1906 / 45 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 21 Feb 1906 18:00:01 GMT) scan diff

Wie das „W. T. B.* berichtet, kam der Ministerpräsident Freiherr von Gaut\ch im Laufe der Beratung auf die vorgestrige Debatte zurück und erklärte, man rufe immer die Regierung zum Schuße der österreichishen Interessen an, ohne daß ihr bisher deren geringste Verlegung nahgewiesen oder ein bestimmter konkreter Vor- \chlag gemaht worden wäre. (Unterbrehung seitens der All- deutschen.) Den Alldeutschen gegenüber erklärte der Ministerpräsident, sie seien, das wolle er sagen, troy der ungeheuren Kluft, die ihn in seinen politischen Anshauungen von den Alldeutschen trenne, die einzige Partei, die Konsequenz in ihrer Auffassung zeige, aber diese Tendenz der Alldeutschen gehe nach keiner anderen Richtung, als rah der Zertrümmerung der Monarchie. Der Ministerpräsident wies sodann auf die zu Beginn des Jahres vorhandenen Friedens- bestrebungen zur Sanierung der Situation in Ungarn hin und erklärte, daß in dem Augenblick, wo eine gewisse Klarheit eingetreten, die Regierung zu seinem aufrichtigen Bedauern nicht in der Lage sel die Vorlage, betreffend die Beitragsleistungen zu den gemein» samen Auslagen für 1906, für Anfang März anzukündigen. Was die Zukunft anlange, so verweise er darauf, daß er am 29. De- zember vorigen Jahres tem Hause ein vollständiges Nevisionsprogramm aufgestellt habe. Gegenüber dem Abg. Gr betonte der Minister- véäsident, die Negierung balte noch immer die wirtschaftli*ze Gemein- samkeit, über deren Form \sich gewiß reden lasse, als das für beide Teile natürlihste und vorteilhafteste Verhältnis und erklärte gegenüber dem Grafen Dzieduscycki, daß die Megierung, falls aus ihrer Tätigkeit nihchts anderes resultieren würde, als da die Parteien sich zusammaens{löfen und eine arbeitsfähige Regierung bilden, das als der glänzendste (Erfolg ihrer bisherigen Wirksamkeit zu betrachten sein würde. Zum Schluß seiner Ausführungen gab der Ministerpräsident bekannt, daß er zu der Er- klärung ermähtigt sei, daß der öôsterreihischen Legizlative hinsihtlich der gemeinsamen Angelegenheiten der thr geseglid) zustehende Einfluß in vollem Umfange gewahrt bleiben werde. „Der Reichstag hat daher“, fuhr der Ministerpräsident fort, „niht zu besorgen, dur ein- seitige Verfügungen, die unsere Jnteressen berühren könnten, vor vollendete Tatsahhen gestellt zu werden. Jch bin weiter ermächtigt zu erklären, daß an den erprobten Grundlagen der gemeinsaæzen Armee, die ihren wichtigsten Stütßpunkt in dem durh die Gesetze dem obersten Kriegsherrn zu- stehenden auss{ließlihen echte auf einheitlihe Leitung und Führung und durch alle Anordnungen über die innere Organisation der gemein- samen Armee findet, keine Aenderung eintreten wird. Dies wirb ins- besondere in Beziehung auf die Kommando- und Dtienstsprache der gemeinsamen Armee der Fall sein.“ Nachdem der Abg. Dr. Kramarcz in längerer Rede heftige Angriffe gegen Deutschland gerichtet hatte, erklärte der Abg. Dr. Menger, er wünsche als Anhänger des durch die Erkenntnis der tnnerstea Interessen Desterreißs und Deutschlands auf wirtshaftliGßer Grundlage entstandenen Bündnisses beider Staaten, daß in beiden Ländern eine Politik des aufrichtigen Einverständnisses und gegenseitigen Gintretens für ihre gemeinsam?n Interessen Play g:eife. Der Abg. Dr. Baernreither führte aus, für die auswärtigen Beziehungen sei es notwendig, eine stabile sichere und loyale Politik auf Grund dec Bündnisverträge zu verfolgen. „Niemand“, fuhr Nedner « fort, drntt- heute daran, uns in - Abenteuer zu verwickeln, wie auch wir nit daran denken, uns in [ole verwickeln zu lassen. Für den Minister des Aeußern ist cs eine s{chwere Sache, Politik im großen Stile zu machen kei den traurigen inneren Zuständen hüben und drüben. Machen wir erst im Junnern Ordnung." Der Abg. Freiherr von Morsey sprach sich ebenfalls für Lufrehtierhaltung des Bündnisverhältnisses zum Deutschen Reiche aus. Der Abg. Scchoenerer erklärte, die Alldeutshen seien für die Trennung von Reloi jedoch nur im Wege einer Verständigung mit dem ungarischen

eihstage.

Darauf wurde die Debatte geschlossen und die Sizung auf heute vertagt.

Einer Depesche des „W. T. B.“ aus Budapest zufolge hat der leitende Aus\{chuß der Koalition beschlossen, daß die Mitglieder zu der für heute anberaumten Sißung des Abgeordnetenhauses nicht erscheinen sollen, da die Militär- gewalt das Parlamentsgebäude abgesperrt und erklärt hat, daß die Abhaltung der Sißung verhindert werden würde.

Das ungarische Amtsblatt hat heute eine Mini sterial- verordnung veröffentliht, die den die Grundlage für Handelsverträge bildenden autonomen Zolltarif und die Viehkonvention mit Deutshland samt dem Schluß- protofkoll vom 1. März ab in Kraft sezt. Jn der Einleitung wird darauf hingewiesen, daß die Regierung in der Hoffnung auf Jndemnität zu diesem Schritt genötigt sei, um das Land infolge des Stillstandes der Tätigkeit des Reichstags nicht einer schweren wirtschaftlichen Krisis auszuseßen. Diese Not- verordnung verliere ihre Wirksamkeit, sobald durh den Reichs- tag anderweitige Vorkehrungen getroffen würden.

Sroßbritannien und Jrland.

Im Unterhause wurde gestern nah längerer Debatte, in d.r die Fragen der Chinesenarbeit, der Altersversicherung, dec Arbeits- losen und ter Fiskalreform erörtert wurden, die Beratung der Adresse zur Beantwortung der Thronrede vertagt.

Frankreich.

Jn dem gestrigen Ministerrat verlas der Präsident Fall1ières, der zum ersten Male den Vorsiß führte, eine Bolschaft, die Nachmittags dem Parlament mitgeteilt wurde. Die Botschaft lautet nah dem Bericht des „W. T. B.“:

„Indem die Nationalversammlung mir das erste Amt der Republik übertrug, voa dem der große Bürger mit so edler Einfach- heit zurücktritt, um dem Wunsche der Verfassung zu entsprechen, und den die öffentlihe Meinung in seinec Zurückgezogenheit mit ihren Sympathien und ihrem Danke umgeben wird, legte sie mir Ver- pflihtungen und Verantwortlihkeiten auf, deren Shwere und Aus- dehnung ich mir nicht verhehle. Um meine Aufgabe zu erleichtern, appellicre ih an die Mitwirkung aller Republikaner, ohne übrigens zu vergessen, daß, wenn man mit Männern feiner Partei regiert, dies im höheren Interesse der Nation geshieht, und daß man allen obne Unterschied der Abstammung und des politischen Glaubens ten Schuß sämtlicher Rehte und die Gewährleistung aller Freiheiten {uldet. Die Wahl des neuen Staatsoberhauptes hat sich, wie wohl noch in aller Gedächtnis ist, mit einer Würde und Nuhe vollzogen, die niht nur in Frankrei, jondern auch über unsere Grenzen hinaus Beachtung gefunden haben. Man hat hierin überall den unzweifelbaften Beweis für den Fortschritt unserer politischen Sitten und eine glänzende Kundgebung für die Festigkeit des Negimes gesehen, dem viel {werere Beweise nicht erspart gewesen waren, das aber n3ch fnlunvareiRg Jahren seines Bestehens und w?lches Regime hat nach der Revolution eine annähernd so lange Dauer aufzuweisen? troß “allem heute noch ebenso lebenskräftig und voller Versprechungen is wie je zuvor. Entsprehen Sie dem Ver- trauen und den Gebeten des Landes, indem Sie ihre Bemühungen vereinen, um für seine Sicherheit, feine Größe und seine Zukunft zu wirken, Als ergebene Hüterin unserer Einrichtungen und Gesetze lebt die Armee der Ghre und der Uneigennüpigkeit, und nihts wird sie in der Erfüllung ihrer heiligsten Pflicht der Vorbereitung füc die Ver- teidigang ihres Landes und ihrer Nene stören. Wenn auch jeder Gedanke fern lizgt, daß ihre Stärke eine Drobung gegen irgend jemand bed:uten soll, jo darf dohch niemand an ihre Verminderung denken, da fie das slherîte Unterpfand für die Erhaltung des Friedens bildet. Fn ihrer auswärtigen Politik, die ven Gradheit, Erleuchtung und Mäßigung niht minder aber auch von Festigkeit geleitet wird, gibt da nicht die Republik in ibrer andauernden Treue gegen ihre Freunde und Ver- bündeten ein Beispiel, um welchen Preis sie herzlice Beziehungen mit allen Mächten zu erhalten suht ? Im Innern, wo die öffentliche

Ordnung au bend L Grundsaße des. Gehorsams gegen- über dem Gesepe E Mi ber gütige Genius Frankreihs nach wie

vor die regelre ntwicluna des Handels, der Industrie und des Ackerbaus söcvern; Mle: nachlassen, mit seinem verjüngenden

auch die Wissenschaften und Künste, die gleihsam ein Shmuck der

epublik sind, zu beleben. Die Demokratie, die ebensowenig wie wir ein politishes Zurückgehen will, wird ohne Ungeduld die Abstimmung über die geseßgeberischen Ma nabmen erwarten, deren Beratung beute oder morgen an Sie herantritt und deren verschiedene Anwendungen eines Tages, den wir nahe herbeiwünschen, ebensoviele grundlegende Ele- mente des sozialen Friedens sein werden. Die große Bean der Solidarität, die nach und nah in alle Schichten der Gesellschaft drang, wandte au die“ vom Glück Enterbten der leidenshaftlichen Sorge der Vertreter des Landes zu. In der Welt der Arbeit, die unser Schulunterriht von der Knectschaft der Unwissenheit befreit hat und bei der die Erziehung den Charakter und das Gefühl für individuellen Stolz gefestigt hat, wird man niht unempfängs- lich sein für die Jnitiativmaßnahmen, die gleichzeitig sowohl für Ihre weise Voraussicht wie für Ihr tiefgehendes Gerechtigkeitsgefühl Zeugnis ablegen. Der Augenblick ist ni&t fern, wo man überall be- greifen wird, daß in einem Lande mit allgemeinem Stimmrecht unter einer Regierung der Freiheit man lediglich auf dem Wege der Ver- nunft, des guten Rechts und der Billigkeit zur Harmonte der Jnter- essen in einer moralischen Einheit der Nation gelangen wird. Bis dahin wollen wir als treue Diener der Demokratie ohne Unterlaß daran arbeiten, die Menschheit immer besser zu machen, mit immer tiefer gehendem öffentlihen Gewissen, und wir wollen uns in Treue ps widmen der Sache des Fortschritts und dem Kultus des Vater- andes.“

_JIm Senat wurde die Botschaft des Präsidenten mit Beifall aufgenommen, desgleihen in der Deputierten- kammer von der Linken, während die Nehte sie shweigend anhörte.

Die Deputiertenkammer nahm nah der Verlesung der Botschaft die Besprehung der Jnterpellation Rouannet, betreffend die Verhältnisse in Französish-Congo, wieder auf.

Der JInterpellant behauptete in der Begründung seiner Anfrage, obiger Quelle zufolge, daß in einer Gegend 20 000 bis 30 000 Ein- geborene niedergemaht worden seien, und führte vershiedene Vor- gänge an, für die er die Verantwortlichkeit dem Gouverneur Gentil zuschreibt. Zum Schluß griff er die Politik Gentils lebhaft an und machte es dem Kolonialminister Clémentel zum Vorwurf, ihn zu stüßen. Der Kolonialminister Clémentel gab hierauf Ecklärungen zu ein ggen von dem Vorredner angeführten Vorgängen. Rouanet griff sodann die konzessionierten Gesellschaften heftig an und forderte

, die Veröffentlihung aller Urkunden des Berichts Brazzas.

__— Die Wahlen zur Deputiertenkammer sind vom Ministerrat auf den 29. April und die Stichhwahlen auf den 13. Mai festgeseßt worden.

Rußland.

Im Ministerium des Auswärtigen hat gestern, laut Meldung der „St. Petersburger Telegraphenagentur“,. der Austausch der Natifikationsurkunden des am 29. September 19056 wishen Rußland und Frankreih ab- ¿esloNenet Handelsvertrages stattgefunden.

Jtalien.

Die Regierung hakt gestern dem Parlament ein Grün- buch über die mazedonjshen Angelegenheiten zu- gehen lassen, das 446 DokFnente enthält und sih auf den

eitraum von Januar 190FF@/ Mai 1905 erstreckt.

Die ersten Dokumente behandeln, ,W. T. B.* zufolge, die Auf- stellung des Reformplans für die mazedonischen Wilajets auf Grund der zwishen dem Grafen Lamsd orff und dem Grafen Goluchowski in Wien getroffenen Abmachungen, denen sih auch Italien ans{chloß, das seinen Botschafter in Konstantinopel anwies, die Schritte des österreihishen uad russishen Botschafters zu unterßzüßen. Dieses Vorgehen verfolgte in erster Linie den Zweck, die Gendarmerie unter der Leitung ausländischer Offiziere zu reorganisieren. An die Spiße der Gendarmerie sollte im Einversiändnis mit den anderen Mächten ein höherer italienisdWer Offizier gestellt werden. Am 2. Januar wurde der Pforte gegenüber der General de Giorgis als für die neue Stellung in Aussicht genommen bezeichnet. Die folgenden Dokumente behandeln den Notenaustaush zwischen der Pforte und den Mächten über die MEaua der Gendarmerie- organisation in den einzelnen Bezirken, wobei Jtalien der Bezirk Monastir unter der Bedingung zugeteilt wurde, daß der General de Giorgis seinen Wohnsiß außerhalb des Bezirks nehme. Am 29. März teilte der Minister* Tittoni den Bol!schaftern in St. Petersburg und Wien mit, daß Italien hiermit einverstanden sei. Am 14. August gab der Minister Tittoni den italienischen Botschaftern im Auslande Kenntnis von einer identishen Note Oesterrei - Ungarns und Rußlants, betreffend die gegenwärtigen Beziehungen zwischen dem General de Giorgis und den Zivilagenten der beiden genannten Mächte in Mazedonien. Auf diese Note erwiderte Tittoni in einem Zirkularerlaß an die Botschafter, er erkenne vollflommen an, daß zwishen den Organen, denen die Aufgabe der Beruhigung und der Reorganisation Ma- zedontens zuteil geworden sei, vollständiges Einvernehmen herrschen müsse; das bedeute aber niht, daß die Tätigkeit des Generals de Giorgis einer Ueberwachung irgend welcher Art von seiten der Zivilagenten unterliegen solle. Am 26. Dezember erklärte die Pforte \ih damit einverstanden, daß die Zahl der fremden Gendarmerie- offiziere um 23 vermehrt werde. Die folgenden Schriftstücke betreffen dann das der Pforte von den Botschaftern Oesterreih-Ungarns und Rußlands vorgelegte Finanzrealement.

Das Parlament ist, wie das „W. T. B.“ meldet, zum 8. März einberufen worden.

Spanien. .

__ Die Marokko-Konferenz beschäftigte sich in ihrer ge}trigen Sißung mit der Frage der Errichtung einer marokkanischen Staatsbank.

Nah dem bom „,W. T. B.* übermittelten amtliGßen Kommuniqus wurden zwei Projekte vorgelegt, das eine von den deutschen, das andere von den französischen Delegierten. Bevor man an cine ver- glcihende Besprechung beider L herantrat, beantragte der erste Delegierte Jtaliens, zunächst gewisse Grundsäße festzustellen, nah denen die Bedingungen für Errichtung» und Tätigkeit der Bank zu prüfen seicn. Um diesem Wunshe zu ent- sprehen, erklärte der Präsident, daß er es für gut hbe- funden habe, {hon vor Einbringung jener Projekte einen Fragebogen vorzubereiten, der zur Verlesung gelangte. Der Frage- bogen behandelt der Reihe nah die Errichtung der Bank, die Ver- teilung ihres Kapitals unter die, vershiedenen auf der Konferenz ver- tretenen Nationen, die Operationen, zu denen sie sowohl hinsichtlih des Staatsschaßes, der Ausgabe von Bankbilletten, der Regelung des Geldkurses, als au hinsihtlich finanzieller Unterstüßung befugt sein foll, die sie zur Ausführung öffentlicher Arbeiten leijten könnte. Die Ko ferenz be\chloß, das Präsidium zu beauftragen, für die nähste Sizung und mit Nücksicht auf die Besprehunz der Einzelheiten eine vergleitende Uebersicht der in dem französischen und deutschen Projekt vorgeschlagenen Lösungen der veischiedenen Punkte des Fragebogens aurer es, Bei der Verlesung dieses Fragebogens entwickelte der Bevollmächtigte Pran igs die hauptsählichen Jdeen, die bei der Ausarbeitung des [ranzösishen Projekts obgewaltet haben. Er erinnerte dabei an die Bedingungen, unter denen das im gegenseitigen Einverständnis von Deutschland und Frankrei vorbereitete Konferenzprogramm die Er-

richtung einer marokkanisen Staatsbank vorgesehen hatte, und legte dar daß die künftige Bank aussließlich ein Werkzeug des Kredits sein und keinerlei politischen oder administrativen Einfluß zu Gunsten einer und um Schaden anderer Mächte in Marokko auzuüben traten dürfe, sabe sie stets den von der Konferenz angenommenen Grundsaß der Gleichheit in wirtshaftliher Beziehung achte. Derselbe Delegierte erklärte ferner, es sei angebracht, indem man si gleichzeitig auf einen praktishen und liberalen Standpunkt stelle, die Tatsahe zu beachten, daß ein Kredit Marokkos bisher niht bestand. Der französische Markt sei es gewesen, der einen solhen auf Grund von Anleihen geschaffen habe, die der Sultan in voller Ausübung seiner Souveränität und Unabhängigkeit abgeschlossen habe. Die \o von der französishen Finanz in der Vergangenheit errungene Stellung müsse also künftig ihr Widerspiel und ihren Ausdruck in dex Form ihres Kapitals bei der Bank finden. Unter dem Vorbehalt, diese Tatsache zu formulieren, sehe das französishe Projekt Gleichheit der Mächte bei der Bildung der Bank vor, und dies finde prinzipiell seine Anwendung namentli in der Schaffung eines Diekontkomitees, welches aus den Ver prragent en O keiten des Handels in Marokko zusammengeset sein und die Aufgabe haben folle, festzusetzen, in welhem Maße die Bank ihren Kredit p Handelsunternehmunzgen des Landes, ohne Unterschied der Nationalitäten, öffnen soll.

Die Konferenz beschloß, in der nächsten, für Donnerstag angenen Sizung die Einzelheiten des Bankprojekts zu eraten.

Schweiz.

Der Bundesrat hat, wie „W. T. B.“ meldet, von der

R einen Kredit von 10400000 Fr. beantragt zum Zweck der Vermehrung der Munitions- vorräte. Ferner beantragt er einen Kredit von 2515000 E zur Anshaffung neuer Gebirgsgeschüße und ie Umwandlung der vier bisherigen Gebirgsbatterien zu sechs Geschüßen in sechs neue Gebirgsbatterien zu vier Geschüßen.

Belgien.

Jn der Deputiertenkammer stand gestern die von dem sozialistishen Deputierten van der Velde gestellte Jnter- pellation über den Congostaat auf der Tagesordnung.

Nach dem Bericht des „W. T. B.“ verwahrte s|ch der Inter- pellant in der Begründung seiner Anfrage - dagegen, den Gegen!tand der Erörterung zu einer Parteifrage zu machen. Gs handle si ledigli darum, ob die gegenwärtige Verwaltung8methode des Congostaats dem Interesse Belgiens zuwiderlaufe. Nicht nur in England, fondern überall in der Welt bätten sich Stimmen erhoben gegen die unmensh- liche Ausbeutung des Neger3 am Congo. Der Bericht des Untersuchungs ausschusses habe die Nichtigkeit der bisherigen Anklagen bestätigt. Der im Congostaat vollbrahten Ershließung sei Anerkennung zu zollen, aber von jenen, die diese betrieben, seten Maßnahmen des Schutzes und der Zivilisation zu verlangen. Die Verwaltunsasform sei jedo auf Landraub und Zwangsarbeit gegründet. Der Redner wandte ih heftig gegen das System der Zwangslieferungen, das die Eingeborenen zum Widerstande aufstahle, führte zahlreihe Stellen aus dem Berichte des Untersuhung8aus\chu}ses zur Unterstützung feiner Behauptungen auf und erklärte, der Congostaat habe den Sklaven- handel wieder gestattet, um Polizeimannschaften zu erhalten, aber die \{chwarze Bande hätte |chnell begriffen, daß es angenehmer sei, Jäger zu sein als Wild und sei von felbst ¡ur Polizeitruppe gekommen. Der Congostaat sei verantwortli) für das Ausbeutun ssvstenr, dessen Haupts stüße der Staat selbst, die konzessionierten Gesellshaften und die Kron- domänen seien. Der Redner warf dem Congostaat vor, daß er ein Preß- bureau unterhbalte, das Zeitungen und Journalisten bestehe und von einem Brüsseler Richter geleitet werde. Statt für das Congobudget, würden die Gelder der Krondomänen für Luxrusausgaben verwendet. Der Su Poitaat nehme seine Zuflucht zu Anleihen, deren jeßige Höhe 130 Millionen E und die Belgien eines Tages zurückzahlen müsse. Van der Velde verlas Kundgebungen, die englische und amerikanische Missionare an ihn A hätten, und sprach die Hoffnung aus, daß diese nicht vergeblih sein möhten. Belgien, das die Berliner Akte unterzeichnet habe, habe das Recht, den Congostaat zu übernehmen, sei Mlso nicht mahtlos. Zum Shlufse empfahl der Nedner cine parlamentarishe UntersuGßung über die Organisation der Kolonie im Falle der Anglie#rung an Belgten.

Der Minister des Aeußern Baron de Faverau erwiderte, der

Interpellant {ließe sich dem elenden Verleumdungsfeldzuge in dem Augenblicke an, wo der UntersuGungsaus\chGuß fch dahin ausgesprochen habe, daß der Congostaat den Willen zeigte, Reformen vorzunehmen und volles Licht zu verbreiten. Selbst entschiedene Gegner des Congo- staates hätten der Unparteilihkeit des UntersuGßungsaus\cufses Gerechtigkeit widerfahren lassen, der erklärt habe, daß der Congostaat ein großes Werk vollbraht habe. Der Minister bestritt die Richtig- keit der vom Interpellanten gegebenen Ziffern und brandmarkte den von einer gewissen Presse zum Nußen des Auslandes geführten Vers leumdungsfeldzug.

Hierauf wurde die Fortsezung der Debatte auf Dienstag nächster Woche vertagt.

Amerika.

Das Subkomitee des. Auss{usses des Repräsentantenhauses für den zwishenstaatlihen und ausländishen Handel hat, einer Depesche des „W. T. B.* aus Washington zufolge, beschlossen, dem Kongreß eine Resolution zu unterbreiten, wonach die „Interstate Commerce Commission“ beauftragt werden \oll, etne Untersuhung über die bes hauptete M onopolisierung von Oel und Kohle dur eine Ningbildung von Eisenbahn- und anderen Gesellschaften anzustellen.

Afien.

_Troh des Artikels des english-japanishen Vertrages, der

beiden Ländern eine gleiche Behandlung des Handels gewähr- leistet, sind die Japaner, nah einer Meldung der „Tribune“, eee einen japanischen Zolltarif auf Korea ein- zuführen, der den fremden Handeltreibenden, die Waren direkt nach Korea befördern, ungünstig sein würde. ___— Die öffentlive Aufforderung zur Zeihnung auf die neue innere Anleihe von 200 Millionen Yen zum Kurse von 9 ist, wie ,W. T. B.“ aus Tokio meldet, gestern ershienen. Die An- [leihe ist während der nächsten fünf Jahre unkündbar, dann beginnt die Einlöfung, die sih über die nächsten 25 Jahre erstreckt.

Obwohl die japanische Regierung die in Amerika anscheinend gehegten Befürchtungen eines neuen Volks- ausbru ces eaen die Fremden in China gegenwärtig nicht teilt, soll sie, laut Meldung des „Reutershen Bureaus“, dennoch auf amtlichem Wege die Aufmerksamkeit der chinesischen Regierung auf die Ratsamkeit von Vorsihtsmaßregeln gegen die Entwicklung etwaiger Fremdenheßen gelenkt

aben, Jn Peking herrscht, derselben Quelle zufolge, keinerlei Beunruhigung bezüglich einer Feindseligkeit der Chi: nesen ge en die Fremden. Sämtliche fremdeñ Gesandten seien, obwohl hte politish ein von einander unabhängiges Verfahren beobachten, übereinstimmend der Meinung, daß die dortigen Beamten fowie die Bevölkerung den Fremden persönli niemals freundlicher gesinnt E seien als gegenwärtig. Jn Nord-China bestehe keine fremdenfeindlihe Bewenitaa, die zu Sn greiten führen könnte. Die Unruhen in Kanton und

changhai seien in Peking nicht gespürt worden. Aus der Provinz Lea verlautet, daß Mitglieder der „Großen Messer- Gesellschaft“ eine Anzahl chinesischer Katholiken infolge örtlicher Streitigkeiten getötet haben. i

Afrika.

Wie dem „W. T. B.“ aus Melilla gemeldet wird, hat die Beschießung der Faktorei von Mar Chica durch den Dampfer „Turki“ ernstlihen Schaden nicht angerichtet ; die Faktorei selbst ist von keinem Geschoß getroffen worden.

Nach einer Meldung des „Reuterschen Bureaus“ sind in Sofoto, im Norden von Nigeria, eine Kompagnie Truppen und 5 Offiziere von Fanatikern getötet worden. Zur Unterdrückung des Aufstands sind zwei Kom- pagnien mit 300 O von Lagos dorthin abgegangen. Wie das genannte Bureau erfährt, besteht die gewöhn- liche Garnison Sokotos nur aus einer Abteilung Jn- fanterie des nigerishen Regiments und einer Kompagnie be- rittener Jnfanterie mit einem Maximgeshüß. Es besteht Grund zu der Annahme, daß die Bewegung einen religiösen Charakter habe.

Denis

Parlamentarische Nachrichten.

Die Schlußberichte über die gestrigen Sihungen des Neichstags und des Hauses der Abgeordneten befinden sich in der Zweiten und Dritten Beilage.

Jn der heutigen (49.) Sißung des Reichstags ftand der von den sozialdemokratishen Abag. Albrecht und Gen. eingebrachte Gesehentwurf, wonach in jedem Bundesstaate und in Elsaß-Lothringen eine aus dem allgemeinen, leihen, direkten und geheimen Wahlreht hervorgegangene Volksvertretung bestehen muß, zur zweiten Beratung.

Abg. Herzfeld (Soz.): Unser Antrag rihtet sich haupt}ächlich gegen die deutshen Staaten nördlih des Main, da die Südstaaten den Inhalt des Antrags bereits mehr oder minder verwirklicht haben; er rihtet sich also îim wesentlichen gegen Preußen, Sachsen und Mecklenburg. In Preußen if von der Sozialdemokratie die zweit- hödste Stimmenzahl bei der leßten Wahl abgegeben worden, aber unfere Partei istnicht dur einen einzigen Abgeordneten dort vertreten; in Sachsen haben wir nur einen Abgeordneten, während fast das ganze Land im Reichstage durch Sozialdemokraten repräsentiert wird. Ginge es na dem Recht, so müßte unser Antrag unmittelbar Gefeß werden; aber es handelt #sich hier um Machtfragen. Auch unser Antrag ist nur eine Etappe auf unseren Wege zur Eroberung der politishen Macht; die Parteien die. im Besiße der Macht sind, werden freiwillig ihren Besiß nicht aufgeben. Die ftaatérechtliche p unseres ntrags ift fest- gestellt. Das haben fogar Zentrum und Nationalliberale zu- gegeben, aber die von diesen Parteien gemahten Vorbehalte zeigen, daß man freiwillig nichts von der Macht aufgeben will, die man in den Händen hat. Daß es si lediglih um eine politische Machifrage handelt, hat der Abg. Semler ofen zuge- standen. “Als in ganz Freu die Arbeiter von ihrem ters fasungsmäßigen Recht Gebrauch machten, um in Versammlungen für das allgemeine Wablrecht zu demonstrieren, hat der ge\s{äfts- führende Aus\{chuß der herrschenden Klassen, das Ministerium und sein Chef, der Reichskanzler Fürst von Bülow, Armeekorpvs mobilisiert und damit zu erkennen gegeben, daß es der Wille diefes eshäftsführenden Ausschusses fei, diese Bewegung der rechtlosen

rbeiter in einem Blutbade zu ersticken. Diese Tatsachen reden eine

deutlihere Sprache, als alle Erklärungen, die hier von bürgerlicher Seite abgegeben worden sind. Man hat aber nicht nur die uniformierte, sondern auch die nihiuniformierte Armee, die Staats- anwaltschaft gegen uns mobil gemacht; alle Flugblätter sind befchlagnahmt worden. Tro des Tones, in dem wir reden, hat sh noch kein Richter gefunden, diese Flugblätter zu ver- urteilen; erst gen wurde ein Verbreiter eines solchen Flug- blattes in Glberfeld freigesprohen. Als durch die groß- artige Disziplin unserer Arkeiterschaft die ganze Demonfiration in vollster Ruhe verlaufen war, bekam es gleitwohl im preußischen Abgeordnetenhause ein Mitglied fertig, zu fragen, ob denn niht gegen eine \solche Ersheinung mit der ganzen Strenge des Gesetzes vorge- gangen werden solle, und der Justizminister Beseler erklärte fih damit einverstanden und hat eine ähnlihe Erklärung noch am leßten Sonn- abend abgegeben. Als er diese unglaublißze Prostitution der Justiz vornahm, hat sich kein Mitglied der bürgerlichen Parteien dagegen erhoben. Direkte Anweisung an die Gerichte zu geben, dazu sei er nicht imstande, erflärte der Minifter und Aehnliches erklärte der Fürst Bülow im Herrenhause.

(Schluß des Blattes.)

Das Haus der Abgeordneten seßte in der heutigen (28.) Sitzung, welcher der Justizminister Dr. Beseler beis wohnte, die zweite Beratung des Staatshaushaltsetats für das Etatsjahr 1906 im Etat der Justizverwaltung bei dem Kapitel „Landgerichte und Amtsgerichte“ fort.

Zu Titel 6 (Ausgaben für die Gerichtsschreiber, Rendanten, Amtsanwälte usw.) liegen folgende An- träge vor: : a

__1) von den Abgg. Wißmann (nl.) und Genossen: die Staaisregierung zu ersuchen, möglichst bald die Glei h- stellung der etatsmäßigen Amtsanwälte mit den Polizeiassessoren und Polizeiräten in Rang und Ge- halt herbeizuführen; ; | __ 2) von den Abgg. Mathis a und Genossen: die Staatsregierung zu ersuhen, noch in dieser Session die Gleichstellung der Sekretäre bei den Land- und Amtsgerichten sowie der Staatsanwaltschaft mit den Sekretären der allgemeinen Staatsverwaltung in Nang und Gehalt herbeizuführen.

_ Abg. von Bülow -Homburg (nl.) befürwortet als Mitantrags steller diese Anträge. /

Abg. Faltin (Zentr.): Die Gleichstellung dec Sekretäre der Land- und Amtsgerichte mit den Sekretären der ällgemeinen Staats- verwaltung ist am Widerstande des Finanzmiñisters gescheitert. In seinem Ressort hat der Finanzminister diese Gleichstellung herbei- geführt, und was dem einen Refsort recht ist, sollte auch den anderen Verwaltungen billig sein.

Abg. Audicke (freikons.) sieht in dem Antrage Wißmann eine genügende Grundlage für die weitere Prüfung der Frage in der

udgetkommission. Dort werde insbesondere zu erwägen sein, ob die Gleicbstellung der Amtsanwälte mit den Polizeiräten niht vielmehr den Justizkommissaren anzutragen sei. Auch dem Antrage Mathis stehe seine Partei sympathish gegenüber. i

Aktg. Mathis (nl.): Dem Abg. Faltin möchte ich erwidern, daß wir es nicht als ein Privileg der Zentrumsfraktion anerkennen kônnen, für die Gleihstelung der mittleren Beamten in den ver- shiedenen Verwaltungszweigen einzutreten. Jedenfalls if der im dorigen Jahre auf Antrag des Zentrums gefaßte Bes{luß von der Regierung nit berücksihtigt worden, und in der Meinung, daß das Haus fich dabei nicht beruhigen darf, haben wir diesmal den Antrag auf Gleichstellung der Gerichtsschreiber mit den Sekretären der allgemeinen Staatsverwaltung Ce. Ich hoffe, daß aus der Budgetkommission etwas Positives herauskommen wird, und ftelle den formellen Antrag auf Verweisung der Anträge an die Budgetkommission. n

Justizminister Dr. Beseler: Die Frage der SlGR ellung der Gerichté\hreiber mit den Regierungsfekretären ist auch an mi bereits hHerangetreten, und ih habe sofort Erörterungen im

Ministerium in die Wege geleitet. Ich kann aber nit annehmen, daß der Abschluß dieser Erörterungen fo rasch erfolgen wird daß ih bereits in der Kommission Stellung nehmen könnte. Jch boffe auch meinerseits, daß für die Gerichtsschreiber eine Verbesserung erreicht werden wird, glaube aber niht, daß das. {hon so bald gesehen kann.

Geheimer Oberfinanzrat Halle tritt der Auffafung des Abg. Faltin entgegen, daß im Bereih der Finanzverwaltung eine Aus- nahme gemacht worden sei. Die Aufgaben der Beamten der Finanz- verwaltung seten fast von Jahr zu Jahr ganz erbeblih erweitert worden, während die Funktionen der GeriWtssekretäre seit Jahrzehnten \charf umgrenzt und nit erweitert worden seien. Der Zuschuß, den die Bustizverwallng aus allgemeinen Staats- mitteln erfordere, sei seit 1891 von 64 auf 85 Millionen gestiegen ; die Finanzverwaltung habe also den Bedürfnissen der Iustiz- verwaltung stets in vollsteIm Maße Rechnung getragen. Was die Frage der G betreffe, so bitte er, der Redner die Freunde derselben, die vorjährige Erklärung der Regterung noch einem nachträglihen Studium zu unterwerfen. Ste würden unter anderem daraus erseben, daß die Verwaltungsfekretêre durhweg viel später als die Gerichtssekretäre zur Anstellung gelangten.

Abg. Wißmann (i Mein Antrag bezügli d-r Amtsanwälte hält fi durchaus in etatsmäßigen Grenzen. Die Amtsanwälte rekrutieren ih meistens aus Referendaren, die das zweite Examen niht gemacht haben. Jhr Rang ift der der mitileren Beamten bei den Land- und Oberlandesgerihten. Jbr Gehalt beläuft #sch auf 1800—2400 MÆ, und das erscheint uns denn doh als zu wenig. Die Tätigkeit der Amtsanwälte hat sich_ namentli infolge des Reihs- geseßes vom vorigen Jahre über die Erweiterung der Shöffengerichte erheblich vermehrt. h :

Geheimer Oberjustizrat Fritze: Die Justizverwaltung ist aus dem leßtangeführten Grunde bereits in Erwägungen über etwaige Aenderungen in der Organisation der Amtsanwaltfschaft eingetreten ; aber frühestens im Etat für 1907 werden detailliertere Vorschläge ge- macht werden können. E

. Aba. He ckenroth (kons.): Wir können den Antrag Mathis nur aufs wärmste unterstüßen und sehen in ihm einen Akt der aus- gleichenden Gerechtigkeit. Die Gerichtssekretäre können es nicht ver- steben, daß ein solher Unterschied zwischen ibnen und den Sekretären der allgemeinen Staatsverwaltung gemacht wird. ;

Abg. Keruth (fr. Volksp.) kann dem Antrage Wißmann nur feine Zustimmung geben, regt eine Vermehrung der Amtsanwaltsstellen an und unterstüßt den Antrag Witzmann aufs lebhafteste.

Die beiden Anträge werden darauf der Budgetkommission

überwiesen, der Titel wird bewilligt. (Schluß des Blattes.) :

Dem Reichstage sind die Geseßentwürfe, betreffend die Ueberleitung von Hypotheken des früheren Rechts und betreffend die Aenderung einiger Vorschriften des Reichsstempelaeseßes, wie solhe vom Bundesrat be- schlosen worden find, zur verfassungsmäßigen Beschlußnahme zugegangen.

Kunst und Wissenschaft.

A. F. Der Februarsißung der Anthropologishen Gesell- \chaft wurde mitgeteilt, daß ch in Berlin ein Aktionskomitee zu dem Zweck einer neuen Expedition nach den füdlihen und \südwestlihen Grenzgebieten Brasiliens gebildet hat. Die Expedition soll von dem Ingenieur Wilhelm Heimann (Berlin) geführt werden, der diese Gegenden schon einmal besucht hat. Man hofft bis zur Grenze von Bolivia und in die noch ganz unbekannten Gegenden jenseiis dieser Grenze vorzudringen. i

Von Geheimrat Dr. Olshausen wurden Photographien von griehishen Landleuten aus der Umgegend des alten Mykene vor- elegt. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, daß sich unter ihnen Typen vorfinden, die dem Hermes des Praxiteles ähneln. Von dem- selben Herrn wurden auch vergiftete Wurfspeere aus dem Gebiet des Amazonas vorgelegt. Ihre Spißen sind durch Kappen zum Schuß des Trägers verwahrt. 0 .

Den ersten Vortrag des Abends hielt der Professor Seler über die Beziehungen der mexikanischen Mythologie zur Natur. Eine große Rolle spielen neben Regen-, Feuer- und Pulque- Göôttern (d. h. Götter des beraushenden Nationalgetränkes Pulque also eine Art Dionysos-Dienst) die 400 Mondgötter. Die Dämone oder Symbole des zunehmenden und abnehmenden Mondes mit den kflangvollen Namen: Tejcatlipoca und Quetzalcuatl ftellen die Erneuerung, das Wachstum in der Natur dar. Die Feste der Mondgötter fanden de8halb vorzugsweise im Frühjahr statt. Sie waren von zablreihen Menschenopfern begleitet. Zumeist lieferten gefangene Kriegs\klaven das Material zu diesen grausen Festen. In dem Umstande, daß die Erdgôttin von den Merxikanern als in die Haut der Opfer ge- kleidet dargestellt wird, sieht Professor Seler fast ein Analogon zum goldenen Vlies. Der Mann im Monde ershien den Merxikanern als weißes Kaninchen. Der Professor von Luschan be- rihtete unter Begleitung von Lichtbildern über seine im leßten Sommer unternommene Reise nach Südafrika, besonders über deren anthropologishe Ergebnisse. Er war in Begleitung des Botanikers, Geheimrats Engler - Berlin und des Geologen, Professors Penck-Wien einer Einladung der British Association for the advancement of science gefolgt. Der Bor- tragende konnte seine anthropologishen Studien an 200 Bushmännern vornehmen. Dieser ziemlich aus\{chließlich von Viehraub lebenden Rafse begegnet man aus dem Grunde dieser threr Lebensbeshäftigung fast nur noch in den Zuchthäusern der Kapkolonie. Von einem Indi- viduum gelang die Herstellung eines vollständigen Gipsabgusses, der Phonograph verhalf zur Festhaltung der Sprahe und Musik dieses seinem Untergange entgegengehenden Stammes. Daß er niht ganz ohne Talent ift, bewies die Vorlage von Bildern teils von Menschen, teils von Antilopen, Straußen, Elefanten, die von Bushmännern dur Ausschabung auf Gletschzer- \hliffen hergestellt worden sind. Durch Direktor Busch von d:r Debeers-Mine in Kimberley ist das Museum für Völkerkunde in den Besitz einer Anzahl solher Skulpturen gelangt. Anders, vor allem eine Menge von Steinwerkzeugen, hat der Vortragende felbst an Ort und Stelle erworben und gelegeatlich auh Studien über Totemismus gemaht. Sehr interessant waren photographishe Auf- nahmen von Kaffern in großer Versammlung, von Tänzern und einer Hochzeitsgesellshaft. Nicht za untershägen ift rah den Beobachtungen des Vortragenden die ätbiopische Bewegung mit dem Programm „Afrika den Afrikanern“. Siz gebt von den mit den Negerkirhen Nordamerikas in Verbindung stehenden Kirhen aus. Die Ruinen von Sunbabye und Umtale, die Professor von Luschan besuchte, hielt er in Uebereinstimmung mit Vac Jver niht als von semitischem Ursprung, sondern im Gegensaß zu Carl Peters für Kaffernarbeit. Ueber das Verbreitungsgebiet der hamitishen Sprachen sprach sich der Vortragende sehr ausführlich aus. Er unterscheidet fie nach ihrer Verwandtschaft mit dem Aitägyptischen, dem Bedje, in typish-hamitishe und hottentottische, welche leßtere {h nach ihrem Bau, dem Gebrauch von Prä- und Suffiren, dexr Verwendung der häßlihen Schnalzlaute sehr charakte- ristisch von der anderen Gruppe untersheiden. Unter den vorgeführten Kafferntypen befanden fih einzelne, die europäisches Blut in den Adern zu haben scheinen, vermutlich herrührend von gesfirandeten Europäern, die nach der Ueberlieferung im 17. Jahrhundert an der Küste von Natal bäufig Schiffbruch erlitten haben. Heute gehört cine Vermischung von Europäern und Kaffern zu den Unmöglichkeiten.

Publikum von größerem Interesse.

v. A. Im Künsilerhause hat Emilie Mediz-Pelikan eine große Ausstellung veranstaltet. Ste ist in threr Kunst durhaus abhängig von Karl Mediz, der vor ungefähr Jahresfrist gleihfalls im Künstlerhaus seine phantastisch dekorativen Bilder zur Ausstellung brahte. Nur beschränkt sie sich mehr auf das Landschaftliche und bringt nur ganz selten und dann auch nur als Staffage Figuren in ihre Arbeiten. Aber wie Karl Mediz behandelt sie mit Vorliebe die Gebirgswelt, die öden Gletscher, die Arven mit ihren knorrig- phantastishen Formen, die starren, unbeweglihen Felsen oder sie gibt weite Ausblicke auf das Meer. Bei dieser Abhängigkeit, die fih über die ganze Art der Auffassung, der Technik, ja des geistigen Erlebens erstreckt, ift es erstaunlich, daß die Arbeiten nichts Flaues besißen, fsondern daß ihnen im Gegenteil eine Art von innerer Kraft Chen ist, die wir sonst nur in den Werken selbständig \haffender Künstler zu finden gewohnt sind. Emilte Mediz besitzt zweifel- los eine ungewöhnlich starke, bekorative Begabung. Es f zu bes dauern, daß sie sie nicht zu anderen Dingen verwendet, als dazu, große, phantastishe Landschaften zu malen, die nur unfer R aber niht unser Naturempfinden befriedigen. Die großen Linien und weiten Ausblicke einer fremdartigen Welt stehen uns fern; wären sie zu dekorativen Pren benutzt, sei es im Buhshmuck, in Stickereien oder ähnlichen Dingen, so würden wir fie restlos genießen können. In der Landschaft geht unser Streben immer mehr auf Vorder- grundéfunst, intime Auffassung und reihen Stimmungs8gehalt. Die

arben der Künstlerin find tief, kräftig und harmonisW. Die große Zahl der Bfter untereinander sehr ähnlihen Arbeiten ermüdet den Beschauer.

Das Riesengemälde von Charles Giron „Schwingspiel in den Bergen“ bleibt, troy guter Einzelheiten, als Ganzes doch leer und unbeseelt. Dem Kranz von Zuschauern fehlt die lebendige Wärme, sie fißen gleihsam in erftarrter Unbeweglichkeit, auch da, wo der Künstler Leben in die Gruppen zu bringen versuhte. Daß in dem Saal des Künstlerhauses in dieser auf große Fernroirkung berechneten Niesenleinwand die Ausführung in einzelnen Partien fehr roh er- scheint, ist verständlih. In einem der Größe des Bildes angemessenen Raum würde das fortfallen. In den Nebensälen ift von den Künstlern nur Wilhelm Feldmann zu erwähnen, der einé Anzahl von Land- \schaftsstudien in Pastell gesandt hat. Einfachheit der Auffassung, feine Stimmung und gute Farbengebung zeichnen die Bildhen aus.

Sehr interessante ältere Arbeiten enthält der Salon von Mathilde Nabl. Das gezeichnete und leiht getönte Porträt etner jungen Frau von Menzel aus dem Jahre 1845 ift besonders hervor- zuheben. Es is voll jenes innigen, liebenswürdiaen Zaubers, der die Bildnifse Menzels aus diefer Zeit auszeiWnet. Ferner interessiert eine Maria Magdalena von Lenbach, die aus der jüngsten Zeit stammt und besonders großen foloristishen Reiz besißt. Auch O H. Engel und Wilhelm Hegeler find mit liebenswürdigen kleineren Arbeiten vertreten.

Auch im Salon von Keller u. Neiner ist eine neue Aus- stellung eröffnet. In ftilvoller Umgebung sind Bildnisse von Otto von Krumhaar und Plastiken von Rudolf Marcuse ausgestellt. Beide Künstler vertreten den guten Durhs{hnitt mit anständigem, tehnishem Können und sympathisher Auffassung, ohe daß fie im stande sind, dem Beschauer ein tieferes Interesse abzugewinnen. Immerhin darf man es nicht gering s{hätßen, wenn die Bilder Krum- haars z. B. eine gleihmäßige, gewissenhafte Durchbildung zeigen. Wird er auch dem Menschen, der Persönlichkeit niht gerecht, fo ver- leßt er doch nirgends und bleibt immer vornehm und ges{chmadckvoll.

arcuse stellt Porträtbüsten und kleine Brorzegruppen aus. Es ift die erste, größere Sammlung von Plasliken, die diefec Winter bringt. Die Plastik mehr noch als die Shwarz-Weiß-Kunst ist ein Stief- kind des Publikums und der Kunstsalons.

Ausstellung2wesen.

In Nürnberg wird Mitte Mai cine bayerische Jubiläumss- ausftellung eröffnet, über die Seine Königliche Hoheit der Piuinz- Regent das Protektorat übernommen hat. Der Luitpoldhain biidet das eine halbe Million Quadratmeter große Ausstellungsgelände. Das Ganze ist cin Festplaß in großem Stil. Ein Torbau vermittelt den Zugang zu einem großen Plate, an dessen etner Scite das Hauptgebêäude lieat, während gegenüber fich mit breiten Terrafsenanlagen das Hauptrefstaurationsgebäude ausbreitet. Dazwischen werden alls abendlich, elektrisch durdstrablt, die Wasser einer aroßen Brunnen- anlage aufschießen. Rechts von der Höbe grüßt ein der staatlihen Focstauëstellung dienender Bau berab. In der Fortsetzung der stark au83gesprohenen HauptaWGse liegen zur Rechten die langgest:cckte

Maschinenhalle und die mit dem Kunstgewerbehause verbundene Kunst- halle, während, durch gärtnerishe Anlagen von diesen Gebäuden getrennt, das die Ausftellungen des Staais enthaltende monumezntale

Abschluß bildet das die Ausstellung der Nürnberger Stadtverwaliung fassende Nürnberger Haus mit seinem în altertümlihen Formen gehaltenen Hinterhause. Abgesehen von den bedeutenden Ausstellungen des Staats und der Stadt Nürnberg sowie der Kunft, wird die Ausstellung in 22 Gruppen ¡erfallen, von denen jede für sich geschlofsen auftritt. Getrennt von der Industrie wird das Haxndwerk auftreten und wieder für sich das Kunsthandwerk zur Ausstellung gelangen. Die großen Räume das Hauptindustriegebäude ist gegen 30 000, die Maschinenhalle 9009 und das Staat8gebäude über 15 009 qm groß werden bis auf den leßten Plat gefüllt sein. Die Zahl der Aussteller wird sih auf rund 3000 belaufen. Á l

Literatur.

Auch die 5. Lieferung des 17. Jahrganges der „Kunst unserer Zeit“ (Verlag von Franz Hanfsta-ngel in München; jährlich 12 Hefte zu je 3 4; Einzelheft 4 4) ist Adolf Menzel gewidmet. Das Hest enthält 6 Vollbilder und eine große Anzahl Tertbilder nah Menzelshen Gemälden und Zeichnungen. Unter den ersteren seien trefflihe Nachbildungen des Etsenwalzwerks, der Pro- ¿eifion in Hof-Gastein, des Hirshgebeges im Berliner Zoologi\chen Garten, des Ashermittwoch und des Biergartens in Kissingen hervor- gehoben. Der literarishe Teil enthält den Schluß des Gedächtnis- bildes Menzels von Franz Hermann Meißner.

Land- und Forstwirtschaft.

Die Nr. 2 tes „Tropenvpflanzers“, Organs des Kolonials wirtshaftlißen Komitees in Berlin, Unter den Linden 40, enthält einen Aufsaß von Professor Dr. Hans Winkler in Tübingen über die Kultur des Kokastrauhes, besonders in Java. Der Ver- fasser geht ausführlich auf die Kultur der Pflanze ein, die das wertvolle Produkt Kokain liefert. Zivilingenieur Hubert Boeken schildert in einem mit Abbildungen versehenen Artikel die Kultur- bedingungen der Ramie, einer Faserpflanze, die in verschiedenen Teilen der deutshen Schußzgebiete mit Erfolg angebaut werden fkönzate. Bocken ist der Ansicht, daß der Anbau einer so dankbaren und nütlichen Pflanze, wie es die Ramie ist, vielen Pflanzern bedeutenden Gewinn abwerfen würde. Es sei sehr wahrsWeinlich, daß die Kultur dieser Böhmeria über kurz oder lang eine große Ausdehnung gewinnen und daß ihr Produkt, die Ramiefaser, einen sehr bedeutenden Hand:[3- artifel des Weltmarktes bilden wird. Dec - jeßt besonders wicht:gen Kautschukkultur ist ein ausführlicher Aufsaß von Kurt Busse gewidmet der speziell die NNGALgeN für den Anbau der Ficus olastica in Del (Sumatra) behandelt. Der Verfasser weist auf die B:deutung hin, die dieser Kautschuklieferer für die Kultur hat, und ift der Ansiht, daß neben der Hevea (dem Lieferer des vorzüzlihen Parakautshuks) auch die Ficus bei Kulturanlagen berücksichtigt werden müßte. Jan etnem weiteren Artikel will der Verfasser -auch auf die Kultur der Hevea brasiliensis eingehen. Angesichts der Wichtigkeit der Kautschuk- plantzgenkultur, für die „Der Tropenpfl1in:er* seit vielen Jahren eintritt, erscheinea Artikel, wie der von Busse, auch für das weitere In der ständigen - Rubrik „Koloniale Gesellschaften“ kommen diesmal zur Besprechung - die

Gebäude liegt. Den