1906 / 21 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Jan 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Grofhaudelspreise vou Getreide au deutschen und fremden Börseupläten

für die Woche vom 15. bis 20. Jauuar 1906 nebst entsprechenden Angaben für die Vorwoche.

Zusammengestellt im Kaiserlichen Statistishen Amt.

1000 kg in Mark.

(Preise für greifbare Ware, soweit niht eiwas anderes bemerkt.)

Berlin.

; guter, gesunder, mindestens 712 g das 1 , Wesen " F r 755 g das 1 c Hafer, E L « 450g das1 ,

Mannheim.

s en, Pfälzer, russisher, bulgarisher, mittel . .

Baljen/ Pfälzer rue amerik, rumän., mittel ,

Hafer, württembergischer, mittel . . m L

erfte, badische, Pfälzer, A

Wien. oggen,

ter Boden

eiß-

Roggen, 71 bis 72 kg das hl Weizen, Ulka, 75 bis 76 kg das hl

Riga. Roggen, 71 bis 72 kg das bl .,

O u Ou) n Beien

Paris. lieferbare Ware des laufenden Monats {

Antwerpen. Ba E Donau, mittel Azi O

Weizen

Roggen Weizen

London. Ei (Mark Lane)

rot englisches Getreide, Mittelpreis aus 196 Marktorten (Gazette averages)

Liverpool. russisher

roter Winter- Manitoba

Weizen \ s

Weizen daft |

Beizen

Serste, Futter- { Mais |

effsa amerikan. bunt, neu La Plata

Weizen, Lieferungsware | Mais L

Neu Vork. | roter Winter- Nr. 2 Weizen i Mais o

Lieferung8ware Buenos Aires. Mais | Duréhshnittsware

f

Woche 15./20. Januar

1906

170,67 185,00 163,83

174,50 194,50 166,25 175,75

125,81 164,07 136,02 153,02 127,52

114,42 145,96 126,52 120,29 114,42

115,58 129,69

128,81 133,76

128,37 194,43

138,04 141,69 148,19 152,25 151,68 157,93 155,09) 146,57

I

142,98 138,52

133,32| 132,33| 140,28

| 152,95 148,26 151,55/| 150,14) 151,55) 162,81 149,09

105,18

97,01 112/49

130,36) 135,90 131,12

74,52

|

142,08 142 08 139,00

84,52

124,73

') Angaben liegen nit vor. Bemerkungen

1 Imperial Quarter ist für die Weizennotiz an der Lond duktenbörse = 504 Pfund engl. S u Le aus den Ums en ; ermittelten ittspreise Nes T Is Groos) ist 1 Sia De ür

er = 312, e = 400 d p ú en “= 60, 1 Bushel Mais =— t6" perp Mngesett

an 196 Marktorten des Königr eizen = 480, 1 Bushel Weiz 1 Pfund english = 453,6 g; 2400, Mais = 2000 kg.

aus den einzelnen Tagesangaben

Neu York die Kurse auf Neu auf St. Petersburg, uf diese Plätze, Soldprämie,

89,09

150,46 159,83 147,90

104,67 110/15

129,56 135,33 130,33

146,58 141,96 137,92

124,73

fund engli 1 Last Roggen = 2100, W “ay

Bei der Umrechnung der Preise in Reihswährung sind die j im „Reichsanzeiger“ wöchentlihen Durchschnittswefelkurse an der Ber Grande gelegt, vnd zwar für Wien und Budapest die Kurse auf Wien, für London und Liverpool die Kurse auf London, für Chicago und 3 York, für Odessa und Riga die Kurse für Paris, Antwerpen und Amsterdam die Kurse reise in Buenos Aires unter Berücksichtigung der

eizen

ermittelten iner Börse zu

Da- egen Ors woe

170,67 183,67 159,58

173,75 192/57 166,25 175,75

125,71 163,08 132,51 155,44 126,56

115,16 146,90 125,71

120,19.

113,40

113,46 127,51

129,86 131,03

128,61 191,01

136,77 138,80 148,14 150,98 151,22 156,25 152,60 146,11

132,71 140,75 151,31 168,90 108,94 111,05

142,84 138,38

133,58 132,20 138,74

152,80 145,12 150,46 148,58

99,84

74,28

83,91

87,31.

ros

. 1

=

| Abstammung in seiner Muttersprache beiten kann. In Garnisonen, in

Deutscher Reichstag.

F 26. Sigung vom 23. Januar 1906, Nachmittags 1 Uhr N 20 Minuten. A L 8 (Bericht von Wolffs Telegraphishem Bureau.) Tagesordnung: Jnterpellation Styhel und Ge- nossen wegen S E t, einer Aufsicht über die Sprache, die von fkatholishen Mannschaften in der aen Beichte ge- brauht worden ist, Fortsezung der ersten Beratung der Ent- würfe eines A er den Versicherungsvertrag, eines zugehörigen Einsührungs gts und eines Gesetzes, be- treffend Aenderung der Vorschriften des Handelsges eh- buchs über die Seeversicherung, sowie erste Beratung des Entwurfs eincr Maß- und Gewichtsordnung. Nach der Begründung der Jnterpellation durch den Abg. Stychel, über die gestern berihtet worden ist, ergreift das Wort zur Erwiderung der Preußishe Staats- und Kriegsminister, Generalleutnant von Einem gen. von Nothmaler: l i Meine Herren! Nah meiner Meinung hat der Herr Vorredner einige Fâlle berührt, die in keinem Zusammenhang mit der eigent- lichen Interpellation stehèn. Jh werte mir daher gestatten, mi zunächst nur mit diefer Interpellation zu beschäftigen, die ledigli die E des kTommandierenden Generals des I. Armeekorps betrifft. Meine Herren, es ist bei uns Grundsay, daß jeder Soldat polnischer

denen ein Militärgeistliher oder ein Militärhilfsgeistlicher oder endli ein mit der Militärseelsorge beauftragter Zivilgeistlicher, der der polnisGen Sprache mächtig is, vorhanden ist, wird überhaupt gar niht gefragt: wer will polnisch, wer will deutsch beihten? Der Mann beitet, wie ihm ih möchte sagen der Schnabel ge- wachsen ist, d. h. wie er sich am besten seinem Geistlichen gegenüber von Herzen auédrüccken kann. Es wird auch kein Unterschied ge- macht, es findet kein Sortieren statt: hierhin kommen die, die deutsch beiten, dorthin jene, die polnisch beiten wollen. Die Leute werden einfach in die KirGe und zu dem Geistlichen geführt und können beiten, in welcher Sprache sie wcllen. In \folhen Garnisonen aber, meine Herren, wo fich derartige, die polnische Sprache beherrshende Geistil'che nicht befinden, muß eine Feststellung statt- finden über diejenigen Soldaten, welche nur in der polnischen Sprache zu beihten vermögen. Diese Feststellung muß stattfinden, weil sonst diesen Soltaten die Wohltat, in polnischer Sprache beiten zu föônnen, nicht gewährt werden kann. Der Herr Vorredner hat ja, wenn ich ihn richtig verstanden habe, auch zu- gegeben, daß eine derartige Feststellung erfolgen müßte. Nun betone i, daß diese Fesistelung nicht erfolgt allein dur den Haupt- mann oder dur die Kommandobehörde, sondern daß sie erfolgt dur den betreffenden Militärgeistlichen oder Zivilgeistlichen in Verbindung mit der Kommandobeb örde.

Nach diesem Grundsatze is seit dem Jahre 1900 ver- fahren, seitdem die jeßt gültige wilitärkirchlihe Dienstordnung be- steht, und es haben si hierbei meines Wissens Mißhelligkeiten oder Unannehmli(hkeiten und Schwierigkeiten irgend welcher Art niht ergeben. Der Herx Abgeordnete bat allerdings gesagt, es wären ihm verschiedene Schwierigkeiten bekannt geworden, mir sind sie nit bekannt geworden. Das "einzige, was uns zugegangen ist, ift die Anfrage durch das Generalklommando d:s VI. Armeekorps in Swlefien, welche auf falschzn Vorauétsezungen fußte und welhe von mir fofort zurückgewiesen ist, indem ih erklärt habe: eine derartige Anfrage darf ncht stattfinden und hat zu unterbleiben.

Meine Herren, in der Art, wie ih es geschildert hake, ist au bei dem T. Armeekorps verfahren. Nun gründet \ich die Verfügung des Generalkommandos des I. Armeckorps, welde hier zur Debaite steht, äuf folgenden Vorgang. Jch er- laute mir, die wenigen Worte des Schreibens des General- kommandos zu verlesen :

Ende November beantragte das Garnisonkommando Gumbinnen die Neisegebührrisse für einen katholischen Hilfsgeistlichen, der zur Herbstbeihte herangezogen worden war.

Es fiel auf, daß nicht der nähst wohnente, sondern ein Priester aus Goldap zur Unterstüßung in Anspru genommen worden war, und dies wurde vom Garnisonkommando damit begründet, daß leßterer der polnischen Sprache mättig sei und 19 Mann in dieser Sprache die Beichte abgelegt bätten.

Aus den zur Vorlage gelangten Nachweisungen der Truppen- teile und Garnisonkommandos ging aber hervor, ba 34S in Gumbinnen Mannschaften niht vorhanden sind, deren Seels- sorge in polvisher Sprahe wahrgenommen werden muß. Es handelte \sich also um eine Liquidation, die der Zivilpfarrer aus Gumbinnen vorlegte, und ih meine dana, es war einfach die Pflicht des Generalkfommandos des I. Armeekorps, festzustellen: wie kommt das denn, wie löst sih der Widerspruch? Ihr habt zuerst angegeben, Ihr braucht k.inen polnischsprehenden Geistlichen hirzu‘hicken; nun liquidiert Ikr plöglich so und so viel für einen Geistlihen! Es war also nach meiner Ansicht nicht ein grober Verstoß des General- kommandcs, hiernach zu fragen und die Sade aufzuklären, sondern einfah eine diensiliGe Pfliht, um die Gelder bezahlen zu können ; um sie nicht anzuweisen da, wo sie nach Meinung des General- fommandos nicht zu bezahlen waren.

Die Angelegenheit hat sich nun in einer sehr ein- fahen Weise aufgeklärt: der Militärpfarrer hat nämlich ohne Vorwissen des Garnisonkommandos und auf seine eigene Ver- antwortung hin zwei Militärgeifstlihe einberufen, weil er sich ge- sagt hat: Du wirst mit den Leuten, die zur Beichte angemeldet sind, allein nicht fertig! Er konnte diese Geistlichen heranziehen dazu hat jeder Geistlihe das Recht; aber er bedarf dazu der Genehmigung des , Garnisonkommandos. Das ist klar. Er hat aus Unkenntnis der Bestimmungen hiervon abgesehen. Unter diesen herangezogenen Geistlichen befand sih ein die polnische Sprache redender Geistlicher, und infolgedessen hat der Pfarrer in Gum- binnen die Frage an die versammelten Mannschaften gerichtet: wer von Euch polnisch beiten will, geh zu jenem Geistlichen, der der polnischen Sprache mächtig ist! Darauf haben sich 19 Mann erhoben und find zu jenem gegangen, und da der Herr Abgeordnete mi ge- fragt hat: wie kommt es denn, daß man weiß, es sind gerade 19 ge- wesen? so verweise ih darauf: die Zahl hat der Pfarrer, ohne

daß man ihn danach befragt hat, in seinem zur Aufklärung erstatteten

Der Geistliche \hreibt : Ich bin allerdings zuerst auch der Meinung gewesen, notwendig, für die Leute Geistliche heranzuziehen, a Bin Sprache abnehmen könnten

wohl weil nach seiner Meinung sie alle die deut beherrsten. Er hat \ich dann aber gesagt, wie D | A polnischen Sprahe mächtigen Geistlihen vor sih sah: eg 4 besser, daß ih die Leute bei ihm beiten lasse, weil die Bei y in der Muttersprahe anders wirkt und anders abgegeben. e kann als die in der deutschen Sprache! Und infolgedessen hat s die Gelegenheit benußt, um die Leute polnisch beiten zu lassen. I die 19 Mann haben ih auf seine Aufforderung erhoben. J), Herren, richtig hat der Geistlihe nah den Bestimmungen nit n fahren; es ist aber auch nichts dagegen zu sagen ; da einmal L polnischer Geistlicher vorhanden war, konnte au von dessen Hilfe A die Leute Gebrauch gemacht werden, und (infolgedessen werde ih t vor wenigen Tagen vorgelegte Liquidation des Geistlichen genehmig L obgleich er nicht das Reit hatte, ohne weiteres jenen Ecisilige heranzuziehen. Hätte er die Erlaubnis erbeten, so wäre sie ihm natünliz gegeben worden. Meine Herren, das ist nah meiner Meinung die ¿an einfahe Aufklärung dieses Falles, fie hat aber zweifellcs, da g irgend welche Mitteilung das Generalkfommando plößlich vor def Tatsache gestellt war, zu der Frage Anlaß gegeben, wie omi d dazu, plôßlih, ohne daß irgend ein Mensch davoa wußte, einen polnischen Geistlihen heranzuziehen, nit einmal den näthsten, sonder einen weiter entfernten, was mehr Geld kostet, und daraus ist vielleidt ist möglicherweise, da nun einmal die Agitation und die ganze wh soll ich m'ch ausdräcken, Stimmung zwischen den Polen und den Deutschen eine Kampfes\timmung ist, bei dem kommandierenden Genen] des I. Armeekorps der Verdacht entstanden: hier liegt etwas vor was ih aufklären muß, was unter Umständen auch mit der Frage eln Agitation verknüpft sein kann. Ich glaube, meine Herren, daß er dur die erfolgte Aufklärung vollständig von dieser Meinung zurü, gekommen ist. Jh glaube, ih kann mich dahin resümieren: Erstlich ein Eingriff in das religiöse Leben ist nicht beabsichtigt gewesen und geschieht, wenigstens soweit ich davon weiß, nirgendwo, und zweitens, das Generälkommando war verpflichtet, den Widerspru aufzuklären zwischen den Angaben, daß polnisch beihtende Leute nidt vorhanden wären, und der Tatsache, daß ein polnischer Geistlider herangezogen war. Das Generalkommando hat außerdem in der Ver fügung ausdrücklich darauf hingewiesen, und zwar in der Klammer die au der Herr Vorredner verlesen hat, daß die polnischen Leute nit gefragt werden sollen nah der Sprache, in der sle gebeidtt haben. Für mi war aber aus dieser Verfügung des kommandierenden Generals ein gewisser Zweifel, der auh bei dem Vorgehen dés V1, Armeekorps si ergab, entstanden, daß nämlich die Generalkommandes des Glaubens gewesen sind, daß die Geistlichen gefragt werden sollten,

die die Belhte h

arlaßt gesehen, noch einmal eine Verfügung zu erlassen, in der gesagt

die Geistlilen die Beichte abgenommen haben, nit zuläjsig sei. Is glaube, daß seitens der Verwaltung alles getan ist, um irgend welden

eiren Gewissenszwang gegen irgend jemand auëzuüben. Was nun die hat, so ist mir der Fall in Bernburg nit bekannt, mir sind nie"

seine Vorgeseßten gewendet hätte, so bin ih fest überzeugî, würde man ihm die Möglichkeit gegeben haben, zu beiten. Warum der Mann nit bei einem katholischen Geistlichen beiten soll, nit b dem Propst, kann i nicht einsehen, und ih bin fest überzeugt, seine Vor- geseßten werden das auch nit einzuseben vermögen. Was den Stettiner Fall anketrifft, so ist er mir ebenfalls nit bekannt. Daß aber der Divisionskommandeur si erregt haben \ollte, weil der Geift- lihe ihm gesagt hat: ich habe zehn Leute in der Garnison Stettir, die polnisch beiten wollen, vermag ih nit einzusehen. "Jch glaube nit, daß ein preußisher Divisionskommandeur über einen derartigen Gegenstand, der doh jeden Tag passieren kann, ih irgendwie erregt. Wenn nun der Divisionskommandeur dén Leuten deutsche Gesang- bücher gegeben hat, so vermag ih au in keiner Weise ein Unglück darin zu erblicken. Sie sagen, der Mann foll auf alle Weise ia seiner Muttersprache schreiben, lesen, si unterhalten usw., aber ih möchte die Herren doch bitten, sih zu vergegenwärtigen, der polnische Mann ist, wenn er dient, ein deut\cher Soldat (sehr ritig!), ti deutsche Sprache ist die Kommandosprache niht allein, sondern di: Heeressprahe im weitesten Sinne des Wortcs, und wir sind ver- pflichtet, den polnishen Mann Deutsch lernen zu lassen, und zwar Deuisch so, daß er es möglihst nit verlernt, solange er im Reserre- und Landwehrverbältnis steht. (Sehr rihchtig!) Er muß nicht bloß die Kommandos verstehen, er muß nicht bloß kurze Mitteilungen in sich aufnehmen können, sondern er muß und das ist für den Kriegéfall durhaus wichtig mitteilen können, was er gesehen, was er gehört hat (fehr rihtig! bei den Nationalliberalen); denn wir machen keinen Unterschied zwischen polnischen Leuten oder Hannoveranern oder Süddeutschen, wenn wir sie militärisch in irgend einer Aktion verwenden. Da müssen wir uns auf den polnishen Soldaten ebensogut verlassen können oder nicht: auf den polnishen Soldaten, sondern: auf den polnischen Mann wie auf jeden anderen, und wir verlassen uns auch auf ihn. Denn soviel ih weiß, soviel ih aus dem praktischen Diensileben weiß, ist der polnische Soldat immer ein guter Soldat gewesen. (Bravo! bei ten Polen.) Das kann ih ohne weitereé sagen. Jch muß aber dagegen protestieren, meine Herren, daß hier gesagt wird, der polnische Mann werde wegen seiner Nationalität also im Prinzip, will ih einmal sagen und wegen sciner Religion verspottet und gehonepicpelt (Zurufe von den Polen) von den Kameraden. Meine Herren, daß sih junge Leute, die zusammenleber, mal eiwas am Zeuge flicken oder diese oder jene Narretei mitein- ander treiben, das wissen wir alle, das kommt überall vor, dat kommt nit bloß zwishen den einzelnen Leuten, sondern aud) ¿wischen einzelnen Truppenteilen vor, das ist gang und gäbe. Darau® aber nun gleich zu machen: das is wegen der Nationalität, das ift weil er Pole ist, weil er Katholik ift, das darf hier nit ausgesprochen werden, und ich muß unter allen Umständen dagegen protestieren; denn das ist nicht wahr! (Lebhafte Zustimmung rechts und bei den Nationalliberalen.)

Die Fälle, die ter Herr Abgeordnete vorgebraht hat, sind erledigt; die Betreffenden sind bestraft worden, und ich bin fest

Bericht angegeben. (Heiterkeit bei den Nationalliberalen.)

überzeugt, diese Strafe wird ihnen zu Gemüte geführt haben, daß

es sei nj

wie viele Leute polnisch gebeihtet hätten. Ich habe mi deshalb ver

wird, daß auch eine Nachforshung darüber, in welcher Sprade |

Eingriff in das religiöse Leben zu vermeiden und in keiner Weise | Fälle anlangt, die der Herr Abgeordnete noch zur Sprache gebradt

Klagen von dort zugegangen, und wenn der polnishe Soldat sih an

das, was sie getan haben, höchst {chlecht und höchst miserabel, daß die Behandlung, die sie den Leuten haben zuteil werden lassen, falsch war. gh möchte aber jeden fragen, meine Herren, der Soldat gewesen ist und der im Leben steht, ob niht, wenn Truppenteile aus verschiedenen Provinzen zufammenkommen, sofort eine kleine Stichelei entsteht. Menn z- B. die Sachsen durch Straßburg marschierten, hieß es: Jst ein SwWälchen Heeßen gefällig?" oder : „Mer Sachsen sind sehr helle!“ usw. (Heiterkeit.) Darüber entftand allgemeines Gelächter ; kein Mensch hat ih darüber empfindlih gezeigt, wenn derartiges hin und her gerufen wurde, und die Leute haben gut und kamerad\chaftlih

miteinander gelebt. : Jch möhte also bitten, im Interesse der Kameradschaftlichkeit

der Armee derartige Behauptungen nicht auszusprechen; sie passen nit! Und ich bitte ferner, aus meinen Da!legungen entnehmen zu wollen, daß kein Mensch der Verwaltung oder der Kommandobehörden daran denkt, auf irgend einen Menschen einen Gewissenszwang auszu- üben. (Lebhafter Beifall rets und bei den Nationalliberalen.)

Präsident Graf von Ballestrem: Wir verlassen diesen Gegenstand.

Darauf seßt das Haus die erste Lesung des Geseß- O er den Versicherungsvertrag, das dazugehörige Einführungsgesey und die Novelle zum Handels- gejeßbuch, betreffend die Vorschrift über die Sdbverlérutia, fort.

Abg. Dr. Böttger (nl.): Wir begrüßen in der Vorlage die langersehnte Kodifikation des Versicherungswesens; wir erkennen an, daß die meisten Anregungen aus den Kreisen der Beteiligten bei der Ausarbeitung Berücksichtigung gefunden haben, und be- grüßen, daß ein milder sozialpolitisher Geist den Eatwurf du rch- weht Der Entwurf scheint uns im ganzen das Richtige in bezug auf die Stellung der Gesellschaften und der Versicherungsnehmer ge- irofen zu haben. Beanstanden müssen wir die Stellungnahme des Entwurfs gegenüber den Gesellshaften, die man dadurch über die Maßen begünstigt hat, daß man fie der Geseßgebung der Einzelstaaten nah wie vor überließ. Im einzelnen haben wir manche Bedenken, so gegen die spezielle Deklaration, mit deren Hilfe sich die Gesell- schaften, namentlich die Feuerversicherungen, gegen Ueberversihherung s{hüßen wollen; hier sind in den §F§ 16 bis 20, betreffend die Anzeige pflicht, noch allerlei Fallstrikde vorhanden, deren gründlihe Unter- suhung sh die Kommission durchaus angelegen sein lassen muß. Ebenso bedarf die Frage des Agentenwesens einer genau:n Prüfung; es handelt sich auch darum, dem Agentenstand die größtmögliche Zuverlässigkeit und Stabilität durh das Geseß zu verschaffen. Fn § 185 begeht der Entwmf eine Inkonsequenz, wenn er es der Kaiser- lichen Verordnung mit Zustimmung des Bundesrats überläßt, die Beschränkungen der Vertragsfreiheit im Entwurf auf die Binnen- \difahrtsversicherungen ganz oder teilweise anwenden zu lassen. Sehr erfreulich ist, daß ein kulanteres Verfahren bei der Regelung des Shadensersaßzes Play greifen soll. Die Taxen, von welchen in dem Entwurf sehr häufig die Rede ist, können \{ließlih nur dur wirkliche Taxämter, die gar nicht zu entbehren find, festgestellt werden. Aufgabe der Schiedsgerichte, die ebenfalls durhaus notwendig sind, muß es sein, auf möglihste Kostenersparung hinzuwirken. Die vorgeschlagenen Verbesserungen werden sich sicherlih in den soliden Bau des Entwurfs ohne Schaden für das Ganze einfügen lassen. Wir sind für die Ver- weisung der Vorlage an eine Kommission von 21 Mitgliedern.

Abg. Dr. Porzig (d. kons.): Wir sehen in der Vorlage, deren gute Ausarbeitung auch wir anerkennen, eine brauhbare Grundlage für die Kodifikation des Versicherungsrehts. Mit der Kodifikationsabsicht steht aber die Begründung an mehreren Stellen in Widerspruch. Diese Unstimmigkeit ift aber die einzige Ausstellung, die wir an der Vorlage zu machen haben. Wir unterschreiben sonst in jeder Richtung das Lob, das ihr gestern der M oie Trimborn erteilte. Der Entwurf spricht eine so klare, helle, plaftische Sprache, daß er geradezu musterhaft genannt werden muß und weit über vielen anteren Ent- würfen der neueren Geseggebungsarbeit steht; auch sahlich ist er mindesters ebenso gut, wie die gleihén Kodifikationsversuche, die in außerdeutshen Stäaten an derselben Materie vorgenommen worden sind. Was den Inhalt des Entwurfs betrifft, so sucht er dem Prinzip der Gerechtigkeit gegenüber den Gesellshasten und den Unter- nehmern nach jeder Richtung zu entsprehen; diesem Postulat wollen vor allem die Vorschriften nadkommen, die als zwingendes Reht in Zukunft gelten sollen. Die von den Gesellschaften aufgestellten Verwirk ungsflauseln \ad in ihrer rigorosen An- wendung, die sie vielfah gefunden haben , oft zu Fallstricken für die Harmlosen geworden; die in dem Entwurfe vorgeschlagene Regelung {haft einigermaßen Abhilfe. Die den Gerichten gemachten Vorwürfe sind gewiß zu Unrecht erhoben worden, da der Richter nicht über den Buchstaben des Vertrages hinweg kann; aber die neue Regelung, die die Verwirkung von \huldbaren Verleßungen des Ver- trages abhängig macht, bedeutet unzweifelhaft einen großen Fort- hrit. Cine größere Sicherung des Publikums gegenüber den Agenturen wird ja vielleicht durch hier und da vor- zunehmende Verbesserungen dcs Entwurfs zu erreihen fein, aber es darf au nicht das Versicherungsgeschäft durch allzu große Ershwerungen auf diesem Gebiete zu sehr verteuert werden. Die Hoftpflichtversiherung, die in neuester Zeit die meiste Ausdehnung gewonnen hat, wird auf Gruntlagen gestellt, die zum Teil eine Belohnung auf die Sorglosigkeit zu seßen seinen; hier wäre vielleicht cin kleiner Hemmschuh anzubringen, der Stimular auf zivilrehtlihem Gebiete, der den einzelnen zur möglihsten Vorsicht beim Umgehen mit Gesundheit und Leben seiner Mitmenschen nöôtigt, wird beizubehalten sein. Gegen die den öffentlichen Anstalten in § 189 zugedachte Negelung haben wir ebenfalls einige Bedenken, über die wir uns indes heute noch nit äußern wollen. Daß die öffentlichen Anstalten von den privaten vielfa überholt seien, können wir entgegen dem Staats- ekretär nicht anerkennen: der Wirkungskreis der Sozietäten hat zu- genommen, und heute haben die öffentlihen Anstalten etwas mehr als die Hälfte sämtlicher Feuerversiherungen in ihrem Besiy. Die Ver- sicherten suhen mit Vorliebe die öffentlichen Anstalten auf, wie au der Betrag der Beiträge und der gezahlten Brandentshädigungen beweist. Die Erörterung dieses Verhältnisses muß mit aller Ruhe und Gelassenheit erfolgen, und nur das öffentlide wirtschaftliche Wohl darf dabei entscheiden. Wir {ließen uns dem Antrage auf Ueber- weisung des Entwurfs an €ine Kommission von 21 Mitgliedern an.

Abg. Dr. Müller - Meiningen (fr. Volksp ): Die Vorlage kann als eine ganz hervorragend tüchtige Arbeit bezeichnet w.rden, und man merft aus derselben auch, daß sachverständige Leute bet derselben gehört worden sind. Immerhin läßt sich gegen die_ vorgeschlagene

eilung in einen ganz allgemeinen Teil und in einen Schadenersaßteil Verschiedenes einwenden. Es ist auch bedauerlich, daß in der Vor- lage die Definition des Versicherurgsvertrages und der Prämien seblt, und daß die Vorschristen bezüglih der \{uifilihen Form bei Abschlüssen nicht präzis gefaßt sind. Es erscheint mir auch notwendig, daß der Zeitpunkt des Perfektwerdens des Versicherungs- vertrages im Geseye geregelt wird. Auch die Beleihung, Ver- vfändung und Abtretung der Policen ist nicht gereg:lt in der Vorlage. Der Abg. Trimborn hat sich gestern sehr unklar ausgesprochen. Er hat gesagt: ih sage nit fo und nit so, denn wenn ih so sagte, ann könnte jemand kommen und sagen, ich_ hätte so gesagt und niht so. Man foll aber doch hier klare Stellung nehmen und

Farbe bekennen. Wenn sich das Geseß zum Hauptzweck sept, die

Interessen der Versicherten zu hüten, so is dieser Zweck wie weg- peblasen, wenn ede in die Jnteressen der öffentlihen Anstalten andelt. Ein wunderbarer Partikularièemus kommt da zum Vorschein. Dem bayerishen, sächsishen usw. Partikularismus wird der weiteste Spielraum gelassen, und das Reich unterwirft sih. Nach § 189 sollen anberührt bleiben die landesgeseßlihen Vorschriften über die Ver- siherungsverhältni e, die bei Landesrecht rihteten öffentlihen Anstalt entstehen.

er-

Mit

nach

Gesetzes

einer fraft

slehen im E E rus e o Des rechungen, wona die öffentlichen Anslailen tn diejem SVeleBe leine pre clan, einnehmen elen: Jeßt hat der bayerische und \äch- sische Partikularismus unter Beihilfe des agrarishen Einflusses voll- ständig gesiegt, und das Reicht justizamt hat sich löblih unterworfen. Auf keinem Gebiet {eint mir aber der Partikularismus tôrichter und kursichtiger als auf dem Gebiete des Nechts- und Justizwesens. Ih ergreife die Gelegenheit, um gegen diesen törihten Partikularismus entshieden aufzutreten. ind elwa die bayerischen, sächsischen und sachsen-weimarishen Einrichtungen so vorzüglich, daß deshalb die ganze Rechtseinheit wieder zum Teufel gehen kann? Die baye- rische Hagelversiherung hat z. B. sehr zweifelhafte Bestimmungen, und der bayerishe Landwirt hat gar keine Ursache, sich hier für den Partikularismus zu begeistern; au die öffentliche Feuerversiherung in Sahhsen-Weimar enthält Bestimmungen, die man bei Privat- gesellschaften niht dulden würde. Es müssen da Kollisionen eintreten, wenn Reichs- und Lantesreht zusammenstoßen. Im allgemeinen kann ih mich dahin resümieren, daß die Vorlage entshieden einen Fort- Lil enthält, daß fie aber auh-mit allerlei Anahronismen behaftet Fi so namentli bezüglih der Feuersozietäten 2c. Dem Antrag, die Vorlage einer Kommission von 21 Mitgliedern zu überweisen, schließe ich mich an und hoffe, daß in der_ Kommission der RNechtseinheit, der Gerechtigkeit und Billigkeit zum Sieg verholfen werde. :

Abg. Dove (fr. Vgg.): Der Anerkennung, die der Geseß- entwurf hinsichtlih seiner technishen Seite von verschiedenen Rednern gefunden hat, kann ih mih nur anschließen. Diese Anerkennung bezieht sh auch auf die präzise Sprache des Entwurfs. Die Systematik des Entwurfs ist durhaus klar. Das Gesetz ist ein gutes geworden, weil vorher den Interessenten Gelegenheit gegeben worden ist, si darüker zu äußern. Auch die Abgrenzung der zwingenden Bestimmungen des Gesetzes, die Nichtanwendung auf die Transpout- versiherung und die Ausschließung der Arbeitslosenversiherung scheint mir am Plate. Es ist eine Gefahr, ein Geseß auf das moralishe Gebiet hinüberspielen zu hen und den Selbstmord von der Versicherung auszuschließen. Ich sehe nicht ein, weshalb man die Angehörigen verkürzen will, wenn jemand wegen körperlicher Leiden seinem Leben ein Ende maht. Der Kernpunkt - ist, wie weit die Grenzen des Geseyes gezogen werden sollen, ob die öffentlichen Korporationen unter das Gesey fallen sollen oder nicht. In dieser Beziehung stimme ih mit dem Vorredner durhaus überein. Die Tätigkeit der Privatgesellshaften hat die öffentlihen Sozietäten vers anlaßt, sich zu vervollkommnen. Jch sehe nicht ein, weshalb sie eine privilegierte Stellung einnehmen follen. Die Versicherungsanstalten müssen in privatrechtliher Beziehung gleichgefstellt werden, wie das Graf Posadowsky seinerzeit anerkannt hat. Es heißt nun allerdings im Gese, daß die öoffentlihen Sozietäten den prinzipiellen Be- stimmungen des Gesetzes unterworfen werden sollen, aber nicht den zwingenden Bestimmungen. Das führt aber zu nihts, denn den ersten Bestimmungen fönnen sich jene Gesellschaften durch Verträge entziehen. Es handelt sich hier um die politishe Frage, ob Art. 4 der Reichsverfassung obsolet werden foll oder nicht. ,

Abg. Dr. Beumer (nl.): Wer sich; wie ich, 3 Jahre mit dem Ver- siherungswesen beshäftigt hat, muß zu der Anficht kommen, daß man in diesen Fragen sehr vorsichtig zu Werke gehen muß. Es müssen die Interessen der Versicherungsnehmer und der Versicherungsanstalten in Einklang gebraht werden. Die Interessen der Anstalten dürfen nicht gefährdet w?rden, wenn nicht auch diejenigen der Versicherungs- nehmer geschädigt werden sollen. Verschiedene Anstalten sind mit reflamehaft angestrihenen Angriffen bedaht worden. Namentlich auf dem Gebiete der Feuerversicherung ist ein ganzes Bukett von Wünschen vorgelegt worden aus Versicherungsnehmerkreisen. Solche

orderungen sehen sich auf dem Papier wunderschön an, es fragt ih nur, ob die Kosten der Feuerversicherung durch Erfüllung dieser Wünsche und turch Vermehrung der zwingenden Bestimmungen sih fo fehr erhöhen werden, das die Versicherungsnehmer dadur sehr be- iroffen werden. Unfere Privatver{icherungsanstalten, die als Aktien- gesellschaften fremdes Kapital zu verwerten haben, müssen do auf eine Deckung des Kapitals und einen Gewinn Bedacht nehmen. Es liegt die Gefahr nahe, daß die Prämien erhöht werden müssen. Es ist unlogisch, die Lebensfähigkeit der Gesell- schasten zu fordern und gleichzeitig eine Verbilligung. Unter den Versicherungsgesellschaften herrscht ein reger Wettbewerb. Dieser Wettbewerb wird durch das Kartell der Feuerversicherungs- gele schaften nicht ausgeschlossen. Das Feuerversiherungswesen ift feine leihte Sache und niht «in Gebiet, auf dem ungeheure Summen verdient werden können. Das zeigen mehrere Fälle, bet denen es sich um die Gründung neuer Gesellschaften auf Gegenscitigkeit an Stelle anderer Anstalten handelte ; ein solher Versuch machte in Ludwigs- hafen nah kurzer Zeit Fiasko. Dasselbe trat ein in Mülhausen i. E. troß der Beteiligung von Schlumberger u. A. Auch der Feueraersetun g- verband deutscher Fabriken, der auf Veranlassung chemischer Fabriken ins Leken gerufen wurde, ging bald ein. Die Verstaatlichung des Ver- sicherungswesens wäre sehr gefährlih. Solhe Unternehmungen eignen sih nickt für einen bureaukratisch regierten Staat. Der Aus- {luß der Sozietäten widerspricht den Zusicherungen des Grafen von Posadowsky vom Jahre 1900. Den Versicherungsgesellshaften schadet der Aus\{chluß nicht, denn sie können darauf hinweisen, daß sie den bindenden Vorschriften unterliegen, und sie können den öffertlihen Sozietäten erfolgreihe Konkurrenz machen. Das Interesse an der gescßlihen Unterstellung liegt aber gerade bei den Ver- sicherungsnehmern. Man verweist für die Beibehaltung ter Aus- nahmestellung darauf, daß sie von Beamten geleitet werden. Ein Ve1sicherungsnehmer, der einem bureaukratisch handelnden Beamten gegenübersteht, hat dech wohl gerade erst recht Anspruch darauf, daß die hinter diesem stehende Anstalt keine Ausnahmestellung einnimmt. Daß sie sih auf ihre Wohltätigkeitéleistungen berufen, um ihre Ein- beziehung zu verhindern, ist nicht zu verwundern, aber diese Wohl- taten können sie nur aus dem gewähren, was sie vorher den Ver- sicherten abgenommen haben. Die Einbeziehung der öffentlihen An- stalten muß erfolgen nicht nur, damit das gegebene Versprechen ein- gelöst und die Rechtsgleichheit hergestellt wird, sondern au, weil man sonst nicht weiß, was überhaupt von Versprehungen der Ver- treter der verbündeten Regierungen noŸ zu halten ist. Jm Gegen- sat zu der Pythia aus Cöln, die gestern sih zu der Frage nicht äußern wollte, {ließe ich mit der Erklärung, daß ih die Vorlage perfönlih für sehr schwer annehmbar halte, wenn die öffentlichen Anstalten niht auch unter das Gesetz gestellt werden.

Staatssekretär des Reichsjustizamts Nieberding:

Meine Herren! Wir haben alle Veranlassung, dem hohen Hause dankbar zu sein für die wohlwollende Beurteilung, die von Jhrer Seite dem Entwurf zuteil geworden ist. Und ih will diese Dankbarkeit niht dadurch beweisen, daß ih etwa jeßt längere Ausführungen mache, die, wie ih besorge, das Haus nur ermüden würden, und die, streng genommen, nah der ganzen Natur der erhobenen Bemängelungen, in die Detailberatung der zweiten Lesung gehören. Nur zwei Punkte muß ih mit kurzen Worten hervorheben, namentli au mit NRücksicht auf die Vorhaltungen, die der Regierung gemacht werden im Hinweis auf frühere Versprehungen, die Herr Graf Posadowsky dem Hause gemacht habe.

Meine Herren, in den beiden wichtigsten Punkten der Vorlage, die gestern und heute hauptsählich Gegenstand der Diskussion gewesen sind, in der Frage, wie weit mit der Abgrenzung des zwingenden Rechts gegangen werden foll gegenüber den nicht zwingenden Vor- schriften, und in ter Frage, welche Stellung den öffentlichen Anstalten gegeben werden soll, stehe ih troy der Aus- führungen der geehrten Herren Redner von gestern und heute noh auf dem Standpurkt der Vorlage. Ich glaube, wir werden Gelegen- heit haben, Ihnen in den Spezialberatungen nur dort läßt sich

dieser Bestimmun

das tun nachzuweisen, daß der Entwurf die Grenze zwischen dem,

was zwingendes Recht sein soll, und demjenigen, was es nicht sein soll, im Interesse der Versicherten ebensowohl wie im Interesse der Ver- siherungsunternehmungen und beides muß das Gesetz berüdsihtigen rihtig gezogen hat. In dieser Beziehung hat der Herr Abg. Dr. Beumer, der vor mir spra, nach meiner Meinung fehr beherzigens- werte Ausführungen gemacht. Ich .möchte das hohe Haus warnen, aus gewissen sentimentalen Regungen zu Gunsten der Versicherten etwa zu Vorschlägen zu kommen, die die gesunde solide wirt\schaftlihe Grundlage der Versicherung8unternehmungen ershüttern müssen. Wir haben beides im Auge zu halten, sowohl die Stellung der Versicherten, als auch andererseits die wirtschaftlihe Lage der Versicherungsunter- nehmungen. Nur wenn die Rücksihten auf beide in ein gesundes Verhältnis zu einander gebracht werden, kann unser Versicherungs- wesen gedeihen. Wir dürfen die Grundlagen niht ershüttercn, auf welchen die Ansprüche der Versicherten für die Zukunft beruhen.

Was dann die Verhältnisse der öffentlihen Anstalten betrifft, so sind ter Regierung Vorwürfe gemacht worden, daß sie die Bersprechungen niht eingehalten habe, die der Herr Staatssekretär des Innern bei der Beratung des Aufsichtsgeseßes für die Privalversicherurgs- gesellshaften dem Hause gegenüber abgegeben habe. Und dieser Mangel ist in besonders sharfer Weise gerügt worden von dem Herrn Abg. Dr. Müller (Meiningen). Er ging in einem Punkte weiter als die anderen Redner, die ih diesem selben Gegenstande zugewandt haben. Er wies darauf hin, daß der Herr Staatssekretär des Innern bei jener Gelegenheit in mehrfachen Beziehungen eine weitere Aktion der Gesetzgebung in Aussicht gestellt habe, einmal in betreff der Stellung der öffentlihen Anstalten in dem Gesetz, das Ihnen jeßt zur Beratung vorliegt, zweitens in betref der Besteuerung der Gesellshaften und Anstalten und drittens inbetreff einer neuen geseßlihen Regelung der Einrichtungen der öffentlihen Anstalten. Der Herr Redner beo hauptete, wie ih ihn verstanden habe, daß in allen diesen Beziehungen das Versprechen, das Herr Graf von Posadoroëky dem Hause gezenüber gegeben habe, niht eingehalten worden sei. Bet diesen beiden leßteren Punkten, glaube ih, kann das bei dem Herrn Abgeordneten nur auf einem Versprehen beruhen. (Zustimmung links.) Ich wollte deshalb hier nur konstatieren, daß die Besteuerung8- frage durch diesen Entwurf nicht berührt und ihr in keiner Weise präjudiziert wird, und daß die Frage, ob einstmals, wie Herr Graf von Posadowéky es andeutete, die Gesetzgebung zu einer neuen Rege- lung der ftaatlichen und öffentlich - rechtlihen Anstalten kommen sollte, ebenso wenig berührt, daß ihr ebenso wenig präjudiziert worden ist. Nach diesen Richtungen hin also kann ein Vorwurf niht erhoben werden.

Was dagegen die Einbeziehung der öffentlich-rechtlihen Anstalten in den gegenwärtigen Entwurf betrifft, so bin ich der Ansicht, daß dasjenige, was Herr Graf von Posadowéky damals versprohen hat, durch den Entwurf au vollständig erfüllt wird. Man würde uns einen Vorwurf machen können, wenn wir die öffentlichen Anstalten aus dem Entwurf ausgeschieden hätten; man kann uns aber keinen Vorwurf daraus machen, daß wir die öffent- lihen Anstalten niht in allen Beziehungen gerade so behandelt haben wie die Privatversicherungsgesellschaften. Nach dieser Richtung hin hat au der Graf Posadowsky kein Versprehen abgegeben, und konnte er kein Versprechen abgeben. Denn eine geseßliche Regelung, meine Herren, kann nur erfolgen unter Berücksichtigung der inneren Ver- hältnisse der beteiligten Organisationen und niht nah s{ablonifierenden Gesichtspunkten. Wir werden Gelegenheit haben, in der Kommission Fhnen nachzuweisen, daß wir loyal vorgegangen find, und daß dfe Ausnahmen, die wir gemacht haben, in der Sache begründet sind, daß diesen Ausnahmen durh die Erklärungen des Grafen Posadowsky in keiner Weise präjudiziert worden ist.

Der Herr Abg. Müller (Meiningen) hat dann noch besonders die Stellung hervorgehoben, die von sciten des Neichejustizamts in der Sache eingenommen fei. Das Reichsjustizamt deutete er an hâtte früher eine andere Ansicht gehabt, hätte fich demnächst, wie er meint, [8blich unterworfen, und nunmehr quälten wir uns ab, Gründe für dieses veränderte Verhalten zu finden. Wir haben uns an dem Geseyzentwurf allerdings das muß ich dem Herrn Abg. Müller (Meiningen) zugeben recht abgequält, über die Fragen, welche er berührte, aber am wenigsten. Es ist unrichtig, wenn der Herr Abgeordnete meint, das Reichsjustizs amt hätte früher in dieser Frage auf einem anderen Standpunkt ge- standen. Er scheint fich da auf Materialien zu beziehen, die in den Vorberatungen dieses Geseßentwourfs behandelt worden sind. Unter diesen Materialien findet sih allerdings ein Vorentwurf, in welchem die öffentlihen Anstalten in größerem Umfange als jeßt den Privat- gesellschaften gleihgestellt waren. Dieser Vorentwurf, meine Herren, stellte aber nit eine bindende Erklärung über die Auffassung des Reichsjustizs amts dar, sondern war nih!s anderes als eine vorläufige Aufzeichnung, welche den Sachverständigenberatungen zu Grunde gelegt werden sollte, und bei solchen Aufzeihnungen nimmt man nicht immer das- jenige auf, was man für richtig hält und durhseßen will, sondern formuliert die einzelnen Punkte so, wie die verschiedenen Standpunkte dabei am ausgiebigsten zur Geltung gelangen können. Jch muß also die Andeutungen des Herrn Abg. Dr. Müller (Meiningen), als wcnn das Reichsjustizamt in der Sache selbst anderer Meinung gewesen sei und aus äußerer Veranlassung seine Meinung gewechselt habe und si nun abgequält habe, diese Meinung auch zu motivieren, zurückweisen. Sie entspriht niht den Tatsahhen.

Nun hat man, meine Herren, die Angriffe gegen die den öffentlichen Anstalten einerseits und den Privatversicherungs8gesellshaften anderer- seits gegebene Stellung avch damit motiviert, daß sich in den Ein- richtungen der Sozietäten eine Menge Härten befinden, die unerträglih seien, und es sind ja auch einige solher Härten zur Sprate gebracht. Ja, es macht sich sehr {ön, hier einzelne Punkte aus der Verfassung eines Instituts herauszunehmen und hier vorzutragen, die ihr volles Verständnis und ihre rihtige Würdigung nur finden können, wenn man den Gesamtplan der ganzen Organisation vor sich hat. Aehnlick fönnte man auch bei den Privatversicherungégesellshaften mancherlei Bestimmungen anführen, die für sich unbillig erscheinen, die aber, nach meiner Meinung, fo vereinzelt gencmmen, für die Regelung der Geseßgebung gar niht von Bedeutung - sein sollten. Ich glaube allerdings, daß die Sozietäten und ähnlichen Anstalten, au soweit sie nicht durch das Geseg gezwungen werden, ihre Betriebévorshriften und Ges(äftösbedingungen in vieler Beztehung ändern werden, und zwar im Interesse auch der Versicherten. Sie werden dazu bereit sein müssen, weil die staatlichen und kommunalen

Verwaltungen andernfalls den geeigneten Druck auf sie ausüben würden,