1906 / 20 p. 6 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 23 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

(Sebr richtig! rechts. Widerspruch links.) mit seinen Ansichten ewiß. Wenn er es niht einmal fertig gebraht hat, unseren

oldvorrat auf eine Milliarde zu erböben, so ist eben das fran- ¿ôsishe Banksystem besser. Der Staatssekretär meinte, die Reibsbank wärekeine reine Aktiengesellschaft, sondern ein Staatsinstitut und stände unter ftaatliher Aussicht, aber die leßte Diskonterhöhung wurde festgestellt dur die Aufsichttbehörde gegen den - Widerspruch des Zentralaus\chu}ses der Bank; von den Vertretern der Groß- banken will ih absehen, aber ob die Aufsichtsbehörde mehr Einsicht besessen hat als der Zentralaus|chuß, will i dahingestellt sein lassen. England hat die ungebeuersten Refsourcen, so daß man es mit einem anderen Lande der Welt niht vergleichen kann. Nach einem englischen Bericht betragen die Bezüge Englands von den Vereinigten Staaten an Zinsen, Dividenden, Geschäftsanteilen u. dergl. 85 Millionen Pfund. Ich würde geneigt sein, der Vorlage zuzustimmen, wenn die Banknoten über 20 Æ fallen gelassen und die Vorlage auf die über 90 & beschränkt würde. Aber nur unter der Vorausseßung, daß ein anderer Geist in unsere Bankverwaltung einzieht, als er bis jetzt dort geherrs{cht hat.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Innern, Staatsminister Dr.Grafvon Posadowsky-Wehner:

Meine Herren! Ih möchte einige Behauptungen zu widerlegen suchen, die im Laufe der Verhandlung aufgestellt sind.

Der Herr Vorredner, der übrigens, wie ich bemerke, toch grundsäßli*Þ auf einem wesentlich anderen Standpunkte der Vorlage gegenüber zu stehen \cheint als sein Fraktionsgenosse Herr Dr. Arendt, hat behauptet, daß der auch von mir be- dauerte zu niedrige Kurs unserer Reihs- und Staatspapiere darauf berube, daß unsere Goldreserve der Reichsbank zu shwach sei. Ih glaube, in dieser Beziehung befindet ch Herr von Kardorff im Irrtum. Jh stimme mit ihm darin vollständig überein, daß der Kurs unserer Staatspapiere gegenüber ihrem inneren Wert viel zu niedrig ift, und habe dasfelbe Gefühl des Bedauerns darüber wie er. Aber die Ursacke der Erscheinung ist eine andere. In anderen Staaten bestehen ganz bestimmte Vorschriften, die die öffentliben Kassen®* und Institute zwingen, einen erheblihen Teil ibres Vermögens in Staats- papieren anzulegen. Dadurch baben die Staaten, die bessere Kurse für ihre Staatépapiere erreichen, und die ebenso wie wir gezwungen find, fortgeseßt Anleihen an den Markt zu bringen, einen sicheren, allzeit bereiten Käufer, der nit nur willig ist, die Staatspapiere zu kaufen, fondern der hierzu kraft geseßliher Bestimmungen gezwungen ist, und dieses Beispiel der öffentlihen Kassen und Institute, den er- heblihsten Teil ihres Vermögens in Titres des Staats anzulegen, wirkt auch auf die privaten großen und kleinen Kapitalbesizer im Lande zurück. Deshalb ist in anderen Staaten auch die Neigung viel größer, Vermögen in Schuldtiteln des eigenen Staats anzulegen, als exotishe unsichere Papiere zu kaufen. Darauf berubt meines Er- ahtens auch der wesentlich höhere Stand der französishen Rente gegenüber dem Kurs unserer Neichsanleihen.

Ih kann auch in einer weiteren Beziehung dem Herrn Abg. von Kardorff niht ganz recht geben. Die Goldreserve Frankreihs hat nicht 4 Milliarden betragen, sondern der Dur(hschnitt der franzö- sishen Goldreserve im Jahre 1905 wxr nur 2 Milliarden 800 Millionen Frank, also doch fast 14 Milliarde niedriger, als er annimmt. Aber darin kann ih ihm völlig beipflihten, daß eine bobe Goldreserve allerdings in ernsten Zeiten eine sehr wichtige und entscheidende Rolle spielen kann. (Sehr richtig! rets.)

Gegenüber dem Herrn Abg. Kaempf befinde ih mich, glaube i, be- züglich des Wesens der Banknote und des Schecks nit in einer wissen- \chaftliBen Difsonanz; ih habe nur ausführen wollen, daß Scheck und Banknote in der Beziehung einen ähnlihen oder gleihen Charakter haben, daß sie beide ein fundiertes Kreditgeld sind; der Unterschied besteht nur darin, daß allerdings die Fundierung der Bank- note auf ganz anderen Grundlagen beruht als di& Fundierung des Scheck8.

Es ijt in der Debatte immer wieder darauf zurück- gekommen, daß wesentlich Gründe der Erhaltung unserer Goldreserve bei Erlaß des Münzgeseßzes und des Reichsbank- geseßes dafür gesproWen hätten, keine Banknoten unter 100 4 auszu- Wenn Sie aber die Verhandlungen, die seinerzeit hierüber geführt worden find, und die Neden nachlesen, die von hervorragenden Führern bei Beratung jener Gesez2 gehalten find, so werden Sie finden, daß der Grund für die hohen Banknotenappoints ein anderer war, näâmlih der, daß vor Erlaß des Reihsmünzgeseßes und des Reichébankgesezes in Deutschland 140 verschiedene Sortzn Papiergeld bestanden, und daß man mit dieser gefährlichen Vielscheckigkeit von Papieren, deren Wert zum Teil auch höhst zweifelhaft war, einmal energisch aufräumen wollte. Aber die damaligen Führer der Parteien haben {on anerkannt, daß, wenn erst einmal aufgeräâumi sei mit dieser buntsheckigen und gefährlihen Papier- wirtschaft, kein Bedenken vorliege, au von diesem Goldpurismus wieder abzugehen und auch kleinere Banknoten im Interesse des Ver- kehrs auêëzugeben.

Was \{li{lich die Staatsaufsicht betrifft, so müssen Sie doch zugestehen, daß {on die ganze Konstruktion der Reichsbank in ibrer inneren Natur wesentlich anders ist, als bei einer Aktien- gesellschcaft. Der Herr Abg. von Kardorff hat das meines Er- achtens selbft anerkannt, indem er sagte: die Bank ist nit nur ein Geldinftitut, sondern sie hat auch wichtige patriotishe Aufgaben zu erfüllen. Meine Herren, daß die Staatsaufsiht auch nit allwissend

[lfommen ist, gestehe ih Ihnen gern zu; aber ih muß doch sagen, die Vorschläge, die b-i der lezten Revision des Bankgefetzes aemaht wurden, die Anträge, die gestellt wurden behufs einer anderen Organisierung der Bank, haben den verbündeten Regierungen nit die Ueberzeugung einflößen fönnen, daß die Bank besser fundiert sein würde und ihre wirtshaftlichen und patciotishen Aufgaben wirk- samer lôsen könnte, wenn jeñz Anträge angenommen wären.

Reichsbankpräsident Dr. Koh: Die fortgeseßten persönlichen Angriffe des Abg. von Kardorff nötigen mi, einige- Worte zu fagen. Seine Gegnershaft rührt {hon von der Zeit her, wo er mit derselben Emphase für die Doppelwäßrung und die Aenderung des Bankge)ctes eintrat, wobei er kläglih unterlegen ift. Wenn er einen anderen Geist in der Bankverwaltung ge- wünst hat, so gebe ih ihm den Wunsch zurück, daß ex es aufgeben möge, dur seine Auéführurgen den Neihétaz über das Bankwesen irre- zufübren. Der Abg. von Kardorff wünschte, die Bank bätte für einé noch stärkere Goldresez1ve sorgen follen. Ih wäre ihm danktar, wenn er nur au die Mittel angegeben bâtte, dies zu erreihen. Man fann Gold nicht immer faufen, und wenn wir fünstlihe Mittel anwenden würten, mehr Gold bereinfubefommen, so würde das nur vorübergehend belfen. Der Metallvorrat ift nur ein Faktoc in der Diskontpolitik. Der Redner, der von nun an im einzelnen unverftändlih bleibt, bringt im Laufe seiner Auéführungen einen Bericht dec Handelskammer (fen zur Verlesung, und knüpft daran die Bemerkung, daß an die Auéführungen

ph on geven.

Staatssekretär des «

S Berichts diejenigen der Redner gegen die Vorlage nicht heran- reichten.

Abg. Dahlem (Zentr.): Ih kann mi nur den Ausführungen des Abg. Gamp anschließen, daß die Diskonterhöhung den Handelsverkehr in große Verwirrung gebraht hat. Der vorliegende Gesetzentwurf jedo at nit entfernt die prinzipielle Bedeutung, die ihm von ver- \hiedenen Seiten gegeben worden ist. Die Frage ist eine rein praktishe, und ih persönlih bin der Ansicht, daß die Vermehrung der Umlaufsmittel für den Verkehr erwünsht ist. Die Frage des Bimetallismus oder der Goldwährung hat damit nichts zu tun. Es wäre aber empfehlenéwert, eine Höchstsumme anzunehmen, bis zu der die vorgeshlagenen Banknoten ausgegeben werden können. Wenn der Staatssekretär auf der einen Seite sagte, daß die Reichskassenscheine und die Banknoten vermehrt werden könnten, so meine ih, es muß Vorsorge getroffen werden, daß der Verkehr hierunter nicht leidet.

Staatssekretär des Reihsshaßamts Freiherr von Stengel:

Dem Herrn Vorredner möchte ih erwidern, daß von einer Ver- minderung des Gesamtwertbetrags der Reichskassenscheine nicht die Rede sein kann, sondern nur von einer anderen Gestaltung der Appoints. Wir werden die Stückelung anders gestalten; wir werden bei den 120 Millionen verbleiben und nur an die Stelle der Fünfzig- mark- und der Zwanzigmarksheine Scheine anderer Gattung treten laffen : wir werden Zehnmarksheine neu ausgeber. und die Zahl der Fünfmarksheine noch etwas vermehren. Aber davon, daß der Gesamtwertbetrag der Kafsensheine eine Verminderung zu erfahren hâtte, kann niht wohl die Rebe sein, und ih glaube au nit, daß man das aus meiner vorhin hier gehaltenen Rede hälte folgern können. -

Abg. Mommsen (frs. Vgg.) : Der Abg. von Kardorff hat gemeint, ih bâtte natürlih die Reichébankverwaltung hier verteidigt, denn als Vertreter der Großbanken hätte ih natürlich keinen Grund, dem Reicht bankpräsidenten zu widersprehen. Ich stelle dem e die Beurteilung darüber anheim, ob es richtig ist, mir zu insinuieren, daß ich mich durch meinen Privatberuf in meiner Stellungnahme zu einer sahlichen Frage beeinflufsen lasse. Jch lasse mih nur durch meine Erfahrung bestimmen und bedauere, daß wir mein jugendliches Alter im Neichstage verbietet, dem Abg. von Kardorff mit derselben Deut- lihkeit zu erwidern, wie es der Reihsbankpräsident getan hat. Der Abg. von Kardorff hat die Bank von Frankreih mit der Rei{sbank ver- glichen. Dieser Vergleich ist absolut ungeeignet. In Frankreich läuft verschwindend wenig Gold um, bei uns ist das anders, und deshalb baben wir natürli einen geringeren Goldbestand in der Reichsbank. Daß der Zinsfaz bei uns nicht so niedrig ist wie in Frankreich, ist nah meiner vollsten Ueberzeugung mit einer gewissen Genugtuung und Freude zu begrüßen. Es ist ein Zeichen, daß bei uns sehr viel mehr in Industrie und Handel gearbeitet wird wie in Frankrei.

Abg. Dr. Mar cour (Zentr.): Ich glaube, daß gerade die Budget- kommisfion die geeignetste ist, diese Frage sahkundig zu prüfen, denn sie ist die einzige, die sich Jahr für Jahr mit der Neichébank zu be- schäftigen hat. Eine Vershleppungspolitik haben wir mit unserem Antrag niht bezweckt. Nachdem aber Widerspru erhoben worden ist, ziehen wir diesen Antrag zurück.

Abg. Dr. Arendt (Rp.): Dem Abg. Mommsen erwidere i, daß schon feine Parteistellung genügt, um ihn zu der Stellungnahme zu bringen, die er in dieser Frage einnimmt. Je unkultivierter ein Land, um fo höher ist sein Zinsfuß, Jn Mexiko be- trägt er 12, in Brasilien 18 9%. Der Reihsbankpräsident hat meinem Freunde von Kardorff nicht deutli, fondern grob geant- wortet. (Präsident Graf von Ballestrem: Der Ausdruck „grob“ geornntes einem Mitgliede des Bundesrats ift unzulässig.) Der

eihsbankpräsident meinte, der Abg. von Kardorff sei in dem Streite um den Bimetallismus kläglich unterlegen. Ih will nur sagen, das ist unböflih. Es is aber auch gar keine Rede davon, daß der Abg. von Kardorff oder der Bimetallismus in dem Streit kläglich unterlegen find. Nachdem alle Parlamente der Welt, alle großen Staaten sich davon überzzugt hatten, daß die internationale Wieder- einseßung des Silbers erforderli sei, wurden dur die Zunahme der Goldproduktion jene widtigen Gründe für “die Wiedereinsetzung des Silbers hinfällig. Das konnte aber früher niemand voraus- sehen, und der Staatssekretär war sehr im Unreht, wenn er vorhin ausfprach, daß wir uns auf zweifelhafte geologische Autoritäten ftüßten. Ih habe mich auf den Profeffor Sueß berufen, und das ist einer der ersten Männer der Wissenschaft. Die Ansichten des Professors Sueß sind auch nur dadur widerlegt worden, daß die moderne Technik Fortschritte gemacht bat, die weder er noch ein anderer voraussehen konnte. Die Klagen, die uns bver- anlaßt haben, in einen Kampf gegen die Goldwährung einzutreten, haben aufgehört, feit der Goldmangel aufgehört hat. Wie oft hat der NReichsbankpräsident die Silberentwertung auf die Zunahme der Silberproduktion zurückzesührt. Danach hätte auch heute cine un- endliche Entwertung des Goldes eintreten müssen. Ih muß es zurück- weisen, daß der Reichsbankpräsident den Bericht der Handelskammer in Efsen in einer folhen Weise über das Urteil von Mitgliedern des Neichstags stellte. Das war jedenfalls unhöflich und eine Sprache, an die wir im allgemeinen in unseren Verhandlungen mit dem Bundesrat niht gewöhnt sind. Ich bin der Meinung, daß bei einer ridtigen Leitung die Reichsbank wohl in der Lage ist, auf dea Goldbeftand einzuwirken. Wir haben heute einen sehr erbeblihen Widerspru in den Worten des Reichsbankpräsidenten und denen des Staatssekretärs Grafsn Non Op gehört. Dieser \prach sehr rihtig von dem hoben Werx einer starken Reserve, während der NReichsbankpräsident fogar davon spra, daß unter Umständen das gar nicht würshenë2wert fei. Jn einem Schreiben vom 14. Juli 1898, das von ihm unterzeichnet ist, ist das sehr deutli ausgesproden. Es beißt darin, es sei nit abzusehen, wozu eine bedeutende Vergrößerung des Goldbestandes der Reichsbank dienen solle, um so weniger, als eine Dts des Diskonts verlangt werde. Jch halte es für äußerst edenklich, bei jeder Aufwärtsbewegung der industriellen Entwilung gleih wieder \tôörend dur hohe Diskontsäge cinzuareifen. Dem Grafen Posadowétky kann ih nit folgen in seiner Auffassung über den Kurs der Staatêpapiere. Der Disfont ist nicht der einzige Maßstab, nah dem sih der Zinsfuß der Staatspapiere ricktet, aber man kann niht leugnen, daß er von sehr großer Bedeutung dafür ist. Wenn jeßt bei Beginn des Jahres der Diékont der Reichsbank 6 9/9 beträgt, und die Privatbanken täglihes Geld bis zu 34 % vergüten, fo wird sich das Publikum niht beeilen, 3% Staatépapiere zu kaufen. Ich hake die Reichsbank nicht diskreditiert, sondern nur gesagt, daß die Balkarsstaaten einen ähnlihen Diskont haben wie Deutshland. Das ist allerdings disfreditierend für die Reichsbank, aber nur die Tatsache, und für die kann ich nichts. Deutshland hat am s{chle{testen von allen Ländern dabei abgeschnittes, und das muß an der Leitung der Reichébank liegen. Die Auszahlung des Lohns ia Form von kleinen Banknoten ist das ungeeignetste Mittel, das man si denken kann. In der jeßigen Form ist das Geseß für uns unannehmbar. Möglicher- weise kann eine Limitierung gefunden werden, welch2 die Bedenken abshlägt.

Stellvertreter des Reichskanzlers, Staatssekretär des Jnnern, Staatsminister Dr. Graf von Posadowsky-Wehner:

Der Herr Abg. Arendt hat behauptet, nur durch die fortgeschrittene TeGnik in der Gewinnung von Gold sei es mögli gewesen, die Goldvorräte der Welt so erheblih zu bereihern. Darin hat der Herr Abg. Arendt durchaus recht, daß wir durch das moderne Verfahren Goldmassen gezogen Haben aus dem goldhaltigen Ge- stein, die wir früher nicht auslêsen fonnten. Aber die Vehauptung, auf die ich Bezug genommen habe, war eine ganz andere. Ih habe gesagt ih hab absichtlich keine

sei vollkommen ausgeshlofsen, noH neue Goldlager iu finden (Sehr richtig ! links.) Ob man ein Goldlager nather reiher oder infolge shlehterer Technik geringer ausbeuten kann, das ift eine Fr

für sih. Das war aber nicht der Streitgegenstand, sondern es wurde behauptet, nah der ganzen Kenntnis der geologischen» Verhältnisse sei es völlig ausgeshlossen, noch neue Goldluger zu entdedcken, dai Eldorado sei vergeben. Also die Behauptung des Herrn Abg. Arendt widerspricht keineswegs der Feststellung, die ih gemacht habe. Und darin, meine Herren ih habe allerdings die Ansicht nie geteilt haben si die Gelehrten, die jene Behauptung -aufgestellt haben, auf allergründlihste getäusht. Diese TatsaYe kann nicht fortgeleugnet werden

Der Herr Abg. Arendt hat auch darauf hingewiesen, daß der Kurs de, Staatspapiere zusammenhinge mit der Höhe des Diskonts. Au diese beiden Gesichtspunkte habe ih niht gegenübergestellt, sondern ih babe gefohten gegen die Behauptung, daß die Höhe der Goldreserve an und für sich folch maßgebenden Einfluß auf den Kurs der Staats. papiere hâtte. Sie, Herr Abg. Dr. Arentt, haben in Ihre Erörterungen einen neuen Gesichttpunkt hineingebraht: Sie haben si auf die Diskontpolitik gestüzt. Ich habe mi gestüßt auf die Höhe der Goldreserve, und ih bin au beute noch der Ansicht, daß, wenn die Kurse der Staatépapiere in anderen Staaten wesentlich böber sind als in Deutschland, dafür die Gesetzgebung dieser Staaten maßgebend ist und nit etwa die niedrigere Goldreserve in Deutschland. Lebterer Gesichtspunkt wird beim Ankauf der Staatspapiere, bei Feststellung der Kurse, glaube ih, nicht in dem Maße in Erwägung gezogen, wie Herr Dr. Arendt meint, und ih hoffe deshalb, daß die Vorlage, die jeßt dem preußischen Herrenhause vorliegt, und die einen sehr wesentlihen Schritt zur Besserung auf diesem Gebiet darstellt, die Genehmigung des preußischen Landtags findet.

[Schließlich war vorhin au behauptet worden, wenn ich ret verstanden habe, der Goldbestand im Verkehr wäre in Fränkreidh größer als in Deutschland. Das ist niht rihtig. Der absolute Goldbestand im Verkehr ist in Deutschland um 700 Millionen böber als in Frankreih; aber allerdings auf den Kopf der Bevölkerung fällt im Verkehr in Frankreich ein höherer Goldbestand als in Deutsch, land. (Zurufe rechts.) i

Damit schließt die Diskussion.

_ Abg. von Kardorff (persönli): Der Reichsbankpräsident hat mir versiGert, er chäße meinen Jntellekt sehr gering ein. Ich muß mich damit trösten; ih glaube aber, daß meine Ansichten gegenüber dem Reichsbankpräfidenten im großen deutschen Publikum mehr Anklang finden als die seinigen.

Die Vorlage wird darauf einer besonderen Kommission von 14 Mitgliedern überwiesen.

Um 51/2 Uhr tritt das Haus dann in die erste Beratung der Entwürfe eines Geseßes über den Versicherungs- vertrag, eines zugehörigen Einführungsgeseßes und eines Ge- seßes, betreffend Aenderung der Vorschriften des Handels: gesezbuhs über die Seeversicherung, ein.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Dr. Nieberding:

Meine Herren: Die reihsgeseßlihe Regelung der Vertrags- beziehungen zwischen dem Publikum, - das Versicherungen nimmt, und ¿wischen den Unternehmern, die Versicherungen geben, ist, wie das hobe Haus ja weiß, ein alter Wuns, der auh im Reichstag bei jeder Gelegenkeit lebhaften Widerhall gefunden hat. Wenn die ver- bündeten Regierungen gleihwohl erst jezt dur die gegenwärtige Vor- lage diesem Wunsche entgegenkommen, so will ih die Gründe dafür hier niht erörtern. Jch glaube, meine Herren, wir können uns mit dem Gedanken tröften, daß, wenn es gelingt, auf Grund der Vorlage zu einer Verständigung zwischen dem Reichstag und den verbündeten Negierungen zu gelangen, Deutschland noch immer das erste Land in der europäischen Kulturwelt sein wird, das si einer fodifikatorishen und auf der Höbe der Entwicklung des Versicherungêwesens der neueren Zeit \tehenden Gesetzgebung er- freuen darf.

Meine Herren, für denjenigen, der dem Versicherungéwesen etwas ferner stebt, ist es nicht leiht, sich über die wintshaftliße Bedeutung einer folhen Vorlage Rechenschaft zu geben. Ich möMte mir deshalb gestalten, einige Zahlen anzuführen, wele nah dieser Richtung hin eine gewisse Aufklärung geben.

Meine Herren, für die Schäßung der wirtshaftliGen Bedeutung der einzelnen Versicherung8;weige fpielt vor allen Dingen eine Rolle die Höhe der Beiträge, der Prämien und ähnlier Zahlungen, die aus der Tasche der Versicherten -«jährlih in die Kasse der Versicherungs- unternehmer fließen, und auf der anderen Seite die Höhe der Kapitalienwerte, welche als Gegenleistung die Versiherungsunternehmer für den Versicherungsfall bereit stellen müssen, welche also zur eventuellen Deckung der Ansprüche der Versicherten dienen. Wie boch die Jahresbeiträge auf der einen Seite und die Kapitalien- werte auf der anderen Seite sind, das möhte ih mit einigen abgerundeten Millionenzahlen aus den dem bürgerlihen Leben am rächsten stehenden Versicherung8zweige zeigen. Ih reine hiermit die Feuerversiherung, die Vieh- und Hagelversiherung und die Lbens- versiherung. Diese decken ja keineswegs das Gesamtgebiet des Ver- siherungêwesens, das hiec in Betracht kommt, wie sih ja {on ohne weiteres aus unserer Vorlage ergibt. Aber immerhin läßt si daraus ermessen, welhen wirtschaftlißen und rechtlihen Wert es haben muß, auf diesem Gebiet endli zu einer gemeinsamen gesetzlihen Ordnung in ganz Deutschland zu gelangen. Nun, meine Herren, betrugen nach den Er- gebnifsen der leßten Jahre die Jahresprämien bei der Lebenéversiherung rund 202 Millionen jährlich. Die Prämien für die Hagel- und Vieh- verfiherung zusammengenommen betragen jährlich rund 40 Millionen- Für die Lebensversicherung war die Höhe der Prämienbeiträge zur gleichen Zeit rund 406 Milliónen. Das heißt: im Ganzen wurde innerhalb Deutschlands für diese wenigen Versicherungszweige von allen anderen Versichherungszweigen abgesehen in einem Jahre an die Versicherung8gesellshaften und Versicherungsanstalten gezahlt der Betrag von rund 648 Millionen Mark.

Nun, meine Herren, um einen Vergleichspunkt zu bieten, möchte ih auf den Gesamtbetrag der direkten Steuern in Preußen hinweisen. Der Gesamtbetrag der direkten Steuern in Preußen war etatsmäßig geschäßt inf Jahre 1904 auf 220 Millionen, d. h. in Deutschland wurden in einem Jahre von seiten derjenigen, die eine Versicherung

] der gedahten Arten nahmen, für diesen Zweck ungefähr dreimal 19

hohe Beträge gezahlt, als die Gesamtsumme der direkten Steuern in Preußen betrug.

(SWhluß in der Zweiten Beilage.)

Namen genannt daß hervorragende Gelehrte “behauptet haben, es

zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Zweite Beilage

Berlin, Dienstag, den 23. Januar

1906.

V 20. L R

(Sluß aus der Ersten Beilage.)

Umgekehrt, was die Gesamthöhe der Versicherungswerte betzifft, so betrugen diese zu gleicher Zeit bei der Feuerversiherung rund 113 Milliarden, bei der Hagel- und Viehversicherung rund 3 Milliarden, bei ter Lebensversiherung über 9 Milliarden, d. h., die Versicherungs- gesellchaften mußten für die Bereitstellung diefer Milliarden Mark im Betrage von rund 125 soweit sorgen, als erfahrungsmäßig nötig is, um eintretenden Falls den Ansprüchen der Versicherten gerecht werden zu. können. Um auch hier eine Vergleihung Ihnen zu bieten, weile ih auf die preußischen Staatsschulden hin. Im Jahre 1903 betrug die preußishe Staats\huld 74 Milliarden, d. h. mit anderen Worten : die Versicherungsgesellshaften und Versicherungsanftalten ¡usammen waren auf dem Gebiet der Lebens-, Feuer-, _Hagel- und Viehver, sicherung ju Gunsten der Versicherten ziffernmäßig mit einer Schuld belastet, die auf das 17 fache der preußischen Staatsschuld hinaufging. Natürlich ist, das liegt im Wesen der Versicherung, diese Schuld nicht in ihrer ganzen Hôhe zu realisieren. Immerhin beweisen diese Zahlen die hohe wirtshaftlihe Bedeutung der Versicherung und zeigen, welcher Wert auf eine übereinstimmende geseblihe Regelung dieser Betriebs- ¡weige in unserem Vaterland zu legen ist.

Soll ich ‘nun den Inhalt der Vorlage kurz charakterisieren in Beschränkung auf den Hauptgeseßentwurf, der in der ganzen Gesetzes- vorlage das Schwergewicht bildet, so glaube ih, darf ich fagen, daß der Entwurf, abgesehen von einer Anzahl oxganifatorischer Be- slimmungen und einer Anzahl von Grundsäßen mehr allgemeiner ge- {äftliher Natur, im wesentlihen eine Zusammenfassug derjenigen Bedingungen enthält, unter welchen die Gesellschaften mit ibren Versicherten grund\säßlih die Verträge abschließen, d. h. eine Zusammenfassung der allgemeinen Versicherungsbedingungen, die jedes Versicherungëunternehmen benußt, die jedem Verirag zu Grunde gelegt werden, die im allgemeinen auch als Teile des Vertrags in diesen übergehen. Diese Vorschriften sind aber nah dem Entwurf grundsäßlih niht zwingender Natur. Die Gesellshaften sind nit verpflichtet, sie für ihren Geschäftsbetrieb zu benußen. Nur insoweit, als sie selbst feine abweihenden Bestimmungen treffen, finden die Vorschriften des Gesezes Anwendung. Das enispriht dem Standpunkt des Bürger- lien Geseßbuhs in denjenigen Bestimmungen, die das allgemeine Vertragsrecht regulieren. Es is juriftisch konsequent, daß wir auch für das Versicherungswesen diesen Standpunkt akzeptieren; denn der Versicherungêvertrag ist nihts anderes als eine Ergänzung der Bestim- mungen des Vertragsrehis des Bürgerlichen Geseßbuhs in Anwendung auf die besonderen Verhältnisse des Versicherungswesens. Es ift aber au wirtshaftlich geboten, auf diesem Standpunkt des Bürgerlichen Gesezbuhs innerhalb des Versicherungsrechts zu bleiben, denn eine absolute Festlegung der Bedingungen, unter denen Versicherungen ge- {lossen werden dürfen, würde nihts anderes bedeuten als den Tod für die weitere Entwickelung unser:28 Versicherung8wesens. Nun erhält aber der Versiherungsvertrag in der Praxis sein eigenes Ge- präge dadur, daß etn Versihherer für ganz gleichartige Fälle si mit einer außerordentli großen Anzahl von Versicherten benehmen muß. Infolgedessen würde, wenn in den Kreisen der Versicherten nicht streng die Versiherungsbedingungen eingehalten würden, die Grundlage zer- rüttet werden, auf denen der ganze Versicherungsbetrieb beruht. Die Gesellschaften müssen darauf rechnen dürfen, daß die Bedingungen des Versiherungsvertrags streng und treu von den Versicherten ein- gehalten werden ; denn, wenn das nit geschieht, wird die Kalkulation des Risikos, das die Gesellschaften übernehmen, vollständig unter- graben, und wenn das eintritt, dann bleibt für die Versicherungs- gesellshaften niæts anderes übrig als entweder ihre geschäftlihen Reserven anzugreifen, was nicht lange mögli bleibt, oder die Prämien zu Lasten der Versicherten zu erhöhen. Die Einhaltung der Versicherungsbedins gungen ist also ein sehr wichtiger Faktor in dem Versicherungébetrieb, und man kann es den Versicherungsunternehmungen, soviel Vorwürfe ihnen in dieser Beziehung auch gemacht werden, nicht verdenken, wenn fie, um die Grundlagen ihres Betriebs unberührt zu erhalten, an die Verlegung der Versicherungsbedingungen strenge Rechtsfolgen zum Nadhteil ter Versicherten knüpfen.

Auf diesem Standpunkt, meine Herren, steht auch der Entwurf, aber es kommt hierbei doch eins in Betracht. Die Erfahrungen haben bewiesen, daß die Versicherung®gesellshaften die Forderungen, die in dieser Beziehung mit Recht an die Versicherten gestellt werden können, vielfach zu weit treiben, und daß damit Verschärfungen in den Beziehungen zu den Versicherungsnehmern herbeigeführt werden- die niht nur in unbilliger Weise dem cinzelnen Versicherten sehr nah- teilig werden können, sondern, wenn sie in größerem Umfange play- greifen, auch sozialpolitisch bedenklih wirken müssen. Deshalb hat es der Entwurf füx unerläßlich gehalten, von den allgemeinen Geschäfts- bedingungen, die er aufstellt, einen Teil zu zwingendem Recht zu maden, d. h. zu solchzn Vorschriften, von denen auch die Ver- siherungsgesellshaften im Wege des Vertrages mit Zustimmung der Versichzrten nicht abgehen können.

Meine Herren, in der Oeffentlichkeit ist gegen diese Vorschriften des Entwurfs vielfa Einspruch erhoben worden, vor allem im Namen der Versicherungsgesellshaften. Aber eine Geseßgebung, die auf diesem Gebiete den Ansprüchen der Billigkeit gerecht werden und einen auf die Dauer haltbaren Zustand hafen will, kann niht anders als nah

dieser Richtung hin die Willkür der Versiherungsgesellshaften ein-'

schränken. Die verbündeten Regierungen sind sich darüber klar gewesen, daß diese zwingenden Vorschriften in mancher Beziehung tief und empfindlich in den gegenwärtigen Geschäftsbetrieb der Ver- sicherungsgesellshaften eingreifen. Aber sie geben sich der Erwartung hin, daß die Versicherungsgesellshaften das Notwendige solcher Be- stimmungen gleiwohl erkennen werden ;- sie sollen sich erinnern, daß der großen Machistellung, die sie in dem wirtschaftlichen Leben Deutschlands besißen, auch hohe Pflichten entsprehen, und daß das Versicherungswesen bei uns niht bloß einen Komplex wirtshaftliher Unternehmungen bildet, bei denen Geschäfte

in gemaht werden sollen, sondern daß es, / wenigstens wichtigen Gebieten, eine fozialpolitishe Institution ist, die auf dem Leid und dem Unglück der Bevölkerung aufgebaut ift.

Meine Herren, wenn ich nun noch den Umfang des Entrourfs kurz \fizzieren soll, so kann ih sagen: der Entwurf will eine Kodi- fikation sein, er will das deutsche Versicherungsreht ershöpfend regeln; er will demgemäß grundsäßlich sämtliche Versicherungsbetriebe um- fassen. Aber wir sind genötigt gewesen, nah diefer Nichtung hin in Rücksicht auf die tatsählihen Verhältnisse eine gewisse Zahl von Ausnahmen zu mahen und das ist der zweite Punkt, gegen den in der Oeffentlichkeit hon bei der Beurteilung des Vorentwurfs, der der Vorlage zu Grunde liegt, Vorwürfe erhoben wurden. Ih mölhte mir deshalb erlauben, kurz die Gesichtspunkte darzulegen, die uns bestim:nt haben, gewisse Ausnahmen zu machen, nach denen die Ver- sicherungsbetriebe dem Geseze entweder gar nit oder doch manchen Be- stimmungen des Gesetzes nicht unterliegen sollen. Meine Herren, unter denjenigen Versihherungsbetrieben, welhe vollständig von dem Entwurf ausgeschieden sind, steht in erstex Reihe die Seeversicherung. Die. Seeversicherung is reihsrehtlih geregelt im Handel8geseßbuh: Sie bedarf einer neuen reichsrechtlihen Regelung im allgemeinen nit, sie wird einer solhen nur insoweit bedürfen, als es \sich darum handelt, die Bestimmungen über die Seeversicherung des Handelsgesezbuchs in Einklang zu bringen mit den Bestimmungen dieser Vorlage.

Der zweite Versicherungsbetrieb, der vollständig von der geseß- lihen Regelung ausgeschlossen bleiben soll, ist die Rückversicherung. Die NRükoersicherung spielt sih ab zwischen Versicherern und Versicherern ; Versicherte \ind dabei nicht beteiligt. Die Versicherung8geselishaften {ließen diese Verträge unter sh. Das Handelsgeseybuch_ und das bürgerlide Recht bieten für diese Transaktionen die vollständig zureichenden Grundlagen, um ein zweifelfreies und angemefsenes Vertragêverhältnis zu \chafffen, und wir find der Meinung, daß die in solhem Geschäftsbetriebe tätigen, durchweg sehr sahkundigen Leute auf Grund dieser allgemeinen Rechtsbestimmungen am besien die Be- dingungen und Formen finden werden, um hier befriedigende Vertrags- verhältnisse sicher zu stellen. Aus diesem Grunde haben wir darauf verzichtet, die Rückversicherung in den Entwurf einzubeziehen.

Drittens haben wir niht einbezogen diejenigen Versicherungs- zweige, die mit der Arbeiterversiherung in enger Beziehung stehen: die Innungskassen, . die Knappschaftsversiherungekafsen und die allgemeinen Hilfskassen. Wir stellen uns damit auf den Standpunkt, den die Regierung und der Reichstag schon bei der Beratung des Aufsicht8gesezes für das Privatversißerungswesen vom Jahre 1901 eingenommen haben, indem dieses Geseß die ge- nannten Versicherungskassen ebenfalls niht in sich begreift. Diese Versicherungseinrihtungen, die im wesentlihen gewerbliher Natur find, nähern sih den Einrichtungen, die das öffentliche Recht bei uns für die Arbeiterversiherung geschaffen hat, und foweit sie nicht bereits eine geseßlihe Regelung - gefunden © haben, wird dies besser und angemessener im Wege einer Sondergeseßgebung geshehen als im Wege ter Aufnahme in diesen Gesetzentwurf. Endlich, und zwar nicht aus diesen mehr äußeren Gründen, fondeérn vermöge der inneren rechtlihen Natur der Verhältnisse, sind von dem Eatwurf vollsiändig eximiert geblieben gewisse Zwangsversicherungs- verbältnisse, die sih bei einer allerdings verhältnismäßig geringen Anzahl öffentliher Versiherungsanstalten finden und die sh im wesentlichen auf die Gebäude, auf deren Versicherung gegen Feuer- äden beziehen. Es handelt sich hier um eine Anzahl älterer Be- triebe von mehr oder weniger lokaler Beschränktheit, gewöhnlich anges{lofsen an die Verwaltungseinrihtungen einzelner Kommunen, einzelner Landschaften oder Provinzen; bei ihnen tritt die Versicherung nicht ein auf Grund eines . Versicherungsvertrages, sondern auf Grund des Geseßes; z. B.: Jemand erwirbt in einem Orte, in dem eine Zwangsgebäudeversicherung besteht, ein Haus; dann muß er sch der Versicherung unterwerfen, ohne daß sein Wille in Betracht kommt, vermöge der Pflicht, die das Gesetz ihm auferlegt. Weil das Geseß hier entscheidend ist und nicht der Wille der beteiligten Parteien, handelt es sh nicht um einen Vertrag, und weil es sich niht um einen Vertrag handelt, können wir die Ordnung dieser Verhältnisse nicht aufnehmen in einen Gesetz- entwurf, der si lediglich mit dem Vertragswillen der Parteien und der Regulierung des darauf beruhenden Vertragsrechts beschäftigt.

Das, meine Herren, sind diejenigen Versicherungszweige, welche von dem Entwurf vollständig ausgeschieden bleiben \ollen. Jch fomme nun zu dem zweiten Teil der Ausnahmen, das sind diejenigen Ausnahmen, durch welche gewisse Zweige

tes Versicherung{wesens dem Gese nicht unterstellt werden sollen soweit das Gese zwingende Vorschriften enthält, d. h. diese Betriebe sollen nah wie vor ihre Geschäfte treiben, ihre Verträge {ließen unter dem Grundsatz der Vertragsfreiheit, von der Erwägung aus, daß nit nur für die Versicherungsunternehmungen, sondern auch für die Versicherten selbst hier die Vertragsfreiheit am nüglicsten ist, wenn die Interessen des Ganzen und der Mitglieder angemessen gewahrt werden sollen. Hier kommen wieder zwei vershiedene Gruppen von Versicherungsbetrieben in Betracht. Zunächst eine Anzahl sehr wichtiger, in ihren Geschäftsbeziehungen ganz Deutshland umfassender Betriebe, die dem kaufmännischen Leben angehören. Dazu gehören die Transportversicherung, die sogenannte laufende Versicherung, eine Versicherungsform, die vielfa und besonders gerade mit den Trans- portversicherungen in Verbindung steht, und endlih die Kredit-, die Kursversicherung und ähnlihe Versicherungszweige, welhe zu dem Bank- und Kreditwesen nähere Beziehungen haben. Alle diese Ver- siherungszweige besißen eine große Bedeutung für den Großhandel, für die Großindustrie, für das Bank- und Kreditwesen, und ver- langen ihrer‘ ganzen Natur nah, daß sie von beengenden Vor- schriften, soweit sie zwiagender Art sind, befreit bleiben. In diesen Versicherungen bedürfen die Versicherten keines be- sonderen geseßlihen Schußes, denn auf diesem Gebiete des kauf-

männischen Lebens gibt es überall Orientierung und Erfahrung genug,

um fich zu shüzen. Die Versicherungtgesellshaften würden aber in ibren Betriebsverhältnifsen außerordentlich geschädigt werden, wenn man sie unabänderlihen Vorschriften unterftellen wollte, die für die mannigfaltigen, wechselnden und vielfa mit dem ausländischen Ver- kehr in engsten Beziehungen stehenden Transaktionen nicht immer passen können.

Neben diesen dem kaufmännishen Leben angehörenden Ver- ficherungsbetrieben gibt es eine andere Gruppe, die ebenfalls von den Vorschriften des Entwurfs, soweit diese die Vertragsfreiheit bes \chränken, autgef{chlossen bleiben sollen, das sind die Verficherungen, die abgeschlossen werden bei den sogenannten öffentlihen Verfiherung8- anstalten. Meine Herren, die öfentlihen Versicherungsanstalten sind Ihnen ja bekannt, sie finden sich fast nur auf dem Gebiete der Schadensversicherung, auf dem Gebiete der Versicherung gegen Hagel- schaden, Viebsterben, vor allem aber auf dem Gebiete der Feuer- versiherung. Als Brandkassenversicherungen, Feuersozietäten, Brands versiherungs8anstalten find sie, soweit fie fich gegen Feuershaden rihten, in ganz Deutschland verbreitet, aber fie haben, in Abweihung von der vorhin von mir erörterten Betriebsgruppe, ein mehr oder weniger öôrtlich beshränktes Geshäftsgebiet, es sind niht allgemein deutsche, fondexn partikulare Unternehmungen, die ets von der öffentlichen Verwaltung, sowohl der Kommunalverbände wie des Staats, be- sonders gefördert und gepflegt wurden. Ihr Ursprung führt zurück auf die Zeiten, in denen die PriyatversicherungsgesellsFaften noch nicht in der Lage waren, allen Bedürfnifsen gerecht zu werden, die in den einzelnen Landeêteilen sh geltend machten. Da ift die Initiative der offentlichen Verwaltungen, der Kommunal-, Provinzial- oder Staatsverwaltungen, eingetreten und hat Versiherungsverbände geschaffen, die neben oder an Stelle der Privatversicherungsgesellshaften den örtlihen Bedürfnissen gerecht werden follen. In neuerer Zeit find nun diese öffentlihen Ver- fiherungsanftalten das ist wohl niht zu bestreiten in vieler Beziehung von den Privatversicherungs8gesellshaften weit überflügelt worden, vor allem in ihrem tehnischen Be- triebe; von dem Umfang des Betriebes will ich gar nicht sprehen, denn es ist ja bekannt, daß die Privatversiherung8gesell- schaften einen viel größeren Anteil an derjenigen Gesamtversicherung, die bier in Frage kommt, besißen als die öffentlichen Anstalten. Aber troß der mancherlei technischen Vorzüge, die hier den Privat- versiherungsgesellshaften eigen find, troß mancher technisch vortreff- lichen Einrichtungen, die in einzelner Beziehung auch nahträglich über nommen worden sind von den öffentlichen Anstalten, kommen doch auch den. öffentlihen Anstalten in ihrem Versicherungsbetriebe manche Vers: bältnifse zugute, die sie für die bei den Anstalten Versicherten befon- ders wertvoll ersheinen lassen. In die dadurch gegebenen, zu Gunsten der Versicherten wirkenden Einrichtungen soll man nicht eingreifen, wenn man nicht das Interesse der Versicherten geradezu s{hädigen will. Hier kommt zunächst in Betracht thr enger Zusammenhang mit der Staats- und Kommunalverwaltung. Viele der- jenigen Funktionen, die bei den Privatversiherungs8gesell- schaften wahrgenommen werden durch besondere Geshäftsangestellte, werden hier wahrgenommen durch Beamte der Gemeinden, der Provinzialverbände oder durch staatliße Beamte. In Verbindung damit haken sh die kommunalen Organifationen auch eine, zum Teil weitgehende Aufsicht über die ösffentlihen Anstalten vorbehalten, greifen gegebenen Falles ein, gewähren aber auch, wenn Notlagen eintreten, in vielen Fällen Hilfe, fogar in der Art, daß Zuschüsse zu den Betriebskosten gewährt werden, fofern ‘in einem unglü@lihen Betriebsjahre die Mittel der Anstalt für die auftretenden Bedürfnisse nicht ausreihen sollten. Hiermit in Verbindung steht es nun andererseits, daß die Anstalten manche Einrichtungen haben \chaffen können, welche die Lage der Versicherten besonders bequem und angenehm mahen ih will nit sagen: besonders vorteilhaft machen, weil ich nit unbedingt behaupten mödte, daß der Beitritt zu einer diefer Anstalten finanziell vorteilhafter wäre als der Beitritt zu den Privatversicherung2gesell- schaften. Anstalten und Gesellschaften, beide haben ihre eigenartigen Vorzüge; aber zweifellos haben die Anfialten, insbesondere auch die Feuerversiherungsanstalten, manche Einrichtungen, die \sich aus ihrer Vergangenheit, wie ih sie eben angedeutet habe, erklären und die sie den Versicherlen sehr wertvoll ersheinen lafsen. In den fleinen Staaten werden diese Einrichtungen von der öffentlichen Meinung als ein besonders wertvoller Besiß ges{chägt. Wollte man diese Einrichtungen beseitigen und das wäre großenteils un“ vermeidlih, wenn man die Anstalten unter die zwingenden Be- stimmungen der Vorlage stellen wollte —, so würde man die Interessen der bei den Anstalten Versicherten empfindlich s{hädigen.

Nun, meine Herren, können wir das Debüt der Neichsgeseh- gebung * auf diesem Gebiete niht damit erfolgen lassen, daß wir für einen großen Teil der Versicherten, für diejenigen, die zu den öffentlihen Versiherungsanstalten gehören, gradezu eine \{lechtere Lage schaffen, als diejenige ist, in der sie sich jeyt befinden, eine Lage, die dadurch au nicht günstiger werden würde, daß dig Anftalten sich dann in vieler Beziehung den Einrichtungen der privaten Versicherungsgefellshaften anschließen müßten, was sie übrigens nah der Art ihrer ganzen Organifation überhaupt nicht vermöhten. Aus dieser Rücksicht heraus, meine Herren, sind die verbündeten Regierungen der einmütigen Auffassung gewesen, daß es nicht möglih sei, die öffentlichen Versicherungs- anstalten insoweit dem Gesetz zu unterstellen, als dieser Gesetzentwurf zwingende Vorschriften für die Gesellschaften enthält. i

Meine Herren, das sind die Grundsäße, nah denen die ver- bündeten d aas bei der Abgrenzung des Geltungsbereihs des Entwurfs gegangen sind, und ich glaube, wenn man diese von mir angedeuteten Erwägungen ernsthaft überdenkt, wird man anerkennen müssen, daß bei der Abgrenzung des Gebiets derjenigen Betriebe, die überhaupt nit oder die nur in beschränktem Umfange unter dem

Entwurf stehen sollen, objektiv und sahgemäß verfahren worden ist.