1906 / 35 p. 5 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 09 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

etroleumlampe war nicht in Ordnung. Vor einigen Jahren hat auf

eche „Zollern® ein ähnlicher Unglüdsfall sich ereignet durch Explosion einer Petroleumlampe, dem au za. 40 Menschen zum Opfer fielen. Die neue Polizeiverordnung soll erst am 1. April d. I. in Kraft treten. Hatte es denn wirklich so viel Zeit, hätte Kraft geseßzt werden müssen? Selbst die „Rheinis Zeitung® sagt, daß die neue Bergpolizeiverordnung offenbar du die Katastrophe auf Zehe „Borussia veranlaßt ist. Jh will nich denunzieren, aber die sozialdemokratishe Presse hat aufgefordert, Klagen über Mißstände zu erheben. Wenn unrichtige Behauptungen aufgestellt worden sind, hätte die Behörde die Pflicht gehabt, durch eine gerihtlihe Klage Aufklärung zu [chaffen. Die nach dem Unglück getroffenen polizeilihen Maßnahmen kann ih nicht für ausreihend halten, und was nügen die s{hönsten Polizeiverordnungen, wenn es an der nötigen Kontrolle fehlt! Jch erhebe wieder die alte Forderung, daß praktish erfahrene Berg- arbeiter an der Grubenkontrolle beteiligt werden müssen. Als 1898 das Grubenunglück auf „Karolinenbrück* stattfand, hat der Handels- minister Brefeld zugesagt, den Wünschen der Arbeiter zu willfahren. Was is daraus geworden ? Die fiskalishen Gruben haben allerdings Arbeiteraus\hüfe, die die Grubenkontrolle zeitweise vornehmen, aber damit dürfen wir uns keinesfalls zufrieden geben; namentli halten die Arbeiter und auch meine Freunde daran fest, daß praktische Ar- beiter zur Grubenkontrolle herangezogen werden. Hâtten wir mindestens einen Anfang in der Kontrolle der Gruben durch Arbeiter- aus\hüfse, analog der Kontrolle auf den fiskalishen Gruben! Wie man die Arbeiteraus\{üs}e und Arbeitsordnungen aufgenommen hat, darüber werde ih bei einer anderen Gelegenheit noch sprehen. Wenn der Handelsminister in der Lage wäre, zu erklären: dort sind die Schuldigen, und die und die Maßnahmen sind Ju getroffen, und die und die Maßnahmen sind noch in Aussicht, damit derartige Unglüdsfälle verhütet werden, dann würde seine ofene Erklärung zur Beruhigung weiter Kreise der Bergarbeitershaft und der gesamten Bevölkerung beitragen.

Minister für Handel und Gewerbe Delbrü:

Meine Herren! Ich bin dem Herrn Abg. Brust dankbar dafür, daß er mir Gelegenheit gibt, tas überaus bedauerlihe und traurige Grubenunglück der „Borussia*® hier vor dem Lande zu besprehen und auf diesem Wege eine Reihe von Mißverständnissen und falschen Auf- fassüngen, die sih über dieses Unglück im Lande verbreitet haben, zu beseitigen und zu zerstreuen. j

Ih chicke voraus, daß ih es bedaure, daß es bisher niht mögli gewesen ist, eine amtlihe Darstellung über die Vorgänge des Unfalls bekannt zu geben, und ih bedaure es ferner, daß es unterblieben ist, wenigstens offenkundige Unrichtigkeiten, die sich unmittelbar nah dem Unglück in der Presse fanden, - bei Zeiten in der Prefse richtig zu stellen. Wenn beides unterblieben ist, so hat das folgenden Grund. Mein Herr Amtsvorgänger hat, wenn 1ch mich nicht irre, bereits im August dem Oberbergamt in Dortmund nahe gelegt, offenbar unzutreffende Mitteilungen in der Presse richtigzustellen. Das Oberbergamt berichtete darauf, die Untersuhung sei ohnehin bald abges{lossen, und es erscheine deshalb nit erforderli, einzelne tatsählihe Berichtigungen stattfinden zu lassen; das werde gesehen mit der Darstellung des Unfalls. Nun hat ih aber die Untersuchung erheblich länger hingezogen, als das Oberbergamt an- genommen hat. Die zur Veröffentlihung bestimmte Darstellung des Oberbergamts ist mir erst vor einigen Wochen zugegangen, - und ih selbst habe Bedenken getragen, sie in dieser Form in die Presse zu geben, da fie mir Veranlassung zu einigen Rückkffragen gab. Aus diesem Grunde ist es also unterblieben, die Presse und die Deffent- lihkeit rehtzeitig über die Vorgänge zu informieren. Ih will hoffen, meine Herren, daß wir vor ähnlichen Unglüdcksfällen versWont werden. Sollte wider alles Hoffen und troy aller Bemühungen, sie zu ver- hindern, sich ein ähnliher Unfall in nächster Zeit ereignen, so vere spreche ih, daß ih dafür sorgen werde, daß die Oeffentlichkeit reht- zeitig und ausreichend über die Vorgänge unterrichtet wird; denn ih erkenne an, daß sie auf eine solhe Information Anspruch hat.

Was nun das Verfahren bei der Untersuhung des Falles und der Verfolgung etwaiger Schuldiger betrifft, so bemerke ih dazu folgendes: Die Rettungsarbeiten haben die dazu zuständigen Revier- beamten vom Tage des Unglücks bis zum 21. Juli beschäftigt. Der Revierbeamte war also erst in der Lage, gegen Ablauf dieser Zeit die Unfallverhandlungen aufzunehmen und sie der Staatsanwaltschaft zugängig zu machen. Die Unfallverhandlungen sind bereits am 7. August der Staatsanwaltshaft zu Dortmund übersandt worden. Die Staatsanwaltshaft hat nach Durcharbeitung des Materials am 21. August das Oberbergamt zu Dortmund um die Beantwortung von 34 Fragen ersucht, die Klarheit über den Zustand der Grube und die Schuldfrage geben sollten. Das Ober- bergamt hat unter dem 29. August bereits diesem Ersuchen entsprochen und die erforderlichen Ermittelungen des Revierbeamten veranlaßt. Auf Grund dieser Ermittelungen ist der Staatsanwaltschaft unter Ueber- sendung der Verhandlungsakten unter dem 28. September 1905 mit- geteilt worden, daß nach Ansicht des Oberbergamts eine Uebertretung des § 41 Abs. 1 der Bergpolizeiverordnung vom 12. Dezember 1900 und des § 112 der Bergpolizeiverordnung vom 28. März 1902 seitens des Betriebsführers Rüter vorliege. Die Staatsanwaltschaft hat darauf die Voruntersuung gegen den Betriebsführer Rüter unter dem 7. Oktober beantragt, indem sie den Rüter der fahrläsfigen Tötung und der Uebertretung des § 41 Abs. 1 der Bergpolizeiverordnung vom 12. Dezember 1900, des § 112 der Bergpolizeiverordnung vom 28. März 1902 anklagt. Die Voruntersuhung is vurch Beschluß vom 7. Oktober nah dem Antrag eröffnet, der Beschuldigte und mehrere Zeugen find eingehend verhört worden.

Meine Herren, Sie werden hieraus enknchmen, daß seitens der Bergbehörden sowohl wie scitens der Justizbehörden alles gesehen ist, was nah Lage der Verhältnisse ges{hchen konnte, um die Ursachen des Unglücks aufzuklären und die an ihm etwa Schuldigen zur Ver- antwortung zu ziehen. Die Voruntersuhung ift indessen noch nit abges{lofsen. Eine amtlihe Befahrung des Schahtes hat ergeben, daß in bezug auf die Beschaffenheit des Füllortes, die einen wesent- [ien Grund der eventuellen Anklage bieten würde, die urfprünglihe Feststellung niht zutreffend war. Es ift deshalb notwendig geworden, weitergeheride Ermittelungen anzustellen. Insbesondere Hat die Staats- anwaltshaft es für notwendig gehalten, ein Mitglied ves Oberbergs amts in Dortmund zu einer gutachtlihen Aeußerung über die Ursachen des Unglücks zu veranlaffen. Jh nehme an, daß außer diesem, dem zustärdigen Oberbergamt angehörigen SaWhverftändigen von seiten der Staatsanwaltschaft au noh ein anderer Sachverständiger zur Sathe ge- hört werben wird. Die Herren wollen hieraus ersehen, daß die Sache ihren georbneten Gang gegangen ift und ihren geordneten Gang gehen wird, und daß es feinem Zweifel unterliegen kann, baß durch die öffentliche Berhanblung vor Geriht vor dem Lande festgeftellt werden wird, ob und wen ein Verschulden an dem bedauernswerten Unfall trifft.

Ich seze hinzu, daß ih selbstverständlih meinerseits nah dem Ergebnisse der Untersuhungen nicht zögern werde, diejenigen Beamten meiner Verwaltung zur Verantwortung zu ziehen, denen nach dem Ergebnis dieser Untersuchung etwa ein Verschulden beigemessen werden könnte. Ich glaube, daß hiernach den Behörden aus der Behandlung des Falles Vorwürfe niht gemaht werden können.

Nun wünscht der Herr Abg. Brust zu wissen, ob die aus Anlaß des vorliegenden Falles seitens der Bergbehörden getroffenen Maßnahmen zur Verhütung ähnlicher Unglücksfälle als ausreichend zu erachten seien. Meine Herren, ich werde, ehe ih diese Frags beantworten kann, auf den durch die Untersuhung festgeslellten Tat- bestand des Unglücks eingehen ‘müssen, s{chicke aber hon jeßt vors aus, daß es mir unzweckmäßig erscheint, während des Schwebens der gerihtlihen Verhandlungen meinerseits eine Kritik an den Maßnahmen der Zechenverwaltung und an den Maßnahmen der Behörden zu üben. Jh halte es für richtiger, mit dieser Kritik zurückzuhalten, bis die Ge- rihte das leßte Wort gesprohen haben.

Die Zeche „Borussia“, auf der der Unglüksfall si ereignet hat, ge- hört zu den älteren, nicht mit modernen Einrichtungen versehenen Zechen. Sie verfügte über einen in Holz ausgebauten Fördershaht mit Seil- fahrung, der bei einer Tiefe von 560 m die unterste, die siebente Sohle erreihte und gleichzeitig als einziehender Wettershaht diente. Außer- dem war vorher in einer ich bemerke ausdrücklich: etwas kurzen Entfernung von 30 m von diesem Fördershacht ein Ventilations- \{hacht, der bis auf die fünfte Sohle reite, die gleihzeitig als Wetter- sohle diente, und es war endlih vorhanden ein im Bau begriffener moderner Schacht, der nur bis 40 m über der fünften Sohle in einem benugbaren beziehungsweise befahrbaren Zustande war. Außer- dem war am Südende vorhanden ein Luftshacht bei Despel, der mit Fahrten, d. h. mit Leitern, versehen war, die eine Ausfahrt der ver- unglückten Mannschaften an sich ermöglihten. Ich stelle shon jeßt fest, daß nah den Angaben des Revierbeamten die Fahrten dieses Schachtes fich in einem Zustande befanden, der das Ausfahren der Belegmannschaften ermöglihte, der es ferner ermöglihte, die bet der Rettung tätigen Mannschaften über diesen Schacht ein- fahren zu lassen, und der es ermöglihte, die zur Erquickung der Mannschaften erforderlißhen Nahrungs- und Erquickungs- mittel durch den Schacht hinabzuschaffen. Tatsahe ift nur, daß nach dieser starken Beanspruchung der Fahrten eine Anzahl der- selben Ausbesserungen erfahren mußten und ausgebessert worden find. Jedenfalls befand sich dieser Schacht in einem Zustande, der das unge- fährdete Ausfahren der Belegschaft ermöglichte.

Nun erstreckt sich das Feld in der Richtung von Norden nah Süden derartig, daß der größte Teil des Feldes in einer Länge von 1800 m \üdlih der fraglihen ShaWtanlage in der Nähe des Luft- \{chachts von Oespel endigt, während der kleinere Teil fich nördlih nur in der Entfernung von 300 m erstreckt. Es ift das das vorhin {hon erwähnte Nordfeld, in dem derjenige Teil der Belegschaft arbeitete, dem es nit gelungen ist, sih zu retten.

Das Feuer ist nun ausgekommen Morgens gegen 6 Uhr in dem westlichen Füllort der fünften Sohle, also derjenigen Soble, die als Wettersohle diente, und in deren Höhe eine Beschäftigung der Beleg- {aft nur in geringem Umfang: stattfand. Dieses Füllort mußte nah den Bestimmungen der maßgebenden Bergpolizeiverordnung ausgemauert sein. Das ist, wie jetzt festgestellt ist, tatfählih der Fall gewesen. Man hat früher angenommen, der obere Teil dieses Füll- ortes sei den Beslimmungen zuwider mit Eichenholz ausgebaut ge- wesen. Das ist nicht der Fall; man hat es nur unterlassen, naGdem die Aus8mauerung beendet war, die zur Herstellung der Wölbung ver- wendetengehrbögen zu beseitigen. Ferner war das Füllort unmittelbar nah dem Scha(ht zu, der, wie vorhin {on bemerkt, von Holz ber- gestellt war, abgeshlofsen durch eine luftdihte Holzvershalung, in der t luftdihte Schiebetüren befanden. Diese an sh nicht gewöhnliche Form des Abschlusses war bedingt dur die verhältnismäßig geringe Entfernung von 30 m von dem Fördershacht bis zum Ventilations- \hacht, die die Herstellung von Türen an dieser Stelle, wie sie sonst üblich find, nicht wohl möglih mate. Das betreffende Füllort mußte nah den bestehenden Vorschriften mit Hydranten versehen sein. Diese Hydranten find vorhanden gewesen, waren allerdings so angebracht, daß fie in der Eile nit gefunden wurden, als man zum Entshluß gekommen war, fie zu benußen: jedenfalls find bedauerliherweise diese Hydranten niht in Betrieb gesezt. Die Gründe, warum das geschehen ist, kann ih bier unerörtert laffen; darüber wird ja unter anderem auch das gerihtlihe Verfahren die nötigen Aufklärungen s{hafen.

Ih bemerke dann noch, daß der hölzerne Schacht mit Nückfiht auf diese Beschaffenheit nach den bestehenden Vor- {riften mit Waffer berieselt- werden mußte. Diese Wafser- berieselungsanlage war vorhanden; fie ift auch im Betrieb gewesen. Sie is allerdings in der Naht vor dem Unfall einige Stunden außer Betrieb gewesen mit Nückfiht auf Reparaturen, die an dem Sat vorgenommen werden mußten, fie ift aber, wie fest- gestellt ift, bercits mehrere Stunden vor Ausbrehen des Brandes im Betrieb gewesen, sodaß die Shathtanlage beriecselt gewesen ist. Das Füllort wurde beleuhtet dur zwei Petroleumlampen je eine auf jeder Seite Die in einem Glasgehäuse fich befanden, von denen das eine allerdings shadhaft war. (Hört, hört! links.) Die Lampen be- fanden fh in einer Entfernung von 1,80 m über dem Boden des Füllorts. Die Anwendung der Lampen war nah den beftchenden bergpolizeilihen Vorschriften zuläffig, wenn das Füllort als feuer- fidher anzusehen war. JInwieweit diese Feuersicherheit bestanden Hat, troß des Sätchenbleibens der Lehrbögen in der Decke, troy des bölzernen Ans{lufses nah dem Schaht zu, will ich uner1örtert lassen. Das find Tatfragen, mit denen fich die Unter- \uhung zu befassen haben wird. Nun war aber in der Naht vor dem Unglücksfall in diesem Füllort eine erheblide Menge Holz Stempel und anderes Holz, etwa in der Höhe von 1 m aufgestapelt und der ganze Raum des Füllorts derartig bédeckt, daß das Hantieren mit den Förderwagen erschwert wurde. Die Arbeiter, denen das Holz unbequem war, suchten fi dadur Play zu hafen, daß fie das Holz na hinten warfen. Dabei hat ein Arbeiter das Gehäuse mit- samt der Petroleumlampe heruntergeworfen. Das Petroleum der Lampe ergoß fih auf das darunter liegeride Holz, und dieses fing an zu brennen. Nun hat es den Anschein, daß die in dem Füllort be- \chäftigten Arbeiter die Sache niht mit der nötigen Energie angesaßt háben. Jedenfalls wurden erft entschlofsene Maßnahmen zur Be- kämpfung des Feuers, das sich von dem Petroleum über das Holz

ausbreitete, ergriffen, als ein an si nicht zum Schatht gehörende |

Betriebssührer Hausmann, der in der Nähe des östlihen Fülloris der fünften Sohle gehört hatte, daß Unordnungen auf dem westlichen Füllort vorgekommen seien, fich dorthin begab. Hausmann war nun nicht mehr in der Lage, erfolgreihe Lös{hungsarbeiten aus, zuführen. Das Feuer verbreitete sich mit großer Ges{hwindigkeit

ergriff die hölzerne Vershalung am Schacht und verbreitete \ih \{nell |

über den Schacht. Hausmann hat sofort das getan, was nah ge der Sache geschehen mußte. Er gab einmal die erforderliche Meldung telephonisch nach oben, er gab sofort die telephonishe Anweisung ay den Anschläger der sechsten Sohle, daß der Shaht in Brand stehe,

und daß die Belegschaft sich durch den Luftshaht auf der sechsten |

Sohle bei Oespel zu retten habe. Dieser Befehl i von der ganzen Belegschaft des Südfeldes zweifellos richtig aufgefaßt, weitergegeben und auh ausgeführt. Sie sind ohne Beschwerde vor den Brandgasen her in der angegebenen Weise ausgefahren, Die Belegschaften, die auf dem Nordfelde arbeiteten, haben aber aus welchem Grunde, kann unerörtert bleiben den Befehl falsch verstanden oder falsch übermittelt erhalten. Er if jedenfalls von ihnen dahin verstanden, daß fie nicht auf der seten Sohle, d. h. auf der unterhalb der durch den Brand in Mitleiden- {haft gezogenen Sohle ausfahren sollten, sondern sie haben verstanden daß sie auf der fünften Sohle ausfahren sollten. Sie begaben sh von der sechsten Sohle, wo sie arbeiteten, nah der fünften Sohle und versuchten hier, an dem brennenden Schacht vorbeizukommen. Daz ist ihnen nicht mehr gelungen, da die Umgebung des brennenden SchaŸtes bereits derartig mit Brandgasen angefüllt war, daß ein Durhkommen unmöglich war. Die meisten von ihnen baben sih nun durch das Nordfeld hindurch wieder auf die sehste Sohle zurückbegeben, und es steht fest, daß Leute, die diesen Weg gemadt haben, sich auch noch tatsählich haben retten können auf demselben Wege, auf dem die Mannschaften des Südfeldes ih gerettet haben. Anscheinend hat aber ein Teil der Belegschaft aus Verwirrung oder in der Ansicht, daß sie fih hinter den Wettertüren im Nordfelde beffer {hüten könnten, \sih in die Baue über der sechften Sohle hinter Wettertüren zurückgezogen und haben dort das beklagenswerte Ende gefunden, das der Herr Abg. Brust vorhin geschildert hat. Eins glaube ih auf Grund der mir vorliegenden Verhandlungen als festftebend an- sehen zu können, daß ohne dieses Mißverständnis bei Weitergabe des Befehls und ohne diesen unglücklichen Versuch der Leute, fih im Nord- feld hinter den Wettertüren zu {üßen, die ganze Belegschaft in der Lage gewesen wäre, auf der sechsten Soble und dur den Luftsha@t bei Oekpel au3zufahren. Es steht feft, daß beinahe zwei Stunden nah Ausbruch des Brandes èie Umgebung des Schachtes in der se{\ten Soble noch frei von Brandgasen war solange bat sh dort einer der Beamten der Grube aufgehalten. i

Meine Herren, das if im wesentlihen der Sacthverhalt, und id möchte das Eine hervorheben, daß danach wohl kein Zweifel daran bestehen kann, daß zu dem traurigen Ausgang der Affäre auch eine Reibe von unglücklihen Zufällen mitgewirkt bat, ganz besonders der Umstand, daß der Befehl zum Ausfahren, der rechtzeitig gegeben war und ohne Schwierigkeiten befolgt werden konnte, von einem Teil der Belegschaft falsh weiter gegeben worden ift.

Nun, meine Herren, ist die Frage aufgeworfen worden, inwie- weit die vorhandenen Einrichtungen nah den damals bestehenden Be- stimmungen zuläsfig waren und inwieweit neue Bestimmungen zu treffen sein würden, um ähnlihe Unglückéfälle zu vermeiden, und ob diese Maßnahmen, soweit die getroffen find, als ausreichende zu er- ahten find. Ich bemerke dazu zunächst folgendes.

Neue Holzschächhte, wie die hier in Frage kommenden, find seit dem Jahre 1902 im Ruhrbezirk nicht mehr gestattet. Es if aber sowohl von seiten meines Herrn Amtsvorgängers wie von seiten des Oberbergamts den beteiligten Beamten wiederholt und energisch zur Pflicht gemacht, den noch vorhandenen Holzshäthten bei ihrer Revisionen cine besondere Aufmerksamkeit zu widmen, und es muß an fd aub angenommen werden, daß, wenn die Bestimmungen über dic Berieselung ordnungêmäßig ausgeführt, wenn alle übrigen Be- stimmungen befolgt werden, alsdann ein Unglüdcksfall wie der vor- liegende würde vermieden werden können. Es lag also keine Ver- anlafsung vor, "Knall und Fall damals sämtliche Holzshächte zu ver- bieten ; das war nah Lage der Verhältnisse unmöglih. Ih bemerk: aber wiederholt: neue Hol;shäthte dürfen im Bereiche des hier in Betracht kommenden Oberbergamts in den Steinkoblengruben nit mehr angelegt werden.

Es wird dann die Frage aufgeworfen, warum es gestattet war, an den fradlihen Stellen offenes Lit, d. b. insbesondere Petroleum- lampen zu verwenden. Die Bergbaubehörden kämpfen in allen der Fällen mit der Shwierigkeit, daß jede zur Slherheit der Belegschaft getroffene Maßnahme nicht bloß für den Unternehmer Kosten und Unbrguemlihkeiten \{aft, sondern selbstverständlih au den Arbeitern Schwierigkeiten bereitet. Das offene Licht gibt an sich ein bessert cht; es leu§tet besser, es erleihtert die Arbeit gegenüber dew Grubenliht. Das ift der Grund gewesen, weshalb man gezögert hat, das offene Licht zu verbieten, und ih bemerke bloß, meine Herren: es war an fi nur gestattet an Orten, die, wenn fie vorschriftsmäßig au2gestattet waren, wohl die Verwendung dieses offenen Lichtes alt ¡uläfsig ersheinen lichen. Troßdem ist neuerdings die Frage erwog!! worden, ob man nit auf das Petroleumliht verzichten könne, und diese Frage is wesentli mit RückFsiht auf die inzwischen fortgeshrittene Technik bejaht worden. Man hat also geglaub!. jet dieses Licht in dem von dem Herrn Abg. Brust vorhin mib

geteilten Umfange verbieten zu können, weil man jeßt die Möglichkeit

hat, an Stelle des Petroleums auch andere Mittel hat, die die Ver wendung des Petroleums entbehrlich maten.

Aber man is noch nit dazu übergegangen, das elektrische Lid! vorzuschreiben, weil die Erfahrungen, namentlich auf österreichisdhe Gruben, dahin geführt haben, daß das eleftrishe Licht au cine außrr ordentlihe Gefahr im Gefolge haben kann und es infolgebefsen b? denklich ist, seine Verwendung von vornherein anzuordnen. E also, wie vorhin {on erwähnt worden, nur mit Genehmigung Oberbergamts unter bestimmten Voraussetzungen gestattet.

(Schluß in der Zweiten Beilage.)

M 35.

(Schluß aus der Ersten Beilage.)

Es ift dann von dem Herrn Abg. Brust die Frage aufgeworfen, warum von seiten der Bergbebörden die Rettungsarbeiten fo früh eingestellt wären. Ih bemerke, daß die Rettungsarbeiten gedauert haben vom 13. bis zum 21. Juli, an diesem Tage aber eingestellt werden mußten, weil das Flög 20 zwischen der 5. und 6. Sohle, durch die der brennende Schacht geht, seinerseits brannte, und es mit Rüdck- siht auf das Lehen der bei den Rettungsarbeiten verwendeten Leute niht möglich erschien, fie weiterhin auf der Sohle 6 zu beschäftigen. Das ist der Grund, weshalb- die Rettungsarbeiten nah einer beinahe 13tägigen Dauer eingestellt wurden. :

Es ift dann ferner moniert worden, daß auf der betreffenden Zeche die Rettungsapparate gefehlt haben. Meine Herren, diese Rettungs- apparate sind Sauerftoffapparate, wie sie die Feuerwehren verwenden, und die die Möglichkeit geben, in einem mit Brandgasen gefüllten Raum zu arbeiten. Wir sind bis jeßt nicht in der Lage gewesen, die Verwendung oder das Verhalten derartiger Apparate vorzuschreiben, weil ihre Ver- wendung für diejeni gen,. die fie benußen, unter Umständen mit erhebs liher Gefahr verknüpft ist, und weil die Apparate nur von solchen Leuten angewendet werden können, die darin ausgebildet find, und leiter angewendet werden können in einem einzelnen brennenden Zimmer oder in einem brennenden Hause, das der betreffende Arbeiter sofort wieder verlassen kann, als unter Tage, Es kann also an sich der Grubenverwaltung aus dem Fehlen dieser Nettungéapparate ein Vorwurf niht gemaht werden. Jch bemerke, daß kürzlih bei einem anderen Grubenbrande die Mannschaften, die mit diesem Apparat arbeiteten, verunglückten, weil sie mit der Handhabung nit zustande fommen konnten. Schon daraus erklärt si also, daß eine Anordnung, diese Apparate zu führen, nit bestanden hat und zur Zeit aub nit gegeben werden kann.

Der Herr Abg. Brust hat dann angenommen, daß, wie das auh in der „Norddeutschen Allgemeinen Zeitung“ angegeben ist, von meinem Herrn Amtsvorgänger eine allgemeine Anordnung erlassen worden sei, die Schähte zu befahren. Das ist niht richtig. Eine solche An- ordnung ist seitens meiaes Herrn Amtsvorgängers niht ergangen, sie war au nicht notwendig mit Rücksicht auf die vorhin hon gegebenen allgemeinen Anweisungen, gerade den Holzshächten eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Es ist also nur anzunehmen, daß das Oberbergamt seinerseits, was ih niht weiß, eine derartige Maßnahme für zweckmäßig gehalten hat.

Der Herr Abg. Brust hat dann darauf hingewiesen, daß \{on ein Unglücksfall in der Zeche Zollern, der vor einiger Zeit statt- gefunden hatte, dazu hätte führen müssen, die Verwendung der Petroleumlampen zu untersagen. Ih will auf das Unglück in der Grube Zollern hier niht näher eingehen und bemerke nur, daß nach dem mir vorliegenden Material der Unglücksfall dort zwar mit dur eine offene Lampe hervorgerufen worden ift, aber unter Umständen die an si keine Veranlafsang boten, etwa die Verwendung der offenen Lampen generell zu untersagen.

Der Herr Abg. Brust hat dann endlih an seine Ausführungen den Wunsch geknüpft, die Einrihtung der Grubenkontrolleure möchte geseßlih vorgeshrieben werden. Es ist von ibm selbst {on darauf hingewiesen worden, daß diese Einrihtung auf den staatlihen Zechen des Saarreviers besteht, in der Weise, daß den Mitgliedern der Arbeiteraus\chü}se, die ziemli zahlreich find, gestattet ist, in be- stimmten Zwischenräumen die Zehen in Gegenwart von Beamten zu befahren. Es ist ferner seitens eines meiner Herren Amtsvorgänger vor einiger Zeit veranlaßt worden, daß Untersuhungen darüber statt- finden sollten, wie sich diese Einrichtung au außerhalb Preußens und Deutschlands bewährt hätte. Es hat deshalb eine Kommission sowohl die belgischen“ wie die englishen wie die französishen Gruben bereist und die Ergebnisse dieser Einrichtungen studiert. Da hat sich nun ergeben, daß in England, wo die Einrichtung fakultativ ist, diese Grubenkontrolleure, wenn ih diesen Ausdruck anwenden darf, tatsächlich nur auf einem Teil der Zechen eingeführt sind und dort im großen und ganzen zur Zufriedenheit von Werksbesigern und Arbeitern funktioniert haben; auf anderen Gruben hat man eine derartige Einrichtung nicht getroffen. In Belgien und in Frankreih, wo die Einrichtung obligatorisch ist, lauten die Urteile über die Ergebnisse schr vershiedenartig. Jedenfalls liegt die Sathe so, daß ih zur Zeit Bedenken tragen muß, die Einrihtung dieser Grubenkontrolleure obligatorish zu machen. (Abg. Hilbck: Sehr richtig!) Jch persönli halte sie nah den Erfahrungen im Sagarrevier für zweckmäßig; - ich würde sie, wenn ih Grubenvorstand wäre, auf gefährlihen Gruben unter allen Umständen einführen; aber ih trage Bedenken, eine derartige Einrihtung für den Umfang der Monarchie durch Gesetz festzulegen.

Meine Herren, ih nehme an, daß ih damit in der Hauptsache die Anfragen, die der Abg. Brust gestellt hat, beantwortet habe. Ich wiederhole, meine Herren: es ist von Seiten der Bergbehörden, die ih ja hier vornehmlich zu vertreten habe, alles gesehen, was erforder- li war, um die Ursache des Unglücks zu ermitteln, um die Gerichts- behörden in die Lage zu versezen, die etwa Schuldigen zu verfolgen und ih habe nah Lage der Verhältnisse keinen Zweifel darüber, daß unter allen Umständen eine gerihtliche Untersuhung der Angelegenheit stattfinden wird, vorausgeseßt, daß was ich nah Lage der Dinge allerdings nit annehme die Gerichtsbehörden niht zu der Ueber- ¡eugung kommen, daß die Einstellung des Verfahrens geboten ist, Ih bemerke dann noch, meine Herren, ih werbe alles tun, um die- jenigen staatlichen Beamten zur Verantwortung zu ziehen, denen etwa tatsählih ein Verschulden an dem vorliegenden Falte nahgewiesen werden könnte, und ich werde erneut dafür sorgen, baß gerade der- artige Shachtanlagen wie die vorliegende mit dec äußersten Sorgfalt bon den zuständigen Beamten reytdiert werden. ;

Ih möhhte aber noch einmal wiederholen: die Zustände auf der Zehe „Borussia® waren nit derartig, daß nit für sämtliche Teile der Belegschaft eine Rettung mögli gewesen wäre, wenn nicht aller-

Zweite Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Königlih Preußischen Staatsanzeiger.

Berlin, Freitag, den 9. Februar

hand unglüdcklihe Zufälle dahin gtführt hätten, daß ein Teil der Be- legshaft die erteilten Befehle unrihtig ausführte.

Ih hoffe, daß meine Ausführungen in der Hauptsache dazu |

getient haben, die Beunruhigung, die über die Behandlung der Sache im Lande gewcsen ist, zu beseitigen und in Ihnen allen die Ucber- zeugung zu befestigen, daß von den preußishez Behörden alles getan ist, was nach Lage der Verhältnisse getan werden konnte, um die Ursahe des Unglücks zu ermitteln und die Schuldigen zur Ver- antwortung zu ziehen.

Auf Antrag des Abg. Dr. Dittrich (Zentr.) findet eine Besprehung der Jnterpellation statt.

Abg. Hilbck (nl.): Wir. beklagen mit Herrn Brust das große Unglück. Die Zehe „Borussia* warde 1876 aus einer Aktiengesellschaft eine Gewerksdaft, die anderthalb Millionen zuschießen mußte. Aus der mißlihen Finanzlage ist manches zu erklären. Früher gab es über- haupt feine anderen als mit Holz verkleidite Shächte, allmählich wurden die Schächte tiefer, und das Oberbergamt verlangte deshalb, niht wegen der Feuergefährlihkeit, die Mauerung der Schächte. Das Unglück geshah bekanntlich an einem Montagmorgen in dem Füllort durch das Umstoßen einer Lampe, wodurh das dort auf- gestapelte Holz in Brand geseßt wurde, niht aber, wie Herr Brust meinte, dadurch, daß die Holzvershalung des Shahtes in Brand gerict. Au wir haben es bedauert, daß die Regierung nicht eber eine Auskunft erteilt hat, da doch {hon vom 14. Ok- tober v. I. an fd die Staatsanwaltshaft mit dem Unglück be- faßt hat. Lingit bätte im „Reichsanzeiger“ eine beruhigende Ver- öffentlihung veranlaßt werden können. Ih will mit dem Minister die Schuldfrage heute niht zu entsheiden versuhen, da sie jeßt dem Richter vorliegt. Den Aufsichtsbeamten des Staats trifft jedenfals auch eine Schuld, wenn er die tigung des Glas- gehäuses der explodierten Lampe {hon vorher bemerkte. Es hat leider den Leuten an Ueberblick gefehlt, sons hätten sie den Hydranten rechtzeitig bedienen müssen. Der mißverstandene Befehl zum Rückzug war der zweite Grund des Unglücks. Daß eine Petroleum- lampe, die so hoch hängt, umgestoßen wird, ist jedenfalls auch ein außerordentlich seltener Umstand. Ich komme nun auf das ceterum censeo des Herrn Brust, nämlich die Anstellung von Gruben- fontrolleuren aus dem Bergarbeiterstande selbst. Was hätte das an der Sache geändert? Die heutigen Beamten der Gruben gehen ja im Gegensay zu den staatlihen Aufsichtsbeamten bereits aus dem Bergarbeiterstande hervor. Aber ohne theoretische Kenntnisse ist die Grubenkontrolle überhaupt unmöglih. In England, Frankceih und Belgien haben \sich die Bergarbeiterkontrolleure keineswegs fo bewährt, wie fh die Arbeiter das gedaht haben. In England ist nur der vierte Teil der Kontrolleure den Arbeitern selbst ent- nommen. Aus einer Knappschaftsstatistik von 1904 ergibt sich, daß in Rheinland - Westfalen nur 0,26 9% aller Unglücksfälle auf Mängel des Betriebes zurückzuführen sind. Jn Sachsen ist diese Ziffer allerdings höher, weil es dort zumeist nur kleine Betriebe gibt. Sn Salhsen gibt es eben keine Grubenbeamten, und dort hat man zehnmal so viel Unglüdsfälle. Die shweren Unfälle haben überhaupt nah der Statistik abgenommen. ch fann also den Schluß, den Herr Brust aus dem beklagenswerten Unglüdck zieht, Arbeiterkontrolleure einzuführen, nicht ziehen. A e

Abg. Gold L (fr. Vollsp.): Im Mitgefühl für die Opfer des furhtbaren Unglücks ist das ganze Haus einverstanden. Der Eisenbahnminister hat neulich bei Besprehung des Spremberger Unglücks ofen bekannt, daß jenes Unglück auf eine großartige Be- triebsbummelei zurückzuführen sei. Jch hätte mi gefreut, wenn der Handelsminister ähnliches gesagt, wenn er ofen eine große Betriebs- und Aufsichtsbummelei auf der Grube zugegeben hätte. Der Minister hat aber den Vorgang möglichst milde darzustellen gesucht, damit man um Gottes willen niht darüber empört ist. Es ist ja bekannt geworden, daß auf der Zehe „Borussia“ an derselben Stelle wenige Monate vor- her eine Petroleumlampe bereits explodiert war und eine Entzündun hervorgerufen hatte, daß aber damals ein rashes Ablöshen mögli war. Die Behörde hätte also daran tenken müssen, daß eine solche Entzündung sich hätte wiederholen können. ie Hängestelle der Lampe war so unvorsichtig gewählt, O ein Mann sih den Kopf daran stoßen konnte. In Lüttich sah_ich auf der Aus tellung eine große Sammlung von Gruben- und Sicherheitslampen. Wie kann nah den bitteren hundertjährigen Erfahrungen die Behörde noch offenes Licht in den Gruben gestatten! Es ist keine Ezxtschuldigung, daß die gewe „Borussia“ mit materiellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Leben und Gesundheit der Arbeiter stehen höher als die materiellen Güter. Was macht es vor dem Volke für einen Eindruck, wenn der Minister sagt, die Bewegungsfreiheit der Arbeiter war durh das aufgestapelte Holz in dem Füllort beschränkt! Die Arbeiter in der Grube waren auf die Ausfahrt durh den Luft- sacht angewiesen, der Weg dahin war sehr „weit; die Leitern sollen in \{lechtem Zustande gewesen sein, es sollen Sprofsen gefehlt haben, so daß sih die Arbeiter gegenseitig darauf aufmerksam machten. Der Fall eines Mannes wegen einer solchen fehlenden Sprosse hätte die nahfolgenden mitgerissen. Js es niht Pflicht der Aufsichts- behörde, zu kontrollieren, ob für den Fall eines Unglücks die Arbeiter sich retten können und nicht selbst auf dein Rettungsweg wieder verunglücken können ? Es ist behauptet worden, daß die Berieselung des Schachts niht mehr erfolgt, daß das Holz vertrocknet ge- wesen sei, sodaß, als das Feuer begann, ‘das Feuer rasch auf den ganzen Schacht übergehen konnte. Das wäre nicht möglich gewesen, wenn die Berieselung in Ordnung war. Die „Bergarbeiterzeitung“ hat berihtet, daß das Wasser am Küllort gar nicht vorhanden gewesen sei, daß die Hydranten nicht funktioniert hätten. Der Minister meinte, die Staatsaufsiht könne nicht vorschreiben, daß Sauer]toff- apparate aufgestellt werden. Wenn ein solches Nettungsmittel vorhanden ist, mus es au eingeführt werden. Wenn wir erst im Wege der Geseßgebung jede Maßnahme vorschreiben sollen, brauhte die Staat6regierung nicht aus lebendigen Menschen zu bestehen, dann könnte eine Maschine funktionieren. Jn Lüttih auf der Ausstellung war eine sorgfältige Darstellung eines Bergwerks, da war von Holzverwendung als Stempel keine Mede, sondern dazu waren Mannesmannrohre verwendet. (Widerspruch des Abg. Mee Herr Hilbck hat die Ausstellung vielleiht nicht gesehen.

as helfen alle {nen Apparate, wenn de nicht in Anwendung fommen ? Die Arbeiter mien an der Grubenkontrolle beteiligt werden. Der Minister persönlih meint, daß die Kontrolle in Eng- land sch bewährt hat. Man hat die Grubendelegterten in Frankreich und Belgien geseplich eingeführt. Warum also nicht auch bei uns ? Zögern kann der Minister damit nur, weil ec auf Widerstand bei den Werkbesiyzern stößt, NBersta-\de und seinem Herzen zu folgen. Ein elnfacher Bergarbeiter foll niht die nötigea theoretischen Kenntnisse für die Kontrolle haben, aber die Teilnahme der Arbeiter trägt mindestens en viel zur Beruhigung der Arbeiter bet, ein Moment, das wir ui { unterschähzen dür

ollen si bewähit haben, Dlese Einrichtung ilt allerdings uno an Las, was die Arbelter wünschen, aber warum führt man uicht wenigstens diese Elnrichtung überall eln? Dex Miuister kann das Nesultat der Untersuchung noch nicht an die Oeffentlichkeit bringen.

Keiner von uns wlinscht, daß eln solches Unglück sich wlederholt, aber

aber er hat niht diesen, sondern seinem |

en, Die G inlabene in den [Nat sVen Saargruben |

1906.

eine {nelle Berichterstattung über solche Fälle müssen wir wünschen. Ich hoffe, daß wir zu Grubendelegierten kommen, und diese manches Unglüdck verhüten können.

Minifter für Handel und Gewerbe Delbrü:

Ich habe den Eindruck, daß die Rede des Abg. Goldschmidt fertig war, als ich die meinige begann; sonst würde er meinen tat- \ählihen Ausführungen mehr Gerechtigkeit haben wiederfahren lassen.

Herr Goldshmidt hat mit der Betrahtung begonnen, er hätte es bedauert, daß ich nicht frisch und kräftig wie mein Kollege von der Eisenbahnverwaltung hätte erklären können, hier ist eine grobe Bummelei vorgekommen. Es hat mir \{chon jemand nahegelegt, daß ih mit einer derartigen Betrahtung sehr viel Stimmung für mich machen würde. Ich habe auf diese Betrachtung verzichtet, weil der Fall anders liegt als beim Herrn Eisenbahnminister, und weil ih mi nach Lage der Verhältnisse für verpflichtet gehalten habe, im Interesse aller Beteiligten mih auf eine objektive tatsächlihe Feststellung desjenigen beshräuken zu müssen, was bis jeßt unbestritten ist. Jch habe es für unrichtig gehalten, um deswillen mein persönlihes Urteil über die Schuldfragen abzugeben, weil mir die vollständigen Akten nicht vorliegen sie sind bei der Staatsanwaltschaft und weil die Gutachten von Sachverständigen noch ausstehen und ih es für be- denklih halte, wenn der Chef einer Verwaltung eine Erklärung über Squld oder Unschuld in einem Fall abgibt, den er bis in seine Details nicht übersehen kann, weil die gerihtliche Untersuhung noch nit ab- ges{chlossen ist, und wenn er eine solhe Erklärung abgibt, solange die Gerichte nit gesprohen haben. (Sehr richtig! rechts.) Herr Gold- {midt kann versichert sein, ich werde ihm über alles Auskunft geben, was er wissen will. Jh habe mich überhaupt in der Sache nicht zu verteidigen, wie Herr Goldschmidt vielleiht meint. Herr Goldschmidt sagt: der Herr Minister erkennt selbst an. Jh habe überhaupt nihts anzuerkennen. Jch stelle fest, was sich auf Grund meiner Akten ergibt.

Ich komme auf Einzelheiten, die Herr Goldshmidt zu Angriffen gegen die Regierung, speziel meine Verwoltung gemaht hat. Er macht der Verwaltung daraus einen Vor- wurf, daß auf demselben Füllort, auf dem später der Brand vor- gelommen ist, bereits eine Petroleumlampe explodiert gewesen ist, und daß troÿdem von der Aufsichtsbehörde niht dafür Sorge getragen ist, daß dieser polizeiwidrige Zustand beseitigt ist. Daß diese Petroleumlampe auf dem Füllort einige Wochen vor dem Brand- unglück explodiert if, hat niemand gewußt. Die Arbeiter haben es weder der Bergverwaltung, noch der Aufsichtsbehörde mitgeteilt. Deshalb war die Aufsichtsbehörde außer stande, den Vorgang, von dem sie keine Kenntnis hatte, zum Gegenstand behördlicher An- ordnungen zu machen. (Sehr richtig! rechts.)

Dann hat Herr Goldschmidt die Frage aufgeworfen, warum denn niht die Behörden den Gebrau von elektrischen Lampen an Stelle der Petroleumlampen angeordnet hätten. Herr Goldshmidt hat wahr- \heinlich überhört, daß ih bereits vorhin darauf hingewiefen habe, daß diese Anordnung deswegen nit getroffen fei, weil man über die Ge- fährlihkeit oder Ungefährlihkeit der eleftrishen Lampen in Gruben noch sehr geteilter Meinung ist. Er hat überhört, daß ih unter Bezugnahme auf einen Unglücksfall, der si auf einem öfterreichishen Bergwerk ereignete, darauf hinwies, daß Sachverständige in Oesterreich Bedenken tragen, elektrishe Beleuhtung in den Gruben allgemein einzuführen, weil sie die Feuergefährlichkeit dieser Anlage fürchten. Deshalb wird es wohl gerechtfertigt sein, wenn die preußischen Aufsihts- behörden Bedenken tragen, eine Einrichtung anzuordnen, deren Zweckmäßig- feit und Gefahrlosigkeit für sie nicht außer Zweifel steht. (Sehr ritig !) Deswegen ist auh, wie ich vorhin auch \chon auszuführen die Ehre hatte, in der Polizeiverordnung ausdrüdcklih gefagt, daß elektrisches Licht nur mit Genehmigung des Oberbergamts unter bestimmten Voraussetzungen eingeführt werden kann. Die Einführung des elettris shen Lichts ist also nicht unterblieben aus irgend einer Wsfigkeit der Bergbehörden, sondern weil sie sich nicht davon baben überzeugen können, daß die Verwendung dieses elektrishen Lichtes überall ger-St- fertigt und ungefährlih ist. (Zuruf des Abg. Goldschmidt.) Ja, der Herr Abg. Goldshmidt ruft mir zu, daß es au noch andere Lampen Sicherheitslampen gibt. Das ist richtig, aber diese Sicherheitg« lampen können niht überall verwendet werden, weil fie zu wenig Licht geben. (Sehr richtig! rechts.) In Schähten und Füllörtern usw. bedarf es einer stärkeren Beleuch- tung, und für diese sind die gewöhuliden Sicherheitslampen niht verwendbar. Jh will bloß bemerken, daß dieses ofene Licht au in anderen Ländern der Welt noch sehr viel verwendet wird. J will darauf hinweisen, daß in Oberschlesien das ofene Licht mehr verwendet wird wie in Westfalen. Man kaun für derartige Sachen überbaupt keine allgemeinen Anordnungen geben; denn was an einem Ort unbedenklich ift, ist an dem andern bedenklich, was ih an einem Ort gestatten kann, muß i an einem andern verbieten,

Dann hat der Herr Abg. Goldshmidt moniert, daß die Aufs sichtsbehörde nicht darauf gedrungen hätte, daß die Holzaufstapelung, die die Ursache des Brandes abgegeben hat, nicht beseitigt wurde. Ih habe vorhin bereits die Ehre gehabt, auszuführen, daß dieses Holz in der Nacht, unmittelbar nahdem das Feuer auskam, erst an das Füllort gebraht war. Es war also für den Auffichtsbeamten deim besten Willen unmöglich, von der Aufftapelung diejes Holzes am Füllort Kenutnis zu haben und die Beseitigung dieses Holzes anzu} ordnen.

Dex Herr Abg. Goldschmidt hat daun ferner moniert, daß eine vorschriftsmäßige Berieselung des Schachtes nicht stattgefunden hade, Fe habe bereits vorhin die Ghre gehabt, das Gegenteil festzustellen (Heiterkeit rets.) Die Schachtanlage is mit einex Berieseluigss aulage verseheu gewesen. Wie ich festgestellt habe, ist die Berieselung im Betriebe gewesen. (Schr richtig!) Die Berieselung ist allerdings einige Stunden während der Nacht außer Betrieb gewesen, und fie mußte außer Betrieb gesezt werden, weil au dem Scyahte Reparaturs arbeiten uotwendig waren. Jch habe schon vorhin festgestellt, daß mehrexe Stunden vox dem Brandunglück die Berieselungsanlage wieder