1861 / 143 p. 3 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Nichtamtliches.

Mecklenburg. Schwerin, 14, Juni. Vorgestern wur- den die scit etwa vierzehn Tagen hier stattgehabten kommissarisch- deputatishen Verhandlungen in Betreff der projektirten Verbesse- rungen im Steuer- und Zollwesen durch den Staats- und Finanz- Minister von Leveßow geschlossen. (Mk. Z.)

Sachsen. Dresden, 14. Juni. Die Frau Kronprinzesfin und ge R Sidonie find heute Nachmittag nach Kissingen

erein. {D). 5.)

G Gotha, 13. Juni. Die Frage, ob Jnnungszwang oder Ge- werbefreiheit, ist am Landtag von Neuem zur Anregung gekommen. Die Regierung hat sih im Sinne der Eewerbefreiheit erklärt, in welchem sie einen Geseßentwurf bereits früher ausarbeiten ließ, diesen aber dem Landtag zur Beshlußfassung noch nit hat vorlegen können, weil ein gemeinschaftlihes Gewerbegeseß . für sämmtliche thüringishe Staaten beabfichtigt und die Verhandlung darüber zwischen den betreffenden Regierungen noch im Gange ist,

Hessen. Darmstadt, 13. Juni, Heute erledigte die zweite Kammer die Propofition des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses wegen Erhöhung der Apanage des Prinzen Ludwig auf die Summe von 40,000 Fl, ohne Berathung. &

_ Baiern. München, 13. Juni. Der General-Lieutenant von Lüder is seiner Stelle als Kriegs-Minister enthoben und der Kommandant des Geniecorps, General-Major Moriz von Spies, unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsrathe im ordentlichen Dienste, zum Kriegs-Minister ernannt. Herr von Spies war bis zu seiner im vorigen Jahre erfolgten Ernennung zum Chef des Geniecorps längere Zeit Referent im Kriegs-Ministerium. (N. C,)

DHesterrei{h. Wien, 14, Juni. Das Oberhaus des ungarischen Landtages will noch im Laufe dieser Woche ene Sitzung halten. Wie der „Pesther Lloyd“ meldet, werden die dem griehisch nicht unirten Klerus angehörenden Mitglieder sich an den Berathungen nicht betheiligen, indem sie die Erklärung abgegeben haben, daß sie insolange von der Magnatektafel fern- bleiben, bis ihnen an derselben, entsprechend dem katholischen E die ihrem fkirhlicben Range gebührenden Plähe eingeräumt werden.

Eine Proclamation des Grafen der sächsischen Nation Frei- herrn v, Salmen bestimmt als den Tag der Eröffnung der Natio- naluniversität den 24sten d, M. und fordert die Magistrate auf, durch die verfassungsmäßig zu konstituirende Stuhlversammlung zwei Deputirte zu wählèn, die Gewählten mit dem erforderlichen Beglaubigungsschreiben versehen zu lassen und sie anzuweisen, bis zum bezeichneten Eröffnungs8tage in Hermannstadt zu erscheinen. Als Hauptgegenstände von der höchsten Wichtigkeit für die Nation U das Cirkular die Gerichts8organisation und die Territo- rialfrage. :

Pesth, 13. Juni. Jn der gestrigen Sißung des Unterhauses wurde die Detailberathung in der Debatte über die Adresse durch die Erledigung der Punkte 42, 43 und 44 beendet, Diese stehen im Zusammenhange und lauten:

„Wir müssen auch unsere Stimme erheben bezüglich jener Urkunden, welche die im Jahre 1848 erfolgte Thronabdankung Sr. Majestät Ferdi- nand V. behandeln. Jndem Se. Majestät Ferdinand V. am 2. Dezem- ber 1848 der Kaiserkrone entsagte, gab er nicht eine besondere Urkunde heraus, in Bezug darauf, daß er auch der ungarischen Krone entsage und verständigte auch Ungarn nicht eigens von seiner Abdankung. Die Ab- dankungsurkfunde ist sonach, vom ungarischen staatsrechtlichen Stand- punkte aus, der Form nach mangelhaft, denn Ungarn war nie eine mit dem österreichischen Kaiserstaate vershmolzene Provinz; es besaß eine eigene Krone, eine eigene constitutionelle Selbstständigkeit und der ungarische König hätte nur mit Ungarns Wissen und Zustimmung auf den ungari- schen Thron verzichten können.

Wir legen daher feierlihe Verwahrung. dagegen ein, als könne aus der allgemein gehaltenen Abdankung vom 2. Dezember die Schlußfolgerung pag werden, daß Ungarn eine Provinz der österreichischen Kaiserkrone; esthaltend an- unserer verfassungsmäßigen Selbstständigkeit, protestiren wir auch dagegen , daß jene Abdankung ohne Wissen und Zustimmung der Nation erfolgt ist. Nachdem sie denn aber doch faktisch und unabänder- lih geschehen , wünschen wir behufs künftiger Sicherstellung der Rechte des Landes: Se. Majestät môge bewirken, daß zur nachträglichen Repari- rung des Formfehlers Se. Majestät Ferdinand V. eine Urkunde ausstelle, welche direkt an Ungarn gerichtet sei und in der Se. Majestät Ferdinand V. den Landtag davon verständige, daß er hon am 2. Dezember des Jahres 1848 der ungarischen Krone wirklich entsagt habe. Ferner möge Seine Majestät auch von Sr. Kaiserlichen Hoheit Franz Karl eine gleichfalls an Ungarn gerichtete Verständigung darüber bewirken, daß auch Se. Kaiser- liche Hoheit bereits im Jahre 1848 auf jenes Erbrecht verzichtet habe,

welches nah der S 8 Sr. Majestät Ferdinand V. im Sinne 1

der pragmatischen Sanction ihm zugeftanden wäre.

__ Wir werden diese Urkunden seiner Zeit landtäflih verhandeln; wir wünschen dieselben au in das Geseß einzutragen, damit wenigstens nach- träglih ergänzt werde, was rechtmäßig shon vorher hätte geschehen sollen, dis Mae Uin A R Eg künftiger Ung

, e von der nachtr en Zustimmung des Landta im Geseze selbst keine Spur enthalten sei. E y E

Gabriel Varady heantragt hierauf, diese drei Punkte aus- zulassen und dafür Folgendes zu seßen : „Was ferner die Thronentsagung Sr. Majestät des Königs Ferdi-

nand V. betrifft, so erklären wir jeßt abgesehen davon, wie die hierauf

bezüglichen Dokumente uns uicht in geseßlihher Form und auf legalem Wege mitgetheilt wurden daß bis zur vollständigen Wiederherstellung der im Sinne des V. G.-A. von 1848, durch den Il. Artikel desselben Jahres bezeichneten Organe, der Landtag si nicht in die Verhandlung der erwähnten Dokumente einlassen, und auch über die Thronveränderungs- frage niht äußern. könne.“

Deak bewies, daß diese drei Punkte als gerade die wesent- lihsten der Adresse, beibehalten werden müßten, da durch Aus- lassung derselbeu auch der Grund wegfällt, warum die Adresse an Se. Majestät den Kaiser Franz Joseph gerichtet wird.

Die Abstimmung . nahm unter großer Aufmerksamkeit des Hauses ihren Verlauf, das Ergebniß war anfangs sehr zweifel- haft, öfter standen die Stimmen ganz glei, gegen Ende aber war die Gegenpartei Deaks immer vor. Nach Beendigung machte Präsident Ghyczy das Resultat bekannt. Von 254 Stimmen waren 120 auf die Deaksche Fassung entfallen, während 134 da- gegen gestimmt hatten.

Ghyczy spricht daher als Beschluß des Hauses aus, daß die Deaksche (Fassung diese drei Punkte nicht beibehalten wird.

Der Präsident stellt nun die zweite Frage: wird das Amende- ment Varadyhs angenommen ?

Hier fragt Fr. Deak, was diejenigen thun sollen, welche über diese Frage nicht mitstimmen wollen ? worauf Ghyczy antwortet, daß er nah den Regeln des Hauses die Frage so stellen msse, ¿daß mit Ja und Nein! heantworter wethin fônne, was durch Aufstehen und Sißenbleiben anzuzeigen ist, Wer daher keine dieser Antworten geben will, müßte sih, um nicht gezählt zu werden, entfernen. Hierauf verließ Deak und ein großer Theil der Rechten den Sibungssaal, Der Präsident ließ die Vertreter zählen, und nachdem sih gezeigt, daß die absolute Majorität anwesend war, wurde die zur Abstimmung gestellte Frage wiederholt, Die Majorität nahm das Amendement Vara- dys an. Von 254 Stimmen waren 120 auf die Deak'sche Fassung gefallen, während 134 dagegen gestimmt hatten.

Großbritanuien und Jrland. London, 13. Juni. Der König der Belgier besuchte gestern mit dem Prinz-Gemahl und den jungen Prinzessinnen den botanischen Garten in Regents- park, wo Blumen-Ausstellung und ein großes Fest stattfand. Die Königin ertheilte dem Earl of Cowley Audienz.

M Unterhause wurde gestern die Affirmationsbill, welhe für gewisse Fâlle an-die Stelle des Eides die „Bekräftigung“ geseßt wissen will, zur zweiten Lesung gebracht. Lord Montagu bekämpft die Bill, denn ein ge- richtlicher Eid sei nicht, wie behauptet werde, eine leere Förmlichkeit, son- dern eine feierliche Handlung; die Bezugnahme auf British-Jndien, wo die einfache Bekräftigung in Kriminalfällen zulässig sei, passe nicht hier- her. Sir G. Lewis erklärt sich gegen die Bill, welche auf Leute berech- net sei, denen der religióse Glaube mangle, aber auch allen denen zu Gute kommen würde, welche keinen religiösen Grund haben, die Eides- leistung zu verweigern, jedoch es vorziehen, eine Bekräftigung abzugeben, die weniger bindend sei als ein Schwur. Roebuck bemerkt, daß die religiöse Weihe an fih, wenn fie niht mit der Volksmeinung im Einklang stehe, keine Gewähr für die Wahrheit der Aussage leiste. Walter gegen die Bill, weil dieselbe gegen das Prinzip gerichtet sei, durch welches der Mensch sich vom Thiere unterscheide. Denman führt ein Beispiel an, wo ein Hauptzeugniß gegen einen Mörder verworfen wurde, weil der Zeuge nicht an einen Gott glaubte. Heathcote meint, daß, wenn die Bill durch- ginge, man der vollständigen Abschaffung des Eides nicht mehr würde Einhalt thun können. Der General-Prokurator thut entschiedenen Ein- ens gegen die Bill, und dieselbe wird mit 136 gegen 66 Stimmen ver- orfen.

Frankreich. Paris, 13. Juni, Zu der gestrigen Sizung des geseßgebenden Körpers drehten die Debatten sfich um die Ge- hälter der Professoren am College de France, am Museum und an der Sorbonne. Bisher bezogen die Professoren dieser Anstalten 5000 Franken festes Gehalt; die Regierung beantragt eine Erhöô- hung um 2500 Franken, wogegen der erste Redner Brochant de Vielliers, eine Verdoppelung, also 10,000 Franken, in Vorschlag brachte. Jubinal, der früher selber Fakultäts-Professor war, unter- stühßte diesen Vorschlag mit der Bemerkung, man möge doch au der Aae P ralaRaren in der Provinz gedenken, denn von den 333 Franken 33 Centimen, die ein Professor monatlih be- ziehe, könne er unmögli leben, Zugleih sagte Jubinal der Re- gierung Dank für die Erhöhung der Gelder für gelehrte Gesell- schaften, deren es für alle Zweige des Wissens in Frankreich über dreihundert gebe; schließlich klagte Jubinal, daß die Mitglieder des Jnsftituts, die jährlich nur 1500 Fr. bezögen, nicht belohnt würden, wenn sie, wie sehr oft geschehe, in besonderen Fragen von den Mi- nisterien zu Kommissionen herbeigezogen würden; ja, es gebe in Frankreih freie Akademiker von gelehrtem Rufe, die nur 300 Fr. bezöôgen, So komme es denn, daß z. B. Ballanche nicht so viel hinterlassen habe, daß er davon beerdigt werden fonnte, daß Cha- teaubriand als armer Mann gestorben; der Verfasser des „Génie du christianisme“ habe als Akademiker täglich volle 35 Fr. zu verzehren gehabt, ja, der Herzog von Luynes und Baron Taylor

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hätten als freie Akademiker täglih über 75 Centimes Quittungen ausstellen müssen. Der Vice-Präsident der Kammer, Reveil, sprach ch warm zur Unterstüßung der Jubinalshen Zulage aus. Hier- auf folgte die Annahme des Budgets für den öffentlichen Unter- riht, welches 73,032,548 Fr. beträgt, mit Einstimmigkeit.

14, Juni. Der geseßgebende Körper hat das ganze Bud- get gestern mit 242 gegen 5 Stimmen angenommen,

Der Senat is über die Petition der liller Manufakturisten zu Gunsten ‘der landesverwiesenen Redemptoristen zur Tagesordnung übergegangen. Rouland und Billault hatten für, Kardinal Donnet gegen die Tagesordnung gesprochen. Dem Gerücht gegenüber, daß der Kaiser in Fontainebleau erkrankt sei, meldet der „Moni- teur“, daß Se, Majestät gestern drei Stunden gejagt hat. Der neueste veröffentlidte Monatsbericht der Bank von Frankreich er- giebt cine Vermehrung des Baarvorraths um 19,500,000 Fr. und der laufenden Rechnung mit Privaten um 31,900,000 Fr., dagegen

eine Verminderung der umlaufenden Noten um 31,000,000 Fr.

Der Portefeuillebestand ist unverändert geblieben.

Spanien. Madrid, 13. Juni. Das Geschwader wurde in die Bai von Palma (auf der Südküste von Majorca) geschickt. Der Admiral Pinzon is mit zwei Linienschiffeu nah Tanger in See gegangen, :

talien. Turin, 13, Juni, Die neuen Minister wurden am 13. vereidigt. Am Tage vorher hatte Ricasoli im Abgeord- netenhause, so wie im Sènate Anzeige von der Bildung seines Kabinettes gemacht und scin Programm, das dem wesentlihen Jn- halte nah mitgetheilt ist, vorgelegt. Den Hauptnachdruck legte Ricasoli darauf, daß er mit seinen Kollegen die {were Bürde der Negierung rein aus Pflichtgefühl übernommen habe, Aus diesem Grunde hat man es vorgezogen, nicht weiter in Ratazzi zu dringen, weil ein«Kabinet, in welhem er eine Rolle Übernähme, nicht ganz als treuer Fortführer der Cavourshen Richtung auftreten könnte,

Die Deputirten-Kammer hat den Gesehentwurf in Betreff der Eisenbahn Florenz-Arezzo- Ancona genehmigt. Die Konzession dazu hat Fenzi erhalten, Aus Messina vom 12. d. wird die Ankunft des „Donawerth“ mit Truppen gemeldet, derselbe will sih ver- proviantiren und dann wieder abgehen. Ein Leitartikel der heutigen „Opinione“ weist nach, daß die Allianz mit Frankreich das He!:l Jtaliens sei, während die entgegengeseßte Politik den Untergang Jtaliens herbeiführen würde.

Genua, 11, Juni. Mustapha Pascha ist hier eingetroffen und sofort nah Turin abgereist.

Nizza, 7. Juni. Prinz Napoleon und Prinzessin Clotilde sind heute Mittags hier eingetroffen und haben Abends ihre Reise fortgeseßt. /

Griechenland. Athen, 8, Juni. Die verhafteten Offi- ziere und Civilisten sind noch nicht in Freiheit geseßt worden. Man glaubt, daß zur Konstatirung ciner Vershwörung die gerichtlichen Beweise fehlen werden.

Türkei. Konstantinopel, 8. Juni, An der jüngsten Frohnleicwnaméfeier in der St, Antons - Pfarre in Konstantinopel hat die türfishe Marine-Musikbande auf Befehl des Marineministers in der Kirche Theil genommen, Türkishes Militair begleitete die Prozession. Abermals sind 500 tatarishe Emigranten aus der Krim in Konstantinopel eingetroffen; niht weniger als weitere 15,000 werden erwartet. Jn Konstantinopel is bereits eine größere Anzahl Personen, aus Paris über Wien kommend, einge- troffen, welhe die Reise troß eines 14stündigen Aufenthaltes in Küstendshe in 55 Tagen zurückgelegt hatten.

Das „Journ. de Constantinople“ schreibt:

„Omer Pascha hat die Weisung erhalten, gleih nah seiner Ankunft in Mostar und Bihißa eine strenge Untersuchung der Vorgänge einzulei- ten, in Folge deren die neuerliche Niedermeßelung von 38 Mann irregu- lären Militairs in den Engpässen von Duga stattgefunden hat, Die Ne- gierung hat im Hinblick auf den Umstand, daß auch diese Meßelei das Resultat eines Verrathes is , Omer Pascha ihr schmerzlihes Befremden darüber ausgedrückt, daß man nah den vielen von den Monte- negrinern und den Jusurgenten verübten illoyalen Aften noch so weit ihrem Wort vertraut und funfzig Mann, die einen Lebensmittel - Trans- port esfortiren sollten, einem fast gewissen Tode entgegengeschickt habe. Die Offiziere, welche unter den obwaltenden Umständen den Abzug der Eskorte anbefohlen haben, sollen einer exemplarischen Bestrafung unter- zogen werden. Jn der Armee Derwisch Pascha's hat die Nachricht einen tiefen Eindruck gemacht; die Soldaten verlangten sofort gegen Niksik ge- führt zu werden. 4000 Mann haben den Engpaß durchzogen; Derwisch Pascha hat die Garnison der Festung erneuert, deren Zugänge nun ganz von der türkischen Armee beseßt sind und in der man der Ankunft Omer Pascha's entgegensieht.“ : |

Jskender Pascha ist gestorben. Churschid Pascha und Tahir Pascha werden in die Festung St. Jean d'Acre eingesperrt. Der neue Ueberlands-Telegraph nah Varna wird nächstens eröffnet. Der Justizrath hat die Urtheile über die syrischen Missethäter veröffentliht. Eilf von diesen erhielten lebenslängliche Galeeren- strafe. Die bulgarischen Abgeordneten mit Beschwerden gegen den griechischen Metropoliten wurden von den Ministern empfangen. + Die neue türkische Zeitung wurde suspendirt, und Kiamil Effendi

nah Erzerum geshick, um die Rechnungen des dortigen Ex - Ge- neral-Gouverneurs zu untersuchen, :

Smyrna, 7. Juni. Mohamed Ali Pascha, Bruder des Vice - Königs von Acgypten , is auf der Durchreise nah Konftan- tinope! hier eingetroffen. :

Nußland und Polen. St. Petersburg, 7. Juni. Am 2ten und ten hat der Kaiser in Moskau große Bauern- Deputationen empfangen, die gekommen waren, um ihm für die Emancipation zu danken, Die im Moskauer Distrikte lebenden Fabriksarbeiter und Handwerker úberreihten an diesem Tage, dem Tauftage dcs Kaisers, Brot und Salz auf einer silbernen, sta1k vergoldeten Schüssel resp. in einem Salzfaß. Auf der Schüssel lautete die Juschrifi : Dem Czaren dem Befreier Alexander 1]. Am Morgen des Tages begaben sih die Bauern in die Kirche, wo der Geistliche das Gebet für den Czaren sprach und Brot und Salz segnete; dann gingen sie in cinem langen Zuge, entblößten Hauptes, eine Masse von 10,000 Menschen, 400 Deputirte voran, nah dem Schlosse Alexandria, wo dex Kaiser residirt, und ein 70jähriger Starost sprach für sie. Die Bauern fielen auf die Knie und riefen Hurrah. Dann sprachen sie den Wunsch aus, die Kaiserin zu sehen. Der Kaiser erwiederte, daß sie auf dem Balkon sei, aber da sie die Bauern so von den andern Damen nicht unterscheiden konnten, erschien die Kaiserin später allein auf dem Balkon und wurde mit den gleichen Zeichen der Ehrfurcht empfangen,

9. Juni, Der Kaiser hat ein Arbeits - Statut genehmigt, nah dessen sehr umfassenden Bestimmungen die arbeitsuchenden Bauern oder die, anderen Gemeinschaftcn angehörenden Personen, bei óöffentlihen Staats- und sonstigen Bauten und Unternehmun- gen Beschäftigung finden können, Das Statut soll hauptsächlih dazu dienen, die bei einem voraussichtlich stärkeren Andrang von Arbeitsuchenden möglichen Zwistigkeiten zwischen diesen und den Ar- beitgebern zu begegnen, da nah Aufhebung der Hörigfkeit die ge- genseitige Steliung eine durhans veränderte und beiden Theilen neue geworden ist, Eine Erleichterung bei Durchführung der €in- zelnen Bestimmungen des Statuts biete die hiesige Gewohnheit überdies schon in den herkömmlichen Associationen, den sogenannten Artélen dar, denen sich jeder Russe gern anschließt, da er weiß, u Mitglied einer Gemeinschaft, leihter Schuß und Recht zu

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Warschau, ‘9, Juni. Der „Waäyderer“: von 15: 0. M. bringt das gestern erwähnte Antwortschreiben des Erzbischofs von Warschau an den Grafen Wielopolski, vom 22. Mai d, J. datirt. Nachdem der Erzbischof darin erwähnt hat, daß alle Pfarr- und Klostervorstände von Warschau in der Angelegenheit ven ihm per- nommen seien, fährt er also fort :

Alle versammelten Priester erklärten mir, daß die Lieder, welche das Volk seit den leßten Ereignissen in den Kirchen finge, religiös-patriotischen Jnhaltes find, daß diese Gesänge in den Gebetbüchern abgedruckt sind, daß fie vor dem Jahre 1830 von der Schuljugend an den Hof- und Galatagen gesungen, an Sonn- und Feiertagen von Militairmusiken wäh- rend der Messe gespielt wurden. Die Geistlichen bemerkten überdies, daß das Volk manche Zusäße mache, um dadur seinen Shmerz auszudrücken.

Nach den Berichten eben dieser Geistlichkeit hat das Volk mehrmals in den Kirchen auch noch andere Lieder gesungen, um seine Entrüstung über die traurigen Ereignisse auszusprehen. Nachdem jedoch die Priester darauf aufmerksam machten daß diese Gesänge den Ausdruck der Rache enthalten, unterließ man das weitere Singen derselben.

Ueber meine Anfrage, welche Resultate mein Hirtenbrief und die Ermahnungen von der Kanzel haben würden, erhielt ih von den Priestern die einstimmige Antwort , daß der vom Statthalter beabsihtigte Zweck damit keineswegs erreiht würde; daß solhe Versuche das Volk nur noG mehr aufreizen , eine Mißstimmung gegen die Seelsorger und mich erzeu- gen , das Vertrauen des Volkes zu seinen Priestern dadurch verloren gehen, in Folge davon ihre Lehren mißachtet und zum großen Schaden für die Neligion und das Seelenheil die Ausübung der geistlichen Pflich- ten dadur ershwert werden würde.

Diese Befürchtungen haben sich auch an mehreren Orten bewahr- heitet, wo mehrere Geistliche in den Kirchen das Volk vom Absingen jener Lieder abhalten wollten, denn es wurden ihnen mündlih und dann schrift- lih darüber die bittersten Vorwürfe gemacht. Geduld, meint die Geisft- lichkeit, ist in diesem Falle das beste Mittel. So wie die Gesänge ohne Jnitiative der Priester begonnen, so werden sie auch nah erfolgter Be- ruhigung der Gemüther wieder aufhören, da die hobe Regierung obne Zweifel durch ein milderes Auftreten dies ermöglichen wird. ,

Aus diesen Bemerkungen der Geistlichkeit wird der Herr Haupt- direktor die Ueberzeugung entnehmen, daß meine blos auf moralischer und religiöser Grundlage beruhende geistliche Macht einer offenbaren Gefahr niht ausgeseßt werden darf, daß die Priesterschaft fi nicht der Verun-=- glimpfung, Mißachtung oder nur dem Hasse preisgeben kann, wodurch Religion und Moral zu sehr leiden müßten; daß das Verbot der Gesänge von den Kanzeln erfolglos sein muß: daß die so sehr erwünschte Be= ruhigung der Gemüther nur durch Vertrauen zur Regierung eintreten fann, was übrigens ganz in den Händen der Regierung gelegen ist.

Jch habe das volle Vertrauen zur bohen Einficht und Gerechtigkeit des Herrn Statthalters, daß er als Vertreter des Monarchen hier im Lande eine Spaltung zwischen Volk und Geistlichkeit selbst nicht wünschen wird, welche dur den verlangten Hirtenbrief unfehlbar erfolgen müßte