupt nah der Münzgesezgebung im Verbältnis zur Kopfzabhl der Bevölkerung als zulässig erscheint. Allerdings stütze ih mi dabei auf die bisherige Volkszählung. Wenn die Ergebnisse der neuen Volkszählung festgestelt sein werden, dann werden wir ja in der Lage sein, mit der Silberprägung auch noch weiter zu gehen.

Nun ist von einer anderen Seite eine Bemängelung erhoben worden in bezug auf die Ersaßtleistung für beschädigte und unbrauchbar ges wordene Reichékafsensheine. In dieser Beziehung kann ih bemerken, daß die Angelegenheit genau geseßlih geregelt ist. Im § 6 Absay 2 des Reichskossensheingesezes vom 30. April 1874 ift gesagt:

Die Reichsshuldenverwaltung hat für beschädigte oder un- braubar gewordene Exemplare auf Rechnung des Reichs Ersaß zu leisten, wenn das vorgelegte Stück zu einem echten Reitskafsenshein gehört oder mehr als die Hälfte eines solchen beträgt. Ob in anderen Fällen ausnahmsweise ein Ersaß geleistet werden kann, bleibt ihrem pflihtmäßigen Ermessen überlaffen,

nämlich dem Ermessen der Reihsshuldenverwaltung. Ich füge bei, daß dies eine durcaus selbständig gestellte Behörde ift, und daß die Reichs\haßtverwaltung oder der Herr Reichékanzler niht in der Lage sind, ihr in dieser Beziehung Vorschriften zu erteilen.

Nun möchte ih. aber rcch zu dem Punkte kommen, der mih baupt\ächlich veranlaßt hat, das Wort zu ergreifen. Es ist nämlih von mehreren Seiten bemängelt worden, daß wir nit gleihzeitig mit diesem Gesezentwurf eine Novelle zum Gefeß über die Reichskassen- heine gebracht haben. Nun bemerke ch, daß auch nach unserer Auffassung ohne Zweifel es durchaus un- zweckmäßig sein würde, wenn man die Reichskafsensheine zu 50 und 20 M im Umlauf belassen würde neben den neu auëzugebenden kleinen Banknoten. Das gebe ih obne weiteres zu. Es besteht auch im Schoße der verbündeten Regierungen die kteftimmte Absicht, sofort nach Verabschiedung dieses Gesetzes binsihtlich der Fünfzig- und Zwanzigmarkkassenscheine die Konsequenzen zu ziehen und eine Vorlage bei den gesetzgebenden Faktoren einzubringen bezüglih der Aenderung ter geseßlichen Bestimmungen über die NReichskaffenscheine. Die verbündeten MRegierungen erachten es aber in keiner Weise als notwendig, beide Vorlagen zufammen zu verabschieden, sondern erachten dafür, daß die jeßt Ihnen zur Beratung unterstellte Vorlage präjudiziell sei für die andere Vorlage, deren Ein- bringung vorbehalten bleiben soll. Sie find daher der Meinung, daß zunächst diese Vorlage verabschiedet und unter Dah gebraht werden \foll, bis die weitere Vorlage über die Reichskafsenscheine einzubringen sein würde. Uebrigens if auch am Schlusse der Begründung der Vor- lage wegen Aenderung des Bankgesezes ausdrücklich in Auesficht ge- nommen, daß eine weitere Vorlage bezüglich der NReichs- kassensheine den gesetzgebenden Faktoren zugehen fol. Ich möhte dazu noch bemerken, wenn wir auch gleichzeitig diese beiden Vorlagen eingebraht hätten, so würde das doch in der Tat am Effekt niht viel geändert haben. Es ist leiht, Reichskafsensheine in den Verkehr zu bringen, aber sehr ichwierig und eine langwierige Operation, fie wiederum aus dem Ver- Fehr herauszuziehen; es ist eine Operation, die Jahre erfordert, bis sie durhgeführt ist, und wir sind der Meinung, daß in der Tat auh das Unglúck nicht allzu groß ist, wenn diese beiderseitigen Appoints einige Zeit hindurch gleichzeitig noch nebeneinander hberlaufen. Der größte Teil des Publikums kennt überhaupt gar nicht den Unterschied zwischen Banknoten und Kassenscheinen, sie gelten beide als Papiergeld im weitesten Sinne des Wortes. Diejenigen aber, die zu unterscheiden wissen zwishen Reichsbanknoten und Reichékassenscheinen, begreifen auch recht wobl, daß es einer längeren Uebergangszeit bedarf, um durch Einziehung der im Umlauf befindlihen Reichskassensheine die vorübergehenden Mißstände zu beseitigen. Nun haben aber, wie bemerkt, die verbündeten Regierungen die bestimmte Absicht, jene Konsequenzen zu ziehen, und Sie dürfen überzeugt sein, daß, sobald dieses Geseß zur Verabschiedung gelangt ift, sie in keiner Weise säumen werden, Ihnen die eventuell in Aussicht genommene weitere Vorlage zugehen zu lassen.

Es if nun von seiten des Herrn Abg. Kaempf und auch Herr Abg. Gamp hat sich in ähnlihem Sinne ausgesprohen als ein Mißstand bezeichnet worden, daß in neuerer Zeit die Bestände der Reichsbank in so außerordentlihem Maße seitens des Reichssaÿ- amts durch Begebung von Schhatzanweisungen in Anspruch genommen worden seien.

Meine Herren, Sie werden sich entfinnen, daß ih in meiner Etatsrede im Dezember vorigen Jahres auch meinerseits auf diesen Mißstand hingewiesen habe. Ih habe Ihnen damals erklärt, daß

¡u einigen Bemerkungen zu ergreifen. Es ift, wie ih glaube von dem Herrn Abg. Dr. Arendt, in Vorschlag gebraht worden, doch die

wir im abgelaufenen Jahre, im Jahre 1904, sogar genötigt gewesen

seien, successive nicht weniger als für 900 Mill. Mark Schaßanweifungen auszugeben (hört, hört! rechts), während \ich zu gleiher Zeit über 300 Mill. Mark an solchen Schaßanweisungen im Verkehr befanden. Aber was ist die eigentliche Ursache dieses unbestreitbaren Mißstandes ? Das Reichsschazamt begibt diese Schaßanweisungen doch nicht zu seinem Vergnügen, sondern wir haben fie begeben, weil wir fie be- geben mußten, weil uns sonst die Mittel fehlten, um die laufenden Be- dürfnisse des Reichs zu bestreiten. Es gibt überhaupt nur ein Mittel, um diesen Mißstand zu beseitigen: das ift die Wiederherstellung der Ordnung in unserem Reihshaushalt. Helfen Sie uns, daß wir dazu gelangen, dann wird auch jener Mißstand sein Ende finden! (Bravo!)

Abg. Mommsen (fr. Vgg.): Diese lange Debatte steht im-— Widerspruch mit dem Inhalt der Vorlage, die den rein praftishen Zweck hat, die kleinen Umlaufsmittel zu vermehren. Wir sind nun- mehr auch für eine Kommissionsberatung, und zwar für eine besondere Kommission, und wir hoffen, daß nun fogar der Abg. Arendt der Vorlage zustimmen wird. Die Budgetkommission eignet sich für die Sache nicht. Wir alle, die wir im Weltleben steben, wissen, wie not- wendig es ist, die Umlaufsmittel ¿u vermehren, und es freut uns, daß die Reichsbank sich beeilt hat, diesen Anforderungen zu genügen. Für normale Verhältnisse reiht ja der jeßige Umlauf noch aus, in fritishen Zeiten, bei einer Handeléfrise aber würden die Um- laufsmittel nicht genügen. Wir brauchen dann auch Banknoten zu 50 und 20 4 Ven Betrag in Silber zu decken, würde do recht viel Geld kosten, denn wir müssen das Silber kaufen, die Reichskasse muß dafür aufkommen, niht etwa die Reichsbank. Es ift hier soviel von der Diskontopolitik der Reichsbank gesprochen worden, und man hat den Gedanken angeregt, eventuell cine Kompenfation von der Reichsbank durch Aenderung des Reidbsbankgeseßes 1910 in Erwägung zu ziehen. Wir wissen doch gar nit, welchen Verhältnissen wir in drei bis vier Jahren gegenüberstehen, vielleicht ist der Abg. Arendt dann Hilfsarbeiter oder gar Prä- sident der Reichsbank, und er hat dann vielleicht ganz andere Ideen. Die Diskontofrage im Plenum oder auch nur in der Kommission zu erôxtern, würde völlig ergebniélos sein ; wir fönnen uns do ein Bild nur machen an der Hand ekngehender Tabellen, und die verstehen dech nur die Sachverständigen, wenn sie unmittelbar vor ihnen liegen. Die jeßige Diskonterhöhung von 5 auf 6 %/ hat niht einmal die Zu- stimmung der sacverständigen Bankvertreter gesunden ; Sie seben daraus, daß selbst die sachverständigsten Kreise die so \chwierige Marftlage verschieden beurteilen können. Wir haben bis in das leßte Jahr bin- ein so niedrige Geldsäte gehabt wie nie in Deutschland. Im Februar 1905 betrug der Diskont der deutshen Reichsbank 39/0, ebensoviel der der Bank von England. Der Privatdiëkont 97/5 9/0, der Londoner und Parifer 23/0. Wir hatten damals in- Berlin den allerbilligsten Geldfaß, den wir überhaupt je gehabt haben. Wir haben do die Bankpolitik nit für einen einzelnen, der, wenn er Geld puwpen will, es möglichst billig haben will. Der große Geldbedarf hängt we}jentlich ab von dem Preis des Privatdiskonts. Wenn der Abg. Gamp auf die exotishen Werte hingewiesen hat, so ist do das einzige Mittel, das die Reichsbank hat, um die Börfen- spekulation, wo ihr das wünschenswert erscheint, einzudämmen, die Er- höhung des Reichsbankdiskonts. Hätte die Reichsbank den Diskont nit von 5 auf 6 2% erhöht, so wäre die Haufse ‘im Dezember 1905 immer weiter gewahsen zum Schaden unseres ganzen Woblstandes. Der Ausschuß der Reichsbank wird auch heute jene Maßregel \{chrwer- li bedauern. Der niedrige Diskontsaß bing wesentlich mit dem russi{-japanishen Kriege zusammen. Die Reichsbank bat do nicht den Diskont erhöht, um die Agrarier und Landwirte zu ärgern; diese Verhältnisse regeln sich ganz automatisch. Ich hoffe, daß ter Abg. Arendt mit seiner Prophezeiung, die Vorlage werde verderblich wirken, ebenso unrecht behalten wird, wie mit seiner Prophezeiung bezügli der Goldproduftion. i i Abg. Büsing (nl.): Ib nehme der jegigen Vorlage gegenüber denselben ablehnenden Standpunkt ein wie der vorjährigen. England, das in Fragen der Währung und des Geldumlaufs gewiß Beachtung verdient, kennt feine Note unter 5 Schilling, die französische Bank gibt keine Note unter 50 Fr., ebensowenig die italienische, und die neue Voriage in der Schweiz bestimmt desgleichen, daß Noten unter 50 Fr. nicht ausgegeben werden dürfen. Vorübergehend die Ausgaben kleiner Appoints zu genehmigen, würde ein Ausweg sein; aber der Vorschlag der verbündeten Regierungen geht dahin, aub in gewöhnlihen Zeiten die Reichsbank zu berechtigen, Bank- noten von 20 # in beliebiger Höhe auszugeben; und dabei ist noch in Aussiht genommen, die ganzen vorhandenen 120 Millionen Reichékassen\heine in Appoints von 10 und 5 Æ zu verwandeln. Das kann man do nicht anders nennen als eine Uebershwemmung tes Verkehrs mit kleinen Papiersceinen von 5, 10 und 20 Æ Eine solhe höchst gefährlihe Ueberschwemmunç unseres Verkehrs mit Papier kann und werde ih nit billigen. Die Begründung beschränkt \ich lediglich auf das Verkehrsbedürfnis, kein anderes Motiv wird auch nur angedeutet. Ih kann nach wie vor ein solhes Verkehrsbedürfnis niht anerkennen. Fast immer befinden ih 30 Millionen Kassensheine im Beftande der Reichébank, also der volle vierte Teil des gesamten Betrages, für mih ein Beweis, daß ein Verkehrsbedürfnts nicht existiert, besonders niht na der Zunahme des noch sehr viel größerer Ausdehnung fähigen Scheck- und Giro- verkehrs und rah der vielseitigen Ausbildung des Postzablungé- rerfehrs. Ich stimme auch für die Verweisung der Vorlage an eine besondere Kommission von 14 Mitgliedern. E Abg. von Kardorff (Rp.): Ich stehe der Vorlage gegenüber im ganzen auf demselben Standpunkt wie der Abg. Büsing. Ich kann das Verkehrsbedürfnis nicht anerkennen, aber ich halte die Vorlage nit für fo gewaltig wihtig. Erwarten Sie nur nit von ihr, daß dadurch der Goldvorrat der Bank verstärkt werden würde. Wenn überhaupt die Reichsbank im Sinne gehabt hätte, ihre Goldvorräâte zu erböben, so bätte fie das längst fertig bringen müssen. Während die Goldvorrâte der französishen und der deutschen Reichsbank im Jahre 1889 noch ungefähr gleich waren, ist derjenige der franzöfischen Bank heute dreimal fo stark. Der Präsident meint, ein Goldvorrat fönne sogar mitunter eine Last sein, und verwies auf England, aber England hat eine Privatbank; bei uns hat die Reichsbank nationale Zwette zu erfüllen. Ich habe mich über die Zustände in unserer RNeichébank {on 1899 ausgesprohen. Ich kann mi beute auf jedes Wort beziehen, das ih damals gesagt habe. Aufgabe der Reichsbank soll es sein, billige Diskontsäße dem Lande möglichst zu erhalten, den Goldbestand möglihst hoh zu erhalten und möglihit zu vermehren, denn erstens wirft der hohe Goldbestand auf niedrige Diskontsäße zurück, und zweitens sind die Kurse der Anleihen höher als bei der entgegengesetzten Politik, die der Präsident Koch verteidigt. Wenn Rußland niht den ungeheuren Goldshaß gebabt hätte, den es noh bis vor furzem batte, so wäre es ihm niht mögli ge- wesen, seine Anleihen unterzubringen, wie es taisächlih ge- heben ist. Es muß doch aber jeder wünschen, daß unsere deutshe Reichtanleihe nicht zu einem o niedrigen Kurse aus- egeben wird. Das Deutshe Reih is unbedingt wirtschaftlih be er, als es im Kurse seiner Anleihen zum Ausdruck kommt. Daran ift der außerordentlich niedrige Goldvorrat huld. Es ist darauf hingedeutet worden, die Reichsbank sei niht für Krieg8zeiten da, aber Frankreih hat rund vier Milliarden Goldreserven, während wir noch_ nicht eine Milliarde besizen. Die deutsche Landwirtschaft ist allerdings imstante, da Land au in Kriegézeiten mit Lebenê- mitteln zu versorgen, aber es gibt in Kriegszeiten noch andere Ausgaben, die heute bei den größeren Armeen unendlih viel böôher find als früher. Was den Einwand betrifft, daß die hochentwidckelte äIndustrie so ungeheuere Ansprüche gestellt habe, so habe ih {on früber ausgeführt, daß mir das französishe System viel zweck- entsprehender erscheint, wobei die Bank es in der Hand hat, mit dem Golde zurückzuhalten. Frankreich hat seine vier Milliarden in Gold behalten, als der französijche Geldmarft dur etwa 11 Milliarden russisher Anleihe in Anspruch genommen war. Mit seinen jetzigen

Erfahrungen hat der Reichsbankpräsident vollständig Bankrott gemacht